1870 / 376 p. 3 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

-

4766

dec Befreiungskäanone zu hören, und eine düstere Traurig- keit herrsht in den armen Stadttheilen , wo sich bald der Hungertod einstellen wird. .Der Plaß hat indeß noch

für lange Tage Brod und Wein , aber die Leiden , welche

den Frauen, den Kindern, den älteren und shwachen Personen bevorstehen, rufen Klagen hervor, und bald wird es nicht mehr möglich sein, ihnen Troß zu bieten. Schon am 10. November machte sich der »Figaro« zum Dolmetscher dieser Gefühle, und er wird bald viele Nachahmer finden.« Andere Privatbriefe aus Paris spotten Über Jules Favre, daß er der Affaire von Orleans eine so ungeheure Wichtigkeit beigelegt und davon ge- \sprochen habe, daß Paris jeßt den Brüdern in den Departe- ments die Hand reichen werde. Jn den Klubs verhöhnte man Jules Favre ebenfalls, der nach dem kleinen Vortheile, den man bei Orleans N d von derx Verjagu ng der Deutschen aus rankreich zu sprechen wage. Í y Nad ge Mans wurden von Tours alle Truppen adge- sandt, die man auftreiben konnte. Es waren aber nur Franc§- tireurs und Mobilgarden. Jn Tours hat man die Herrichtung von Ambulancen für 5000 Verwundete befohlen. Jn den um-

liegenden Städten werden ebenfalls Ambulancen errichtet.

Man wollte in Tours noch wissen, daß ein Theil der französi- \chen Ost-Armee sich bei Gion (im Loiret) mit der Loire-Armee

vereinigt habe.

‘Die Postanstalten sind darauf aufmerksam gemacht worden, daß, da in Privatangelegenheiten nur die Korrespon- denz der Militärs und Militärbeamten portofrei befördert wer- den, die Privatkorrespondenz der Delegirten des Königlichen Kommissarius der freiwilligen Krankenpflege, der freiwilligen Krankenpfleger,. aller Civilbeamten und anderer auf okkupirtem

französischen Gebiet befindlichen Personen, welche niht zu den-

Militärs und Militärbeamten gehören, der Portozahlung unter-

liegt.

In Château-Porcien (Dep. Ardennen), Sissonne, Laon, Chauny (Dep. Aisne), Attichy, Compiègne , Chantilly (Dep. Oise), Pithiviers (Dep. Loiret), Nemours (Dep. Seine-et-Marne) und Chartres (Dep. Eure-et-Loire) sind Feldpostrelais in Wirk- samkeit getreten. Bei dem Umfange, welchen die Feldpostver- bindungen in Frankrei genommen haben, hat das General- Postamt eine lithographirte Feldpostkarte, auf welcher alle am 18. November in Frankreich bestehenden Feld- und Eisenbahn- Postverbindungen, so wie die Feldpostrelais angedeutet sind, herausgegeben und den Feldpost-Anstalten 2c. zugefertigt.

Baden, Karlsruhe, 26. November. (W. T. B.) Die »Karl8sruher Zeitung« meldet aus Versailes: Heute wurde von den Bevollmächtigten des Norddeutsken Bundes und des Großherzogthums Baden eine Militärkonvention unterzeih- net, Es wird durch dieselbe im Sinne der allmäligen Herbei- führung einer vollen Gemeinsamkeit der nationalen Wehr- kräfte das badische Kontingent ein unmittelbarer Bestandtheil der deutschen Bundes- beziehung8weise der preußishen Armee unter dem Befehle des Königs von Preußen und unter der einheitlichen Leitung und Verwaltung durch das Bundes- beziehung8weise Königlich preußische Kriegs-Ministerium. Die badischen Offiziere treten mit ihrem dermaligen Range in das einheitliche Offizier - Corps der vereinigten Armee über. Die Angehörigen des Großherzogthums werden in Militärangelegenheiten den preußischen Staatsangehörigen in allen Beziehungen gleichgestellt. Gegen Ueberlassung des nach der Bundesverfassung auf das badische Kontingent fallenden Antheils der Bunde8einnahmen für das Landheer Übernimmt

Preußen auf Rechnung des Bundes sämmtliche nah der Bundes- |

verfassung das Großherzogthum Baden für das Bunde®landheer

treffende Leistungen.

IVúürttemberg. Stuttgart, 26. November. . Der »Staats-Anzeiger für Württemberg« meldet in seinem amtlichen Theile: Nach einer an Se. Majestät den König vcn Württem- berg hierher gelangten telegraphischen Anzeige wurden gestern Abend 8 Uhr in Berlin die Dokumente Über den Eintritt

Württembergs in den deutschen Bund unterzeichnet.

Hesterreich : Ungarn. Pesth, 25. November. Ueber die Interpellationsbeantwortung in der -heutigen Sißung der Delegation des Reichsrathes is der »Wien. Ztg.« nachträglich noch folgendes ausführliche Telegramm zugegangen:

In der Sigzung der Reichsraths - Delegation interpellirte Gablenz und Genossen: »Wir alle wünschen die Erhaltung des Griedens, dessen wir gewiß bedürftig sind, jedo insoferne, als derselbe mit der Ehre: und den Interessen des Reiches vereinbar ist, Wir stellen daher die Frage an das Ministerium des Aeußern, ob seit der Jndxrucklegung des Rothbuches von Seite Rußlands eine Rückäußerung eingelaufen is , welche eine

gründliche Lösung unter den obcitirten Vorbedingungen in Aussicht stellt.« ; i :

Graf Beust antwortete: »Es liegen zwei Jnterpellationen vor, die eine wurde gestern eingebracht, die „andere in diesem Augenblicke. Jch bitte um die Erlaubniß, sofort darauf einige Worte erwidern zu dürfen, weil fie mir sich gegenseitig gewisser- maßen zu ergänzen scheinen und ich in der Lage bin, dasjenige, was für den Augenblick gesagt werden kann, auch ohne Rückhalt den geehrten Herren mitzutheilen. Wenn die hochgeehrten Herren die beiden in dem Rothbuche veröffentlichten, nah Petersburg gerichteten Depeschen einer aufmerksamen Erwägung unterzogen haben, so bin ih Überzeugt, sie gelangten dabei sämmtlich zu der Ansicht, daß auf der cinen Seite nichts unterlassen wurde, um das Anschen, die Würde der Regierung, die Frei- heit und die Unabhängigkeit der zu fassenden Entschließungen zu wahren, daß aber gleichzeitig keiner möglichen friedlichen Ls- sung und Verständigung irgendwie der Weg verschlossen werde.

Ich hoffe, daß auf diese Weise in den vorliegenden Schrift- stücken sofort die Haltung der Regierung in einer Weise ge- kennzeichnet wurde, welche den in den beiden Jnterpellationen in verschiedener Richtung si zeigenden Ansichten gerecht wird. Eine Antwort auf die von hier auL nach Petersburg gerichteten Depeschen is zur Zeit noch nicht eingegangen und ich hoffe,

daß die geehrten Herren wohl einer späteren Verhandlung weitere

Aufschlüsse über den Gang der Sache gerne vorbehalten werden. Nur sei es mir gestattet, bei dieser Gelegenheit eine praktische Bemerkung dringend zur Beberzigung zu empfehlen; - in einer Situation, wie die gegenwärtige, is es gewiß nicht gut von Krieg zu sprechen, weil dann der Krieg nur zu leicht auch dann kömmt, wenn man ihn nicht wünscht. Jch bim aber der Meinung, daß es eben so wenig gut ist, zu viel von Frieden zu sprechen (Rufe links: Oho!), denn es geschieht dann auch io zu 0 daß der Friede umkehrt, wo er auf halbem Wege on da ist.«

26. November. (W. T. B.) Der Kaiser empfing heute die Mitglieder der Delegationen und erwiederte auf die Ansprache des Präsidenten: Die Wichtigkeit der Verhältnisse, in deren Folge die Delegationen berufen wurden, habe an Be- deutsamkeit nicht verloren, im Gegentheil seien noch neue be- deutende Ereignisse hinzugetreten. Er, der Kaiser, hoffe, die Delegationen werden thun, was der wahre Patriotismus und

die von cinander untrennbaren Interessen beider Theile -der

Monarchie erfordern.

Belgien. Brüssel, 26. November. Die Repräsen - tantenkammer beschloß gestern mit 73 gegen 23 Stimmen, den Demeur’schen Antrag auf Revision der Verfassung nicht in Erwägung zu nehmen.

Großbritaunienund Îrland. London, 24. November. Die Königin ist nebst den jüngeren Mitgliedern ihrer Familie von Balmoral nach Windsor zurückgekehrt. Auch Prinzessin Louise is mit zurückgekehrt, obwohl ihre Knieverrenkung noch nicht gänzlih wiederhergestellt. burtstag der Kronprinzessin von Preußen durch einen Tanz des Hosgesindes begangen, bei welchem die Königin eine Zeit lang zugegen war.

Die Mitglieder -des Ministeriums werden heute oder morgen in der Hauptstadt erwartet, da auf morgen Nachmit- tag ein Kabinetsrath in der Amtswohnung des Premier- Ministers ausgeschrieben ist. |

Frankreich. Briefe aus Paris vom 20sten melden, daß eine Note der Regierung vom 16. bestimmt, daß die zweite Einzahlung auf die leßte französische Anleihe bis zum 26s\ten

emacht werden muß, widrigenfalls die betreffenden Titel ver- auft werden. Verzweiflung geseßt. Es fehlt denselben theilweise an Geld, um die Zahlungen zu machen, und theilweise ziehen sie es vor, - das wenige Geld, welches sie noch haben, für ihre täglichen Ausgaben zu behalten. Die Regierung will jeßt auch alle Spezereirvaaren u. dgl. requiriren und fie rationenweise käuflich abgeben. Eßwaaren jeder Art werden, wie bereits gemeldet, ebenfall® requirirt, so daß nur noch die Katen, Ratten und Hunde frei verkauft werden können. Die Ratten werden jeht mit 30 Centimes das Stück und eine halbe Kate mit 3 bis 4 Franken, je nah der Größe, bezahlt. Diesem Schreiben zufolge geht die Organisation der Marsch- bataillone der pariser Nationalgarde viel langsamer vor si, als man Anfangs geglaubt. Der größte Theil der Leute soll gerade nicht den besten Willen zeigen. Ein Dekret vom 19. erleichtert die Naturalisation der Fremden, welche an der Vertheidigung Frankreichs im gegenwärtigen Kriege Theil ge- nommen haben. Als am Kriege Theil genommen habend, wird jeder Fremde betrachtet, der in die Land- oder See-Arme eingetreten ist, der in der HülfLarmee oder in einer Fremdenlegion einen Grad erlangt, oder eine von der Regierung der Republik ihm anvertraute Funktion , sei es in der Armee, sei es in dem

In Balmoral wurde der Ge-

Diese Bestimmung hat die kleinen Rentiers in

4767

öffentlihen, dem Militärdienst asfimilirten Civildienst , aus- gefüllt hat, oder der eine Mission Betreffs der Ausrüstung oder Fabrikation von Waffen und Munition oder Betreffs der mi- litärishen Verwundeten außerhalb seines Wohnortes erhalten oder andere mit den Behörden im voraus übereingeklommene Dienste den französischen Armeen geleistet hat. Garibaldi ist zum »Bürger der Stadt Lyone«e ernannt worden.

Spanien. Madrid, 26. November. Nachrichten Über Ruhestörungen in Spanien, die der »Globe« in London vom 24. publizirt, sind reine Erfindung. Jn Ara- gonien, Katalonien, sowie in allen anderen Provinzen herrscht vollständige Ruhe und es sind keine Anzeichen einer möglichen Störung derselben vorhanden.

Aus dem Wolff’\chen Telegraphen-Büreau.

London, Sonntag, 27. November, Morgens. Der oft zu ministeriellen Mittheilungen benußte »Observer« bezeichnet die russische Antwortsnote als in sehr versöhnlichem Tone ge- halten. Sei ihr Jnhalt auch noch nicht ganz befriedigend, so sei das Aufgeben des früheren diktatorischen Tones ein ganz flarer Gewinn im Interesse des Friedens. Odo Russel ver- bleibt vorerst wahrscheinlich in Versailles,

Reichstags - Angelegenheiten.

Berlin, 27. November. Jn der gestrigen Sißung des

Reichstags des Norddeutschen Bundes ergriff in der Debatte über die Kreditvorlage der Finanz-Minister Camphausen nah dem Abgeordneten Dr. Löwe das Wort: - __ Meine Herren! Nach den patriotischen Ausführungen, die über die Auffassung dieser hohen Versammlung wegen der Bewilligung der Anleihe selbs, wegen der Fortführung des Krieges und wegen seiner Ziele stattgefunden haben, würde ich mi nihcht mehr zum Worke gemeldet, haben, um hierüber nur noh das Geringste hinzu- zufügen. Aber der vorleßte Herr Redner, dessen hohem und intelli- gentem Patriotismus ih meine volle Anerkennung zolle, hat in Be- zug auf den materiellen Jnhalt des Geseßentwurfes, soweit er die finanziellen Operationen betrisft, zwei Monita gezogen, und ich möchte glauben, daß die hohe Versammlung es mir gestatten wird, das Miß- versiändlihe , was wenigstens in einem dieser Monita liegt, sofort nachzuweisen.

Es ist von dem gedachten Herrn Redner entgegengehalten worden, daß die neue Vorlage ‘nicht mehr die Regierung limitire in Bezug auf die Ausgabe von Schaßanweisungen, wie es in der früheren Vorlage geschehen sei. Leßteres is nun ein Jrrthum. Auch in der früheren Vorlage hatten die verbündeten Regierungen sich die Fakultät gewahct, je nah den Umständen zu handeln; und daß sie dabei nicht unrichtig verfahren waren, das hat die Erfahrung gezeigt. Denn es war ursprünglih die Absicht, von dem bewilligten Kredit von 120 Millionen Thalern 100 Millionen im Wege der Anleihe flüssig zu machen und nur 20 Millionen im Wege von SAabinivrilüngan und nachher haben si die Verhältnisse so gestaltet, daß es räthli erschienen ist, die Schaßanweisungen von 20 Millionen Thalern auf 40 Millionen Thalern zu erhöhen. und nur 80 Millionen im Wege der verzinslichen Anleihe zu negociren.

Indem ich also in dieser Beziehung den thatsächlichen Jrrthum fonstatire, möchte ih zugleich meine Anführung dazu benußen, um Jhnen auch in Betreff des andern Punktes, wo uns empfohlen wird, nicht den zu beschaffenden Geldbetrag, sondern vielmehr den Nominalbetrag zu bezcihnen und wie der Herr Redner sih ausge- drückt hat, niht mehr zu bewilligen, als wie auch in den Zahlen

für die Anleihe selbs ausgesprochen wird, zu zeigen, mit welcher |

Sparsamkeit die verbündeten Regierungen darauf Bedacht genommen haben, den Nominalbetrag nit höher anwasen zu lassen; als wie ed die Umstände geboten. Während man bei der ersten Auflegung der Anleihe dieselbe zu 88 Prozent dem Publikum angeboten hat; wobei also ein Ausfall von 12 Prozent dem Nominalkapital gegen- über eintrat, hat man den Umschwung der Verhältnisse gleich dazu benußt, um den Rest der Anleihe zu einem beirächtlich höheren Course, also mit einer wesentlichen Verringerung des Verlustes vom Nationalkapital auszubringen. Diese Verringerung des Verlustes hat sich ungefähr auf 1,600,000 Thlr. belaufen. Man hat ferner für einen Theil der ursprünglich beabsichtigten verzinslichen Anleihe von 100 Mill. Thlr. eine Form gewählt, wonach an 20 Millionen Thaler, nämlich an in ; lug sür die Schaßanweisungen, gar fein Verlust an Kapital

etreten ift. i

Ich möchte daher glauben, meine Herren, nachdem Sie die Er- fahrung gemacht haben, daß die verbündeten Regierungen es sich haben angelegen sein lassen, den Nominalbetrag der zu kontrahirenden An- leihe niht höher anwasen zu lassen,- als wie es die Umstände er- heishen, daß Sie nun auch für die nächstfolgenden Operationen denselben das gleiche Vertrauen {enken dürfen.

|/ A

Die Pr. 47 der »Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahn- Verwaltungen« hat folgenden Inhalt: Inhalt des Hauptblattes:

(W. T. B.) Die

Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen: Eröffnung der Alföldbahn- strecke Vásárhely - Szegedin. Die S terblichkeltg und TnvaliditAte, Statistik bei Eisenbahnbeamten: XI. Die Krankheitsverhältnisse im Jahre 1869. Mittheilungen lber Eisenbahnen: Vom Kriegsschau- plaß: Zur Situation; Benugzung der Westhahnlinie Le-Mans-Surdon- Dreux zu einem französischen Flankenmarsch; die innerhalb der Forts von Paris in Betrieb stehenden Bahnlinien ; Gaäribaldi's Mars per Eisenbahn von Dole nach Autun; die im Elsaß in Betrieb stehenden Eisenbahnlinien und Kanäle Norddeutsche Briefe: Vom Berliner Eisenbahn - Aktienmarkte; Allgemeine Eisenbahnbaugesellschaft; Ver- bandsverkehr der preuß, Ostbahn mit der Bahn Moskau - Smolensk; Liegniß - Glogauer Bahn; Rheinische E; Odentwwaldbahn; Berlin- Hamburger E. ; Lübe - Eutin. Neue Berliner Verbindungsbahn. Hannover-Altenbekener Eisenbahn. Cottbus-Großenhainer Eisenbahn, Generalversammlung und Geschäftsberiht. Bayerische Ostbahnen, Konzession einer Zweigbahn Tirschenreuth- Wiesau. Oesterr. Staats- bahn, Eröffnung der Strecken Wien-Brünn und Stadelau-Marchegg, Fahrplan. Ungar. Staatsbahn , Eröffnung der Haltestelle Drnje. öahrplanänderungen. Direkte Verkehre, Zoll- und Tarifwesen. —— Ausland: Belgien. Einnahmen der rufsischen Eisenbahnen bis 1; Mai 1870. Technisches : Eine große Eisenbahnbrücke. Litera- tur: Sammlung der das ôsterr. Eisenbahnwesen betreffenden Gesebe 2c. von Pollanes und Dr. v. Wittek. Eisenbahn - Kalender. Offi- zicller Anzeiger. Privat-Anzeiger. Inhalt des Beiblattes : Die &Grequenz und Einnahmen der österr. -ungar. Eisenbahnen im Oktober 1870, Verzeichniß überzähliger und fehlender Güter.

Kunst und Wissenschaft.

Zum Besten der Jnvalidenstiftung für Deutschland hielt am Greitag Abend im Saalé der Singakademie der bekannte Afrika- Reisende Gerhard Rohlfs einen Vortrag über seine Reise vom Tsad-See durch die Negerreiche Bornu und Sokoto na ch

} dem Golf von Guinea. Wir entnehmen der »Spen. Ztg.« nach-

stehende Skizze des Vortrages: Nach einer anzichenden Schilderun

der tropischen Thierwelt ging der Vortragende a den E von Bornu und Sofoto über und hob hervor, daß in der Nähe des Ts\ad - Sees und weiter nach Westen hin die intelligentesten und am meisten entwickelten Schwarzen sich befinden, die zum Theil auf einer höheren Kulturstufe stehen, als die semitishen Araber im Norden oder die festsibenden Berber im Atlasgebirge. Auch die Staatsversassungen seien nicht fo de8potisch, als man sich gewöhnli nach den in Marokko herrschenden Gebräuchen vorstelle. Jn der Hauptstadt des Herrschers von Bornu, Kuka, 4 Stunden westlich vom Tsad-See gelegen, dessen Größe in der trockenen rge 150—200 Qu. -Meilen, in der Regen- i jedoch das 4—Zdfache betrifft, machte Rohlfs dem Sultan Omar eine Aufwartung , welcher in der dazu anberaumten Audienz, von seinen Ministern und Hofräthen umgeben, auf einer Estrade saß, der - zur Linken ein alter westfälisher Bauernsessel stand, den Thron vor- stellend; an der anderen Seite lagen zwei Pistolen und ein reich verziertes Schwert, ein Geschenk der Königin Victoria von England. Jeden Morgen um 10 Uhr hält der Sultan seine Rathssißung ab, in der dem Herrscher in Ermangelung von Zeitungen die Stadt- neuigkeiten vorgetragen werden. Jn Kuka brachte Rohlfs \echs Monate zu, um auf die Wiederkunft cines nah Wadai (dein von Vogel und Beuermann besuchten Orte) abgesandten Cou- riers zu warten, und hatte demnach Muße genug, das Leben und Treiben der afrikanischen Großstadt kennen zu lernen, um [ebt so manches interessante Bild davon e entwerfen. Hieran nüpften sih Schilderungen der Reise nah Mandera, des Empfanges

* bei dem dortigen Sultan, der s\ch bei dem zweiten Besuche Rohlfs

dessen Revolver und Zelt aneignete, um ihm später ein werthloses Gegengeschenk von Sklaven und Sktavinnen zu machen. Die Serrigee der kleineren wie größeren Negerreiche, unter anderem der Sultan von Jacoba, wurden besucht, und größtentheils ward dem Reisenden ein

‘freundlicher Empfang zu Theil. Der abyssinische Feldzug der Eng-

Ane gegen König Theodor wird das Thema eines zweiten Vortrages en.

_— Jn der Sizung des Vereins für Geschichte und Alterthums- kunde in Sranffurt a. M. (1. November 1870) hielt zuerst De, Na- bert einen Vortrag über die deuts - französishe Sprachgrenze. Hier- auf sprah Dr. Euler über die von Dr. A. Wohlwiül verfaßte Ge- schichte des Elsasses, welche sih in kurzen Umrissen über Städtewesen, Reformation, Kultur u. st. w. des Elsasses verbreitet. Ferner berich- tete Dr. Euler über einen merkwürdigen Straßburger, Rulmann Mersmin, geb. 1307 in Straßburg. Derselbe, seines Gewerbes ein Wechsler und Kaufmann, entsagte 1347 dem weltlichen Leben ¡ stand mit Tauler, enr von Nördlingen U. \. w., besonders aber mit Nicolaus von Basel in Verbindung und starb am 18. Juli 1382. Er \chrieb 1352 das »Buch von den neun Felsen« (herausg. von C. Schmidt. Leipzig, 1859), in welchem er in Form seltsamer Gesichte und oft in {ôn poetischer Darstellung die Gebrechen aller Stände der Christenheit \{ilderte, und 1353 ein Büchlein »Von den vier Jahren seines anfangenden Lebens8.« Er war mit Nicolaus v. Basel Stifter der mystishen Sekte der Gottesfreunde. Daran anfknüpfend, machte der Redner Mittheilungen über Nic. v. Basel, der einen nicht unbedeutenden Einfluß auf den damals {on berühmten Prediger Johannes Tauler (1290 in Straßburg geboren) ausübte. Durch Nic. v. Basel berwoogen, gab Tauler seinen Predigten einen prafktischeren Gehalt und eine volksthümlichere Richtung..