1890 / 231 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 25 Sep 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Minute abgegeben werden, Bei dem Versuhe wurden mit dem SRIIYe mit Nachrichten in 1 Minute 26 Sekunden 12 Schuß ab- gegeben.

9) S@nellfeuer mit \{arfen Wandgranaten aus einer 7,5 cm- S(hnellfeuerkanone L 25 in Bocklpivot-Laffete mit bydraulish gebrem- stem Rücklauf. Das Gewicht des Rohres beträgt 345 kg, das der gußeisernen Wandgranate 8 kg, das der Ladung rauchlosen Pulvers von 4 wm Körnergröße 0,610 kg, das der Laffete 850 Kg. Die Granate hat eine Anfang8ges{windigk-it von 500 m in der Minute. Es fönnen mit diesem Geschüßz 20—25 Schuß in der Minute ab- gegeben werden. Das Probescbießen gelang auch hier vollkommen; es wurden mit Nathrihten in einer Minute 12 Schuß abgegeben.

6) Erschicßen eines Treffbildes mit Panzergranaten durch eine 8,2 em-Schnellfeuerkanone L 35 in Schiffslaffete. Die Scheibe stand in einer Entfernung von 2500 m. Das Rohr dieses Geshüzes hat ein Gewidht von 605 kg, die Panzergranate ein solhes von 7 kg, die Ladung rau@&losen Pulvers von 5 mm Körnergröße ein solches von 1,2 kg, die Laffete mit Schild ein folches von 1663 kg. Die Anfangsgesbwindigkeit der Grauate beträgt 660 m. Es wurden mit dieser Kanone 16 Schüsse abgegeben. Das erschossene Treffbild war ein gu: es. i

7) Erklärung und Vorexerciren einer versenkbaren Panzerlaffete für eine 5,7 cm-Schnellfeuer-Kanone L 25, Einzel- und Sénellfeuer mit sar fgeladenen Rirggranaten gegen eine stehende Schügzenlinie. Die Erklärung dieser Gruson-Schumann'shen Panz?rlaffete wurde von Hauptmann Dreger und Lieutenant Rubnke gegeben. Die Laffete machte eine Umdrehung in 20 Sekunden. Die Beweglichkeit derselben war ganz vorzüglich und wurde von zwei in derselben sißenden Leuten ausgeführt. Das Ziel war auf 1500 m Entfernung aufgestellt. Es wurden 5 Schuß im S(nellfeuer auf den linken Flügel dcr Schügenlinie, dann 5 Schuß auf den re{chten Flügel abgegeben. Zum Schluß folgten noch zwei Mal 5 Schuß ebenfalls im Schnellfeuer. Ie 5 Schuß wurden in 10—11 Sekunden abgegeben. Die Anfangz- ges{chwindigkeit der 2,72 kg wiegenden Granat:n beträgt 480 m in der Sekunde. Das Gewicht der Laffete mit Vorpanzer ohne Rohr beträgt 14 700 kg, das des Rohres 180 kg.

Wilhelmshaven, 22. September. Dem „Hann. Cour.“ wird über den {hon in Nr. 228 des „R.- u. St.-A.“ gemel- deten Versuch mit dem Fesselballon des Näheren geschrieben: Nachdem am Freitag unter der Führung des Hauptmanns von Tschudi, à la suite der Lusftschiffer - Abtgeilung, ein Detachement derselben, bestehend aus 1 Offizier, 2 Unter- osfizieren und 10 Mann, hier eingetroffen und an Bord des Artillerie-Schulschiffes „Mars“ eingeschifft worden war, be- gannen am Sonnabend die Vorbereitungen für die erste Uebung, die für heute Morgen 10 Uhr festgeseßt wurde. Bald nach 10 Uhr bestieg Hauptmann von Tshudi die Gondel. Der Ballon, mit einem feinen Drahtseil an das Artillerie-Schul\chiff gefesselt, stieg etwa 400 m hoh und bewegte sich langsam hin und her. Nach kurzer Zeit ließ er sih langsam wieder auf das Achterdeck des „Mars“, auf welhem auch Se. Königlihe Hoheit der Prinz Heinrich der Uebung zusah, herab. Dann begab sich ein Marine-Dffizier in die Gondel und nahm kurze Zeit hindurch Beobachtungen vor. Nach ihm versuchten noch fünf Offiziere nur je einer nahm immer in der Gondel Plag den Ausstieg, Der etwa 30 Fuß im Durhmesser haltende kugelrunde Ballon war bereits gestern Abend mit dem nöthigen Gas gefüllt worden. O Nachmittag wurden bei s{hönstem Wetter die Uebungen fortgeseßt. Morgen früh verläßt der „Mars“ den Hafen, um nach der Jahdemündung zu gehen, w0 „ann der Fesselbalon von Neuem seine Reisen antreten wird.

Kiel, 25. September. Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich ist heute früh 1 Uhr von Bremen hier eingetroffen. Die Manöverflotte, welche gestern in der Eckernförder Bucht Landungsversuche machte, übte diese Nacht mit der To1rpedoboots-Flottille in der hiesigen Bucht.

Bayern.

München, 24. September. Se. Königlihe Hoheit der Prinz Ludwig is mit seinem Sohne, dem Prinzen Rupprecht, Königliche Hoheit, gestern Abend aus Dresden hier angekommen und am Centralbahnhof von dem Hof- marschall Grafen von Holnstein empfangen und in das Wittelsbacher Palais geleitet worden.

Württemberg.

Stuttgart, 25. September. Jhre Majestäten der König und die Königin haben, wie „W. T. B.“ meldet, der Generalversammlung des evangelischen Bundes auf die in Nr. 230 des „R.- u. St.-A.“ mitgethetlte Begrüßungs- Depesche folgendes Antwort-Telegramm zugehen lassen:

„Ihre Majestäten der König und die Königin lassen der in Höchstihrer Residenzstadt Stuttgart tagenden General- versammlung des evangelischen Bundes für die telegraphische Huldigung und die dargebrahten guten und theilnehmen- den Wünsche verbindlich danken und dieselbe, mit ihr von der Ueberzeugung ausgebend, daß Ueberwindung der sozialen Nothstände unserer Zeit und Förderung wahren Volkswohls nur auf firchlihem Boden möglich ist, Höchstihres aufrichtigen Interesses für ihre Berathungen versichern. Kabinets8-Chef Griesinger.“

Jhre Durtlauchtien der Herzog Wilhelm und Fürst Karl von Urach, Grafen von Württemberg, sind am 22. d. M. von Friedrichshafen wieder abgereist.

Der General-Adjutant Sr. Majestät, General-Lieutenant Freiherr von Molsberg hat \sih, dem „St.-A. f. W.“ zu- folge, nah Riedlingen begeben, um im Austrage des Königs den Corps - Manövern beizuwohnèn.

Gegen den Entwurf einer Verwaltungsreform hat der hiesige Volksverein entschiedene Stellung genommen.

Einzelnen verlangt die Volkspartei, wie man der

. „Allg. Ztg.“ schreibt, ens der Lebenslänglich- keit der Ortsvorsteher, Beschränkung des Rechts, die Be- Datigung einer Ortsvorsteherwahl zu verweigern, direkte Wahl der Mitglieder der Anmtsdersammlung dur die Gemeindebürger, Verwerfung des Vorrehts der Höchst- besteuerten zum Siß im Gemeinderath, unmittelbare Unter- stellung der größeren Städte unter die Kreisregierung, Stuttgarts unter das Ministerium des Innern; ferner ver- wahrt sie sih dagegen, daß durch Anstellung von besoldeten Gemeinderäthen privilegirte Elemente dem Rathhaus zugeführt

werden. Sachsen-Coburg-Gotha.

Coburg, 25. September. Se. Hoheit der Erbprinz und JZhre Königlihe Hoheit die Erbprinzessin von Sachsen- Meiningen, sowie Jhre Kaiserliche A die Herzogin von Edinburg sind, wie „W. T. B.“ meldet, von München hier eingetroffen.

Bremen.

Bremen, 24. September. Se. Königliche

/ : | oheit der Prinz Heinrich von Preußen traf, wie „W.

B.“ be-

# : rihtet, aus Wilhelmshaven kommend, heute hier ein und wurde auf dem Bahnhofe von dem preußischen General-Konsul Delius empfangen. Höchstderselbe begab sich von dort nach der Nordwestdeutshen Gewerbe- und Jndustrie-Ausstellung im Bürgerpark. Der Prinz besichtigte die Ausstellung unter Führung des Vorstandes derselben Christoph Papendieck und besuhte sodann das Panorama: „Einfahrt eines Lloyddampfers in New-York“. Später fand ein Diner in Hillmann's Hotel statt, zu welhem der Bürgermeister Buff, der Oberst von Brodowski, das Vorstandsmitglied Papendieck, der Direktor des Norddeutschen Lloyd Lohmann, der Gencral- Konsul Delius sowie ‘die beiden Adjutanten Sr. Königlichen Hoheit geladen waren. Nach dem Diner sezte Prinz Heinrich die Weiterreise nah Kiel fort.

S

Oesterreich - Ungarn.

Wien, 25. Sep:ember. Die „Wiener Zeitung“ meldet, Se. Majestät der Kaiser und König bewilligte die vom FML. von Blazekovic aus Gesundheitsrücsihten erbetene Enthebung von dem Amt des Statthalters von Dalmatien unter dem Ausdruck der vollen Anerkennung für die dem Staat in treuer Hingebung geleisteten ausgezeich- neten Dienste. : e

Se, Majestät der König von Rumänien und Se. Königliche Hoheit der Prinz Ferdinand von Rumänien sind, wie „W. T. B.“ meldet, heute früh hier eingetroffen und gedenken ihre Reise morgen Abend nah Rumänién fort- useßen. M De gestern bereits erwähnte Aufruf des Bürger- meisters Dr. Prix an die Bewohner der Häuser jener Straßen, welche Se. Majestät der Deutsche Kaiser bei seiner Fahrt passiren wird, lautet: i

„Mieitbürger! Am 1. Okrober d. I, früh 9 Uhr, wird Se. Majestät der Deutsche Kaiser und König von Preußen als Gast Sr Majestät unseres Kaisers auf dem Nordbahnbofe in Wien ein- treffen und sih dur die Praterstraße, über die Aspern-Brücke, Ring- straße in die Kaiserlihe und Königliche Hofburg und Mittags dur die Babenberger und Mariahilferstraße in das Kaiserliche und Königlihe Lusts&loß Schönbrunn ‘begeben. Mitbürger ! Gebt der Freude über die Ankunft des erlauhten Fürsten Ausdru, \{chmüdckt festlih die Häuser in den Straßen, durh welche die Fahrt der Majestäten erfolgt, und zeigt, welch kräftigen Widerhball das Freundschafts- und Friedensbündniß zwishen den Häusern Habsburg und Hohenzollern auch im H-:rzen des Volks g-funden hat. Wien, 23. September 18993,“ L

In dem Ehrenbeleidigungs-Prozeß des FZM. Freiherrn von Scudier gegen das „Vaterland“ wurde durh einstimmiges Verdikt der Geshworenen der Redacteur Koller zu achtmonatlicher Arreststrafe und der Nedacteur Nath zu 90 Fl, Geldstrafe, event. zehntögigem Arrest verurtheilt.

Großbritannien und Frland,

London, 24. September. Die Königin von Ru- mänien kehrte vorgestern von Jrland nah Wales zurü.

Zu den Verhandlungen, welche Sir Evelyn Baring und General Gren fell als Bevollmächtigte Groß- britanniens demnächst mit der italienischen Regierun über die Grenze zwishen Suakim und Massova pflegen werden, bemerkt die „Times“: i

„Die italienishe Regierurg glaubt, daß es wünschenswerth sei, da Italien in Massovah, und Egypten, d. h. England, in Suakim ist, einen mittleren Punkt zwischen diesen beiden Häfen auszufinden zur Abgrenzung - der beiderseitigen Einflußsphären. Mag es noth- wendig sein oder nicht, jedenfalls läßt si geaen den Wuns der Italiener wenig einwenden. Zwischen Suakim und Massovah ist keine kommerziell oder strategisdck wichtige Stellung. Der Anspruch Italiens könnte sofort und ohne Murren gewährt werden, wenn nicht die kürzlih entwickelte Hinterlands- lehre im Spiel wäre. Es kann natürliG niht in Frage kommen, Italien ein Hinterland zu gewähren, welches \ich nach Westen von der Küste des Rothen Meeres unterhalb der vorgeschlagenen Abgrenzungslinie hinzöge und es in den Stand seyen würde, seine Macht bis zum Atbara und Kassala und selbst bis zum blauen und weißen Nil nach Chartum auszudehnen, Ein Küsten- streifen mit einer Grenze, bie mitten zwishen der See und dem Atbara bestimmt wird, sollte alle legitimen Ansprüche Italiens in jenen Gegenden, abgesehen von Abessinien, befriedigen.“ :

Wie der „Dublin Expreß“ mittheilt, hat die Midland Eisenbahn-Gesellschaft von Jrland ein Abkommen mit dem britishen Schaßamt getroffen bezüglih des Baues der Galway uno Clifton-Bahn, sodaß den armen Kreisen des westlihen Jrland keine Ver- pflihtung, weder gegenwärtig, noch in Zukunft, er- wächst. Sollte im Winter Noth eintreten, so können die Arbeiten. hon im nächsten Monat begonnen werden. Der Ober-Sekretär Balfour hat sih persönlich für das Zustande- kommen des Vertrages lebhaft interessirt. Wahrscheinlih wird die Regierung auch eine Summe zur Verbesserung des Hafens von Clifden ausseßen, was der Entwickelung der Fischerei zu Gute kommen würde. i :

Jm Zusammenhang mit der gegen die Leiter des Feldzugsplans in Tipperary eingeleiteten Kriminal- prozedur wurde vorgestern auch der Redacteur der Zeitung „New Tipperary“ John Mahoney verhaftet, dann aber gegen Kautionsstellung auf freien Fuß geseßt. j

Aus Folkestone, von heute, meldet ein Wolff'shes Telegramm: Der Graf von Paris hat an den Senator Bocher ein Schreiben gerichtet, in / welchem er sagt, er wolle bei seiner Abreise von Europa nicht unter dem Druck von Jrrthümern und Verleumdungen bleiben, welche dur die jüngste Zeitungsfehde erzeugt worden seien. Er glaube, ‘die «nteressen der monarchishen Sache in einem shwierigen Zeit- punkte richtig verstanden zu haben. Von der Republik ver- bannt, habe er die Waffen ergriffen, die sie ihm selbst ge- liefert habe; er bedauere nit, sih derselben bedient zu haben, um die L ate Partei zu zersplittern. Als Vertreter der Monarchie dürfe er keine Gelegenheit vorübergehen lassen, ihren Triumph vorzubereiten. Nie habe er einen anderen Zweck verfolgt, nie etwas Anderes erstrebt, ‘als was Frankreih selbst gewollt habe. Heute wünsche ‘er nur, daß sih seine Freunde niht dur gegenseitige Beschul- digungen aufhalten lassen, daß sie laut ihren Glauben an das monarchishe Prinzip bestätigen, daß sie sich vereinigen, um den Kamp] fortzuseßen. Sie würden nur das Vertrauen Frankreichs verdienen, wenn sie Vertrauen in sih selbst, in ihre gute Sache und in Gott hätten, i / j

Veber einen neuen Aufruhr in Jundien berichtet ein Telegramm des „Bureau Reuter“ aus Kalkutta:

In Manipur brach in der Nacht vom 21. d. M. eine Revo - lution aus. Es scheint, daß der Bruder des Maharadjah sich

des Palastes, des Pulvermagazins und einer Anzahl Bergkanonen be-

verla, Der Maharadijah flüchtete in die Amtswohnung- de britischen Residenten, wo sich 2 Compagnien leihter Infan- terie befinden, eine Truppenmaht, die hinreichend stark ist, um die Aufständischen zu Een. (Manipur if ein von der indischen Regierung abhängiges, ihr aber nit Ee Land im äußersten Osten Indiens, zwishen Affam,

gelegen.) Frankreich.

Paris, 25. September. Wie die gestrigen Abendblätter mittheilen, würde der Finanz-Minister Rouvier mit der Budget: Kommission sofort nah deren Zusammentritt am 14. Oktober über die Deckung des aus der Verminderung der Grundsteuer entstehenden Ausfalles von 13 Millionen Francs- im Budget für 1891 berathen. ;

Ein Torpedoboot hat in Toulon bei der Uebung. dadurch schwere Havarie erlitten, daß die Ladung des Torpedos rückwärts explodirte.

Rußland und Polen.

St. Petersburg, 23. September. Der Emir von: Buqara hat, wie die „Now. Wr.“ erfährt, seinen ältesten Sohn, der hier im Pagen:Corps erzogen werden sollte, dur den Tod verloren. Die bucharishe Gesandtschaft, die zum Herbst hierher erwartet wurde, wird daher nicht abgeschickt werden. Dasselbe Blatt erfährt, daß der Emir in Moskau ein Konsulat zu gründen wünscht und daß zwischen Persien und Rußland ein neuer Handelsvertrag abgeschlossen werden soll.

Die „Nowosti“ melden, daß in Folge des Beschlusses, in Ss\ewastopol einen Kriegshafen anzulegen, zwishen dem Ministerium des Auswärtigen und den betreffenden Regierungen Unterhandlungen wegen Ueberführun g der dortigen Kon- sulate in eine andere Stadt der Krim angeknüpft worden sind.

Der Staatssekretär von Giers ist aus Finland nach St. Petersburg zurückgekehrt. Die Reise des Finanz- Ministers nah Mittel-Asien wird, der „Now. Wr.“ zu- folge, auch für die Frage der Weiterführung der Transkaspi-Bahn in nördliher Richtung sowie für die Handelsinteressen der miittelasiatishen muselmanishen Terri- torien von großer Bedeutung sein.

Der Stapellauf des Panzerschiffes „Hangön d“ soll in der Neuen Admiralität am 2. Oktober stattfinden.

Italien.

Rom, 24. September. Das Banket, welches zu Ehren des Minister:Präsidenten Crispi in Florenz stattfinden soll, ist, dem „W. T. B.“ zufolge, abermals und zwar auf den 8. Oktober verschoben worden. :

Die Mittheilung der „Gazzetta Uffiziale“, wona der Finanz-Minister Seis mit-Doda mittels Königlichen Dekrets seines Amts enthoben wurde, (vgl. Nr. 230 d. „R,.- u. St.-A.“), hat das größte Aufsehen erregt und das «nteresse an allen anderen politishen Fragen zurückgedrängt. Die „Pol. Corr.“ schreibt dazu: /

Diese bemerkenswerthe Wirkung der VeröffentliGung des Amts- blatts dürfte ich wobl nicht auf Rom und Italien beschränken, ja, man kann wohl annehmen, daß die Entlassung Seismit-Dodas im Auélande noch größercs Aufsehen erregen wird, da sie in erster Linie ein Ereigniß der internationalen Politik ist und die innere Politik Jtaliens erst in zweiter Reihe berührt. Es steht außer Zweifel, daß Herr Criépi für die bedauerlihe Erscheinung, daß ein Mitglied der italienishen Regierung bei einem Bankette in Udine irredentistishe Reden anhörte, dem befreundeten Oesterreih- Ungarn eine volle Genugthuung bieten wollte, welche gleichzeitig ge- eignet ist, die Unerschütterlichkeit des Dreibundes in das beste Licht zu stellen. Die Entschiedenheit, mit welcher Herr Crispi in dieser An- gelegenheit vorging, wird niht verfehlen, das Vertrauen, welches man in Wien und Berlin der Politik Crispis entaegenbringt, “neuerdings zu festigen; in Italien aber ist der Fall des entlassenen Finanz-Ministers für alle staatlihen Organe eine strenge Warnung, {ih jedes Thuns zu enthalten, welhes auch nur den gerirgsten Zweifel an der Ehrlichkeit und Verlößlihkeit der italienischen Politik hervorzurufen im Stande wäre. Allerdings war Hr. Seismit-Doda kein Mitzlied der Regierung, dessen Ausscheiden aus dem Kabinet allseitiges Bedauern hervorrufen könnte; dieser Umstand hätte jedo kaum zu seiner plößlichen Enthebung vom Amt geführt, wenn si derselbe nicht in Widerspru zu der auswärtigen Politik des Herrn Crispi und den Rücksichten, die sie bedingt, geseßt hätte. Der Minrister- De wurde vielmehr durch die Haltung Seismit-

oda’s in die Nothwendigkeit verseßt, durch ein energishes Vor- gehen kundzuthun, daß jene Haltung in den leitenden Kreisen der ent- \Mbiedensten Mißbilligung begegne. Daß Herr Seismit-Doda icreden- tistishen Grundsäßen huldigte und seiner Zeit au ein thâtiges Mitglied der Irredennta war, bâtte ihm als Privatmann niht zum Vorwurf gemacht werden können; als einem Mitgliede des Kabinets Crispi lag ihm jedo die Pflicht ob, seine Haltung in jeder Beziehung mit der Politik des Kabinets in Einklang zu bringen und jede Aktion zu vermeiden, welche den geringsten Zweifel an der Loya- lität der Politik der Regierung hätte hervorrufen können. Indem Hr. “Seismit:Doda \{chweigend und ohne Widerrede die irreden- tistishen Bankettreden in Udine anhörte, in welchen Oester- reih - Ungarn und dessen Regierung in s\{arfer Weise ange- griffen wurden, trug derselbe zu dem Glauben bei, daß er mit dem Inhalt dieser Reden vollständig einverstanden sei und die Richtung dieser Ausführungen billige, seine Anschauung somit in einer der wichtigsten Fragen der auswärtigen Politik, in der Bündnißfrage, mit jener der Regierung sich nicht in Uebereinstimmung befinde. Eine solche zweideutige Haltung konnte Herr Crispi nicht dulden, und die Form, in welder Herr Seismit-Doda feine Entlassung erhielt, beweist zur Genüge, wie sehr dem ‘Minister-Präsidenten daran gelegen war, durch einen bedeutsamen Aft der Möglichkeit vor- zubeugen, daß die Politik des Kabinets mit jener des Herrn Seismit-Doda identifizirt werde. Herr Seismit-Doda gehört niht mehr dem Kabinet an und hat sein Portefeuille bereits seinem früheren Kollegen Minister Giolitti übergeben, welcher das Ressort bis zur endgültigen Beseßung der Stelle des Finanz- Ministers verwalten wird. Aber nicht zufrieden mit der Entlafsung des Hrn. Seismit-Doda, hat der Minister-Präsident auh den Prä- fekten von Udine seines Amts enthoben, weil derselbe niht Mittel und Wege gefunden hatte, eine Oesterreih-Ungarn feindlihe Kund- gebung in Gegenwart eines Ministers zu verhindern. Er bätte damit einem Skandal vorgebeugt, welher nur durch die Entlassung des Lan Tiniliess und die Enthebung des Präfekten gesühnt werden onnte.

aschgar und Birma.

Portugal.

Ueber die Wahlkrawalle in Goa wird der „Allg. Corr.“ aus Bombay unterm 23. d. M. weiter gemeldet:

Hier eingegangene Depeschen schildern die Lage in Goa als noch immer sehr ernst. Die Zeitung „India Portugueza", das Organ des P der Volkspartei, Senhor Loyola, hat auf Befehl der Be- örden ihr Erscheinen eingestellt und in der Altstadt von Goa, dem Schauplaß der Ruhestörungen am vorigen Sonntag, is der Be- lagerungszustand proklamirt worden. Militärpatrouillen ziehen durch die Straßen und viele Häuser sind von ihren Insassen geräumt worden. Verhaftungsbefehle gegen Senhor Loyola und andere Führer der Volkspartei sind erlassen worden und. deren

Wohnungen sind von Soldaten umringt. Die ganze Provinz

3, März 1889 von 25 000 Wählern die eine H

i Salsette if unter Belagekuüngszustand gestellt worden. Das portugiesishe Regierungsorgan „Ultramas*“ stellt in Abréde, daß die

Beamten in dem Krawall am Sonntag die Angreifer waren. 18 Per- fonen wurden bei dem Aufruhr ers{hofsen und 15 verwundet. Unter ‘den Todten befindet si ein Ian der portugiefisben Cortes. Einer neueren Meldung des „Reuter'shen Bureaus“ vom 24. d. aus Bombay zufolge, war im Distrikt Salsette in Folge des energischen Eingreifens der Regierung sowie der Lokal- ehörden Alles wieder ruhig. Die Ruhestörer sind ent- flohen. Die Behörde betreibt eifrig die Untersuchung und die Wahlen nehmen ihren Fortgang.

Schweiz.

Bern, 24. September. Der Bundesrath hat auf den nächsten Sonnabend, Vormittags 10 Uhr, je 9 der hervorragendsten Parteiführer der konser- vativen und der liberalen Partei im Kanton Tessin zu einer Konferenz einberufen, in welcher unter seiner Vermitte- lung eine Verständigung zwischen beiden Parteien erzielt werden soll. Gleichzeitig theilte der Bundesrath dem Kommissar Kuenzli mit, daß er zur Zeit no nicht in der Lage sei, über die Frage der iederaufnahme der Re- glerungsgewalt dur den Staatsrath zu entscheiden.

Der Nationalrath hat, dem „W. T. B.“ zufolge, mit 70 gegen 7 Stimmen einen Antrag auf Einführu ng des Banknotenmonopols zu Gunsten des Bundes und auf Errichtung einer Laudesbank im Prinzip angenommen.

Jn der jevt veröffentlichten bundesräthlihen Bot- a über die Tessiner Angelegenheit, vom 22. d. M.,

erpl es:

„Stolz und eifersüchtig auf seine Unabhängigkeit, innig verwabsen mit den dewmokratischen Institutionen, und der \{chweizeris{hen Eid- genoffenschaft unverbrüchlih zugethan, leidet das tessinishe Volk mit seinen großen Herzens- und Geisteseigenshaften an einem \{chlimmen und tief eingewurzelten Uebel. Seitdem es Herr seiner Ge- \chickde geworden ift, hat das Parteileben im Kanton eine über- mäßige Entwitelung genommen, welche in mehr als einer Be- ziehung an die leidenschaftlihen Kämpfe der italienishen Republiken des Mittelalters und sogar einzelner unserer demokratishen Kantone in einer glüdliher Weise weit hinter uns zurückliegenden Epoche er- innert. Die tessinischen Bürger {eiden s in zwei feindlihe Par- teien von ungefähr gleiher Stärke, welhe abwechselungsweise mit allen möglihen Mitteln sich der Gewalt zu bemäthtigen streben, um fie dann gegen die besiegte Parteizu gebrauhhen. Die beiderseitige Presse, stets auf dem Kriegsfuß stehend, führt die leidenschaftlichste Sprache. Jede Partei wendet sich an ihre politishen Gesinnungêgenofsen dies- seits der Alpen und bemüht sich, und zwar des Oeftern nit ohne Erfolg, sie für ihre Sache zu begeistern. Und so steht das Schweizer- volk, wenn man si nicht vorsieht, stets in Gefahr, sich selbst über der tessinishen Frage in zwei Lager zu spalten, was wiederum gewiß nicht zur Pazifikation des Tessin beiträgt, besonders wenn die \chwei- zerishe Presse au ihrerseits ihre Besprehungen nicht immer in den gehörigen Schranken zu halten vermag.

Fexner wird in der Botschaft ausgeführt:

„Die Bundesbehörden haben die Pflicht, das Beispiel der Kalt- blütigfeit und Unparteilichkeid in der Beurtheilung und Besprechung der Tessiner Angelegenheiten zu geben. Die Schwierigkeiten sind obne Zweifel ernst, sehr ernst sogar, aber sie sind niht unlösbar. Und wenn die Männer von gutem Willen aus allen Parteien, im Tessin wie diesseits der Alpen, ihre Anstrengungen in patriotischem Sinne vereinigen wollen, so ift es siherlih mögli, d1s Gute gerade aus dem Uebermaß des Schlimmen hervorgehen zu lassen.

Niemand wird bestreiten, daß eine der Hauptursacen der Krisen, welche dnweie den Kanton. Tessin beunruhigen, in den mangelhaften Wahl- und Abstimmungseinrihtungen besteht. Die tessinishen Stimmrechtsvorschriften sind komplizirt und unklar und werden gerade in Folge dieser Komplizirtheit, welche die Parteimanöver begünstigt, auch nit rihtig angewandt. Beweis dafür die zahlreihen Rekurse und die ebenso zahlreichen Fälle von eidgenöfsisher Intervention, welche seit 1848 in Wakhlangelegenheiten vorgekommen sind. Die Grund- lagen der Volksvertretung im Großen Rath sind nicht billig; dies bezeugt der Umstand, daß bei den Gesammterneuerungswahlen vom j 1e Hälfte plus einige Hun- dert Stimmen 75 Deputirte gewählt, die ändere Hälste weniger einige Hundert es nur auf 35 Abgeordnete gebracht hat. :

Vor Allem müssen also die Anstrengungen dahin zielen, daß diese offenkundige Ungerechtigkeit vershwinde und ein zuverlässigeres Wahl- reht geschaffen werde.

tan wird uns einwenden, daß es auch in der übrigen Schweiz mangelhafte Wahl- und Abstimmungseinrihtungen gebe. Wir geben dies zu, aber so viel ist sier, daß im Tessin das Uebel am brennendsten ist; das dort angewendete Heilmittel mag dann auch auf andere Fâlle Anwendung finden. Es is Sache des Kantons selbst, dessen Anwendung zu versuchen: die Gelegenheit dazu ist geboten durch die Volksabstimmung vom 5. Oktober. Er- weist fich aber der Tessin als ohnmächtig, diese Neform dur{zuführen, dann werden wir zu untersuhen haben, ob niht der Bund inter- veniren solle, indem er von den verfassungsmäßigen Befugnissen Ge- brau macht, wie solche im Einzelnen in Art. 5 und 6 der Bundes- verfassung begründet sind.

Eine zweite Hauptursahe der beständigen Gährung im Kanton Tessin bestebt darin, daß derselbe beinabe niemals die Wohlthat einer gemäßigten Regierung kennen lernte, welche das Land im Interefse Aller und nicht im aus) chließlihen Interesse einer Partei regiert bätte. Die Bestelung einer gemischten Regierung, in welher die Mehrheits- partei durch drei, die Minderheit durch zwei Mitglieder vertreten würde, wäre sicherlich eine große Garantie für eine unparteiische Geschäftsleitung und folglich au für den öffentlihen Frieden. Gegenwärtig wären die Verhältnisse für eine solche Ver- ftändigung günstig. Ein Staatsrath ist leider während des Aufstandes gefallen. Hr. Bonzanigo hat dem Hrn. Kommissar Künzli erklärt und gegenüber von Mitgliedern des Bundes- rathes wiederholt, daß er im Interesse der Verstellung des Friedens seine Demission anerbiete. Andere Kombinationen sind möglich und wahrscheinlich. Wir verzweifeln niht daran, sie zu einem guten Re- sultate führen zu sehen. Unterdessen wird unfer Kommissar, unter Zuziehung von Vertrauensmännern beider Parteien, den Kanton ver- waiten, und dieses Regime ist das einzige, welches für den Augenblick die Pärteileidenshaften von neuen Ausbrüchen zurückhalten fann.

Was im: Tessin ebenfalls noch fehlt, das ist eine Zusammen- seßung der Gerichte, in welcher beide Parteien vertreten wären und sich gegenseitig überwachen könnten. g

Sobald, aber die beiden ersten Desiderata, nämlich die Reform der Wahl- und Abstimmungseinrihtungen und die Aufstellung einer gemischten Regierung, einmal erreiht werden könnten, so möchte es keinem Zweifel mehr unterliegen, daß derselbe Geist der Versöhnung auch auf das Gebiet der Justiz ih ausdehnen würde.

Die Abstimmung vom 5. Oktober wird uns ma allen Gesihts- punkten über die Willensmeinung des tessinishen Volks aufklären. Welches aber auch deren Resultat sein möge, es wird uns niht von

.der Aufgabe entbinden, mit aller Kraft die Lösung der Schwierigkeiten

zu verfolgen, welche wir hier dargelegt haben. i Der Kanton Tessin ist ohne Zweifel ein souveräner Kanton wie die andern. Aber er soll si selbst zu regieren verstehen und hat keine Berechtigung, Kraft dieser seiner Souveränität fortwährender Anlaß der Beunruhigung und der Gefahr für die übrige Eid- denali enschaft zu fein. Jett ist die Gelegenheit geboten, diesem anton eine bessere Zukunft zu sihern; es wäre ein \{chwerer Fehler, fie. unbenugt zu lassen. ¿ i An der Erfüllung dieser Aufgabe wollen wir arbeiten. Und um sie mit allem wünshenswerthen Nachdruck erfüllen zu können, zählen wir auf die einhellige Unterstüßung der Bundesversammlung, und dann

werden wir beiderseits sier sein kônnen, daß das Schweizervolk in

nommene Werk der Pazifikation des Tessin und der Herstellung einer gerehten, dauerhaften Ordnung in diesem \{önen, durch innern Zwie- spalt so unglücklih gewordenen Kanton billigen wird. *

Schweden und Norwegen.

Stockholm, 24. September. Der s{hwedis{h-norwegishe Gesandte in Konstantinopel von Reuterskiöld ist, dem „W. T. B.“ zufolge, zum Gesandten in St. Peters- burg ernannt worden.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Washington, 24. September. Präsident Harrison, welcher noch in Cresson weilt, hat, dem „R. B.“ zufolge, von dem Senator Aldrih und dem Abg. Mc Kinley telegraphish die Mittheilung erhalten, daß nah ihrer Meinung der Kongreß die Tarifbill noch im Laufe dieser Woche erledigen werde, worauf er sich bis zum 1. Oktober vertagen wird. Die Tarifkonferenz hat, wie „W. T. B.“ weiter meldet, den Champagner- zoll auf 8 Doll. per Dußend Quarts und den Zoll auf Wein und Cognac auf 21/, Doll. per Gallone festgeseßt; der Zoll auf Gemälde, Statuen und Kunst: werke wurde auf 15 Proz. herabgeseßt. Die Frist für die Entnahme von den vor dem 1. August unter Zollvershluß ge- legten Waaren wird auf den 1. Februar anberaumt. Das Jnkrafttreten des Tarifgeseßes wird vorauss\ihtl:ch bis zum 15. Oftober verschoben werden. Die gegen die Lotterien gerichtete Bill ist jeßt in Kraft getreten. Die Pos wird somit in Zukunft alle Zeitungen von der Beförderung ausschließen, welche Lotterie-Annoncen enthalten.

Die Panzerplatten-Versuche wurden am 21. d. in Annapolis in Gegenwart des Marine-Ministers und hervorragender Offiziere der Armee und Marine fortgeseßt. Ein 210pfündiges Geschoß wurde aus einer 8zölligen Kanone gegen jede der verschiedenen Platten abgefeuert. Die fran- zösishe Nickelstahlplatte widerstand, wie man der „Allg. Corr.“ meldet; dem Schuß am Besten.

Brasilien. Aus Rom wird dem „Daily News“ unterm 22. d. gemeldet: ,

„Die Beziehungen zwischen der brafsilianishen Regierung und dem katholishen Klerus in Brasilien nähern d einer offenen Feindseligkeit, da alle Versuche, ein Uebereinkommen zu er- zielen, gescheitert sind. Der brasilianishe Episkopat hat einen energischen Protest gegen die von der gegenwärtigen Regierung und insbesondere vom Marshall Deodoro da Fonseca ein- geführten religiösen MReformen veröffentliht. Die Bischöfe geben darin ihrer Liebe für das Land Ausdruck, erklären aber, daß fie alle gegen die Kirche eingeführten Maßregeln und namentlih diejenigen, betreffend die Gewissensfreiheit, die Civilehe, die Unterdrückung des Kreuzes im nationalen Banner, die absolute Abschaffung jeder Staatsreligion und die politishe wie administrative Unwählbarkeit von Priestern, bekämpfen würden. Die Abberufung der brasilianischen Legation beim päpstlichen Stuhl wird eine unver- R A Folge der von dem fatholishen Klerus eingeschlagenen Hal- ung sein.“

Afrika.

Zu der in der gestrigen Nummer d. Bl. mit etheilten Ermordung des deutschen Reihsangebbrigen Künzel und sieben anderer Deutshen in Witu bemerkt die „N. A. Z.“:

„Hr. Andreas Küntel stammte aus Eppenreuth im Fichtelgebirge. Nach Afrika ist er zuerst wohl als Soldat in der französiscken RM legi gekommen. Am 23. Juli d. J. hatte er mit mehreren Deutschen, unter welchen ih ein Ingenieur, ein Arzt, ein Tischler, ein Bäder und ein Mechaniker befanden, auf dem Dampfer „Reichstag“ der deutshen Ost-Asrika-Linie von Hamburg die Reise nach Sansibar angetreten, um in Lamu im Witugebiet eine Dampfsägemühle anzulegen. Zu diesem Zwecke führte er Maschinen und sonstige Artikel, in 91 großen Kisten verladen, eine Loko- mobile, diverse Wagen, hölzerne Häuser mit den dazu gehörigen Zink-Wellbleh-Bedachungen u. \. w. mit sich. Am 27. August ift bekanntlih der Dampfer in Sansibar eingetroffen, in der Zeit bis Mitte September hat also Hr. Künzel seine Uebersiedelun nach Witu ausgeführt. (Nah anderer Version war der Dampfer „MReihs- tag“ diesmal ausnahmsweise auf der Fahrt nah Sansibar in Lamu etwa am 25. August, Hrn. Küngzel's wegen, gelandet, sodaß dieser {hon am 25. sich und seine Sachen in Lamu aus\cifen konnte.) Veber die Veranlassung des Streites zwishen ihm und den Be- wohnern von Witu, der so tragish endete, enthält das Telegramm keine Andeutung. Die Vermuthung liegt nahe, daß ihm Schwierig- keiten gemaht wurden, als er . sich in den Besiß der Liegenschaften legen wollte, die er als sein Eiaenthum beansprvchte, und daß seine he tige Natur dur diesen Widerstand in erhöhtem Grade erregt wurde.

Ueber die Art, wie L Künßel seinen Besiß erworben, bat er der „N. A. Z.“ \. Z. Folgendes mitgetheilt :

„Im Mai des Jahres 1885 bereits hatte ih als Mitglied der sogenannten Tana-Expedition Gelegenheit, einen Theil des Witulandes kennen zu lernen, und habe ih gefunden, daß die von unserer Expedition berührten Gebiete in Wirkliwkeit für deutihe Kolonisation gut und brauchbar sind. Diese Auffassung wurde dur das Urtheil derjenigen Herren, welche der Expedition von der Kreuzer-Fregatte „Gneisenau“ angehörten, vollauf bestätigt. Demgemäß entschloß ih mi, dem von den Gebrüdern Denhardt erworbenen Wituland fortan meine Kräfte zuzuwenden, und habe ih im Jahre 1887 den für Plantagenbau nöthigen Grund und Boden käuflih erworben und eine Station bei Tangave an dec Mandabai errihtet. Nachdem ic weiterhin mir in Deutschland die zum Betriebe des Plantagenbaues nöthigen Kapitalien be|chaft hatte, ging ih im Januar 1889 zum dritten Male nah dem Witulande in Ost-Ajrika ab und errichtete die Plantagenbaustation Brackswald bei Witu; außerdem rüstete ich dem Sultan Fumo Bakari eine kleine Truppe ständiges Militär mit Hinter- ladern aus, und exercirte dieselbe unseren Verhältnissen gemäß ein, Während des Ausrodens von Urwald für den Tabackbau fand ih, daß sehr werthvolle Nußhölzer vorhanden sind, und daß eine Ver- werthung derselben äußerst nußbringend sein muß. Jn Folge dessen übergab ich die Leitung meiner Stationen dem ersten Beamten des Sultans Fumo Bafkari, dem Bana Omari ben Hamadi, meinem besten Freunde, und reiste nah Deutschland zurück, um mir ein Dampfschneidsägewerk zur Ausnußzung des Urwaldes zu bestellen.“

Egypten. Kairo, 23; September. Osman Digna ht, Rad neueren Nachrichten der „Allg. Corr. “, mit

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e Anhängern noch in Tokar, während Handub von Osman Naib besezt worden ist, Es werden Angriffe auf Suakim und die Nachbarschaft erwartet.

Sanitäts-, Veterinär- uud Quarantänewesen.

Wien, 25. September. Der Handels-Minister hat, dem ,W. T. B.“ zufolge, in Folge Ausbruchs der Cholera in Aleppo eine siebentägige Beobachtung der aus dem Golfe von Alerxan-

drette (von Ras Chanjic bis Karatash Burun) ankommenden Schiffe verfügt.

seiner ungeheueren Mehrheit das in voller Uebereinstimmung unter-- |-

Rom, 25. September. Dem Amtsblatt ufolge sind, wie eW. T: B.“ meldet, nachdem in Aleppo die Cholera o fiatt wurde, Vorsichtsmaßregeln gegen Provenienzen aus Alexandrette an der syrishen Küste angeordnet worden. a

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Handel und Gewerbe. f

Die „Zeitshrift f. Spiritus-Ind.*“ veröffentli6t folcenhn Bericht über den Handel mit Stärke na§ Mittheilungen der Vertrauensmänner über die Zeit vom 17. bis 23. September 1890. Im Laufe der Berichtswoche sind nahstehende Abschlüsse in Kartoffel- fabrikaten bekannt gegeben. Es wurden verkauft an feubter Stärke: 500 Sack zu 11 4 frei Station an der Bahnstrecke Star- gard—Kreuz; ferner eine Waggonladung zu 11,50 #4 frei Station in Nieders{lesien, Lieferung Anfang Oktober.

_— Vom oberschlesischen Steinkohlenmarkt berißtet die „Stles. Ztg.“ : Der kurz vor dem September-Termin ret rege Verkehr in Steinkohlen hat eher an Regosawkeit zugenommen, sodaß die gesammte Förderung auf sämmtlihên Gruben theils per Bahn, theils im öôrtlihen Vertrieb prompt zur Verladung kommt. Vornehmlich bleibt der dur die kühle Witterung im ersten Monats- drittel hervorgerufene Begehr für “Hefzkohlen im Vordergrunde, und wird der Absatz von den gegenwärtig anhaltend heißen Tagen gar ni6t beeinträchtigt. Der ausländishe Absatz fängt mehr und mehr an, an Um- fang zu gewinnen und sih regelmäßiger nah österreihishen und böh- mischen Pläßen, sowie auh, namentlich in besseren Sortimenten, nach Rußland zu gestalten. Im Coks geschäft dagegen dokumentirt fih noch immer keine Rührigkeit. Die Produktion der Coksantalten ist auf der bisherigen Höhe geblieben, aber auch die Bezüge an aus-* ländishem Cofks haben an Regelmäßigkeit nihts eingebüßt. Für Theerprodukte is genügender Absatz vorhanden.

In der heutigen Sißung des Aufsichtsraths der Ober- \ch{lesischen Eitenindustrie-Aktiengesell\haft für Berg- bau und Hüttenbetrieb zu Gleiwiß berihtete der Vorstand über den Abschluß des 2. Quartals l. J, welches nah Abzug aller Kosten einen Gewinn von 1253231 ÆA gegen 823593 A im 2. Quartal des Vorjahres ergiebt. Der Gewinn des 1. Semesters l. I. abzüglich aller Kosten beträgt 2588 627 M gegen 1574953 4 im 1 Semester des Vorjahres. Der Vorstand berihtet ferner über den Erwerb der im Kreise Rybnik O./S. belegenen ,Römergrube". Diese Steinkoblengrube markscheidet mit der der Gesellschaft gebörigen «Iohann Jacob-Grube® und bildet im Zusammenhang mit der leßteren einen werthvollen Grubenbesiß. Des Weiteren erwarb die Gesellschaft die in Oesterreih-S(hlesien gelegenen Magneteiseasteingruben „Karo - line“ und „Eduard“ gegen einen dur eine Reihe von 10 Jahren jährlih zu zahlenden, fest normicten Förderzins. Der aus den erwähnten Gruben geförderte Magneteisenstein ist in Folge feines hohen Eisen- und Kalkgehalts ein sehr werthvolles Schmelzmaterial und gelangt in den eigenen Hochöfen der Gesellschaft zur Verhüttung. Das Vorkommen des Eisensteins ist ein reihes, und wird, genauen Untersuhungen zufolge, selbst nah Ablauf der mit Grundzins be- lasteten zehn Jahre, noch in ausgiebiger Weise auszunüßten sein. Ueberdies pahtete die Gesellschaft gegen einen Grundzins von 8 § pro Centner die bei Scirokau O./S. belegenen Thon- eisensteinförderungen des Fürsten Radolin. Dur diesen Ver- trag ist die Geselischaft berehtigr, auf einem circa 13 (00 Morgen großen Terrain Thoneisensteine, die daselbst in reihen Mengen und in einer für den Hochofenbetrieb wohl geeigneten Qualität vorkommen, dur eine Reihe von 10, oder nah der Wahl der Gesellschaft von 15 Jahren zu fördern. Den Geschäftsgang des 3. Quartals bezeichnet der Vorftand als befriedigend.

Die nächste Börsen-Versammlung zu Essen findet am 29, September 1890 im „Berliner Hof“ statt.

Leipzig, 24. September. (W. T. B) Kammzug-Termtn- handel. La Plata. Grundmuster B. pr. September 4,80 4, pr. Oktober 4,777 #, yr. November 4,775 4, pr. Dezember 4,775 Æ, pr. Januar 4,70 46, pr. Februar 4,624 e, pr. März 4,60 4, pr. April 4,60 6, pr. Mai 4,60 4. Umsay 105 000 kg. Behauptet.

London, 24. September, (W. T. B.) Wollauktion. Stei- gende Tendenz bei lebhafter Betheiligung.

An der Küste 7 Weizenladungen angeboten.

25. September. (W, T. B.) Die Bank von England hat heute den Diskont von 4 auf 5 % erhöht.

Verkehrs - Anstalten.

Hamburg, 25. September. (W. T. B.) Der Postdampfer „California“ der amburg-Amerikanishen Patcket- fabrt-Aktiengesellshaft ist, von Hamburg kommend, gestern Nachmittag in New-York und der Postdampfer „Valesia* derselben Gesellshaft gestern in St. Thomas eingetroffen,

__— 29. September, (W. T. B.) Der Schnelldampfer „Augufta Victoria“ der Hamburg-Amerikanishen Padtetfahrt- Akt iengesellschaft hat, von New-York kommend, heute Morgen

Lizard passirt.

London, 24. September. (W. T. B.) Der Castle» Dampfer „Warwick Castle“ ist gestern auf der Heimreise in London angekommen und der Castle - Dampfer „Roslin- Castle“ heute auf der Ausreise von hier abgegangen.

295, September, (W. T. B.) Der Union-Dampfer «Moor* ist auf der Ausreise am Mittwoch von Lissabon ab- gegangen.

Theater und Musik.

Lessing-Theater.

Hugo Lubliner hat sein neues dreiaktiges Schauspiel, dessen Titel noch nit endgültig feststeht, der Direktion zur Aufführung übergeben. Das Stück bietet für die Damen Lilli Petri, Jenny Groß und Sera- phine Detschy sowie für die Hrrn. Adolf Klein, Eugen Stägemann, Hugo Ranzenberg und Franz Schönfeld hervorragende \hauspielerishe

Aufgaben. Wallner-Theater.

__ Bezüglich der vorbereiteten Novitäten hat Direktor Hasemann seine Dispositionen dahin geändert, daß das erste Auftreten Felix Schweighofer's im Wallner- Theater nähsten Dienstag, den 30, September, stattfindet, während die Première der Treptow- Mank Mven Posse. welche endgültig den Titel „Mein junger Mann“ führen wird, auf Mittwoch, den 1, Oktober, im Belle- Alliance-Theater festgeseßt ist.

Philharmonie. _ Das Programm des ersten Concerts unter H. von Bülow?s Leitung enthält Seb. Bah's Orthester-Suite D-dur, das 4. Klavier- Concert von Saint-Saëns, eiue neue Rhapsodie von Svendsen und Beethoven's C-moll-Symphonie. Fr. Teresa Carreño wird das Klavier: Concert spielen. j

Mannigfaltiges.

Ueber das Brandunglück in der Friedrichstraße am 19, September (vgl. Nr. 227 des „R- u. St.-A.*“), welchem vier Meuschenleben zum Opfer fielen, war in der Presse eine lebhafte Er- örterung über die Schuldfrage entstanden und insbesondere der Feuer- wehr der Vorwurf gemaht worden, daß sie die beiden Kinder des Hrn. Fuchs bätte retten können, wenn sie den Rathschlägen der Be- wohner des Hauses und namentlih des Scauspielers Hrn. Kadelburg gefolgt wäre. Dieser Erörterung dürfte durch die nachstehende uns zur Veröffentlichung gesandte Bekanntmachung des Herrn Polizei, - Präsidenten Freiherrn von Richthofen ein vorläufiges Ziel geseßt worden sein: «Mit Rücksicht auf die Erörterungen, welche das {were Brand- unglück auf dem Grundstück Friedrichstraße Nr, 134 in der Presse

hervorgerufen hat, bringe ich von den bisherigen amtlichen Fest- stellungen vorläufig Folgendes zur öffentlichen Kenntniß: Die Feuer-

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