1871 / 23 p. 10 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

Vorgeschobene Abtheilungen der französishen Nord- Armee unter General Faidherbe , die nah Heranziehung von Verstärkungen wieder südwärts vorgerückt war, werden von der I. Armee (General von Goeben) von Beauvois auf St. Quentin zurückgeworfen und verlieren 500 Mann an Ge- fangenen, sowie ein Geschüß. : S j

General von Werder nach siegreichen dreitägigen Käm- pfen beginnt die Verfolgung der sich zurückziehenden Bour- bali schen Armee mit glücklichen Gefechten.

19, Januar. Vor Paris wird ein Ausfall bedeutender französischer Streitkräfte vom Mont Valérien aus gegen die Stellung des V. Armee - Corps nah einem von Vormittags 11 Uhr bis nah Einbruch der Dunkelheit fortgeseßten Kampfe mit nicht bedeutendem Verluste für die deutschen Truppen zu- rückgeiwwiesen. /

Die Belagerung§armee set ihr Feuer ununterbrochen mit gutem Erfolge fort. |

General v. Goeben s{lägt die französische Nordarmee vor St. Quentin in siebenstündigem Kampfe, macht über 4000 Gefangene und erobert 2 Geschüße. :

Die Beschießung von Longwy beginnt.

Abtheilungen der I[. Armee besegen ohne Widerstand Tours,

Das preußische Haus der Abgeordneten genehmigt ohne Debatte cine dem Kaiser und König durch die beiden ersten

Präsidenten des Hauses in Versailles zu überreichende Glük-

wunschadresse.

Kriegs8trophäen der deutschen Heere. (Vergl. Nr. 40, s 52 dec Bes. Beil.)

Die lehte Uebersicht der Krieg8trophäen der deutschen Heere {loß mit dem Beginn der Ereignisse (am Ende des Monats November) bei Amiens und an der Loire und vor dem Falle der Festung Diedenhofen ab. Sie gab bis dahin die Zahl der unverwundeten Kricg8gefangenen auf 10,067 Offiziere und A Mann, die der Geschüße, auf 4130 die der Adler auf

2 an.

Diese Ziffern haben fich in den lehten Tagen des Novem- ber und bis Ablauf des Jahres 1870 nah offiziellen Mit- theilungen vorbehaltlich der Berichtigung einzelner Posten, um ctwa 200 Offiziere, 20,000 Mann, 540 Geschüße und 3 Fahnen vermehrt, so daß bei Beginn des Jahres 1871 11,160 Offiziere, 333,085 Mann unverwundeter Kriegsgefangenen, 4640 Geschüße und 115 Adler

oder Fahnen sih in Deutschland befanden.

Die Kapitulation von Diedenhofen lieferte 4000 Mann

und 200 Geschüße; die von La Fère 2000 Mann und 70 Ge- shüße; die von Pfalzburg 94 Offiziere, 1839 Mann und 65 Geschüße; die von M ontméd y 65 Geschüße und 3000 Mann. Das Gefecht bei Beaune la Rolande führte mindestens 1600 Mann in Gefangenschaft, die Citadelle von Amiens 11 Offi- giere, 400 Mann und 30 Geschüße/ bei Rouen wurden 10 Offiziere, 400 Mann und 9 Geschüße, bei Poupry, Méung, Beaugency und in den Kämpfen um Orléans über 100 Offiziere, fast 14,000 Mann gefangen und außer 4 völlig armirten Dampfschiffen 92 Geschüße genommen. Qu diesen Ziffern treten noch etwa 200 Mann und 9 Geschüße aus den Borpostengefehten bei Belfort und Langres, fast 23000 Mann und 7 Geschüße aus den Kämpfen bei Oucques, Vendôme, Nuits und la Chartre und der Rest aus den Yusammenstößen der beiderseitigen Nord-Armcen in der Nähe von Amiens; die oben erwähnten 3 Fahnen fielen am 28. Dezember nebst 10 Offizieren und 230 Mann bei Longpyró in deutsche Hand. | Nach den mit dem 19. Dezember v. J. abgeschlossenen dienstlichen Rapporten befanden \sich von den unverwundeten Krieg8gefangenen innerhalb des Nordeutscven Bundes internirt 10,031 Offiziere und 265,884 Mann, und zwar im Königreich Preußen 2896 Offiziere und 237,045 Mann, und in den Übri- gen norddeutschen Bundesstaaten 1135 Offiziere und 28,839 Mann. Ueber die derzeitige genaue Vertheilung der im Monat Dezember gefangen genommenen Offiziere und Mannschaften, sowie Über die in süddeutshen Orten internirten Kriegs- gefangenen können detaillirte Mittheilungen zur Zeit noch niht veröffentliht werden. Es sind bis zu ge- nanntem Datum in preußischen Festungen, in Mainz Und an Arbeitsstellen in der Nähe desselben 3973 Fatete und 220,887 Mann internirt worden, in offenen Städten 4593 Offiziere und 4446 Mann, in nicht preußischen Städten des norddeutschen Bundesgebietes wie oben angegeben 1135 Offi- iere und 28,839 Mann. Durch die große Zahbl der inner- balb ihres Bezirkes untergebrachten Krieg8gefangenen treten namentlih bemerkenswerth hervor Stettin mit 15,942 Mann, Erfurt mit 392 Offizieren und 11,011 Mann, Magdeburg mit 518 Offizieren und 23,418 Mann, Glogau mit 13,158 Mann,

Neisse mit 12,142 Mann, Wesel mit 18,279 Mann, Cöln mit 433 Offizieren und 15,702 Mann, Colberg mit 1167 Offizieren und 17,202 Mann und Mainz mit 413 Offizieren und 21,750 Mann. Ueber 100 Offiziere haben ferner Glogau, Burg, Naumburg an der Saale, Merseburg, Liegniß, Aachen, Bonn, Neuwied und Marburg, Über 200 Königsberg, Danzig, Stettin, Schleswig, Halberstadt, Görliß, Münster und Hildesheim, über 900 Düsseldorf und Altona und über 400 außer den vorge- nannten Festungen Breslau und Wiesbaden.

I T Sachsen waren am 19. Dezember 244 Offi- ziere und 17,992 Mann internirt, in Hamburg 693 Offiziere ;

Mannschaften den besouderen Verhältnissen nach vertheilt worden. i Die Rubrik der Deserteure umfaßt bis Mitte Dezember 12 Offiziere und 40 Mann aus Festungen, 26 Offizicre und 20 Mann aus offenen Städten, zusammen also 38 Offiziere und 48 Mann, von welchen jedo einige bereits wieder er- griffen worden sind. In den Festungen Spandau, Erfurt und Wittenberg befinden si je 2 Mann bereits der betreffen- den Strafabtheilung überwiesen.

___ Von der obengenannten Gesammtsumme von 10,031 Offi- zleren und 265,884 Mann waren 232 Offiziere, 25,490 Mann Elfässer und Deutsch-Lothringer, von denen 141 O fiziere und 41,269 Mann innerhalb des Königreichs Preußen, 91 Offiziere und 4221 Mann auf dem übrigen norddeutschen Bundes8gebiete

bis jeßt 48 Offiziere und 586 Mann. Lesen und schreiben fonnten 180,639, nur lesen oder nur s{hreiben 6250, so daß also von 265,884 Mann 78,995 ohne jede Schulbildung sind

A

| Europas Klima®*).

Das Klima Europas is das gemäßigte, welchem die Hiße der Tropenländer und die ecisige Kälte der Polargegenden ferne steht, und das durch allmähliche Uebergänge charakterisirt ist. Die Wärme mmmt von Süden nah Norden in Folge der wacbsen- den Breite, und von Westen nach Osten wegen der wachsenden Entfernung vom Meere ab, Fast der ganze Erdtheil hat „ine regelmäßige Folge von vier in den Witterungs- verhältnissen verschiedenartig aus8geprägten Jahreszeiten ; nur der äußerste Süden und der äußerste Norden sind davon aus8zuneh- men, indem die Uebergangspcrioden, Frühling und Herbfi, dort unznerklich mit dem Sommer und dem nur durch däufigere Regengüsse sich verkündenden Winter verschmelzen, hier aber, wo heiße Sommer und kalte Winter, wie in allen Polargegenden, ungemein schnell auf einander folgen, von sehr geringer Dauer sind.

__ Europa ist in drei klimatische Regionen zu theilen, die süd- liche, mittlere und nördliche. Die südliche oder warme Region umfaßt den Landstrich, der von den Südspizen des Erdtheils bis zum 46. Grade der Breite reiht; hier gedeihen bei einer mitflern jährlichen Wärme von 11° R. die edleren Südfrüchte im &reiea, Der Sommer hat eine Temperatur von 14 bis ZZ° R, eine Durchschnittêwärme von etwa 23°R., und tritt bereits zu Ende April ein. Der Winter ist kurz und meistens naß. Diemittlere Region reicht vom 46. bis 56. Grad der Breite. Hier kommen bei einer mittlern Wärme von6°R. alle Getreidearten, in der südlichen Hälfte auch die Weinreben noch ohne besondere Nachhülse der Kunst fort; der Sommer tritt im Juni ein und dauert bei einer

_Hißgrenze von 26° R. bis September; örühling und Herbst, in

welchen dieSommerwärme allmählich zu- und abnimmt, find hier von längerer Dauer, und die Winterkälte ist so groß, daß die Flüsse gefrieren. Die nördliche oder kalte Region endlich erstreckt sich vom 56. Grade der Breite bis an die Grenze der gemäßigten Zone. Die mittlere Wärme ist hier etwa R. Der Sommer trilfl nah einem langen schnee- und frostreichen Winter zu Ende Junius, fast ohne allen &rühling8übergang, sogleih mit einer gewaltigen Hiße ein, bei der alle Vegetation sich sehr {nell ent- wickelt; ebenso plöglih folgt darauf der Winter. Nach diefer Eintheilung liegen in dem südlichen europäischen Klima Portugal, Spanien, der südlichste Theil von Frankreich, die italienischen Staa- ten (mit Ausnahme der nördlichsten Landestheile), die jonischen Inseln, Griechenland, die südlichen Theile des o8manischen Reichs und ein südlicher Streif von Oesterrei und Rußland (Taurien). Die mittlere Region umfaßt die übrigen Theile von Frankreich und die nördlichsten Theile Italiens, die Schweiz, Oesterreich, Preußen und Deutschland, die nördlichen Theile des osmanischen Reichs, das südliche Rußland bis zur Breite von Moskau, Belgien,

die Niederlande, England, Irland, ein Stück von Schottland und die sÜdlihe Hälfte von Dänemark. Jm nördlichen Klima find die nördlichen Theile von Schottland und Dänemark, das Übrige Rußland, Schweden und Norwegen, mit Ausnahme der nörd- lichsten Spißen von diesen drei Reichen gelegen. Diese eben ge-

M Entnommen dem Werke: »Die Staaten Europas« von Dr. Au Franz Brachelli, Brünn, 1867. 4 : i

in den übrigen norddeutschen Bundesstaaten sind Offiziere wie

internirt waren. Gestorben waren von der Gesammtsumme

nannten nördlichsten Spißen bilden jenen über die gemäßigte Zone fih hinaus erstreckenden Theil von Europa, den arkti-« shen Landstrich, wo ohne allen Wechsel der Jahreszeiten ein ewiger Winter herrsht und der Frost nur zuweilen auf cin- zelne Tage im Julius oder August die Oberfläche verläßt. Uebri- gens sind in den drei eigentlichen klimatischen Regionen Europas verschiedene Differenzen in der durchschnittlichen Temperatur der Jahre8zeiten anzutreffen, welche dur die oceanische oder kontinentale Lage, sowie durch die gebirgige Beschaffenheit des Landes hervorgerufen werden. Jn der leßten Beziehung herrscht namenilich in den Alpen eine große Verschicdenheit des Klimas; während in den südlichen Thälern die Trauben reifen und bis zu einer Höhe von 3400 bis 4500 Fuß noch das Getreide fort- Tommt, endet bei 6000! die Baumgrenzc und beginnt von 8000/ an der ewige Schnee. Ueber die m:ttlere Jahreêtemperatur verschiedener Hauptpunkte Europas giebt folgende Uebersicht Auskunft (in Graden Réaumur):

Messina 14,98 Cöln

Cadix i Stuttgart

} Dublin

Konstantinopel j Ofen

Roin Hamburg Berlin Edinburgh Dresden Kopenhagen München Königsberg Stockbolm Christiania Moskau

Karlsruhe St. Petersburg

Brüssel O0 Langd «4s. . 0,68

Wien Sl, SLrard. 7 . 0,82

Amsterdam (¡04 Torneä.…..... «ces 20,22

Ungleich über das Festland vertheilt is die Ne gen-

menge. Wo große und hohe Gebirgs8massen \sich er- heben, wird sie bedeutender, besonders an der West- und Südseite derselben. Ebenso erhalten Küsten und Inseln unter analogen Bodenverhältnissen mehr Regen als die

Florenz Sielt. Gee

_Vinnenländer. Die jährliche Regenmenge beträgt durchschnitt-

lih in pariser Zoll: : ] : in Coimbra 111,24 in Paris 21,3 67,36 » Verlin 20,80 auf dem Brocken .… 46 » DORDOR anat ens 18,07 M QAUO i... U y Ble ean dre. +2 16,21 » München ……...... 31,65 Ad. a . 14,67 » Rom 29 Astrachan... 5,74 Hinsichtlich der jahre8zeitlichen Vertheilung des Regens fällt derselde im nördlichen Europa im Sommer und Herbst am stärksten und häufigsten, dagegen hat der Süden im erbst Und Winter seine Regenperiode. Die Zahl der Gewitter nimmt von Süden nach Norden und von Westen nach Osten ab; in den Ländern am mittelländischen Meere ereignen sich jährlich 35 Gewitter, im westlichen Frankreich, in den Niederlanden und in Deutschland 20, im Innern von Rußland bis zum Meridian von Moskau 17, bei Kasan 9, Die Zahl der Hagelwetter scheint gleichfalls von Süden nach Norden und von Westen nach Often abzunehmen. Unter ‘den Winden find in Süd- und West-Europa die Süd- und Westwinde, in Ost-Europa die Nordwest-, doch auch die Ostwinde vorherrschend, welche leßtere die trockene Kälte oder Hige des asiatischen Kontinents herbeiführen. Jn manchen Gegenden nehmen die Winde den Charakter von Gluthwinden an; so weht im südlichen Spanien und Portugal der Solano, in Jtalien der Scirocco, welcher bis in die Alpen, in die deut- schen Mittelgebirge und in die ungarischen Ebenen eindringt.

Die deutsche Strafprozeß-Geseßgebung. (Vergl. Nr. 2 der Bes. Beil.)

II,

Die: neuesten Geseße streben nach Erweiterung der Privats- anklage, Abschaffung der Berufung über die Thatfrage, Er- weiterung der Befugnisse der Der Ge Auna, Heranziehung des Laien-Elements auch! in den sog. Korrektignalsachen. Noch fast ganz jenem Muster entspricht der Rechtszustand in Preußen. Derselbe wird gebildet: 1) in den alten Provinzen , mit Aus- nahme des Bezirks des Appellationsgericht8hofes zu Cöln, durch

die Verordnung vom 3. Januar 1849 und das Ges. v. 3. Mai |

1852, neben welchen jedoch in einzelnen Theilen (z. B. Vor- Untersuchung, Beweis ver fahren) die Kriminal-Ordnung von

5 in Geltung verblieben ist; 2) im Bezirk des Appellations- geriht8hofes zu Côln, den code d’instruction criminelle;

RNREGd A - 2E P Seri: wte ia hai Mis enne De T A E ee L S e

3) in den seit 1866 mit dem preußischen Staate vereinigten Landestheilen die Strafprozeß - Ordnung vom 25. Juni 1867. Die leßtere enthält im Wesentlichen eine Kodifikation des in den älteren Provinzen geltenden Strafprozeßrechts. Jedoch findet im Bercich der Polizei - Gerichtsbarkeit die Hauptverhandlung und Entscheidung unter Mitwirkung zweier Schöffen statt. Jn geringem Umfange (§F. 487 lg.) ist cuch cine Privatklage zugelassen. —— Einen breiteren Raum nimmt das Schöffen- Element ein in den neuen Königlih \sächsischen Straf- prozcß - Geseßen (Revidirte Slrafprozeß - Ordnung vom 1, Ofk- tober 1868, Gesey über die Mitwirkung von Schöffen, und Geseß über die Schwurgerichte von demselben Tage). Bei der Verhandlung und Entscheidung (wegen Vergehen) vor dem Bezirks8gerichte (3 Richter) wirken je 4 Schöffen mit, soweit es fich um den eigentlichen Wahrspruch handelt. Gegen die Entscheidungen des Bezirk8gerichts wie des Shwurgerichts (3 Richter und Geschworene) hat nur der Verurtheilte die Be- rufung, und zwar nur wegen des Strafmaßes (die thatsächlidhe Feststellung des Vorderrichters ist binden d). Außerdem haben Staatsanwalt und Verurtheilter die Nichtig- leitsbeschwerde wegen Verleßung des Geseßes. Ueber beide Rechts- mittel entscheidet das Ober-Appellations8gericht (5 Richter). Pri- vatanklage findet bei gewissen Bergehen statt. Das neueste deutsche Strafprozeßgeseß ist die Hamburger Strafprozeß- Orbnung vom 30. April 1869 (mit den Geseßen über Aende-

rung der Gerichtsverfassung und über das Verhältniß der

Verwaltung zur Strafrechtspflege von demselben Tage). In erster Jnstanz entscheidet das Shwurgericbt (3 rechtsgelehrte Richter und Geschworene) resp. das »Strafgericht« (5 Mitglieder des Niedergerichts, worunter in der Regel 2 Rechtsge!ehrte) oder

der Polizeirichter. Die Zahl der Antragsverbrechen is vermehrt.

Bereits in der Voruntersuchung ist ein »Recht8beistand« gestattet. Gegen Erkenntnisse des Polizeirichters und des »Strafgerichts« steht die Appellation offen, gegen die leßteren jedo nur dem Angeklagten und nur wegen der Zumessung der Strafe nach Art und Größe. Ucber die Appellation gegen Erkenntnisse der Polizeirichter entscheidet das Strafgericht, Über Appellationen gegen Erkenntnisse des Strafgerichts das Obergericht. Gegea Enderkenntnisse des Polizeirichters, Strafgerichts, Obergerichts und Geschwornengerichts findet die Nichtigkeitsbeschwerde statt, welche gegen die Erkenntnisse des Obergerichts und des Geschwornen- gerichts an das Ober - Appellationsgericht (zu Lübeck) geht. Manche Achnlichkeit hat die Strafprozeßordnung für Bremen vom 10./30. Juli 1863. Der Polizeirihter fungirt mit 2 Schöffen. Das Strafgericht besteht aus 3 Mitgliedern. Ver- theidigung findet {on vor der Anklagekammer statt, Gegen Erkenntnisse des Strafgerichts und des Polizeigerichts steht die Berufung offen, über welche in der Regel ohne Wiederholung der früheren BeweiLaufnahme entschieden wird. Die Ge- shwornen fehlen in der Lübecker Strafprozeßordnung vonx 26. November 1362? Vertheidigung ers bei der Hauptverhand- lung; subsidiäre Privatklage nur bei gewissen Vergehen (G. 277) ;} gegen Erkenntnisse des Stadt- und Landgerichts Ap- pellation an das Obergericht (in der Regel ohne neue Beweißs- aufnahme); gegen Erkenntnisse des Obergerichts nur Nichtigkeits- beshwerde. Neuerlich abgeschafft ist die Berufung in Straf- sachen in Oldenburg, dessen Strafprozeßgeseß vom 2. No- vèmber 1857 (in Verbindung mii dem Gerichtsverfas- sungs - Geseh vom 29, August 1857) im Uebrigen den gewöhnlichen Zuschnitt zeigt (Schwurgerichte, Strafgerichte, Polizeigerichte 2c.) In Mecklenburg bezeichnet einen Fort- shritt zu den neuen Strafprozeß-Grundsäßen die Verordnung vom 1. Januar 1856, betreffend das Verfahren vor dem Kri- minalfollegium (Kriminalfiskal, mündlich - öffentlibe Schluß- verhvandlung mit Fragen, Erörterungen, Beweis8erhebungen ; zweites Erkenntniß bei den Justizkanzleien ; drittes Erkenntniß nur ausnahm8weise.) Im Uebrigen gilt dort wie in Shaum- hurg-Lippe, Reuß ä, L. , Lippe und Lauenburg noch der alte gemeinrechtliche Inquisition8prozeß. Die Brauns chwei- gische Strafprozeß-Ordnung vom 22. August 1849, mit den Ergänzung8geseßen von 1851, 1856, 1858 und 1859 entfernt sih nicht von dem Gewöhnlichen (Schwourgerichte u. st. w.) Auch die Altenburgische Strafprozeß-Ordnung vom 27. Februar 1854 bietet, abgeschen von der Beschränkung der Berufung, nichts besonders Bemerkenswerthes. Der Thüringischen E vom 9, Dezember 1854 sind 1864 Bern- burg (in Folge der Vereinigung mit Dessau-Côthen) und 1863 Neuß j. L. beigetreten. Coburg-Gotha hat unterm 21. September 1857 Geschworne eingeführt. Das Waldecks{he Geseß“ vom 14. Juni 1850 enthält eine Nachbildung der preußischen Ver- ordnung vom 3. Januar 1849, Das Mabperzogthum Hessen ging schon 1852 zum öffentlich-mündlichen Ia Een (ohne Geschworne) über ; A gilt die Strafprozeß-Ordnun E September 1865, in Rheinhessen dagegen französisches echt.