Bauernmädcen geschah. Für die Fürsilihen Personen waren alte norwegische Sessel auf den Dampfer geschaft worden, während das Bi-:r aus alten norwegischen Silberhumpen ge- trunken wurde. : j
Unterdessen hatte sih der Sonderzug wieder in Bewegung geseßt und hielt zunächst in Drammen an, wo den Gästen Sr. Majesßät des Königs Oskar ein Frühstück geboten wurde. Der nächste Haltepunkt des Sondéerzuges war Skjerdalen, auf welcher Station die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften den Sonderzug wieder bestiegen, um nah Hönefos zu fahren, woselbsi die Ankunft gegen 33/, Uhr Nachmittags erfolgte. Am Bahnhofe wurden die Majestäten vom Ortsvorstand und einer Ehrenwache der 1. Jnfanterie-Brigade, deren Musikcorps die preußishe Hymne intonirte, sowie von 20 weißgekleideten Mädchen, die Blumen streuten, empfangen. Nach Abschreiten der Front der Ehren- wache bestiegen die Erlauchten Herrschaften die bereiistchenden Wagen und fuhren nah Glat:ved's Hotel, wo um 41/2 Uhr das Diner eingenommen wurde. Der ganze Weg dorthin war in eine wahre Feststraße umgewandelt und durch eine Stacketeinfriedigung bezeihnet worden, die mit Fähnlein diht beseßt war. Vier Ehrenpforten hatte man an verschiedenen Punkten dieses We ges erbaut, jede in ihrer Art ein Meisterwerk von kfunstgeübter Hand. Die erste nur aus hölzernen Erzeugnissen der Fabriken des Ortes — er zählt ung: fähr 1500 Einwohner — zeigte uns, was menschliche Kunst überhaupt zu erreihen ver- mag. Die übrigen Ehrenpforten waren thurmartig und in Ob: liskenform gehalten, trugen reihen Guir!anden- und Em- blemen-Shmuck und waren eine jede durch eine frische grüne Kaiserkrone gekrönt, in welcher — gewissermaßen um die Edelsteine der Krone zu versinnbildlihen — elektrische Glüh- lampen leuhteten. Jn den Straßen bildeten die Schulkinder mit Fahnen Spalier. :
O shönile Genuß war natürlich der Anblick des herr- lihen Wasserfalls, welcher von einem Bergplateau herab zuerst in Kaskadenform abstürzt und fch dann dur ver schie- dene Felsblöcke in erheblihem Gefälle hindurwiündet, um dann mit mächtigem Getose durh die Brücke zu Thal zu eilen. Ueber diese Brücke führte die Feststraße, und Se. Majestät bewunderte von da aus zuerst bei der Einfahrt und später vom Hot:lpark aus das in Worten kaum würdig zu beshreibende seltene Naturschauspiel. An der rechten Seile der Brücke, inmitten auf cinem von den shäumenden Wogen umtosten Felëblocke hatte man einen ausgestopften großen Bären mit offenem Rachen als Symbol des Berliner Stadtwappen® postirt: der Kaiser freute sich über diesen Einfall herzlih. Um 6 Uhr wurde wieder noch dem Bahnhofe unter fortwährendem Regen aufgebrochen, und unter endlosem Jubel seßte sich der Sonderzug zur Rückehr nah Christiania in Bewegung. i : |
Jn Drammen wurde auf die Dauer einer Viertelstunde Halt gemacht, um daselbst die Begrüßung der Spißen der Behörden und einer Deputation der daselbst wohnen- den Deutschen entgegenzunehmen. Des Kaisers und Königs Majestät unterhielt Sih hier mit den ein- zelnen Herren in leutseligster Weise, reichte einem Jeden die Hand zum Abschied und begrüßte auch die auf beiden Seiten des Bahnhofes, heils auf Tribünen, theils auf dem Bahnsteige befindlihe, nah Tausenden zählende Volksmenge, die unaufhörlich ihre Hurrahrufe ertönen ließ. Die Zahl der Blumensiräuße, welche hier von Damen dem Kaiser überreiht wurde, war Legion, und bei der Abfahrt wurde die jubelnde Bevölkerung dadurch noch hohbeglüdckt, daß die Majestäten auch dem Volke wieder Blumen zuwarfen, um die sich dieses waer striti, denn Jeder suchte eine dieser Blumen zu erhashen, Bei der wunder- s{önen Lage Drammens, dessen Fjord-Ufer und große Brücke ebenfalls mit dihten Menschenmengen beseßt waren, machte der Aufenthalt daselbst und der Abschied von dort einen erhebenden Eindruck. Jn Christiania — der Zug fuhr direkt von Drammen hierher — traf der Sonderzug kurz vor 10 Uhr Abends wieder ein. Nach der Ankunft fand auf dem Königlihhen Schlosse noch ein Familiensouper und
tarschallstafel statt, nah deren Beendigung König Oskar jedem der Herren des Kaiserlihen Gefolges Allerhöchstseine Photographie mit Seiner eigenhändigen Unterschrift überreichte.
Heute (Sonnabend) Vormittag erfolgte die Fahrt zur Landungstreppe auf dem Tordenskjoltplas um 11!// Uhr. Des Kaisers und Königs Majestät verabschiedete Sih auf dem Königlichen Schlosse von Jhrer Ma1estät der Königin Sophie und küßte Allerhöchstderselben wiederholt die Hand. Mit Sr. Majestät dem Kaiser fuhren Se. Majestät der König Osfar, sowie Se. Königliche Hoheit der Kronprinz, ferner Prinz Eugen in Begleitung Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich von Preußen und Sr. Hoheit des Aries Friedrih Wilhelm von Medcklenburg, zum Hafen, wo das Publikum dicht gedrängt auf den Tribünen die Fürstlichen Herrschaften erwartete. Jm Empfangs: pavillon verabschiedete Sich Se. Maj- stät von den offiziellen Per- jönlichkeiten und zog hierbei namentlihden Bürgermeister Christie in ein längeres Gespräh. Dann wurde zu den Kaiserlichen Schiffen gefahren, mehreren derselben ein Besuh abgestattet und auf der „Hohenzollern“ das Frühstück eingenommen. Nach 21/2 Uhr Nachmittags begaben Sich die Hohen Herr- schaften noch an Bord eines deutschen Kriegsschiffes, während sämmtliche Schiffe salutirten und die Besaßungs: Mannschaften an Bord paradirten. Später führte der Kaiser und König Seinen Königlichen Gastgeber und Höchstdessen Söhne im Kaiserboot an Land zurüd. Jn dem Boote hatte auch der zu Sr. Majestät befohlen gewesene Dienst Plaß genommen. Nachdem man wieder an Land gelangt war, vollzog sich vor den Augen der zahlreichen Zuschauer die ergreifende Abschiedsscene. Die Monarchen umarmten und küßten sih wiederholt, ebenso ver- abschiedeten Sich des Kaisers und Königs Majestät von dem Kron- prinzen und dem Prinzen Eugen, und dann stieß das Kaiserboot vom Lande ab, um dem „Kaiser“ zuzusteuern, an dessen Bord Kaiser Wilhelm Sih begab. Der Kaiser hatte die norwegische Admirals-Uniform angelegt und grüßte, auf der Kommando- brüde stehend, noh wiederholt der Landungsstelle zu, wo König Osfar, der die deutshe Admirals-Uniform trug, seinem scheidenden Kaiserlichen Freunde noch lange nachblickte. Der „Kaiser“ fuhr, nachdem die Flotte fich in Bewegung geseßt und das norwegische Kanonenboot „Elda“ die Führung wie bei der Ankunst genommen hatte, als vorlettes, die „Jrene“ als leßtes
Schiff. Als der „Kaiser“ in Höhe des Empfangspavillons vorüberdampfte, senkte sih die Kaiserstandarte für Augenblicke 08 S un Ras. darau Be hochzugehen. Kaiser
Seinem Königli - FÄieddarul gefanct, glichen Gastgeber den leßten Ab
Heute fand eine Plenarsitzung des Bundesraths statt. Vorher tagten die vereinigten Ausshüfse für Handel und Verkehr und für Justizwefen, sowie für Zoll- und Steuer- *wesen und für Handel und Verkehr und der Aus\{huß für Rechnungswesen.
Dur den Nachtrag zum diesjährigen Staatshaush:lts- Etat sind ‘die Gehälter der Unterbeamten bei den Strafanstalten, die vom . Ministerium des Fnnern ab- hängen, wie folgt anderweit festgeseßt worden: 1) für Haus- väter und Maschinenwärter von 1200 A bis 1800 F, im Durchschnitt 1500 (, 2) für Ober-Aufseher und Werkmeister von 1200 bis 1600 M, im Durchschnitt 1400 #, 3) für Ober- Aufseherinnen und Hausmütter von 900 M bis 1500 M, im Durchschnitt 1200 H, 4) für Aufseher und für die Führer bei den Erziehungs- und Besserungs-Anftalten zu Conrads- hammer und Wabern von 900 A bis 1500 M, im Durch: schnitt 1200 M, 5) für Aufseherinnen von 700 4 bis 900 M, im Durchschnitt 800 # Jm Einverständniß mit dem Finanz- Minister hat der Minister des Fnnern beschlossen, die Re- gulirung der Gehälter der Beamten in den Kategorien 1 und 2 au ferner vom Ministerium aus stattfinden zu lassen, den Ober-Aufseherinnen und Hausmüttern allgemein das Dur& schnittêgehalt zu gewähren, ferner die Aufseher 2c. (vor- stehend 4) und die Aufseherinnen (vorstehend 5) in jedem Regierungsbezirk je zu einer Besoldungsgemeinschaft zu ver- einigen und die Gehälter derselben vom 1. April d. F. ab in der Weise abzustufen, daß für die Aufseher fünf Behaltsfklassen zu 900, 1050, 1200, 1350, 1500 Æ und für die Aufscherinnen drei Gehaltskflafsen zu 700, 800 und 900 M bestehen.
__ Die Bevollmäthtigten zum Bundesrath, Königlich \säch- sisher Oberst von Schlieben und Großherzoglich sächsischer pet aus Staatsrath Dr. Heerwart sind von Berlin ab- gereist.
Der Chef der Landgendarmerie, General der Jnfanterie von Rauch, hat einen längeren Urlaub nach Böhmen an- getreten.
Der Ober - Quartiermeister im Großen Generalstabe, General-Lieutenant Graf von Shlieffen IL, hat sih auf Dienkfireisen begeben.
Der Ober-Regierungs-Rath Dr. Scheffer zu Bromberg ist an die Königliche Regierung zu Düsseldorf verseßt, und es ist ihm daselbst die Stelle als Ober-Regierungs-Rath bei dem Regierungs-Präsidenten übertragen worden.
Dem Regierungs-Afessor Dombois bei der Königlichen Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern in Berlin ist die fkommissarishe Verwaltung des Landrathsamts im Kreise Prüm, Regierungsbezirk Trier, übertragen worden. Der Regierungs-Afsessor de la Fontaine zu Bromberg ist an die Königliche Regierung zu Aachen und der Regierungs- Assessor Shwindt zu Danzig an die Königliche Regierung zu Königsberg verseßt worden.
Der neuernannte Regierungs - Assessor von Puttkamer ist der Königlichen Regierung zu Danzig überwiesen worden. Die Regierungs - Referendare Winkel aus Posen, Tuebben aus Marienwerder, Dr. jur. Witte aus Breslau, Dr, jur. Erbs [öh aus Düsseldorf, Ram m aus Sigmaringen und von Keudell aus Kassel haben am 5. d. M. die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.
Bayern. München, 7. Juli. Der Ministcr-Präsident Freiherr von Crailsheim hat sich, der „Allg. Ztg.“ zufolge, heute Vormittag mit dem Schnellzug über Landshut nah Passau begeben, um die dortigen Bahnhofserweiterungen und Umbauten zu besihtigen und sodann die Rottthal- bahn, sowie die beiden demnächst zu eröffnenden Wald- bahnen Passau-Fürsteneck und Gräfenau-Zwiesel zu inspiziren. Jn der Begleitung des Minister-Präfidenten befinden ih die Herren General-Direktor Schnorr von Karols- feld, Ministerial-Rath Ritter von Oéwald, Ober-Regierungs-Rath Ebermayer und General-Direktions::Assessor Abt. Sachsen.
Dresden, 1. Juli. Se. Majestät der König hat, wie das „Dresd. Fourn.“ meldet, den Ober: Ceremonienmeister, Kammerherrn Freiherrn Alfred von Miltiß auf sein An- suchen von den Funktionen eines Königlihen Ceremonien- meisters unter Belassung seines Titels und Ranges enthoben.
Oesterreich - Ungarn.
Wien, 8. Juli. (W. T. B) Das „Wiener Frem- denblatt“ hebt mit großer Genugthuung die be- geisterte Aufnahme der österreihish-ungarishen Schützen in Berlin hervor. Es präge si darin die gegen- seitige Sympathie der beiden Völker und das treue Festhalten an ihrem Bunde aus, und stimmungsvoll hätten dabei die Worte des Führers der italienishen Schüßen hin- eingeklungen, sodaß das Schügßenfest in Berlin als eine be- merkenswerthe Kundgebung für die Friedensallianz erscheine.
Großbritannien und JFrland.
London, 8. Juli. Jn der gestrigen Unterhaus- Lun gab, wie „W. T. B.“ meldet, der Erste Lord des
ages Smith die Erklärung ab: Die südliche Grenze des Walfishbay-Gebiets sei leider niht genau definirt; es seien daher zwishen den Behörden des Kaplandes und den deutshen Behörden im Damaralande Er- örterungen darüber entstanden, ob eine gewisse Landstrecke, die als Wasserstation für die Straßen von der Küste nah dem Jnlande wichtig erscheine, in die Grenze des Walfishbay- Gebiets einbegriffen sei. Ein Versuch, die bestehenden Mei- nungsversGiedenhelien durch eine gemeinsame Kommission zu regeln, sei fehlgeschlagen. Da der englische und der deutsche Kommissar ih nicht geeinigt hätten, seien in dem eng On Abkommen Bestimmungen enthalten, um die Angelegenheit einem Schieds spruche zu unterbreiten. : __ Der „Observer“ schreibt : „Die Opposition, welche sih in dem Sonder-Ausschu§ zur Begutachtung der Vorschläge
der Regierung für die Üebertragung von Vorlagen
matt es in dieser Periode der Session unthunlih, die Sache weiter zu verfolgen. Die vorgeshlagene neue Geschäftsordnung wird folglih dem Hause der Gemeinen nicht unterbreitet werden. Unter diesen Unmfiänden wird, wenn der „Observer“ recht unter- richtet ifi, eineHerbfisession zur Durchführung der in der laufenden Session nicht erledigten wichtigen Geseßentwürfe abgehalten werden müssen. Da aber im konservativen Lager keine große Neigung für eine Herbstsession zu herrschen scheint, so wird der Regierung nichts anderes übrig bleiben, als die noth- weudigien Geschäfte der Session so rasch als möglih abzu- wiceln und die irishe Güterankfaufs-:Vorlage und vielleicht auch die Zehnten-Vorlage gänzlich fallen zu lassen.
Die Agitation unter der Londoner Shußmann- schaft ist in ein sehr akutes Stadium getreten. Die „Allg. Corr.“ beri{tet über den Anlaß da:u:
eIn der Bowstreet-Polizeistation spielte i{ch am Sonn- abend eine erregte Scene ab. Ein Scutmanr, der Führer feiner Kameraden in der Agitation um kürz:-re Dienststunden und höhere Besoldune, war nad cinem anderen Distrikt verseßt - worden, und erbittert Über diese Maßregel versagten die meiiten SLuht- leute ihren Vorgeseßt:n den Gehorsam, in Folge dessen nabzzu 590 Sc@utßleute fuépendirt wurden. Zur Ecwâältigung des Nachtdienstes anf den Straßen mußten am Sonntag Abend Schußleute aus drei Vorstädten herangezogen werden. Die Ersaßkonstablecr wurden von den fsuêpendirten Schußleuten vcrböhnt. In einer Versammlung von Delegirten sämmtlicher bauptftättisGen S&rt!e::te wurte beschklofsen, am Montag Abend zu eem allgemeinen Ausstand zu schreiten. Falls bis dabin nickt cie günstige An: wort auf ihre an den Miniiter dez Innern gerichtete Antroort eingegangen sei. An die Hauswitth?e und Ladenb. sitzer w.rd cine Äufford.rung gerichtet werden, ihr Eigenthum s\clber zu bes&üten “
m Unterhause erwiderte gestern dec Staatssekretär des Fnnern Matthews in Beantwortung einer auf die Bewegung bezüglihen Anfrage: Die Zeitungs5meldungen über die unter der Londoner Schuzmannschaft aus- gebroheznen Unruhen seien sehr übertrieben. Nur 39 junge, unerfahrene Polizisten bätten sh am Sonnabend in der Bow-street-Station einer F1subordination schuldig gemacht, und diese seien deshalb heu.e eutlassen worden. Die alten, erfahrenen Polizisten dagegen betrügen fich würdig der Traditionen der Londoner Shußmannschaft. Uebrigens seien von dem Chef oer Polizei die umfassendsten Maßregeln getroffen, daß die Polizei der gesamnitez Stadt die ihr obliegenden Pflichten im vollsien Maße erfülle.
Inzwischen ist es, laut Meldung des „W. T. B.“, gestern Abend zu Ruhestörungen in der Bowstreet gekommen, welche den ganzen Abend über fortdauerten. Gegen 9 Uhr hatte die Menschenmenge dort derart zugenommen, daß fie die ganze Straße füllte. Eine stärkere Abtheilung berittener Polizeimannschasten versuchte die Straße zu säubern, jedoch ohne Erfolg. Es wurden mehrere Personen verhaftet und eine Anzahl verwundet. Eine Abtheilung Kavallerie mußte den Wagen des Prinzen von Wales, als dieser die der Polizeikaserne gegenüber liegende Oper verließ, begleiten.
Nach neueren Meldungen des „R. B.“ segten ih gestern die Unruhen in der Bowsireet bis tief in die Nacht hinein fort; erst heute früh gegen 2 Uhr begann die Menge sich zu zerstreuen. Die berittenen Polizeimannshaften wurden dur Schuszleute zu Fuß erseßt. Die durh die Volkshaufen an- gerichteten S sind beträhtlich; viele benah- barte Häuser wurden beschädigt, zahlreihe Fensterscheiben wurden zertrümmert. Die Zahl der verhafteten Personen ist eine sehr erhebliche
Nicht minder ernst hat sich die Agitation unter den Londoner Briefträgern gestaltet. Eine große Menge derselben in den wesilihen und östlihen Stadtbezirken würde \{hon am Sonnabend zu einem Ausstande geschritten sein, wenn sich nit die Exekutive des Briefträger - Verbandes ins Mittel gelegt hätte. Gestern Abend sollte eine Massenversamm- lung abgehalten werden, um einen endgültigen Beshluß zu fassen. Fnzwischen wird der gewöhnliche Postverkehr nur mit großer Schwierigkeit bewältigt.
Die englische Kriegsmarine erhielt am Sonnabend einen Zuwachs in em gepanzerten Kreuzer „Blenheim“, der von der Wert der Thames Jronwork and Shipbuilding Company in Blackwall nah vollzogener Taufe durch die Gemahlin des Admirals Hopkins, eines der Lords der Admiralität, in Gegenwart einer großen Zuschauermenge vom Stapvel lief. Der „Blenheim/ ist 375 Fuß lang, 65 Fuß breit, hat einen Tief- gang von 25 Fuß 6 Zoll und ein Deplacement von 9000 Tons. Krast seiner Maschinen von 20 000 Pferdekraft ist er 1m Stande, nöthigenfalls 22 Knoten in der Stunde abzuwickeln. Die Panzerbekleidung ist stellenweise 6 Zoll stark. Die Be- waffnung des Kreuzers besteht aus 9 zweizölligen, 24 Tonnen {weren Kanonen, 10 sechszölligen, 5 Tonnen wiegenden Ge- \hüßen, sowie 16 Dreipfündern und Nordenfeldt'’shen
Mitrailleusen. Frankreich.
Paris, 6. Juli. Der „Fr. C.“ entnehmen wir den nah- stehenden ausführlihen Bericht über die gestrige Sizung der Deputirtenkammer: S
Auf der Tagesordnung stand die erste Lesung des vom Senat genehmigten Geseßentwurfs, betreffend die Arbeit der Kinder, minderjährigen Mädchen und Frauen in den Fabriken. Da dieser Gegenstand {on in den leßtea zwi Iabren auzgiebig er- órteri worden war, so wurde nur dem Namn nah eine General- debatte gegalten me Mes fogleich die Verhandlung über Art. 1 be-
onnen. erseibe lautet: 5 N s Die beit der Kinder, minderjährigen Mädchen und Frauen in den Fabriken, Werkstätten, Bergwerken, Gruben und Stein- brüchen, Baupläßen, Ateliers und was damit zusammenbängt, welcer Art sie auch sein möge, öffentli oder privat, weltlih oder geistlih, gleiviel, ob diese Anstalten den Charakter eines Gewerbe- Unterrichts odcr der Wohlthätigkeit tragen, untersteht den von dem Geseg bestimmten Verpflichtungen. : usgenommen sind die Arbeiten, welche in folchen Anstalten auêgeführt werden, wo nur die Angehörigen der Familie unter der Aufsicht des Vaters oder der Mutter oder au eines Vorn.unds arbeiten, vorausgeseßt jedoch, daß diese Anstalten nit als gefähr- liche, gesundheits\{hädlihe oder belästigende flassirt find oder daß die Arbeit nit mit Hülfe von Dampfkesseln oder mehanishen Motoren vor ih gehe.
Der sozialisti)iGe Abg. Dumay- entwidelte ein Amendement, dem zufolge der Aufzäblung der Fabriken, Werkstätten u. s. w. noch die Worte: „Swreibstuben und Verkaufsläden* hinzugefügt werden sollten. Der Berichterstatter Waddington entgegnete aber, eine solche Beschränkung könnte zu weit führen. Der Antraz wurde mit 284 gegen 222 Stimmen verworfen. Absfat 1 des Art. 1 drang fodann durhch mit einem Zusaß von Balsan, demgemäß die Bestimmungen des Ge- seyes auch für die in Fabriken arbeitenden Ausländer gelten. Zu Ab- saß 2 bracten Balsan und Aynard die Streichung des Schlusses des Artikels, betreffend die Verwendung von Dampfkesseln oder mehanishen Motoren in Vorshlag. Aynard, Abgeordneter von Lyon, begründete
auf die nähsifolgende Parlaments session bekundet,
den Antrag, indem er auf die zahlreihen „Familien-Ateliers*“ hin-
wies, welYe in seinem Wahlkreise cighn und seit einiger Zeit wieder mehr in Aufnahme kommen. Hier werden die Webftühle oft durch Gaëmotoren getrieben, und wean nun der Artikel in dem vor- liegenden Wortlaut angenommen würde, fo wär? dies für diz Fa- milien-Rieliers mit ivrer patriarchalishes Einrichtung, aber ihrem vervollkfommueten Werkzeug cin erbebtiiber Schaden. Ungeattet dieser Vorstellungen wrrde der Anirag mit 274 gegen 200 Stimmen verworfen und der Terr des Ausschuffes genehmigt.
Art 2 lautet: h :
Die Kinder dürfe: von Meifiern nicht vor dem zurückgelegten 13, Altersjahre bescâftigt und eben so wenig in die in Artikel 1 aufgezählten Anstalten zugelaffen werden.
Jene Kinder jedoch, welche das vom Geseß vom 28. März 1882 eingeführte Abgangszeugniß .aus der Primärshule (Certificat d’études primaires) besißen, dürfen vom 12. Alteréjahre an be- \hâftigt werden. _ ; :
Auf alle Fâlle darf kein Kind unter 15 Jahren in die oben genannten Anstaiten zugelafsen werden, wenn es nit mit einem ärztliGen Gesundheitszeugnisse versehen ist, welhes einer der mit der Aufficht über die klcinen Kinder betrauten Aerzte oder ein Sqularzt ausgesteüt Hat
_In den Waisenbäusern oder in Artikel 1 angedeuteten Wobl-
tbâtigfeitsanstalten, in welhen ter Primärunterriht ertheilt wird, darf die Erlernung eines Berufs oder der Handarbeiten drei Stunde: tägli nicht übe:sreiten
Der Graf de Mun befürwortete warm und beredt die Streichung des Absatzes 2, welher den mit einem Shulzeuzniß versehenen Kin- dern von 12 Jahren den Zutritt in die Werkstätten gestattet. Wenn es va feinem Sinne ginge, fo türften überhaupi keine Kinder unter 14 Jahren die Werkfiätte betreten; er woll: sih jedo auch mit dem zurüdgelegten 13. Jahre begnügen. Das Abgangszeugniß der Prtmärschale beweise nur, daß ein Kind aufgeweckt und gelebrig, niht aber, daß e auc förperlih hbinreiwend entwidelt is, um eiae zechnstündige Arbeit obne Nawhtheil für sein ganzes Leben zu ertragen. Wenn Absay 2 aufrecht erhalten würde, fügte der Redner hinzu, so würden die Kinder wie in einem Treibbause zur Erlangung des Certificati d’études gedrängt werden, damit fie ein Jahr früher ihr Brot verdienen könnten. Der Sozialist Dumay unterstüßte den Gcafen de Mun und alle Widerrede des Berichterstatters Wadd ington half nits gegen die vereinigten Kon- servativen und Revolutionäre: 378 gegen 165 Stimmex bes{hl5fsen die Streihung des Absazes 2. Darn wurd? noc die Berathung über Artikel 3 begonnen. Derselbe lautet :
„Die Kinder unter 18 Jahren, die minderjährigen Mädchen und die Frauen dürfen nicht über zehn Stunden täglih zur Arbeit angebaïten werden.
Di: fe Arbeitszeit muß dur eine oder mehrere Rasten unter- brochen werden, die zusammen nit weniger als eine Stunde aus- machen dürfen und während welcher diz Arbeit untersagt ift.“
Die ganze nun folgende Berathung drehte sh um einen Antrag des Aba. Chic é, welcher folgende Fordecungen aufstellt :
Die Kinder beiderlei Geshlechts dürfen bis zum voUendeten 14. Alteréjahre nicht über 6 Stunden, bis zum 18. Jahre nit über 8 Stunden täzlich arbeiten. Die minderjährigen Mädchen und die Frauen nit über 10 Stunden.
Balsan empfahl die Annahme dieser Bestimmungen und Graf de Mun seinerseits trat dafür in ciner feurigen Rede ein, die er mit ber Aufforderung an ¿Frankrei schlo®, auf der von dem Berliner Kongreß vorgzezcihneten Bahn den anderen Völkern als Leuchte zu dienen. Dcfsea ungeahtet wurde der Artrag Chicé durch Händeauf- heben verworfen.
Ftalien.
Rom, 7. Juli. Die „Riforma“ erklärt die Nachrichten von Verhandlungen der italienishen und der eng- lishen Regierung über die Abtretung des unter italienishem Protektorat stehenden Somalilandes an Eng- land und über die Ueberlassung des Besitzes von Zeilah an Jtalien für gänzlich unbegründet.
Spanien. Madrid, 7. Juli. (W. T. B.) Jn den beiden Häusern
der Cortes wurde heute ein Königliches Dekret ver- lesen, welches die Sitzungen derselben suspendirt.
Niederlande. Luxemburg, 8. Juli. (W. T. B.) Bei der heute stattgehabten Ergänzungswahl zur Deputirtenkammer ist der liberale Bra ss e ur gewählt worden.
Belgien.
__ Brüssel, 4. Juli. Das internationale Bureau für die Veröffentlihung der Zolltarife wird am 1. April 1891 in Brüssel eröffnet; diejenigen Staaten, welche noch nicht beigetreten sind, dürfen es nahträglich thun. Die inter- nationale Zoiltarif-Konferenz, an welcher 42 Vertreter von 35 ausländischen Staaten E nehmen, hat, wie man der „Wes.-Ztg.“ berichtet, in ihrer geitrigen Sißung das Unterzeihnungs-Prot okoll genehmigt, welches die gesammten ge- meinsamen Koiten übr die theilnehmenden Staaten vertheilt und die Art und Weise, den Ort und die Zeit der Zahlungen, wie das Jnkrafttreten des internationlen Abkommens auf den 1. April 1891 festsezt. Jn der morzigen Schlußsißzung wird nur noch die Unterzeichnung des internationalen Uebereinkom- mens, der Ausführungsverordnung und dieses Protokolls er- folgen. Die Konferenz hat ihre Aufgabe somit schnell gelöst.
Griechenland, Athen, 7. Juli. Die russische Regierung hat, der M. „Allg. Ztg.“ zufolge, hierher mitgetheilt, daß der russische Thronfolger auf seiner bevorstehenden großen Seereise auch Athen und dann weiter verschiedene andere hellenishe Städte besuchen werde.
Montenegro.
Cettinje, 77 Juli. Der Kommandant der Leibgarde und Vetter des Fürsten, Bosco Martinowitsch ist der „Neuen Freien Presse“ zufolge gestern ermordet worden. Der Mörder wurde aüf dem Marktplaze gelyncht.
Amerika.
Vereinigte Staaten. Washington, 7. Juli. Der Senat hat, dem „W. T. B.“ zufolge, heute eine Resolution, nah welch-:r Behufs Berathung der Tarifbill die Erledigung der übrigen geseßgeberishen Vorlagen M L werden sollte, mit 23 gegen 20 Stimmen ab- gelehn
— 7. Juli. (W. T. B.) Die Meinungsverschieden- heiten in der Kommission des Senats und der Repräsentantenkammer über dea vorliegenden Entwurf der Silberbill sind nunmehr beseitigt. Die republi- kanischen Mitglieder der Kommission haben einem s zugestimmt, nah welhem das Bundesshaßamt monatlic 4 500000 Unzen feines Silber ankaufen dürfe. Die Schaznoten " sind in gemünztem Silber einzulösen und
elten als geseßlihes Zahlungsmittel. Senator Sherman bt den Bericht ab, welher dem Senat vorgelegt werden
Spâter werden die bezüglichen Berichte dem Senat und der epräsentantenkammer vorgeleat werden.
…_ Für die Marine der Vereinigten Staaten find nah
Mittheilung des „Engineering“ gegenwärtig auf amerikanischen Werften sieben große Kriegsschiffe im Bau. Der „Concord“ ift soweit vorgeschritten, daß nächstens die Probe- fahrten stattfinden können. Der „Renington“, in Chester er- baut, iß vor kurzer Zeit vom Stapel gelaufen. Für zwei erstklassige Kanoneuboote, Nr. 4 und 5, find die Kiele gelegt auf der Werft der Bath Jron Works in Maine. Für zwei Kreuzer, Nr. 9 und 10, ist kürzlih den Columbian Jron Works die zweite Nate ausbezahlt. Die bei diesen leßteren Neubauten verwendeten Kiele und Steven sind aus Gußstahl von der Standard-Stahl!gußfabrik hergestellt. Jm Bau des „Texas“ ist ein unfreiwilliger Aufenthalt eingetreten durch einen un- vorhergeschenen Fehler des s{hweren Hinterstevens. __ Mexiko. Das Ausgabenbudget für das Finanz? iahr 1890/1891 is, wie die „Mexikanishe Finanz-Revue“ mittheilt, vom Kongr-ß wie folgt festgestellt worden : 1) Legis- lativer Körper 105403650 Doll, 2) Exekutiv-Gewalt 49 849,45 Doll, 3) Magistratur 46888425 Doll, 4) Ministerium des Aeußerea 462 517,25 Doll, 5) Ministerium des Fnnern (Post und Telegraph einbegriffen) 3678 679,70 Doll., 6) Ministerium der Justiz und des öffentlichen Unterrichts 1 393 97240 Doll, 7) Oeffentlihe Arbeiten (7 310 326,50 Doll, §8) Finanz-Minif?erium 11 365 207,09 Doll, 9) Arme und Marine 12629 543,90 Doll. ; Summe 98 413 017,11 Doll. Die Einnahmen für das gleihe Finanzjahr wurden veranschlagt wie folgt: Zölle 26 200 000 _Doll., föderale Konsumsteuer 1 500000 Doll., Stempelgebühren 9 400 000 Doll., direkte Steuern 1 400 000 Dollars, Lotterie 300000 Doll, Post und Telegraph 1 200 000 Doll,, verschiedene Einnahmeguellen (Eintreibung rüctständiger Steuern, Verkauf von Nationalländereien 2c. 2c.) 1500000 Doll., Münzgerechtsame 270 000 Doll. ; Summe 41 770 000 Doll.
San Salvador. Nach einer Meldung des „R. B.“ aus Mexiko vom 4. d. M. veröffentlichte die mexikanische Amtszeitung ein Lelegramm des Generals Ezeta, worin derselbe an- kündigt, daß er die Präsidentschaft von San Salvador angetreten habe als Nachfolger des Generals Me- nendez, der, wie die Depesche besagt, getödtet wurde, währezd er seine Am:3wohnung vertheidigte. Präsident Diaz bestätigte den Empfaag des Telegramms des Generals Ezeta auf telegraphishem Wege, und es unterliegt keinem Zweifel, daß Viexiko die neue Ordnung der Dinge in San Salvador anerkennen wird. Das Journal „Universal“ theilt mit, daß die Leiche des Generals Menen dez von Kugeln durhbohrt gewesen sei.
Afien. _ China. Das „Reuter'she Bureau“ meldet aus Shanghai vom 5. Juli, daß die chinesishe Regierung zum Bau strategischer Eisenbahnen in der Mandshurei eine Anleihe von 30 Millionen Taels amerikanischen Silbers aufzunehmen beabsichtige.
Parlamentarische Nachrichten.
Bei der am 2. d. M. im 4. Potsdamer Wahlkreise (Prenzlau - Angermünde) stattgehabten Reichstags- Nachwahl wurde nah amtlicher Feststellung der Gegeime Regierungs-Rath und Landrath von Winterfeld-Menkin (koas.) mit 9968 St. gewählt. Von den Gegenkandidaten erhielten Rittergutsbesizer Rohland-Ezoldhain-Zeiz (freis.) 4205, Tapezierermeister Wildberger-Berlin (Soz.) 1346 St.
Kunft und Wissenschaft.
Okbgleih die am vergangenen Sonnabend eröffcete große akademishe Kunstausstellung, wie nabe liegt, die Hauptanziehungskraft auf die funstiiebende Welt der Reichshauptstadt ausübt, fo findet der Kunstfreund, welcher gern kleinere Ausftellungen besubt, doch au im Lokal des Vereins Berliner Künftler eine Reibe von Werken, welche der Beachtung durchaus werth sind. Lenbacþ ist dort augenblidlich mit zwei Gemälden vertreten ; das eine derselben, Kaiser Wilbelm I, bestätigt die immer aufs Neue gemahte Beobachtung, daß Lenbah bci seinen Porträts mit der Ausführung des Angesichts seine Au!gabe als erledigt betrachtet und alies Uebrige, Hände und Kostüm, als Nebensache ansieht, auf die ein Künstler, wie er, keine Rüdsicht zu nehmen braubt. Das zweite Bild, ein Porträt des Prinzen Rupprechti von Bapvern aus dessen Knabenzeit, ift so nah- gedunkelt, daf: man si von dem ur‘prünglichen Kolorit kaum noch eine rechte Vorfiellung maen kann.
__ Von S%Hlabiy ift ein in Lebensgröße ausgeführtes Porträr (Kniestück) Sr. Majeität des Kaisers Wilhelm II. auégestellt. Während bei Lenbach die intensiven Töne beliebt sind, zeigt sh Schlabit in diesem und einem anderen Biid als Anbänger heller Farben. Die Aufgabe, welche er sich mit dem Kaiser-Porträt stellte, war keine leichte, und er steht mit seinem Versu, nach Art Herkome:'s eine bellgekleidete Person auf einem bellen Hintergrunde darzustell:n, ent- ieden dem deutsch-englishen Maler nah Der Kaiser trägt di: Uniform der Bardes du Corps und zwar den weißen Rock; da nun der Hintergrund, cin Velarium, aus welchem der Reichsadler bciügrau hervortritt, gleifalls weiß ist, fo entstand die Frage, ob sich die Geftait auch wirkungsrol von dem weißen Grunde ab- heben würde. Die Lösung ift dem Maler nur theilweise geglückt. Der Gesammteindruck des Bildes isi ein frostiger geworden, das Auge wird beunrubigt durch das zu viele Weiß. Gegen die Porträtähnlich?eit läßt fich nur das Eine einwenden, daß der Ausdruck der Augex ni{cht scharf genug ist, sondern unbestimmt erscheint, namentli, was das rechte Auge betrifft. Wenig einverstanden wird sih manther Beschauer mit der Haltung erklären: der Kaisir wendet das Gesicht dem Betrachtenden zu, der Leib ist jedo zur Seite ge- dreht, und um etwas Leben in die Gestalt zu bringen, ist das linke Bein nach vern gebeugt; dadurch bekommt die Figur etwas Gezwun- genes und wirkt unfrei. Ungeachtet dieser nicht zu bestreitenden Mängel ift Es Gemälde ein fleißiges Werk, das entshieden Beachtung verdient.
__ Jof. Rummelspacher, vcn dem verschiedene Bilder hier zu sehen find, zeigt in seiner Waldlandschaft eine energishe Pinselführung bei fatter effektvoller Farbengebung, cs stroßt darin Alles von Saft und Gesundbeit; jedenfalls erfreut diese echte Waldpoesie mehr als jene modernften Versuche, die auch bei Wiedergabe unserer prächtigen deutshen Wälder uns glauben machen wollen, es sähe darin Alles so grau und ftaubig aus, wie auf gewissen Bildern. Auch das zweite Bild „Corte auf Corsika“ verräth den tüchtigen Landschafter, der nicht nur naturalistisch wiedergiebt, sondern denkt und em- pfindet und Wahrheit mit Schönheit verbindet, ein Gesetz, an wel§es zu erinnera Angesichts so manher Geschmacksver- irrungen in unserem modernen Kunstleben durchaus zeitgemäß ist, Liesegang dagegen zeigt sich in seiner Kouektion von Landschaften als Anhänger der neuen Schule; aber wie verschieden auch seine Motive sein mögen, immer ist es derselbe Vortrag, wer
wird. Die Mitglieder der Kommission find zu einer Haupt- versammlung zur Bestätigung obigen Vergleiches einberufen.
zwei davon gesehen hat, der kennt auch die übrigen. Beide eben er- wähnten Künstler haben auch die große Ausstellung beschickt, auf
welcher das hier Gesagte aufs Neue cine Bestätigüng erfahren dürfte. Körner läßt in ciner orientalishen Strandlandschaft seiner Neigung zu leuchtenden Farben freien Lauf; soeben geht die Sonne unter, ihre Gluth sch{eint die Felsen des Gestades zu s{melzen, sie leuten, als wären sie im Begriff zu zer: fließen. Währead sie die ganze Gewalt des scheidenden Taggestirns empfinden, licgt die Sohle des Ufertbals bereits in bläuliwem Schatten, eine kleine Gesellichaft ift am Strande gelagert und dient als anmuthige Staffage. Auch des- selben Meisters Gemäide , Toledo am Tojo* zaubert uns die Reize einer südlichen Landschaft in all ihrer S&önbeit auf die Leinwand. Im Anfbluß an diese treffflihen Bilder sei H. Preller's „Subiaco“ erwähnt. eine in berois{em Stil gehaltene Landschaft, in welcher auch der üklide flôötenblasende Faun nit fehlt. Winzig nehmen fi gegen das leßtz-nannte große Weck die Miniaturbilder L. Hogue1's aus, so ziertich komponirt und gemalt, daß sie dem Salon einer Dame zum reizendsten Shmuck dienen würden ; sie über- treffen die daneben Längenden Bröôker' Zen, welche flüchtig gemelt sind und das alte immer wieder gesehene Motiv behandeln. Genannt sci ferner Hilgers mit einer solide dur{zeführten ,Winterland- schaft“, ferner die „Abenddämmerung“ von L. Hermes, R. Tarbe, A. Lutteroth mit seiner hübsch abgestimmten „Villa Piuma* ; Jügel's „Landschaft mit Schafheerde“ fei gleihfalls nit vergessen s{on wegen der effektvollen Farbtengebung. L. Muntbhe kat in seiner , Niedercheingegend“ - das" Dunftige der Temperatur ret ges {idt anzudeuten verstanden, auch Oeder 's „Herbsitlandschaft* ift eingebender Betrachtung werth. Nietbe zeigt sid als gewandter Kreidezeihner, der fo ges{ickt den Stift zu handhaben weiß, das er den Eindruck eines Gemäldes in seinen „,Marinestücken“ erzielt ; die Abtönungen sind fein durchgefübrt und alle Härten, wie man sie oft bei Kreidezeihnungen findet, glücklich vermicden worden.
Die Landschaft und das Porträtfah, aus dem noH H. Bügt- mann’s Damenbildniß hervorgehoben fei, sind in den Aueftellungë- räumen des Vereins Berliner Künstler wie auch überbaupt auf der Mehrzahl unserer neueren Ausstellungen besser vertreten als das Genre. Es seint fast, als seien unserc Künstler in Verlegenheit Betreffs des Stoffs ; oft sind es so nihtssagende Motive, daß man si über ihre Wahl wundert, oft auch ift es die naturalistisGe Dar- stellung, wel@e beute für chic gilt und manLem das Genre vecleidet. Numez Vais führt uns eine Scene aus dem modernen gesellschaft- liden Leben tor: eire junge Dame nimmt von ibrer in Coupé erster Klasse abfahrenden Mutter zärtliG Ab- schied, während ein Mitreisender seinen Kcffer auf das Gepälkbrett legt. Was ift dies wobl eigentlih weiter als ein Vorwurf für eine Augenblicksphotographie? Von den Gesittera der drei Personen sieht man wenig, das Secelis®e, Geistige fpielt also bier eine schr untergeordnete Rolle, ftatt defsen erblickt man die Rückseite der jungen Dame und das nücbterne Aeußere des Waggons. Fürwahr, Zeit und Mühe könnten von Vais wie von fo vielen unserer Genremaler an interessantere Vorgänge gewendet werden, als an einen so nihts- sagenten, alltägliWen, in welhem noch dazu das cigentliH Patende, der Schmerz des AbsHiedes, am {hwä&sten betont ift.
Handel und Gewerbe.
Danzig, s8.. Iuli. (W. T. B.) Die Einnahmen der Marienburg-Mlawkaer Eisenbahn betrugen im Monat Juni 1890 nach provisorischer Feststellung 102600 A gegen 155 905 46 nach provisorisher Feststelung im Juni 1889, mithin weniger 53 300 6 Die definiutve Einnabme im Iuni 1889 betrug 151 834 46
Harburg, 3. Juli. Jn der éeutigen ordentliden General- versammlung der Unter+Elbe*’ schen Eisenbahn-Gesellschaft wurde nach Vorlage des Jahresberihts, der Bilanz und der Gewinn- und Verlust-Rechnung für das Nechnungsjahr 1889/90 dem bisherigen Vorstand Decharge ertheilt und die Vertheilung einer Dividende von 4/9 für die Aktien Litt. A. und von 2,01 %/5 für die Aktien Litt. B. beschlossen. :
Hamburg, 3. Juli. (Wes.-Ztg.) Die Bürgerschaft ver- handelte in ihrer gestrigen Sitzung längere Zeit über eine Vorlage des Senats, die Abänderung des Gesetzes, betreffend die Löshzeit für Seeschiffe im Hamburgishen Hafen. Es war namentlich eine Kollektiveingabe an den Senat von den Rhedern in London, Liverpool, Glasgow, Greerock und Dundee gelangt, welche sih über die langen Löshfristen in Hamburg glaubte beshweren zu müssen. Der Senat batte daher die englishen Rhedereien veranlaßt, eine Anzahl Delegirter hierher zu entsenden, um in dieser Angelegenheit mit der Handelskammer zu verhandeln. Die dieserhalb angesetßte Konferenz stellte nah langen Verbandlungen fest, daß in Zukunft bei Segelschiffen von mebr als 1000 Reg.-Tons Nettogehalt die Löshzeit im Sommer erst für jede weiteren 100 Tonnen (anftatt bisher 60 Tonnen) und im Winter für jede weiteren 75 Tonnen (anstatt für 50 Tonnen) um einen Tag verlängert werde. — Seitens des bürgershaftlihen Aus\chusses wurde dieser Senatsantrag zwar im Prinzip genehmigt, jedo vielfach amendirt. In der Bürgerschaft wurde der Senatsantrag indeß als {on re{cht weitgehend anerkannt und dieser, unter Ablehnung aller Amendements, pure angenommen. Die Besorgniß, welhe man von anderer Seite aus\sprach, daß man wegen dieser angebli nit ge- nügenden Ladungéêfristen, die Schiffe nach anderen Häfen beordern würde, wurde von erfahrener Seite, als jeder Begründung entbehrend, abgewtesen;_ felbst in den meisten englishen Häfen werde nit so \chnell gelöst wie zur Zeit in Hamburg mit seinen vervollkommneten Löscheinrihtungen. Es handelte sih eigentliÞ um den Kernpunkt, das so bedeutend emporgeblühte Salpetergeschäft, von welchem heute Hamburg mehr als die Häifte der ganzen europäishen Einfuhr in Anspruch nimmt. Es betrug der Import an Salpeter in den leßten Jahren: 1886 122500 Tons, 1887 171 090 Tons, 1888 261 000 Tons, 1889 317 000 Tons. Der Werth der Eirfuhr an or dad betrug 1888 ca. 50} Millionen und 1889 ca. 70 Millionen
ar _ Hamburg, 7. Juli. (W. T. B.) Heute Vormittag wurde die 20, Generalversammlung des hier tagenden „Verbandes deut! cher Müller“ von dem Vorsitzenden van den Wyngaert- Berlin eröffnet. Jm Laufe der Verhandlungen wurde einstimmig eine Resolution angenommen, dahin gehend, daß die Generalversamm- lung die Ucberproduktion als Hauptpunkt des s{hlechten Geschäfts- ganges des Müllergewerbes ansehe und den Vorstand beauftrage, Swritte zu thun, um diejen Mißständen abzuhelfen. London, 7. Juli. (W. T. B.) Wollauktion. Preise feft, behauptet. Schweißwolle 4, Scoured § über Eröôffnungspreis. Kreuz- ¿uten und Capwolle unverändert. An der Küste 3 Weizenladungen angeboten. Glasgow, 7. Juli, (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 10 151 gegen 9006 t in derselben Woche des vorigen Jahres, Bradford, 7. Juli. (W. T. B.) Wolle fester, jedo halten fi Käufer vom Markte zurück, Garne rubig, in Stoffen ztemlih gutes Geschäft, Fabrikanten jedo nicht vollauf besäftizt.
New-York, 7. Juli. (W. T. B.) Visible Supply an Weizen 19 638 000 Bushels, do. an Mais 14463 000 Bushels.
Verkehrs - Anftalten.
Hamburg, 8. Juli. (W. T. B,) Der Poftdamvfer „Australia“ ber Hamburg- Amerikanischen Pas rfen: Aktiengesellschaft _ift, von Hamburg kommend, am 5. d. M. in St. Thomas eingetroffen. Ebendaselbst traf, von Hawmburz kom- mend, geftern der Postdampfer „Flandria* derselben Gefell- schaft en Juli. (W. T. B
— 8. Juli. A ) Der Postdampfer „Saxonia“ der Hamburg-Amerikanischen Padetfahrt-Aktiengesell- schaft hat, von New: York kommend, beute Morgen Lizard passirt. London, 7. Juli. (W. T. B.) Der Castle - Damp}er „Roslin Castle“ ift gestern auf der Ausreise in Lissabon ange-
kommen.
— 8. Juli. (W. T. B.) Die Union-Dampfer „Aragb* und „Durban“ Fnd gestern auf der Heimreise, erslevee von Cape» town, leßterer von den Kanarishen Inseln abgegangen.