1910 / 218 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 16 Sep 1910 18:00:01 GMT) scan diff

Auf den Bericht vom 18. August d. J. will Jh der Gesellschaft für elekftrishe Hoch- und Untergrund- bahnen in Berlin, die zur Erweiterung ihres Unternehmens die Genehmigung: a. zur Lerstellung einer Zweiglinie bergplaßb—Tauengzienstraße—Nürnberger Straße—Nürnberger laß—Spichernstraße—Kaiserallee, b. zur Herstellung einer weiglinie Wittenbergplaßz —Tauengienstraße—Kurfürstendamm hlandstraße) sowie c. zum Umbau des Bahnhofs Wittenberg- laß behufs Einführung der Zweiglinien zu a und þ erhalten at, das Enteignungsreht zur Entziehung und zur dauernden Beschränkung des für diese Anlagen in Anspruch u nehmenden Grundeigentums verleihen. Vebersichtskarten erfolgen zurück. Berlin, den 4. September 1910. Wilhelm R. von Breitenbach.

An den Minister der öffentlihen Arbeiten.

Ministerium für Handel und Gewerbe.

Der Regierungsassessor von Anker in Berlin ist zum stellvertretenden Vorsißenden der Schiedsgerichte für Arbeiter- versicherung Stadtkreis Berlin und Regierungsbezirk Potsdam und des Schiedsgerichts für die Arbeiterversicherung im Eisen- bahndirektionsbezirk Berlin ernannt und der Regierungsassessor Dr. Erlen § daselbst von diesem Amt entbunden worden.

Ministerium der geistlihen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten.

Der Refor 0e Seminaroberlehrer Carl Ziegler aus Neustadt Westpr. ist zum Kreisschulinspektor in Heydekrug ernannt worden.

Der Arzt Dr. Neumann aus Kreuzburg O.-Schl. ist um Kreisarzt ernannt und mit der Verwaltung des Kreisarzt- bezirkes Kreis Rosenberg O.-Schl. beauftragt worden.

Angekommen: Seine ey der Unterstaatssekretär im Reichsamt des

Junern, Wirkliche Geheime Rat Dr. Richter, von seiner Dienstreise nah Brüssel.

Nichlamlklicßes. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 16. September.

Während der weiteren Abwesenheit des Königlich württem- bergischen Gesandten Freiherrn von Varnbüler Ae der die Gaste ber Getardi Ministerialrat Dr. von Köhler die Geschäfte der Gesandtschaft.

Der Königlich dänische Gesandte von Hegermann- Lindencrone hat Berlin verlassen. Während seiner Ah- wesenheit führt der Legationssekretär Nörgaard die Geschäfte der Gesandtschaft.

Oesterreih-Ungarn.

Der österreichishe Ministerrat hat, einer Meldung des W. T. B.“ zufolge, beschlossen, sofort mit der ungarischen Regierung wegen provisorischer Bewilligung der Einfuhr argentinischen Is in Verhandlung zu treten. anf t wurde vorläufig für eine probeweise Einfuhr ein ontingent von zehntausend Tonnen in Aussicht genommen.

Der A würde nur unter ausdrücklicher Herkunftsbezeich- nung zu gestatten sein.

Nachdem auch die Tschechish-Nadikalen die Entsendung von Vertretern zu den Verständigungskonferenzen be- jen P haben, ist die Teilnahme aller deutschen und tshechi-

en Parteien an diesen Konferenzen gesichert. Der Oberst- andmarschall Ferdinand Prinz von Lobkowiß hat gestern an den Statthalter von Böhmen und an die Vertreter der deutschen und tschechishen Parteien Einladungen zu den nationalen Ver- eg ngaoerhanblungen gerichtet, die am 20. September in rag beginnen.

Gestern erschienen, wie, obiger Quelle zufolge, eine Wiener Korrespondenz meldet, Vertreter der koalierten Per- sonalverbände bei dem Generaldirektor der Südbahn, der V e die Zugeständnisse der Bahn zur Kenntnis brate. Jn einer hierauf stattfindenden Sizung der Vertreter wurde be- schlossen, der Generaldirektion mitzuteilen, daß die Zu- geständnisse, weil ungenügend, dem Personale zur Entscheidung nicht vorgelegt werden könnten; weiter wurde L die Vertrauensmänner telegraphisch anzuweisen, die passive Re- sistenz nur auf besondere Weisung der Leitung einzustellen.

Rußland.

um Talman des finnishen Landtages ist, W. T. B.“ zufolge, der Jungfinne Swinhuwad, zu Vize- falmans sind ein Schwede und ein Altfinne gewählt worden.

Niederlande.

Der König und die Königin der Belgier, die Königin Wilhelmina und der Prinz Heinrich der Niederlande sind gestern in Amsterdam eingetroffen.

Türkei.

Der Patriarch hat am gestrigen Abend, „W. T. B.“ zu- olge, eine Note an die Pforte gerichtet, nah der sih das atriarchat gens der angewandten Gewaltmaßregeln ge-

öwungen sehe, die Arbeiten der Versammlung zu unterbrechen, um ein Einvernehmen mit der Regierung herbeizuführen. Jn den Kreisen des Patriarchats wird diese Unterbrehung als eine Derlagung auf unbestimmte Zeit betrachtêt; man hofft jedoch auf eine Beilegung des Konflikts.

Griechenland.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat Pologeorgis die Konsuln der Kretashupmächte wissen lassen, daß er seine kretischen Aemter niederlege, um an der griechischen National- versammlung teilzunehmen, sih aber vorbehalte, beim Ablauf feines Mandats für die Nationalversammlung seine Stellung in Kreta wieder einzunehmen.

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Die eingereichten

L Asien,

Dem „Temps“ wird aus Smyrna gemeldet, daß der dortige französische Konsul infolge einer ihm von seinem Minister ‘erteilten Ermächtigung einen aus Aegypten wegen Verurteilung geflüchteten Tunesier Kitani durch zwei Ka- wassen an Bord eines absegelnden Schiffes festneh men ließ. Als Kitani hiergegen pru erhob und ausrief, daß er Ottomane sei, habe ihn die Smyrnaer Polizei den Händen der Kawassen entrissen und bit das E es geführt, wo man einen französishen Paß bei qu fand. Nichtsdestoweniger abe der türkishe Polizeikommissar troß wiederholter Reklamationen des französishen Konsuls sich geweigert, den Tunesier den A E A zu übergeben. Der „Temps“ hebt hervor, daß der französishe Minister des Auswärtigen die Ermächtigung zur Verhaftung auf Grund eines Ansuchens der algerischen Regierung erteilt habe, und fügt hinzu, daß dieser Vorfall derselben Art sei, wie die vor einiger Zeit ohne Ermächtigung des französischen Konsuls in Syrien erfolgte Verhaftung mehrerer Tunesier und die Weigerung des Mutessarifs von Jerusalem, ein vom französishen Generalkonsul überreihtes Ansuchen eines Algeriers entgegenzunehmen. Wie die „Agence Havas“ aus Konstantinopel von amtlicher Stelle erfährt, hat sich der fran- zösische Botschafter, sobald er von den Vorgängen in Smyrna Kenntnis erhielt, dieserhalb an die Pforte gewandt.

Auf die Anfrage des Vertreters Rußlands am Pekinger Hofe, ob die unter den Buddhisten in Transbaikalien umlaufenden Gerüchte, der chinesische Resident in Lhassa habe den russischen Pilgern den Zugang nah Tibet verboten, begründet seien, hat die chinesische Regierung, wie das „W. T. B.“ meldet, geantwortet, das Verbot beziehe sich nur auf Reisende; für Pilger aller Nationen sei Tibet offen.

Nah einer Meldung des „W. T. B.“ aus Kirin hat eine aus Anlaß des russish-japanishen Abkommens und der Annexion Koreas von Vertretern der Landschaft ein- berufene Versammlung beschlossen, auf eine Vermehrung der Truppenzahl in der Mandschurei hinzuwirken, japanische Waren sowie russische und japanische Wertzeichen zu boyfkottieren, Vertreter nach Per zu entsenden, die um möalichst baldige Eröffnung des Parlaments bitten sollen, und in diesem Sinne unter der“ Bevölkerung weitestgehende Agitation zu betreiben.

Afrika.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ erklärte El Mokri dem Tangerer Korrespondenten des „Temps“ bezüglich lay Madrider Mission, daß tros der versöhnlichen Ge- innung des Sultans seine Aufgabe keine leichte sein werde. So verlange die spanische Regierung, daß der Machsen seine Verantwortlichkeit für die durch den Riffeldzug entstandenen Kosten anerkenne. Der Sultan verweigere dies mit Recht, ebenso lehne Muley Hafid es ab, auf den spanischen Vor- schlag I im Nachbargebiet von Ceuta eine gemein- E U izei zu errichten, da dort die Grenze genau fest- gelegt sei.

Gestern haben die Wahlen für die Zweite Kammer des Südafrikanischen Parlaments überall unter großer Beteiligung stattgefunden. Nach den bisherigen Feststellungen sind im ganzen Lande, obiger Quelle gutolge, 34 Nationalisten, 33 Unionisten, zwei Mitglieder der Arbeiterpartei und sechs Unabhängige einschließlih der ohne Opposition gewählten Kandidaten gewähltxzorden. /

"Der im E unterlegenè Premierminister Botha erklärte in einer nah der Verkündigung des Wahlergebnisses ehaltenen Rede, er werde sein möglihstes tun, um dem Rassen- fireit ein Ende zu machen. Sein siegreiher Gegenkandidat Fißpatrick gab der Hoffnung Ausdruck, daß aus dem mit E Mitteln geführten Wahlkampf eine Zeit des Friedens und der Wohlfahrt für Südafrika hervorgehen möge, in der sein ausgezeichneter Gegner eine Hauptrolle zu spielen berufen sei.

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Parlamentarische Nachrichten.

Nach vorläufiger amtliher Feststellung haben bei der Reichtagsersaßwahl im Wahlkreise Frankfurt a. O.- Lebus der Schuhmachermeister Fa ber- Frankfurt a. O. (Soz.) 14 316, der Geheime Archivrat Winter - Magdeburg (nl. 7757 und der Arbeitersekbretär Dunkel - Berlin (kons. 6595 Stimmen erhalten.

Statiftik und Volkswirtschaft.

Die deutsche überseeische Auswanderung imMonat August 1910 und in dem gleichen Zeitraume des Vorjahrs.

Es wurden befördert deutsche Auswanderer im Monat August über 1910 1909 Seen E a T O61 1012 D a a e DOT 569

deutsche Häfen zusammen . . 1768 1581 fremde Häfen (soweit ermittelt) 218 675

überhaupt . . . 1986 2 256.

Aus deuts chen Häfen wurden im Monat August 1910 neben den 1768 deutschen Auswanderern noch 14196 Angehörige fremder Staaten befördert, davon gingen über Bremen 7471, über Hamburg 6725.

Zur Arbetterbewegung.

Aus Dortmund meldet die „Rh.-Westf. ín der gestrigen Lohntarifversammlung des heinisch-West- fälishen Brauereigewerbes den Vertretern des Boyko1tschutz- verbandes erklärt worden war, daß weitere Zugeständnisse über Ver- fürzung der Arbeit: zeit als die bereits b: kanntgegebenen (57 Stunden Arbeitezeit für die ‘Woche im Durbschnitt) niht gemacht werden könnten, die Arbeitervertreter die Verhandlungen abbreden, (Vgl. Nr. 217 d. Bl.)

Die Direktion der dösterreihischen Südbahn teilt, „W. L. B.“ zufolge, mit, infolge Scheiterns der vorgestrigen Ver- handlungen habe in der Nacht zum Donnerstag, in der Zeit zwischen 12 und 1 Uhr, die passive Nesistenz auf allen öster- reihishen Linien begonnen (vgl. Nr. 217 d. Bl.). Die Züge erlitten bedeutende Verspätungen. Der Personen- und Schnell ugs- verkehr sei bereits in A gezogen. Die Stationen May- leinsdorf, Marburg, Innsbruck, Kufstein, Triest und Laibach litten an großem Plaßmangel.

In Choisy le Roi wurden, wie ,W. T. B." meldet, etwa ein Dußend Erdarbeiter von etwa 200 Ausständigen über- fallèn und’ durhyeprügelt. Als etwa 20 Schußleute zur Hilfe- leistung herbeicilten, wurden sie von den Ausständigen {wer miß- Die Ruhest)rer vernichteten hierauf sämtlihe Werkzeuge.

tg.“, ppe nachdem

handelt.

Erst ‘als Gendarmen heranrüdten, flüchteten die Ausständigen. Doch

wurden vier von ihnen verhaftet.

K

In Barcelona find, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt 326 Metallfabriken mit 11000 Arbeitern bereits [gg schlof fen (Val: Nr. 217 d. Bl) Die Anzahl der Ausstinz? tieg am Mittwoch auf 7600. Man befürchtet die Beteiligung L Cisenbahnabeiter und der Trambahnangestellten. Es sind umfas der polizeiliche Sicherheitsmaßregeln getroffen worden. ende

(Weitere „Statistishe Nachrichten“ \. i. d. Ersten Beilage.)

Wohlfahrtspflege.

Die diesjährige Generalversammlung des Stiftungsver- Zivil-Waisenhauses in Potsdam findet Mittwoch, den v tober d. J., Nachmittags 4 Uhr, im Anstaltshause, Neue Königst p Nr. 122, daselbst statt. Die Mitglieder des Vereins werden iu f mit dem Bemerken eingeladen, daß die Rechnungen der Zivilwais, hauskasse für das Kalenderjahr 1909 im Anstalts\aale in den Via vom 12. bis 25. Oktober und am Tage der Sißung selbst vor be während dieser für die stimmberechtigten Herren ausliegen werden M

Kunft und Wissenschaft.

A. F. Die „Brandenburgia“, Gesellschaft für Heim

hat nah us der Ferienzeit den \{chwindenden E Po drei Ausflügen ia das märkische Land benußt. Am Nachmittage éa der lezten Tage des August wurde Blumberg an der Wriezener Bahn, diesseits Werneuchen, besucht und hier die alte Kir@e des statt lichen Dorfes sowie nachher der Gutspark besichtigt. Blumberg gehört wie Prediger Blasche in längerem Vortrage mitteilte, zu den ältesten Dörfern deutscher Siedelung im Osten von Berlin. Erste urkundlich Grwähnung feiner geschieht 1250. Damals gehörte es einem Nitter Dietrich von Blumberg, nah dem es wahrscheinlih benannt ist, was indessen niht ohne weiteres darauf B a läßt, daß nicht bereit vor der deutschen Ansiedlung eine wendische Niederlassung an dieser Stelle war, was durchaus wahrscheinlich ist. Später gehörte Blumbe

den Bischöfen von Brandenburg, aus deren Besitz es bei der Auflösung des Bistums an Joachim I1. überging, der es Hans von Krummens

verlieh. Spätere Besißer waren die Familie von Loeben, Fuy von Burgsdorff und der Staatsminister und bekannte märkisde Dichter Freiherr von A der hier mit seiner Gemahlin Doris von Arnim glücklihe Tage ve.lebt hat, wie mebrfah jy seinen Gedichten bekundet ist. Durh Erbgang kam Blumber nah dem Tode der kinderlosen v. Caniß (1699) an die Familie von Canstein, von ihr an die von der Schulenburgs, an dey Großkanzler von Goldbeck (F 1816), endlich an die von Arnin- Boizenburg. Ein Werner von Arnim ist der gegenwärtige Besißer, Die Kirche gehört in ihrem ältesten Teile der Mitte des 13. Jahr. hunderts an, neuere Erweiterungen stammen aus dem 15. Jahrhundert, Unter zahlreichen, thr Inneres {mückenden Bildern und Büsten fast alle Besiger find vertreten ist das Porträt des obengenannte Dichters von Canitß von besonderem Interesse. Die dreimal ber: heiratet gewesene Frau von Canstein hat den eigenartigen Gedanfa gehabt, ihr Porträt mit denen ihrer drei Ehegatten zu einem Bilde vereinigen zu lassen. Die Gruft unter der Kirche beherbergt di irdischen Ueberreste von Mitgliedern der Familien mehrerer Vorbesig, Gine Wanderung durch den im Schmuck des Sommers Vránacis Park beendigte den als recht [Tohnend anerkannten Ausflug.

__ Nach Westen hin, nämlich nach Nathenow, war die zweite, einen ganzen Sonntag beanspruchende Wanderfahrt gerichtet. Auf dem Bahnhof von zahlreichen Nathenower Herren begrüßt, die si während des ganzen Tages der Führung ihrer Berliner Gäste dankens: wert unterzogen, nahm die Gesellschaft ihren Weg zuerst zu den Denkmal des ebenso berühmten als volfstümlihen Feldmarschall pas Joachim von Zieten. Es ist auf dem Kasernen ofe des hier in Garnison liegenden Zieten - Husarenregiments errihtet und besteht in einer bronzenen Kolossalbüste, deren Aehnlichkeit mit dem Urbilde auf Grund der leßten von Zieten vor handenen Porträts zweifellos ist. Rathenow ist seit 1731 dauernd Garnisonstadt gewesen. Bis zu: den Kriegen im Anfang des vorigen Jahrhunderts lagen hier in Bürgerquartieren 2 Schwadronen dei Leibkarabinerregiments, auch Derfflingsche Dragoner enannt, desselben Regimen1s, das sih am 15. Juni 1675, dem Tage der Ueber rumpelung des von den Schweden beseßten Nathenow, rühmli aut gezeichnet hatte. Die Husaren kamen erst im Laufe des 19. Jahrhundert, nachdem zur Aufnahme des ganzen Regiments eine stattliche Kaserne erbau worden war. Sie liegt weit außerhalb der Altstadt von Rathenow, an der mit Häusern neuen Ursprungs bebauten Me nach den ziemlih entfernt liegenden Bahnhof. Jene Altstadt bildet zurzeit überhaupt den bei weitem kleineren Teil von Rathenow, nachdem dit leßten 35 Jahre einen großartigen Aufshwung gebraht haben, der sich in der Erhöhung der Einwohnerzahl von 7000 auf 24700 bekundet. Jm Jahre 1800 war die Einwohnerzahl erst 4080. Dr 1733 in den ersten Anfängen begründeten Neustadt gehört auch da! 1894 von Schwechten in edlem Stil aus den weit und brei bekannten Rathenower Ziegeln in Basteinrohbau erbaute, inmitten {höner Gartenanlagen belegene Kreishaus an, dem der nächste Besu galt. Hier in dem mit sehr gediegenen Glasgemälden, di Wappen der in Westhavelland begüterten Adelsgeschledte darstellend, geshmüdckten Saal wurde ein fkostbarer alter Kelch mit Patene, ein ausgezeihnetes Werk der Goldshmiedekunst mit herrlicher Goldfiligranarbeit, vorgezeigt, der s seit einigen Jahr hunderten im Besiy von Rathenow befindet. An seine Erwerbuns, angeblich während des 30 jährigen Krieges, knüpft \ich eine auf ihrer möglicherweise rihtigen Kern nicht mehr zu untersuhende Sagt Der Kelch war vor einiger Zeit zum Kauf ausgeboten worden, in det Absicht, daraus einen Fonds für eine zweite bei der Vergrößerung de Stadt erwünschte Kirche zu gewinnen; es wurde indessen ein annehn bares Gebot niht erzielt. Auf der weiteren Wanderung dur Rathenow wurden Bleis wenigstens die großen optischen Etablissements von Nitsche u. Günter sowie der Aktien gesellshaft Busch gezeigt, die zusammen etwa 2000 Personen beschäf tigen, und alsdann zweien Denkmälern Aufmerksamkeit geschenkt, dié solhe in verschiedenem Sinne verdienen; das eine vor allem dur di: [ebensvolle Darstellung, die in überlebensgroßem bronzenen Stand bilde General von Rosenberg gefunden hat, der einst Kommandei! des Zieten-Regiments war und im letzten Feldzuge als hervorragende! Reiterführer, im nachfolgenden Frieden als Leiter der Reitschule in Hannover bekannt geworden ist. Ganz verschieden hiervon ist der Ein druck eines bereits 1736 dur die Nitterschaft von Westhavelland dem Großen Kurfürsten auf dem Paradeplay errichteten Denkmal. Sein Schöpfer war Glume, ein Schüler des großen Meisters Schlüter, und manche Züge des aus Sandstein errihteten Stand bildes erinnern auch an Schlütershe Vorbilder, so die Anbringunt von 4 überlebensgroßen sißenden Figuren von Kriegsgefangenen ode Sklaven (als folhe E etten gekennzeihnet), welche ¿ie 4 Ede oder Blenden am Unterbau des sich über 10 m erhebenden Denkmal! einnehmen und die gleiche Idee verkörpern, die am Berliner Reiter

denkmal des Großen Kurfürsten is zum Ausdruck gebracht ist F Der Kurfürst, dem Geshmack des Barockz

l 0 eitalters entsprechend, in de Gewandung eines römischen Imperators, trägt in gebietende! Haltung den Kommandostab in der Rechten. Die Seiten de Unterbaues zeigen nächst zwei Kurfürstlichen Wappen, das eint mit der Unterschrift „Gott mit uns“, das andere mit dem Wapper \spruch des englis en Hosenbandordens „Honny soit qui mal) Penag, verseben, in jedem der vier Felder ein figurenreiches Basrelie|, ezeihnet als „Schlacht bey Fehrbellin d. 18. Zun 1675“, „Massacr( in Rathenow d. 15. Juny 1675“, „Bataille bey Warschau ‘d. 20. Zuly 1656“ und „Eroberung der Festung Stralsund d. 11. Oktober 1678" Eine Merkwürdigkeit knüpft sih an das Denkmal: Es gibt eint früher durch einen runden Stein im Pflaster bezeichnet gewesen Stelle, links etwa 20 Schritt seitwärts des Denkmals, von dtr aus man die Nasen aller fünf an ihm zur Tone Y brahten Gestalten sieht. Das Denkmal heißt deshalb im Voll

munde das Rg E Natürlich hat sich die Sage au bereits dieser Zufsälligkeit bemächtigt. Sie erzählt darüber folgendes: Der ausführende Künstler, über die tadelnde Kritik des den Bestellern vorgeführten Modells, daß die Nasen der 4 Sklaven im Vergleich zu der getreu wiedergegebenen Adlernase der Hauptperson zu fein ausgefallen

seien, erzürnt, soll absihtlich die Nasen der Figuren am Unterbau *

besonders krästig modelliert haben, auf daß man alle fünf gleichzeitig sehen und. vergleichen könne. Bei der weiteren Wanderung gelangte die Gesellshaft an einen Punkt des Stadtgrabens, der gegenüber einer Stelle der Altstadt am jenseitigen steilen Ufer liegt, an der in einer Winternacht von 1394 die Söldner des die Mark befehdenden Magdeburger Bischofs die Stadt überfallen hatten. Schriftsteller Wilhelm Koßde schilderte hier dies zu den traurigsten Erinnerungen MNatklenows gehörende Ereignis, bei dem die Bürger ausgeplündert und aus der Stadt vertrieben wurden, in lebhaften Farben. Es ist typisch für die Herrschaft des Faustrechts, das unter dem Regiment des pflihtvergessenen Markgrafen Jobst blühte und die Städte zur Selbsthilfe zwang. Noch. in demselben Jahre {loß \sih Rathenow dem Trußzbunde an, zu dem Berlin, Cöln, Brandenburg, Nauen und Spandau sich vereinigt hatten. Da Rathenow gegen das damals dem Magdeburger Bischof gehörige Ferihower Land am Lo linken Havelufer Grenzposten war, dür{te sein Anschluß an den Bund den anderen Städten willkommen ewesen sein. Der Weg führte nun an eine Oertlichkeit, die in ihrem Fman „der Weinberg“ daran erinnert, daß auch in Rathenow, wie an vielen anderen Stellen der Mark, einst die Rebe angebaut worden ist. Die Zeit liegt gar niht soweit zurück. Offenbar wurde diese Kultur von den rheinishen und fränkishen Kolonisten ein- geführt, ‘die Albreht der Bär ins Land rief; denn die erste Er- wähnung datiert von 1175, wo vom Weinbau auf den Pariumger Bergen bei Brandenburg die Rede ist. Von den Hohenzollern waren die ersten beiden Kurfürsten und später Joachim 11. und Johann Georg eifrige Förderer des Weinbaues. Die Umgegend von Nathenow muß nicht gerade zu den erfolgreichen Weingeländen gehört haben; denn 1612 sah (9 der Rat zu ernstlihen Schritten genötigt, um dem Verfall des Weinbaues Einhalt zu tun. Nach 1740 bestanden hier von 70 früher vorhanden gewesenen Weingärten 46, und noch 1798 wurden 28 Orhoft gekeltert. Das Aufhören des Rathenower Wein- baues gehört also ganz dem veränderungslustigen 19. Jahrhundert an. Er vershwand nahezu gleichzeitig mit dem Gewerbe der Tuchmacherei, das an vielen Orten des östlichen Deutschland in Verbindung mit dem Weinbau genannt wird, obgleih ein innerer Zusammenhang kaum ersihtlich ist, es sei denn in der historisch nachgewiesenen Gleich- zeitigkeit der Einführung beider Erwerbszweige, des einen dur flamändische, den anderen dur rheinishe und fränkishe Einwanderer. Dem 1mâärkishen Weinbau hat offenbar das Aufhören des Schutzes der Entfernung dur die Anlage von Landstraßen und Eisenbahnen ein Ende gemacht, eine Ursache, die au veim Verschwinden der Tuch- macherei mitwirkend war, obgleih hier im wesentlichen der völlige Umschwung in der Technik durch Einführung der Maschine bestimmend war. _Es is anerkennenswert, daß in Nathenow an dem alten Namen der Oertlihkeit „Weinberg“ festgehalten wird. Die 30—50 m über dem Havelspiegel sih erhebende Anhöhe wird engen an der Stadtseite durch einen mit hohen Bäumen und Gartenanlagen \{ön geschmüdckten Kirchhof eingenommen, auf dem sich neben einigen Grab- malen von künstlerishem Wert auch eine aus drei massiven, hohen Spigbogen bestehende Grabeinfriedung fo angebracht befindet, daß man durch die Bogenöffnungen einen prächtigen Ausblick in die Um- ebung genießt. Noch umfassender ist die Fernsiht außerhalb des Kirchhofs auf der Höhe des Weinbergs, die neuerdings vom Ver- \{chönerungsverein mit hübschen Parkanlagen versehen worden ist. Hier oben nahm Herr Koßde nochmals das Wort, um angesichts des prangenden Haveltales, das \sih stromauf- und abwärts dem Bli ershließt, und der Fluren der Altmark am jenseitigen Ufer, nach einer kurzen Orientierung über die Lage Rathenows, von jener stolzen Er- innerung zu erzählen, da in der Nacht zum 15. Juni 1675 die in der Stadt liegenden Schweden durch einen kühnen Handstreich ODerfflings überfallen und in wenigen Stunden unter Mitwirkung des herbeieilenden Kurfürsten überwältigt wurden. s konnten von der Höhe aus die Punkte, an denen der Angriff er- folgt war, gezeigt und so ein anshaulihes Bild der Vorgänge ge- eben werden. Die Rathenower Waffentat, gegen das Zentrum des fPwedischen Aufmarsches geführt, bereitete den 3 Lage später erfolgenden Fehrbelliner Sieg vor. Der Lageplan von Rathenow is wegen der verschiedenen Wasserläufe niht ganz leiht zu verstehen. Ganz am rechten, öôstlihen Ufer der hier südnördlih gerihteten Havel, genauer rechts vor 3 Armen, in die sih der Fluß oberhalb Rathenow teilt, gelegen, wird die Altstadt auch an threr Mittags-, Morgen- und Mitternachtsseite von einem künstlihen Havelarme, dem 1551—1561 durch Joachim 11. angelegten Schleusenkanale, also dem vierten Arme, umflossen, jenseits dessen die Neustadt liegt. Da auf diesem künstlichen Kanal aller Schiffsverkehr vor si geht, find die Transportverhältnisse für Rathenow fo vorteilhaft als möglich. Ursprünglih besaß Rathenow natürlich auch eine Ringmauer mit Graben und Toren; aber die Altstädter Ringmauer ist {on im 17. Jahrhundert zu einem großen Teil eingestürzt und nicht wieder erbaut worden, und von den 4 Toren, dem Mühlen-, Havel-, Jederigzer- und Urmtor sind begreifliherweise nur die Namen übrig geblteben. Reste der Ringmauer sind“ noch an einigen Stellen vorhanden. Nah im Saale der Loge im Verein mit den Rathenower Herren eingenommenem, dur zahlreiche Tischreden gewürztem Mittags- mahle wurde dem altstädtishen Nathause und einer hier vorhandenen Sammlung, den ahtungswerten Anfängen eines Rathenower Museums, ein Besuch abgestattet, hierauf die Altstadt durhquert und nah dem Restaurant Bellevue am Haveltor gewandert. Hier erfreute Stadtarhivar Speht durch einen Vortrag über die geschichtliche Vergangenheit Rathenows, \oweit von ihr niht bereits vorher be- rihtet worden war: Die eung denen verbirgt sich im Dunkel der Zeiten. Ursprünglich mögen hier Niederlassungen von Fischern bestanden haben. Daß die Gegend auch schon zu germanischer Zeit bevölkert war, beweisen Urnenfunde; daß sie von den der Fischerei obliegenden Wenden bewohnt war, beweist die zweifellose Existenz von drei auf dem Stadtgebiete früher vorhandenen „Kießen“, von denen der große oder T au Weinberge, unter dieser Bezeichnung 1339 erwähnt, fich zwishen Weinberg und Havel hinzog, der zweite oder kleine Kieß längs der Havel sih erstreckte und der dritte oder Jederizer Kieß eine halbe Stunde unterhalb Rathenow am reten Havelufer lag. Jedes dieser drei Dörfer hatte nit bloß sein eigenes Schulzengericht, mit dem später der Magistrat von Rathenow beauftragt wurde, die beiden erst- enannten besaßen Ln ihre besondere Kapelle, ja ihre umwallte Burg. Die Burgen sind noch im 13. Jahrhundert verschwunden, die Ver- einigung der Kieße mit Rathenow wurde 1294 dur die landes- herrlihe Schenkung an Jederiß Rathenow vollendet, Man darf also sagen: Die Vereinizung der Kiege zu uer DIESETGE ct fitben der ursprünglihen Stadt Rathenow das Dasein. rwähnt ist

athenow urkundlih zum ersten Male 1217 als zum E Brandenburg gehörig. Gefestigt und dauernd begründet wurde seine Stellung unter den Städten des Landes durch drei landes- Herrlihe Schenkungen: jene \{chon erwähnte von FJedertßz aus d. J. 1294, dann die 1319 durch den großen Waldemar erfolgte R des Dorfes Nodenwolde mit der Gerichtsbar- Feit und allem Zubehör an Wald und Wiesen und zuleßt die Ueber- eignung der Havelmühle an die Stadt durch Markgraf Ludwig I., der sih in der betreffenden Urkunde von 1351 Lodowich schreibt. Die Nodenwolder Schenkung umfaßt den 7036 Morgen großen Stadtforst, der beute noch das bedeutendste Wertobjekt der Kommune Rathenow bildet und bis in die neueste Zeit den Bürgern auch manche Extra- borteile gewährte. Das Anwachsen Rathenows in den leßten 50 Jahren hat hierin Wandel geschaffen. Um den Anforderungen dieser Ent- wickluna zu genügen, werden zur pelt über 200% der Staatésteuern an Kommunalsteuern erhoben. Ueber den Namen „Rathenow“ und seine Entstehung sind die Ansichten sehr geteilt. Die Aehnlichkeit der Namen Rodenwolde und Rathenow legt den Gedanken nahe, daß in den Namen das Wort „Roden“ in Verbin- dung mit „Wald“ und „Aue“ gesetzt ist. Ein adliges Geschleht von

Nathenow ist im Mittelalter aura fraglich bleibt aber, ob es seinen Namen dem Ort gegeben oder ihn von dem Ort entlehnt hat. Cin Hans von Rathenow hat 1276 im Namen der Rathenow ein Grenzprotokoll unterzeihnet, und ein Mann des gleihen Namens war 1442 - erster Bürgermeister von Berlin. Ob die Rathenows jemals ein Stammgut in der Stadt besaßen, ist nicht nachweisbar; aber es gab innerhalb der Stadt ein Gut mit adliger Freibeit und Gerechtsame, dessen Schloß nahe am Kirchhof lag, das um 1300 im Besig der brandenburgischen

arfgrafen war, etwa im 16. Jahrhundert aber in Privatbesiß ge- langte und darin geblieben ist. Von der Gewerbtätigkeit Rathenows ist zu sagen, daß von den fröhesten Zeiten an hier Wollenweberet zu Hause war, daß Tuch- und Raschweberei, Kanevas- und Barchent- fabrikation noch im 18. Jahrhundert in mäßiger Blüte standen, aber an der Wende des 19. Jahrhunderts das ehrwürdige Handwerk so im argen lag, daß der Gedanke, den fremden Gesellen durch Einführung einer anderen Industrie Brot zu verschaffen, ebenso men|\chenfreundlich als praktisch war. Ihn in die Tat umgeseßt zu haben, ist das unverlöschliche Ver- dienst des Predigers Dunker, der im Verein mit Nathenows Geschicht- \hreiber Wagener im Jahre 1800 die erste optishe Industrieanstalt am Ort errichtete, in der fabrikmäßig alle Arten von Sehwerk- zeugen verfertigt werden follten. Das 19. Jahrhundert is Zeuge der erfreulichen Entwicklung diefer Industrie in Rathenow geworden. Ihr und an zweiter Stelle der Ziegelfabrikation ist der bewunderns- werte Aufschwung zu danken, den Rathenow, in den leßten 50 Jahren zumal, genommen hat, allerdings auch nächst der hohen Intelligenz und geschäftlichen Umsicht der Unternehmer, gefördert dur die Aus- breitung der Photographie. Heute ist das Rathenower Fabrikat, besonders in Gestalt von Brillen und photographischen Apparaten, über die ganze Welt verbreitet. Neben 9 Fabriken ist as Haus- industrie vorhanden, sodaß die Zahl der mittelbar oder unmittelbar für die optishe Industrie tätigen Personen auf etwa 7000 zu ver- anschlagen ist. Der Große Kurfürst hatte \. Z. unter Verwertung der Wasserkräfte der Havel au einen Eisenhammer in der Stadt an- gelegt, der nahe an der Stelle stand, wo dem großen Fürsten später ein Denkmal errichtet wurde. Diese industrielle Schöpfung ist aber 1722 bereits eingegangen. v ;

Nach Anhörung des beifällig aufgenommenen Vortrages begab sih die Gesellshast zu der neuen Havelschleuse, die bestimmt ist, dem wachsenden Verkehr auf dem Flusse besseren Vorschub zu leisten als bisher und ihn im Vergleich zu der gegenwärtigen Abfertigung zu beschleunigen. Von dort aus wurde au der St. Maria-Andreas-Kirhe ein Besuh gemacht und hier mit Dank eine längere Mitteilung des Superintendenten Herrn Ettel über die Geschichte des Gotteshauses entgegengenommen. Der Name der nebst ihrem Turme ganz massiv gebauten Kirche {ließt die Namen der beiden Heiligen ein, denen die oben \{hon ge- dachten, früher im „oberen“ und „unteren“ Kieß bestehenden Kapellen geweiht waren. Es verstand sich bei diesem Sachverhalt gewisser- maßen von selbst, daß bei -der Doniahng der Kieße zur Ge- meinde Rathenow die arte als Symbol dieser Vereinigung den Namen Marta-Andreas-Kirche erhielt. Ihre heutige Gestalt empfing die Kirche, weil das alte, baufällig gewordene Gebäude sich als zu eng erwies, im 16. Jahrhundert. Der Anfang des Neubaues wurde 1517 gemacht; doch verzögerte si{ch die Vollendung an Kirche und Turm wegen allerlei Hindernisse und vor allem wegen Geldmangels bis 1580, ohne daß während des Ausbaues die Benußung der Kirche Unter- brehung erfuhr. Der Uebergang zum Protestantismus vollzog sich bereits 1540. Da von der Höhe des Kirhturms sich eine weite Fernsiht eröffnen sollte, ote ein Teil der Gesellschaft der Ein- ladung, ihn zu besteigen. Man hatte es nicht zu bereuen; denn das Wetter hatte fich vollkommen aufgeklärt, die entferntesten Gegenstände zeigten sih im Licht der späten Nachmittags\onne in d-n \{ärfsten Umrissen, und der Nundblick auf das grüne Havelland gab den zahl- reihen angenehmen Eindrücken des Tages einen harmonischen Abschluß.

Literatur.

Von der 5. Auflage des Deutschen Wörterbuchs von Fr. L. K. Weigand, die nah des Verfassers Tod von den Leipziger Üniversitätsprofessoren Karl von Bahder und H. Hirt sowie von dem D K. Kunt in Leipzig besorgt wird (Verlag von A. öpelmann in Gießen), liegen die 10. und 11. Has vor. Die Tanga, in der die neue amtliche Nechtschreibung berücksichtigt wurde, bedeutet eine völlige neuzeitliche Bearbeitung des verdienst- vollen Werkes K. Weigands, an dessen Hauptprinzipien festgehalten ist. Das Buch is geeignet, sowohl dem Sprachgelehrten, dem so umfangreiche und teure Werke, wie z. B. das noch immer unvollendete Grimmshe Wörterbuh, nicht zur Hand sind, wie auch jedem Gebildeten, der ein tieferes Verständnis für die Entwick- lung des S seiner Sprache anstrebt, gute Dienste zu leisten. Es gibt bei jedem Wort die sahlihe Bedeutung in ihren verschiedenen Sa ierugen an, gibt dann seine Entwicklung aus der mittel- oder auch althohdeutshen Ferm, hält Umschau nah Verwandtem in den germani- {hen und anderen Sprachen und führt endlih in den meisten Fällen den frühesten Beleg in der Literatur auf. Eine besondere Be- reiherung vor anderen Wörterbüchern zeigt das Weigandsche dadur, daß in ihm auch die im Deutschen geläufigen Fremdwörter Be- rücksichtigung gefunden haben. Die vorliegenden Lieferungen behandeln den Wortschaß bis zu dem Worte Tapioka. Die das Wörterbuch ab- \hließende 12. Lieferung dürfte noch in diesem Jahre erscheinen. Jede Lieferung kostet 1,60 M.

In der Sammlung gemeinverständliher Darstellungen, die der gele Dr. K. Lampert unter dem gemeinsamen Titel Natur- Gleis tliher Wegweiser herausgibt (Verlag von Strecker und Schröder in Stuttgart), ist als Band 20/21 ein „Praktisches Pilztashenbuch“, Anleitung zum Sammeln und Bestimmen unserer wichtigsten eßbaren und giftigen Pilze, von Dr, W. Migula, Professor an der Forstakademie in Eisenah, erschienen (geh. 2 4, geb. 2,80), Wenn man bedenkt, welch eine Menge von Nährstoffen mit den in unseren Waldungen ungepflückt verfaulenden Pilzen verloren geht und wie viele Fälle von Pilzvergiftung anderseits jährli vorkommen, weil die Pilzenesser keine genügende Kenntnis von unseren giftigen Pilzen besißen, wird man dieses von einem Fachmann geschriebene Büchlein ern begrüßen und ihm eine weite Verbreitung wünschen. Sn der rihtigen Erkenntnis, daß eine noch so eingehende Beschreibung die Anschauung nicht erseßen kann, wurde die Schrift mit Tafeln in Vierfarbendruck ausgestattet, die Abbildungen der wichtigsten Pilze nah Zeichnungen enthalten, die der Verfasser sehr naturgetreu und charakteristisch felbst entworfen hat. Im Text findet der Leser sahkundige Anweisungen über das Sammeln, Trocknen und Zurichten der Pilze, O über ihre Standorte, ihren Bau ünd Frucht- lörper fowie über die Cßbarkeit oder Schädlichkeit der einzelnen Arten.

Land- und Forstwirtschaft.

Ernteaussichten, Ernteergebnisse und Getreidehandel in Numänien.

Der Kaiserlihe Generalkonsul in Galatz berichtet unterm 10. d. M.: Im Getreidehandel hat sich nah der starken Hausse eine gleihe Baisse bemerkbar gemacht, die ‘etwa 2 Wochen anhielt. Man hatte nämli erwartet, daß Frankreich wegen seiner {wachen Ernte den Einfuhrzoll reduzieren und Rußland wegen der Cholera- efahr den Export einshränken würde. Jn dieser Erwartung sahen b die Erporteure gee und wurden dadurch verantakt, ihre

fferten zu geringeren Preisen abzugeben. Im Innern des Landes

jedoch find die Landwirte bei ihren hohen Preisen stehen geblieben.

Die Hoffnung auf Regen im Anfang August hat sih nicht ver- wirklicht, infolgedessen haben sich die Aussichten für die Maisernte in den leßten Wochen an manchen Vrten verringert.

Die Weizenzufuhren auf dem Land- und Wasserwege waren groß; der Wassertransport war aber wegen des niedrigen Wasserstandes der Donau mit Schwierigkeiten verknüpft.

Die Zufuhren an Mais sind z. Zt. noch sehr unbedeutend und dürften es auch so lange bleiben, bis der Weizentransport nachgelasseæ hat und die Feldarbeiten beendigt sind. Große Abschlüsse sind noch nicht erfolgt, da die Landwirte vorläufig noch nicht verkaufslustig sind und das Ausland infolge anderweiter billiger Preise zum Kaufe wenig srnegt n Nur nah Italien sind {hon mehrere Geschäfte zum Ab-

gekommen.

Die Zufuhren an Noggen, Gerste und Hafer sind gleichfalls noch gering, wenn auch eine allmählihe Steigerung zu bemerken ist. Die Preise sind sehr hoh; der Handel wird durch die deutsche und russische Konkurrenz sehr beeinträchtigt. Als Hauptkäufer für Hafer kommt fast nur Îtalien in Betracht.

Der Ertrag an Bohnen und Hirse ist infolge der Dürre der leßten Zeit sehr {chwach. Ueberhaupt leidet unter der herrs{ch: nden Dürre der ganze Anbau; z. B. baut man sehr wenig Raps an, der Termin hierfür fast vorüber ist.

Ueber Sulina scewärts wurden in der Zeit vom 31. Juli bis 27. August verfrachtet :

Weizen «x 000954 C Noggen «10956 Mais

Die Preife stellten sich auf 1000 kg cif Kontinent: Weizen 80/81 kg 2% ... 167 M L O D 160 Roggen 71/72 ,„ 105 z 18188 Delenen 112 /

V

Gerste 58/59 kg L 67/68 , Hafer 43/44 L 47/48 Mais Donau Galfox «Qu mauanno u.

Die Frachten sind gestiegen, und man erwartet auch nockch weitere Steigerungen, da die Reeder infolge der starken russischen Aufnahme an Tonnage auh ihre Forderungen erhöht haben. Die Frachten betrugen :

Rotterdam 10/3—10/6 Antwerpen 11/0—11/3 Charter D. Sulina . 10/0.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

Cöln, 15. September. (W. T. B.) Bei dem unter cholera- verdächtigen Erscheinungen erkrankten Schiffer, der mit einem Bremer Schiff von Danzig hierher gekommen war, hat sihch nah amtlicher Feststellung der Verdaht nicht bestätigt. Deshalb hat L S ANORENENNIN die angeordneten Vorsichtsmaßregeln wieder aufgehoben. i

Wien, 16. September. (W. T. B.) Die seit dem 13. d. M. isolierte Shwägerin des an Cholera erkrankten Zimmermanns Travnicek, Maria Travnicek, ist als Trägerin von Cholerabazillen erkannt und in das Krankenhaus gebraht worden.

Budapest, 15. September. (W. T. B.) Seit gestern sind im Choleragebiet sechs verdächtige Erkrankungen vorge- kommen, davon drei in Mohacs und eine auf einem aus Komor hier eingetroffenen Schlepp\schiff.

Nom, 15. September. (W. T. B.) Während der leßten 24 Stunden sind in Apulien fünf Neuerkrankungen an Cholera und zwei Todesfälle vorgekommen.

Neapel, 15. September. (W. T. B.) Eine amtlihe Fest- stellung des Leiters des städtishen Gesundheitsamtes besagt, daß der Gesundheitszustand in Neapel-andauernd gu! ist und daß bei den als choleraverdähtig gemeldeten Fällen der Choleraverdaht \ih nicht bestätigt hat.

Bukarest, 15. September. (W. T. B.) Die bakteriologishe Untersuhung eines am Dienstag in Galaß gestorbenen Beamten einer italienishen Schiffahrtsagentur hat Cholera ergeben. Der Beamte hat sich die Krankheit wahrscheinlih auf einem kürzlich hier eingetroffenen italienishen Dampfer uguiogen.

Almeria, 15. September. (W. T. B.) An Bord des von Alexandrien Rg TEs Dampfers „Antoine“ haben \ihch vierzehn verdächtige Krankheitsfälle ereignet. Der Dampfer ist unter Beobachtung gestellt worden.

Theater und Musik.

Volksoper.

Die Opernspielzeit wurde gestern abend in der Volksoper im alten Bellealliancetheater mit einer Wo Engen Aufführung von Nicolais „Lustigen Weibern von Windsor“ eröffnet. Den Taktstock führte der umsihtige und temperamentvolle Kapellmeister Nudolf Schüller, der \{chon mit der Ouvertüre eine starke Wirkun erzielte. Die einzelnen Rollen waren fast durhweg gu gen Als Sir John Falstaff stellte s|ch Herr Oskar Ber ter, eine neue Kraft, zum ersten Male vor. Der Künstler ver- ügt über eine {chmiegsame, wohlgebildete Baßstimme, die er mit Ge- \hmack verwendet; zu rühmen ist ferner an seinem Gesang die vor- trefflihe Aussprache. Auch in der Maske war er gut nur hâtte er die Wohlbeleibtheit Sir Johns nicht zu sehr übertreiben ien weniger wäre hier mehr und vor allem wahrscheinlicher gewesen. e beiden listigen und lustigen Frauen fanden in Fräulein Zeuner (Frau Sluth) und besonders in Frau Sachse - Friedel (Frau A der stets zuverlässigen, angemessene Vertreterinnen. Darstellerisch wie gesanglih fiel wiederum Herr Rünger als Fluth auf, den er mit Schârse charakterisierte. Sehr une war auch Es Eggelings Jungfer Anna. Der Tenorist Herr Gombert, der den Fenton fia, machte als Anfänger auf der Bühne nos keine glüd- liche Figur, aber die vorhandenen Anlagen dürften \ich noch ent- wickeln Ein mit guten Mitteln ausgestatteter Sänger ist ferner Herr Erke, der fd in der kleinen Rolle des Reich vorstellte. Die Herren Kaiser (Dr. Cajus) und Tewis (Junker Spärlich) bewährten sich in thren Partien ebenso wie der Chor. Für eine würdige szenische Wiedergabe des Werks hatte der Oberregisseur inger gesorgt. Das Publikum zeichnete sämtlihe Mitwirkende durch reihen Beifall aus und rief außer dem Kapellmeister und denr Negisseur auch den Direktor Dr. Alfieri mehrfach hervor.

Im Neuen Königlichen Operntheater findet ee Sonnabend, eine Aufführung von NRossinis „Barbier von Sevilla“, mit Fräulein Hempel als ole, statt. (Im 111, Akt Einlage aus „Das Lotterielos“ von Jsonard.) Den Figaro Gat Herr Tillmann Liszerosky vom Opernhause in Cöln als Gast, den Grafen Almaviva Herr Sommer, den Dr. Bartolo Herr Aschner, den Basilio Herr von Schwind. Die musikalische Leitung der Oper hat der Kapellmeister Blech. Vorher geht „Cavalleria rusticana“ unter der musifalishen Leitung des Kapellmeisters Dr. Besl in Szene. Die Beseßung lautet: Santuzza: Frau Kurt; Turridu: Herr Maclennan ; Lucia: Li von Scheele-Müller; Lola: Fräulein Artôt de r Alfio: Herr Habich.

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen Ernst von Wildenbruchs Schauspiel „Der E G mit Herrn Staege- mann in der Titelrolle, aufgeführt. uber ihm find in den Haupt- rollen die Herren Sommerstorff, Geisendörfer, Werrack, Nesper, Pobl, Zeisler, Patry sowie die Damen Poppe, Willig, Ressel und von Arnauld beschäftigt.

Rostands Schauspiel „Die Romantischen" wird sür den 21. Sep- tember im Deutschen Theater vorbereitet. „Die Romantischen® find das Erstlingswerk NRostands und erlebten in der Comédie

Française die Uraufführung. Das Werk wurde noch in demselben.

A S Ls IIN E N E E A