1910 / 111 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 May 1910 18:00:01 GMT) scan diff

Ministerium für Handel und Gewerbe.

Dem Lehrer der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in Murg Bernardelli ist der Charakter Professor verliehen worden.

Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten.

Der Abteilungsvorsteher am Chemischen Jnstitut der Uni- versität zu Breslau, Professor Dr. Julius Braun ist zum Mere S Professor in der philosophischen Fakultät der- selben Universität ernannt worden.

Angekommen:

Seine Exzellenz der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten von Arnim, aus Tirol.

Abgereist:

__ Seine Exzellenz der Staatsminister und Minister der öffentlihen Arbeiten von Breitenbach, mit Urlaub nach Harzburg.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 13. Mai.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen gestern nahmittag im hiesigen Königlichen Schlosse die Vorträge des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Infanterie Frei- herrn von Lyncker und des Chefs des Generalstabs der Armee, Generals der Jnfanterie von Moltke entgegen.

Oesterreich-Ungarn.

Der König Franz Joseph empfing gestern, „W. T. B.“ zufolge, den ungarishen Ministerpräsidenten Grafen Khuen- Hedervary, der über die politische Lage Bericht erstattete, in einer Sonderaudienz.

In einer Sißung der slavischen Union teilte der Vorsizende zu der Meldung über die deutsch-thechishen Ver- ständigungsfonferenzen mit, daß der Klub der tschechish-agrarischen Abgeordneten der Union einen Vorschlag zur Lösung - der Nationalitätenfrage in ganz Oesterreich vorlegen werde.

Großbritannien und Frland. _ Der König von Dänemark ist, „W. T. B.“ zufolge, gestern abend zu den Beisezungsfeierlichkeiten in London ein-

getroffen. Rußland.

Jn der gestrigen Sißung der Kommissiow der Reichs- duma a die Finnlandvorlage gab der Sèzialdemokrat Geget s ori, „W. T. B.“ zufolge, nachstehende Eflärung ab:

Die Regierung und die f unterstütende Mehr der Kom- mission hielten es niht für notwendig, ihren prinzipiellen Standpunkt u verfehten, ‘indem sie auf juridishe Beweisgründe nit ‘eingehen, Pater alle Anträge einfach durch Abstimmung zur Entscheidung bringen wollten. Seine politishe Würde als Vertreter der Arbeiter- Flafie gestatte es ihm nicht, Zeuge der zerstörenden Arbeit der Kom- mission zu- sein. 1 era is ;

Der Kadett Miljukow s{hloß sih dieser Erklärung an. Darauf vérließen die Kadetten und die Sozialdemokraten den Sigzungssaal.

Jtalien.

Jn der Deputiertenkammer hat gestern, „W. T. B.“ zufolge, die Wahl der Vizepräsidenten stattgefunden. Gewählt wurden Girardi mit 133 und Carmine mit 110 Stimmen.

Türkei.

Der Ministerrat beriet gestern über die Note der

Kretashußmächte und beshloß nah einer Meldung des „W. T. B.“, von den Botschaftern der Kretamächte Aufklärungen zu verlangen, was sie unter dem status quo verstehen, und ob auch die Eidesleistung auf den Namen des Königs der Hellenen darin begriffen sei. “Jn mehreren Orten wurden gestern Versammlungen abgehalten, in denen gegen die Eidesleistung der Kretenser Protest eingelegt und die Wahrung der türkishen Rechte mit MRaffengewalt verlangt wurde, falls diplomatische Mittel nicht ausreichen sollten.

Der Finanzminister hat in der gestrigen Sißung des Senats die gleiche Erklärung in der Kretafrage abgegeben wie der Minister des Aeußern in der vorgestrigen Kammer- sizung.

Wie das „W. T. B.“ meldet, hat der Kriegs- minister das Generalkommando über die Truppen in Albanien übernommen und sih gestern mit Torgut Schefket Pascha und dem Wali von Uesküb nach Stimlia begeben.

Da die orthodoren Albanesen von Himara, Wilajet Janina, troß Entsendung zweier Bataillone auf Grund alter Privilegien die Steuerzahlung verweigern, wurde ein Torpedo- boot abgeschickt, / das, falls sie binnen 30 Stunden nit nach- geben, ihre Dörfer bombardieren soll.

Afrika. Wie von „W. T. B.“ aus Colomb Bechar gemeldet wird, haite eine Abteilung Spahis bei Tageurt an der Grenze des Tafileltgebietes mit einer Bande Wüstenräuber ein

Scharmügel, bei dem leßtere mit beträchtlichen Verlusten in die Flucht geschlagen wurden.

Nr. 19 der „Veröffentlihungen des Kaiserlichen Gesund- heit8amts* vom 11. Mai ‘1910 hat folgenden Inhalt: Gesund- beitéstand und Gang der Volkskrankheiten. Zeitweilige Maßregeln

N C Q A, T og T - gegen Pest. Desgl. gegen Cholera. Desgl. gegen Gelbfieber. eseßgebung usw. (Deutsches Reich.) Ninderfinne. (Hefssen.) Hebammenschülerinnen. (Hamburg.) Arsteckende Krankheiten.

(Großbritannien. Gilbert- und ande) Butter. Butter _Ansteckende Krankheiten. (Türkei. tontenegro.) Geistige Getränke. (Japan.) Wein. Ti en im Deutschen Reiche, 30. April 1910. Desgl. im ande. Desgl. in der Schweiz, 1. Vierteljahr. E in Großbritannien. Desgl. in den Niederlanden. I. in Norwegen. Verhandlungen von geseß- ebenden Körperschaften. (Hambur 2 Institut für Schiffs- und Tropenkrankbeitet Vermischtes. ( eutshes Reich.) Jahresberichte der Gewerbeauffihtsbeamtef 2c., 1908. (Preußen.) Taubstumme, 1909. Selbstmorde, 1908. (Preußen, Sachsen, Baden, Mecklen- burg-Schwerin, Hamburg.) Geheimmittel. (Oesterreich.) Desgl. (Belgien. Brüssel.) Ser sie 1908. Geschenk- liste. Wochentabelle über die Sterbesälle- in deufshen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgleichen in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutsher Groß- e Desgleichen in deutshen Stadt- und Landbezirken. itterung.

krei.) Weinbehand Ellice-Injeln.) O Cer und Margarine. ( De nig Weinshuß.

Statistik nud Volkswirtschaft.

Zur Arbetterbewegung.

Zur Lobnbewegung der Berliner Brauer val. Nr. 108 d. Bl.) berihtet die „Vos. Ztg.“, daß die Tarifkommission für das Brau- ewerbe nun auch die zweite Lesung des Tarifs beendet und am

onnerstag unter dem Vorsiß des Handelskammersyndikus Oskar Meyer ihre Sclußsizung abgehalten hat. Der Friede im Braugewerbe ist nunmehr gesichert. Die Arbeiterverbände beider Richtungen stimmten den getroffenen Vereinbarungen zu, ebenso der Verein der Brauereien Berlins und der Umgegend. Gestern abend nahmen die Gewerk- vereine dazu Stellung. olgende Erklärung fand einstimmige Annahme: „Die im Verbandhause der Deutschen Gewerkvereine (Hirsch- Duncker) am 11. Mai versammelten Vertrauensmänner des Vereins der Berliner Brauergehilfen und des Gewerkvereins der Fabrik- und Hand- arbeiter für die Brauereihilfsarbeiter erklären, daß die Vereinbarungen der Tarifkfommission sie nicht in allen Teilen befriedigen, daß sie aber mit Rücksicht auf die Gesamtlage des Braugewerbes und die erfolgten weiteren Zugeständnisse die Vertreter in der Tarifkommission er- mächtigen, den Tarifvertrag auf die Dauer von vier Jahren ab- zufchließen.“

Die Zwangsinnung für das Dachdeckerhandwerk im Solinger Industriebezirk nahm, der „Rh.-Westf. Ztg.“ zufolge, Stellung zu dem Kampf im Baugewerbe. Sie bes{chloß ein- stimmig den Anschluß an den Arbeitgeberschußverband für das Bau- gewerbe im rheinisch-westfälischen Industriebezirk und erklärte \ih bereit, sih dem Beschlusse zu fügen, der am Mittwoch nächster Woche in einer Verbandsversammlung der rheinish-westfälischen Dachdecker- meister in Elberfeld gefaßt wird. Auf der Tagesordnung dieser außer- ordentlichen Verbandéversammlung steht nämlih der Antrag auf Aus- dehnung der Arbeiteraus\perrung auf das Dachdeckergewerbe, das bis heute an dem Kampfe im Baugewerbe nicht beteiligt ist.

Am 11. d. M. nabm, wié der „Köln. Ztg.“ gemeldet wird, in Marseille der zehnte Bundeskongreß der Maschinisten und Heizer der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn- seinen Aufang. Es nabmen daran 86 Vertreter von der P. L. M. teil. Die Maschinisten und Heizer der großen Bahnen haben insgesamt sechs Vertreter zu dem Kongreß gesandt. Eine Tagesordnung wurde angenommen, die sih für den Anshluß der Maschinisten und Heizer der P. L. M. an den nationalen und“ internationalen Eifenbahnerbund aus)priht. Die Verhandlungen der Abteilung Marseille mit den geprüften Ma- \inisten der Handelsmarine follen fortgeseßt werden. Die Hilfskasse wurde in eine Kampfkasse mit „gewecfiaftlidem Ziele umgewandelt und s{ließlich nach heftigem Woptkampf p einer Stimme Mehr- beit der Anschluß an den Allgemeinen Arbeitsbund beschlossen.

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Kunst und Wissenschaft.

In der Aula der hiesigen Friedrich Wilhelms-Universität hielt gestern vormittag Theodor Roosevelt vor einer glänzenden Hörer- \chaft eine Nede über Weltfkfulturbewegung (The World Move- ment). Auf den erhöhten Sißen an beiden Längsseiten der Aula, nabe dem Katheder batten die Profefidren im Ornat Platz genommen, Chargierte in Wichs hielten das Podium beseßt. Die vorderen Stuhl- reihen waren für den Hof reserviert, weitere nahmen die geladenen Gâste ein, während die übrige Aula diht von der Studenten- schaft gefüllt war. Unter den Eästen befanden \sih die Herren und Damen der amerikanishen Botschaft, der Staatsminister Dr. von Studt, der Präsident des Reichstags Graf von Schwerin- wit, der Oberbürgermeister Kirschner, der Bürgermeister Neie u. a. Um 114 Ubr wurde unter den Klängen eines. \. Z. George Washington gewidmeten Marsches „Heil Columbia, glückliches Land“ Theodor Noofevelt von dem ältesten Dekan in die Aula geleitet ; bald darauf erschienen, geleitet von dem zeitigen Rektor, Geheimen Negierungsrat, Professor Dr. Erih Schmidt die Kaiserlichen Majestäten, die vorher Herrn Roosevelt {hon im Vorfaal be- grüßt hatten, sowie Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen und Prin- zessinnen Eitel-Friedrich, August Wilbelm, Friedrich Leopold, der Prinz Adalbert, die Familienangehörigen Roosevelts, der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg, der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten von Trott zu Solz, der Unterstaatssekretär Wahn- schaffe u. a. Nachdem die Allerhöchsten Herrschaften Plaß genommen und der Chorgesang beendet war, bestieg der Rektor das Katheder, um die Majestäten und Theodor RNRoofewelt zu begrüßen, auf die geiltigen Bande hinzuweisen, die Amerikas wissenschaftliche Welt und Theodor Roosewelt mit der Universität verknüpften, dessen Persönlichkeit zu feiern und ihm s{ließlich das Wort zu der in Aussicht gestellten Nede zu erteilen.

Hierauf bestieg Theodor Roosevelt das Katheder. In seinen Einleitungsworten gedachte er des bevorstehenden Jubiläums der Universität Berlin und der eigenartigen Gefühle eines Mannes, der von einer noch im Werden begriffenen Nation in ein Land mit unvor- denklicher Vergangenheit kommt, zumal wenn dieses Land mit seiner alten Geschichte dennoch voll stolzen Vertrauens in die Zukunft blickt und in der Gegenwart all die über- shäumende Kraft frober Jugend zeigt, wie das mit Deutsch- land der Fall ist. NRoosevelt warf fodann einen flüchtigen Blick auf die wecselvolle äußere Geschichte des Jahrtausends, das vergangen ist, seit das rômishe Westreich tatsächlich ein deutsches Kaiserreih wurde, bis das große Haus der Hohenzollern emporstieg, das endlich Deutschland in die vorderste Front der Völker der Menschheit einrücken sah. „In dieses Land einer ruhmvollen Vergangenheit und glänzenden Gegenwart, in dieses Land großer Er- innerungen und starker Hoffnungen komme ich als Angehöriger eines jungen Volkes, das mit jeder der großen Nationen des mittleren und westlihen Europas blutsverwandt und doch wieder von jeder verschieden ist, welches von jeder viel ererbt oder erworben hat, aber doch jede Erbschaft und jede Erwerbung in etwas Neues und Fremdes verändert und entwickelt. Der deutsche Anteil an unserem Blut ist groß und ih selbst führe meine Abstammung auf jenen Zweig der Niederdeuts{en zurück, welcher Holland aus der Nordsee empor gehoben hat. Und noch mehr, wir haben von Ihnen nicht nur einen großen Teil des Blutes, das durch unsere Adern rinnt, entnommen, sondern au einen großen Teil der Gedankenwelt, und dank der. vorausshauenden Weisheit Seiner Ma- jestät des gegenwärtigen Kaisers ist das innige und freundschaftliche Verhältnis zwischen beiden Ländern jeßt in jeder Beziehung enger, als es je zuvor war“.

Sodann ging der Redner auf sein eigentlibes Thema die „Welt- fulturbewegung“ über. Dér Gedankengang seiner Ausführungen war etwa folgender: In - unendlih kleinen Stufen hat sih der Mensch durch die unteren Grade der Tierähnlihkeit vorwärts ges{oben und

gekämpft. Die ersten Kulturen, von denen wir unzweideutige Zeug- nisse besißen, entstanden in Mela otamien und im Niltal etwa vor sechs- bis achttausend Jahren. Soweit wir es be- urteilen können, waren es fast gänzlich isolierte Mittelpunkte fultureller Entiwicklung; ihre hervorragendsten Eigenschaften sind ihre Zeitdauer und ihre vergleihsweise Starrheit. Mit dem Zu- sammenbruh dieser alten Kulturen rückten die Völker in den Vorder- grund, mit denen unsere eigene Kulturgeschichte gewissermaßen beginnt : die Juden, die Griechen und die Römer. Die griehts{-römishe Welt erlebte eine bei weitem glänzendere, mannigfachere und intensivere Kultur als irgend eine ihrer Vorgängerinnen. Zum ersten Male be- gun da etwas, was wenigstens eine Weltbewegung andeutete. Diese

ultur beeinflußte direkt oder indireft die gelamte Menschheit von der Wüste Sahara bis zur Ostsee, vom Atlantischen Ozean bis zu den westlichsten der vom Himalaya auslaufenden Bergketten. Sie war De e ima \{hnellen Aenderungen unterworfen und ging nah verhältnismäßig kurzer Zeit unter. Es dauerte Jahrhunderte, bis die Bewegung von neuem begann; ein volles Jahrtausend verging, bis sie wieder in vollem Fluß war. Vor etwas über vierhundert Jahren wurde die unterbrochene Bewegung in der Richtung auf eine Welt- fultur von neuem aufgenommen, als die Erfindung der Buchdruerkunst und die Reihe von kühnen Seeabenteuern, welche in der GEntdeckung Amerikas C ihre volle Uag. auf das materielle und in- telleftuelle Leben auszuüben begannen. Seitdem haben, Jahrhundert für Jahrhundert, die Aenderungen an Schnelligkeit und Kompliziertheit zugenommen und in dieser doppelten Hinsicht im leßten Jahrhundert ihren Höhepunkt erreiht. Heute übt die europäische Kulturart fo ziemli auf die gesamte Welt eine mehr oder minder tiefe Wirkung aus. Jett ist die gesamte Welt so eng miteinander verbunden wie nie zuvor; das Band besteht manchmal mehr aus Haß, denn aus Liebe, aber es besteht. Ob gern oder ungern, heute muß jeder Mensch, der in der Welt der Gedanken oder auf dem Gebiet“ des Handels eine führende Stellung einnimmt, über die Grenzen seines engeren Vater- landes binausblicken. Zum Guten und zum Schlimmen sind die Völker der Menschheit enger denn je zuvor miteinander verbunden, Dampf und Elektrizität haben unserer Nasse die Herrschaft über Land und Wasser gegeben wie nie zuvor, und zurzeit steht die Eroberung der Luft unmittelbar bevor. Wie Gedanken für alle Zeiten in Büchern niedergelegt werden, so lassen Telegraph und Telephon den Raum vershwinden. Die Fortschritte des leßten Jahr- hunderts oder der leßten beiden Jahrhunderte erstrecken sich auf weitere Gebiete, als jemals vorher in der gesamten Geschichte der mens{chlihen Rasse ershlossen wurden. Die Fortschritte im Bereih des reinen Intellekts sind von gleicher Bedeutung gewesen, und ebenso sinnfällig ist das Spiel der neuen Kraäste in der moralischen und religiösen Welt. Kräfte des Guten wie des Bösen treten überall hervor, jede mit hundert- oder tausendfach ver- mehrter Intensität gegen die früherer Jahrhunderte wirkend. Die gesamte Weltkulturbewegung nimmt beständig an Geschwindigkeit zu. In dieser Bewegung gibt es Anzeichen von vielem, das Uebles verheißt. Die einzige frühere Kultur, mit welcher unsere beutige verglichen werden fönnte, ist jene Periode der griehisch-römischen Kultur, die sih von dem Athen des Themistokles bis zum Nom des Marcus Aurelius erstreck. Bildung, Luxus und Raffinement, große materielle Güter, großer Landbesig, Zunahme in der Meisterung mechanischer Hilfsmittel und angewandter Wissenshaft das find alles Kennzeihen unserer Kultur, wie sie Kennzeihen der wunder- vollen Kultur waren, die vor zwanzig Jahrhunderten an den Ge- staden des Mittelmeers blühte, und sie gingen dem Zusammenbruch der älteren Kultur voraus. Doch auch die Unterschiede sind zahlreich. Die einzige Tatsache allein, daß die alte Kultur auf Sklaverei basierte, zeigt die weite Klust, die zwischen beiden gähnt. Sodann ist eine der Hauptgefahren jener Kultur ‘stets ihre Tendenz gewesen, einen Ver- [lust an männlichen Kampfeigenschaften, an Kampflust herbeizu- führen. Allmählih verweigerten die Bürger den Heeresdienst oder sie wurden untauglih" zu rihtigem Dienst. In unseren modernen Zeiten ist das gerade Gegenteil der Fall. Heute ist im wesentlichen jede Armee eine solhe aus Landeskindern, und der Söldner fast ganz verschwunden, während die Armeen selbst weit stärker find als Ie. zuvor. Ein dritter starker Gegensaß is in den Beziehungen zwischen Reichtum und Politik zu finden. In den klassishen Zeiten, als fih die Kultur ihrem Höhepunkt näherte, wurde die Politik ein anerkanntes Mittel zur Erwerbung großer Reichtümer. Heute würde es buchstäblich einen Weltskandal geben, wenn einer das tun wollte, was ein rômisher Prokonsul als mäßig betrachtet haben würde und was fogar in der englischen Kolonialverwaltung vor anderthalb Jahrhunderten nicht als ungewöhnlich gegolten haben würde. Im ganzen find die großen Staatsmänner der leßten Generation entweder Männer von geringen Mitteln oder, wenn sie reih waren, solche Männer gewesen, deren Reichtum dur ihre Teil- nahme am öffentliGen Leben eher vermindert als ver- mehrt worden ist. Sollen auch wir. den Weg der ‘alten Kulturen gehen? Wir dürfen niht sicher sein, daß die Ant- wort verneinend lauten wird; aber dessen können wir ficher sein, daß wir nicht untergehen werden, es sei denn, daß wir unfer Ende verdienen. Ich perfönlich glaube nicht, daß unsere Kultur untergehen wird. Ich glaube, daß wir im ganzen besser und nicht \{limmer geworden sind. Aber ficherlih werden \sih die goldenen Ruhmesträume der Zukunft niht erfüllen, wenn wir fie niht mit hochgemutem Herzen und mit starker Hand, B unser eigenes tat- kräftiges Handeln zur Erfüllung bringen. Wir bedürfen zuerst der hausbackenen, alltäglichen Tugenden. Wenn der Durchschnittsmann nicht arbeiten will, wenn er in sich nit den Willen und die Kraft hat,

ein guter Gatte und Vater zu sein, wenn die DurWhschnittsfraun

nicht eine gute Hauéfrau ist, eine gute Mutter vieler gesunder Kinder, dann wird der Staat untergehen, gleihgültig, wie glänzend seine künstlerishe Entwicklung oder seine materielle Leistung ist. Dazu muß jene Organisationsfraft hinzukommen, jene Fähigkeit, ge- meinsam zu einem gemeinsamen Ziel hinzuarbeiten, welche das deutsche Volk im legten halben Jahrhundert in so hervorragender Weise ge- zeigt hat. Aber die Nahrung des Geistes ist noch wickchtiger als die des Leibes. Unsere Dankes\huld an die Männer der Wißjenschaft ist unberehenbar. Nie haben Philanthropie und Humanität eine solche Entwicklung wie heute gesehen. Ein ungerehter Krieg is zu ver- abscheuen; aber wehe der Nation, in welher der Durch- shnittsmann den Kampfesmut verliert, die Kraft, als Soldat zu dienen, wenn der Tag der ‘Not heran- kommen follte! Man kann von einer Kultur träumen, in welcer Moralität, ethishe Entwicklung und ein aufrichtiges Gefühl der Brüderlichkeit sih frei halten von falsher Sentimentalität und von den häßlichen und üblichen Leidenschaften, die so oft die Beteuerungen von sentimentaler Verehrung der Menschenrehte begleiten, einer Kultur, die eine hohe materielle Entwicklung erzielt ohne Unterordnung des Geisligen und Seelishen, aufrihtiges Verlangen nach Frieden und Gerechtigkeit ohne Verluft jener männlichen Eigenschaften, obne welhe feine Friedensliebde oder Gerechtigkeit einer Nation etwas nüßt, die vollste Entwicklung wissenshafiliher Forschung ohne den Wahn, daß - Intelligenz je den Charakter er- sezen*% kônne denn vom- Standpunkt der Nation sowohl wie des Individuums ist Charakter das eine vitale Besißtum. Sließlih sollte diese Kulturbewegung, deren Pulsschlag jeyt in jedem Winkel der Erde gefühlt wird, die Völker der Erde zusammen- bringen. Aber der gute Bürger muß zuerst ein guter Bürger seines eigenen Landes sein, ehe er mit Vorteil ein Bürger der ganzen Welt werden fann. Jh wünsche Ihnen Gutes. Ich glaube an Sie und Ihre Zukunft. Ih bewundere die außerordentliche Größe und Mannig- faltigkeit Jhrer Errungenschaften auf so weiten und so vielen Ge- bieten; und meine Bewunderung und meine Anteilnahme sind um fo größer, weil ih so fest an die E iuzibiangen und an das Volk meines eigenen Vaterlandes glaube.

Nachdem Theodor Roosevelt geendet hatte, kündete der Rektor Professor Dr. E. Schmidt an, daß die Universität Noosevelt ihren Dank für die eben gehörte Rede in der Verleihung der Würde eines Ehrendoktors der philosophishen Fakultät abzu- statten, beschlossen habe.

Dekan der philosophischen Fakultät, Geheime Regierungsrat, Tor Dr. Roethe überreichte sodann mit einer die Verdienste for erten ffizzierenden Ansprache diesem das Doktordiplom, f der Rektor, Geheimer Regierungsrat, Professor Dr. E. “idt ein Hoh auf Ihre Majestäten ausbrachte, in das die An- n begeistert einstimmten. esang {loß den Festakt. : ‘lm Abend folgte Theodor Roosevelt einer Einladung des Reichs- rxs Dr. von Bethmann Hollweg zu einem Herrenabend.

er prähistorishen FaWhsißung der Berliner Gesellschaft F bropologie am 4. d. M. spra zuerst Herr Hermann sfe über Hocker- und Brandgräber fowie Wohngruben vem großen Reiherwerder im Tegeler See, Kreis „harnim. Die genannte Fundstätte ist die größere von zwei In gleichen Namens am Nordwestende des Tegeler Sees, die in fer Zeit durch Aufschüttungen zu Halbinseln geworden E en Aufschüttung8arbeiten fand man wiederholt Aschenreste, Ton- fen und anderes, zu deren Besichtigung vor längerer Zeit {on Vortragende Einladung empfing. Er fand die forgfältig „melten Kulturreste aus Tierknochen, faustgroßen, vom Feuer ge- :rzten Steinen, einigen fleinen Feuersteinen ohne Spuren der cheitung oder Verwendung dur Menschenhand, eine große hgt Tonscherben und einen etwas ausgehöhlten Mablstein (40 auf em) nebst fu eligem Reibstein (14 em im Durchmesser) bestehend. : interessanteste Fundstück ist die Hälfte einer hartgebrannten {chwach- digen, SIE E größe e c G Sea ertifale Furchengruppen f r find. Andere Urnenscherben wi iémale borizontale Hals- und schräge breite Bauchfurchen. ige feingerißte Stückte scheinen von einem Becher herzurühren. steinzeitliches Ornament erinnert ein größeres Henkelstück mit „elmäßig tiefen Rißen. Andere Scherben zeigen sis gerauht, : ganz ohne Verzierung. Da auf der benahbarten In]el Scharfen- “hnliche Dinge gefunden worden sind, wurde der Reiherwerder 1: durch Grabungen durforsht. Der Vortragende wohnte auf ‘adung des Besißers diesen Arbeiten bei. Die Aufgabe wurde so führt, daß immer Streifen von 1 m Breite und 2 m Tiefe ochen wurden. In der hierbei entstehenden, 2 m hoben senkrechten d ließen ih deutli von dem helleren sandigen Erdboden grell hende, 1—14 m breite schwarze Stellen erkennen; ihnen waren [die anfänglich gesammelten Kulturreste entnommen worden. Schon berflächliche Besichtigung solcher Stellen belehrte den Vortragenden her, daß es si wahrscheinlich um Wohngruben oder Gräber handle. on am ersten Tage der Anwesenheit des Vortragenden bei den iten konnten zwei solher Stellen untersucht werden. Später e auf Anordnung des Besißers stets so verfahren, daß, wo immer Arbeiter größere {warze Stellen fanden, sie diese als Erdkegel “eiterer Untersuhung durch Herrn Busse stehen lassen mußten. Befund dieser shwarzen Stellen, der Kürze halber im folgenden uben" genannt, bietet viel Interessantes: Grube 1, rund, mit n oberen Durhmesser von 120 ecm, einem unteren von 100 ecm, Tiefe von 210 cm, zeigte unter dem oberen Graswuchs eine m mächtige hellere Sands{icht, darunter eine etwas dunkel ge- e Erde mit wenigey ges{chwärzten faustgroßen Steinen und eren Tonscherben. Dann folgten in der Tiefe von 1 m eine nur em starke harte rôtlihe Schiht über einer dunkler gefärbten, i§erben reihliher enthaltenden Schicht. Unter diefer war die : ganz schwarz und fühlte sich fettig an. Hier fanden si zwei xe, \hräg stehende Tongefäße, an der härteren, {chwarzen Erde anhaftend, die bei dem Versu der Ablösung zerbrahhen. Es ie nur noch festgestellt werden, daß die Stücke des einen Gefäßes 1 dünnwandigen, einhenkligen Topf angehörten, Mündung etwa m, größte Weite 23 cm, Höhe 24 cm, Verzierungen nit fichtbar. Inhalt des Topfes bestand in sehr fester s{chwarzer Erde. Das {e Gefäß, etwas größer, dickwandig und gerauht, lag als Deel das erste gestülpt. Unter den Töpfen folgte eine 15 cm starke i4t s{chwarzer Erde und darunter als Abschluß der Grube wiederum feste rote Schicht, diesmal von 5—7 cm Mächtigkeit und be- bend fester als die entsprehende 14 cm mädhtige obere Schicht. he 2, nur wenige Meter von der ersten entfernt, zeigte } dieselbe Beschaffenheit. Es fanden sich aber zwei Feuer- t, de N T onge ia ware B Serben, Arape een deshalb nicht mehr feststellen. Es wurde nun der Ver- gemaht, die Gefäßreste enthaltenden Bodenklumpen am h \harf zu trocknen. Es gelang; die brölige Erde ließ sich dann t abtrennen, und es kamen zwei fleine Henkeltassen zum Vorschein. je wie die Scherben der größeren Tongefäße, die ebenso von der oftenden Erde befreit worden waren, zeigten vertifkale, {räge und ¡ontale Furhengruppen. Ein weiteres, wichtiges Ergebnis brachte Dfentrocknung. Die getrockneten, nun leiht auseinanderfallenden ai L E das sichere Den, s E en Brandgräber darstellten. Der Vortragende hat in der en gründlihen Art im ganzen 12 Gruben sorgfältig unter- Neun davon ergaben \#ch als im wesentlihen mit den ben 1 und 2 übereinstimmend, somit als Begräbnisstätten; drei als Wohngruben anzusprehen. Auch mehrere vom Kommerzienrat Borsig und von seinem Obergärtner Quart persönlih vorgenommene rsuhungen von Gruben ergaben ähnlihe Resultate, nur zwei davon en von ganz besonderer Wichtigkeit ; denn sie enthielten über- nd in der unteren \{chwarzen Erd\hiht menschliche ette. Die eine derselben lag von Grube 2 nur 15 m ernt. Aus ihr wurden in Tiefe von 220 cm zwei Menschen- del, zwei Armfknochen und mehrere kleinere Knochen zutage dert. Noch interessanter -war die zweite der \keletthaltigen den; denn sie barg ein vollständiges menschliches Skelett. In der è bon 170 cm wurde ein menschlihes Skelett auf dem Rücken nd, in Hockerlage, gefunden, der Kopf lag abgebrochen 15 cm Rumpf entfernt. Nach völliger Freilegung wurde das Skelett “fa Die Bee eres gekreuzt er die Bruii berouf gen, ie Knie erührten die Schulter, er rechte i lag gekrümmt an der - rechten Körperseite, das ät scheint einem starken Manne angehört zu haben. Bergung des Skeletts bereitete einige Schwierigkeiten, sie gelang, n man den ganzen Erdklumpen aushob. Tonscherben und Tons (hen (vielleiht Perlen?) waren auch in diesem Grabe in Menge inden, die Scherben gehöcten einer größeren Anzahl von Ge- y einem dickwandigen Topf und Tassen mit und ohne einfache jierung an. Auch einige kleine Tierknochen und Feuersteinsplitter en sich vor. Mit Genehmigung des Kommerzienrats von Borsig das Skelett dem Märkischen Provinzialmuseum überwiesen und „in der vorgeschichtlihen Abteilung in einem Glaskasten estellt worden. In verschiedenen s{chwarzen Stellen fanden dann noch viele interessante Gegenstände, vor allem slahes Stück Bronze (Bruchstück), 5 cm lang, 3 em H mm dick, an einer Seite ges{ärft, an der anderen lid abgebrochen, mit glatten Flächen ohne jede Verzierung. ehâdigt ans Licht gezogen ist davon nur ganz weniges. terrinenförmige, stark ausgebauchte Urne, deren Inhalt Sia E Ae Mou hen „BEE di A chZmahtelhalms urchwachsen, eine fonishe Tasse, etn Pes aus sehr hartem, grauem Granit mit glatt gescliffener, b tener Schneide. Unter den zahllosen Scherben sind außer mger tretenen Furchenverzierungen einige bemerkens8wert, die durch R angebrahte Fingerspißeneindrüdcke verziert sind. Alles und Se ere Ornament beschränkt sih aber auf die hon angeführten Sligo Furchengruppen. Es berührt {on als ein Fortschritt, Lndi ite otiv an gewölbten Stücken einmal fonzentrisch an- bis av die Furchen \sich gitterförmig freuzend zu finden. quf ck, meisten Scherben sind ganz satt. Die Gesamtzahl Besiger auf 79-100 gef i drs dane bivarzen Erdstellen wird Not Far, AUf (9— ge]cWaBßt. e ride: , begdung der Eder Funde wird zunächst die Tatsache vis daß sih auf demselben Grund und Boden hart neben- iht und anscheinend unter den gleichen äußeren Verhältnissen, nahezu gleizeitig angelegt, Brandgräber neben Gräbern

Leichen unverbrannt beerdigt wurden. Daß Bestattungen von E. in vershiedenen Hockerlagen in fast allen Ländern der Erde vorkommen, isst be- fannt. Welche Gründe für die Beiseßung in Hoerstellung ursprünglih maßgebend gewesen find, ist strittig. Andree glaubt, die Absicht sei gewesen, die Leiche in dieser Stellung stark zu fesseln, um die \{hädlihe Wiederkehr des Toten aus dem Grabe zu verhindern. Jedenfalls muß bei dem Hocker vom Reiherwerder eine äußerst starke Shnürung der Gliedmaßen erfolgt sein, sonst könnte er unmöglich die oben beshriebene Lage einnehmen. Das Nebenein- andervorkfommen beider Bestattungsarten, übrigens im westlichen Teile der Provinz Brandenburg aus neolithischer Zeit auch an anderer Stelle beobachtet, bildet einen Fingerzeig für die Zeit, aus der die Funde vom Reiherwerder stammen, nämlih nah Maßgabe der Laanieen und des vereinzelten Bronzefunds zwar aus der Bronzezeit, aber aus der frühen Bronzezeit, also um 1600—1400 vor Chr., in der der Ueber- gang zu der für die jüngere Bronzezeit kennzeihnenden Leichen- verbrennung stattfand. Daß der Hocker im Grunde des NReiher- werders sich so außerordentlich gut erhalten hat, während aus dem anderen Grabe außer den Schädeln nur ganz wenige Skeletteile erhalten sind, ist wohl Zufälligkeiten oder konservierenden Eigenschaften des umgebenden Bodens zuzuschreiben, jedenfalls ist die gute Erhaltung sehr merk- würdig; denn auc in den Brandgräbern finden \sich zuweilen fo wenig Knochenreste, daß sie genau als Brandgräber festzustellen {wierig ist. Die Mahlsteine aus hartem Granit und die rundlichen Reibsteine stammen gleich dem Bronzefunde nicht aus den Gruben, sondern aus den oberen Schichten, dagegen ist das Steinbeil, das si in einer Grube vorfand, als eine Votivgabe an den Toten anzusehen. Aehn- liches findet sih in Gruben der Mark öfters. In Ermangelung von Metall- und weiteren Beigaben sind die vorgefundenen teramischen Reste sehr wichtig zur Beurteilung der Zeit niht minder als des Volkes, dem Gräber und Wohngruben angehört haben. Dem sogenannten Lausißer Typus gehören diese Leistungen der Töpferei nicht an, so ähnlich ihm manche Formen sind. Dagegen gleichen sie den Gefäßen von Kesselberg bei Biesenthal und der im Dorfe Tegel gefundenen, im Märkischen Museum verwahrten, namentlich im Punkte der sehr einfahen Verzierungen. Als seine Meinung, welchem Volks- stamme die Menschen Set welche allem Anscheine nach im 16. bis 10. Jahrhundert vor unsexe D später nicht mehr, da ih späteres nirgends findet, den Reiherwerder bewohnten, erklärte der Vortragende, daß sie der Bevölkerung angehörten, die nördlich von der Grenzlinie saß, deren genaue Bestimmung noch aussteht, die während der Bronzezeit die nördlih der Linie wohnenden Germanen von den südlich derselben wohnenden Karpodaken schied. Ganz besonders wertvoll dünken dem Redner die aufgefundenen drei Schädel: denn sie zählen zu den ganz wenigen und jedenfalls zu den ältesten Schädeln von Bewohnern unseres Landes, die wir aus jener entlegenen Zeit befißen. j A Geheimrat Virchow hat, einer an ihn gerichteten Bitte ent- sprechend, die beiden Schädel einer gründlihen Prüfung unterzogen, lehnte es in der Einleitung seines Berichts jedoh ab, sich über deren etwa bervortretende Rafsenreinheit oder Rassenmischung auszusprechen. Er hat die Schädel mehrfah photographiert, gemessen, ein Modell davon gefertigt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß beide ein- ander sebr äbhnlih sind, daß fie als orthokephal, also als normal, anzufprechen sind, und Eigentümlichkeiten eigentlih nur in start ent- widelten Brauen- und Wangenbeinwülsten vorliegen. Die Stirnen find breit, aber wenig gewölbt. t j Den zweiten Vortrag des Abends hielt der Professor Dr. Kup ka - Stendal über eine neue neolithishe Kultur in der Alt- mark, nämlich über im dortigen Kreise gemachte keramishe und Brandgräberfunde, die zu beweisen scheinen, daß in der an Megalith- gräbern reichen Altmark {on in der Uebergangsperiode von der Stein- zeit zur Bronzezeit Leichenverbrennungen statt der bis dahin aus- \{ließzlich geübten Beerdigung der unverbrannten, in die Hocterstellung gebrachten Leichen stattgefunden haben. i i Den dritten, von vielen Lchtbildern begleiteten Vortrag hielt en Willy Pastor über „Die Megalithen". Zum ersten ale in der Geschichte erwähnt wurden die Megalithen im fünften Jahrhundert, als in Deutschland die Kirche sie als heidnischen Ur- sprungs zu zerstören befahl und durch Geseße aufs shärfste verboten wurde, sie zu verehren und Opfer an ihnen darzubringen. Ihren Willen in diesem Punkte ganz durczuseßen, ist der Kirche nie ge- lungen; denn allzu fest hastete im Volksgemüt die Vorstellung der Ehrwürdigkeit dieser Zeugen einer fernen Vergangenheit und jahrhundertelang wird ihnen auch eine abergläubishe Verehrung gewidmet worden sein. Klüger verfuhr deshalb die Kirche in Frankreich, als sie die Megalithen zu sonen und zu erhalten ge- stattete, sofern sie nur mit dem christlichen Kreuze versehen würden. Dieser nacsihtigen Haltung der Kirche in Frankreih ist es zuzu- schreiben, daß uns in der als bigott betannten Bretagne ein so großer Bestand von Megalithen erhalten geblieben ist. Zum ersten Male mit ibnen beschäftigt hat sih die Wissenschaft an der Wende des 12. und 13. Jahrhunderts; doch kam die derzeitige Forschung über die in großer Zahl in Schleswig und Jütland vorhandenen Megalithen nicht über die Feststellung hinaus, daß einst in Dänemark ein Riesenvolk griebt habe, das natürli heidnisch gewesen sei. Als erster ernstlicher Forscher ist 1643 der Däne OleWorm an die Frage herangetreten ; er sah in den Megalithen shäßgenswerte, der Untersuhung würdige Altertümer ; von eingehenden Untersuchungen aber hat ih merkwürdigerweise die Wissenschaft bis 1830 vollständig zurücgehalten. Dann waren es deutsche Forscher, wie Much in seiner „Urheimat der Germanen“, die bewiesen, daß es sih bei den Megalithen in der Hauptsache um Gräber handle, daß es jedoch auch große Anlagen gebe, die als Mittelpunkt des der vorchristlihen Weltanschauung entsprehenden Loten- fultus betrahtet werden müssen, der nur \{einbar {wer mit dem Sonnenkultus zu vereinbaren se, von dem wir wissen, daß er allgemein verbreitet war. Galt die Sonne doch als der Hauptsiz der Götter, und Leben und Sterben auf ie zu beziehen war die natürlihe Folge dieser Anschauung. Der Vortragende führte nun in einer großen Zahl von Lichtbildern Megalithen aus alle Teilen unseres Weltteils vor, um an thnen zu erläutern, welche Kennzeichen den als Gräber zu bezeichnenden eignen, wo sie nicht sinnfällig noch als Ganggräber, Hügelgräber und durch das Vorhandensein von Skelettresten nahzuweisen seien, und welche den Kultstätten. Das am meisten hervortretende Merkzeichen der leßteren ist, wo sie nicht wie die bretonishen „Menhirs“ oder die \fandinavischen „Bautasteine" zur Verehrung aufgerichtet Monolithe sind, die auf einem oder mehreren Fußen ruhende Stein- platte. Doch hat der Forscher sich vor Täuschungen zu hüten, da manchmal so beschaffenen Dolmen, von dem sie ursprünglich bedeckenden Erdreich im Laufe der Jahrtausende befreit worden sind, und andererseits große Grabanlagen von Häupt- lingen und Fürsten, wie die von Stonehenge in England, auch mit Kultstätten verbunden, z. B. nah Sonnenaufgang und Sonnen- untergang orientiert waren. Der Vortragende ging dann auf ein sich naturgemäß anschließendes Thema über, dem er seit Jahren ein- gehendes Studium gewidmet hat, auf die sogenannten Trojaburgen. R nennt man in Bretagne gewisse Dolmenanlagen, die aus im Kreise oder in konzentrishen Kreise um einen größeren Blo in der Mitte in gleichen Abständen voneinander gelegten fleineren Steinen bestehen. Dergleihen Anlagen finden e nit nur in der Bretagne, sondern an vielen Stellen, namentli im europäischen Norden; und zwar sehr häufig in der von der einfachen Form des Kreises oder der an verschiedenen Seiten geöffneten kon- zentrishen Kreise abweichenden Form der „Spirale“, deren Gängen rechts gehend folgend, man an den Mittelblock gelangt, während die umgekehrte Richtung hinausführt. Die ältesten, noch besonders gut erhaltenen Anlagen dieser Art befinden sich auf der Insel Wier im nördlichen Eismeer und auf Gothland in der Nähe von Wisby, leßtere nah der Beschaffenheit der unverrückbar im Boden wurzelnden Steine als uralt erkennbar. Man hat Grund zur Annahme, V alle diese Anlagen engste Bezichung zum. Sonnenkultus haben und daß im besonderen ihre Herstellung als Spirale“ hierfür den Beweis liefert und auf den hohen Norden als die Stätte des Urx-

finden, in denen die

sprungs diefer Art der Sonnenverehrung hinweist. Denn jenseits des nördlichen Polarkreises erscheint im Hochsommer die Bahn der nicht untergehenden Sonne als eine Spirale. Die Spirale stellte somit die Sonnenbahn vor, und es ist wieder bezeihnend für die Richtigkeit dieser Erklärung, daß wo in südlicheren Gegenden, wie. in Wisby, die schräg zur Erde stehende Sonne nur Halbbogen odex do nicht vollständige Kreise von Osten über Süden nah esten beschreibt, die Spirale Abänderung in Wisby nachweisbar genau analog der Erscheinungsform des dortigen Sonnenlaufs bis zur Darstellung als konzentrishe, in bestimmter Art stellen- weise geöffnete Kreise erfuhr. Offenbar ist diese Form des Sonnenkultus in sehr früher Zeit durch die Wanderung der nordiscen Völker über ganz Europa verbreitet worden und hat um so mehr An- klang gefunden, als wahrscheinlich in Anknüpfung an die Zeit des höchsten Sonnenstandes Jugendspiele in Verbindung mit der Spirale, die in verschiedenen Richtungen zu durchlaufen war, damit verbunden wurden. Wer denkt heute wohl daran, daß das Spiel „Himmel und ôlle*, das wir in jedem Frühjahr auf unseren Trottoirs \pielen ehen, zu den urältesten Gebräuchen gehört und noch aus der Heiden- zeit stammt? (Noch im leßten Sommer sah Schreiber diefes in Danzi dasselbe Spiel mit Hilfe einer auf den Asphalt eines Plaßes mi Kreide gezeichneten Spirale ausführen.) Mit großer Aiarel besteht noch beute in Schweden der Glaube, daß man mit Hilfe der Troja- bien, wie diese Anlagen seit alter geit auf Grund der den Spielen in der rômishen Welt gegebenen Namen „ludus Trojae“ heißen, Wetter machen, in verschiedenem Belaufen des Ganges der Spirale die Sonne erscheinen lassen könne. Woher die Beziehung zu Troja, ist \hleierhaft. Den Namen in bezug auf die entführte, gefangen ene und \{ließli4 wieder befreite Sonnenfrau zu hen armoniert niht recht mit dem Schicksale der Helena; aber eine Tat- sache ist, daß sih auf einem uralten Krug von etrusfisher Arbeit, der in Tragliatella gefunden worden ist, u. a. der aufrecht stehende Grundriß einer Trojaburg befindet und daneben das in runenähnlicher Schrift eingerißte Wort „Truia“. Der Vortragende \chloß feinen mit großer Aufmerksamkeit angehörten Vortrag, nachdem er in Licht- bildern viele als Trojaburgen teils anzusprechende, teils an Ort und Stelle so bezeichnete Anlagen dieser Art vorgeführt hatte. Auch das berühmte kretensis{e Labyrinth soll eiue Trojaburg gewesen sein.

An den Vortrag {loß sich eine angeregte Aussprache. Zunächst erfreute der als seltener und ges{häßter Gast anwesende Geheime Hofrat, Professor Dr. Baely aus Tokio durch die Mitteilung, daß sich auch in Korea und vor allem in Japan eine große Anzahl von Gang- gräbern befinde, und daß etwa um dieselbe Zeit wie in Deutschland, nämlich ums Jahr 500, die fernere Anlage und Benußung folcher Gräber verboten worden sei. Dagegen gebe es nichts den als Kult- stätten benußten Dolmen oder den Lrojaburgen Verwandtes in Korea und Japan. Eine Veröffentlihung über diese Dinge von Dr. Monroe stehe bevor, dieser wolle er durh weitere Mitteilungen nicht vorgreifen. Von Direktor, Professor Dr. Schuchardt wurden dann noch verschiedene, besonders interessante Mit- teilungen gemacht. Es i} eine vielen Völkern des Altertums eigentümlihe Vorstellung, fich ihre Götter auf hohen Bergen thronend zu denken. Geeignete Punkte machten die Griechen z. B. zum Thron der Hera und zum Thron des Pelops. Wo ein Volk der Berge im Laufe der Entwicklung seine Wohnsiße in der Ebene nahm, da baute es sich einen Berg in Form eines hohen Turmes. Der Turm von Babylon mag in dieser Weise entstanden sein, die Götterbilder aber ver- wahrten sie in Tempeln am Fuße des Berges oder Turmes, der Sitz auf dem Berg oder Turm blieb der unsichtbaren Gottheit vorbehalten. Der hochragende Block oder Monolith in Dolmenanlagen, der Frminsul unserer germanishen Vorfahren, die häufig ein hochragender Baumstamm war, entsprehen dieser Vorstellung. In diesem Sinne sind die Trojaburgen niht eigentlich als Heiligtümer anzusprechen:; denn es fehlt ihnen meistens der hochragende Mittel- punkt. Die Unterscheidung der Megalithen in Grabstätten und Kult- stätten ist sehr {wer genau zu treffen. Es gibt viele Fälle, in denen ein non liquet angebracht ist, so für die Anlage zwischen Lehe und Laupe. Häufig find die Stätten als Steinbrüche benußt und dann von den Gemeinden, die Unheil fürchteten, wieder notdürftig her- bn worden. Mutelius trifft das Richtige, wenn er sagt, daß Megalithgräber zum Teil auf, zum Teil in Hügeln stehen. Stonehenge bält der Redner nur für ein im Laufe der Zeit von Erde entblößtes Massengrab, nicht für eine Kultstätte. Herr Baelß machte hierzu noch die Be- merkung : was der Vorredner vom babyloni]chen Turm gesagt, habe gleihe Geltung auch für Indo-China, und Herr Mielke glaubte darauf aufmerksam machen zu müssen, daß wir ähnliche „Göttersiße“ wie der Thron des Pelops, von den gleihen uralten Vorstellungen getragen, auch in deutschen Gebirgen besißen, z. B. bei Dürkheim in der Pfalz. Sqließlich beklagte es der Vorsißende, daß Chaussee- und Cisenbahn- bauten in Schleswig ungeheuer unter den Megalithen dieser Provinz aufgeräumt hätten. Die bei dem Landvolk nicht mehr wie früher vérañdene fromme Scheu vor den Megalithgräbern hat seinerzeit viel zu deren Erhaltung beigetragen, ihr Schwinden ist ihrer allmählichen Zerstörung förderlih.

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Durch seinen Aus\{huß für Architektur veranstaltet der Verein für Deutshes Kunstgewerbe in Berlin eine Ausstellung von Glasmalereien und Glas8mosaiken im Hause A. Wertheim in Berlin. Anmeldung bis 25. Mai an den Vorsitzenden des Ausschusses, Architekten Karl Richard Henker, Charlottenburg, Windscheidstraße 16. Die Ausf\tellung wird voraussihtlich vom 10. bis 30. Juni währen-

Literatur.

Das Lehrbuch der Zoologie für höhere Lehranstalten und die Hand des Lehrers sowie für alle Freunde der Natur von Professor Dr. Otto Schmeil liegt in 25. durhgeschener und er- gänzter Auflage vor. (Verlag von Quelle und Meyer in Leipzig; geb. 5,40, bezw. 7 4.) Wenn von einem Buch innerhalb eines Jahr- zehnts 25 Auflagen nötig werden, so \priht das allein {hon für seine große Brauchbarkeit. Der Verfasser des vorliegenden Werkes ist einer der ersten gewesen, der die Mängel des einseitigen Beschreibens und des trockenen Klassifizierens im naturkundlichen Unterricht erkannte und zur Abhilfe den Vorschlag machte, an Stelle dieses veralteten, rein deskrivtiven Unterrihts eine Betrahtungsweise treten zu lassen, die das Leben in der Natur und die in ihr liegende Kausalität gebührend und folgerichtig berüsichtige. Diese Forderung nach einer biologishen Ausgestaltung des naturwissenschaft- lihen Schulunterrihts wußte er dann auch praktisch in dem vorliegenden Buch trefflich zu erfüllen. Die in rasher Folge erscheinenden Neuauflagen brachten eine Fortführung und einen zeit- gemäßen Ausbau ihrer Vorgänger. Als Grundsay galt dabei stets, daß bei der Deutung biologisher Momente die größte Vorsicht ge- boten sei und L bei der Auswahl des Unterrichts\stoffes in erster Linie der geistige Standpunkt des zu Unterrichtenden maßgebend fein müsse. Die Strömungen auf dem Gebiete der biologischen Forschung wurden von dem Verfasser wohl verfolgt, in dem Lehrbuch aber fanden nur erwiesene Tatsahen oder allgemein anerkannte Hypothesen Auf- nahme, alles Strittige wurde mit Recht im Hinblick auf den besonderen Zweck des Buches unberücksichtigt gelassen. In der vorliegenden Aujlage sind in allen Teilen Korrekturen vorgenommen, völlig neu bearbeitet wurden die Abschnitte über Affen, Halbaffen und Naubtiere sowie die über Biber und das Walroß unter weitgehender Be- rüc{sichtigung der Morphologie. Ganz besonders verdient das reih- haltige Abbildungsmaterial hervorgehoben zu werden. Gs ist in jeder Hinsicht vorzüglich; sehr dankenswert ist es namentli, daß neben den carakteristischen Abbildungen der ganzen Tiere in ihrer natürlichen Umgebung, au gute Einzeldarstellungen der für die betreffenden Gattungen besonders eigentümlihen Gliedmaßen beigefügt wuden. Möge die „Jubiläumsausgabe“ den zahlreichen Lesern des Buches viele neue zuführen.