1910 / 120 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 25 May 1910 18:00:01 GMT) scan diff

Verkehrseinrihtungen spielen zwei Kilometer keine Nolle mehr; fechs Kilometer wären nicht zu viel. Die Gewährung darf niht an un- möglihe Bedingungen geknüpft werden. Auch fonst find diese Be- dingungen vielfach viel zu rigoros. So wird die Beibringung aus- gearbeiteter -Zeichnungen verlangt. Auf dem Lande bedarf es für so einfache Arbeiterhäuschen überbaupt keiner Zeichnung. Die Förderung der Seßhaftigkeit der Arbeiter wird nicht nur ihren Familien zugute kommen, sondern auch in weitestem Umfange zur Hebung der Sittlich- feit dienen.

Abg. Frit\ch (nl.): Wir erblicken in der Vorlage einen weiteren erfreulihen Schritt auf dem bewährten Wege, der bisber zu guten Ergebnissen geführt hat; wir werden die geforderten 12 Millionen gern bewilligen.

Damit schließt die erste Beratung. Die erwähnte Nach- weisung wird durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt, die Vorlage in zweiter Lesung ohne Debatte unverändert ange-

Preußischer Laudtag. Haus der Abgeordneten. 70. Sißung vom 24. Mai 1910, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Beratung des Gesetzentwurfs, beireffend die Bewilligung | weiterer Staatsmittel (12 Millionen Mark) zur Ver- Woce | Da- besserung der Boh uan naa an Lg ete von Arbeitern, ae [F | die in staatlichen Betrieben beschäftigt sind, und von 1910 [woche | gering besoldeten Staatsbeamten, in Verbindung mit

| der Besprechung der Nachweisung der staatseigenen, an Arbeiter 147,32| 151,11 | vermieteten Häuser im Bereiche der staatlichen Berg-, Hütten- 215,17| 217,64 | und Salinenverwaltung Preußens (mit Ausnahme der Gemein-

Großhaudelspreise vou Getreide an deutschen uud fremdeu Börseuplätzen

für die W ohe vom 16. bis 21, Mai 1910 : i nebst entsprehenden Angaben für die Vorwoche. ¿dis 1000 kg in Mark. 0m (Preise für greifbare Ware, soweit niht etwas anderes bemerkt.)

R mae

Name Dissertation.

des Promovierten. N j S L as | Bes F Zeit us ‘Geburt. j Anstalt. | (Technische P Heimatsort. | Datum der Ausstellung.| einschl. der N | (Photographie.) | | Zeit des Besuchs. |

Diplomprüfung.

Fahrihtung. Hosssule. | Datum des Diploms. |

Reifezeugnis. Studiengang.

68:2 B A Verlag bezw. Zeitschrift. Referent und Korreferent.

Abteilung für Elektrotechuik.

Real fi Technische Hohshule Darmstadt | Elektrotechnik. Ralamain _| U R | Technische Hochschule 7. März 1893. ters 1893 bis März 1898); Karlsruhe. : | Technische Poyitne Karlsru 31. Juli 1903. 6 Semester

' Die Verluste in den Polshuhen von! Gut bestanden. | 12. Mär;

| Dynamomaschinen.“ 1910.

| QDruck von Walter ic 7 7, id

| Berlin 8. 42, 1910. Neferent :

George Derxheimer, 19. September 1871. London. Heimatsort: London.

Berlin.

Roggen, guter, gesunder, mindestens 71 Weizen, , ú s T9

| (Ostern 1899 bis März 1902).

; [ | | j | j |

Gebeimer Hofrat, Professor Dr.-Ing. E. Arnold. Korreferent: Professor Dr. A. Schleiermaher.

Berichte von ‘deutschen Fruchtmärkten.

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gut Gezablter Preis für 1 Doppelzentner

niedrigster | böhster | niedrigster | höhster | niedrigster | höchster | i

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Roggen.

14,50 14,20 14,40 15,00 13,40 13,60 13,60

13,00 15,20 15,50

15,00 16,80 14,00 16,25

13,88 14,00 13,89 14,50 13,30

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13,00 13,20 16,00 16,40

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16,00 15,20 14,80 16,00 14,00 14,80 13,60 14,40 13,00 17,20 17,00 15,70 15,80 15,30 14,70 15,20 15,00

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13,14 13,40 14,50 14,80 13,50 15,00 15,00 13,50 13,60 17,00 16,40

16,00 15,40 14,80 16,00 14,50 15,00 14,10 14,40 13,40 17,40 17,00

15,70 16,20 15,30 14,70

15,50 15,00

Kaiszrliches Säiatistishes Amt. F. V.: Dr. Zacher.

15,50 15.20

14,80 14,20 14,20 14,30 14,94

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11 700 14,63

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15,50 15.20

15,24 14.47 14 23 1448 15,39

14,82 17.

è volle Dovrelzentner und der Verkaufswert auf volle Mark abgerundet mitgeteill. Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berehnuet. se hat die Bedeutung, daß der betreffende Przis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (. ) in den leßten sechs Spalten, daß entsprehender Bericht fehlt.

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Roggen, Pester Boden

150/35| 151,45

Mannheim. älzer, russischer, mittel. .

S C 461251 163,60 Pfälzer, uffe, amerik, rumän., mittel .

225.00| 228,75 166,87| 168,62 166,87| 166,87 122/50! 123,75

badischer, russischer, mittel sj badische, S älzer, mittel \ rufsishe Futter-, mittel

Wien. | 144,52} 151,28

R E S T T U SSLo8l 29047

erste, \lovakische Mais, ungarischer

R

Wetzen, .

[er, Gerste, Futter- ,

129,22] 130,03 138,57| 138,53 103,71] 105,39

fer, ungarischer I

L Budapest. | gen, Mittelware 136,44! 141,85 202,92} 208,14 125,13] 127,49 105,50! 105,81

Mais, «e 4 2900| 99,86

Rog ; Weizen, Ulka, 75 bis 76 kg das hl

Roggen, 71 bis 72 kg das hl Meizen, -78 bis 79 kg das hl

Eo lieferbare Ware des laufenden Monats (

Weizen ( engl. weiß } (Mark Lane)

Weizen

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Weizen

Hafer, englischer weißer Gerste, Futter- (

Odessa Mais | peoi! BE bunt

i , Mai Veizen, Lieferungsware | Juli

ger, 71 bis 72 kg das hl 95,01| 98,44 141/46

Riga. Paris.

Antwerpen. 170,88 161,25

160,20 159,96 162,79 170,55

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Amsterdam. 120,19 ersburger e A029 Gi G «i R

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London.

153,84 145,72 151,04 130,97 124,28

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Liverpool.

russischer i 2,42} 171,84 Manitoba Nr. 2 | 173,02

Kurrachee . 167,13 Australier 183,85! 176,08 142,28| 143,32 112,20] 113,77 T ALEDO 125,23| 125,23 129,47] 129,47 126,64| 126,17

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La Plata, gelber

Chicago. |

173,07| 175,05 158,66! 160,39 155,31] 156,95

Mais s Mai 98,69] 100,92

roter Winter Nr. 2 Weizen

Neu York. 178,81! 181,94 Mai 178,16! 180,19 169,89 171,80

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preise für einheimishes Getreide (Gazette averages) ist 1

Buenos Aires. | 145,21} 151,90 103,34| 101,56.

!) Angaben liegen nit vor.

Bemerkungen.

pr 1 Jmperial Quarter is für die Weizennotiz an der Londoner

dduktenbörse = 504 Pfund engl. gerechnet; für die aus den Um- Ven an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Dur [huitts. mperia U Weizen = 480, Hafer = 312, Gerste = 400 Pfund engl. a t; 1 Bushel Weizen = 60, 1 Bushel Mais = 56 Pfund Wi - 1 Pfund englisch = 453,6 g; 1 Last Roggen = 2100, len = 2400, Mais = 2000 kg. i“ Vei der Umrechnung der Preise in Reichswährung find die aus liber Minen Tagesangaben im „Reichsanzeiger“ ermittelten wöchent- e n Dur chnittswechselkurse an der Berliner Börse zugrunde gelegt, und gar für Wien und Budapest die Kurse auf Wien, für London „lverpool die Kurse auf London, dür Ghieago und Neu York die Tle auf Neu York, für Odessa und Riga die Kurse auf St. Peters- aris, Antwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese Pläye. uenos Aires unter Berücksichtigung der Goldprämie.

Verlin, den 25. Mai 1910. Kaiserliches Statistisches Amt. LT, N Dr. Zacher.

\chaftswerke).

Abg. Freiherr von Maltahn (kons.): Wie im vorigen Jahre der damaligen Vorlage, so stimmen wir au der jeßigen Vorlage im Interesse der in den staatlichen Betrieben beschäftigten Arbeiter und der Beamten mit geringer Besoldung zu. Der Tendenz der ersten Vorlage von 1895 entsprehend wünschen wir, daß Geseßze wie dieses den Charakter von Kleinwohnungsgeseßen nicht verlieren. Wenn wir auch im allgemeinen darauf Gewicht legen müssen, daß die Darlehen, die der Staat gibt, sich ange- messen verzinsen, so müssen wir doch auf der anderen Selte darauf Rücksicht nehmen, daß der Staat eine moralische Pflicht hat, wie jeder Arbeitgeber, für eine gute und gesunde Unter- bringung setner Arbeiter und gering besoldeten Beamten zu sorgen. Der Staat als größter Arbeitgeber hat bierzu eine besondere Ver- pflichtung ; denn gesunde und gute Wohnungen sind die Grundlage für ein gutes Familienleben, und darauf baut sich der Staat auf. Der Staat muß vorbildlih wirken für die privaten Arbeitgeber. Zu be- dauern ist, daß uns die Denkschriften über die Ausführung dieser Wohnungsgeseße niht mehr jährlich vorgelegt werden; der Landtag kann so nicht genügend darüber wachen, daß die Gefeße ibrer ur- sprünglihen Tendenz gemäß ausgeführt werden. Daß diese Tendenz nicht immer strikte innegehalten worden ist, zeigt der auffällige Um- stand, daß die Mieten für \olde Wohnungen in größeren Städten, wie Köntgsberg und Berlin, sich zwishen 500 und 1100 bewegten. Die Aufmerksamkeit des Ministers möchte ih namentlich auf die Wohbnungsnot der Gendarmen auf dem platten Lande lenken. Ich laube, daß der Bau von Gendarmenwohnungen mit der Tendenz dieses Geseßes über- einstimmt. Im allgemeinen bauen die Baugenossenschaften besser, billiger und rascher als der Staat. Das ergibt sih auch aus der uns jeßt vorliegenden Denkschrift der Bergwerksverwaltung; die Domänen- verwaltung baut etwas billiger. Im großen und ganzen halten wir es für wünschenswert, daß mehr und mehr mit der Gewährung von Darlehen an Baugenossenschaften vorgegangen wird. Diese sind besonders imstande, den örtlihen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Anfangs stand man ja den Baugenossenschaften mit einem gewissen Mißtrauen gegenüber, weil man glaubte, es werde damit der privaten Bautätigkeit in mittleren und kleineren Städten und auf dem Lande Konkurrenz geshassen. Eine derartige Konkurrenz gegenüber dem gewerblichen Mittelstande muß allerdings unter allenUmständen vermieden werden. Es ift mir gesagt worden, daß in einzelnen Städten Hunderte von Wohnungen, die allen Anforderungen entsprehen, die Arbeiter und kleine Beamte stellen, leerstehen; das ift ein bedenklihes Zeichen. Wünschenswert ist, daß die Invalidenversicherungsanstalten auch einzelnen Versicherten Darlehen geben. Meine Freunde sind bereit, au fernerhin an diesem sozialen Reformwerk mitzuarbeiten.

Abg. Dr. Grunenberg (Zentr.): Wie wir die früheren gleichen Gesetze bewilli t baben, fo stimmen wir auch dieser Vorlage gern zu ; denn es besteht fortgeseßt ein Mangel an Kleinwohnungen. Trotz der Leistungen des Staates und der gemeinnüßigen Bautätigkeit auf diesem Gebiete is es indessen nôtig, die private gewerb- lie Wohnungsproduktion mitheranzuziehen. Die gewerbsmäßige Wohnungsproduktion wird aber leider sehr gehemmt durch die Bau- ordnungen, in denen alle möglihen Wunderdinge vorgeschrieben sind, und durch die auch die Polizeiorgane daran gehindert werden, Dispense zu erteilen. Die kleineren Städte schreiben einfah die Bau- ordnungen der größeren Städte, sogar mit den Schreibfehlern, ab. Die Bauordnungen werden auch Felt \chematisch und bureaukratis{ch gehandhabt. Der rheinishe Verein für das Kleinwöhnungswesen hat vorbildlihe Leitsäße aufgestellt, die in alle Bauordnungen auf- enommen werden sollten. Die Mittel, welche die gewerbsmäßige Bautätigkeit bisher vom Staate erhalten hat, reihen nicht aus. Das Reichsversicherungsamt hat kürzlih die Landesversicherungs- anstalten angewiesen, die Darlehen für Bauzwecke nicht mehr zu 3 9/0, sondern zu mindestens 339% zu geben ; dies bedeutet für viele Bauvereine die Einstellung ihrer Tätigkeit und eine erhebliche Ver- teuerung der Wobnungen. Der Herstellungspreis wird sih für das Zimmer um 30 bis 36 #4 erhöhen. Ich bitte die Negierung, auf Aufhebung dieser Verfügung des Reichsversicherungsamts hinzuwirken oder jedenfalls dafür zu forgen, daß sie niht rückwirkende Kraft erhält. Ein Widerspruch mit den Intentionen der Kleinwohnungs- neseße ist es, wenn die Arbeiterwohnungen von böheren Beamten ewohnt werden. Jch bitte die Regierung \{ließlich, den Entwurf eines Wohnungsgeseßes vorzulegen, damit fystematisch allen Mängeln abgeholfen werden fann.

Abg. von Stockhausen (kons.): Die Bedingung, daß von den Landesversicherungsanstalten nur solche Arbeiter für den Wohnungsbau Darleben erhalten können, die selbst bei der Anstalt versichert sind, wird man für gerechtfertigt halten müssen, denn die Mittel der Landes- versicherungsanstalten werden von den Arbeitern selbst mitaufgebracht. Die staatlichen Arbeiter sind nicht versiherungépflihtig und liefern feine Beiträge: fie haben also keinen Anspruch auf solche Darlehen, denn das wäre eine Schädigung der Arbeiter, die versicherungspflichtig sind und ihre Beiträge zahlen müssen. Ich bitte deshalb aber, bei der Verwendung der staatlichen Mittel auf Grund dieser Klein- wohnungsgeseße in erster Linie diejenigen Arbeiter zu berücksichtigen, die von den Versicherungsanstalten nihts bekommen fönnen. Die Ausgestaltung der Wohnungen muß den heutigen Ansprüchen ent- \prehen. Die Eisenbahnverwaltung hat aber an vorhandenen Häusern manche Ergänzungsbauten gemacht, die den modernen Anschauungen in feiner Weise entsprehen. És müssen bei der Einrichtung der Wohnungen für die Staatsarbeiter und die Beamten unbedingt die Gesichtspunkte als leitend gelten, die bei den heutigen Anschauungen auch anderwärts Platz greifen. Auch ih befürworte eine Vermehrung der Dienstwohnungen für die Beamten, insbesondere unterstreiche ih den Wunsch, daß in dieser Hinsicht für die Gendarmen besser gesorgt wird. Die privaten Hausbesitzer haben zwar den Hüter des Gesetzes gern in der Nähe, aber als Mieter in ihrem Hause sehen sie ihn nicht gern. Der Gendarm kann auch leiht als Mieter in seinen dienst- lichen Obliegenheiten mit dem Hauswirt in Konflikt kommen. In dem von mir vertretenen Kreise Caffel-Wißenhausen wird z. B. von den Gendarmen lebhaft darüber gela t. Jh möchte deshalb die Negierung bitten, durch Beschaffung von Dienstwohnungen Abhilfe zu schaffen.

Abg. Dr. n ig- Crefeld (Zentr.): Nachdem in bedeutendem Ums- fange Dienstwohnungen für die geringbesoldeten Staatsbeamten hergestellt sind, follte dem Bestreben, den Arbeitern zu eigenen Wohnungen zu verhelfen, mehr als“bisher Vorschub geleistet werden. Das eigene Heim, das später auch den Kindern und Enkeln zugute kommen kann, ist am besten geeignet, den Arbeiter seßhaft zu machen und seinen Sparsamkeitstrieb anzuregen. Zur Erreichung dieses Zweckes müssen die für die Darlehen geltenden Bedingungen abgeändert werden. Für Amortisation und Verzinsung sollten etwa 41 0%

aufzuwenden sein; jeßt beträgt der Saß 6 0%, und das ist

für den Arbeiter zu viel. Ebenso darf man nit streng an der Altersgrenze von 45 Jahren festhalten; den Arbeitern gegenüber braucht man da niht fo ängstlich zu sein. Dasselbe gilt von der Bedingung, daß die Wohnung innerhalb des Zweikilometerumkreises von der Arbeitsstätte gelegen sein muß. Bei den heutigen

nommen.

Es folgt die Beratung des A ntrags der sozialdemokratischen Abgg. Borgmann und Gen., „die Regierung zu ersuchen, so bald als möglih einen Geseßentwurf vorzulegen, durch den die 88 9, 10 und 41 des preußischen Preßgeseßes vom 12. Mai 1851 aufgehoben werden“.

(S 9 lautet: Anschlagzettel und Plakate, welche ‘einen anderen Inhalt baben, . als Anfündigungen über ge)eßlich nicht verbotene Versammlungen, über öffentliche Vergnügungen, über gestohlene, verlorene oder gefundene Sachen, über Verkäufe oder andere Nach- rihten für den gewerblihen Verkehr, dürfen niht angeschlagen, an- geheftet oder in sonstiger Weise öffentlih ausgestellt werden. § 10: tiemand darf auf öôffentlihen Wegen, Straßen Pläßen oder an anderen öffentlihen Orten Druschriften oder andere Schriften oder Bildwerke ausrufen, verkaufen, verteilen, anheften oder anschlagen, ohne daß er dazu die Erlaubnis der Ortspolizeibehörde erlangt hat, und obne daß er den Erlaubnisschein, in welhem fein Name aus- gedrückt sein muß, bei sh führt. Die Erlaubnis kann jederzeit zurückgenommen werden. § 41: Wer den Vorschriften der SS 8, 9, 10 zuwiderhandelt, bat eine Strafe bis 50 Taler oder eine Gefängnis- ftrafe bis zu sechs Wochen verwirkt.)

Zur Begründung des Antrages bémerkt

Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Wer annehmen würde, daß Plakate mit dem Inhalt, von dem der § 9 spricht, ohne besondere Genehmigung von jedermann angeheftet werden dürfen, würde sich eines Irrtums \chuldig machen. Das Geseß hat eine ganz andere Bedeutung, und die Auslegung, welhe ihm in Tfon- stanter Praxis das Kammergericht gibt, entspriht der Entstehung des Gesetzes und dem Willen des Gesetßzgebers. S 9 bestimmt über die Plakate, welche überall zulässig sind, sei es mit polizeilicher Genehmigung, fei es obne sie; alle anderen dürfen felbst mit Genehmigung der Polizei nirgends angebracht werden. Und auch die erlaubten darf feineswegs jedermann anschlagen, sondern dazu

ehört für den Betreffenden wiederum eine polizeilihe Er- aubnis, und der Erlaubnis\chein muß stets mitgeführt werden. Nach diesem seinem Inhalt ist das Geseß ein geradezu unsinniges und unmögliches Gesetz. Des Rätsels Lösung ist nicht gar weit ent- fernt, denn es handelt sich um einen Tonterrevolutionären Akt, der dem preußishen Volke geseßwidrig aufoktroyiert wurde, und zwar nicht einmal, wie das Wahlrecht, sondern sogar zweimal, nämlich am 30. Juni 1849 und am 5. Juni 1850, und später von den Gesetzgebern acceptiert worden ist. Es ist ein Umsturzgeseßs im eigentlichen Sinne für die damalige Zeit, das geht aus der Begründung der Oktroyierungen und aus den Kammerverhandlungen hervor. In der ersten Begründung wird davon gesprochen, p die Hoffnung, den Aus- schreitungen begegnen zu können, sich nicht erfüllt habe, daß die Auf- forderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze, die Störung des öffent- lichen Friedens, die Herabseßung des Ansehens der Dbrigkeit usw. usw. durch die Anheftung von Plakaten fortdaguere, und däß deshalb für erforderlih erachtet sei, dieses Geseß auf dem Wege der Verordnung zu erlassen. Bei der zweiten Oktroyierung war man deutlicher; da hieß es, Leute ohne Befähigung und ohne Beruf hätten sich zu Dol- metschern der öffentlichen Meinung aufgeworfen, die Grundpfeiler des Staates würden erschüttert, Gottesfurdt, Patriotismus, Achtung vor König und Fürsten würden untergraben, und so müsse auf diesem Wege der Verbreitung dieser vergiftenden Lehren entgegengetreten werden. Charakteristish ist die geradezu belustigende Form, in der hier die Angst vor der Revolution zu Tage tritt. Jmmer und immer wieder wird z. B. in den Motiven und in den Beratungen auf die gefährliche Rolle hingewiesen, welche die Bahnhöfe spielten ; fie seien 1848 Sammelpläße für revolutionäre Elemente gewesen; besonders auf den Bahnhöfen solle jedes gefährlihe Plakat vermieden werden. In dem Bericht der Kommission der zweiten Kammer ist damals mit Entrüstung auf den Mißbrauch hingewiesen worden, der durch die Verteilung von Druckschriften auf den Bahnhöfen ausgeübt wird. Ießt gestattet die Eisenbahnbehörde durch die Feilhaltung von Druck- \chriften auf den Bahnhöfen selbst diesen Mißbrauh, wenn sie auch immerbin noch eine fleinliche Zensur ausübt. Dieses Geseß steht in der Gegenwart noch wie ein alter Großpapa da, mit Vater- mördern und in Biedermeiertraht. Und wenn man auch meint, es müßte längst versteinert fein, so hört man immer wieder: es lebt noch. Durch das Reichspreßgeseßz ist es nicht beseitigt worden; denn der § 2 dieses Geseßes läßt die landesgeseßlihen Vorschriften in Kraft. Als bei dem großen Bäterstreik die einzelnen Arbeitgeber in ihren Schaufenstern Plakate des Inhalts aushängten, daß sie die Forderungen der Gehilfen bewilligt hätten, wurden diese Plakate in allen Instanzen als Verstoß gegen § 2 angesehen, niht nur etwa in dem Sinne, daß es einer polizeilichen Erlaubnis bedurft hätte, sondern in dem Sinne, daß eine polizeiliche Erlaubnis ja nicht möglich gewesen wäre, weil derartige Plakate unter allen Umständen verboten find. Bei denBerliner Landtagswahlen wurden von Gastwirten Listen der Wahlmänner ausgehängt, die sozialdemo- fratisch gewählt, und derjenigen, die freifinnig gewählt hatten. Gegen diese Aushängung wurde zunächst auf Grund des Unfugsparagraphen vorgegangen. Das Kammergericht hielt die Urteile der Vorinstanzen nicht aufreht, da ein grober Unfug nicht vorliege, wohl aber wies es auf den § 9 des preußischen Preßgeseßes hin, auf Grund dessen dann auch die Verurteilung erfolgte. Die üblichen Gewerkschaftsplakate, die nihts weiter enthalten, als Mitteilung der Statuten und viel- leiht des Orts und Datums der Sitzungen, sind von der Polizei in sehr vielen Orten verfolgt worden. In Hannover wurde ein Plakat für strafbar erachtet, auf dem unter dem Wappen des Königreichs Hannover ein echter, alter hannoversher Kümmel empfohlen wurde. Man hat offenbar darin eine politishe Demonstration erblickt. Vielleicht wäre die Strafverfolgung nicht eingetreten, wenn es \ih um einen Bismarck-Kümmel, einen Bethmann Hollweg-Kümmel oder gar um einen Moltke-Kümmel gehandelt hätte. Man muß sagen, daß \sich formal genommen gegen die Judikatur nichts einwenden läßt, aber das Gesetz selbst ist eine Unmöglichkeit, ist ein Hemmschuh für unsere ganze moderne Entwicklung. Darauf ist von den Gerichten selbst wiederholt hingewiesen worden. Eine ganze Menge von Plafkaten, die wir tagtaglich vor unseren Augen sehen, sind danach \chlechterdings Cefetlich unzulässig. An den Bahn- höfen sehen wir überall z. B. Mitteilungen des WMoten Kreuzes und anderer Vereine, von Organisationen, die nicht dem E Verkehr dienen, fondern rein gemeinnüßig find. Nach dem Gesetz ist das Aushängen pijer Plakate unbedingt s\traf- bar; und doch duldet sie die Eisenba nbehörde in den Wagen und in den Bahnhöfen. Man würde den ganzen Unsinn zeigen können, wenn man in allen Fällen Strafanzeige erstattete. Protektorin eines solchen Vereins ist z. B. die Deutsche Kaiserin. Ja, weiß die Deutsche Kaiserin, daß sie sich durch diese Plakate einer strafbaren Handlung \{uldig maht ? Weiß die Eisenbahnbehörde gar nicht, daß diese Sachen strafbar find ? Aber diese Oéesedeébéstiminungen und das ist das ganz besonders Empörende werden immer nur gegen politisch unliebsame Erscheinungen angewandt, gegen die Sozial- demokratie, gegen die Gewerkschaften. Hier haben wir ein Beispiel,