1890 / 216 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 08 Sep 1890 18:00:01 GMT) scan diff

4 verwalten. Je sorgfältiger diese alliäglihe Arbeit geleistet wird, desto fitherer ist die allgemeine Wohlfahrt und Sicherheit des Reichs be- gründet, desto mehr wird sie gefördert.“ Anerkannt muß werden, daß der Verfasser aus dem fast unübersehbaren Material nur diesentgen Rechtssäße auswählte, welde das eigentlihe Wesen der Rehts- institute bestimmen, sodaß auf einen verbältnißmäßig be- \hränkten Raum der umfangreihe Stoff zusammengedrängt werden konnte. Mit dem Kaiserthum Rußland is durch eine Real- Union das in dem Frieden von Frederikshaven 1809 von Schweden ganz abgetretene Großfürstenthum Kinnland verbunden, do wurde dur diese Vereinigung niht die Entstehung eines be- sonderen völkerrehtlihen Subjekts bezweckt. Wegen der geshihtliden Union wurde deshalb defsen Staatsrecht im Anschluß an dosienige des russishen Reis von dem Senator in Helsingfors Dr. Mech e c in eingehender Darstellung behandelt. Finnland bat eine im Wesen lihen der \{chwedishen Norm entsprechende landständisce Verfaffung, der Landtag besteht aus vier besonderen Ständen: dem Adel, è en geistlihen Stand, dem BVürger- und dem Bauernftande. Früher hatte jeder Stand für sih eine besondere Interessensphäre zu vertreten; seit durch die Landtagsordnung von 1869 au - drücklich angeordnet wurde, daß die zum Landkage Gs en Stände das finnishe Volk vertreten. kann eine Vertretung ständischer Sonderinteressen, sofern sie nicht zugleih einem allgemeinen Beda des Landes entsprechen, niht mehr in Frage kommen (S. 290). i ehr- rei ist, daß die Wurzeln des heutigen finnishen Rechts sh N die Vergangenheit zurückerstrecken. In dem \chwedischen Rechtsleben sind keine so durchgreifenden Umsftürzungen oder Neuerungen vor- gekommen, daß mit dem traditionellen Ret so gänzli gebrohen worden wäre. Die ältere Rehtsauffassung hat daher auf jeder Ent- widelungsstufe eine große Bedeutung gehabt.

Land- und Forstwirthschaft.

Land- und forstwirthschaftlicher E i

land- und forstwirth\chaftlide Kongreß ift, wie , .B.* aus E berichtet, O Mittag geschlossen worden. Clarke (London) dankte Namens der fremdländischen Theilnehmer für die gastlihe Auf- nahme. Der Vorsißende des Kongresses Graf Kinéky spra in einer Sélußrede dem Erzherzog Carl Ludwig den Dank für den festlihen Empfang der Kongreßmitglieder aus, hob mit anerkennenden Worten die Betheiligung bedeutender Kapazitäten hervor und {loß mit einem begeistert aufgenommenen Hoh auf den Kaiser Franz

Ioseph.

Sanitäts-, Veterinär- und Quarantänewesen.

Madrid, 6. September. „W. T. B,* meldet: Aus den Provinzen Albacede, Alicante, Badajoz, Tarragona, Toledo und Valencia ri Erkrankungen anCholera

d 60 Todesfälle gemeldet. : E Ferner nta 7: Sipteinbeo: In der Stadt Valencia kamen heute 15 Cholera-Erkrank ungen vor, darunter 11 mit tôdt- lihem Ausgange. In der Provinz Valencia läßt die Cholera na, ebenso ist aus der Provinz Cadiz kein neuer verdächtiger Fall gemeldet worden.

Handel und Gewerbe.

Berlin, 6.September. (Wochenbericht für Stärke, Stärke- fabrikate und Hülsenfrüchte von Max Sabersky.) Is. Kar- toffelmnehl 213—224 4, Ia. Kartoffelstärke 21—22 Æ, IIa. Kar- toffelmehl und -Stärke 19—203 #, feuchte Kartoffelstärke —, gelber Syrup 23—234 #6, Capiliair- Export 26—264 4, Capillair Syrup 24—25 4, Kartoffelzucker Capillair 25—26 #, do. gelber 23—234 #, Rum-Ceuleur 34—35 #4, Bier-Couleur 34—39 H, Dextrin, gelb und weiß, Ia. 28¿—293 4, do. sekunda 26x— 273 M, Weizenstärke (kleinst.) 39—41 #, Weizenstärke (großit.) 423¿—435 t, Hallesche u. Schlesische 423—432 4, Schabe-Stärke 33—33# K, Vêais- Stärke 30—31 4, MNeisstärke (Strahlen) 454—47 A, do. (Stüden) 43—44 #, Victoria - Erbsen 18—21 #, Kocherbsen 18—21 4, Futtererbsen 154—16 Æ , ‘grüne Erbsen 18—21 H, Leinsaat 221—244 Æ, Linsen, große 32—44, do. mittel 20 - 32, do. kleine 14—20, gelb. Senf 18—24 (s, Kümmel38—42 6, Buchweizen 14è—164.4, Maie leco 12—13 A, Pferdebohnen 15—17 4, inländishe weiße Bohnen 17—21 , breite Flahbohnen 21—23 Æ, ungariswe Bohnen 18— 20 Æ, galizise und russishe Bohnen 16—175 4, Wilen 15—16 M, e 173—21 6, Leinfucher 145—16 46, Weizenschale 103—11 #, Roggenkleie 103—11 „«, Rapskuchen 123—135 „6, Mohn, weißer 56—64 #4, bo. blauer 42—46 #, Hirse, weiße 20—23 4 Alles per 100 kg ab Bahn bei Partien von mindestens 10 000 kg.

Der Aufsi@tsrath der Hagener Gußstahlwerke bat be- \Glossen, bci der Generaiversammlung für das verflossen- Geschäfts- jahr diz Auszahlung einer Div idente von 10/6 in Vorschlag zu bringen.

In der gestrizen ordentlih:n Generalversammlung der Aktien - Gesellschaft für Pappenfabrikation waren 529 800 Æ Aktien angemeldet. Der Geschäftsbericht, die Bilanz und das Gewinn- und Verlust-Conto wur den genehmigt und die Dividende auf 79/0 festgeseßt, Die ausscheidenden 5 Aufsichtsraths-Mitglieder wurden wiedergewählt.

Die Bilanz der „Union“, Aktiengesellschaft für Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie zu Dortmund, für das abgelaufene Ge- \châftéjahr 1889 ergiebt einen Bruttobetriebsgewinn der Abtheilungen in Höhe von 6 422740 #, wozu noch 472 A aus früher abgeschrie- benen Forderungen und 162 000 A Buchgewinn aus dem weiteren Umtau!h von Aftien Litt. B. gegen Aftien Litt. A. hinzutreten. Nach Abzug der Generalunkosten und Passivzinsen bleiben verfügbar 5 159 209 Æ Der Aufsichtsrath beschloß, dem Antrage der Direktion ent- sprechend, hiervon vorbehaltli% endgültiger Feststellung ca. 2 800 000 A zu ordentlichen und. außerordentliwen Abschreibungen zu verwenden, ca. 700 099 4, eirschließlich der Ueberweisung an den geseßlichen Reservefonds, für verschiedene Zwecke zurückzustellen und hiernach der Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 4% vorzuschlagen; füc diese Dividendenbemessung war die Erwägung maßgebend, daß eine Verstärkung der eigenen liquiden Mittel der Union gegenüber den gestiegenen Materialpreisen und gegenüber der fortschreiten den Tilgung der fundirten Schulden els angemessen erscheint. Nah Deckung aller Neubauten und Neu- anshafungen wird hiernach eine Ermäßigung der Anlage: Conti von 57 247 549 auf ca. 55 800 000 M erzielt, wogegen eine Herab- minderung der fundirten Schulden beziehungèweise eine Vermehrung der liquiden Mittel in entsp rehender Höhe eintritt, In das reue Fahr wurden Bestellungen auf Fertigfabrikate in Höhe von 46 766 Tons zum Werthe von 8 164 000 4 hinübergenommen.

Leipzig, 6. September. (W T, B) Kammzug-Termin- handel. La Plata. Grundmuster B pr. September 4,75 #, pr, Oktober 4,75 4, pr. November 4,775 #4, pr. Dezember 4,77§ e, pr. Januar 4,675 K, E 4,660 4, pr. März 4,60 #, pr. April 4,60 #4, pr. Mai 4,60 6. —— Umsaß 10000 kg. Geschäftslos.

Wien, 6. September, (W. T. B.) Ausweis der Südbahn in der Wohe vom 27. August bis 2, September: 929 188 Fl., Mehreinnahme 76 736 Fl. i

Ausweis der ôösterreihisch-ungarishen Staatsbahn in der Woche vom 27. bis 2, September: 902 710 Fl., Mehr- einnahme 81 562 F\.

London, 6. September. (W. T. B.) An der Küste 2 Weizens

ladungen angeboten.

New-York, 6. September. (W. T. B.) Der Werth der in der vergangenen Woche eingeführten Waaren betrug 10 755 828 Doll. gegen 7 550 348 Doll. in der Vorwoche, davon für

Stoffe 3 025 476 Doll. gegen 2159 556 Doll. in der Vorwohe.

Verkehrs - Anstalten.

Laut Telegramm aus Kaldenkirchen is die erste englische Post vom 6. d. M., 8 Uhr Vormittags, aus3- geblieben; Grund: Nebel auf See. L

Auf den Linien der Großen Berliner Pferde-Eisen- bahn - Aktiengesellschaft t im Monat August 1890 10 104 699 Personen befördert und dafür 1 181 186,39 „6 oder dur- \cnittlich auf den Tag 38 102,79 M eingenommen. Die Einnahmen im August 1889 betrugen 1 105 096,50 # oder durhs{nittlich auf den Tag 35 648,27 M

Norddeutscher Lloyd in Bremen. (Leßte Nathrihten über die Bewegungen der Dampfer.) New-York- und Baltimore-Linien :

estimmung.

Bremen 5. Sept. in Bremerhaven.

Bremen 30. Aug. von New-York.

Bremen 3. Sept. von New-York. 1. Sept. in New-York.

New-York New-York 5, Sept. in New-York. New: Vork 5, Sept. in New-York. New-York 31. Aug. von Southampton. New-York 3. Sept. von Southampton. New-York 4. Sept. von Southampton. New-York 6. Sept. von Bremerhaven. Bremen 30. Aug. von New-York. Bremen 27. Aug. von Baltimore. Bremen 3. Sept. von Baltimore. Baltimore 4. Sept. in Baltimore. 30. Aug. Lizard passirt.

Baltimore j ir Baltimore 6. Sept. Lizard passirt.

Brasil- und La Plata-Linien:

U 2 a Bremen 5, Sept. in Bremerhaven. „Frankfurt“ . . |Vigo,Antw., Brem.| 5. Sept Sta. Cruz passirt. O, Bremen 6. Sept. in Antwerpen. eHannover“ , Vigo, Antw.,Brem.| 25. Aug. von Bueros-Aires. Straßburg“ La Plata 24. Aug. in Montevideo. eBaltimore“ Brasilien 18, Aug. in Bahia. „Leipzig“ . ¿ La Plata 19, Aug. von Bigo.

Berlin® Brasilien, E 2. Sept. mit gebrohener Welle ven e Plata in Lissabon eingeschleppt. „Grf.Bismarck“ Brasilien 4. Sept. von Lissabon. „Main“ . ; Brasilien 5. Sept. Sta. Cruz passirt.

Linien nah Ost-Asien und Australien:

¿S Bremen 1. Sept. von Genua. „Preußen“ . Bremen 2, Sept. voa Singapore. „Bayern“ Ost-Asien 4. Sept. in Hongkong. „Neckar* . Ost-Asien 6. Sept. in Port Said. „Salier“ . Bremen 30. Aug. von Genua. Nürnberg“ . Bremen 5, Sept. in Colombo. eDresden“ . Australien 27. Aug. in Adelaide. eHobenstaufen“ . Auftralien 6. Sept. in Colombo. „Habéëburg“ . Australien 6, Sept. von Antwerpen.

Hamburg, 6. September. (W. T. B.) Der Postdampfer „Slavonia“ der Hamburg-AmerikanishenPacketfahrt- Aktienagesellschaft ist, von Hamburg kommend, heute früh in New-York eingetroffen.

Triest, 7. September, (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Vorwärts * ist heute früh hier eingetroffen.

„Trave“ , „Elbe“ „Lahn“ „Eider“ . „Kaiser Wilhelm 1I.“ „Aller“ „Fulda“ eWerra* „Saale“.

Schnelldampfer

Stuttgart“ . „Karlsruhe“ .

Dheater und Musik.

Königliches Opernhaus,

Frl. Malten trat am Sonnabend als Isolde in Wagner's „Tristan und Isolde“ auf, obwohl sie, wie im Opernhause dur Anschlag bekannt gemacht war, sich wegen der Bedrohung ihres Besißthums dur die Uebershwemmung in Dresden in begreiflicher Erregung befand; nur um die Vorstellung zu ermöglichen, brachte sle das Opfer, diese große und anstrengende Partie zu singen. Wohl Niemand wird ihrer Isolde angemerkt haben, daß fie der damit ver- bundenen Bitte um Nacksi(ht bedurfte. Die Leistung war in gesang- liGer wie schauspielerisher Beziehung hervorragend. Der Ton zeigte überall Glanz und Wohllaut. Vortrefflih gelangen ihr in dem ersten Akt die Scenen des Spottes und der Ironie, niht minder wußte sie als die beleidigte, si ihrer Majestät bewußte Königätochter zu imponiren. Ganz besonders abcr verdienen die Sceven nah dem Liebestrank und der Liebestod hervorgeßoben zu werden, in welchen die Künstlerin in ergreifender Weise der hingeben- den, opfernden und verklärerden Liebe Ausdruck verschaffte. Im zweiten Akt wurde der Zwiegesang mit Tristan, welcher von Hrn. Gudehus gegeben wurde, insbesondere die Stelle, welche das Wesen der Liebe und des Glücks der Liebe schildert, von beiden Künstlern mit technischer Vollkommenheit durgeführt. Aver der Tristan des Hrn. Gudehus licß doch so Manches vermissen. Der helle Klang seines Tenors macht ihn mehr zu einem Liedersänger als zu einem Helden, zu dem niht nur Isolde, sondern auch die Um- gebung bewundernd emporblickden soll; auch die Kraft der Stimme reihte niht aus, um das Orchester zu übertönen. Hr. Mödlinger sang den König Marke. So sebr wir die Leistungen des aus- gezeihneten Sängers Betz, der font diese Rolle zu geben pflegt, bewundern, so können wir doch nicht umhin, anzuerkennen, daß es eine angenehme AbweWslung war, in dieser Partie einen Bassisten zu hören, zumal Hr. Mödlinger gerade an diesem Abend bie Vorzüge seines vollen kräftigen Basses weit besser zu entfalten im Stande war, als neulich in der Rolle des Königs Heinrich im „Lohen- grin.“ Hrn. Mödlinger's Marke verdiente unumwundene Anerkennung. Als Brangâne zeichnete sich in Spiel und Gesang, wie schon fo oft, Fr. Stoudigl aus: die Dame if nit nur mit einer \hônen Stimme begabt, sondern auch intelligent und fie weiß selbst do, wo sie in den Hintergrund tritt, durch chacakteristisches Spiel zu interessiren. Der Kurvenal des Hrn. Schmidt verdient nicht minder, anerkennend erwähnt zu werden. In der Regie waren einige Aenderungen, die wir als Verbesserungen willkommen heißen, zu bemerken. So berührte es angenehm, daß Isolde und Brangäne den ersten Theil des zweiten Akts nicht in dem Erker des Sdchlofses zubrachten, sondern in den Park hinaustraten, wo sie mit dem Publikum besser in Berührung kommen, ferner, daß der Tristan zum Scluß dem Publikum nit seine offene Wunde zeigt, was unästhetish wirkt, und daß er roh lebend in die Arme der herbeieilenden Isolde sinkt. Das Orchester entledigte sich seiner großen Aufgabe in ausgezeihneter Weise. Die Musik nimmt im „Tristan“ eine so hervorragende Stelle ein, daß sie, wenn die Vors gânge auf der Bühne das Interesse Oma lassen, den Hörer geradezu bestrickt und fesselt; ihre Wiedergabe dukch das Orchester des Opernhauses bot ihm einen wahren Genuß.

Deutsches Theater.

Die erste Aufführung des vieraktigen Schauspiels „Die Hauben- ene von Ernst von Wildenbruch findet am Sonnabend, 20. d. M, staît.

Berliner Theater.

Am Mittwoch geht als erste Novität der Saison „Der Schrift- stellertag* von Heinrih Heinemann in Scene. Für diesen Premièren- Abend hat tas Theater seine besten Lustspielkräfte aufgeboten. Die Hauptrollen befinden sich in den Händen der Damen Elmenreich, Hak, Odilon, Baumeister und S{hlüter, denen in den männlichen Partien Stahl, Klein, Conrad, Eckert und Weiß zur Seite stehen.

Lessing-Theater.

Am Sonnabend fand die Erstaufführung eines französishen Lust- spiels „Margot“ ven Henri Meilhac mit sehr getheiltem

Erfolge statt. Der Verfasser hat sih bei dieser Arbeit niht auf das eigentliche Lustspielgebiet les@ränkt; der Charakter der Handlung weist vielmehr auf das bürgerliche Schauspiel hin, welches in diesem Fall wieder ein Stück französishen Lebens aus der zeit- genössishen Gesellschaft widerspiegeln foll und in diesem Sinne unter den Begriff der „Siitendramen“ fällt. Um ein Sitten- bild, eine Art dramatish gefaßter kulturhistorisber Studie, wie es die Dumas und Sardou geschaffen, handelt es sich au in dem Lustspiel „Margot* ; aber Meilhac verfügt niht über die zu so ernstem Werk nöthige ursprüngliche Kraft der Charakterzeihnung, wie ihm auch die Fähigkeit zu einer klaren und naturgemäßen Entwickelung seelisher Vorgänge nicht in ausreihendem Maße eigen ift. :

Margot ist ein junges, bei Beginn der Handlung noch naives Mädchen, herangewachsen und erblüht unter äußerlih glänzenden, innerlih völlig versumpften, niedrigen Verhältnissen: sie weiß Alles, fennt Alles, spriht über Alles. Ein alter Lebemann will dies halbe Kind aus seiner Umgebung retten, er will es unterrichten, erziehen lassen, um es zur anständigen Frau eines rechtsaffenen Mannes zu machen. Margot antwortet dem gutmüthigen Lebes mann altklug, daß solhe Experimente selten gelingen, aber man fönne es einmal versulen. Der Versuch gelingt denn au äußerlih recht gut ; obgleth das Mädchen \sich unglüdcklih in den hon verlobten Neffen ihres Wohlthäters verliebt hat, wider- steht sie den verführerishsten Versuhungen. Aber Margot zeigt dem gegenüber troß ihrer Jugend \o herz- und sittenlose Ansichten, daß der Glaube an die Seele, die der kurze Unterribt in ihr erweckt haben soll, vor unserm Urtheil niht bestehen kann. Der ganze Charakter Margot's is ein durchaus unglaub- würdiges Gemisch von erkünstelter Unbefaugenheit und roher Brutalität, sodaß der Zuschauer, wenn das Mädchen zum Schluß dem ungeliebten Förster die Hand reiht, sehr dunkle Wolken an dem Chehimmel auffteigen sieht. Auch der väterlihe Erzieher Margot’'s Graf Boisvillctte, welher sh zum S({hluß in einen Lieb- haber seines Mündels verwandelt, entbehrt in der CharakterzeiGnung der Klarheit und Natürlihkeit; für einen - alten Jung- geselen und Lebemann, der eine überaus exotische und zweideutige Gesellshafi in seinen Salons empfängt, erscheint er plöglih viel zu sentimental und opfermuthig. Mit allen übrigen Charakteren hat si der Verfasser schr wenig Mühe gegeben ; fie sind mit wenigen Strichen konventionell gezcihnet. Der einzige vernünftige und geraddenkende Mensch in der Gesellschaft ist des alten Boisvillette Neffe, welcher sich um die kleine Hexe Margot gar nicht kümmert. Die Handlung ift sehr dürftig, und so erschbeint auch im Ganzen der Dialog nit fo unterhaltend, wie man es in anderen französischen Lusispielen gewöhnt ist; nur im zweiten Akt hebt sich. eine Scene, in welcher Margot ihre neu erworbenen Kenntnisse auskramt, und in welcher sie durch den alten Grafen Boisvillette unter Zubülfe- nahme Musset’sher Gedichte in die Leiden und Freuden der Liebe eingeweiht wird, recht lebendig und humorvoll von der allgemeinen Nüchternheit ab. Der „Margot“ fehlte Alles, was einem Stück zum Erfolge verhelfen kann: Handlung, Geist und tiefe seelishe Empfin- dung. Das Stück wurde au, nachdem die beiden ersten Akte Nichts geboten hatten, und der dritte noch leerer als seine Vorgänger war, zum Schluß deutlich abgelehnt.

Die Darstellung konnte überall genügen. Fr. Petri spielte die Titelrolle gewandt und anmuthig, sie konnte heiter und liebenswürdig sein und doch erschreckend ruhig und ungezwungen bei den cynishen Bemerkungen, welche als etwas Selbstverständliches von izren Lippen kommen. Hr. Stägemann gab den sanften, sentimentalen alten Junggesellen Boisvillette, dessen äußere Erscheinung und 1päteres Empfinden so wenig zu seinem ganzen früheren Lebens- gange passen, vornehm und diskret. In einer kleinen komischen Rolle, als alter Geck und Roué, trat das bedeutsame Talent des Hrn. Ble ncke für solde Charakterrollen lebendig hervor. Fr. Stägemann wußte aus dem derben, in Jagdkleidern umher- laufenden Mannweibe nicht viel zu machen. Recht erfreulich wirkte aber Fr. von Pöllniy in der kleinen Episode des zweiten Aktes als S(hloßverwalterin Monin mit.

Residenz-Theater.

Am nächsten Sonnabend findet die Reprise von Victorien Sardou’s Sittenbild „Ferriol“ statt; bis dahin bleibt die Marquise in der bisherigen Beseßung (Marquise Frl. Selken, Campanello, Hr. Reicher) auf dem Repertoire.

Thomas-Theater.

Am Sonnabend fand in dem neu erbauten Thomas: Theater die erste Vorstellung statt, welhe sich zu einem in jeder Beziehung \chönen Erfolge für den Direktor, die Darsteller und die Dekorationékünstler gestaltete. Man gab Ferdinand Raimund’s Märchendrama „Der Alpenkönig und der Menschhenfeind“, ein altes romantis{-komishes Märchen, dessen Aufführung für alle dabei Be- theiligten natürlich große Anstrengungen erfordert, wenn das zwar poetis@(e und von fkräftigem Humor durchwehtie, aber doch au sehr naive Stück einem heutigen Theater-Publikum gefallen foll, In der That ist dieses Endziel vorgestern völlig erreicht worden. Das in allen Theilen voll beseßte Haus hörte die Märchenpoesie mit erkennbarem rae freute sih an dem derben Humor, scaute die zauberhaften Vorgänge mit Behagen an und licß sich sogar gern in jene sentimentale Stimmung versetzen, welche der Dichter in den Theil der Handlung legt, die sich bei den armen Leuten in der Alpenroaldhütte abspielt

Der Inhalt des dramatishen Märchens ift ein überaus einfacher. Der alte Rappelkopf ist turch widrige- Schicksale zum Menschen- feind geworden; er peinigt seine ganze Umgebung, am meisten Frau und Kind und ih selbst, aber Frau und Tochter hören darum nit auf, ibn zu achten und zu lieben Der Tochter, welche ihren Bräutigam, einen jungen Maler, aus Italien erwartet, erscheint hoch oben im Gebirge cine Märchengestalt, der Alpenkönig, der den alten Napp-:lkopf auf zauberische Weise von seinem unerträg- lichen Leiden befreit, indem er ihn in cinem Doppelgänger, den der Berggeist selbst darstellt, seine cigene Abscheulichkeit beobachten läßt. So kommt tann natürlih das Stück zum guten Ende, Rappelkopf wird aus einem Menschenfeind ein Menschenfreund, die Tochter erhält die Einwillicung, den jungen Maler zu heirathen, kurz, alles Unheil hat sih in «itel GIlück verwandelt und mit poetischen, \ckönen Lehren entläßt der Berggeist dèn geheilten Kranken und die Zuschauer.

Der Dichter kann in der Pkantasie uns leicht allerhand zauberi\ {he Dinge vorführen; wir folgen ihm ebenso leiht ins Wunderland; es wird uns nit s{wer, uns plöglich aus einem vornehmen Hause in eine Gebirgéland\schaft im Geiste zu verseßen, und hier im Gewitter- sturm Berg und Tetal vershwinden und Wassers- und Feuersnoth erscheinen zu sehen. Aber auf der Bühne sind solhe Vorgänge, die der Zuschauer mit erleben soll, überaus schwierig darzustellen; da bedarf es der Künste des Dekorationsmalers und des Ingenieurs, welche dur allerhand optishe Täuschungen uns die zauberhaftesten Er- \{einungen glaubhaft machen. Was auf diesem Gebiete überhaupt zu leisten mögli is, das i vorgestern auf dem verbältnißmäßig kÉleinen Raum der Thomas Bühne geleistet worden: Prächtige und stimmungsvolle bäuslihe Bilder, ergreifende Scenen wie die in der Waldkütte und phantastish-maleri\che Bilder, in denen, wic erwähnt, Wasser und Feuer die Bühne erfüllen, Felsen versinken, der einsame Menschenfeind in die Unterwelt verschwindet und wieder in einem Kahn an anderer Stelle der Bühne auftaut, \{chlieflich eine Apotbeose von arcitektonisch übershwängliher Schönheit, das Alles bildet den Rahmen, in welchem die naive Handlung sich abspielt und von dem äußeren Beiwerk beinabe erdrückt werden würde, wenn nicht die Darsteller das Ohr der Zuschauer hinreichend zu fesseln wüßten.

Von den Darstellern haben wir an erster Stelle Hrn. Wellhof

zu nennen, den Rappelkopf, welchen auch der edin die Mitte der Handlung gestellt hat. Beim ersten Erscheinen dieses bewährten Künstlers hien noch etwas von seinem früheren Wirkungskreise in diesen neuen übergegangen zu fein; aber sehr \chnell coxcentrirte sich all’ die gute Laune, deren Wellhof fähig ist, seine komishe Beweg- likeit und seine cigenartigeKraft derCharakteristik auf die Gestalt Rappel- kopf's, wei he die Zuschauer mehr und mehr interessirte. Neben Wellhof

haben wir zunächbst den Alpenkönig August Kurz zu nennen, der seine poetische MuYaye in Erscheinung und Deklamation sehr gefällig löste. Von den Damen trat Frl. Gisela Fisher als Kammer- zofe durch Spiel und Gesang am wirksamsten bervor; ferner konnte rl. Emmy Branden in der kurzen Scene in der Köhlerbütte ch sehr angenehm bemerklich machen. Mit Anerkennung zu erwähnen nd sch{ließlich die Leistungen des Hrn. Guthery und der Damen Martha Körnig und Martha Alberti.

Die Zuschauer übershütteten die Darsteller mit Beifall, und der Eindruck der prächtigen Dekorationen trug dazu bei, wahre Beifalls- \stürme hervorzurufen. Außer den Darstellern wurde Direktor Thomas wiederholt vor die Gardine gerufen, und mit ihm erschien der Dekorationsmaler Lütkemeyer.

Adolph-Ernst-Theater.

Einen außerordentlich freundlißen Erfolg fand die Novität, welche am vergangenen Sonnabend im Adolph-Ernst-Theater in Scene ging. Sie betitelt sich „Unsere Don Juans*“ und hat zum Autor den als Verfasser mancher lustigen Gesangsposse bekannten Leon Treptow. Was der Handlung an Wahrscheinlichkeit und logishem Zusammenhang fehlt, das wird erseßt durh einzelne drollige Situationen und vor Allem durch die Couplets, die zu gefälliger Melodie einen hübschen Text aufweisen. An Pracht der Inscenirung stehen „Unsere Don Juans“ den früheren Aufführungen nicht na, übertreffen sie vielmehr in manchen Punkten. Am meisten Lob verdient das flotte Spiel. Hr. Direktor Ernst hat es verftanden, si© ein Ensemble für seine Bühne zu schaffen, das trefflich E und mit einer Gewandtheit und Siterheit spielt, die selb dem s{chwächsten Stück einen Erfolg vershafffen würde. Er selbst geht durch sein launiges Spiel seinem Personal voran, und alle Angebörigen desselben folgen diefem Beispiel mit großer Liebe zur Sache.

rl. Bäckers hat wieder eine Rolle, die für sie wie geschaffen ist.

hre derbe Art, sih zu geben, ihre komis{-linkishe Manier, si zu be- wegen, und ihr drastishes Mienenspiel sind durhaus des Beifalls würdig, den sie am Sonnabend fanden. Jn gleicher Höhe steht die Leiftung des Frl. Dora; sie ist eine der tüchtigsten Stützen der Ernst’shen Truppe und erfreut fih großer und wohlverdienter Beliebtheit beim P, Hr. Weiß ist, wie immer, trefflih auf dem Plat; die

eläufigkeit, mit der er fein großes Couplet vortrug, war wirkli be- wundernswerth; drollig weiß auch wieder Hr. Tielscher seine Rolle mit der ihm eigenen Komik auszuftatten. Die Damen Bender, Reichardt, Roger, die Herren Waldemar, Haßkerl, Löber, die beiden Shmasow seien Alle lobend erwähnt. „Unsere Don Juans* dürften auf lange Zeit hin das Haus mit Besuchern füllen.

Mannigfaltiges.

_ Für das National-Denkmal für den Fürsten von Bismarck in der Reichéhauptstadt sind bis jeßt nah der leßten Liste im Ganzen 720 330 4 ge]ammelt worden.

__ Bis Ende vorigen Monats waren der „N. A. Ztg.* zufolge für die „Carl Peters-Stiftung“, die Dr. Peters zum Bau eines Dampfers auf dem Victoria Njanza verwendet zu sehen wünscht, 17134 eingegangen bezw. gezeihnet, darunter vom Geheimen Cenis Krupp 10000 #4, vom Grafen Arnim-Muskau

Mit welchen Zahlen und Maßen man beim Reichstagsbau zu rechnen hat, \chreibt das „B. Fremdenbl,“, beweisen folgelde Beispiele: Das Gerüst für den Kuppelbau des neuen Reichstags- gebäudes mußte die gleihe Höhe wie die Siegessäule haben; sie be- trägt über 60 m Zur Aufmauervng der vier massiven Bogenrippen in- der Kuppel sind je 43 000 Ziegelsteine verbraucht worden.

__ Eine Sammlung von Funden, die, der „N. A. Z.* zufolge, bei der Vertiefung der Spreesohle vom Mühblendamm aufwärts bis zur Jannowitbrücke und bei den Ausbaggerungsarbeiten an der Schleuse gema&4t worden sind, befindet sih in dem am Mühlen- damm belegenen Baubureau. Die Gegenstände stammen aus dem 16. resp. 17. Jahrhundert. Interessant sind die vielen Handwerks- zeuge von Fishern und Handwerkern, welche bei der alten ehemaligen Mühle beschäftigt waren. Unter denselben befinden sich Aexte und Beile in den verschiedentlihsten Formen; Beile von sehr geringer Stärke, aber großer Schneideflähe, welhe jedenfalls beim Eis- haden Verwendung gefunden haben. Ein Wellenzapfen von dem grofien Mühlrade ist in Granitsteinlagern gelaufen. Das Lager hier- zu ift ebenfalls bloßgelegt worden. Der Zapfen hat eine Länge von 70 Centimetern und mißt 7 Centimeter im Ouadrat. Auch die zum Verschluß der Fishkästen dienenden Fischershlö}ser besißen durch ihre eigenartige Ausführung Werth, die Kugel-, Dreiecks- und Cylinder- form ist vorherrshend. Von Werth ift fernec die Waffensammlung, welche aus alten Rittershwertern, Artilleriesäbeln, Lanzenspißzen in den verschiedensten Formen, Bajonneten, alten Flintenläufen sowie Rittersporen und gut erhaltenen Pistolen besteht. Auch Thierschädel find gefunden worden, welche Gegenstände späterhin einem Museum einverleibt werden sollen.

Der Bildhauer Joseph Kaffsack und der Maler Paul Weimar sind gestern Nachmittag in der fünften Stunde ein Opfer des großen Havel sees geworden. Kaffsack besaß ein eisernes Segel- boot, mit dem er gestern eine Lustfahrt auf der Havel unternahm, In seiner Begleitung befanden sich Paul Weimar und der Maler Karl Jung. Man befand sich bereits auf der Rück- fahrt nach Wannsee und hatte etwa die Höhe des Breiten Horns erre’'cht, als das Boot, das keineswegs übertafkelt war, plöglih ein Leck erhielt und mit dem Heck ins Wasser tauchte. Ehe man die Pumpen in Bewegung seten konnte, batten die hoch- gehenden Wellen das Boot vollgeshlagen, und in wenigen Minuten war es in den Fluthen versunken. In der Noth suten die drei Künstler das Gladower Ufer duch Schwimmen zu erreichen. Jung nahm die Führung, die beiden übrigen folgten nah. Als fih aber Jung nah einiger Zeit ums{haute, waren seine beiden Gefährten bereits verschwunden., Nur mit Mühe gelang es dem ermatteten Jung, si so lange über

Wasser zu halten, bis ein herbeigeeiltes Boot ihn aufnehmen konnte, .

Das Boot fuhr sofort zur Unglücksftelle zurück, fand jedoch nur noch einige Kleidungsftücke und loësgegangene Bootstheile. Kaffsack, der etwa 40 Jahre alt geworden, sta:1mte aus Regensburg und gehörte zu den befäbigten unserer jüngeren Bildhauer. Paul Weimar war 33 Jahre alt, ist Berliner Kind und ein Glied der in der Halleschen Vorstadt ansässigen Familie Weimar.

Die Goßner'\che Mission beging gestern Abend in der Matthäikirhe eine feierlihe Abordnung. Zwei junge Missionare, welche vier Jahre lang den Unterricht der Anstalt ge- nossen haben, wurden nunmehr für den * praktishen Missionsdienst ge- weibt, es waren dies Daniel Kaiser, der Sohn eines nah der Krim ausgewanderten deutshen Landwirths, und Johannes Kupfer- nagel, der Sohn eines jeßt verstorbenen Kolonialmissionars der Südafri- kanischen Gesellshaft. Beide junge Leute werden heut Berlin verlassen, zu- nächst zu. kurzem Aufenthalt nach Rußland bezw. England gehen, dann in Port Said zusammentreffen, um gemeinsam nach dem Felde ihrer neuen Thätigkeit, nah Ost-Jndien, zu reisen, wo sie sich dem Chef der dortigen Mission, Dr. Rottorf, zur Verfügung zu stellen haben. Die Abordnung vollzog Prof. Plath, die Festpredigt hielt über Joh. 20, 26 Diakonus Kausch aus Rüdersdorf, der mit dem 1. Ok-

tobr als zweiter Inspektor in den Dienst der Goßnermission tritt.

Uebershwemmungen.

Aus Vorarlberg, 5. September wird der „Frkf. Ztg.“ ge- schrieben: Die Wasserkatastrophe scheint hier ihren Höhe- punkt überschritten zu haben; seit vorgestern Abend ist ein all- mählihes Siaken des Wassers bemerkbar. Der Anblick is aber noch immer ein trostloser. Auf dem Altane des Kirhthurms von Hohenems stehend, überblickt man die weite Wasserfläche, die von Altach bis zum Bodensee, von Dornbirn zu den Schweizer Bergen reiht eine graue, s{lammige Fluth, gleichend einer leise gewellten Sandebene. Ueber sie treibt ein eisigkalter Wind. Hier und da ragen noch einzelne Fähnlein der Maisfelder und Heu- \cobergerüste hervor, bald verschwinden auch diese, und nur Bäume, aus deren Reihen man den Zug einer Straße erkennt, und Häuser, bald mehr, bald weniger tief im Wasser (in Lustenau einzelne bis ans Dach), sowie bisweilen ein s{wanklendes Floß bieten dem Auge eine Abwechselung in der monotonen Wasserlandschaft. Daß für heuer Alles vernichtet ist, is selbstverständlich; harte Ar- beit wird es brauen, bis die ungeheuren Schutt- und Geröllmassen, wele der Rhein aus dem Hochgebirge mitriß und größtentheils über die Fluren entleerte, abgeräumt sein werden. Den täglichen Verdienst- entgang, den die industrielle Bevölkerung erleidet, {äßt man auf 5000 Fl. 1200 Stickmaschinen stehen still. Der Kaiser spendete 5000 Fl. für die Ucberschwemmten.

Aus Konstanz meldet die „Konft. Ztg.* unterm 5. September : Der Pegel zeigte heute früh 7 Uhr 5,81 m, das Wasser ift also seit gestern Vormittag zurückgegangen. Dagegen richtete der gestern Abend eingetretene Ostwind erheblihen Schaden an. An der Hafenmauer s{wammen heute früh bereits Theile der Seebad- anstalten; das Militär-Schwimmbad if vollständig demolirt, und auch das Freibad hat eine bedenklihe Stellung eingenommen; die anderen Badeanstalten haben nur auf der Ostseite Schaden ge- litten. Die von der Werft zu den Badeanstalten führende, mit eisernem Geländer versehene Brücke ist sehr shwer beschädigt, sie {chwimmt fast vollständig im Wasser, da sie einen großen Theil der stüßenden Pfähle verloren zu haben sheint. Die Landungsstege an den meisten Dampfboot stationen sind weggerissen oder stark beschädigt. Der ganze Umfang des Schadens wird sich erst nach Ablauf des Wassers fest- stellen lassen.

Wie die „A. Ztg.“ aus Passau, 5. September, meldet, nimmt das Hochwasser ziemlich rasch ab, obwohl der Regen noch immer andauert. Der Inn ift im Laufe des gestrigen Tages um etwa 20 und in der verflossenen Naht um etwa 40 em gefallen, in ähn- [ihem Maße au die Donau und Ilz. Die Leute sind bereits beschäftigt, die durch das Hohwasser verursahten Schäden auszu- bessern; so werden in der Ilzstadt die angeschwemmten Blöcher weg- gefahren, anderswo die Keller ausgepumpt, die beshädigten Mauern, Kanäle, Anlagen in Stand gesetßt 2c.

Aus Bingen, 6. September meldet die „Frkf. Ztg.*: Der Rhein ist von gestern auf heute um 15 cm gestiegen und wächst nur noch langsam. Der Wasserstand am hiesigen Staatspegel betrug beute früh um 8 Uhr 3 m 73 cm. In den Kellern sind alle Vor- sihtêmaßregeln gegen Hochwasser getroffen Vom Ober- Rhein lauten die leßten Nathrihten sehr günstig. Es wird von dorten allenthalben Stillstand und Fallen des Wassers gemeldet, und da auch die Nahe nur normalen Wasserstand führt, so dürfte vorerst für unsere Stadt eine jede Gefahr beseitigt sein. In den Gemarkungen der weiter stromaufwärts gelegenen Orte aber hat seit heute Morgen der Rhein die Ufer stellenweise überfluthet; insbesondere richtet das Sickerwasser dort {on seit einigen Tagen an den Feldfrüchten großen S(éaden an. Namentlih die Katoffeln haben vurch die Nässe sehr zu leiden und fangen an, stark zu faulen.

Aus Dresden gehen dem ,W. T B.* folgende Mittheilungen zu, und zwar vom 7. September, Vormittags 8 Uhr: Heute früh gegen 4 Uhr trat ein Stillstand im Steigen des Wassers ein, von da ab ist dasselbe bis jeßt um 6 em. gefallen. Der an Mo- bilien und Immobilien angerihtete Schaden ist außerordentli groß.

Von demselben Datum, Mittags: Der Wasserstand der Elbe zeigte

Vormittags 11 Uhr 5.27 Meter. Seit 2 Stunden is das Wasser um 3 em gefallen. Auch von allen Ortschaften oberhalb Dresdens wird ein Fallen des Wassers gemeldet. Bei Promnitz, gegenüber von Riesa, ift ein Damm durhbrochen. ___ Eine spâtere Mittheilung lautet: Der Wasserstand beträgt noh immer 5 m über dem Nullpunkt, jedoch fällt das Wasser beständig. Im Zwinger und dem Taswenberg - Palais müssen die Wachposten noch auf Holzstegen stehen. Man hegt keinerlei weitere Befürchtungen.

Unterm 8. September wird der Wasserstand auf 4,70 m an- gegeben. Die Augustusbrücke ist heute Mittag für den Fuß- gängerverkehr wieder freigegeben worden, für den Wagen- verkchr erfolgt die Freigabe im Laufe des Nachmittags. Gestern Nawnuittag besichtigte der König während zweier Stunden die Vebershwemmung in der Friedrichstadt, theils zu Fuß, theils zu Wagen, theils im Kahn. Der König, in dessen Be- gleitung sih der Polizei-Präsident und ein Flügel-Adjutant befan- den, besuchte auch die überschwemmten Hinterhäuser und wurde überall vom - Publikum auf das Lebhafteste begrüßt. Aus Schandau, 7. September, berihtet „W. T. B.*:

i Das Wasser sinkt langsam aber stetig. Die Sendig'schen Villen „Quisifara“ und „Königsvilla“ blieben von den Fluthen voll- ständig vershont, und in deren Betrieb ist keine Störung eingetreten,

Aus S lesien meldet die „Stwlef. Ztg.* unterm 6. September: Aus Löwenberg: Der Bober is in unserem Kreise in seiner ganzen Ausdehnung übergetreten. Seine mächtigen Fluthen ergießen fh in breiten Strömen über die angrenzenden Wiesen und Felder und entführen große Massen des schönsten Grummets. In Sprottau überfluthet er heute die ganze Boberaue sowie die nach Süden führenden Straßen. Der Stadttheil Fiscerwerder steht unter Wasser. Der Verkehr ist nur mit Kähnen möglih. Sämmtlite Mühlen und Fabrik-Etablissements am Bober mußten ihre Thätigkeit einstellen, au& das Wasserwerk strikt seit gestern Abend, sodaß troß des vielen Wassers ein Mangel an Trinkwasser in der Stadt eintritt. In Sagan hat der Bober jeßt eine Höhe von fast 2 m erreiht und wähst noh. Die am Bober und Queis gelegenen Ortschaften sind recht- zeitig von der Hohwassergefahr benahrichtigt worden, Da das Hoh- wasser des Queis früher als das des Bobers eingetroffen ist, so ift Gefahr für die biesine Gegend nit zu befürchten. Das Wasser der Schnellen Deichsa ist, wie aus Haynau gemeldet wird, im Laufe des gestrigen Tages ziemlich schnell wieder gefallen, ohne auf städtishem Gebiet erheblihen Schaden angerichtet zu haben, Auch aus Reichenbach u, d. E. kommen bessere Nachrihten: Das Wetter hat sich aufgeklärt und seit gestern

Nachmittag 5 Uhr fällt das Wasser der Peile, die besonders oberhalb der Stadt in ihre Ufer zurückgetreten ist. Leidec forderten thre Fluthen ein Menschenopfer. Der siebenjährige Schulknabe Ru- dolf glitt von einem Uferrande aus in den Strom und wurde von den reißenden Wellen fortgetragen. Bis heute ift er noch nit auf- geen, Viel Getreide und Heu ist von dem Hohwasser vernichtet worden.

Von der Donau meldet ,W. T. B.*:

Wien, 6. September. Die Direktion der Donau-Dampf- \chiffahrts-Gesellshaft hat wegen Hochwassers bis auf Weiteres die täglichen, zwishen Wien und Pre Mag, verkehrenden Passagierfahrten eingestellt, die täglihen Postschiffahrten zwischen Wien und Pest auf die Strecke Goeny—Pest beschränkt und in Folge Ueberfluthung der Landungopläße für die nähften Tage die Aufnahme und Ligne von Gütern auf \sämmtlihen Donau- stationen von Regensburg bis Goenyoe eingestellt. Auch die Nord- westbahn hat wegen Hohwassers den gesammten Verkehr zwischen Libock und Melnik, sowie zwishen Vysocan und Prag ein- gestellt. Die Donau steigt nochH immer langsam, doch ist bisher keine ernste Gefahr vorhanden, Freudenau ist bedroht; einzelne Häuser haben geräumt werden müssen.

7. September. Im Hauptstrome der Donau wurde bis Mittag

ein unbedeutendes Sinken des Wasserstandes beobachtet. Die Freudenau, wo sich der Rennplay befindet, if weit bis E BeE hinein übersGwemmt. Die für heute und morgen angeseßten erb trennen können in Folge dessen nicht stattfinden. M Bn Stein und Tulln wird Fallen der Donau ge- meldet.

Aus Prag unterm 6. September, Abends 11 Uhr 30 Minuten Na(hts: Die Gefahr i beseitigt; die Uebers{wemmungs- Kommissionen werden aufgelöst. Für morgen \teht die Wieder- aufnahme der Post- und Bahnverbindungen bevor.

Aus Freistadt unterm 7. September: Der gesammte Ver - kehr auf der Strecke Budweis—Gaisbah ijt wieder aufgenommen.

Swinemünde, 5. September. Die „Ostsee - Ztg.“ schreibt: Der vom „Vulkan“ für den Norddeutschen Lloyd neuerbaute Schnell- dampfer „Spree“ ist nach glänzend vollendeter viertägiger Probe- fahrt soeben nach Swinemünde zurückgekehrt. Die ashine des Schiffes ist die größte, die nah dem dreifachen Expansionssystem bisher überhaupt erbaut wurde, und indizirt dreizehntausend Pferde- kräfte. „Schiff und Maschine haben durch musterhafte Ausführung allen Erwartungen durchaus entsprochen, und der Dampfer wurde noch auf See durch den Norddeutschen Lloyd vom „Vulkan“ über- nommen,

Kiel, 8, September. „W. T. B.“ meldet: Ein Seegelboot mit 6 Insassen keaterte gestern Nachmittag bei Friedrihtort. Von den sechs Insassen sind drei ertrunken.

Köln, 8. September. „W. T. B.“ meldet: Die große Maschinenhalle der hiesigen Kriegskunstausstellung ift in der vergangenen Nacht abgebrannt. Von den sonstigen Gebäuden der Ausstellung ist nichts beschädigt.

Prag. Ueber die eingestürzte Karlsbrücke (s. „Ueber- \{wemmungen“) schreibt die „Frkf. Ztg. *: Den Grundstein zu diesem 500 m langen und über 10 m breiten Brücken- bau hatte Kaiser - Karl IV. im Jahre 1358 gelegt, doch wurde die Brücke erst unter dessen Nachfolger König Wenzel IF. vollendet. Die Brücke, von der man einen herrlihen Ausblick auf den Hradschin, die Altstadt, den Lauf der Moldau und die Inseln derselben hat, ruht auf 17 mähtigen Pfeilern, deren Festigkeit si in den Kriegsjahren 1648 und 1744 erprobte, als einer von diesen Pfeilern der Kriegsgefahr wegen gesprengt werden sollte, jedo allen Anstrengungen der Zerstôörer widerstand. Bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts befand sich auf der Brücke nur ein Kruzifix, seither wurde jeder Pfeiler auf beiden Seiten der Brücke mit einer Heiligenstatue oder mit einer ganzen Gruppe von Statuen geziert, die in den ersten zwei Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts aufgestellt wurden, sodaß die Karlsbrücke seit der Zeit für das böhmische Volk eine wahre Heiligengalerie bildet ; in den leuten Jahren wurden mehrere dieser Statuen durch neue erseßt. en ersten Plaß unter allen dreißig Statuen nahm jene des heiligen Johann von Nepomuk ein, vor welcher alljährlich in der Johannifestwoche zahlreich besuhte Andachten stattfanden, bei wel§er Gelegenheit die Statue mit einer hölzernen Kapelle umgeben und dur aht Abende mit zabllosen Lämpchen erleuhtet wurde. Von der linken Seite der Brücke führt eine Doppelstiege auf die Insel Kampa, deren Uferpfeiler mit einer alterthümlihen Rolandsäule (vom Volk Brunswikstatue genannt) geschmückt war, die im Jahre 1884 dur eine von Bildhauer Schimek gefertigte neue Statue erseßt wurde. Schöne Thürme zu beiden Seiten der Brücke vervollständigen den malerishen Anblick dieses Bauwerks, dessen Wiederherstellung man wohl sogleih nach Ablauf der Fluthen in Angriff nehmen kvird.

La Rowelle. Ueber die in Nr. 215 des „R. u. St -A.* ge- meldete furchtbare Dynamit-Erxplosion bei Rochelle wird

laut Mittheilung des „Dtsch. Tagektl.“ berihtet: Der erst vor Kurzem eingeweihte Hafen von Pallice bei Rohelle war am Freitag der Schauplaß eines entseßlihen Unglücsfalles. Ein englischer Unternehmer war beauftragt, die leßten Reste des Dammes, welhe den Hafeneingang noh versperrten, zu vernihten. Hierzu sollten hundert Kilogramm ODvnamit verwendet werden, welche in der Nähe der Hafeneinfahrt lagerten. Durch die Unvorsichtigkeit eines Arbeiters explodirte dort eine der Patronen, wodur die Explosion der ganzen Dynamitmenge herbeigeführt wurde. Die Wirkung war eine entseglihe: sieben Arbeiter wurden bubstäblih in Stücke gerissen, während eine lade Ua anderer Arbeiter theils s{wer, theils leiht verwundet worden ift,

Athen. Von einer großen Gefahr, in welcher re Majestät die Kaiserin Friedrih am Tage vor ihrer Mere von Athen si mitsammt der Königlichen Familie befunden hat, wifsen jeßt naSträglich die griechis{hen Blätter Folgendes zu berihten: Nach der Besichtigung des in Piräus ankernden Geshwaders waren die hohen Herrschaften na dem Phaleron gedampft, woselbst die Kaiserin Friedrich im Hause des deutshen General-Konsuls, Hrn. Lüders, die Abschiedsbesuche einiger Damen empfing. Nach der Beendi ung des Empfanges traten die Herrschaften in einem Sonderzuge die Rück- reise nach Athen an, um sich von dort nah Tatoi zurüczubegeben. Die Bahn von Phaleron nach Athen wird außer den gewöhnlichen Zügen der Strecke Piräus—Phaleron—Athen auch von einer soge- nannten Dampfstraßenbahn befahren. Gerade von der Königlichen Familie wird diefe leßtere mit Vorliebe benußt, weil sie unmittelbar am Königlichen Palais einmündet, während der Bahnhof der Lokomotivbahn eine große Strecke vom Schloß entfernt liegt. Die Königliche Familie benußte an jenem Tage auch für jene Dampf- straßeneisenbahn einen Salonwagen, und in diesem fuhr- fie an jenem Tage na der Hauptstadt zurück. E83 war bereits Abend geworden, als das Abfahrtssianal ertönte. Plößlih wurden die hohen Reisenden dur das schrille Pfeifen der Maschine erschreckt und glei darauf hielt der Zug. Der König sprang heraus, um zu hören, was das Halten zu bedeuten habe, Da sah er denn auf demselben G e- leise, nur eine ganz geringe Strecke von feinem Zuge entfernt, einen andern Train balten. Durch irgend ein Versehen hatte man das Ge- leise nit für den Königlichen Zug frei gelassen, und so kam demselben von Athen aus ein anderer entgegen. Der Lokomotivführer des Extra- trains erkannte erst im leßten Augenblick die ungeheure Gefahr, da eine Kurve den entgegenbraufenden Zug verdeckt gehalten hatte. Der Masciaist verlor jedo nit die Écifiesgegemvart, er gab das War- nungésignal, welches glückliherweise den andern Maschinisten au zu sofortigem Bremsen veranlaßte, und unmittelbar vor einander kamen die beiden Züge zum Stehen. Der König hat dem Maschinisten dankend die Hand gereiht und ihm in Athen ein namhaftes Geld- geschenk auszahlen lassen.

New-York, 5. September. Der „Vof. Ztg. * wird telegrapbirt : Unweit Albany entgleisten gestern Äbeat 2 Shla es des nah Montreal fahrenden Schnellzuges und ftürzten in den längs des Geleises hin laufenden Graben. Gleihwohl wurden nur drei Personen verleyt. Der Unfall ist die Folge einer Frevel - that. Ueber das Geleise war eine Schiene gelegt worden. Die Verwaltung der New-Yorker Centralbahn seßte eine Belohnung von 5000 Dollars auf die Ergreifung der Thäter aus, die, wie man ver-

muthet, ausständige Bedienstete der Eisenbahn sind.