1870 / 303 p. 1 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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russishe Rüstungen für unglaubwürdig gehalten, ebenso ent- behrt die von einem Morgenblatt gebracte Nachricht, daß der gestrige Ministerrath unter dem Vorsiß des Kaisers sih mit den aus Petersburg eingetroffenen Nachrichten beschäftigt habe, jeder Begründung.

Grofß:briítannien und Jrland. London, 30. Septbr. In den ministeriellen Aeußerungen über den Krieg hat der Minister des Jnnern in einer weiteren Rede an seine Wähler einen neuen Beitrag geliefert. Nach einigen einleitenden Bemer- fungen allgemeiner und persönlicher Natur wandte Bruce sich in dieser in Greenock gehaltenen Anspracbe der Frage zu, ob England, wie von deutschen Zeitungen bchauptet werde, durch sein zeitiges Dazwischentreten den Ausbruch des Krieges hätte verhindern können. Der Minister war der Ansicht, daß man _\ich mit den übrigen Mächten benehmen und eine bessere Schranke gegen Friedensstörungen in der Folge vereinbaren solle, aber sich zum Richter Über die Sache auf eigene Hand aufzuwerfen und ohne vorherige Ankündigung eine neue Politik einzuschla- gen, wäre nach seiner Ansicht für die Regierung eine voreilige und ungercchtfertigte HandlungEweise gewesen, umsomehr als dieselbe aller Wahrscheinlichkeit nah über England sofort cinen Krieg herein gebracht hätte. Bezüglih der Waffenausfuhr, überhaupt der von der diesseitigen Regierung beliebten Auf- fassung neutraler Pflichten machte der Minister die bereits von Lord Granville auétführlicher verfochtenen Grundsäße geltend, daß England einmal nicht mit seinen Neutralitätsgeseyen allein- stehe, sondern sih mit den meisten Ländern auf demselben Bo- den befinde, und daß ferner Preußen im Krimmkriege nach denselben Ideen vorgegangen sei. Uebrigens wollte der Redner die heutigen Bestimmungen in Betreff der Waffenausfuhr kei- neêwegs als vollkommen hinstellen, doch war er der Meinung, daß man bei einer Abänderung derselben mit der größten Ueberlegung zu Werke gehen müsse, und bemerkte nebenher, die Ausfuhr von Waffen nach Frankreich könne gegenwärtig kaum {wer ins Gewicht fallen. \

Was den Krieg selbst anbelange, so müsse er sih mit der größten Zurückhaltung äußern. Die Regierung habe vor dem Ausbruche desselben die Ueberzençnrng nicht verhchlt, daß keine hinreichende Ursache zum Kriege vorliege, und sie habe, als dessen- ungeachtet der Kampf begonnen, denselben mit der gespann- testen Aufmerksamkeit verfolgt und keine günstige Gelegenheit zur Vermittelung übersehen. Allein bei einer Vermittelung sei es nothwendig, vorerst darüber zu wachen, daß England nicht an seiner Würde Schaden leide. Leßteres aber werde unfehl- bar geschehen , wenn man zu früh vermitteln wolle. Das Einzige, was man thun könne, und was auch bereits geschehen sei, bestehe darin, daß man bekannt mache, England sei voll- kommen bereit, das Möglichste zu thun, um eine Beilegung dieser Angelegenheit zu erzielen. Ueber diesen Punkt hinaus könne die englishe Regierung nicht gehen. Die deutsche Re- gierung erkläre mit Recht, daß Deutschland nur gezwungen den Krieg angenommen und ohne fremde Unterstüßung au8gefochten habe. Unter solchen Umständen sci cs allerdings auch einzig und allein Sache der Deutschen, zu entscheiden, welche Friedens- bedingungen zu fordern wären.

In einer in Paxlei gebaltenen Rede sprach der Minister ebenfalls vom Kriege. Er bemerkte bei dieser Gelegenheit, es sei im höchsten Grade unbillig, Preußen einer nußlosen Ver- längerung des Kampfes anzuklagen. Diejenigen, welche mit der Frage bei der Hand seien, warum denn Deutschland sich nicht mit der Abwehr des Angriffes zufrieden gebe, wenn der gegenwärtige Krieg wirklih nur als Vertheidigungskrieg gegen den Angriff geführt werde, könnten ebensowohl fragen, warum ein Hausbesitzer sich nicht begnüge, einen Räuber, der nächt- licherweile bei ihm einbrece, aus seinen vier Pfähbhlen hinaus®s- zuwerfen. Das natürliche Verlangen cines Jeden in einem solcben Falle gehe dahin, Schritte zu thun, um den Räuber zu hindern, einen nochmaligen Einbruch zu bewroerkstelligen.

83. Oktober. (W. T. B.) QJuverlässige Nachrichten aus Washington stellen es absolut in Abrede, daß der amerikanische Gesandte in Berlin, Mr. Bancroft, bei seiner Regierung angefragt habe, wie dieselbe es mit einer Jntervention in dem deutsch - französishen Kriege zu halten ge- denke. Es iff Überhaupt seitens Bancroft's keinerlei Anfrage ergangen, welche sich auf die - Haltung Ame- rifas den Kriegfübrenden gegenüber bezieht, und liegt an Bancroft und Washburn nur die eine Jnstrufkftion vor, daß die Vereinigten Staaten lediglich, wenn sie von Frankreich

und Deutschland gemeinsam aufgefordert würden, ihre gut Dienste zur Vermittelung zwischen beiden Mächten nicht gh {lagen würden , daß sie sich aber sonst jeder Einwirkung en halten müßten. Der etwas laute Ausdruck, den Mr. Was burn scinen Sympathien für die französishe Republj gegeben hat, ändert Nichts in der objektiven Haltung der an rifanischen Regierung, die bestrebt, sich von allen europäishq Fragen fern zu halten, auch aufs Bestimmteste deLavouir, daß sie in der orientalishen Frage sih mit Rußland benonm men habe, oder daß auch nur von diesem die Besprechung dicsy Frage angeregt sei.

Frankreich. Tours, 3. Oktober. (W. T. B.) Admirg Fourichon hat eine neue Proklamation erlassen, in welt er die Soldaten und Offiziere wiederholt auffordert, eine stren

militärische Disziplin zu beobachten. : Nachrichten aus Paris vom 30. September melden,

daß cin Dekret im Namen der Nationalvertheidigung die R,

quisition aller in Paris vorhandenen Vorräthe von Getreide und Mehl mit Ausnahme der für den Hau®gebrauch bestimmte anordnet. Die Regierung zeigt ferner an, daß die Gehalte und Pen sionen sowohl in Paris als auch in den Provinzen regel mäßi weiterbezahlt werden. Jn Tours fand eine Ovation zy Ehren des Vertheidigers von Straßburg, »General Uhricb, statt, Der Justiz-Minister Cremieux und der Maire von Tours hiel s ae zur Verherrlichung der tapfern Vertheidigung de

adt. '

Ueber die Zustände in Lyon schreibt ein Correspondent dei »Daily Telegraph« u. A.: Der herrschende Geist ist der franto amerikanische General Cluseret, dessen Dienste von der gegen wärtigen französischen Regierung abgelehnt wurden, ja dem dieselbe Behörde ausdrücklich verboten hatte, nach Lyon zu gehen, der aber dennoch seinen Weg in diese Stadt gefunden hat und nun an der Spitze der Republikaner steht. Sein Stab, oder vielmehr seine Leibwache, besteht aus 60 Personen, welche kürp lich von den ZJwang®2arbeiten der Galeeren befreit wurden, Diese bilden mit ein paar verwandten Geistern das sogenannte Comité de salut public. Serr Andrieux, der frühere Präsi dent des besagten Komite's, war entlassen worden, weil er die gegenwärtige Regierung anzuerkennen wünschte. Herr Challe mel Lacaa, der Präfekt, den dieselben Gewalthaber ernannt, ist nicht nur abgeseßt, sondern auch ins Gefängniß geworfen worden. Die Polizei der Schrecken®regierung, welche Lyon be- herrscht, besteht aus einigen 6000 früheren Sträflingen. Die regulären Truppen der Stadt gehören meist zu den Corps, welche während des jeßigen a geschlagen wurden. Ge neral Cluseret is} jeßt ebensowohl militärischer als politischer Führer in Lyon. Keine Person darf die Stadt verlassen, Kei- ner bekommt ein Eisenbahnbillet ohne einen Erlaubnißschein

des Komite's für das öffentliche Wohl. Die Mobilgarde, Über: |

drüssig des Geschehenden, bat 1hre Waffen niedergelegt und sih geweigert, unter den selbsternannten Gewalthabern zu dienen, Die Arbeiter der Bezirke La Guillotière und La croix rousse sind die Hauptstüßen der rothen Nepublik. Der wohlautge stattete öffentliche Schaß, der sih in den Händen des General Cluseret und seiner Freunde befindet, giebt diesen die Mittel, durch reiche Spenden die Arbeiter bei guter Laune zu erhalten, Tausende der Einwohner würden gern den Ort verlassen, wenn sie nur könnten. Kein Haus, keine Stube in der Stadt is sicher vor einer Heimsuchung durch die Vagabundenpolizei und Niemand kann mit ciniger Sicherheit sagen, daß er nicht mor

gen wegen irgend eines vorgeblichen Verbrechens gegen diet |

souveräne Majestät des Volkes hinter Schloß und Riegel sigen werde.

Italien. Florenz, 3. Oktober. (W. T. B) Nach hier eingetroffenen Nachrichten ist das Resultat des Plebiszits in den römischen Gebieten folgendes: Jn Rom wurden 40,835 Stin- men mit Ja, 46 mit Nein abgegeben; in Frosinone stimmten sämmtliche 2559 Wähler mit Ja; in Velletri 3156 mit Ja, 11- mit Nein; in Orte waren 644 Wähler erschienen, welche sämmtlich mit Ja stimmten.

Nuf:land und Polen. St. Petersburg, 3. Oktober. (W. T. B.) Thiers wird morgen nach Wien abreisen , gestern war derselbe zur Kaiserlichen Tafel in Zarskoje-Selo befohlen,

Redaction und Nendantur: Schwieger.

Berlin, Druck und Verlag der Königlichen Geheimen Ober - Hofbuchdruckeret

(R. v. Deer ),

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Königlich Preußischer

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Zieten -: Plaß Nr. 8. e —— D

Anzeiger.

M 303

enann even amber ins

Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

Dem chemaligen Pfarrer, jeyz1gen Rektor Jacobs zu Frauweiler im Kreise Berkheim, den Rothen Adler - Orden vierter Klasse; dem Vikar Engels zu Mülheim am Rhein den Königlichen Kronen-Orden pierter Klasse; sowie dem Steuer- Aufscher Boesel zu Schmolz im Kreise Breslau und dem Sciffs- Kapitän Me yerhoff aus Holtermoor, Amts Stick- hausen, Führer des bremischen Fischerecikutter8 »Elbe«, das All- gemeine Ehrenzeichen zu verleihen.

Norddeutscher Bund.

Se. Majestät der König haben im Namen des Nord- deutschen Bundes den Kaufmann N H. Heydemann zum Vize-Konsul des Norddeutschen Bundes zu Bradzjord zu ernen- nen geruht.

Bekanntmacung. Packetverkehr mit England.

- Von jeßt ab können Pakete mit und ohne Werthangabe, sowie Geldsendungen in Packetform nah England wiederum wie früher auf dem Wege über Hamburg befördert werden.

Demnach bieten si für den Postverkchr mit England gegenwärtig folgende Wege dar: 1) über Belgien (O ende) für Packete ohne Werthangabe und für Packete nut ange- gebenem Werth bis 2666?/, Thaler , 2) über Hamburg für Packete mit und ohne Werthangabe, und für Geldsendungen in Paetform, 3) über die Niederlande (Rotterdam) für Packete mit und obne Werthangabe, und für Geldsendungen in Packetform, für Packete mut Werthangabe jedoch nur, wcnn dieselben cin Gewicht von mhr a1s 1 Pfund haben.

Packete obne Werihangabe und Packete mit angegebenem Werth bis 26665 Thaler werden stets dann auf dem Wege Uber Belgien (Ostende) ais demjenigen, welcher die größte Beschleunigung gewährt befördert, wenn nit der Ak sender die Benußzung eines anderen Weges ausdrücklich verlangt hat. Solche Sendungen , deren Beförderung auf deîn Wege über Belgien (Ostende) wegen der vorbezeichneten Beschränkung nicht zulässig ist, werden beim Mangel einer Bestimmung des Ab- senders, daß die Beförderung über Rotterdam geschehen solle, Uber Hamburg befördert. i

, Die Beförderung über Rotterdam findet nur auf aus- drückliches Verlangen der Absender statt.

Berlin, den 29, September 1870.

General- Postamt. In Vertretung: Wiebe.

Bekanntmchung. Spedition der Korrespondenz nach Portugal. Briefposisendungen nah Portugal können von jept ab

auf ausdrüctlics Verlangen der Absender auch auf dem Wege Uber England (Southampton) befördert werden. Die Weit:r- sendung von Southampton find:t jeden Sonnabend wit den wischen Southampton und Alexandrien coursirenden Dampf- schiffen der „Peninsular and Oriental Company“ stalt, welche in Lissabon anlegen.

, Gewöbnlicbe Briefe können unfrankirt oder bis zum Be- stimmungsort franf'rt abgesandt werden.

Das Gesammtporto beträgt:

für fraufirte Briefe na Portugal 6%, Groschen , bezw.

24 Kremer pro Loth inkl,

für unfranfute Briere aus Portugal 11 Groschen , bezw.

39 Kreuzer pro /, Unze ('/,, Loth) inkl.

1870.

Rekommandirte Briefe müssen frankirt werden. selben ist zu entrichten: s das Porto wie für gewöhnliche frankirte Briefe, b) eine Rekommandationsgebühr von 5"/, Groschen , bezw, 19 Kreuzern. Für Drusahen und Waarenproben muß das Porto gleichfalls vorausbezahlt werden. Die Taxe beträgt: 1 Groschen, bezw. 4 Kreuzer für je 2'/, Loth inkl. Berlin, den 3. Oktober 1870. General-Postamt. In Vertretung: Wiebe.

Für die-

Finanz- Ministerium.

J Gondbbii de M C US Da i

__In Gem _ des. §. eseges vom 23. Dezember 1867 betreffend die Abhülfe s in den M rior anubterielite KönigEberg und Gumbinnen herrschenden Nothftandes (Geset- Sammlung Seite 1929), wird hierdurch zur öffentlicven Kennt- niß gebracht, daß von den im §. 1 dieses Geseßes bezeichneten Darlebnskassenscheinen am 30. September d. J. ein Betrag von 2,212,243 Thlr. im Umlauf sih befunden hat.

Berlin, den 3. Oftober 1870. Der Finanz-Minister. Camphausen.

Preußische Bank.

Wochen-Uebersicht der Preußischen MAnT vom 30. September 1870. 41/0 a l) Geprägtes Geld und Bacren .……........ . Thlr. 90,313,000 2) Kassenanweisungen, Privatbanknoten : j 3,298,000

und Darlehnskasser.scheine g Wechselbestände 94 017,000 1) Lombardbestände 25,498,400 5) Staatspapiere, verschiedene und Aktiva 18,676 /)00 Passiva. 6) Banknoten im Umlauf Thlr. 183,546,000 ¡ | Depofsitenkapitalien 16,675,000 3) Guthaben der Staatskassen, Institute und Privatpersonen mit Einschluß des Giroverfkfehrs 159,000 Berlin , den 30. September 1870. Königlich Preußisches Haupt - Bank - Direktorium. von Dechend. Boese. Rotth. Gallenkamp. Herrmann.

Bekanntmachung. __ Die Immatrikulation auf hiesiger Universität findet für das be- ginnende Winteisemester am 19,22, 25. und 28. Oktober cr., / i Nachmittags 3 Uhr, im Universitäts-Gerichtszimmer statt.

Bebufs derselben haben die Studirenden ; welche von einer an- deren Universität fommcn, ein vorschriftzmäß1ges Abvganagozeugn ß von lder fiÙber bisucdten Universität nedst dem Schulzeugnik im Original-, diejenigen J länder und Angehörigen anderer deutschen Staaten, welche die Studien erst be,„innen, Zeugnisse der Reife; die Aueländer Ivenig- sies einen Paß oder sonstige Legitimationspapiere vorzulegen.

Jadem ih dies hiermit zur allgemeinen Kenatn ß bringe, matte ih diejenigen, welche die Absicht haben, die hasize Universiiät zu be-

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