1871 / 49 p. 6 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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davon ab, ob daëjenige, was der Geseßentwu1f herstellen will, bereits

Retens ist? ist dies der Fall, so _ ist der Geseßentwurf beziehungs- weise das Geseß unnöthig. Diese Frage ist nun von Jhrer Justiz-

Kommission einer sehr gründlichen Prüfung unterzogen worden wo» bci nur eins auffällig ist, daß die Existenz “eittes ganz neuen Reichs- gescbes aus dem Jahre 169 vollf ändig unberücksichtigt geblieben if. Jhre Kommisson hat darüber weitläufig diskuiirt, welche Bedeutung und Tragweite der Ait. 12 der Verfassungs-Urkunde habe? Der be- treffende Passus des“ Art 12 lautet: Der Genuß der bürgerlichon

und staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig von dem religiösen Be- -

fenntnisse.

Man hat nun untersucht, ob dieser Saß blos ein Grundsaß \ci, weier der weiteren Ausführung bedürfe, oder eine positive. die Ver- hältnisse bestimmende Norm. Das scheint mir zur Zeit eine ganz -müßige Kontroverse zu sein. Denn nach dem Reichsgeseß vom 3, Juli 1869 is bestimmt, »alle noch bestehenden ; aus der Verschie- denheit des religiösen Bekenninisses hergelciteten Beschränkungen der büirgerlihen und stactsbürgerlihen Rechte sind hierdurch aufgehoben. «

Ist der Art. 12 in seiner betreffenden Vorschrift nur als Grundsay zu

verstehen, so ift er dekflarirt und beziehungsweise beseitigt dur das neueste Reichsgeseß. Meine Herren, wenn man nun annimmt, daß es si hier um das Erziehungéreht handelt, wenn ferner klar feststeht, daß dieses auch izn religiöser Beziehung der unehelichen Mutter im Allge- meinen zusteht, und wenn nur eine Ausnahme gemaät wirò rück-

fsichilich der nicht crisilichen Mutter, so scheint das eine Singulariiät-

zu sein, eine Beschränkung der bücgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte, Nimmt man das an; o is das, was der Geseß - Entwurf will, jeßt bereits Rechtens. Allein das kann fraglich sein; das Gegentheil ist behauptet und der Jnhalt des Berichts Jhrer Justiz-Kommission giebt in dieser Beziehung genügende Zweifel an die Hand. Wenn man nun davon ausgeht , daß, was der Geseßentwur) will, nicht unbestrittenen Rechtes ist , so fragt es sh, ist der. Juhalt legislativ gerechtfertigt. Diese Frage möchte ih unbedingt bejahen. Jedes Kind, sei es in der Ehe oder außer ‘der Ehe empfangen , steht im nächsten natürlichen Ver- hältnisse zu seiner Mutter. Dieses nahe natürliche Verhältniß, auf { welhem auch die Erziehung beruht, wird bei Kindern in der Ehe modifizirt durch das Rechl des Vaters; dagegen verbleibt es der Mutter bei unehelih geborenen Kindern, weil “es nicht be- {ränkt wird durch das Recht des Vaters. Es is nit zweifelhaft, daß nah dem Landrecht grundsäßlich das Erziehungsrecht des unchelich geborenen Kindes der Mutter anheim fällt. Das Landrecht sagt Folgendes: : : i »Die Verpflegung und Erziehung des Kindes bis zum zurü- gelegten vierten Jahre muß in der Regel der Mutter auf Kosten des Vaters überlassen woerden. «

Nach zurückgelegtem vierten Jahre hängt es von der Wahl des Vaters ab, die Verpflegung und Erziehung ‘des Kindes selvst zu be- sorgen oder sie der Mutter auf seine Kosten ferner zu Überlassen. Dann folgt als weiterer Saß: :

»Will die Mutter die Erziehung und Verpflegung des Kindes auf ihre Kosten übernehmen, so hat der Vater kein Recht zum Widerspruch.« i

Also richtig ist gewiß, wenn ich sage, grundsäßlih steht der Mut- ter das Erziehungsrecht zuy der Vater kann etwas anderes wollen, aber dieses Wollen wird gehoben, sobald die Mutter erklärt, daß sie auf ihre Kosten exzichen wolle. ial

Und nun, meine Herren, werfe ih die einfache Frage auf, ohne

sie zu beantworten: welchen Sinn hat denn die Taufe, wenn das von einer Jüdin unehelih geborene Kind von dieser Jüdin ecrklärlicher- weise nach ihren Religion8grundsäßen trhogen wird? Wenn man dies

erwägt und dann in Betracht zieht, daß doch ganz gewiß eine erheb- lie Rehtsentwickelung eingetreten ist in Betreff der konfessionellen Unterschiede und der davon abhängigen bürgerlichen und staat8bürger- lichen Recktte, so halte ih es für eine rechtlich sittliche Nothwendigkeit, daß der betreffende Paragraph beseitigt wird, und nehme an, daß diese Beseitigung, weit entfernt davon, den Grundsägzen der chrisilichen Kirche zu widerstreiten, mit denselben. im vollsten Eiñklang steht. Meine Herren, wenn wir den Geseßeztwurf verwerfen, was würde dann wohl die Folge sein? Jch: glaube, wir würden die betreffenden Para- graphen einige Monate aufrecht erhalten bis dahin, daß derselbe, wenn auch nicht direft, so doch indirekt dur eine Deklaration des Reichs- geseßes beseitigt wird. Denn,- meine Herren, von dem Standpunft Oerer, welche sagen: durch das Reich8gescp ist entweder seinem Worte oder doch seinem Geiste nah dieser Paragraph beseitigt, ist die De- klaration abstraft gerechtfertigt und concreto {on nach Demjeni- gen, was der Jnhalt des Berichts Jhrer Justiz-Kommission an die Hand giebt, gerechtfertigt. Jch glaube, wir sollten konserviren was lebt und leben®fähig ist, aber nicht den Versuch mat en; einen abge storbenen Rechtsstoff mit neuem Leben zu ‘versehen.

__—, Dem Herrn v. Kleist - Reßow entgegnete der Justiz- Minister: - S - :

Ih muß als Minister gegen die Auslegung Widerspruch ein- legen, welche der Herr Vorredner ' dem von ihm verlesenen Sckluß- protofoll zu Theil werden läßt; dieselbe \cheint mit völlig unrichtig zu sein. Wie. man aber auch darüber denke, und was möglicherweise noch für die Ansicht des Herrn ‘von' Kleist Günstiges vorzubringen, was 1wvill das ‘bedeúten gegen ein Geseß, welches publizirt ist und die

Unterschrift des Kaisers trägt. : Nach dem Herrn Uhden bemerkte der Minister:

Ich habe bereits anerkannt, daß es sehr fraglih sein kann, ob ein praktishes Bedürfniß für ein Geseß vorliegt; allein für die Aus- kunft des Herrn! Chef - Präsidenten des Ober - Tribunals \cheint mir durchaus kein Grund vorzuliegen. Die Sache ist nit tief cingrei- fend, sie ist vielmehr sehr einfa, fie fann von Jedem übersehen twer-

den. Zweifelhafi kann nur die Frage sein, is ein praktisches Bedürfniß vorhanden das Geseß zu geben, oder ist es nicht vorhanden. Die Praxis der Gerichte fommt nicht in Frage, vielmehr ist es gut und richtig, nachdem die Sache ciumal so weit gekommen is, daß das Hohe Haus dem Geseßentwurfe zusiimmt. - s

In der gestrigen Sißung des Hauses der Abgeord-

neten nahm der Finanz-Minister Camphausen in der Dis- lussion über die-Eisenbahn von Tilsit nah Memel das Wort nach dem Abgeordneten Berger (Witten): ___ Meeine Hercen! Der leßte Herr Redner hat den Versuch gemacht, einen Widerspruch zwischen meinen Worten und méinen Handlungen nachzuweisen. Jh bedaure sehr, daß es ihm nicht gefallen hat, den Ausspruch, den ich in diesem Hause gethan haven soll, wonach un- mittelbar nah Annahme des Konsolidation8geseßes die Eisenbahn von Memel nah Tilsit gebaut werden solle, uns vorzufüßhren. Mir von einem solchen Ausspruch nichts erinnerlih, und der Herr Kom- missarius hat sich bis jett vergeblihe Mühe gegeben, etwas ähnliches aus den stenographischen Berichten heraus8zufinden. Wenn dann er- innert ivorden is an ein Reskript des Herrn Ober-Präsidenten v. Horn, worin versichert worden sei, daß ich in Gemeinschaft nzit dem Herrn Handels-Minister die Zusicherung ertheilt häite, die VBaha von Memel nah Tilsit werde al8bald gebaut werden, so darf ich hoffen, daß dem Herrn Redner, der dieses Reskript des Ober-Präsidenten v. Horn, genau kennen gelernt hat, vielleicht auch nicht unbekannt geblieben ift, daß ih den Ober-Präsidenten v. Horn, sobald ih von dem Reskripte Kenntniß genommen, darüber belehrt habe, daß er- sich im Jrrthum befunden habe, und daß die vermeintlihe Zusicherung vou meiner Seite nie ertheilt worden sei.

ZuU dieser Frage habe ich unausgeseßt die nämliche Stellung ein- genommen. Zwar wird von mir niemals versichert werden können, wie es der gechrte Herr Vorreduer von vem Herrn Handels-Minister versicherte, daß er »von Wohlwollen für diese Bahn getrieft« habe. Das habe ich nie gethan.

Ich habe in Bezug auf diese Bahn stets die Ansicht gehegt, daß es sich um ein unrentables Unternehmen handeln werde, und daß der Staat mit dieser neuen Last sih niht belasten dürfe, bis daß die finanziellen Verhältnisse wiederum geordnet seien. Jch will übrigens dabei bemerken, daß Sie in dieser Frage nicht etwa blos mit der Ansicht des ¿Finanz-Ministers zu thun haben, sondern es hat damals ein Staats-Ministerialbeshluß über diese Sache befundén. |

Ich habe nun noch einen Punkt zu berichtigen. Nach der Rede des Herrn Abgeordneten könnte es scheinen, als wenn die Staats- regierung heute die Behauptung aufstelle, sie könne die 6% oder 72

oder wie viel Millionen, die für den gedachten Eisenbahnbau erfor:

derlih sein mögen, an Geld nicht ausftreiven. Das sehe ich

natürlich als eînc völlig irrige Unterstelung an. Wenn die: ck

Eisenbahn Fait 6 Millionen 60 Millionen Thaler kostete, ih wollte mi stark machen, mit“ Opfern natürlich, das Geld zu beschaffen, und wenn die Nothwendigkeit uns zwingen sollte,

den Krieg fortzuseßen, und wenn wix 1-oder 2 Hundert Millionen. nöthig hätten, das Geld wird schon beschafft werden, aber, natürlich * meine Herren, mit Opfern. So lange aber das Gleichgewicht zwischen Einnabme und Ausgabe im Staatshaushalt gestört is, entspricht es

meines Erachtens nicht der finanziellen Klugheit, den Staatshaushalts- Etat weiter mit einer unrentablen Ausgabe zu belasten. Darüber kann man ja verschiedener Ansicht sein. JTch würde jeden Augenblick bereit sein, den Plaß denjenigen, zu räumen , die in Bezug hierauf andere Ansichten haben als ich. :

Wenn nun, wie ih hoffe, binnen kurzer Zeit der Friede wieder hergestellt sein wird, und: nachdem wie ih heute aussprechen kann, was vor einem Jahre für uns noch eine unbekannte Größe war, nachdem wix die Erfahrung gemacht haben, daß im Jahre 1870 das Defizit verschwunden is , so wird alsbald , nachdem ein günstiger Triede geshlossea sein wird, an die Staatsregierung die Bflicht heran- treten, alle diese Fragen aufs Neue in Erwägung zu nehmen.

Meine Herren | Wenn ih mit Entschiedenheit den finanziellen Standpunkt vertrete, so glauben Sie mir, ich werde mit nicht ge- ringerer Enschiedenheit den Standpunkt vertreten; produktive Aus- gaben im Juteresse des Landes zu machen, wenn die Zeit dazu ge- fommen ist, und, meine Herren, glauben Sie nicht, mag ih. Diesem oder Jenem gesagt haben, daß ih die Bahn nicht für rentabel halte, daß ih deshalb der Meinung wäre, darin wäre der alleinige Ent- \sheidung?grund zu finden. Jh will es hiér laut und öffentli an- erkennen, daß die Frage wegen der Bahn von Memel na Tilsit eine wohlwollende Erwägung verdient, und ich werde nicht derjenige sein, der, wenn die Finanzlage des - preußischen Staates" es gestattet, F Dau Liter Bahn auch nur das geringste Hinderniß in den Weg egen wird. f

Nach dem Abgeordneten Dr. Hammacher erklärte der

Finanz-Minister:

Meine Herren! JTch bedauere recht sehr den Ausführungen . des

Herrn Vorredners“ gegenüber , daß mein Kollege, der Herr Minister für Handel, Gewerbe | und öffentliche Arbeiten, in dem Herrenhause beschäftigt isa wohin ich auch während dieser Verhandlung schon wiederholt citirt

P M M noch persönliche Angrifse gegen mich gerichtet werden möchten.

Was die Erklärung des Herrn Handels - Ministers betrifft, da bitte ich/, meine Herren; nicht zu übersehen, daß alle unter einem ge- wissen Vorbehalte gemacht worden sind} daß ausgesprochen wor-

den ist, wie. lebhaft gewünscht werde; zu diesen Unternehmungen schreiten zu können, wenn die Finanzen des Landes es gestat-

ten, und daß dem Finanz - Minister überlassen worden is , auszu-

sprechen: zur Zeit gestatten das die Finanzen des Landes nicht.

worden bin und wo *ch {chmerzlich vermißt werde; ih habe-aber geglaubt, hier ausharren zu sollen, weil ih nicht wußte,

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Daß jemals Seitens der Staatsregierung die Erklärung abgegeben worden sei: es wird nunmehr unmittelbar zu diésem Bau geschrit- ten werden nun, meine Herren, ih habe nicht den früheren Verhandlungen beigewohnt, aber nach Lage meiner Akten muß ih das besireiten. W228 mi persönlich betrifft, so habe ich zu dieser Angelegenheit stets dicselbe Stellung eingenommen, die ih heute ein- nehme. Meine Aeußerungen slnd heute eher eiwas ermunternder und hoffnung8voller. Und, meine Herren, worauf beruht das? weil ich allerdings der Ansicht bin, da, wenn der furhtbare Krica, den wir mit Frantreich führen, ein für uns glücflies Ende nimmt, dann wohl in naher Zukunft der Zeitpunkt gekommen sein wird, wo wir an diese Eiseabahn und auch noch an mehrere andere mit Ernst werden denfen dürfen. Unt, meine Herren, wenn dann die Vrage zu prüfen ifi: soll sich der Staat nunmehr zu diesem Bau cut: schließen, dann wiederhole ih, daß die woblwollenden Erwägungen, die polífishen Erwägungen und die sonstigen Gründe , die sich für diesen Eisenbahnbau geltend machen lass, neben den anderen , die darauf hinweisen und es flar erkennen lassen, um welche Lasien cs \sich für den Staat handeln wird, ihre vollste Berücksichtigung finden

_ werden, Wenn etwa im Hause der Glaube verbreitet sein sollte, daß

ih für meine Person produftiven Unternehmungen, oder, um das hier gleich zu ergänzen, solchen,- die nicht gerade unmittelbar eine ent- sprechende Rente gewähren, die aber dem Lande zum großen Nußen gereichen und in sofern zu den produfktiven Ausgaben zu zählen sind wenn geglaubt werden sollte, daß ih sol.hen Dingen prinzipiell entgegen wäre, dann würde man in einein großen Jrrthum sein; ich wünsche nur, in dieser Beziehung nicht weiter zu gehen , als wie es eine vorsihtige Behandlung der Finanzen zuläßt.

In dex Diskussion über die Petition, die Melioration des Leba-Bruchs betrefssend, nahm der Minister für die land- wirthschaftlichen Angelegenheiten von Selchow nach dem Ne- ferenten, Abg. Parisius, das Wort:

Meine Herren! Wenn nichts weiter in diesem Augenblicke vor- läge, als diese Petition und die Nothwendizkeit Jhrer Eatscheidung darüber, so würde ih mich auf die wenigen Worte beschränken können, Sie zu bitten , den Antrag Jhrec Agrarkommission auf Ucbergang zur Tagesordnung anzunehmen, denn diese hat nah allen Seiten hin die vorliegende Petition gründlich und reiflih erwogen. Es is aber jeßt und schon früher bei Gelegenheit der Budgetberathung durch den Herrn Abgeordneten, der so eben sprach, noch ein anderer Punkt be- rührt worden, und da muß ih {hon um die Erlaubniß bitten, weil M Ede Ehre bei der Sache engagirt ist, darauf antworten zu dürfen. .

Es sind von dem Herrn Abgeordneten zwei Punkte hauptsächlich zum Gegenstande einer Anschuldigung gemacht worden. Zunächst

soll ich als ein Mitinteressent der Meliorations - Genossenschaft, um

die es sich hier handelt, der Genossenshaft selbst ein Dar- lehn bewilligt und dadur mein eigenes Juateresse gefördert haben, Ja dieser Anschuldigung liegt ein fo s{chwecres Gravamen, daß, wäre sie begründet, ih es îaum mehr wagen dürfte, vor dieses Haus zu treten. Sie is glücklierweise nicht begründet, oder vielmehr die begleitenden Umstände werden Sie, des bin ich gewiß, chr shnell zu der Ueberzeugung führen, daß im vorliegenden Falle korrekt ge- handelt worden ist. Es hzndelt sich, um zunächst ein Mißverständniß zu beseitigen, zu weichem vielleiht die leßte Rede des Herrn Ab- geordneten führen könnte nicht um eine Melioration ven neun- tausend und einizen hundert Morgen, was nach sciner Auffassung eine kleine Fläche sci, sondern es handelt sih darum, ein großes Werk zu beginnen, das Werk der Melioration cines sehr großen Bruchs, das seit länger wie 30 oder 40 Jahren der Gegenstand vielfacher Erörterungen von Sachverständigen gewesen ist. Es handelt sich darun?t, den ersten Schritt in dieser Sache zu thun. Hinter diesen 9000 Morgen steben noch schr viele Tausende von Morgen. Was die’ Sache flbsst betrifft, so erlaube ih mir, Folgendes furz zu refapituliren, Da der Bericht, der Jhnen vorliegt, die Sache im großen Ganzen richtig erörtet hat, so kann ih mich darüber kurz fassen. Was das Leba - Bruch ist, wo es liegt 2c./ das

steht alles in dem Vericht ; ih darf vorau®tseßen, ‘baß Sie ihn gelesen -

haven. Daß schon Friedrich der Große die Nothwendigkeit erfannt hat, diesen Landstrih zu meliokiren Und damit der ganzen Gegend eine Wohlthat zu erweisen, sieht gleihfall5 in dem Berichte. Seit fast hundert Jahren sind diese Meliorationsunternehmungen audge- führt/ sle sind aber heute nach einer so langen Zieihe von Jahren, lcider sehr verfallen. Es baben daher die intelligenteren Besißeroder Gegend. bereits seit länger als dreißig Jahren, in dex Erkenntniß, daß hier etwas geschehen müsse, wiederholt die - bedeutent sten Salkenner zugezogen und haben sie befragt, welcher Plan hier am Zweckmäßigsten ausgeführt werden könne, um in die- sein großen, viele Quadratmeilen umfassenden und mit dén vortreff- lichsten Naturkräften ausgestatteten Bruche eine Melioration auszu- führen. Seit einer Reihe pon 30 Jahren sind Männer wie Vinzent, Schall und andere Fahmänner herbheigeholt wo: den, Pläne aufzu- siellen. Die Pläne laborirten aber wohl im Allgemeinen daran, daß sie zu großartig waren, und deshalb konnte auf Grund eines solchen Planes eine Societät niht wohl gegründet werden; sie umfaßten zu viele Juteressen; eine Kollision der Jnteressen war also gar ni4t zu vermeiden, und das hat denn endlich auf die Idee geführt, einen be-

\{ränkteren Plan auszuführen, der lediglich, aber auch ganz allein,

darin bestehen sollte, einen alten, ehemals bestandénen, dann aber

verfallenen, mehrere) Meilen langen Känal aufzugraben und dadur. eine Vorfluth zu gewinnen. Von einer weiteren Melioration auf

einzelnen Grundstücken is niemals die Rede gewesen, sondern es handelt sich ¡nur ‘um dieses eine gemeinsame Werk. Die Provinzialregierung hat in ihrem Berichte dieses Werk als eines dec größten Unternehmungen in ihrem Regierungsbezirke bezeichnet. Ih

bitte um die Erlaubniß, Jhnen mittheilen zu dürfen, wie die Regie- rung sich darüber geäußert hat Es haben ähnliche Aeußerungen von verschiedenen Seiten stattgefunden ; das Werk ist selb? von den gegen- wärtigen Petenten für ein gutes befunden, und die Tnteressenten haben sih geeinigt 7 diesen Kanal aufzugraben immerhin nur unter der Bedingung , daß der Staat mit seinen Mitteln helfend eingreifen würde. Diese Grundidee hat seit länger als 30 Jahren bei allen Plänen immer vorgeschwebt ; keine Verhandlung mik den Interessenten hat stattgefunden , die niht von dieser Voraussezung au®gegangen wäre, Ein solcher Plan läßt sich auch nur ausführen , wenn der Staat helfend hinzutritt. \

Dieselbe Provinzialregierung hat darauf einen Vor\chlag gemacht, ivie das große Werk zur Ausführung kommen fönne. Sie hat vor- ges{lagen , aus einem Provinzial - Meliorationsfonds , der zu ihrer Dispofition steht, ein Drittel der Kosten abzugeben ; das zweite Drittel solite auf den Centralfonds als Darlehn übernommen werden, und das dritte Drittel sollte dem Verbande als Geschenk gegeben werden, als eine Sublevation, al® eine Unterstüßung. Auf diesen Vorschlag bin ih nicht eingegangen. Der Verein hat auch nicht cinen Pfennig Sublepation oder Beihüife bekommen, sondern nur Darlehn zu den bekannten und hier auch von dem Herrn Abgeordneten b:reits er- wähnten Bedingungen.

Wenn es nun gegenwärtig schien, als könne der Verband endlich zu Stande kominen, nachdem man 30 bis 40 Jahre oder länger ver- geblich daran gearbeitet hatte ihn zu bilden, so blieb mir wahrlich nihts Anderes übrig, als daß ih, der ih mich jederzeit persönlich dafür inter- cssirt und die Versammlungen zura großen Theil fcüher sel} gel-itet habe, gegenwärtig dem Verbande die Hand bot. Es war unbedingt noihwendig, daß der Verband irgend eine Perspektive bekam; aus Staatsmitteln begünstigt zu werden. Es wäre unverantwortlih von mir gewesen, wenn ich mit Nückfsiht darauf, daß ih mit meinem Grundbesiß bei diesem Verbande betheiligt bin, denselben auf einmal bätte den Rücken kehren und ihn niht wollen zu Stande fommen lassen. Wohl aber konnte die Frage an mi herantreten und sle is auch an znich heran- getreten, ob es wit Rücksicht auf meine amiliche Stellung nicht zweck- mäßiger sei, aus dem Verbande herauszutreten als auch nux den Schatten eines . Verdachtes des Eigennuyes - dadur : zu erwécken, daß cin Verband aus - Staatismitteln subventionirt würde, an dem der betreffende Minister selbs betbeiligt ist. Die Beantwortung dieser Frage konnte mix aber uur hr kurze Zeit zroeifelhaft ersheinen, denn es lag mir der Anschlag des Bautechniker vor, der den Bau ausführen sollte, der Anschlag, auf den das Statut gegründet und der von Sr. Majestät dem Könige in dem Siatut als die eigentlihe Grundlage desselben genannt worden ist. Nach diesem Anschlage hätte ich schr wohl sagen können: Jhr Andern bildet die Sozietät, führt die Sacde- aus, führi euren Kanagi bis an meine Gren- zen; ih habe dann Alles, was ih wünsche und gebrauche; ih kann dann eureVorfluth benußen, ih kann dur euren Kanal das überflüssige Wasser von meinem Grundftüce los werden und ich werde nit in den Verband treten; das hâtte sich sehr wohl ausführen lassen. Jn dem vorliegenden Anschlage iverden die Kosten, die auf mein eigenes Grundstü, inklusive der Grundstücke dex bäuerlichen Besißer, kommen, in runder Summe auf 500 Thaicr bercchnet; davon hâite mich viel- leicht die Hälfie getroffen. Es tvar ja nicht nôthig, daß ih den Kanal in den Dimensionen herstellte, wie der Anschlag es verlangte, und ich hätte also voraussichtlich mit 200 oder 300 Thalern Alles erreichen können, was ich erreichen wollte. Yber, meine Herren, mir sien das miï den Geseßen weder der Edre noch des Anstandes reckt ver- einbar, daß ich plêvlih alle die Leuic, mit denen ih jo lange Jahre an dem Werke gearbeitet habe, im Stiche lassen solite und, nahdem endlich ein gutes Werk zu Stande gekominen war, sagen sollte: »Nun macht cs allein, ih werde nicht mitgehen, ih fkomine viel besser dabei fort, wenn ich von Eurer Genossenschaft zu- rückvleive«. Gegenwärtig babe ih aber, wenn die vorgetragenen Zahlen richtig sind, was allerdings noch nit f.ststeht, eine mindestens 20jach größere Last übernominen, als jene veranschlagten 2- bis 300 Thlr. Ich habe das Opfer aber willig und gern gebracht , weil ich wußte, cs handle sich hier um eine gute Sawe, es handle sh um ein großes Werk, das noch späteren Generationen zu Gute kommen werde und das daher zu unterstüßen und zu fördern meine amtliche Pflicht sei, Darum bin ih in den Verband gétreten; aber ih habe wahrlich niemals geglaubt, daß in dem Augeublick, wo ih dieses Opfer brachte, irgend Jemand die Sachlage fals auffassen und so deuten könnte, als hätte ich bier einen Zweck des Eigennußes verfolgt. Auch glaube ih kaum, daß Jemand, der den Verhältnissen näher steht, ein solches Urtheil je zu fällen im Stande sein würde Die Leute kennen alle die Verhältnisse, wie sie liegen, Jedermann weiß, welhe Opfer es gekostet hat, um den ersten Schriit " zu einem großen Unternehmen zu thun, ja selbsi die Petitizn, die Jhnen vorliegt, hat au nicht die leiseste Andeutung davon gegeben, daß ih selbsi als Ag E Grundßücke nicht hätte “in diese Genossenschaft ein- treten sollen. e

diet glaube damit die Sache von dieser Seite als erledigt ansehen zu dürfen. ? L Ute j Ein zweiter Verwurf wurde mir aber daraus gemacht, daß ih. auf ein Gesuch des jezigen Petenten sel b| enischieden hätte, während

ih doch’ an der Sache betheiligt war. Diese meine Betheiligung ist

mir zwar nicht ganz klar; sie würde sich auch denn es handelte sih . lediglich um die Frage, ob “der Petent aus der Genossenschaft ausscheiden dürfe oder nicht auf ein Minimum reduziren, denn. ob einige hundert Morgen ‘mehr in der Genossenschaft sind oder nit, wird auf die Beiträge, ‘die ih dereinst zu zahlen habe, wahrlich keinen irgend erheblichen Einfluß Üben. Aber es kommt noch ein anderer Grund hinzu. Jch glaube, in dem vorliegenden Falle durfte kein Anderer dem Iebigen Petenten antworten als ih selbs. Nicht der Passus in seiner Vorstellung, der hier verlesen ist und der vielleicht

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