1890 / 216 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 08 Sep 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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Ueber die Jnspizirung der Manöverflotte dur Se. Majestät den Kaiser und König und die Parade-

L &Œ# tafel für die Marine am Sonnabend berichten wir nah L „W. T. B.“ folgendes :

Morgens um 8 Uhr seßten die Schiffe der Manöver flotte Topflaggen, das österreichische Geschwader führte die deutsche Kriegsflagge am Großmast. Se. Majestät der Kaiser begab Sich von der „Hohenzollern“ an Bord des Panzerschisfes „Baden“, Flaggschiffs des Vize-Admirals Deinhard. Jhre Majestät die Kaiserin fuhr mit den Fürstlichkeiten auf der Stations- yaht L an Bord der „Hohenzollern“ und folgte mit derselben der Manöverflotte, welhe um 20e Anker [:htete und nah Sonderburg in See ging. Se. Majestät E Kaiser an Bord der, „Baden“ sezte Sich an die Spive u blieb während des Manövers auf der Kommandobrüde; neben Allerhöchstdemselben stand der General-Feldmarschall Graf Moltke. Südlih von Sonkerburg fand ein kriegsmäßiges Manöver der aus 8 Panzerschiffen, einer Kreuzer - Korvette, 3 Avisos und 21 Torpedobooten bestehenden Flotte statt, zu welchem die vorher nicht bekannt gegebene Aufgabe N Sr. Majestät dem Kaiser Allerhöcstselbst gestellt wurde. Die Sghulschiffe „Luise“, „Niobe“ und „Mars“ so- wie die österreihishe Flotte waren vor Anker ge- blieben. Die „Hohenzollern“ kehrte früher zurüdck als das Geshwader. Die Mannschaften der Schulschiffe und

des österreihishen Geshwaders paradirten wie bei der Aus- fahrt e Flotte au I t vor der Standarte der Kaiserin in

den Raaen, und die Schiffe gaben den üblichen Kaisersalut. Jhre Majestät die Rati sowie die Fürstlihkeiten landeten um 4 Uhr 10 Minuten an der Gravensteiner Schiffbrücke und begaben Sich in offenem Wagen unter dem brausenden Jubel der Spalier bildenden Bevölkerung nach dem Schlosse. Das Wetter war prächtig, es wehte eine leichte Brise aus Nordwest. : L

Abends um 6 Uhr fand bei Jhren Majestäten im Schloß Gravenstein Paradetafel für die Marine siatt. Während der Tafel erhob Sih.Se. Majestät zu folgendem Teintspruch.

„Meine Herren Admirale und Kommandanten Meines Ge* schwaders! Ich spreche Jhnen Meinen innigsten Dank aus für die Leistungen, die Ih heute gesehen habe. Sie stehen am Abschluß Fhrer Ausbildungsperiote, und Ich freue Mich, zu seben, daß die Ziele, die Ih Ihnen gesteckt habe, und die Wünsche, die Ich Ihnen ausgesprohen habe, von Ihnen beberzigt und erreicht worden sind. Sie haken am Ende einer dreimonatlichen Periode eine Probe abgelegt, die zu Ihrer vollen Ehre au8geschlagen ift, nicht nur in taktisher Beziehung in Vezug auf die Führung Ihrer Schiffe und der GesckEwader, sondern auch in Be- ziehung auf die Schießausbildung Ihrer Leute, und Ih spreche Mein Lob sowobl den Kommandanten, wie auch den Offizieren der Sch{iffe und den Batterie-Offizieren aus. Deêgleichen hat sih das Kommando Meiner Torpedoflotte im Ganzen wie im Einzelnen in jeder Beziehung bewährt, und Ih hege die feste Ueberzeugung, daß bei tem Grade der Ausbildung, bei der Hingebung, der Disziplin, der Treue, mit der die Herren arbeiten, Meine Floite im Stande sein wird, jede auch noch fo ernste Aufgabe, die Ich ihr stellen werde, zu Meiner vollen Zufriedenheit und zum Wohl und Heil des Vaterlandes sowie zu dessen Rubm zu lösen. Ich erhebe Mein Glas und trinke auf das Wohl Meiner Marine ; Sie lebe boch! und nochmals böch! und zum dritten Mal hoh !“

Der kommandirende Admiral Freiherr von der Goltz erbat hierauf von Sr. Majestät das Wort zu folgendem Trinkspruch:

„Gestatten Ew. Majestät Ihren Kommandonten, den Aller- unterthänigsten Dank durch mi zu fagen für die sehr gnädigen Worte, und Ew. Majestät zu danken für die unershövflihe Gnade und Fürsorge, mit der Allerhöchstdieselben die Marine über- \chütten. Ich bitte Ew. Majestät, unser Gelübde entgegerzunchmen, daß wir arbeiten werden, um uns dieser Gnade stets werth und roûrdig zu erzeigen, und daß, wenn Ew. Majestät uns brauchen, Sie die Marine f\tets bereit und als fertige Waffe finden werden. Zum Auêdruck dieses unseres Gelübdes bitte ih einzustimmen in den Ruf ; Es lebe Se. Majestät der. Kaiser, unser Allergnädigster Herr, Er lebe bo! Hoh! Ho!“

Uebèr die Paradetafel erhalten wir noch folgenden Bericht :

Die Tafel war wieder in dem großen, auf dem inreren Swhloßhose errichteten Speisezelt, und zwar zu 200 Gedecken \servirt. Die Majestätén saßen in der Mitte der Tafel, Fhre Majestät die Kaiserin und Königin zur Linken Sr. Majestät des Kaisers und Königs. Zur Rechten Sr. Majestät hatten ihre Pläße: die Herzogin Friedrich Ferdinand zu Sw@leswig - Holstein - Sonderburg - Glüdcksburg, der Prinz Ruppreht von Bayern, die Prinzessin Marie zu Schleswig - Holstein, der Prinz Atbreht von Preußen, Fräulein von Gersdorff, der Erbgroßherzog von Oldenburg, die Gräfin von der Schulenburg, der Herzog Friedri Ferdinand zu Schleswig: Holstein-Sonderburg-Glücksburg, Freifcau von der Reck, der General-Feldmarschall Graf Moltke, der Chef des Generalstabs Graf Waldersee. Links von Jhrer Majestät der Kaiserin und Königin saßen: der Erzherzog Karl Stephan von Oesterreich, die Prinzessin Louise zu Schleswig: Holstcin- Sonderburg-Glücksburg, der Prinz Heinrih von Preußen, die Gräfin von Brockdorff, der Erbgroßherzog von Sachsen, Fräulein von Ledebur, der Herzog Ernst Günther zuSchleswig-Holstein, der Herzog Friedrih Wilhelm von Medcklenburg - Schwerin, der General-Feldmarschall Graf Blumenthal, der Kriegs-Minister von Verdy du Vernois, der kommandirende General von Leszczynski. Sr. Majestät dem Kaiser gegenüber saß der österreichisch- ungarische Marine-Kommandant Freiherr von Sterneck, diesem zur Linken: Vize-Admiral Deinhard, Kapitän Moore und Contre-Admiral Schröder. Gegenüber Jhrer Majestät der Kaiserin und Königin saß der kommandirende Admiral Freiherr von der Golß, rechts von diefem : der großbritannische Admiral Hornby und der Vize-Admiral Knorr.

Nach der Tafel, um 8 Uhr, begann der große Zapfen- streih, ausgeführt von sämmtlihen Musikcorps und Tambour- corps des IX. Armee-Corps, welche unter dem magischen Licht mehrerer hunderte Magnesiumfackeln aufzogen. Das Schloß war prachtvoll illuminirt, ebenso die Häuser in Gravenstein.

Ueber den Feldgottesdien| und das Diner des Provinzial-Landtages am Sonntag berihten wir gleich- falls nah „W. T. B.“: j

Se. Majestät der Kaiser und König, Allerhöhstwelher am Sonnabend Abend nicht an Bord der „Hohenzollern“ zurück-

ekehrt war, sondern im Schloß Gravenstein übernachtet hatte, atte für Sonntag Vormittag die Abhaltung eines Feld- ottesdienstes auf dem Herzenshügel bei Gravenstein be- ohlen. Jn früher Morgenstunde wurden die Offiziere, Kadetten und

Mannschaften des Manöver-Geshwaders in Booten und Dampf- eia iy Ey Zu dem Gottesdienst waren ferner befohlen : das 2. Hanseatische Jnfanterie-Regiment Nr. 76, das 2. Ba- taillon des Großherzoglich Medcklenburgishen Grenadier- Regiments Nr. 89, zwei Escadrons des 1. Großherzoglich Mecklenburgishen Dragoner-Regiments Nr. 17, eine Escadron des 2. Großherzoglih Mecklenburgishen Dragoner-Regiments Nr. 18, eine Escadron des Hannoverschen Husaren-Regiments Nr. 15, das Holsteinshe Feld-Artillerie-Regiment Nr. 24 und eine Compagnie Pioniere. : :

Um 91/5 Uhr trafen die an den Manövern theilnehmenden Fürstlihkeiten und der General-Feldmarshall Graf Moltke, welcher vom Publikum mit lebhaften Zurufen begrüßt wurde, sowie die Admiralität und die Offiziere des österreichischen Geschwaders mit dem Aviso „Jagd“ und einem Privat- dampfer in Gravenstein ein und begaben sich zu Wagen nah dem Herzenshügel. Um 9/ Uhr landete Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrih in einer Barkasse und fuhr zum Besuch der Kaiserlichen Majestäten nah dem Schloß.

Um 10 Uhr nah dem Erscheinen Jhrer Majestäten be- gann der Feldgottesdienst, welher von dem Oberpfarrer

offmann, unter Assistenz der Divisions-Pfarrer Büttel Schleswig) und Bock (Flensburg), abgehalten wurde. Der in militärisher Weise, wie üblich, errihtete Altar befand sih vor dem Hügel, etwas nah rückwärts und rets seitwärts vom Altar das roth drapirte Kaiserzelt. Links vom Altar stand der evangelishe Sängerchor der Garnison Hamburg- Altona und die Musik des 2. Hanseatishen Jnfanterie- Regiments Nr. 76. Das Ganze bildete ein Carré; die rechte Seite nahmen die Marine-Mannschaften, die linke: Artillerie und Kavallerie ein, während die hier liegenden vier Jnfanterie-Bataillone gegenüber dem Altar aufgestellt waren. Jhre Majestäten legten den Weg nah dem Herzenshügel zu Fuß zurück; des Kaisers und Königs Majestät trug die Marine-Jnfanterie-Uniform. Außer den Majestäten hatten auch die anwesenden Fürstlihkeiten und General-Feldmarschall Graf Moltke in. dem Kaiserzelt Plag genommen. Den Beginn des Gottesdienstes zeigte ein Trommelsignal an, worauf der Sängerhor das „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“ anstimmte. Die Hauptliturgie hielt der Oberpfarrer Hoffmann, ebenso die Predigt über 1. Könige Kap. 3 Vers 4 und das Thema: „Dieser Herzenshügel, eine herrliche Höhe zum Opferaltar mit der Jnschrift : Opfere Gott Dank und bezahle dem Höchïten Deine Gelübde.“ Vor und nah der Predigt sang unter Posaunenbegleitung die Gemeinde: „Lobe den Herrn.“ Die Schlußliturgie hielt der Divisions- pfarrer Bo. e

Nach dem Gottesdienst fand vor Jhren Majestäten auf der westlihen Seite des Herzenshügels Parademarsh der 4000 zum Gottesdienst versammelten Mannschaften, 3000 vom IX. Armee-Corps und 1000 von der Marine, statt, wo- rauf Fhre Majestäten zu Fuß nah dem Schlosse zurückehrten.

Um 5 Uhr gab die Provinz Jhren Majestäten im Strand- hotel zu Glüdcksburg ein Diner. Bald nah Beendigung des Gottesdienstes, um 12 Uhr, begaben sich Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrih, die Fürstlihen Personen aus dem Ge- folge Sr. Majestät des Kaisers, General - Feldmarschall Graf Molkte, die Generalität, die österreihishen und die übrigen fremdherrlichen Offiziere an Bord des Avisos „Jagd“, eines Privatdampfers und anderer Marinefahrzeuge vach Glüdcksburg. Graf Moltke, welchen die zahlreichen Zu- schauer lebhaft begrüßten, blieb troß des stürmishen Win- des auf dem Deck des Avisos. Die Marine-Offiziere und die Mannschaften seßten nach der Manöverflotte über. Um 3 Uhr fuhren Jhre Kaiserlihen Majestäten von Gravenstein aus an Bord der Stations-Yacht „Farewell“

nah Glücksburg, wo Allerhöchstdieselben bei Jhrer Ankunft von einer dichtgedrängten, aus der ganzen Umgebung zu- sammengeströmten Menschenmenge enthusiastisch begrüßt wurden. Bei dem Diner brahte der Landtags- Marschall Graf von Reventlow- Preeyg dem „W. T. B.“ zufolge nachstehenden Toast auf JFhre Majestäten den Kaiser und die Kaiserin aus:

„Allerdurhlauchtigster, Großmächtigster, Allergnädigster Kaiser, König und Herr! Allerdurblaucbtigste, Großmäcbtigste, Allergnädigste Kaiserin, Königin und Frau! Ew, Kaiserlihe und Königliche Majestäten wollen geruhen, den ehrerbietigsten Dank des \{chleswig- holsteinschen Provinzial-Landtages für den heutigen Tag huld- reist entgegenzunchmen. Dieser Tag ist für uns ein Tag höchster Ehre und Freude. Gewährt er uns doh die Gelegenheit, Ew. Kaiserlicen und Königlicen Majestäten die unterthänigste Huldigung darzubringen. In Ew. Kaiserlihen und Königlichen Majestät verehren wir einen Fürsten, der in stolzem Gefühl der Kraft, wel(e die von glorreihen Ahnen ererbte Treue und Liebe eines großen Volkes gewährt, den Frieden nah Außen und den Frieden nah Innen auf Sein Königliches Banner geschrieben hat. Mit Iubel begrüßten wir es jüngst, daß Ew. Majestät au in dieser Richtung alizeit Mehrer des Reichs, in friedlicher Uebereinkunft mit dem mächtigen stammverwandten JInselreich die in den Tazen nationalen Niederganges abhanden gekcmmene glänzende Perle des deutshen Meeres dem Diadem Germaniens von Neuem einge- fügt haben. Wir vertrauen fest, daß es Ew. Majestät hoher Einsitht und fkraftvoller Leitung gelingen wird, durch cine wohlwollende landes- väterlide Gesetzgebung in Aueführung und Weiterführung de3 von Kaiser Wilhelm 1. geseäneten Andenkens begonnenen großen Werkes die dunklen Schatten zu bannen, welhe den inneren

rieden unseres theueren Vaterlandes zu gefährden drohen.

ls ein verbeißungsvolles Pfand allseitig gesegneten Wir- kens verehren wir Ew. Majestät durchlaustigste Gemahlin, unsere erkabene Kaiserin und Königin, deren unermüdliche opferwillige Fürsorge so manche Thräne der Armuth und Noth bereits getrockdnet und den großen fkirblichen Nothständen unserer Me so bereitwillig und oft {hon Abhülfe geschafft hat. In Ihrer Majestät begrüßen insonderheit wir Bewohner der Provinz die Enkelin einer langen Reihe von Fürsten, welhe beglückend und beglüdt das Scepter Sleêwig-Holsteins in treuen Händen getragen baben, und wir verstehen die Rührung, welche das Herz Ew. Majestät in diesen Tagen bewegt bei dem Anblick aller jener Stätten, welhe eint die Wiege der Ahnen s{hirmend umstanden und für das neugewonnene Vaterland den Ausgangspunkt zum Glanz des neuerstandenen Reiches bilden. Geruhen Ew. Majestäten zu ge- ftatten, taß wir unsere Gläser erheben und einstimmen in den Ruf der Treue: Unsere Allergnädigsten Majestäten, welche der all- mächtige Gott segnen, behüten und beschüßen wolle, Sie leben ho! Hoch! Hoch !“

Darauf erhob Sih Se. Majestät der Kaiser zu folgender Antwort :

„Mein verehrtester Graf! Jch \prehe Ihnen den Dank der Kaiserin und Meinen aus für die freundlihen Worte, die Wir soeben vernommen, und zu gleicher Zeit den Dank an die ganze Provinz für den heutigen Tag und für den Empfang, den Uns die Provinz bereitet hat. Es hâtte des heutigen Tages nit bedurft, um Unseren Herzen es klar zu machen, wie warm und freundschaftli® Unserer hier

gedacht wird. Das Band, welches Mich mit dieser Provinz ver- bindet und dieselbe vor allen anderen Provinzen Meines Reis an Mich kettet, das ist der Edelstein, der an Meiner Seite glänzt, Ihre Majestät die Kaiserin. Dem hiesigen Lande entsprofsen, das Sinnbild sämmtlicher Tugenden einer germanishen Fürstin, danke Ich es Ihr, wenn Jch im Stande bin, die {weren Pflihten Meines Berufes mit dem freudigen Geiste zu führen und ihnen obzuliegen, wie Jh es vermag. Sie haben die Güte gehabt, zu erwähnen, daß Sie sh sicher fühlten unter Meinem Scepter, daß Sie beruhigt in die Zukrnft \hauen; dasfelbe thue auch Ih, wenn J auf solhe Männer, wie die Schleswig-Holsteiner, bauen kann. Jh hoffe, daß es Mir gelingen wird, die Schatten, von denen Sie sprachen, zu banncn. Ih vermag es aber nur dann, wenn jeder deutsche Mann’: an seinem Theile seine Hülfe Mir angedeihen läßt, und Jh hoffe und erwarte, daß die * Mitglieder der- Prooinz ein jeder für sch und ein jeder in seinem Wirkungskreise, es si angelegen sein lassen werden, dahin zu wirken, daß die festgeschlossenen Bande der Ordnung aufrecht erhalten werden den umfstürzenden Elementen gegenüber. Wenn cin jeder Bürger seine Pflicht thut, dann bin au Ih im Stande, für Sie zu sorgen und zu unserer Aller Heil in Ruhe und Frieden die Geschicke des Vaterlandes zu lenken, und Ich seße das Vertrauen in Sie, daß, was au kommen möge, Sie mit Ruhe und Geduld der Entwicke- lung Unserer Legislation und der inneren Zustände entgegensehen und Mir nach Ihrer altbewährten Treue und Anhänglichkeit helfen werden. So erhebe Ih denn Mein Glas und trinke es auf das Geburtsland Meiner Gattin. Meine treue \{leswig - bolsteiner Provinz, sie lebe hoch! Hoh! Hoh!“

Nach der Tafel kehrte Se. Majestät an Bord der „Hohen- zollern“ zurück, um 91/7 Uhr traf Jhre Majestät wieder in Gravenstein ein.

Heute (Montag) Morgen um 61/, Uhr fuhr Se. Majestät der Kaiser und König, wie „W. T. B.“ meldet, auf der Yaht „Hohenzollern“ unter dem Salut der bei Holniß und Jller liegenden Kriegsschiffe von Ekensund nah Sonderburg , woselbst Se. Majestät gegen 8 Uhr zu Pferde stieg und Sih in das Manöverterrain begab. Zugleich hatte sich auch Jhre Majestät die Kaiserin in offener vierspänniger Equipage ins Manöverterrain bei Düppel begeben. Um 8 Uhr begann das Manöver bei Sonderburg und Düppel. Nach der Generalidee is die Ost-Division mit der Panzerflotte gest.zrn Abend an der Ostküste bei Alsen gelandet und dann auf Sonderburg marschirt; die West-Division steht bei Flensburg und Haders- leben; ihre Flotte ist im Kieler Hafen blockirt, nur eine Torpedoflottille ist in Flensburg. Die Ost-Division sol fi des Sundewitt bemächtigen, ihr Gros ist in Hörup, die Panzerflotte im Höruphaff. Die West- Division soll Sundewitt halten, die Ost-Division soll mit Untersiüßung der Panzerflotte den Uebergang über den Alsen- sund nah dem Festland erzwingen und dann durch Flanken- angriff von der See aus die West-Division aus der Düppel=- stellung treiben. Die West:Division will die feindlichen Landungen durch die Torpedofloite verhindern und ihre Stellung bei Düppel behaupten.

Aus Nübel meldet „W. T. B.“ weiter von heute: Der Angriff der Ost-Division von Sonderburg aus gelang in Folge der Unterstüßung dur die Panzerflotte vollkommen. Dieselbe landete in Booten 2000 Mann, welche mit einem Flankenangriff die Düppelstellung der West-Division ein- nahmen. Die leßtere ging auf Frydendal zurück. Um 10 Uhr war Gefehtspauje, während welher Se. Majestät der Kaiser die Kritik abhielt. Um 11 Uhr wurde das Gefeht wieder aufgenommen. Se. Majestät der Kaiser begrüßte, von Sonder= zus E Jhre Majestät die Kaiserin bei dem Düppel-

enkmal.

Die anläßlich des diesjährigen großen Brandes zu Hammerfest von Sr. Majestät dem Kaiser gespendeten 10000 M sind nunmehr durch Vermittelung der shwedis{h- norwegischen Regierung zur Auszahlung gelangt. Die Be- hörden und Bewohner der {wer betroffenen Stadt haben auf demselben Wege ihren Dank für die Kaiserlihe Gabe aus=

sprechen lassen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzogl:ch oldenburgishe Wirkliche Geheime Rath Selkmann ist hier angekommen.

Der Königlich gro raue Botschafter am hiesigen Allerhöchsten Hofe Sir Edward Malet hat Berlin auf einige Wochen verlassen. Während seiner Abwesenheit fungirt der Botschafts-Rath Le Poer Tren als Geschäftsträger.

Der Erblandmarschall der Kurmark Brandenburg, Kammer- herr Gans Edlerx Herr zu Putliß auf Regin, Mitglied des Herrenhauses, ift am 5. d. M. in Rezin gestorben.

S. M. Kanonenboot „ZFlt is“, Kommandant: Korvetten=- Kapitän Ascher, ist am 5. September in Wladiwostock ein- U und hat am 6. die Neise nah Chemulpo (Korea) ortge)eß :

Homburg v. d. H., 6. September. Der Fürst und die Fürstin Bismarck sind heute Nahmittag von hier nach: Varzin abgereist. Sowohl hier wie in S aeg pot a. M. wur- den dieselben vom Publikum mit lebhaften Zurufen begrüßt.

VBayecn.

München, 8. September. Se. Königliche Hoheit der Prinz-Regent verläßt, der ga, Dg zufolge, heute Oberstdorf und bezieht sein Jagdhaus in Hinterstein, wo. Se. Königliche Hoheit bis zu seiner Hieherkunft am 16. d. M. verweilen wird.

Sachsen.

Leipzig, 6. Mai. Se. Majestät der König traf, wie: die „Leipz. tg.“ meldet, gestern Abend 8 Uhr 41 Min.. mittels Extrazuges von Niedersedliy aus hier ein. Jm Ge- folge Sr. Majestät befanden sih der General der Kavallerie, Kriegs - Minister Graf von Fabrice, der General der Infanterie von Rudorff , der General der Kavallerie von Karlowitz, der Sena Nor Freiherr von Hodenberg, sowie zahlreiche andere höhere Offiziere. Hs früh 5 Uhr 13 Minuten begab sich Se. Majestät mit Gefolge nah Torgau, um daselbst den Kavallerie-Manövern, welche unter Leitung.

des General-Lieutenants von Rosenberg ausgeführt werden, beizuwohnen. : Vaden.

Karlsruhe, 8. September. Se. Königliche Hoheit der Großherzog traf, nah der „Karlsr. Ztg.“ vom 4. d. M., in Saarburg ein und wohnte der Besichtigung der Ulanen- Regimenter Nr. 7 und 11 bei. Nachmittags nahm Höchstderselbe das Diner im Kasino Höchsiseines Regiments, des Rheinischen Ulanen-Regiments Nr. 7, ein und begab sich sodann um 6 Uhr nah Meß, woselbst nach Begrüßung dur den kom- mandirenden General des XVI. Armee-Corps, Grafen Haeseler, den Gouverneur von Meg, General-Lieutenant von Fischer, sowie die Generalität, Absteigequartier im Hotel de l’Europe genommen wurde. Um 91/7 Uhr fand auf dem Hofe desselben el statt. Am 5. d. M. früh begab sih Se. Königliche Hoheit nah Mörchingen zu den Brigadeübungen der 65. Jnfanterie-Brigade. Jhre Königliche Hoheit die G r oß- herzogin begab sich am Sonnabend Abend über Konstanz und Romanshorn nach Lindau zum Besuch Jhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Ludwig von Bayern und von da Nachmittags zu Wagen nah Langenargen, um daselbst Jhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Luise von Preußen einen Besu abzustatten. Die Rülkehr nah Mainau erfolgte von da mit Extraboot um 6 Uhr.

Der belgische Landwirthschafts-Minister de Bruyn und Dr, Eyshen, Minister und Präsident der luxemburgischen Regierung, sowie die Begleiter derselben, der belgische General-Fnspektor der Landwirthschaft Proost und der thier- ärztliche Professor an der belgischen Landwirthschafts-Hochschule zu Gemblaux Leyden, welhe von Straßburg hier ein- getroffen waren, sind am Sonnabend von hier wieder abgereist, nachdem sie eingehende Kenntniß von den Einrichtungen der staatlichen Pflege der Landwirthshast und insbesondere des Veterinärwesens einschließlih des Viehversiherungswesens in Baden genommen hatten.

Oldenburg.

Eutin, 8. September. Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin von Oldenburg trafen, wie „W. T. B.“ meldet, heute Morgen hier ein und nahmen im Jagdschloß G ülden stein Aufenthalt.

Sachsen - Meiningen.

X Meiningen, 3. September. Der Sedantag ist dies Jahr allerwärts im Herzogthum besonders festlih be- gangen worden; zumeist fand Festgottesdien s statt. Die Zeitungen widmeten dem vor 20 Jahren erfohtenen Sieg und dessen Folgen eingehende Betrachtungen und mehrfach Festgedihte, Besonders festlih gestaltete sich die Feier in der Residenzstadt; sie wurde am Abend des 1. September dur einen Fackel- und Lampenzug hiesiger Ver- eine, dur eine entsprechende Feier am Kriegerdenkmal und durch einen allgemeinen Festkommers eingeleitet. Am 2. Sep- tember fanden in den Kirchen und in der Synagoge zahlrei besuhte Gottesdienste statt. Für den Abend hatten der Kriegerverein und der Militärverein besondere Festlichkeiten veranstaltet.

Bremen.

Bremen, 8. September. Der Reichskommissar Major von Wissmann traf gestern von Ostende bier ein und be- suhte um 10 Uhr die Ausstellung. Beim Empfangsgebäude wurde er von dem Senator Stadtländer, dem stell- vertretenden Vorsißenden des Ausftellungs-Comités Bergfeld, sowie den Konsuln Nielsen und Wessels und von anderen Persönlichkeiten auf das Herzlichste begrüßt. Nachdem im Arcitektenhause das Frühstück eingenommen war, wurden die bereitstehenden Wagen bestiegen und eine Rundfahrt durch die Stadt und den Freihafen unternommen. Auf dem ganzen Wege wurde Major von Wissmann von der Bevölkerung herzlihst begrüßt. An dem Festessen im neuen Parkhaus nahmen ungefähr 300 Personen Theil. Bürgermeister Buff bewillkommnete die Gäste; alsdann brahte Konsul Wes sels ein begeistert aufgenommenes Hoh auf Se. Majestät den Kaiser aus. Die Kapelle des 2. See-Bataillons intonirte die Nationalhymne, die von den Anwesenden stehend mit- gesungen wurde. Bürgermeister B uff toastete darauf auf den Pionier der deutshen Jnteressen in Ost:-Afrika, Major von Wissmann, der erst kürzlih seinen Geburtstag les habe und daher doppelt zu feiern sei. Major von issmann dankte herzlih und schilderte mit beredten Worten seine leßten Thaten, die er im Auftrage Sr. Majestät des Kaisers mit Hülfe der Kameraden der Kaiserlihen Marine, sowie der eigenen Truppen ausgeführt habe. Nach den Verträgen mit England sei der Victoria-Nyanza der wichtigste See für Deutshland. Darnach zu streben, das erste Dampfschiff dort zu besißen, sei die erste Aufgabe der Nation; er rene in dieser Beziehung in erster Linie auf Bremen, auf welches er ein Hoch ausbringe. Es toasteten ferner Senator Stadtl änder auf die auswärtigen Gäste, die bereitwilligst dem Nufe gefolgt seien, theilzunehmen an der Aufgabe, Major von Wissmann eine Freude zu bereiten, die er verdiene, Direktor Bruns tens auf Dr. Finsch, und Senator Stadtländer auf den Fürsten von Bismarck. Der Redner erbat sih zugleih von der Versammlung die Erlaubniß, nafolgendes Telegramm an den Fürsten von Bismarck abzusenden :

Die festlihe Versammlung Bremisher Bürger und zahlreicher Mitglieder der deutshen Kolonialgesellshaft zu Ehren Majors von Wissmann sendet Ew. Durchlaucht den ehrerbietigsten und danfbarsten Gruß. Senator Stadtländer.

Ein zweites Telegramm wurde an den Fürsten von Do Len co Pte Gangonv axs abgesandt :

Die Festversammlung Bremischer Bürger und vieler Mitglieder der deutschen Kolonialgesellschast um Major von Wissmann sendet E (Tre den ehrerbtetigsten Gruß und die aufrichtigsten

une.

Zum Séluß toasteten noch Dr. Fabri (Köln) in s{hwung- voller Rede auf Dr, Peters und Bürgermeister Menge (Lauen- burg) auf den Festaus\{huß. Nach Beendigung des Essens besichtigte Major von Wissmann die Zllumination des Fest- playes. Schließlich vereinigten fih die Theilnehmer abermals

. im Parkhause zu zwangloser Unterhaltung.

eute Vormittag 9 Uhr 46 Minuten bezab sich Major von Wissmann nah Hamburg.

Elsaß - Lothringen. Straßburg, 6. September. Der Statthalter Fürst

Hohenlohe ist, wie „W. T. B.“ meldet, von seiner Urlaubs- reise heute ‘hierher zurückgekehrt.

Oesterreich -Ungarn. '

veröffentlicht eine Kais erlihe Verordnung vom 6. Sep- tember, wodurch die Regierung ermächtigt wird, 2 Millionen Gulden aus Staatsmitteln zur Bestreitung der erforderlichen Ausgaben anläßlich der Ueberschwemmungen inBöhmen, Nieder- und Ober - Oesterreih, Schlesien und Vorarlberg zu verwenden.

,_ Wie die „Ungarishe Post“ meldet, triff außer dem Minister-Präsidenten Grafen Szápáry und dem Handels- Minister von Baross auch der österreihishe Handels- Minister Marquis Bacquehem zur feierlihen Eröff- nung der Regulirungsarbeiten am Eisernen Thor in Orsova ein.

_ Die Königgräßer Bezirkshauptmannschaft in- hibirte, wie der „Wien. Ztg.“ gemeldet wird, den Beschluß der Nechaniger Stadtvertretung auf Verleihung des Ehren- bürgerrechts an den Bishof Stroßmayer, da Leßterer nicht Staatsbürger der diesseitigen Reichshälfte sei.

Ein gewisser Coritti, aus Triest gebürtig und daselbst wohnhaft, ist als der Herstellung explo dirterPetarden verdächtig verhaftet und dem Landgericht überwiesen worden.

Frankrei.

, Paris, 8. September. Der Großfürst Alexander Michailowitsh von Rußland if, nah „W. T. B.“, von Calais kommend, gestern hier eingetroffen.

Der Marquis von Salisbury hat sich nah seiner Besizung bei Puys in der Nähe von Dieppe begeben.

An der italienishen Grenze haben, wie die „Köln. Ztg.“ berichtet, die Alpenmanöver begonnen, denen diesmal be- sondere Wichtigkeit beigelegt wird, weil die Bestände stärker sind als sonst und eine neue besondere Taktik sür die Alpen- truppen praktish geprüft werden soll.

Rußland und Polen.

St. Petersburg, 7. September. ZJhre Os der Kaiser und die Kaiserin sind, wie „W. T. B.“ be- rihtet, gestern Abend in Begleitung des Großfürsten Thronfolgers, der Großfürstin Xenia und der Großfürstin Wladimir zur Tbeilnahme an den Ma- növern bei Rowno (Wolhynien) abgereist. Jn dem Gefolge befinden sich der Minister des Kaiserlichen Hauses General - Lieutenant Graf Woronzow - Daschkow, der Kriegs-Minister General der Jnfanterie Wannowsky und der Kommandant des Kaiserlihen Hauptquartiers General- Lieutenant von Richter. An den Marövern nehmen ferner Theil : der Großfürst Michael der Aeltere, Herzog Nikolaus von Leuchtenberg und Prinz Alexander von Oldenburg. Die Großfürsten Nikolaus der Aelteze und der Jüngere weilen bereits im Manöverterrain.

Am Freitag Abend hatte der Kaiser den Militär- bevollmächtigten bei der deutshen Botschaft Oberst von Villaume in Audienz empfangen, ebenso den Oberst Zerpigki, Commandeur des Regiments Wuyborg, der si, einer Einladung Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm folgend, que Laue an den preußishen Manövern in Swhlesien

egiebt.

Bei den Manövern in Wolhynien operiren zwei Armeen, die Wolhynische und die Ljublinsche mit zu- sammen 191 Bataillonen, 144 Escadrons und 456 LelOülen gegen einander. Die Disposition zu den Manövern, für we he

er Großfürst Nikolai Nikolajewit/ch der Aeltere als oberster Schiedsrichter bestellt wurde, is folgende: Die Wolhynische Armee nimmt eine Defensiv-Stellung hinter der Linie JZkwa- Styr mit vorgezogener Kavallerie ein. Zhre Aufgabe ist, das Dreieck Lußk:Dubno-Rowno gegen einen von Westen anrüdcken- den Feind zu vertheidigen. Dieser, die Ljubliner Armee, greift dementsprechend die Linie ZJkwa-Styr an und erobert chließlih Rowno. Es ist das eiste Mal, daß in Rußland so große Truppenmassen zu Manövern zusammengezogen wurden. - Als von besonderem militärishen Interesse wird hervorgehoben, daß die Truppen der Ljubliner Armee einen drei Tage dauernden Marsch zu machen haben.

Beim Empfange der Behörden in Kuop io erwiderte der Generalgouverneur von Finnland, wie dem „W. T. B.“ aus Helsingfors berichtet wird, auf eine an ihn gerichtete Ansprache, er sei vollkommen von der Unterthanentreue der Mauer gegen ihren Monarchen überzeugt; aber es gebe

eute, welhe Mißtrauen gegen die Regierung zu erwecken suhten. Der gesunde Sinn des Volkes ließe sih jedo davon nit beeinflussen und die Bevölkerung Finnlands werde sich au fernerhin einer friedlihen Entwicklung er- freuen. Daß in der russischen Presse feindlihe Artikel gegen Finnland erschienen seien, dürfe den Finnländern keine Sorge machen, denn einzelne Finnländer hätten selbst die Veranlassung dazu gegeben. Die gesunde Vernunft lehre in dieser Beziehung ruhig zu sein und der väterlichen Fürsorge des Monarchen für alle den verschiedenen Nationalitäten angehörige Unterthanen zu vertrauen.

Ftalien.

Rom, 8. September. Dem „Capitan Fracassa“ zufolge ersuchte eine Gruppe Florentiner Bürger den Minister- Präsidenten Crispi um die Erlaubniß, ihm ein Banket anzubieten. Crispi nahm die Einladung an. Es hat si zu diesem Zweck ein Comité von Notabeln gebildet.

Das britishe Panzerschiff „Edinburgh“ ist aus Toulon in Maddalena eingetroffen. Die Kommandanten, sowie ein Theil des Stabes besuchten in Begleitung der Admirale Lovera und Labarano das Grab und das Sterbe- zimmer Garibaldi's.

Spauien,.

Madrid, 7. September. Der Kriegs-Minister bereitet, dem „W. T. B.“ zufolge, einen Geseßentwurf vor, nach welchem die allgemeine Wehrpflicht eingeführt werden soll.

Die Per j onen, welhe bei der Abreise des Ministers Canovas del Castillo nah dessen Wagen mit Steinen warfen, sind ermittelt und verhaftet worden.

Portugal.

Lissabon, 7, September. Der König befindet fich in fortshreitender Besserung. i

Anläßlich der über das englisch-portugiesische Ab- kommen hier herrshenden Mißstimmung kam es gestern zu lärmenden Kundgebungen und Störungen der Ruhe. Der Ministerrath trat in Folge dessen zur erathung

zusammen,

Wien, 8. September. Die „Amtliche Wiener Zeitung“

Belgien.

Brüssel, 7. September. Gestern wurde in Lüttich der kfatholishe Sozialkongreß eröffnet, an welchem gegen 2000 Personen theilnahmen. Das Bureau wurde, wie „W. T. B.“ meldet, aus dem Episkopat, Vertretern von Bürgercomités und Katholiken Belgiens, Deutschlands, Frank- reis, Oesterreichs, Jtaliens, der Shweiz und der Niederlande ge- bildet. Collinet verlas hierauf Briefe von den Kardinälen Gibbon, Manning, den Bischöfen von Reims und Madrid, von Mon- seigneur Mermillod und von Windthorst. Der Bischof von Lüttih Doutreloup hielt eine Ansprache, in welcher er die Katholiken aufforderte, die F des Papstes Leo XIII, ins praktishe Leben einzuführen ; ie Kirche allein sei im Stande, das soziale Problem zu lösen und das morälische und materielle Loos der Arbeiter zu verbessern. Der Vertreter Oester- reis, Bloom, erklärte, die sozialen Reformen müßten allen anderen vorangehen. Der gegenwärtigen Strömung, welche eine vollständige Umänderung in der Ordnung der Arbeit vor- bereite, könne man sich nicht widersegen. Der Präsident der Vereinigung katholischer Studirend?ñ in Löwen versicherte, die Universitätsjugend trete ebenfalls für die Verbesserung des Looses der Arbeiter ein. Der belgische Abg. Woeste sprach si für die Privatthätigkeit aus und wünschte namentlih die übermäßig angestrengten Arbeiter in Schuß zu nehmen; alsdann trat er noch für die ausgeseßzten Kinder und für die Sonntagsruhe ein und empfahl shließlich das Congowerk und die Aussendung katholisher Missionen in die Fremde. Der Kongreß sandte hierauf Telegramme an den Papst und den König Leopold ab. Jn einer Lütticher Cor- respondenz der „Aach. Ztg.“ vom 5. d. M. wird bereits der Hauptinhalt mehrerer zur Veröffentlibung gelangender Referate des Sozialkongresses wie folgt mitgetheilt :

«.Vauer der Arbeitszeit, Der Referent, öfterreibisches Herrenhausmitglied Graf Kuefstein, betont, der Arbeiter müsse in erster Linie das für Lebenéunterhalt und Fortpflanzung Nothwendige ih jederzeit versbafen können, deshalb habe der Arbeitgeber die Pflicht, in jedem Falle einen Vindestlobn, der für diese Zwecke aus- reiht, zu bezahlen. Die Arbeitsdauer nußt mebr oder weniger die Kräfte des Arbeiters ab; nach diesem Maßstabe ist die Arbeitszeit zu bemessen, sie darf darunter bleiben, aber nie darüber hinausgehen.

Sw@ließlih fordert Graf Kuefstein internationale Regelung der Arbeitszeit.

II. Arbeiterversiherung. Referent Josef Begafse: 1) Alle Arbeiter müssen versihert werden. 2) Die Versicherungskassen ¿ablen den kranken und ¿eitweilig (durch Unfälle) arbeitéunfähigen Arbeitern regelmäßige Unterstüßungen. 3) Die Gefellshaften auf Gegenseitigkeit und die Fabrikkassen sind verpflichtet, diesen Ansprüchen zu genügen. Nur wo fie fehlen, werden Kommunalkaffen errihtet. 4) Die Kassen werden von Denen verwaltet, welche sie unterhalten. 5) Das Gesetz greift nur in Bezug auf gewisse Maßregeln zur Sicherung der Funktioni- rung der Kassen ein. 6) Die Staatésparkafe und die Posftsparkafse sind zur koftenlosen Verwaltung der Arbeiterversicherungskassen verpflichtet. Weiter greift der Staat nit pekuniär ein. 7) Versichert werden alle Arbeiter und Angestellte, deren Gehalt niht 2000 Fr. betcägt und welche arbeiten: a. in mit Dampfmaschinen oder Motoren irgend- welcher Art versehenen Etablissements, ferner die Arbeiter in Fabriken von Sprengstoffen; b. die Bergleute und Bauhandwerker ; c. die Ar- beiter an den Eisenbabnen und auf Schiffen. Die Kassen werden unterhalten durch 2—4 9% des Lohnes, zur Hälfte vom Arbeiter, zur anderen Hälfte vom Arbeitgeber zu zahlen.

_III, Frauen- und Kindershuß. Der Referent, Abbé Winterer aus Mülhausen, deutscher Reichstags-Abgeordneter, hält den jeßigen Frauen- und Kindershuß für ungenügend, insbesondere den belgischen ; die Materie kann aber genügend nur auf internationalem Wege geordnet werden. Vor dem großen Ziele der internationalen can müfsen 41 at Se c Ae L R

winden, man mnß die criftlihe Familie als unershütterlihe Basis

der Gesellschaft wiederherstellen. P

IV. Die Strikefrage. P. Lehmkuhl, 8. I,, fordert mit Entschiedenheit die Einsezung bon Stiedsgerichten zur Schlichtung von Differenzen zwishen Arbeiter und Arbeitgeber, aber so, daß der Arbeiter dazu Vertrauen hat. Die Präventivmaßregeln gegen den S und seine traurigen Folgen sind Sache der öffentlichen

ehörde.

, „V. Volksthümlihe Presse. M. A. Verhaegen meint, die katholishe Volkspresse habe theilweise nit hinreihenden Erfolg, weil sie kein klares Programm in sozialen Dingen besitze. Die Sozialisten baben die Nothwendigkeit begriffen, die Massen über ihre Ziele zu instruiren, sie verfolgen ihr Ziel mit Konsequenz und Eifer. E genügt nit, si ihnen gegenüber auf die Defensive zu beshränken, sondern man muß das Programm dem Programm entgegenstellen. Man muß si über die sozialen Reformen so klar werden, wie nur möalich, den Arbeitern muß man beweisen, daß allein die Kirhe der Welt den Frieden geben kann, ferner daß die Interessen des Arbeiters besser durch die Katholiken als die Sozialisten gewahrt werden. Dieses Programm aufzustellen ist der Kongreß berufen.

Serbien.

Belgrad, 6. September. Auf Einladung der öster- reihish-ungarishen Regierung werden, wie „W. T. B.“ meldet, an den Feierlichkeiten gelegentlih des Beginns der Arbeiten am Eisernen Thor Minister - Präsident Gruitsch und der Minister der öffentlihen Arbeiten Josimovit\ch theilnehmen.

Bulgarien.

Sofia, 6. September. Der Prinz Ferdinand von Coburg ist, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern aus Küstendil hier eingetroffen.

Die legislativen Wahlen haben gestern in vollkommener Ordnung stattgefunden. Fast in allen Bezirken wurden die Regierungs - Kandidaten gewählt. Die Wahl in Plewna und einigen anderen Orten ist für die Oppo- sition günstig ausgefallen. Von Regierungs-Kandidaten wurden gewählt: Stambulow in Sofia, Tirnova, Philippopel und Eskizagra, der Minister Tont\chew in Sofia, Rustshuk und Carlova, der Minister Givcow in Sofia, Tirnova, Varna und Dobritsch. Außerdem wurden die früheren MinisterStoilow, Stransky und Salabaschew gewählt; die Gegenkandidaten dieser leßteren erhielten nur eine geringe Stimmenanzahl. Nah dem Bekanntwerden des Ml der Wahlen brachten die Wähler von Sofia Stambulow begeisterte Ovationen dar. Derselbe erhielt aus der Provinz zahlreiche Beglückwünschungs- Telegramme.

Amerika.

Argentinien. Buenos Aires, 7. September. Nah einem Telegramme des „Reuter'shen Bureaus“ nahm der Kongreß die Geseßentwürfe betreffend die Emission von Schhagbillets im Betrage von 60 Millionen Dollars sowie eine neue Emission von Cedulas für 15 Millionen Dollars an.

Ein Régiment Artillerie mit 50 Geschüßen ist nah Entre Rios abgeschickt worden. Die Regierung befahl, daß alle Schiffe in dem neu erbauten Hafen Madero löschen

sollen.