1890 / 234 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 29 Sep 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Aus Washington liegt folgende Mittheilung des „W. T. B.“ vor : Die Repräsentantenkammer berieth am Sonnabend die Tarifbill nah dem von der gemeinsamen Konferenz beider Häuser erstatteten Bericht und nahm däe Bill endgültig mit 151 gegen 79 Stimmen an. Hierauf vertagte sich das Haus bis zum 20. d. M.

Der Großherzoglich hessishe Gesandte am hiesigen Aller- höchsten Hofe, Wirklihe Geheime Rath Dr. Neidhardt ist vom Urlaub nah Berlin zurücgekehrt und hat die Ge- schäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der Königlich italicnishe Botschafter am hiesigen Aller- höchsten Hofe Graf de Launay it vom Urlaub nah Berlin zurücgekchrt und hat die Geschäfte der Botschaf,

wieder übernommen.

Der Commandeur der 34. Division, General-Lieutenant von Bartenwerffer, ist mit Urlaub von Mey hier an- gekommen.

Se. Durtlaucht der Prinz Albert zu Sach]sen- Altenburg, Commandeur der 3. Garde-Kavallerie-Brigade

hat sich mit längerem Urlaub nah Rujssish-Polen begeben.

S. M. Kanonenboot „Wo lf“, Kommandant Korvetten- Kapitän Credner, ist am 27, September in Nagasaki eingetroffen.

Magdeburg, 28. September. Die gestrigen Schieß- versuhe des Grusonwerks auf dem Scießplage bei Tangermünde nahmen, der „Magdeb. Ztg.“ zufolge, folgenden Verlauf: i S

Die Versuche begannen mit der Besichtigung und Er- klärung von drei verschiedenen Panzer-Laffeten, und zwar sür eine 12 cm-Sqnellfeuer-Haubiße, einen 12 cm-Mörser und eine 12 cm-Kanone, sowie von einem Panzerthurm für zwei 15 em-Kanonen und einem Panzerstand sür einen 12 em- Mörser. Gleichzeitig wurde eine in ihre sämmtlichen Theile zerlegte Panzer-Laffete für eine 12 cm-Schnellfeuer-Haubißtze zusammengestellt. Das Geshüy war nah 1/4 Stunden shußbereit. Hiernah trat eine Pause ein und es folgten odann : | 1. Versu&e mit einer Panzerlaffete für eine 12 cm-S&nellfeuer- L L. 13. Es wurde zunächst das Aus- und Einlegen des Robrs gezeigt und dann mit scharfen Ringgranaten Scnellfeuer gegeben. Das Auslegen des Rohrs dauerte 6 Minuten 30 Sekunden, das Wiedereinlegen 10 Minuten 15 Sekunden. Eine volle Umdrehung der Laffete nah reckchts oder links dauerte 8 Sekunden. Der erste Schuß gegen das 4500 m entfernte Ziel ging des heftigen, von links wehenden Windes wegen etwas nah der rechten Waldkante, der zweite saß in der Mitte. Sodann wurden in 35 Sekunden 11 Schüsse abgefeuert. Die hierbei erzielten Treffergebnisse waren recht befriedigend. Interessant war es, bei diesen Schüssen den bei der verhältnißmäßig geringen Anfangsgeschwindigkeit deutlich sichtbaren Flug der Granaten zu beobachten. : 5 E

11. Versu mit einem Panzerstand für einen 12 em-Mörser. Das Ziel war eine 2500 m entfernte Belagerungt-Batterie, die mit {warfen Granaten beschossen wurde. Das Gewicht des Rohrs mit Kugel beträgt 1000 kg, das der Ringgrara:e 16,4 kg, das des Panzerstandes 12 700 kg. Abgegeben wurden 18 Schüsse. Das Treffergebniß war ein gutes. i

111. Versu mit einer Panzerlaffete für eine 21 cm-Haubitze L. 12 (Krupp). Es wurden 4 Schüsse gegen die freie Cbine abgegeben. Das Gewicht des Rohrs beträgt 3030 kg, das der gußeisernen Wand- granate 91 kg, das der Ladung priémanchen Pulvers 7,25 kg, das der Panzerlaffete mit Vorpanzer ohne Kanone 86000 kg. Die Granate hat eine Anfangsgeshwindigkeit von 300 m. Bei Aende- rung der Höhenrihtung von —+ 35° bis + 59% durch vier Mann mit Handrad werden 160 Sekunden_ gebraucht. Eine ganze Umdrehung der Laffete erfolgt in 50 Sekunden Zur Be- dienung sind 5 Mann erforderlich, Bei den Schüssen fand eine starke, die Aussiht auf das Ziel versperrende Raucentwicklung statt, die aber darauf zurüfzuführen war, daß der Panzerthurm von allen Seiten freistand und der Rauch durch die Eingangêtreppe drang ; im Ernst- fall ift der Thurm tief eingebaut und geschlossen, so daß der Pulver- dampf ledigli durch die Geshüßscharte entweiht. Der Knall des Schusses war sehr stark. Verschiedene Herren wohnten im Thurm der Abgabe des Schusses bei.

1V, Versuch mit einem Panzerthurm für zwei 15 _cm-Kanonen L. 2% (Krupp) in Laffeten ohne Rücklauf. Es wurden Salven gegen die freie Ebene abgegeben. Das Gewicht jedes Rohrs betrug etwa 3000 kg, das der Panzergranate 39 kg, das der Ladung priëmatischen Pulvers 9 kg, das des ganzen LThurms mit Vorpanzer ohne Kanonen etwa 244000 kg, Die Anfangsgeschwindigkeit der Granate beträgt 480 m in der Sekunde. Bei Aenderung der Hözenrihtung werden für je 19 3 Sekunden gerechnct. Eine ganze Umdrehung durch 6 Mann erfolgt in 50 Sekunden. Zur Be- dienung sind 16 Mann erforderlich. Auch bei diesem Versuche, der wie der vorige nicht mit rau(loscm, sondern mit prismatishem Pulver gemacht wurde, war bei der Beobahtung von Außen die NRauwentwickelung bedeutend und der Knall sehr stark. Im Thurm, in dem sih außer der Bedienung bei jeder Salve mindestens noch je 12 Herren befanden, war bei ges{lossenem Einsteigloh von Rauch oder Knall jedoch nur sehr wenig zu spüren, was von allen Seiten vielfahe Beachtung fand. Einzelne Herren wohnten Bebufs genauer Beobahtung sämmtlichen Salven bei und sprachen si schr an- erkennend über die Konstruktion, über das ruhige und sichere Funk- tioniren der einzelnen Vorrichtungen und über die Einfachheit der Handhabung der Geshüße und des Panzerthurms felbst aus, Ein Herr versicherte sogar, es wäce während des Schicßens im Thurm „sehr angenehm“.

v. Vorführung der zusammengeseßten zerlegbaren Panzerlaffete für eine 12 cm-Sónellfeuer-Haubitze L. 13, Diese Laffete war am Vormittag vor den Augen der Theilnehmer zusammengeseßt worden. Aus dem Geshüß wurden einzelne Schüsse gegen die freie Ebene abgegeben. Das Gewicht des Rohrs beträgt 500 kg, das der MRinggranate 16,4 kg, das der Laffete obne Rohr 17 500 kg. Die Anfangsgeshwindigkeit der Granate beträgt 302 m in der Sekunde. Für eine ganze Umdrehung der Laffete sind 10 Se- funden erforderlih. Die Munitions- Ausrüstung besteht aus 600 Schuß. Die Scußzahl in der Minute beträgt 10—15. Zur Bedienung sind 2 Mann erforderlich. Es wurde durch die Abgabe der Schüsse der Beweis geliefert, daß die Panzerlaffete thatsählih in gefechtsfähigem Zustande war.

VI. Zum Schluß wurden noch einige Umdrehungen der Panzer- thürme vorgeführt. Der größte bei dem vierten Versuch benußte wurde von 6 Mann in 41 und 42 Sekunden gänzlih umgedreht, ein kleinerer zu dem dritten Versu benußter zwei Mal in 30 Sekunden, der am Vormittag zusammengeseßte zwei Mal in 18} Sekunden.

Damit hatten die Versuche ihr Ende erreicht.

Kiel, 29. September. Gestern Abend fand hier im Marine-Offizier-Kasino, wie „W. T. B.“ meldet, zu Ehren der Offiziere der amerikanishen Korvette „Balti- more“ eine Festlichkeit siatt.

R T E A REMES

Alljährlih am S@hluß der Hafensperreübungen findet ein Probeshießen mit geladenen Torpedos statt. Die Uebung wurde, wie wir der „Kieler Ztg.“ ent- nehmen, am Donnerstag Morgen in der Wieker Bucht beendet. Jn derselben war ein Holzprahm verankert, der als Eis benußt werden sollte. Die zweite Torpedoboots-

ivision kam mit vollem Dampf von Friedrihsort in die Föhrde hineingefahren, jedes Boot hatte einen geladenen Torpedo im Lancirrohbr und harrte des Signals vom Divisionsboot „D 5“, welches Boot den Shuß abgeben sollte. Das Loos hatte das Divisionsboot selbst getroffen und ein wohlgezielter Shuß auf 200 Meter Entfernung und in voller Fahrt abgegeben, traf den Prahm, der sofort versank. Gleichzeitig erhob sih eine hohe Wassersäule mit Holztrümmern darunter. Nur Stücke Holz shwammen auf dem Wasser und gaben Zeugniß ab von der furchtbaren Wirkung, die ein Torpedo hat.

Köln, 28. September. Der Reihs-Kommissar Major von Wissmann hielt am Sonnabend bei seiner Anwesenheit in Köln, wie hon in voriger Nummer kurz erwähnt, in einem Kreise geladener Kolonialfreunde einen Vortrag über Deutsh-Ost-Afrika, über welhen wir nah der „Köl - nishen Zeitung“ Folgendes berichten :

Hr. von Wissmann theilte zunächst mit, daß er über seine zukünftige Bestimmung selbst noch nihts wisse, er könne daher nur sagen, was er wünsche. Die Entschädigung des Sultans von Sansibar werde heffentlih bald erledigt sein. Die Legung eines Telegraphenkabels von Dar-es-Salaam über Saadani nach Panga müsse in Angriff genommen werden, ebenso südwärts nach Mikindani. Das Haupt- quartier müsse von Sansibar verlegt werden. Vorgeschlagen seien Bagamoyo und Dar-es-Salaam. Bagamoyo habe das nächste Jabr- zent hindur gewiß noch die Führung im Handel der Küste. Die íIndier, welche den Handel ohne jeden Wettbewerb von Euro- pâern in der Hand hätten, seien wie die Araber durchaus fon- servativ in ihren Gewohnheiten und würden einer Verlegung Wider- stand leisten. Die Verbindung von Dar-es-Salaam und Bagamoyo durch eine Eisenbahn bezeichnete Hr. von Wissmann als leit möglich. Die 60 km lange Strecke müsse auf den Höhen 4— ò km von der Küste geführt werden. Der Privatunternebmung müsse man den Eisenbahnbau in das Innere überlassen. Am wichtigsten erscheint dem Major von Wissmann die Anshaffung von Dampfern auf den Seen. Ost-Afrika habe zwei Küsten, cine am Ozean, eine an den Seen. Es handle si darum, mit den Dampfern die Sklaventransporte über die Seen unmöglich zu machen ; ein Dampfer mit einem Geschüß reiche auf jedem Sce aus. Segelfahrzeuge besäßen nicht die nothwendige Geschwindigkeit, um die Dhaus zu überholen. Die Dampfer müßten seetüchtig sein, da sie {weren Seegang zu überwinden haben, eine Geschwindigkeit von mindestens 8 Krot:n sei erforderlich. Für den Dampfer auf dem Victoria-See, der übrigens nur 70—80 000 A. kostet, sei der Trans- port {on vorbereitet. Der bekannte Jrländer Stokes habe am 1, Juni 1891 vertragësmäßig in Saadani mit 6000 Trägern - zu ersheinen. In Lasten bis zu 60 Pfund verpackt, soll dann der Dampfer in das Innere befördert werden. Die Waniamwesi, welche als Träger dienen sollen, seien ausgezeichnet. Die übrigen zwei Dampfer müßten über fremdes Gebiet auf dem Wasserwege trans- portirt werden, zum Nyassa-See seien nur zwei Tagereisen zu Land zu machen, zum Tanganjika 22 Tagereisen. England werde man ficher zuvorkommen, wenn bis zum 1. Suni 1891 alles in Saadani sei. Die Streckte, welche ein englisher Transport von VMombas aus dur das Hinterland zu durchmessen habe, sei nvr in der Regenzeit zu überwinden. Auf Anfragen aus der Versammlung, wie ch6 denn die Montage an Ort und Stelle ermögli%ven lafse, erwähnte Herr von Wissmann, Emin Pascha sei beauftragt, an dem Victoria - Nyanza - See einen Hafen anzu- legen. Von dem Südende des Sees würden die Theile des Dampfers auf Booten zum Hafen gebracht und dort dur euro- päishe Zimmerleute und Schiffsbauleute zusammengeseßt werden. Diese Leute seien jeßt bei dem Bau des Dampfers zugegen und bâtten sih verpflichtet, an ten See mitzugehen. Als Brennrnaterial wird Holz verwandt werden. Die Heizeinrihtungen der Dampfer auf dem Congo seien jeßt {hon darauf cingerictet. Das harte fnorrige Holz der Savannenbäume is dazu äußerst geeignet. Sobald die Neger einsehen, daß sie durch Holzlieferungen Geld verdienen tönnen, \ckaffen sie massenhaft Material herbei. Wenn wir mit den Dampfern auf dem Victoria-Nyanza den Engländern zuvorkommen, so würde unser pvolitisces Ansehen, das jeßt {hon durch Peters und Emin Pascha sehr groß sei, noch vermehrt werden. Auch die Theilnahme des kräftigen Stammes der Waniamwesi an den Kämpfen gegen Buschiri habe dazu beigetragen. Andere Anfragen über den Werth Mafias bean1wortete der Reihs-Kommissar dabin, daß der Hauptwerth darin beruhe, daß England es nicht besiße und also auch den Handel nicht von den südlihen Häfen des deutichen Gebiets dorthin ablenken könne. Bisher sei die Insel ein Zvfluchtsort der Sklavenhändler gewesen, das höre jeßt auf. Die bisher in Sansibar angesiedelten deu:\hen Firmen würden vorläufig nur Filialen na Bagamoyo verlegen. : ; :

Hr. von Gravenreuth bemerkte im Anschluß hieran, daß in Bagamoyo die Hindus eine Kapitalmaht von 60 Millionen dar- stellten. Sie haben sh seiaerzeit erboten, die Eisenbahn zwischen Dar-es-Salaam und Bagamoyo auf eigene Kosten herzustellen. Auch die Sflavenfrage wurde im Laufe der Verhandlung berührt und Major von Wissmann konnte erklären, daß in Deutsch-Oft-Afrika keine Sklaven mebr gejagt würden. Alle kämen jcht aus dem Congo- staat. Tippu- Tip sei, wie Hr. von Wissmann hervorhob, nur dadurch noch im Besiß seiner Macht im Congostaat, daß diesem die Kraft fehle, ihn zu vertreiben.

An dem Essen, welches sich an die Besprehung \{loß, betheiligten sih gegen 200 Perjonen. Hr. von Wissmann saß zwischen dem Herrn Erzbischof und dem Geheimen Rath Langen, links von ihm Hr. v. Gravenreuth. Der Herr Er z- bischof gedachte, nah der „Köln. Volksztg.“, in einem Trink- spruch zunächst Sr. Majestät des Kaisers mit etwa folgenden Worten: Die friedlichen - Kulturbestrebungen, welchen die afrikanische Kolonisation diene, und deren Förderer Major von Wissmann auch durch seine Kriegsthaten gewesen sei, haben Bestand und Vorbild in den edlen Bestrebungen des Fürsten, den Gottes Vorsehung an die Spiye Deutschlands und Preußens gestellt hat, der den äußeren Frieden sichert durch enge, au persönliche Beziehungen zu jenen Staaten, von welchen derselbe abhängt, den inneren Frieben durh Be- strebungen auf staatlihem Boden, welche die soziale Kluft zu überbrückten geeignet sind, und der in fernen Landen die Grundlage schafft zur Verbreitung des Christenthums. Be- geisiert klang das Hoh auf Se. Majestät in den Räumen wider. Der Geheime Kommerzien-Rath Langen toastete auf Hrn. von Wissmann, der mit einem Hoch auf Rheinland und Westfalen antwortete. Hr. Professor Fabri brachte sein Hoh aus auf die koloniale Sache, die in einen neuen Abschnitt getreten sei, und betonte vor Allem, wie wichtig und naheliegend die ein- trächtige Betheiligung beider Bekenntnisse an dem großen Werke sei. Hr. Ober-Staatsanwalt Hamm sprach mit zündenden Worten von der Pflicht, Hrn. von Wissmann die ittel zur Verfügung zu stellen, einen Dampfer auf den Seen zu haben. Er feierte unsere Marine, die so wacker mitgekämpft habe.

Abends fand im großen Saale des Gürzenih ein Komumers statt. Geheimer Kommerzien-Rath Langen eröffnete denselben mit einer Begrüßung des Reichs-Kommissars und

des Chefs in der ostafrikanishen Schußtruppe Freiherrn von Gravenreuth. Sodann brachte der Gouverneur von Köln den Toast auf Se. Majestät den Kaiser aus. Ober-Landes- gerihts:Präsident Struckmann toastete auf den Reichs- Kommissar, dieser auf die Stadt Köln, Oberlehrer Domherr Hespersaaf auf den Freiherrn von Gravenreuth und Leßterer auf die deutsche Einigkeit und das deutsche Nationalgefühl. Für den Seedampfer wurden während des Festessens und Kommerses 31300 H gezeichnet. p

Am Sonntag früh reisten Herr von Wissmann. und Freiherr von Gravenreuth zu einem Besuch der Krupp- chen Werke nah Essen.

Sigmaringen, 29. September. Jhre Königliche Hoheit die Gräfin von Flandern is, wie der „St. A. f. W.“ meldet, mit ihren Kindern vorgestern aus Brüssel hier ein- getroffen. Das Sr. Königlichen Hoheit dem Fürsten Carl Anton von Hohenzollern errihtete Denkmal wird dem „W. T. B.“ zufolge am 21. Oktober enthüllt werden.

Se. Hoheit der Fürst von Hohenzollern ist heute mit dem Prinzen Friedrich von Hohenzollern auf seine in Norddeutschland gelegenen Besißungen zur Jagd abgereist.

Bayern.

München, 28. September. Se. Königliche Hoheit der Prinz-Regent traf mit seinem Sohne, dem Prinzen Arnulph, und (im Jagdgefolge) den beiden Flügeladjutanten Ritter von Wiedenmann und Freiherr von do!féfeel sowie Universitäts - Professor Dr. Angerer gestern Nach- mittag 13/4 Uhr mittelst Sonderzuges hier „wieder ein. Heute früh begab sich der Prinz-Regent mittelst Sonderzuges nach Berchtesgaden. Jn der Begleitung be- finden si die beiden obengenannten Flügel-Adjutanten Leibarzt Dr. Halmund Hof-Jagdinspektor Krembs. PrinzArnulph hat si bereits gestern Abend über Jnnsbruck nah Schloß Leopoldstein inSteiermark begeben.— Herzog Anton von Montpensier ist gestern Mittag zum Besuh seiner hohen Verwandten mit dem Orientexpreßzug aus Paris angekommen. Sein Schwager, Prinz Ludwig Ferdinand, empfing ihn am Central- bahnhof und geleitete ihn nah Schloß Nymphenburg, wo bereits des Herzogs Gemahlin weilt.

Jn Bamberg erwartet man, der „Allg. Ztg.“ zufolge, täglih die päpstliche Zustimmung zur Ernennung des Dom- propstes Dr. Joseph Sch ork zum Erzbischof von Bamberg.

Württemberg.

Stuttgart, 27. September. Jn Friedrichshafen famen gestern geaen 2 Uhr Nachmittags Se. Hoheit der Für st| und Jhre Königliche Hoheit die Fürstin von Hohen- zollern mit Sr. Durhlaucht dem Prinzen Carl, von der Weinburg kommend, nebst Gefolge mittelst Extraboots an, nahmen bei Jhren Königlichen Majestäten das Diner ein und fuhren um 4 Uhr mit Sonderzug nah Sigmaringen weiter.

Vaden.

Karlsruhe, 28. September. Zur Feier des Jahres- tages der Einnahme von Stra burg versammelten sih heute die ehemaligen Angehörigen des Leib-Grenadier- Regiments Nr. 109 zu einer kameradschastlichen fest lihen Zusammenkunft in hiesiger Stadt. „W. T. Bi berihtet darüber: An einen Festzug mit ausgezeichnet gelun- genen Beziehungen auf die Geschihte des Regiments {loß sich ein Banket in der Festhalle, an welhem Tausende theilnahmen und bei welchem lebende Bilder patriotischen Jnhalts zur Dar- stellung kamen. Darauf ergriff Se. Königliche Hoheit der Gro ß- herzog, der Chef des Regiments, welcher von Baden-Baden zur Theilnahme an dem Feste hierhergekommen war, das Wort zu einer Ansprache, in welcher er für die Einladung dankte und die Hoffnung aussprach, die soeben dargestellten geshicht- lihen Bilder würden auf Alle den Eindruck machen, daß die Vergangenheit hochzuhalten sei, insbesondere die Zeit, die Deutschland geeinigt und groß gemacht habe. Der Groß- herzog ermahnte alle Anwesenden, diesen Geist in ihre Heimath zu tragen, dort zu verbreiten und besonders auf die Jugend zu übertragen, damit noch viele Generationen der großen Zeit si erinnerten, damit Alle die ganze Krast in D aufnähmen, die aus dieser Zeit auf uns übergegangen ei. Beim Scheiden begrüßte der Großherzog alle mit dem Rufe, „mit welhem wir uns immer wieder begegnen, und mit welchem im Nothfall Jung und Alt die Waffen er- greifen werden: Hoh Se. Majestät Kaiser Wilhelm hoch, hoh!“ E

Ueber die am 23. d. M. von Baden angetretene Reise der Prinzen Gustav, Wilhelm und Erik von Shweden und Norwegen sowie deren Ankunst in Stockholm am 25. beziehungsweise über ihr Eintreffen bei den Königlichen Großeltern auf Schloß Drottningholm sind günstige Nach: rihten nach Baden gelangt. Die Prinzen, insbesondere der jüngste Prinz, haben die anstrengende Reise gut ertragen. Baron Blixen, welcher die Prinzen begleitete, kehrt wieder nach Baden zurü.

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Mecklenburg-Schwerin.

Schwerin, 27. September. Den „Meckl. Nachr.“ zu- folge hat Se. Königliche Hoheit der Großherzog die Reise von Mentone nah Neapel fortgeseßt. Die Ankunft dajelbst wurde für heute Vormittag erwartet.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Weimar, 27. September. Jhre Königlichen Hoheiten der Erbgroßherzog und die Erbgroß herzogin haben si nah der „Weimar. Ztg.“ nach Hummelshain zum Besuch des Herzoglich altenburgischen Hofes begeben. Die Rückehr steht für Montag Abend zu erwarten, gleichzeitig mit der Ankunft der Prinzen-Söhne, welche nah zweitägigem Besuch d Wartburg ihre Ferien in Ettersburg verbringen werden.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Gotha, 26. September. Der gemeinschaftliche Landtagsaus\chuß der Per gam Coburg und Gotha tritt, der „Goth. Ztg.“ zufolge, am 29. d. M. Behufs Prüfung der Jahresrehnung über die gemeinschaftlihen Ein- nahmen und Ausgaben der beiden Herzogthümer auf die Zeit vom 1, Juli 1888/89 hier zusammen.

Schaumburg-Lippe.

Bückeburg, 26. September. Ueber das Jubiläum des Jäger- Bataillons wird dem „Hann. Cour.“ weiter berichtet: Dem gestrigen Festessen im Öffizierkasino wohnte auch der Fürs bei. Se. Durchlaucht toastete auf Se. Majestät den Kaiser, der Oberst-Lieutenant von Bojanowsky uf den

Chef des Bataillons, den Fürsten. Als Festgabe widmete der Fürst dem Offiziércorps zwei silberne Armleuchter, deren einer auf der Spiße die Figur eines Jägers in der Uniform von 1815 trägt, während der andere durch eine Jägerfigur in der jeßigen Uniform gekrönt wird. Die Lîeserve- offiziere stifteten einen silbernen Präsentirteller. Am heutigen Morgen fand von 7 Uhr ab das Prämienschießen statt, welches vier Stunden in Anspruch nahm. Am Nachmittag war das Offiziercorps vom Fürsten zur Tafel geladen; Abends 7 Uhr brachten ungefähr zweihundert frühere Jäger dem hohen Chef einen Fackelzug; der nen dankte für die Ovation mit einem Hoch auf das Bataillon. Um 8 Uhr begann im Zelt eine Theater-Vorstellung, um 10 Uhr zum Schluß des Festes Ball. An eine Reihe von Offizieren des Bataillons hat der Fürst Auszeichnungen verliehen.

Elsaß - Lothringen.

Straßburg, 27. September. Die von dem Domkapitel der Diözese Straßburg für die Dauer der Erledigung des Bischofssißes vorgenommene Wahl der Domherren Straub und Schmitt zu Kapitularvikaren hat die Genehmigung Sr. Majestät des Kaisers erhalten.

_Jm Laufe dieses Jahres ist, wie der „Köln. Ztg.“ ge- schrieben wird, in Lothringen eine ungewöhnlih große Zahl von Elementarlehrern theils in den zeitweiligen, theils in den dauernden Ruhestand verseßt worden. Es handelt sih dabei hauptsählich um solche Lehrkräfte, welche aus französischer Zeit übernommen wurden, damals die deutsche Sprache nicht be- herrschten und auch im Laufe der leßten zwei Jahrzehnte troß der vielfah gebotenen Gelegenheit sich die deutshe Sprache niht in genügendem Maße anzueignen vermochten. Die Be- seitigung dieser Lehrer ließ sih niht mehr länger umgehen, wenn die die „Ausbreitung des Deutschen anordnenden Be- stimmungen nicht für eine größere Anzahl von Gemeinden noch auf eine Reihe von Jahren hinaus nur auf dem Papier bleiben sollten. Entsprehenden Ersay lieferten die beiden Lehrer- seminare; auch aus Altdeutshland wurde eine Anzahl von - Lehrern hzrüber berufen. Dadurch ist es möglih geworden, daß von jeßt ab in sämmtlichen Schulen des Be- zirks regelrehter deutscher Unterricht ertheilt werden kann. Die naturgemäße Folge wird sein, daß die jezt noch für noth- wendig erachteten französishen Stunden immer mehr zu Gunsten der deutschèn verringert werden können. Fe mehr sih unter der Bevölkerung die Ueberzeugung von dem Fortbestande der gegenwärligen politishen Lage befestigt, desto mehr hält sie darauf, daß die heranwachsende Jugend deutsch lerne, ohne welhe Sprache es hon heute un- möglich ist, im öffentlichen oder ges%äftlihen Leben vorwärts zu kommon. Aus diesem Umschwung in den . Anschauungen erwächst der Schulverwaltung eine ganz bedeutende Stüße in ihrem Bestreben, der deutshen Sprache beim Volk mehr und mehr Eingang zu verschaffen.

Deutsche Kolonien.

Deutsh-Ost- Afrika. Wie der „Hamb. Corr.“ erfährt, hat die Deutsche Df A E P im Jnteresse einer baldigen Verbindung Deutschlands mit allen Pläßen Ost- Afrikas, speziell Deutsch: Ost: Afrikas, einen neuen fertigen Küstendampfer angekauft, welher demnächst nah Ost: Afrika hinausgehen soll. Der nächste Dampfer der Hauptlinie wird dadurh auch Passagiere und Güter nach allen in dem Vertrage der Gesellschaft mit dem Reichs- kanzler vorgesehenen Pläßen befördern können. Die regel- mäßige Verbindung Europas mit Tanga, Pangani, Saadani, Bagamoyo, Dar-es-Salaam, Kilwa, Lindi 2c. ist somit hergestellt; die Entscheidung der Frage, welcher dieser Pläye sih als Anlaufstation für die großen Dampfer der Hauptlinie am besten eignet, wird von den Erfahrungen und Resultaten der ersten Reisen abhängen. Mit dkm erwähnten Küstendampfer wird die Deutsche Ost-Afrika-Linie nach Fertig-

stellung von zwei Ks im Bau begriffenen ähnlihen Schiffen

drei Küstendampser besizen, welche die Namen „Wi}ss\- mann“, „Emin“ und „Peters“ führen sollen.

Oesterreich - Ungaru.

Wien, 29. September. Jhre Majestät die Kaiserin und Königin ist, wie aus Paris gemeldet wird, gestern in Algier E |

Se. Königliche Hoheit der Prinz Friedrih Leopold von Preußen ist gestern h'er eingetroffen.

Wie die „Pol. Corr.“ meldet, hat Se. Majestät der Deutsche Kaiser, Allerhöchstwelcher auf seiner bevorstehenden Reise nah Wien die österreihishe Grenze in sehr später Nachtstunde passirt, alle Empfangsfeierlichkeiten an der Grenze oder auf Oen wischenstationen dankend abgelehnt, fodaß ein festlicher mpfang ers auf dem Wiener Nordbahnhofe stattfindet. Des Weiteren wird gemeldet, daß Se. Majestät der Deutsche Kaiser nah dem Besuch, welhen Allerhöchstderselbe dem deutshen Botschafter Sr. Durchlaucht dem Prinzen Reuß im deutschen Botschastsgebäude abstatten wird, zur Fahrt nah Schönbrunn die Ringstraße, die Mariahilferstraße und die anderen sich an leßtere anschließen- den Hauptstraßen benußen wird, um auch in diesen Stadt- theilen durch persönlichen Augenschein die festlichen Veran- staltungen kennen zu lernen, welche Wien und die angrenzenden Gemeinden für seinen Empfang treffen.

Zufolge des heutigen Militär:Stationskommando-Befehls haben zum Empfange der Mittwoch, den 1. Oktober d. J., hier eintreffenden Monarchen gestellt zu sein :

Bei Ankunft Sr. Majestät des Deutschen Kaisers (9 Uhr Vormittags Nordbahnhof) eine Ehren-Compagnie mit der Fahne und der Musik des Jnfanterie Regiments riedri Wilhelm Ludwig Großherzog von Baden Nr. 50 en parade

I von Tannenreisig und in der Stärke von otten.

Bei Ankunft Sr. Majestät des Sas von Sachsen (8 Uhr 44 Minuten Vormittags Nordwestbahnhof) die Musik des Infanterie-Regiments Freiherr von Bauer Nr. 84 und eine Escadron des Dragoner-Regiments Albert König von Sachsen Nr. 3 als Ehren-Escadron zu Fuß en parade mit Feldzeichen von Tannenreisig, in der Stärke von 32 Rotten.

Die Musikkapellen haben beim Empfange die sächsische, beziehungsweise preußishe Hymne zu n: Die vorgeseßten Generale erscheinen in Gala mit dem Bande des innehabenden sächsischen, beziehungsweise preußishen Ordens.

Die Adjustirung der Garnison während der Anwesenheit Sr. Majestät des Deutschen Kaisers in Wien (Schönbrunn) ist auf Allerhöchsten Befehl in Kappen mit neuen Waffenröcken.

mit 32

Ueber die in Wien aus Anlaß der bevorstehenden An- kunft Sr. Majestät des Deutschen Kaisers herrschende Stimmung äußert die „Presse“:

Der Tag der Ankunft des Kaisers Wilhelm der 1. Oktober rüdckt immer näher und die Aus\{mückungen der Straßen, die auf das Cifrigste betrieben werden, gehen ihrer Vollendung entgegen. Wien rüstet si, um dem Deutschen Kaiser einen ebenso impofanten wie hérzlihen Empfang zu bereiten. Die Koiserstadt an der Donau seßt einen Stolz darin, die Sympathie-Kundgebungen, welche dem Herrscher Oesfterreich-Ungarns anläßlich seiner Anwesenheit in Berlin in so überreihem Maße zu Theil geworden, womöglich zu übertrumpfen. Wir sagen niht zu viel, wenn wir konstatiren, daß die Bevölkerung mit einer gewissen Aufregung dem Tage der Ankunft des Kaisers Wilhelm entgegensieht. Es ist dies die Aufregung des Hausherrn, die ihn befällt, wenn er die Vorbereitungen, die er fär den Empfang eines liebwerthen Gastes getroffen, mit einem leßten prüfenden Blick übersieht und si fragt, ob auch Alles in dem Maße gelingen wird, wie er es erhofft und erwünsht. In all:n Kreisen dec Residenz wird der Empfang des Deutschen Kaisers bespcohen, und ,allüberall giebt sih das Bestreben kund, nah besten Kräften dazu bei- zutragen, daß derselbe n auf das Glänzendste gestalte. Die Wiener find bekanntlih ein wenig Langscläfer, aber am nähsten Mittwoch wird die Wiener Million si in lauter Frühaufsteher verwandeln, denn ganz Wien will dcm Empfange des freundnachbarlichen Herrschers bei- wohnen; jeder Einzelne fühlt sib verpflichtet, durch seine Anwesen- beit auf dieser oder jener der Straßen, die der Zug passirt, fein Scherflein zu dem überwältigenden Maffenbild beizutragen, welches sich entwidein wird, wenn eben dieses ganze große Wien si ver- einigt zu dem Empfang des Deutschen Kaisers. Und es wird diesmal ein Empfang ohne besonderes miiitärishes Gepränge sein, dafür aver ein Empfang hervorgegangen. aus dem fpontanen Gefühl der Bürgerschaft, der ganzen Bevölkerung der Reichs-Haupt- und Residenzstadt. : l

_Jn dem Rechenschaftsberiht, welchen der un arishe Reichstags-Abgeordnete Jgnaz Darányi vor seinen Wählern des zweiten Bezirks erstattete, berührte derselbe auch die aus- wärtige Politik und sagte diesbezüglih: Jnmitten jener Un- gewißheit, welche die europäische Situation charakterisirt, bildet das mitteleuropäische Bündniß und dessen Festigkeit den ein- zigen fixen Punkt. Was namentlich das Bündniß mit Deutschland betrifft, hat sich diese Allianz der Herrscher und Staaten in ein Bündniß der Völker verwandelt, welches unerschüttert fortbesteht zur lebhaftesten Befriedigung der ungarischen Nation, welche dasselbe stets aufrichtigst unterstüßte.

Großbritannien und JFrliandD.

London, 28. September. Die Königin kehrt, der „Allg. Corr.“ zufolge, mit dem Hofe am 18. November nach Schloß Windsor zurück. Der Prinz und die Prinzessin Christian zu Schleswig - Holstein, welhe gegenwärtig mit ihrer Familie im Taunusgebirge weilen, treffen in der ersten Woche des November wieder in Frogmore ein.

Die Verhandlungen gegen Dillon und Genossen in Tipperary wurden am Freitag unler ruhigeren Ver- hältnissen fortgeseßt. Vorsichtshalber war der Play vor dem Gerichtsgebäude wieder von zahlreichen Schußmannjschaften und Militär beseßt, aber abgesehen davon, daß die Angeklagten vom Publikum mit Hurrahs begrüßt wurden, fand keine feindselige Kundgebung gegen die Richter oder den Staatsanwalt statt. Nach einer mehrstündigen Unterbrehung der Verhandlungen, verursaht dadurch, daß der Gerichtssaal für andere Zwecke benußt werden mußte, sezte der Staatsanwalt Ronan seine die Anklageakte begründende Rede fort; er wurde jedoch von den Angeklagten und deren Vertheidigern, Healy und Harrington, so häufig unterbrochen, daß der Gerichtshof es für angezeigt hielt, die Verhandlungen eher, als beabsichtigt war, wieder zu vertagen. Die Angeklagten waren beim Ver- lassen des Gerichtsgebäudes wieder Gegenstand einer Kund- gebung Seitens des Volkes, aber es kam zu keinen Ruhe- störungen. Jn der gestrigen Verhandlung überreichte der Vertheidiger Deputirte Heal y eine Erklärung, in welcher gegen die Theilnahme des Richters Shannon an den Ver- handlungen protestirt wird, weil derselbe einmal einen Streit mit O'Brien gehabt habe. Der Gerichtshof unterbrach die Fn dieser Erklärung unter dem Proteste der Ange- agten.

Frankrei.

Paris, 29. September. Wie die Morgenblätter berihten, sagte der Minister des Aeußern Ribot in einer gestern vor seinen Wählern in Saint - Omer gehaltenen Rede, Frank: reich, seiner Kraft sich bewußt, habe das Recht, stolz zu sein, gleihwohl bleibe es friedlih; das Ausland erkenne das gegen- wärtige Regime als ein festes und dauerhaftes an. Am Schluß seiner Ausführungen kündigte der Minister an, daß die Regierung demnächst ein Gesetz, betreffend die Entfestigung von Saint Omer, einbringen werde.

_ Gegenüber verschiedenen Blättermeldungen wird von offiziöser Stelle erklärt, daß zwishen dem früheren Minister des Aeußern Spuller und dem russishen Botschafts-Rath von Kogebue Verhandlungen über ein französish- russishes Bündniß niemals stattgefunden haben.

Das französishe Mittelmeer-Geshwader ist am 26. d. M. in der BVesika-Bay eingetroffen. Der komman- dirende Admiral desselben wird sich von dort nach Konstan- tinopel begeben. l

Wie die Morgenblätter berichten, ist in Nancy eine Persönlichkeit verhaftet worden, welche im Austrage eines Börsenagenten und an dessen Adresse ein Tele- gramm abgeshickt hatte, dem zufolge der fran- zösishe Kommissar von Avricourt deutscher- seits in einen Hinterhalt gelockt und nah Straßburg abgeführt worden wäre. Derselbe Pariser Börsenagent soll bereits im vorigen Jahre derartige unwahre Depeschen über {were Grenzzwischenfälle zum Zwecke von Börsenmanövern von Nancy hierher gesandt haben. Der Gerichtshof von Nancy hat gegen ihn die Unter- suchung eingeleitet.

Das „Journal Osfficiel“ veröffentliht ein Dekret des Präsidenten Carnot, wodurh Valenciennes aus der Liste der befestigten Orte gestrichen wird.

Rußland und Polen.

St. Petersburg, 29. September, Der italienische De Baron von Marochetti ist gestern mit Urlaub abgereist.

Wie die „Nowoje E meldet, ist die Errichtung orthodoxer Tempel in Berlin, London und Madrid sowie einer zweiten Kirche in Paris projcktirt, Dem „Grashdanin“ zufolge sollen in Dorpat, Mitau, Riga und Reval russische - Theater mit Regierungsunterstügung errihtet werden.

Einem Telegramm aus Tiflis zufolge fist der nunmehr fertig gestellte große Eisenbahntunnel bei Ssuram

(Transkaukasishe Eisenbahn) gestern in Gegenwart des Ver-

kehrs8-Ministers und des Landes-Chefs feierli

S I N su E Meri. ben Fe aschkent wurde gestern zu Ehren des Finanz-

Ministers Wyshnegradsk y ein Diner gegeben, Le Sig

dieser in seiner Tischrede das außergewöhnlihe Wachsen des

Russenthums in Central-A sien konstatirte und Tur-

kTestan eine glänzende Zukunft in Aussicht stellte.

Ftalien.

Rom, 27. September. Wie nah dem „W. T. B.“ aus p unterrihteter Quelle verlautet, ist die von verschiedenen lättern verbreitete Nachricht von einer unmittelbar bevor- stehenden Reise des Minister - Präsidenten Crispi nah Berlin und Wien vollkommen unbegründet. Der römische Berichterstatter der „Polit. Corresp.“ versichert, Herr Crispi werde bei seiner in Aussicht stehenden Bankett- rede die Nüglichkeit und den Charakter des Dreibundes in ershöpfender Weise erörtern, indem er auf die Beschuldi- gungen der Radikalen erwidern und ihre Politik bekämpfen wolle; er werde sih ferner auch mit der Finanzfrage be- schäftigen. Die Rede könne daher auf allgemeines Jnteresse zählen, werde aber nicht das Programm“ bilden, welches das Kabinet für die Wahlen aufstellen will. Crispi werde ganz im Gegentheil kein Wort über diese Frage sprechen, welche erst in einem Ministerrathe, aber nicht in diesem Monat, erörtert werden solle. Jn den unterrichteten Kreisen sei man indessen weit entfernt, anzu- nehmen, daß die Auflösung der Kammern nicht stattfinden werde. Jene Kreise beschränkten sih darauf, zu erklären, daß hierüber fein Beschluß gefaßt wurde und die Frage offiziell niht auf die Tagesordnung gesezt sei. Man neige jedoch dabei der Ansicht zu, daß die Kammer shließlich doch aufgelöst und die Neuwahlen für die erste Hälfte des Monats November ausgeschrieben werden dürften.

Schweiz. Bern, 28. September.

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Der Bundesrath hat, wie dem „W. T. B.“ gemeldet wird, in seiner Sißung vom 26. d. M. die offizielle Anerkennung der jezigen Regierung von Brasilien beshlossen.

Zu der auf gestern vom Bundesrath nah Bern einbe- rufenen Konferenz Behufs Herbeiführung einer Verständi- gung zwischen den beiden Parteien im Tessin wurde der ablehnende Respini durch einen anderen Konservativen, Scazziga, und der am Erscheinen verhinderte Liberale Gabuzzi durch Pioda erseyt. Respini begründete seine Weigerung, an der Konferenz theilzunehmen, damit, daß Unterhand- lungen zwishen den beiden Parteien moralisch unmöglich seien; dieselben widersprächen dem FJuteresse des * Vater- landes, welhes mehr als je strenge Ahtung des Geseßes, der Souveränetät des Volkes und raschen und vollständigen Triumph der Gerechtigkeit verlange. Nach dem Lesen der Botschaft des Bundesraths sei er der Ansicht, daß die Haltung des leßteren eine Art Billigung und Entschuldigung der Revo- lution in sih s{ließe, und daß sie nothwendigerweise die Em- pörer ermuthigen und ernste Folgen nah sih ziehen werde. Man müsse daher zuerst die Stimme des souveränen Volkes in der nächsten Abstimmung hören. Wie der „Bund“ meldet, dauérte die Konferenz, welche im Bundesrathshause stattfand, von Vormittags 10 Uhr bis Mittags 1 Uhr. An derselben nahmen Theil alle eingeladenen neun Liberalen, von den Konservativen jedo blos Ständerath Soldati und National- rath Dazzoni, ferner der gemäßigte Staatsrath Bon- zanigo, fodann die Bundesräthe Droz und ammer und Bundes-Präsident Ruchonnet. Die Vertkketer beider Dar erklärten, daß eine gegenseitige Aussöhnung sehr wünschens- werth erscheine und daß sie nicht abgeneigt seien, in diesem Sinne zu wirken. Auch der abwesende Konservative Hr. Scaz- ziga theilte telegraphish mit, daß er bereit sei, zu einer Ver- ständigung mitzuwirken. JFmmerhin erklärten die konservativen Vertreter, daß sie keine bindenden Zusicherungen abgeben und zu keinen weiteren Maßnahmen Hand bieten könnten, bevor der rehtlihe status quo ante wieder hergestellt sein werde. Staatsrath Bonzanigo bestätigte ausdrücklih die Aussagen, welche er früher dem Bundesrath gemacht hat und welche in der Botschaft des Lehtern niedergelegt sind. Er will fest zu denselben stehen, da sie seiner Ueberzeugung und den that- sächlihen Verhältnissen durhaus entsprechen. Ferner gaben die Konservativen unumwunden zu, daß die gegen- wärtige Wahlkreiseintheilung für die Großrathswahlen sehr der Korrektur bedürse; durch eine solche könnte man einem großen Theil der Beshwerden der Liberalen abhelfen. Die Verhandlungen wurden ruhig geführt und gaben der Hoffnung Raum, daß eine Versöhnung und Verinbiauts sehr wohl erzielt werden könne, insbesondere hatten die Bundesräthe den Eindruck, der Schritt, welher unternommen wurde, sei nicht erfolglos gewesen. Eine weitere Konferenz dürfte der Sache sehr förderlich sein.

Eine Nachricht des „Vaterland“, wonah drei in Sursee eingebrahte Deutsche ausgesagt hätten, im Dienste der Auf- ständischen mit 6 Fr. Tagelohn gestanden zu haben, erklärt der „Bund“ für fal #ch Die drei Stromer sind am 26. d. M. in Bellinzona angelangt, von drei Luzerner Land- jägern begleitet. Sie haben dem Untersuhungsrichter Dr. Schneider eingestanden, daß sie am Ausstande keinen Theil genommen und auch kein Geld von den Aufständischen erhalten halten. Sie hätten nur geprahlt. Dr, Schneider seßt seine Untersuchung eifrig fort. Es s{heint nun, daß der Verdacht gegen Castioni in Betreff des Todes Rossi's niht mehr so begründet is, wie man zuerst angenommen hatte, Rossi’s Tod wird voraussichtlih immer ein mysteriöser bleiben ; doch ist festgestellt, daß sein Tod einem unglücklichen Zufall zuzuschreiben ist.

Serbien.

Belgrad, 28. September. Von 15 Wahlkreisen sind die Resultate aus 13 Kreisen bekannt. . Gewählt sind 80 Radi- kale, 5 Liberale und 1 Kandidat der Fortschritts - partei. Jn Belgrad ist der Liberale Avukumovic in Folge des geseymäßigen Grundsatzes der Minoritätsvertretung gewählt. Eine Volksmenge brachte am Freitag Abend vor dem Ao des Königs und der Wohnung des Minister-Präsidenten Gruic Ovationen dar. Wahl- exzesse sind aus keinem Bezirk gemeldet worden.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Washington, 27. September. Der Präsident hat, wie die „A. C.“ meldet, Mr. E. Burd Grub b aus New. Jersey zum amerikanishen Gesandten in Madrid und Mr. Edwin Conger aus Jova zum Ge-

sandten in Rio de Janeiro ernannt.