1890 / 225 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 Sep 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Der seit etwa Jahresfrist währende Umbau des Univer- sitätsgebäudes ist nun soweit gedieben, daß mit Beginn des Winter-Semesters der östlihe Flügel des Gebäudes der Benußung übergeben werden fann. In die Parterreräume dieses Flügels sind alle-Geschäftsräume und Verwaltungsbureaus der Univerfität, der Quästur, Registratur, Kasse, die Ve:rsammlungéräume der Universitätslehrer, Sprechzimmer des Rektors und der Dekane 2c. verlegt, während in der ersten und zweiten Etage, in denen früher wissenschaftlide Sammlungen untergebracht waren, neue Hörsäâle geschaffen sind. Die Ausftattung der leßteren wird, der „Nat -Ztg.* zufolge, geradezu eine komfortable; insbesondere sind an Stelle der bisher üblih gewesenen engen Bänke nea konftruirte Sub- sellien mit Klappsißen und kleinen Schreibtishchen getreten, welche nach und nach auc in den anderen Auditorien eingeführt werden sollen. Die im Mitteltcakte des Gebäudes liegende Säulen- balle, wel&e zum Aufenthalt der Studirenden in den Pau'en dient, sich aber längst als zu klein erwiesen hat, ist durch Be- seitigung zweier Auditorien um mehr als das Doppelte vergrößert worden und bildet nun von der Lindenfront bis zum Kastanienwäldchen einen einzigen gewaltigen Raum. An Stelle des niedergelegten kleinen Seitengebäudes an der Universitätsftraße wird ein Maschinenhaus zur Aufnahme der maschinellen Einrichtungen für die Centralbeizung ‘erbaut. Der Umbau des westlichen Flügels der Universität wird im Winter in Angriff genommen werden. Die Dauer des ganzen Umbaues sollte noch das Jahr 1891 in Anspruch nehmen, nah dem gegenwärtigen Stande der Arbeiten hofft man jedoch schon bis Mai 1891 fertig zu werden. Alsdann foll die ganze Fassade des stattliben Gebäudes renovirt werden, so daß das ehemalige Prinz Heinrich- Palais, das nah den Angaben Friedri des Großen dur den Holländer Iohann Beumann und sväter dur den Baumeister Hildebrandt in den Jahren 1754 bis 1764 erbaut wurde, sich in einem völlig neuen Gewande

präsentiren wird.

Im Monat Juli sind in Berlin 343 Proben vonNahrung®- und Genußmitteln zur Untersuchung gelangt, die in 52 Fällen zu Beanstandungen geführt hat. Diese betrafen Olivenöl, Pfeffer, Macisblüthe, Ingwer, Cassia, Gries, Chokolade, Essig, Himbeerliqueur, Selterwaffer, Rum, Pfíffer- gurfen, amerifanishe Scbeibenäpfel und Wein. Besondere Erwähnung verdient im Vergleich zu dem vormonatlichen Befund, daß unter den 50 zur Untersuhung gelangten Butterproben nit eine einzige si als verfälsht oder der Verfälshung verdächtig erw iesen bat. Au die Schmalzproben waren rein. Die Milchproben ent- sprachen sämmtlih den Forderungen der Polizei-Verordnung. Sehr reihlich sind die Grieëproben als unrein und mehr oder weniger stark verdorben befunden worden. Sie enthielten zum T heil febr erheblich Milben?oth und es wimmelten cinige der Proben von Meblmilben.

grüne

Ein prachtvolles Panoramabild prangt seit einigen Taaen an den Anschlaesäulen und erreat die Aufmerksamkcit der Pafssanten in außergewöhnliwer Weise. Dasselbe stellt zwei hervor- ragend merkwürdige Gruppen aus dem Kolofsal-Rundgemälde des National -Panoramas in der Herwarthstraße 4 aus dem Siegeseinzuge des römishen Imperators Constantin dar und zwar einerseits den ruhmgekrönten, mit dem Lorbeer ges{mückten Câä- faren in der mit vier berrlihen Schimmelhengsten bespannten gol- denen Qvadriga, und zweitens eine Gruppe geharnishter, helm- geschmückter römischer Tuba- und Posaunenbläser —- richtiger gesagt Militärmusiker —, welche von einer Mauerzinne herab dem in das ewige Rom einziehenden siegreihen Feldherrn und Kaiser Triumpbfanfaren entgegenschmettern. Interessant ist bei diefen Bläfern, deren Armatur der Maler mit bistorisher Treue wiedergegeben, daß die Rofßhaar- büsche auf ihren Helmen die rothe Farbe zeigen, wie es noch keut zu Taae in der preußishen Armee der Brauch ist. Sr. Majestät

dem Kaiser fiel diese Analogie zwishen den römischen Kriegern aus /

dem vierten Jahrhundert und den modernen preußishen Truppen glei beim ersten Besuche des Panoramas in die Augen.

Theodor Fontane, der treflihe Sänger und Pfadfinder der märkishen Heimath, ist jeßt in einer Straße in nähster Näbe von Berlin verewigt worden. Die neue Straße in Stegliß, die mit der Eisenbahn parallel in der Richtung nach Zeblendorf führt, hat, wie die „Nat.-Ztg.“ mittheilt, den Namen Fontanestraße erhalten.

Einer kürzli veröffentliGten Statifik entnimmt die „Voff. Zig. daß Berlin im Jahre 1889 2692 471 þ1 Bier getrunken hat. Die Einwobnerzahl Berlins beträgt rund 1550 000 Köpfe, sodaß mithin auf jeden Kopf fürs Iahr 12 hl Bier kommt, oder 150 1, was etwa ‘/10 1 Bier für den Tag betragen würde. In München fommen auf jeden Einwohner tägli etwa 2,4 l

Ueberschwemmungen.

Dem „Dr. Journ.“ wird unterm 14. September aus Böhmen geschrieben: Schrecklich verwüstet sind die Uferfelder und Wiesen an der Elbe, Moldau, und stellenweis auch an der Eger. Der Druck des Wassers hat in den Obftplantagen, deren Blüthenprabt in jedem Frübjabr das Auge des Reisenden erfreut, arg gehaust. Viele Bäume sind entwurzelt, viele andere sind von herangetriebenen Hölzern und Fahrzeugen |chwer beschädigt und angesplittet. Die Kartoffel- und Rüben- felder sind zerrissen, vershiammt, und wie niedergetreten sehen auch die Heu- und Gemüsfegärten der kleineren Leute aus. Oft kann man ni&t erkennen, was auf dem versandeten und dur das Waffer ein- geebneten Boden überhaupt gestanden hat. Das Flahland am Fuß des böhmishen Mittelgebirges gleiht heute noch einer Reibe großer Seen, so langsam verläuft si das Wasser und noch ift der Verkehr zwishen einzelnen Nachbardörfern auf weite Umwege gewiesen. Die Mauera der inundirt gewesenen Gebäude triefen noch vor Feuchtigkeit, ein großer Theil der Wohnräume ift natürli durchaus unbewohnbar und wotenlanger trockener und warmer Witterung wird es bedürfen, ehe dieselben obne Gcfakbr für die Ges: ndheit bewohnt werden können. Die Verluste an Kleinvich und Wild sind fehr bedeutend; das Wasser ist so plöglih gekommen, daß häufig an ein Retten gar nit zu derken war und die Menschen froh sein mußten, wenn sie si selbst noch in Sicherheit bringen konnten. So war beispielsweise eine in der Näbe der Landwehrkaserne bei Leitmeriß übende Abtheilung von Landwehrleuten derart vom Hohwasser überrascht worden, daß sie hatte \{leunigst und auf großen Umwegen das Feld räumen müssen,

Aus Pest, 16. September, schreibt die „Wien. Abtp “: Der Wasserstand vermindert sih fortwährend. Seit gestern beträgt die Abnahme s ecm. i:

„W. T. B.“ meldet aus Sofia, 17. September: Der Bab n- verkebr mit Konstantinopel ist seit gestern Abend in Folge der du fünftägige Regengüsse hervorgerufenen Ueberf chwem- mungen zwisden Hermarli und Adrianopel unterbrochen. Der zwisGen Sofia und Korstantinopel laufcnde Postzug mußte gestern nach Tirnowa zurückehren.

Saarbrüdcken, 16. September. Uber das in Nr. 223 d. Bl. gemeldete Grubenunglück auf Zeche Maybach schreibt man der „Germania“: Das Unglück geschah auf der sogenannten Wetter- sohle, wo dieser Tage nur 26 Leute arbeiteten. Die übrigen, noch ca. 570 Leute, welche si ebenfalls in der Gruke befanven, konnten gerettet werden. Wie in ähnliden Fällen, so zeigte sich au bier der Muth und die Unershrockenheit der Bergleute zur Rettung ihrer Kameraden im glänzendsten Lichte; auch das Beamtenversonal war zahlrei vertreten und theilte in der aufopferndsten Weise die Ge- fahren und Mühen der Rettungsmannschaften ; Aerzte waren sowohl von Sriedrichstbal als Sulzbah herbeigeeilt. Natürlih umringte und füllte den Plaß auch eine zahlreih hberbeigestrôömte Menschenmerge, werunter besonders tas Weinen und S(luchzen Derjenigen ergreifend war, die einen Angehörigen in der Arbeit wußten oder bereits von einer Trauerbotschaît ereilt wurden. Alle 10—15 Minuten sahen wir Rettungsmannschaften den Schacht binabsteigen, die dann nah furzer Ärbeit von den giftigen Swaden überrascht, wie todt ans Tagesli@t gefördert wurden, um durch falte Doue, Bäder und andere ärztlihe Orerationen zu Athmung und Bewußtsein gebracht zu werden. Wie wir von einem Augenzeugen erfahren, lag au Direktor Stapenhorst bewußiles in der St1ecke und wurde durch Hrn. Bergrath Kreuser zu Tage gebracht, wo er \sich bald wieder erbolte und seine weiteren Anordnungen traf. Auch Hr. Bergrath Kreuser ist bei seinen Rettungsarbeiten von mehrmaliger Dhnmact beimgesut worden. Die Arbeiten dauerten die ganze;Nacht hindur ; sämmtliche Todte sind in einem nahe gelegenen Schuppen niedergelegt. Au die fkatholishe Geistli(keit der umliegenden Pfarreien war zur Stelle, um nöthigenfalls einem Sterbenden die Sterbe- sakramente spenden zu können. So bot die traurige Katastrophe anderersei!s das erhebende Bild der aligemeinen Theilnahme und auf- opferungsvollster Hülfeleistung. Die meisten lder Verunglüdckten find

verheirathet. Unter den Verunglückten befinden sich zwei Brüder Klein von Altenwald ferner zwei Brüder Ba s derselben ist Wittwe und verlor hon früher durch ein Gene ihren Mann. Sämmtliche Todte waren total verbrannt und gl nur mebr Sfeletten. Die Gerichtépersonen begaben \sich heute früh an die Unglüsftätte.

Bauer aus Holz, die Mutter hen

Die „Saarbr. Ztg.“ \s{reibt: „Ueber die Ursahe der Schlag-

wetterentzündung laufen die vershiedentlihsten Gerüchte um; aller Wahrs\cheinlibkeit nach ist dieselbe dadurch hervorgerufen worden, daß durch einen Sprengschuß eine mit Schwefelwasserstoffgas ges{chwängerte Kluft aufgeschossen und entzündet wurde, wobei, wie allgemein ange- nommen wird, die Wirkung durch Entzündung von Kohlenstaub noch beträhtlich vermehrt wurde.“

Hadersleben, 5. Sécptember. Bei der in Nr. 224 des

„R.- u. St.-A.* gemeldeten Enthüllung des Denkmals für Kaiser Wilhelm I wurde von den versammelten Festtheilnehmern aus Stz:dt und Land Se. Majestät den Kaiser abgesandt. mittags traf, der c Telegramm ein: „Breslau, den 13. Scptember 1890. Se. Majestät der Kaiser und König lassen der gestern zur Enthüllung eines Denk- mals für Se. Majestät den bochseligen Kaiser Wilhelm I. versammelt gewesenen Festversammlung für das telegraphische Gelübde unver- brüchliwer Treue und Anhänglichkeit herziib danken und beauftragen Sie, dieses den Festtheilnehmern bekannt zu machen. höchsten Auftrag der Geheime Kabine1s-Rath von Lucanus.“

ein Ergebenheits-Telegramm an Schon am 13. Nal- ‘olgendes Antwort-

„Kiel. Zta.“ zufolge,

Im Aller-

reichischen /‘ Rudolph“ ist die Reparatur beendet; erste Probefahrt gemacht.

Yah Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Kiel, 18. September. (W. T. B.) An dem öster- Panzershiff „Kronprinz Erzherzog es hat heute seine

München, 18. September. (W. T. B.) Das Ge- meindekollegium beschloß heute einstimmig, nohmals die Aufhebung der Vieh)perre zu fordern und gegen jene landwirthschaftlihen Vereine Stellung zu nehmen, welche die Sperre vertheidigen.

Mannheim, 18. September. (W. T. B.) Fn der heutigen Sißung des Gustav-Adolph- Vereins wurde nach dem Bericht des D. Hagemann (Halle) über die drei für die große Liebesgabe von rund 18000 f vorgeschlagenen Gemeinden Forchheim in Bayern, Ranischau in Galizien und Sierakowitz in Westpreußen in namentlicher Abstimmung der Betrag für Forchheim bestimmt. i

Dublin, 18. September. (W. T. B.) Die Depu- tirten William O'Brien und Dillon sind heute Morgen verhaftet und unter starker militärischer Eecorte na Tipperary abgeführt worden. Verhaftsbefehl e sind gleihzeitig gegen die Deputirien Patrick O'Brien, Sheehy, Condon und den Priester Homphreys erlassen. Die Ursache dieser unerwarteten Maßnahmen ist bis jeßt unbefannt ; man vermuthet, daß sie mit dem Versuch, den irishen Feldzugsplan in Tipperary aufrcehtzuerhalten, in Verbindung stehen. / e

Bern, 18. September. (W. T. B.) Der eidgenössische Kommissar im Kanton Tessin hat das an ihn gestellte Begehren Respini’'s und der anderen Staatsräthe auf Uebernahme der Regierung abgewiesen, bis der Bundesrath Entscheidung getroffen habe. Die Abge- wiesenen sind mit der Abfassung einer Deklaration beschäftigt.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

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Wetterbericht vom 18, September. Morgens 8 Uhr.

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Vebersit der Witterung.

Ein barometrisches Maximum über 775 mm liegt über dem Finnishen Busen, ein Minimum unter 754 mm westlih von Schotiland. Das ruhige, trockene, vorwiegend heitere, ziemlich kühle Wetter dauert in Central-Guropa fort. Die Temperatur sank in der Naht in Kaiserslautern und München auf + 5 Grad. Herrmannfstandt meldet + 3 Grad.

Deutsche Seewarte.

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märchen.

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Wildenbru(.

Eva.

3\Regen

Nitonche.

E Victoria-Theater. Freitag: Zum 25. Male: Die Million. 12 Bildern von Alex. Mos;kowski und Rich Nathanson. Musik vor C. A. Raida. Gredelue. Anfang 7# Ubr. Sonnabend : Dieselbe Vorstel ung.

Theater-Anzeigen.

Königlihe Schauspiele. Freitag: Opern- baus. 178. Vorftellung. Carmen. Oper in 4 Akten von Georges Bizet. Text von Henry Meilhac und Ludovic Haléry, nach eincr Novelle

des Prosper Mérimée. j Dirigent : Kapellmeister Kahl. Anfang 7 Uhr. Swauspielhaus. 3 von Mesfina, oder: Die feindlihen Brüder. Trauerspiel in 4 Aufzügen von Sciller. R gehörige

G E t Dopenbans. S Bocopaa: dun, äuser und der Sängerkrieg auf der ZWart- 1 Große romantische Oper in 3 Akten von E C Sa vas Musik von Offenba. In Scene geseßt vom Regisseur

Ricard Wagner. Dirigent: Hr. Kapellmeister Feder-

See Kammersängerin, als Gast.)

És Vi Lang, 10s. O Die Se ust\piel in ufzügen von Gustav C PEEB Freytag. Anfang 7 Uhr. Schwägteriu von Saragossa.

Deutsches Theater. Freitag: Das Winter-

Sonnabend: Zum erften Male: Die Hauben: lerhe. Schauspiel in 4 Aufzügen von Ernst von | Sardou.

Sonntag: Die Haubenlerche.

Berliner Theater. Freitag: 3. Abonnem.-Vorst,

| B | Sonnabend: Kean. j Sonntag: Nachmittags 3 Uhr: Die Räuber. Abends 74 Uhr: Eva.

| ftill|wolkenlos 8 OSO 2\wolkenlos 8 | Tessing - Theater. ) [— 16 | Gesicht. Lustspiel in 4 Akten von Oékar Blumen- gewöhnlih. Anfang 724 Uhr. j Sonnabend und folgende Tage: Madame Boni-

Anfang 7 Ubr. G vard. Guten Morgen, Herr Fischer!

Sonnabend : Das zweite Geficht.

Wallner-Theater. 3 der Aufführungen von Matnsell Nitouche. Vaude- ville in 3 Akten und 4 BViltern von H. Meilhac in 4 Akten von Léon und A. Millaud, Musik von M. Hervé. Anfang der Borfiellung 7{ Ukr.

Sonnabend und die folgenden Tage: Mamsell

Tanz von Paul Taglioni

Direktion: Julius Fritsche.

183. Vorstellung.

Die zur | Haßreiter und Gaul. aus Wien.

(Elisabeth: Frl. Malten, K.

Anfang Hrn. Binder. mann. Anfang 7 Uhr.

burg. Freitag:

burg. Anfang 7# Uhr.

Belle-Alliance-Theater.

Mars. E Guten Morgen,

Freitag: Das zweite | Musik von Ed. Stiegmann.

Freitag: Vorleßte Wo&e| Adolph Ernfst-Theater.

Ferron. Anfang 7

Thomas-Theater. Alte Modernes Ausftattungsfiück in

Wenzel Müller.

Friedrich - Wilhelmfstädtisches Theater. : / reitag: Die Braut | 33 Male mit durhaus neuer A ietagz Die | Sesffnet von 12—11 Uhr. O Vorstellung im PVuppenfee. Pantomimishes Divertissement .von wifsenschaftlihen Theater.

z A. Web Musik von Jos. Beyer. | iettel.

Musik von V. A. Weber. | Krrangirt von I, Haßreiter, K. K. Hofballetmeister | 1E Dirigent: Hr. Kavellmeifster „Knoll. Vorher: Neu in Scene gesezt: Die Schwäterin

Komische Operette in 2 Akten O | n carl Treumann. | Verlobt: Frl. Margarethe Knüppel mit Hrn.

Sonnabend: Die Puppenfee.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung. “D5S). / i 2 Ai

Hasemann. Freitag: Ensemble-Gastspiel der Mit- glieder des Wallner: Theaters: Madame Vouivard. Swmank in 3 Akten von Alex. Bisson und Antonie Deutsch V D err er! Burleske in 1 Akt nah Lockroy von W. Friedri. | Gestorben: Hr. Preise der Pläße wie

14. Male: Unsere Dou Juaus. Gesangeposse E Treptow. Couplets von

Gustav Görß. di és Franz Roth und Adolph g r. Sonnabend : Dieselbe Vorftellung.

Jakobstraße 2830. Freitag: Zum 14. Male: Der Alpenkönig und , | der Menschenfeind. Romantishes Volksmärchen Ballet von | in 3 Akten von Lervinaun Raimund. Musik von nfang 7¿ Ubr. Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Urania, Anftalt für volksthümlihe Naturkunde. Zum | Am Landes-Ausftellungs - Park (Lehrter Bahnhof).

äbeces die Anschlag-

Familien-Nachrichten.

Königl. Reg.-Baumeister A. Reiß?z (Magdeburg). Frl. Adele Harf mit Hrn. Charles Weerts (M.-Gladbach— Tilbura). Frl. Mathilde Lors- bach mit Hrn. Ger.-Afsessor Hans Blome (Lipp- stadt—Verden). Frl. Hedwig Dammann mit Hrn. Gymnasiallehrer Richard Zehender (Halle a. S —Hagen, Westpr.). Frl. Agnes Bernick mit Hrn. Franz GBuerlin (Berln).

Vorher: Die

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten- | Vereheli cht: Hr. Stadtrath August Kalkow mit

Zum 7. Male: , Pariser Sittenbild in 4 Aufzügen von Victorien In Scene geseßt von Sigmund Lauten-

Frl. Emma Hupe (Magdeburg). Hr. Heinrih Schwarz mit Frl. Toni Rahn (Königsberg). Hr. Ober-Stabsarzt Dr. Schulze mit Frl. Eli- sabeth Keil (Saargemünd, Lothr.—Königshütte

Paul Noack

Hrn. D. Dräger (Nienburg a. d. Weser). Hrn. W. Ruser (Kiel). Hrn. C. Drescher (Breélau). Eine Tochter: Hrn. Prem.-Lieut. John Freyend (Goldap). g Amtsrichter Dr. Jonieng (Nicolai). Hrn. Prem -Lieut. Sommer (Gnesen), Hrn. Dr. med. Karl Roese (Hamburg). Hrn. Rechtsanwalt

Zdralek (Kupp). h

Königl. Kanzlei-Rath a. D. Rudolph Lingner (Schweidniß). Hr. Oskar Brandt (Singapore). Hr. Königl. Amtsgerichts- Rath a. D. Hermann Wahle (Zobten a. B.) Hr. Dr. Octavio Schröder Tochter Emmy (Ham- burg). Hr. Ockonomie-Rath Karl Anton Lebste (Wettmershaagen). Hr. Ämtshauptmann Wil- belm von Sprewiß (Neustadt). Hr. Königl. Zum | Rechnungs-Rath a. D. Wilbelm Bonneß (Berlin). Frau verw. Dr. Gertrud Brehmer, geb. Misch (Görbersdorf).

Ferréol.

Direktion: W.

Hierauf : Vaudeville-

Freitag :

Nedacteur: Dr. H. Klee.

Berlin: Verlag der Expedition (S ch0 lz). Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Vier Beilagen (eins{ließlich Börsen - Beilage),

Elberfeld und Frankfurt a. M.

Druck der Norddeutshen Buchdruckterei und Verlags-

und die Winter - Fahrpläne für die Bezirke der Königlichen Eiscubahn - Direktionen zu

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 229.

Berlin, Donnerstag, den 18. September

Umschau über die Ergebnisse der Naturforschung.

Auf der Versammlung der Gesellshaft deutsher Natur- orsher und Aerzte in Bremen hielt der Geheime Regierungs- ath Professor A. W. von Hofmann, wie bereits in r. . Bl. kurz erwähnt, am Montag, 15. September, einen Vortrag über „Einige Ergebnisse der Natur- forshung seit Begründun der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte“, den wir hier nach der „Weser-Zeitung“ in seinen Haupttheilen folgen lassen. Der Redner begann mit einem Rüdckblick auf die Astr onomie und führte in dieser Beziehung aus:

An die wunderbare Vervollkommnung der Teleskope und die mit ihrer Hülfe gelungene Bestimmung der Entfernung der Fixsterne durch Bessel und Struve, an die zahlreihen Expeditionen zur Beobachtung der Venusdurchgänge in den Jahren 1874 und 1882 Behufs genauerer Bestimmung der Sonnenentfernung will ich nur flüchtig erinnern. Bei einem Ergebniß der astronomishen Forschung, welches man faft ein Ereigniß nennen könnte, muß ich aber einen Augenblick verweilen. Diejenigen meiner Zubörer, welche das mittlere Alter überschritten haben, erinnern sich ohne Zweifel der lebhaften Theilnahme, mit welcher der Planet Neptun bei seiner Entdeckung begrüßt worden ist. Jn Folge von Unregelmäßigkeiten, welche man in den Bewegungen des Uranus beobattet hatte, waren Leverrier in Paris und Adams in Cambridge fast gleichzeitig veranlaßt worden, Babn und Mosse eines noch unbekannten Planeten zu be- rechnen, dem man die Störungen in der Bewegung des Uranus zuschreiben konnte. Am 23, September 1846 erhielt Galle, Obser- vator der Berliner Sternwarte, einen Brief Leverrier's, in welchem ihm der französische Astronom das Ergebniß seiner Rehnungen mit- theilte, und \chon in der darauf folgenden Nacht entdeckte Galle den allerdings {on von Manchem geahnten, aber erst von Leverrier mit Bestimmtheit angekündigten, die Sonne in weite#ter Entfernung um- kreisenden Planeten an der von seinem Errechner bezeihneten Stelle. Mit der Entdeckung des Neptuns hatte die Wissenschaft einen Triumph gefeiert, wie er ihr seit langer Zeit nicht beschieden gewesen war. Mit der Auffindung des Neptuns begann die überrashende Vervoll- \tändigung unserer Kenntniß derjenigen Gruppe von Planeten, von welcher hier in Bremen Olbers durch die Entdeckung der Pallas und der Vesta zwei nicht unwichtige Glieder kennen gelehrt hatte. Wenn die Entdeckung des Neptuns stets als eine der glänzendsten Errungenshaften des Zeitraumes, auf den wir hier zurüdblicken, gelten wird, so muß daran erinnert werden, daß die Astronomie des Unsichtbaren doch auch be- reits vor dieser Entdeckung witige Erfolge zu verzeihnen gehabt hat. Wir denken hier an die unsihtbaren Begleiter des Sirius und des Procyon, deren Kenntniß wir den letzten Arbeiten Bessel’s ver- danken. Ausgiebigste Verwerthung bundertjähriger Ortsbestimmungen für die sichtbaren Sterne hat es möglih gemacht, die Bahnen au ihrer unfichtbaren Begleiter mit großer Annäherung zu berechnen, und einer dieser Begleiter, der des Sirius, ist denn auch mit dem ersten der. neuen amerikanishen Riesenteleskope thatsächlih aufgefunden worden. Zu den größten Erfolgen, welche die moderne Wissenschaft zu verzeihnen hat, gehört Niemand wird es bezweifeln die Spektral-A naly se. Zunähst nur für die Erforshung der physikalishen Beschaffenbeit der Himmelskörper verwandt, hat fie sich in leßter Zeit mit der Photographie verbündet, um den Astronomen die Messung auch der Bewegung der Fixsterne zu geftatten.

Weiter führte der Redner aus:

Aber kehren wir aus den Regionen der Gestirne zu dem Planeten zurück, auf dem wir wohnen. Von besonderer Wichtigkeit für die Entwickelung der Geologie ift die Einführung der Mikroskopie in das Studium der Gefsteine gewesen. Der Geologe ist nit mehr aus\{ließlich auf die Ergebnisse der chemishen Analyse beschränkt, wenn er sich Aufschlüsse über die in die Zusammenseßung der Erd- kruste eintrctenden Mineralien vershafffen wil. Indem es gelang, aus diesen Körpern Platten zu \{hleifen, hinreihend dünn, um sie im durchfallenden Lichte beobachten zu können, war zu den bisherigen Beobachtungsmethoden eine neue hinzugetreten, welhe sich bald zu einer besonderen Disziplin, der Mikroskopie in ihrer An- wendung auf Petrographie, ausbilden follte. Als ein weiterer erbebliher Fortschritt muß die genauere Unter- suchung der geschichteten, versteinerungsführenden Gebirgsarten und ibres Seide Inhaltes bezeihnet werden. Lücken im paläon- tologishen System füllten ih mehr und mehr aus, theils dur die Entdeckung ganzer fossiler Faunen und Floren, theils durch die Auf- findurg wunderbarer Formen (wie die des Archaeopteryx z. B.), welche mancke s{heinbar weit auseinanderliegende Klafsen und Ordnungen von Thieren und somit auch die Erdschichten, in denen sie auftreten, in näheren Zusammenhang bringen. Unsere Kenntniß verschollener Thierformen hat bereits einen solchen Umfang und eine solche Sicher- beit gewonnen, daß die Geologen {hon jeßt durch das Studium einer kleinen Anzabl fossiler Thiere, die ihnen von irgend einem Theile der Erde zugehen, in der Regel im Stande sind, das relative Alter dieser Thiere und damit die Formation, der sie angehören, genau zu be- timmen, ein Triumph, defsen si die geologishe Forshung mit vollem Rechte rühmen darf.

Mit der Geologie in nächster Verbindung steht die Minera- logie. Die Mineralogie ift im Wesentlihen Physik und Chemie in ibrer Anwendung auf Erkenntniß der Mineralien. Um das Bild eines Minerals zu gewinnen, studiren wir seine physikalishen Eigén- schaften, Aggregatzustand, Krystallform, optisÞes Verhalten, Kobäsion, seine untersuhen wir seine chemishe Natur, d. b. wir bestimmen e

ine qualitative und quantitative Zusammenseßung. Jeder Fort- chritt auf mineralogishem Gebiet ist daher nur auf physikalishem oder chemishem Wege denkbar, ganz einerlei, ob er in einer \{ärferen Erkenntniß alter Mineralien oder in der Auffindung neuer besteht. Wenn wir heute die Krystallformen, die optishen Eigen- schaften einer großen Anzahl derselben weit besser kennen, als es gegen die Mitte des Jahrhunderts hin der Fall war, so verdanken wir dies einerseits den außerordentli verbesserten Meßapparaten, andererseits den neuen Beobachtungsmethoden, welche die Physiker ersonnen haben ; wenn heute die Zusammenseßung einer ganzen Reihe von Mineralien mit größerex Sicherheit ermittelt ist, so sind es wieder die uns gegen- wärtig zur Verfügung stehenden vollkommeneren Hülfsmittel der chemishen Analyse gewesen, deren Anwendung die Vertiefung und Erweiterung unserer Kenntnisse ermögliht hat. Weichen Ansehens ch gerade die Bundesgenossenschaft der hemishen Forshung in den ugen der Minerclogen erfreut, wird unzweideutig dur die That- sahe bekundet, daß ihren modernen Klassifikationsbestrebungen fast au8nahmslos die chemishe Mem en enun zu Grunde liegt. Auch ist sich die Mineralogie der Dienste wohlbewußt, welche die chemishe Analyse, insbesondere während der leßten Jahre, für die Erkenntniß zahlreiher, zumal bei genauerer Durchsuhung der norwegishen und nordamerikanischen Gebirge aufgefundener neuer Mineralien ge- leistet hat. Allerdings haben sich fsol%e Dienstleistungen auh für die Aufgaben der Chemie in hohem Grade fruchtbringend erwiesen, insofern sie eine Reihe neuer Elemente zu Tage gefördert haben, deren Studium vielleicht Aufsc{lüsse über die Natur der Elemente im Allgemeinen verspricht. Im Hinblick gerade auf die leßtgenannten Erfolge kann es in der That uveifelbaft ersheinen, ob wir hier niht eher einem Fortschritt

auf chemischem als auf mineralogischem Gebiete gegenüberstehen. Ganz dieselbe Frage aber drängt sich auch einer aae en, [Gali gegenüber auf. Der Analyse der Mineralien ift in der großen

ehrzahl der Fälle die Synthese derselben auf dem Fuße gefolgt. Unmittelbar nah Gründung der Gesellshaft gelang es Mitscherlih, den Augit und den Olivin künstlich zu erzeugen. Seitdem sind fast sämmtliche in der Kruste unseres Planeten von den Mineralogen aufgefundenen Verbindungen auch aus dem Schmelztiegel des Chemikers hervorgegangen. Diese künstliße Bildung von Mineralien hatte bisher aus\{ließlich ein wissenschaftlihes Interesse beansprucht; neuerdings aber fangen diese synthetishen Ergebnisse an, auch eine praktische Bedeutung zu gewinnen. Allbekannt iît der prachtvolle Schmuckstein, welchen die Juweliere mit dem Namen Rubin bezeihnen. Die Zusammensetzung des Rubins war von den Chemikern seit langer Zeit festgestellt. Seit Jahresfrist aber läßt fi dieser Edelstein dur einen chemishen Prozeß in Krystallen er- balten, welche von den in der Natur vorkommenden nicht zu unter- heiden sind. Jn den Werkstätten der Juweliere ist der künstliche

ubin mit dem natürlichen allerdings noch nit in Wettbewerb ge- treten; allein meine verehrten Zuhörerinnen wird es interessiren, - zu erfahren, daß Hr. Frémy, dem wir diese Errungenschaft danken, seiner Gattin aus fünstlihen Rubinen einen Schmuck hat anfertigen lassen, dessen Scönheit nichts za wünschen übrig läßt.

_Die Botanik unv Zoologie sind durh die Ausbildung der Mikroskopie in überrashende Bahnen gedrängt und von Erfolg zu Erfolg gekommen. Die Zellenlehre. so führt der Redner aus, ift ganz eigentli der deutschen Wissenschaft entsprossen. Sie wurde in dem zweiten Jahrzehnt des Bestehens unserer Gesellshaft für die Pflanze von Stleiden, für das Thier von Shwann entwickelt. Auf erstgenanntem Gebiet ist sie später von Pringsheim in seinem Werke: eGrundlinien einer Theorie der Pflanzenzelle“ mit größtem Erfolge weiter ausgebaut worden. Nun sind allerdings anatomishe und histologishe Untersuhungen der Gewächse auch [bun vor Aufstellung der Zellenlebre, ja selbst {on vor Einführung ahromatisher Objektive in die mikroskopishe Beobachtung ausgeführt worden; allein ein befriedigender Einblick in den Bau und die histologishe Gliederung der Pflanzen war do nit denkbar, fo lange man das Elementarorgan nit kannte, welches in diesem Organismen eine so wichtige Rolle spielt, und so lange die mikroskopishe Technik niht, wie dies heute der Fall zu sein scheint, die äußerste Grenze der optishen Wahrnehmung erreicht hatte. Erst mit der Zelltheorie als Wegweiserin, erst dur die Wunderleistungen der modernen Optik geshärft, vermochte das Auge des anatomishen Forshers bis in die verborgendsten Vorgänge des Pflanzenwahsthums einzudringen und die vershiedenen Entwicke- [ungéstufen desselben klarzulegen. Die so gewonnene Erkenntniß ist aber au eine nabezu erschôpfende gewesen. Wir wissen heute, wie das Baumaterial des Pflanzenorganismus die Zelle gebildet wird, wie sie wäbst und sih vermehrt. Wir kennen die Prozesse, in denen nach bestimmten Theilungsregeln Gewebe entstehen, wie diese Urgewebe durch Wachsthum, Struktur- und Formveränderung in Gewebe höherer Ordnung übergehen, bis nach und nah die Gestalt des Pflanzenkörpers in die Erscheinung tritt. An der Hand des anatomischen Forshers sind wir, Schritt für Schritt, in den Bau dieses Pflanzenkörpers. eingetreten, seine Architektur ist freigelegt, wir finden uns in demselben zurecht wie im eigenen Hause, dessen An- ordnung wir kennen, das wir vor unseren Augen Stein um Stein sich haben erheben sehen. Aber \{hon begnügt \ih die Pangdatemie nicht mehr mit der Lösung der rein morphologischen [ufgabe, die sie sich ursprünglich gestellt hatte; sie will sih beute zu einer Physiologie der Gewebe gestalten. Jm Anlauf auf ein solches Ziel werden Physik und Chemie mit ihren reihen Hülfsmiiteln als Bundesgenossen angerufen. Bereits sind auc in dieser neuen Richtung, welche die Forschung einges{lagen hat, niht unerhebliche Ergebnisse zu verzeichnen, insofern man aus Inhalt, Struktur und Anordnung Andeutungen über die eigenthümlichen pbysiologishen Funktionen der verschiedenen Gewebesysteme gewonnen hat. So ift denn das Gebäude der Pflanzenanatomie weit über die Dimensionen hinausgewahsen, die ihm zunächst bestimmt schienen, und in dem Umfang desfelben, in dem Reichthum seines Inhalts und der Vollendung seiner Theile würde si die erste Anlage aus dem 17. Jahrhundert, aus den Zeiten von Malpighi und Grew, den Begründêrn der Pflanzenanatomie, kaum mehr erkennen laffen.

Ein Ergebniß von allgemeinfier Bedeutung, welches die Biologie der Entwickelung der Zellenlehre verdankt, ist endlich der Nachweis der Gleihwerthigkeit des Protoplaëmas in den vegetabilishen Zellen mit der sogenannten kontraftilen Substanz, welhe in den Infusorien auftritt. Da diese beiden Materien die Träger der Lebensfunktionen, die eine in der Pflanze, die andere in dem niederen, Thier, darstellen, so erblickt man in der Uebereinstimmung der ana- tomishen Substrate der pbysiologishen Thätigkeiten, wie dies {on oben angedeutet worden ift, Anhaltspunkte für die Annahme eines der Pflanze und dem Thiere gemeinsamen Stammbaues. Auf das Licht, welches die mikroikopishe Forschung über das Gebiet der Kryptogamenkunde ausgegofsen hat, ist ebenfalls bereits hingewiesen worden, aber die der Lösung des kryptogamischen Räthsels gewidmeten Bestrebungen, welche währer.d des in den Rahmen unserer Betrachtung fallenden Zeitraums mehr als ein Menschenalter lang in dem Mittelpunkt der wissenschaftlichen Bewegung in der Botanik

gestanden haben, sind so erfolgreih gewesen und haben zumal auch auf

den Entwickelungsgang der Anatowie und Morphologie der Pflanzen einen so tiefgreifenden Einfluß geübt, daß wir noch einen Augenblick bei ibnen verweilen müssen.

Bei unserem Eintritt in den Neubau der AUPIOga me Rade, auf

dessen Schwelle Pringsheim's Versuhe über Algenbefruhtung und Algenkeimung die Blicke fesseln, erkennen wir sofort, daß hier nicht eine Erweiterung, sondern eine völlige Umgestaltung des Vorhandenen stattgefunden hat. Mit der Entdeckung der Sexualität der Krypto- gamen war die Kluft zwischen geshlechtlichen und vermeintlich un- eschlechtlihen Wesen überbrückt; was in der Wissenschaft ange als Dogma gegolten hatte, war ein überwundener Standpunkt geworden. Dem beutigen Forscher ist Sexualität Grund- bedingung des organischen Lebens. Das Mikroskop hat sie bis in die untersten organischen Kreise verfolgt und gezeigt, daß felbst die bistologishen Geshlehtselemente, welhe bei dem Thiere beobachtet werden, in der Pflanze wiederkehren. Wir wissen heute, daß ter Zeugungsvorgang in der ganzen organi)chen Natur ein pes artig verlaufender ift, daß sich die beiden charakteristishen Geshlechts- elemente, Samenkörper und Ei, bei den höchsten thierishen Wesen und bei den niedrigsten pflanzlihen Organismen in gleiher Weise wiederfinden. So hat denn auch die Forshung auf kryptogamischem Gebiet durch Feststellung der sfexuellen Uebereinstimmung im ganzen Bereich der organishen Schöpfung niht wenig dazu beigetragen, der Auffassung eines gemeinsamen Ursprungs der animalischen und vegeta- bilishen Natur Vorschub zu leisten,

Zu derselben Erkenntniß führen aber au die Untersuchungen in anderen Zweigen der Kryptogamenkunde. Die glänzende Entdeckung des Generationswechsels der Moose und Farne dur Hofmeister, die fih daran anschließenden umfassenden Beobachtungen im Bereich der Embryogenie der Gymnospermen, die Auffindung der Symbiosfe bei den Flehten dur de Bary und S{wendener, die lückenlose Dar- legung endlich einer vollständigen Reihe von Entwickelungsstufen, von Zelle zu Zelle, vom Ei bis wieder, zum Ei welche dem aus- dauernden Studium des Lebensprozesses der Algen und Pilze gelungen

1890.

ist, alle diese UntersuGungen haben den Entwickelungsplan im Bau und in der Organisation der Pflanzen in den verschiedensten Abthei- lungen des Gewäwsreichs klargelegt und die verwandts{aftlihen Be- ziehungen zu dem Entwickelungsplan der Thiere aufgebellt.

Daß im Verfolg der Morphologie und Biologie der Name Charles Darwin’s glänzend hervortritt, bedarf kaum einer

Erwähnung. Zur Physiologie übergebend, führt der Redner aus: Im Jahre 1836 theilte. S{wann der Versammlung unserer Gesellschaft, welhe damals in Jena tagte, einen hotinteressanten Versuch mit. Er hatte gefunden, daß Fleis, welches in einem ge- wöhnlichen Luftstrom hon nach kurzer Zeit in Fäulniß übergeht, fh wowenlang unverändert erhält, wenn der Luftstrom, ehe er mit dem Fleisch in Berührung kommt, dur ein glühendes Rohr gestrichen ift.

Fast gleichzeitig zeigte Franz Schulze, daß man zu äbnlihen Ergeb- nissen gelangt, wenn man die Luft, ftatt durch ein glühendes Rohr, durch konzentrirte Schwefelsäure leitet. Die Schlußfolgerung, zu welcher diese Versuche führten, war eine fehr einfahe. Das Fleish geht nicht von selbst in Fäulniß über. Die Fäulniß wird dur die Keime von Organismen bedingt, welche aus der Luft hinzutreten und durch Glühb- bige oder Schwefelsäure vernihtet werden können. Was aber für die ai galt, das mußte si für zahlreiche ähnlihe Prozesse bewahr-

eiten. Die Weingährung insbesondere wurde von Shwann und Cagniard-Latour als die Wirkung einer Alge, des heute so gründlih erforschten Hefepilzes, erkannt. Die Versuche von Schwann und Schulze, welche ursprünglih nur den Zweck hatten, die Unhaltbarkeit der Annahme einer Urzeugung darzuthun, follten {on bald den Anftoß zu einer Reihe höchst wichtiger Forshungen auf medizinishem Gebiet geben. Schon wenige Jahre später (1840) spra mag mit erneuter Zuversicht die Ansiht aus, daß bei der Entstehung und Uebertragung von Infektionskrankheiten die Keime ähnlider, in Luft und Wasser verbreiteter Mikroorganiëmen eine Rolle spielen. Das Contagium animatum der alten Aerzte war plößlih wieder zu Ehren gekommen. :

_Es fkann- meine Aufgabe nicht sein, Sthritt für Schritt den vielverschlungenen Forschungen zu folgen, welhe der Anfanas un- beachtet gebliebenen, später mit Hartnäigkeit bekämpften Ansicht von Henle \{ließlich einen sicheren Boden gewonnen haben. Mättigen Vorschub haben derselben zumal die wichtigen Untersuchungen Pasteur’'s geleistet, welche die den verschiedenen Gährungs- prozeffen zu Grunde liegenden Mikroorganismen zu unter- \{eiden gelehrt haben. Die der jüngsten Vergangenheit an- gehörigen epochemahenden Arbeiten von Robert Koch sind noh fris in Aller Erinnerung. Es find zumal die Untersuchungen Koch's und seiner Mitarbeiter, wel&e nicht nur den unwiderleglihen Beweis geführt haben, daß Infektionskrankheiten durch Mifkro- organi2men wirklich übertragen werden können, sondern auch im Standé gewesen sind, die einzelnen in diesen Krankheiten auftretenden Bakterien in bestimmter Weise zu carakterisiren. Nach einander ersheinen der Bacillus von Milzbrand, Febris recurrens, Tuberkulose, Roß, Typhus und Diphtherie auf der Bildflähe, bis wir endlih dem bôdhsten Triumph der bakteriologishen Forschung, dem Komma- bacillus der Cholera, gegenüberstehen.

_Die Bakteriologie hat, wie jede neue Wissenschaft, eine Reihe von Entwickelungsphasen dur(laufen, Die lange Zeit streitige Frage, ob unter vershiedenen Bedingungen auftretende Bakterien, wie die höheren pflanzlichen Organismen, bestimmte, unveränderlihe Arten darstellen, ift jeßt Dank der Vervollkommnung der optischen Hülfsmittel, der Verbesserung des Verfahrens der Reinzüchtung, der Einführung der Bakterienfärbung die Anilinfarben haben dabei eine nicht unwihtige Rolle gespielt in der Affirmative entschieden. Ebenso zweifelt heute Niemand mehr daran, daß wir in den Bak- terien nicht etwa wie man früher geglaubt hat einfach die Begleiter, sondern die wirklichen Erreger von Krankheiten vor uns haben. Ja selbst die lange völlig erfolglos gebliebenen Bestrebungen, dur Vernichtung der Bakterien imOrganiemus den Krankheiten dieSpitze abzu- brechen, dürften heute nah Mittheilungen, welche der jüngste internationale Kongreß erbracht hat, nicht mehr so ganz aussihtslos wie ehedem ersheinen. Aber wenn si diese Hoffnungen au nit so bald ver- wirklichen sollten, in einer Versammlung, in welher das ärztliche Element fo stark vertreten ist, brauche ih auf den Ge winn, welcher der Medizin und Gesundbeittpflege aus dem Studium der Bakterien bereits erwachsen ist, kaum hinzuweisen. Die antiseptische Behand- lung der Krankheiten ist eine Fruht dieser Studien. Seit Ein- führung der Schu pockenimpfung durch JIenner is der Mensch- heit keine größere Wohlthat zu Theil geworden, als diejenige, welche sie aus Lister's Händen empfangen hat. Der Lister'she Verband in seinen verschiedenen Abstufungen , vom Karbolsäuresprühregen bis zur Beschränkung auf peinlihste Reinlichkeit, hat ungezählten Tausenden von Verwundeten das Leben erhalten, ganze Krank- heitskategorien sind man könnte sagen heute nahezu ausgestor- ben. Aber auch ganz abgesehen von diesen großartigen Erfolgen, welhe zu den s{hönsten Errungenschaften der modernen Forshung ¿ählen, hat die bafkteriologische Wissenschaft bereits zahlreihe Dienste geleistet. Niemand wird leugnen wollen, daß die Gegenwart über umfassende Hülfsmittel der Diagnose von Infektionskrankheiten ge- bietet, von denen eine nicht weit zurückliegende Vergangenheit keine Ahnung hatte, und daß wir heute, wenn Epidemien droben, in der Lage sind, weit sicherer als ehedem die Nothwendigkeit prophylaktischer Maßnahmen zu erkennen und ibre Gestaltung zu bestimmen. Und die epohemacenden Ergebnisse der Pasteur’shen Versuche über die Hundswuth, welche einen neuen Gedanken in die Medizin hinein- geworfen haben, gehören doch \{ließlich gleihfalls in den Kreis der hier betrachteten Erscheinungen.

Allein auch die Volkswirthschaft hat aus der bakteriologischen Forshung bereits recht erhebliße Vortheile gezogen. Mit den erweiterten und vertieften Einblicken in das Wesen der Desinfektion, welhe sie vermittelt hat, stehen wir den ver- heerenden Seuchen, welche nur zu oft den Viehbestand unserer Landwirthe gefährden, weit besser gerüstet gegenüber. Ganze Heerden werden nicht mehc rücksichtslos geopfert, wenn wir die Ausbreitung der Krankheit auf dem Wege der Desinfektion verhindern können. Wir verschwenden nicht mehr endlose Summen fur Desinfektions- mittel, nahdem wir gelernt haben, mit wie geringem Aufwand häufig der beabsichtigte Zweck bereits erreiht wird. Auch die Konservirung der Nahrungsmittel ift in eine neue Phase eingetreten. Das Appert'she Ver- fahren, seit mehr als einem halben Jahrhundert mit Erfolg geübt, aber ganz falsch gedeutet, ift plôßlich verständlih geworden. Vie ent- widelunghemmende, beziehungsweise keimtödtende Wirkung der Kälte, der Hiße, der chemishen Agentien if klargelegt, und wir be- dienen uns der einen oder der anderen Methode je nach den obwal- tenden Umsftänden, je nach den erstrebten Zielen. Auch hier sind volkêwirthschaftlihe Erfolge von nicht zu untershäßender Bedeutung zu verzeihnen. Dank der verbesserten Methode der Konservirung steht heute der Fleishreihthum einer anderen Hemisphäre der fleish- bedürftigen Bevölkerung Europas zur Verfügung. Aber die bakte-, riologishe Forshung begnügt sih s{hon nicht mehr, nur den Auf- gaben der Ernährung zu Hülfe zu kommen; {on beginnt sie bei der Herstellung auch unserer Genußmittel eine Rolle zu spielen. Es ist bekannt, -welche Dienste sie der Reinzuht der Bierhefe geleistet hat.

der Physik hat die Spektralanalyse zu ebenso be- deutungsvollen Ergebnissen geführt, wie in der Aftronomie, und

Pans in Hand mit der wachsenden Erperimentirkunft gehen die pekulativen Forschungen, welhe vor em die Namen Robert