1890 / 175 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 22 Jul 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 22. Juli.

…_ Ueber die Reise Sr. Majestät des Kaisers und Königs erhalten wir folgenden weiteren Bericht :

„Se. Majestät s{hiffften Sih am 11. Juli um 8 Uhr Morgens mit der Reisegesellshaft in Eide aus, bestiegen die bereit gehaltenen Karriols und langten um 113/ Ühr in Vossewangen an. Daselbst nahmen Se. Majestät das 4 stü in Fleischer's Hotel ein und seßten um 2/4 Uhr Nach- mittags die Fahrt fort. Um 5/, Uhr langten Se. Majestät in Stahlheim's Hotel an. :

Am 12. Juli verblieben Se. Majestät den Vormittag über im Hotel meist auf der Veranda und gingen um 23/4 Uhr nach eingenommenem Lunch die Höhe hinab. Daselbst bestiegen Se. Majestät mit Begleitung die bereitgestellten Karriols und fuhren nah Gudwangen im Sogne-Fjord, w0o- selbst Sich Se. Majestät mit der Reisegesellshaft um 4?/ Uhr auf S. M. Yat „Hohenzollern“ einschifften. _Se. Majestät arbeiteten sogleich mit den Chefs der Kabinete und er- ledigten Regierungsangelegenheiten. Demnächst begaben Sich Se. Majestät an Bord S. M. Aviso „Fagd“ und gingen um 78/4 Uhr, gefolgt von dem Aviso, nah Faleide im Nord- Fiord in See. L

Sonntag, den 13. Juli. Se. Majestät kamen gegen 8 Uhr bei Sonnenschein an Deck, hielten um 11 Uhr den Gottesdienst für die gesammte Besaßung und das Aller- höchste Gefolge Allerhöchsiselbst ab und erfreuten Sich an der im Sonnenschein sih besonders {ön ausnehmenden Umgebung des Nord-Fjords. Um 12!/, Uhr wurde, da bei Faleide das tiefe Wasser ein Ankern nicht gestattet, bei Oldoeren geankert. Dahin folgten die To.pedoboote S 9 und 10, welhe zum Depeschendienst nah der 40 Seemeilen entfernten Telegraphen- station bestimmt sind. Nachmittags um 6 Uhr gingen Se. Majestät mit einigen Herren des Gefolges an Land zum Angeln. 5

Oldoeren, den 14. Juli. Jn Folge starken Regens gaben Se. Majestät die beabsihtige Landpartie auf. Es wurde mit Pistole und Gewehr nah der Scheibe geschossen. Am Nachmittag hörten Se. Majestät Vorträge, empfingen um 4 Uhr den Besuch des Sir Vincence Carrelt Barrington mit Frau und Begleitung, und fuhren, nach Verabschiedung des

esuchs zu Sir Vincence zum Angeln an Land. Um 9%, Uhr fehrten Se. Majestät mit der Beute 1 Lachs, 1 Forelle an Bord zurück. i

Oldoeren, den 15. Fuli. Se. Majestät mußten auch heute die geplante Landpartie in Folge Regens aufgeben und verblieben den Tag über zur Erledigung der gestern Abend eingekommenen Post an Bord,

Oldoeren, den 16. Juli. Se. Majestät kamen gegen 81/7 Uhr an Deck. Um 10 Uhr fuhren Se. Majestät mit der Reisegesellshaft an Land, bestiegen die Karriols und fuhren nah Eide 4 km am Ende des Oldenvand. Von dort fuhren Se. Majestät über den See nah Rustöen, gingen thalaufwärts bis Briksdal und nahmen daselbst das Frühstück ein. Gegen 3 Uhr traten Se. Majestät den Rückweg an und langten gegen 6 Uhr wieder an Bord an. Es hatte auf der Partie fortgeseßt geregnet. Nah der Rüdckehr erledigten Se. Majestät bis zur Abendtafel Regierungsgeschäfte.

Oldoeren, den 17. Juli. Se. Majestät {ossen am Vormittag mit Pistole nah der Scheibe, befahlen am Nachmittag ein Wettrudern zwishen den beiden Kuttern der „Hohenzollern“, wozu Allerhöchstdieselben einen Preis für den Sieger ausseßten, und fuhren um 4 Uhr Nahmittags zum Angeln an Land. Abends an Bord zurückgekehrt, erledigten Se, Majestät die eiligen Sachen der am Abend 81/, Uhr mit dem Aviso „Jagd“ eingetroffenen Kuriersendung. Wetter schön.

Oldoeren, den 18. Juli. Se. Majestät gingen um 71/2 Uhr früh mit der Yacht „Hohenzollern“ in See, ge- folgt von dem Aviso „Jagd“ und dcn Torpedobooten. Die Reisegesellshaft bis auf 4 Herren unternahm die Karriol- fahrt von Faleide nah Hellesylt. Behufs Erledigung der gestern Abend eingegangenen umfangreihen Kuriersendung hatten Se. Majestät von der Ausführung der Partie über Land nach Hellesylt Abstand genommen.“

Aus Gibraltar wird dem „W. T. B.“ berichtet : Jhre Majestät die Kaiserin Friedrich traf (wie bereits in Nr. 174 unter den nah Schluß eingegangenen Depeschen ge- meldet) am Montag Nachmittag unter dem Donner der Geschüße hier ein. Am Landungsplaßze war eine Ehren- Compagnie aufgestellt. Jhre Majestät begab sich zu Wagen in die Residenz des Gouverneurs. Später fand an Bord der Königlichen Yacht bei Jhrer Majeflät der Kaiserin ein Diner statt, zu welchem die Spißen der Behörden und der deutsche Konsul geladen waren.

Durch den Staatshaushalts:Etat für 1890/91 und den Nachtrags:Etat zu demselben sind, wie eine vom Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten unterm 28. Juni erlassene An- weisung ergiebt, die E uu lagen für Lehrer und Lehrerinnen an öffentlihen Volksschulen vom 1. April d. F. ab dahin neu geregelt worden, daß staatliche Dienstalterszulagen fortan nur in Orten mit 1000 und weniger Einwohnern gewährt werden und daß in diesen Orten die niht reihlich besoldeten Lehrer und Lehrerinnen nach zurückgelegter zehnjähriger Dienstzeit aus Staatsmitteln D von 100 bezw. 70 H erhalten, welche von 5 zu 5 Fahren um die gleihe Summe bis zum Höchstbetrage von 500 bezw. 350 M steigen.

Bei dieser Neuregelung, welche einerseits durch Erweiterung und Erhöhung der bisherigen Dienstalterszulagen eine ange- messene und auskömmliche Besoldung der Volksschullehrer und Lehrerinnen in Orten mit 10000 und weniger Son mit steigendem Dienstalter sicher stellt, andererseits aber die Lehr- perjonen gleiher Kategorie in Orten mit über 10 000 Ein- wohnern von der Bewilligung solcher staatlichen Zulagen grundsäßlih auss{ließt, ist davon ausgegangen worden, daß in den Orten mit über 10 000 Einwohnern die Schulverbände in der Regel selbs im Stande sein werden, das Diensteinkom- men der Lehrer und Lehrerinnen den örtlihen Verhältnissen entsprehend angemessen festzuseßen und nah dem Dienstalter abzustufen,

Wo ausnahmsweise diese Schulverbände hierzu unver- mögend sind, sollen sie durch staatlihe und für diesen be- stimmten Zweck zu bewilligende Beihilfen in die Lage versetzt werden, eine angemessene, den zeitlihen und örtlichen Verhält- nissen entsprehende Gehaltsregulirung eintreten zu lassen, so daß in keinem Fall die Einkommensverhältnisse der Lehr- person in Orten von bis zu 10000 Einwohnern und der- jenigen in Orten von über 10 000 Einwohnern zu Ungunsten der leßteren eine Verschiebung durch die neue Einrichtung er- fahren dürfen.

Um dies sicher zu stellen, hat der Minister der geist- lihen 2c. Angelegenheiten unterm 1. Zuli die Königlichen Regierungen angewiesen, alsbald das Stelleneinkommen sämmt- licher Lehrer und Lehrerinnen an öffentlih:n Volks\{hulen in den Orten mit über 10000 Einwohnern einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, welche sich, unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse jedes Orts und der einzelnen Stellen, insbesondere auf die Angemessenheit der bestehenden Maximal- und Minimalsäge sowie darauf zu erstrecken hat, ob innerhalb dieser Grenzen die Besoldungen dem fort- schreitenden Dienstalter und den Theuerungsverhältnissen des Orte entsprehend mindestens in gleihem Verhältniß abge- stuft sind, wie dies durch die staatlichen Dienstalterszulagen in Orten mit 10000 und weniger Einwohnern geschehen ist, und ob auch die an anderen Orten im öffentlihen preußischen Volksschuldienst zurückgelegte Dienstzeit in angemessener Weise in Ansagz kommt.

Gn denjenigen Fällen, in welchen bei dieser Prüfung si die Gehälter an und für sich und im Verglei mit der Steuer- regulirung, welche das Einkommen der Lehrpersonen in Orten mit bis zu 10000 Einwohnern durch die Zubilligung staatliher Dienstalterszulagen erfahren hat, als unzulänglich ergeben, sollen ungesäumt Verhandlungen über die Neu-

regulirung und bezw. Erhöhung mit den betreffenden Schul- verbänden eingeleitet und die minder leistungsfähigen durch Bewilligung angemessener Staatsbeihülfen aus den zur Ver- fügung stehenden Fonds zu der erforderlichen Besoldungs- verbesserung in Stand geseßt werden.

Durch eine Verfügung des Justiz- Ministers aus dem Jahre 1881 sind die Justizbehörden darauf hingewiesen worden, daß gemäß §8. 73 Abs. 2 der Strafprozeßordnung die Leichen - öffnungen regelmäßig den zuständigen Medizinalbeam- ten zu übertragen sind, und daß an Stelle eines solchen ein an- derer Arzt nicht ohne zwingende Veranlassung zuzuziehen ist. Jm Anschluß an diese Verfügung hat auf Anregung des Ministers der geistlihen, Unterrihts- und Medizinal-Angelegenheiten der Justiz-Minister neuerdings in einer Verfügung an die Präsi- denten der Ober-Landesgerihte und die Ober-Staatsanwälte darauf aufmerksam gemacht, daß die zuständigen Medizinalbeamten der Kreis-Physikus undderKreis-Wundarzt sindunddaß es im Falle der Behinderung einer dieser Personen angezeigt er- scheint, an deren Stelle einen Medizinalbeamten eines Nahhbar- kreises heranzuziehen, auf Privatärzte aber nur dann zurück- zugreifen, wenn die Verwendung eines benachbarten Beamten wegen außergewöhnlih hoher Kosten oder sonstiger besonderer Umstände unräthlich erscheint.

Der Kaiserlihe Botschafter in Madrid Freiherr von Stumm hat einen ihm Allerhöchst bewilligten zweimonat- lichen Urlaub angetreten. Während der Abwesenheit desselben fungirt der Legations-Rath Graf von Wallwit als Ge- schäftsträger.

Der Großherzoglich badische Gesandte am Aan Aller- höchsten Hofe, Geheime Legations-Rath von Brauer hat einen ihm von seiner Regierung bewilligten Urlaub angetreten.

In der Ersten Beilage zur heutigen Nr. des „R. u. St.-A.“ befindet sich 1) eine Zusammenstellung der Resultate der von den General-Kommissionen im Fahre 1889 ausgeführten Negulirungen, Ablösungen und Gemeinheits- theilungen mit Hinzurehnung der Resultate aus den Vor- jahren bis 1888; 2) eine Zusammenstellung der bei den General-Kommissionen im Jahre 1889 anhängig ge- wesenen Geschäfte, und 3) eine Zusammenstellung der von den General-Kommissionen im Jahre 1889 ausgeführten Zusammenlegungssachen.

Jn der Zweiten Beilage zur heutigen Nummer _des „Reichs- und Staats-Anzeigers“ wird eine Zusammenstellung der Betriebsergebnisse der Rübenzucker - Fabriken, Zuckerraffinerien und Melasse - Entzuckerungs- anstalten des deutschen Zollgebiets im Monat Juni 1890 bezw. in der Zeit vom 1. August 1889 bis 30. Juni 1890 veröffentlicht.

Sigmaringen, 20. Juli. Bei der gestern in Beuron stattgehabten Wahl eines neuen Erzabtes der Beu- roner Kongregation wurde, der „Germania“ zufolge, der Bruder des verstorbenen Erzabtes Maurus, der Abt Placidus Wolter von Maredsous in Belgien, einstimmig gewählt.

Vayern.

München, 21. Juli. Se. Königliche Hoheit der Prinz- Regent kehrte, wie die „Allg. Ztg.“ meldet, in Begleitung der beiden Flügel-Adjutanten Oberst Graf von Lerchenfeld und Freiherr von Branca gestern Abend 8 Uhr 20 Minuten

“mittels Sonderzuges von dem mehrtägigen Ausflug nah

Schloß Wildenwart hierher zurück. Auch der Minister- Präsident Freiherr von Crailsheim ist gestern Abend wieder hier eingetroffen.

Sachsen.

Dresden, 21. Juli. Se. Großherzoglihe Hoheit der Prinz N gu von Baden ist gestern Abend nah Berlin zurücgereist.

Sachsen-Weimar-Eisenach-

Eisenach, 21. Juli. hre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin sind, wie „W. T, B.“ meldet, mittels Sonderzuges zur Sommerrefidenz in Wil- helmsthal eingetroffen und feierlih begrüßt worden.

Oldenburg.

(H) Oldenburg, 21. Juli. Der zur Firmung hier eingetroffene Bischof Dr. Dingelstad von Münster wurde heute von Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzog in Audienz empfangen und zur Tafel gezogen.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Gotha, 19. Juli. ; Wie die „Köln. E berichtet, ift dem Vorstand der hiesigen Schüßen r das Jhrer Majestät der Kaiserin gewidmete Gedenkblatt, dessen wir in Nr. 161 des „R. u. St. A.“ erwähnt haben, folgendes Kabinetsschreiben aus Saßnit vom 14. Juli zugegangen. .

„Ihre Majeftät die Kaiserin und Königin haben die kunstvoll auêgestattete Adresse mit dem Bilde des thüringishen Heimathshauses Ihrer Majestät, welche die zum 10. Deutsher Bundesscießen in Beriin eingetroffenen Süßen Gothas Allerböchstderselben überbracht baben, in Empfang zu nehmen geruht. Jhre Majestät sind dur diese Allerhöchstderselben gewidmete Aufmerksamkeit freudig überrascht worden und laffen für diesclbe Allterhö{stihren freundliben Dank mit der Versicherung übermitteln, daß es Ihrer Maiestät sehr wohlgethan yat, einen in fo tiefgefühlte Worte gekleideten Gruß aus der Stadt zu empfangen, welche Ihrer Majestät durch unvergeßliche Jugend- erinnerungen stets besonders werth bleiben wird.“

Anhalt.

Wörliß, 19, Juli. (Anh. St.-A.) ZJhre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrih Carl von Preußen ist mit Gefolge heute Vormittag von hier nah Schloß Brühl abgereist.

___ Schwarzburg-Rudolstadt.

Rudolstadt, 21. Juli. (Sch{wzb. - Rud. Lds. - Ztg.) Se. Dur(hlaucht der Fürst ist gestern Abend vom agdshloß Rathsfeld zu kurzem Aufenthalt hierher zurückgekehrt. Jhre Durchlauchten die Prinzessin Adolf und die Prinzessin Thekla haben sich zum Besuche Jhrer Königlichen Hoheit der Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin nah Rabensteinfeld begeben.

Der General - Lieutenant von Rosenberg, Com- mandeur der diesjährigen Uebungsreise der 2. Kavallerie- Jnspektion, ist heute hier angekommen. Morgen tritt das aus 25 Offizieren, 1 P ea und 46 Burschen mit 80 Pferden bestehende Kommando hier zusammen, um am Donnerstag früh die Reise über Saalfeld zu beginnen.

Oesterreich - Ungarn.

Wien, 21. Juli. (W. T. B.) Das österreichishe Geschwader, welches bestimmt ist, die fremden Häfen, darunter auch diejenigen der Nord- und Ostsee zu besuchen, ist heute von Pola ausgelaufen.

Großbritannien und Frland.

London, 22. Juli. Der Herzog von Cambridge hielt gestern eine Parade über das 2. Bataillon des Garde-Grenadier-Regiments ab, bei welhem unlängst die bekannten Ausschreitungen stattgefunden haben. Die höheren OsMgiere des Generalstabs waren anwesend. Der Herzog richtete an das Bataillon eine Ansprache, in welcher er das Betragen des: selben beflagte und sagte, daß er sih desselben häme. Die Mannschaft hätte ihre Uniform mit Shmach bedeckt. Hierauf wurde das Urtheil des Kriegsgerichts verlesen, welches über drei Mann zwei Jahre und über zwei Mann achtzehn Monate Gefängniß verhängt. Zwei der Verurtheilten essen 19, [ana ihre Medaillen von der Brust und warfen ie zu Boden.

Im Unterhause erklärte der Unter - Staatssekretär Fergus son gestern, dem „W. T. B.“ zufolge: Der Grund der Weigerung der Niederlande, die Generalakte und Zusaßerklärung der Brüsseler Antisklaverei- Konferenz zu unterzeichnen, sei die in leßterer festgeseßte Erhebung von Eingangszöllen im Congostaat, weil dieselbe den Beschlüssen der Berliner Konferenz widerspreche, welche abzuändern die Brüsseler Konferenz nicht kompetent sei. Fergusson sprah die Hoffnung aus, die gegenwärtigen Unterhandlungen würden diesen Einwand beseitigen, aber die allgemeinen Akte der Konferenz blieben {webend, bis fie von allen Mächten unterzeichnet seien, welche die Berliner Akte unter- schrieben hätten. Mit Bezug auf die jüngsten Ruhestörungen in Erzerum theilte der Unter-Staatssekretär mit: Der Pöbel e die Straße beseßt, wo das britische Konsulat ge- egen sei, und habe dessen Fenster wie diejenigen der übrigen Häuser zertrümmert. Der Konsul habe sofort seine Flagge gehißt und den Gouverneur verständigt, welcher act Gendarmen als Wache und sodann Truppen sandte, um die Straße zu säubern. Der englische, russishe und franzöósishe Konsul hätten Vorshläge zur Aufrecht- erhaltung der Ordnung gemacht, darunter die Verstärkung der Garnison in Erzerum und häufigere Entsendung von Patrouillen.

Der „N. A. Ztg.“ wird aus Helgoland unter dem 19. d. M. eschrieben: Gestern fand hier eine unaewöhnlih stark besuchte Volksvers ammlung statt, in der die besten Elemente der helgoländer Einwohnerschaft zahlreich vertreten waren. Es wurde darin beschlossen, die Helgoländer sollten, durch Ver- mittelung des Gouverneurs, eine Adresse an die Königin von England absenden, um sih dankend von dieser zu ver- abschieden, „in dem Augenblick, da die Helgoländer mit dem ihnen stammverwandten Volke wieder vereinigt werden sollen“ (at the moment of being reunited with their kindred people),

Frankreich.

Paris, 21. Juli. Jn der heutigen Sigzung der Deputirtenkammer richtete, wie „W. T. B.“ meldet, der Deputirte Dupuy eine Anfrage an die Regierung wegen des von den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika in Bezug auf Europa vorbereiteten neuen oll- systems. Der Minister des Ame ibot erwiderte, die Mc. Kinley-Bill beschäftige alle Nationen Europas, denn sie behindere außerordentlih den Handel und den Export, seze übertriebene Strafbestimmungen fest und seße an die Stelle von sahkundigen Kommissionen einen Gerichts- hof, welcher aus neun Personen zusammengeseßt sei, die dem Handelsstande nicht angehören und wobei der Exporteur nicht vertreten sei. Die französishen Handelskammern hätten Beschwerden an das Ministerium gerichtet, sobald die Bill bekannt geworden. Er (Ribot) habe bei verschiedenen europäishen Kabinetten angefragt, welhe Maßregeln man ergreifen könne, habe jedoch überall die äußerste Zurü- haltung gefunden, fich in dieser Frage zu engagiren; man hege die Besorgniß , jeder Schritt in dieser Sache möchte eine dem ¿ewiinsdilea Ziele entgegengeseßte Wirkung haben. Frankreih habe Alles, was ihm möglich gewesen, freund- \haftlihst versuht, und darauf die Zusicherung erhalten, die Bill werde in wohlwollendstem Geiste gehandhabt werden. Ein hoher Beamter der Vereinigten Staaten sei in Paris

eingetroffen, um in der M der fünf amerikanischen

General-Konsuln Europas, welche zusammenberufen seien, Mittel und Wege einer einheitlihen Handhabung der Bill in den europäischen Ländern zu prüfen, den Vorsiß zu führen. Die französishe Regierung habe das Bewußtsein, Alles, was sie thun mußte, gethan zu haben. Der Deputirte Dupuy gab hierauf der Hoffnung Ausdruck, der Minister werde bei dem amerikanischen Delegirten Alles daranseßen, um zu erlangen, daß das Geseß mit Mäßigung gehandhabt werde; jedenfalls wisse die französische Zollkommission nunmehr, was sie zu thun habe. Der Deputirte En gera nd (Boulangist) tadelte alsdann dieErnennung des Generals Bru gère, General-Sekretärs im Elysée, zum Divisions-General. Der Kriegs-Minister de Freycinet vertheidigte seine Ernennung und erinnerte daran, daß General Brugère zum Bataillons: Chef wegen seiner Haltung im Kriege 1870/71 ernannt worden sei. Der Zwischen- fall war damit geschlossen. Die FJnterpellation des Abg. Laur über den Sardinenring wurde nah der Antwort des Ministers Fallières dur die einfahe Tagesordnung erledigt und hierauf die Sizung aufgehoben.

n der Deputirtenkammer ist, nah der „Köln. Ztg.“, ein von vielen Deputirten unterzeihneter Antrag vertheilt worden, der die Regierung auffordert, der Kammer einen Geseßentwurf über die Herstellung der Eisenbahn durch die Sahara mit der späteren Verlängerung nah dem Senegal und gegen den Tschad-See hin vorzulegen. Jn der Begrün- dung des Antrages heißt es:

„Der englisch-deutsche Vertrag hat \{chlagend bewi: sen, daß un- geachtet der Hindernisse aller Art, die sich der Entwickelung der Kap- kolonie entgegenstellen, England sich auf dem afrikanishen Festlande ein Reih von größerer Ausdehnung als sein indisches geschafen bat. Hat nun Frankrei, welches als Ausgangspunkt im Norden Algerien, im Westen den Sen-gal hat, eine angemessene und ähnlihe Gebietsvergrößerung daraus gewonnen? Freilih werden die Rechte des „Hinterlandes*, ein Grundsatz, den Deutschland und England zu ihrem Nuzen in Anwendung brachten, Portugal gegen- Über verleugnet. Wenn nun aber alle großen europäishen Mächte ihre Besißungen in Afrika ausdehnen, darf dann Frankrei gleih- gültig und thatlos bleiben? Wird sich Frankrei in den Nang der Nationen stellen, die nicht mitzählen? Unser politisber Einfluß ist in dem Becken des Senegals und des obern Nigers hergestellt, aber England, das sich der Mündungen dieses großen Flusses des Sudans bemächtigt hat, wird versuen, an dem Fluß schneller hinaufzusteigen, als wir binabzusteigen. Die Wasserfälle von Bussah, wele auf diesem Theile der Erde dem Fahrzeug der Engländer eine Schcauke segen sollten, werden bald überschritten sein, wenn wir uns nicht in den Besiß dieser Begenden setzen.“

Rußland und Polen.

St. Petersburg, 20. Juli. Die Frage der Errich- tung eines Ackerbau-Ministeriums ist, wie die russische „St. Pet. Ztg.“ mittheilt, kürzlih in einer besonderen Kon- ferenz des Minister-Comités berathen worden. Die Konferenz beshloß eine spezielle Kommission aus Vertretern aller höchsten Regierungë-FJnftitutionen zu wählen und dieselbe mit der Ausarbeitung eines Planes zur Vereinigung der ver- schiedenen landwirthschaftlihen Regierungs-Fnstitutionen zu einer centralen höchsten Behörde: dem Ackerbau-Ministerium zu betrauen. Bei derselben Konferenz wurde auch eine befondere Aufmerksamkeit den außerordentlih geringen Mit- teln gewidmet, die dem Domänen-Ministerium für die Grün- dung und den Unterhalt“ von landwirthschaflihen Schulen und überhaupt für die Förderung der Landwirth- schaft zur Verfügung stehen. „Es erweist ih“, schreibt das genannte Blatt, „daß ganz abgesehen vom Ministerium der Volk3aufklärung selbst das Kriegs- und Finanz-Ministe- rium, deren Spezialität bedeutend enger ist, als diejenige des Domänen-Ministeriums, das doch für die landwirthschaftliche Bildung eines riesigen ackerbautreibenden Reiches zu sorgen hat, daß selbst jene zwei Ministerien über viel

rößere Summen zu speziell pädagogishen Zwecken ver-

faden. als das Domänen-Ministerium. So beziffert \ih das Schulbudget des Kriegs-Ministeriums mit 10 000 000 Rubel, dasjenige des Finanz - Ministeriums mit 3000000 Rbl, während dem Domänen - Ministerium für denselben Zweck nur 1500000 Rbl. zur Verfügung stehen. Und selbst von dieser verhältnißmäßig geringen Summe kann nur ein Theil gegen 900 000 Rbl. für landwirth- schaftliche N Ode verwandt werden, da der Rest auf den Unterhalt des Bergcorps, des Laboratoriums in Jrkutsk, der Steiger-Schule, der Ural-Berg-Schule, der Museen, Thier- gärten und auf andere der Landwirthschaft fernstehende Gegen- stände aufgeht. Dieser Umstand kann natürlih nur als anormal gelten in einem Reiche, in dem zur Entwicelung des domi- nirenden Ackerbaues landwirthschaftlihe Lehranstalten von größter Nothwendigkeit sind. Die Konferenz beschloß auf Grund dieser Thatsachen, die Frage der Verstärkung des pädagogishen Budgets des Domänen-Ministeriums einer detaillirten Bearbeitung zu unterziehen und dem genannten Ministerium freizustellen, mit einem entsprehenden Antrag an das Minister-Comité zu gehen. Auf diese Weise nähert sich egenwärtig eine der brennendsten Fragen unserer Landwirth- chaft ihrer Lösung.“

Wie die „Now. Wr.“ erfährt, wird im Kommunikations- Ministerium nach Uebereinkunft mit den Ministerien des Innern und der Finanzen gegenwärtig das Projekt einer obligatorishen Unfall - Versicherung derPassagiere auf sämmtlihen Eisenbahn- und Dampfer-Linien ausgearbeitet.

Ftalien.

Rom, 21. Juli. Der „Osservatore Romano“ veröffentliht einen Brief des Papstes an den Kardinal Lavigérie, in welhem der Papst seine Freude ‘über den Fortfchritt der afrikanishen Völker in der Civilisation ausspriht, und seine Unterstüßung in Außsicht stellt. Das Schreiben lobt sodann die Thätigkeit der Missionare und jener Regierungen, welche sich bemühen, in Afrika die Humanität zu vertheidigen, wie dies die Brüsseler Konferenz beweise. Der Papst verspriht ferner, die Bestrebungen der Regierungen zur Unterdrückung des Sklavenhandels zu unterstüßen. Hierzu seien vor Allem zahl- reihe Missionare nöthig. Jn dieser Hinsicht vertraue er auf die N des Kardinals Lavigérie, der hoffentlih sein Werk fortführen werde. Der Papst erinnert {ließlih daran, daß er selbst die Pflichten seines Amts erfülle, obwohl er von Wöiderwärtigkeiten umgeben sei.

Spanien, Madrid, 22. Juli. Aus Mala ga wird, dem „W. T. B.“ ufolge, amtlich gemeldet, daß nah Nachrichten aus Melilla Lina befestigten, in s\panischem Besiß befindlichen Ortschaft

in Marocco) dort Araber auf eine kleine spanische

Kavallerie-Abtheilung gefeuert haben. Ein Pferd ist verwundet worden. Eine Abtheilung s\panisher Fuß- truppen wurde zur Hülfe abgesandt und deckte den Rückzug der Kavallerie. a

Die Regierung hat, wie man der M. „A. Z.“ mittheilt, den Bau einer Flottille von submarinen Booten nah dem System Persal beschlossen; dieselben sollen für 20 bis 50 Mann Besazung eingerichtet werden.

Velgien.

Brüssel, 22 Juli. Gestern Nachmittag 2 Uhr fand anläßlih des“ 25. Jahrestages der Thronbestei- gung König Leopold's TTI. und des 60. Jahrestages der nationalen Unabhängigkeit des Landes in der Kathedrale ein feierlihes Te Deum statt. An der Feier nahmen der König und die Königin mit der Königlichen Familie, der Graf und die Gräfin von Flandern, Prinz Balduin, sämmtliche Minister, die Mitglieder des Senate unk der Kammer, das diplomatische Corps, die Spigen der Geist- lihkeit und Beamtenschaft, die höheren Offiziere der Armee und der Bürgergarde sowie eine überaus zahlreiche Volksmenge Theil. Der Erzbischof von Mecheln, Kardinal Goossens, hatte die Königliche Familie am Portal empfangen und derselben seine Glückwünsche dargebrahht.

Nach der kirhlihen Feier fand eine andere auf dem Scthloßplaze statt, welcher die gleichen Korporationen und Persönlichkeiten sowie Deputationen sämmilicher Regimenter der belgischen Armee, der Bürgergarde 2c. beiwohnten. Das Königspaar wurde überall auf das Enthusiastischste begrüßt. Vom Senat, der Kammer und den Vertretern der Gerihtsbehörden wurden dem Könige dabei drei Adressen überreicht.

Jn Beantwortung der Adresse des Senats sprach der König, wie „W. T. B.“ berihtet, seine leb- hafte Erkenntlihkeit aus für die patriotishe Hin- gebung, welche der Senat in der Erfüllung seiner Aufgabe an den Tag lege. Nachdem der König an die Zeit erinnert E wo er als Senator sich mit den Pflichten des öffent- ichen Lebens vertraut gemacht habe, erklärte er, daß die- selben Gesinnungen fortdauernd seine Handlungen diktirt hätten, nämlih die Sorge für die dauernde Entwickelung aller Hülfsmitte! des Landes, um dessen Gedeihen zu fördern, für die Verbesserungen der Vertheidigungsmittel in der Ab- sicht, die nationalen und internationalen Verpflichtungen des Landes zu erfüllen, und für die Eröffnung weiter Äftions- gebiete außerhalb der Grenzen des Landes. Die Errichtung einer Hülfskasse für die Opfer der Arbeit sei eine Maßregel, welche viel versprehe und welche noch andere, nicht weniger wirksame Maßregeln im Gefolge haben werde. Das afri- kanishe Werk sei ebenfalls ein Werk der Voraussicht und des allgemeinen Wohles. Die jüngst hier abgehaltene Kon- ferenz, deren Beschlüsse diesem Werke eine neue Größe ver- liehen, würden die Anstrengungen des Landes ermuthigen. Belgien habe von jeßt an einen erheblihen Antheil an diesem großartigen Unternehmen. Er hoffe, daß ihm in der Zukunft ein noch größerer vorbehalten sei. Möge das Vaterland stark und glücklih sein! Das sei das Ziel seines Lebens. Möchte die belgishe Nationalität in demselben Augenblicke, wo sie sih auf dem alten europäishen Gebiete kräftige, in der Ferne mächtige fruchtbringende Zweige treiben. Die gegenwärtige parlamentarishe Session werde durch große geseßzgeberische Akte ausgefüllt werden, welche in der belgischen Geschichte einen hervorragenden Play einnehmen würden. Er, der König, werde nichts versäumen, um den einzigen Titel, welhem er nachstirebe, zu verdienen, denjenigen eines weitblickenden Patrioten.

_ Auf die Adresse der Kammer antwortete der König, dieselbe rühre ihn tief; sie feiere in würdiger Weise den Zeit- raum von 60 Friedensjahren und die beständigen Fortschritte in der Ausübung der freien Jnstitutionen des Landes. Diese seit 1830 gemachten Fortschritte seien große. Unter dem Schuze der Verfassung und der Neutralität habe das Land die Klippen auf seinem Wege vermieden und sein politisches Regime befestigt. Belgien habe mit Erfolg seine Be- stimmungen erfüllt. Vom Kongo-Staat sprechend, sagte der König:

Indem ich Ihnen die Mittel anbot, Ihre wirth\schaftliGe Aktions- sphäre auszubreiten, war ih von dem Gedanken bewegt, Belgien die wesentlihen Elemente seiner Entwickelung wieder zu geben, die ihm seit 1830 fehlten. Vom Beginn der Schövfung des Congoftaates dachte ih an Belgien, und für Belgien allein habe ih meder An- ftrengungen noch Opfer gescheut. Dank der Unterstüßung, die ih bei den Mitbürgern gefunden habe, ist der neue Staat gewachsen, und man bestreitet nicht mehr seine glänzende Zukunft. Dies war denn auch für mich der Augenblik, um meine afrikaniscken Besißungen Belgien zu sihern. Sei es nun nah meinem Ab- leben oder früber, nach einem Zeitraum von 10 Jahren, den ih für nôthig balte, eb:nsosehr um das Werk zu befestigen, als um das Land in den Stand zu scten, vollständig die ihm gebotenen Vortheile zu erkennen, wird Belgien mein Erbe sein und wird niemals weniger als ich wünsche, die Uusdebnung oder die Bedeutung der neuen Besißungen berabmindern. Ic habe vor, meine Absichten in einem Codicill darzulegen, welches mein Teftament ergänzen wird. An dem Tage, an welchem meine Verfügungen in den Bereich der Thatsachen eingetreten sein würden, hätten sie ein neues Element politischer Lebensfähigkeit erworben. Schreiten wir mit Vertrauen auf dem Wege, den uns die Vorsehung gewiesen, fort!

In seiner Beantwortung der Adresse der Gerihts- h öfe shloß der König an seinen Dank die Aufzählung der hervorragenden Dienste, welche dieselben geleistet, und drüdckte die Hoffnung aus, Belgien, welches so viel- bedeutende Be- amte hervorgebraht habe, werde nit zurückbleiben, wenn es gelte, den überseeishen Gebieten Rechtskundige von gleihem Werthe zu geben, ebenso wie es eine glänzende Reihe ausge- zeihneter Offiziere aufzuweisen habe.

Die Ant wortnote des französischen Minist:rs des Aus- wärtigen Ribot stimmt, wie der M. „Allg. Ztg.“ gemeldet wird, der etwaigen Annexion des Congo:Staats dur Belgien zu. Der Minister Beernaert wird diese Note am Don- nerstag in der Kammer verlesen.

Griechenland,

Athen, 21. Juli. Der König is heute zurückgekehrt und stattete sofort nah seiner Ankunst der Kronprinzessin in Dekelea einen Besuch ab.

Serbien.

Belgrad, 21. Juli. (W. T. B.) Der gestern in Jagodina abgehaltene Parteitag der Radikalen war von etwa 4000 Delegirten besucht. Es wurde an den König Alexander eine Huldigungsdepesche abgesandt, die von dem Kabinets-Chef Ristic beantwortet wurde. Außerdem sprach die Versammlung der gegenwärtigen Regierung das Vertrauen

zu deren bi3heriger Politik im JFnnern aus und forderte die- selbe zur Fortseßung derselben auf.

Bulgarien.

Sofia, 21. Juli. Die „Agence Balcanique“ ist, nah einer Mittheilung des „W. T. B.“, ermächtigt, die im Auslande verbreitete Nachriht von dem Ausbruch einer Militärrevolte hierselbst für unbegründet zu erklären. Es herrscht hier und in den Provinzen überall vollständige Ruhe.

Dänemark.

Kopenhagen, 21. Juli. Die Ludwig und Franz Ferdinand von Oester- reich sind heute aus Stockholm hier eingetroffen. Wie die „National-Tidende“ meldet, besuhten die Erzherzöge den König im Amalienborg-Palais und erwiderte der König deren Besuch, worauf die Erzherzöge bei dem König zur Tafel waren. Wie dasselbe Blatt meldet, theilte der hiesige österreichisch- ungarische Gesandte von Trautenberg der dänischen Regierung mit, daß das österreihisch- ungarishe Ges/chwader am 17. August in Kopenhagen eintreffen und daselbst den Geburts- tag des Kaisers Franz Joseph feiern werde.

Amerika.

Vereinigte Staaten. New-York, 21. Juli. Der Senat begann heute die Berathung der von Mc. Kinley eingebrahten Tarifvorlage. -

Argentinien. Eine weitere in Zaris eingetroffene Depesche des „W. T. B.“ aus Buenos Aires (vgl. die leßten Nachrichten in Nr. 174 d. Bl.) vom 20. d. besagt, daß gegen vier höhere Offiziere die Untersuchung ein- geleitet sei und dieselben der Theilnahme an einem Komplot Behufs Sturzes der Regierung beschuldigt würden. Die allgemeine Lage ift jedoch ruhig.

Afrika.

Egypten. Kairo, 20. Juli. Osman Digma hat sih, wie man dem „R. B.“ meldet, nah Omdurman be- geben, wohin er von dem Mahdi berufen wurde, damit er an den Berathungen theilnehme, die dort gepflogen werden Betreffs der besten Mittel, eine leßte verzweifelte Anstrengung zur Aufrechthaltung des Mahdismus zu machen. Osman Digma's Gefolgschaft, welhe durch Hunger und Krankhciten etwa 400 Mann einbüßte, ist nah Tokar zurügekehrt.

Marokko. Tanger, 19. Juli. (R. B.) Der Sultan hielt vorigen Mittwoch seinen öffentlihen Einzug in Rabat nah erfolgreiher Beendigung der gegen den Stamm Ln mo ur, welcher jüngst einen Einfall in das Lager seines Sohnes, unweit Salee, machte, unternommenen Expedition. Es fand kein Kampf statt, da der Stamm ih unterwarf, als er fand, daß die Streitmacht des Sultans den Gipfel des Gebirges erreiht hatte, ehe die Zemmours dies verhindern fonnten. Der Sultan is mit dem Stamm nathsihhtig ver- fahren und hat dessen Gaben in Lebensmitteln und rückständigen Steuern angenommen.

Erzherzöge Karl

Rekursentscheidungen, Bescheide und Beschlüsse des Reichs-Versicherungs8amts.

(849) Bezüglich der Art und Weise, in welcher die unter Ziffer 547, Amtliche Nachrichten des Reichs-Versicherungsamts 1888 Seite 280, empfohlene Zuziehung einer an dem \{chwebenden S(iedsgerichtsverfahren interessirten, aber zunäbst nicht als Partei betheiligten Berufsgenossenschaft bewirkt werden könne, hat das Reichs- Versicherungsamt unter dem 30. April 1890 auf die entsprehende Anfrage eines Schiedsgerichtsvorsitzenden anbeimgegeben, dem Bor- stande der betreffenden Berufsgenofsenshaft, unter Hinweis auf deren Interesse zur Sache, nach Eingang der Berufungs\chrift und der Begenshrift Abschriften derselben, erforderlihenfals auch die- jenigen Akten , deren Uebersendung obne Benaththeiligung sonstiger Intereffen erfolgen kann, zur Keantnißnahme mitzutheilen und zugleich eine Aeußerung zur Sache binnen einer bestimmten Frist anbeimzugeben, auch für den Fall der Aeußerung zwei Abschriften derselben für die Prozeßparteien zu erfordern. Soweit hiernach im Einzelfall neben der Mittheilung der Berufungs\chrift und der Gegen- {rift deren Kenntniß nibt selten \chon für si allein genügen wird, um eine Beurtheilung der Tragweite des Falls für die beige- ladene Berufêsgenofsenschaft zu ermöglihen noch die Uebersendung von Akten in Frage kommt, würde die Beifügung der Ukfallunter- suung2akten in der Regel keinem Bedenken unterliegen. Die Bei- fügung der Sciedsgerichtsakten aber, deren zeitweiliges Fehlen unter Umständen hemmend auf den Prozeßbetrieb einwirken würde, und insbesondere der in gewissem Sinne immerhin als Parteiakten anzu- sehenden Genossenscafts- und Sektionsakten wird si in der Regel nur empfehlen, wenn die ers{chöpfende Beurtheilung des Falles au deren Kenntnißnahme bedingt, und ohne diese der bei- geladenen Berufsgenosfsenshaft eine bestimmte Stellungnahme zu dem erhobenen Anspruch nicht wohl zugemuthet werden kann. Indessen wird au in diesen Fällen niht selten die abschriftlihe Mittheilung der entsheidenden Beweisftücke falls der Umfang derselben keinen unverhältnißmäßigen Aufwand an Shreibkosten mit ih bringt für den Zweck der Beiladung genügen. Die den vorstehenden Gesichts- punkten entsprehende Praxis des Reichs-Versicherungsamts hat, besonders in Fällen, in denen neben der im Streit befangenen und der beigeladenen Berufsgenossenschaft eine dritte entshädigungspflichtige Berufsgenossenshaft uach Lage der Akten überhaupt nicht in Frage kommen konnte, bäufig dazu gefübrt, daß der Vorstand der bei-

eladenen Berufsgenossenshaft deren Entshädigungspfliht wenigstens ür den Fall der Abweisung des Klägers gegenüber der zunächst in Anspruch genommenen Berufsgenossenshaft grundsäßlih anerkannte und na ergangenem abweisenden Urtheil sofort einen Entshädigunas- besheid erließ. Es is sogar mehrfach vorgekommen, daß der beigeladene Vorstand sich fofort, und ohne das Urtheil abzuwarten, von der E GRDgun gei Q seiner Berufsgenossenshaft überzeugte, einen Feststelungsbe\sheid erließ, und alsdann der Kläger zur Zurück- nahme des (dadur gegenstandëlos gewordenen) Rekurses gegen die andere Berufsgenofsenshaft mit Erfolg veranlaßt wurde. Die großen Vortheile, welhe ein solches Verfahren im Fall des Erfolges nit nur für die Verleßten, sondern auch für die Berufsgenossenschaften bietet, bedürfen nit erst der Hervorhebung (zu vergleichen der oben abgedruckte Bescheid 848). Aber auch anderenfalls ist dec Vortheil nit zu untershägen , der in der durch die Beiladung bewirkten zeiti- gen Befassung der beigeladenen Berufsgenossenshaft mit der Streit- sache gerade in s{chwierigen oder zweifelhaften Fällen liegt: die bei- geladene Berufsgenofsenschaft wird immerhin in den Stand gefeßt, rechtzeitig alle ihr noch geboten érscheinenden Ermittelungen anzustellen und gegebenen Falls, fobald demnächst der streitige Anspruch von dem Berechtigten gegen sie selbst erhoben werden sollte, zu demselben durch sofortige Ertheilung eines Feststellungs- besheides Stellung zu nehmen. Endlich wird noch bemerkt, daß nah der Praxis des Reich3-Versiherungsamts in allen Fällen, in denen es zum Urtheil kommt, Abschrift desselben der beigeladenen Berufs- genofsenshaft zur Kenntnißnahme und etwaigen, weiteren Veran- lassung ertheilt zu werden pflegt.

(850.) In weiterer Anwendung und Ausführung des im letzten Absaÿ des Bescheides 680, „Amtliche Nachrihten des Reichs-Ver-