1871 / 51 p. 2 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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von Helfaut bei St. Omer sichen , die aber wenig zahlreich find, nicht über 10—12,000 Mann, und deren Ausrüstung als höchst elend geschildert wird. / , : Bis heute Mittag waren in Paris erft die Wablen von 12 Departements genau bekannt. Das Gouvernement in Paris theilte mit, daß ihm Uebersihten der Wahlen aus 43 südlichen Departements telegraphisch zugeschickt worden wären, doch hatten die Depeschen noch nicht dechiffrirt werden können. Von den bisher bekannt gewordenen Wahlen hat keine in Paris größeren Eindruck verursacht, al® die des Departements du Nord, wo 29 Abgeordnete zu ernennen waren. i Die Abstimmung des Dep. du Nord hat sich ganz frei von radikalen Elementen gehalten, dagegen fast ausschließlich orlea- nistisch gesinnte Männer , Vertreter der großen Aristokraten- familien und der flandrishen Jndustrie nah Bordeaux geschickt. Aehnlich ist das Ergebniß im Pas de Calais und noch einem anderen Nordbezirk »Seine Jnförieure«. Vereinzelte Nachrichten aus den übrigen Departements geben der offiziellen Presse shon jeßt Anlaß, einen überwiegend gemäßigten Charakter der Na- tionalversammlung vorher zu sagen. Jn Folge dessen ist die Verstimmung unter den Radikalen von Paris, deren Wahl- e ein mächtiges Gegengewicht gegen sich erstehen sehen, ewachsen. G Das »Mot d'Ordre« Rocheforts eifert in Aus8drücken des Parteihasses gegen die »Gefahren einer römischen Reaktion«, und ein anderes Blatt, das erst zum Behuf der Wahlen von Felix Pyat, an Stelle des früher von ihm heraus- egebenen »Combats«, gestiftet ist, scheut sich nicht, öffentlich die Nothwendigkeit des Bürgerkrieges zu predigen. Dieses Blatt, das den Titel »Le Vengeure führt, sagt wörtlih: »Ehe man daran denken darf, Rache an Preußen zu nehmen, haben wir unter uns selbst, und zwar so rasch wie möglich eine Rache zu vollstrecken; ehe wir die bestrafen, die uns besiegt haben, müssen wir die bestrafen, die uns verrathen haben; che wir daran denken, uns zu Rächern an den Führern Deutschlands zu machen, machen wir uns zu Ge- riht8herren (TJusticiers) an denen, die uns regiert haben. Jede Gemeinschaft mit ihnen haben wir zurückzustoßen und Verant- wortung von ihnen zu verlangen. Unter dieser Verantwortung

aber verstehen wir den Tod.« Die gemäßigten Blätter,

auch solche, die nicht gouvernemental sind, wie der »Constitu- tionnel«, weisen mit Entrüstung auf diese Ausbrüche fanatischer Parteileidenshaft und zeigen dem Publikum, wo die wahren Feinde Frankreichs zu suchen seien.

Von der Il. Armee. Die leßten Tage, welche das Haupt- quartier Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrih Carl in Le Mans zubrachte, waren mehr durch Angelegenheiten des Friedens, als8 des Krieges ausgefüllt. Es galt, der Bevölkerung des Departements der Sarthe alle Vortheile zu gewähren, welche die Vornahme der Wahlen innerhalb der geseßten Frist ermöglichen konnten, wie Freigabe des Berkehrs, Benußung der Telegraphen wenn auch unter deutscher Kontrolle, zugleich aber auch alle Einflüsse zu beseitigen, welche die Freiheit der- selben im Sinne des Gambetta’|chen Erlasses beeinflussen konnten. Nach dem leßteren waren im Departement de la Sarthe gerade alle diejenigen Persönlichkeiten aus8geschlossen, welche als Männer des Friedens und der Ordnung von dem öffentlichen Vertrauen auf die Wahlliste geseßt worden waren. Am vierten Februar war der frühere Präfekt der Republik und Jntimus Gambetta's, Herr Chevallier, früher Advokat in Paris, nach Le Mans gekommen, nach seinem früheren Departement, welches er am 12. Januar beim Anrücken der deutschen Armeen plößlich obne allen Grund verlassen hatte. Er war gekommen , um als Wahl- Tommissar die Wahlen im Sinne der Gambetta'schen Bestim- mungen zu leiten. Durch sein diktatorisches, seinem Freunde nahgeahmtes Auftreten, durch den Anschein einer geseßlichen Gewalt hätte er viel Unheil und Verwirrung stiften können, auch wenn er nur durch die Prätention seiner Befugnisse die Gemüther unsicher und zaghaft gemacht und sie so von der Abgabe ihrer Stimmen zu Gunsten der obenerwähnten Män- ner des öffentlichen Vertrauens zurückgehalten hätte. Die An- fänge dazu hatten sich schon gezeigt, sowohl von Seiten der Wähler als der zu Wählenden, welche lehtere öffentlich erflärten, daß sie auf jede Kandidatur verzichteten. Die deutsche Militärbehörde legte sih in das Mittel. Sie ließ Herrn Che- vallier bedeuten, daß er gar feine Befugnisse mehr besäße, daß er durch das Verlassen seines Postens, ohne Weisungen von Seiten der deutshen Armee abzuwarten, dieselben von selbst aufgegeben habe, daß - von der deutschen Militärbehörde die Verwaltung des Departements bereits in. die Hand genommen worden sei, und daß er ersucht sci, das Departement wenigstens innerhalb der deutschen Demar- fationslinie zu verlassen. Darauf hin zog sich der frü- here Präfekt in die Flôche zurü, einen Distrikt von

fünf Kantonen, der in der Neultralitätszone liegt. Als ein harafkterislisches Zeichen der gegenwärtigen Zustände mag angesehen werden, daß, als er die bisherigen Präfektur- Räthe aufforderte, ihm dahin zu folgen und als diese verwei- gerten , diesem Befehle nachzukommen , und er fie für abgeseßt erklärte , diese sich um Schuß gegen solche Willkür an die deut- he Militärbehörde wandten. Um aller Ungewißheit und Ver- wirrung betreffs der Wahlen ein Ende zu machen, traf von Jules Favre aus Paris der telegraphische Befehl ein , daf die Maires als Wahlkommissäre zu fungiren hätten, eine Bestim- mung, die in Le Mans sowohl von französischer als deutscher Seite mit großer Befriedigung aufgenommen wurde. Um die Landbevölkerung, welche in einem Grade für den Frieden ge- stimmt ist, daß: sie jede Friedensbedingung annchmen würde, um diesen die Wahl zu erleichtern und deren Betheiligung sich zu sichern, war die Veranstaltung getroffen worden, daß sie sich nicht erst nah dem Hauptorte ihres Kantons zu begeben hatten, sondern gleich in der Kommune wählen konnten.

So gestaltete sih namentlich in der leßten Jeit des Aufent- halts des Hauptquartiers der Il. Armee in der Hauptstadt des Departements der Sarthe das Einvernehmen zwischen der deut- schen Militärgewalt und den Gemeindebehörden derselben zu

einem von jeder Seite entgegenklommenden. Die Bevölkerung

sah und erkannte die Milde und Humanität, mit der man ihr zu begegnen suchte, den Ernst, mit dem man das Eigenthum vor jedem unbefugten Eingriff {Üüßte, den guten Willen, die schwere Last des Krieges ihr auf jede Weise erträglih zu machen und zu erleichtern, und wenn fich in der Konstituante eine CriedenS§partei bildet, so werden die Deputirten des Departements der Sarthe darin stark vertreten sein.

Die Dislokationen der Truppen innerhalb der Demarka- tion8linie machten auch einen Wechsel des Hauptquartiers des General-Feldmarschalls Prinzen Friedrich Carl Königliche Hoheit nothwendig. Zunächst begab sich der General-Feldmarschall zu einem Besuche Sr. Majestät des Kaisers und Königs nach Versailles. Die Abreise des Prinzen, der vom General von Stiehle, dem persönlichen Adjutanten Major von Krosigk, Ritt-

meister von Normann, dem Adjutanten des Oberkommandos-

Major von Niesewandt begleitet war, erfolgte 9 Uhr Mor- ens vom Bahnhofe von Le Mans aus; die Bahn nach Ver- ailles war erst kurze Zeit vorher auf der ganzen Strecke wie- der in Stand geseßt worden. Die übrigen Personen des Haupt- quartiers brachen um dieselbe Stunde auf und s{lugen die nach Tours führende Heerstraße ein. Bis zwei , drei Meilen weit konnte man auf diesem Wege die Spuren der Kämpfe der Januartage verfolgen. Das Terrain war bis Château-du- Loir der Art, wie es bereits früher bei Gelegenheit der Schilderungen dieser Kämpfe beschrieben worden war, die Luft wehte weich und frühling8mild, die Temperatur betrug ebenso viel Wärme- grade, als in der deutshen Heimath an diesem Tage vielleicht unter Null waren. In Château-du-Loir übernachtete das Haupt- quartier, um am nächsten Tage die Stadt Tours zu erreichen. Ja der Mitte des Dezember hatte der General-Feldmarschall durch seine Operationen auf beiden Ufern der Loire abwärts die Regiecung aus Tours vertrieben und nach Bordeaux ver- heut. Darauf war die Stadt vom General v. Hartmann und dessen Corps genommen worden, seitdem if} fie in unserem Besig geblieben, und nun bewegte sich die Kolonne des Haupt- quartiers von der steilen Uferhöhe herab Über die vielbogige imposante Loirebrücke an dem Denkmal Descartes vorbei in die prächtige Hauptstraße, die Rue Royale, und von da na dem früheren Kaiserlichen Marschallate, wo das Ober-Kommando seine Bureaus aufs(lug und in welhem auch die Wohnung für den Prinzen - Feldmarschall bercitet war. Am nächsten Tage, am s. Februar, Abends 6 Uhr,- traf derselbe nebst Be- gleitung in Tour® ein; die Reise war bis anderthalb Meilen vor Tours, bis zu der Stelle, wo die Eisenbahnbrücke gesprengt

ist, auf der Bahn, von da ab her zu Wagen erfolgt.

Tours gilt in Frankreich für die lebenslustigste Stadt nach Paris. Der Terrorismus Gambetta’'s hat ihr zwar manche Störung verursachen, aber den ursprünglichen Charakter der- selben nit verändern können. Nach den Städten, in die wir bisher eingerückt waren, die sich äußerlih in Schweigen und Trauer - gehüllt hatten, war der Anblick, den die Stadt der Touraine bot, ein ganz veränderter, ein angenehm Überraschen- der. Man sah elegante Toiletten, man hörte hie und da cine Equipage durch die Straßen rollen, man wurde durch den Anblick großer, reich ausgestattetec Magazine gefesselt, man be- egnete Uberall Leben und Verkehr, man hörte aus den Häusern elbst woieder Musik, die wo anders verstummt war im Ganzen trug sich wie Überall das Vertrauen auf den Frieden entgegen. Dabei is nur Eine Stimme über die Freundlichkeit, mit welcher die Bewohner unsere Truppen aufgenom- men haben, über die versöhnlihe, würdevolle, ruhige

Haltung der Gemeindebchörde. Der Vorsteher derselben,

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Herr Gouin, war hon Maire unter der Kaiserlichen Regie- rung und war es auch während der Republik geblieben; er ist einer der beiden von der Stadt gewählten Deputirten und mit einer großen Majorität aus dem Skrutinium hervor- gegangen. Dieses Resultat in dem früheren Siß der Gam- betta’shen Regierung is ein bedeutsames Zeichen der herrschen- den Stimmung. Vielleicht nirgends is die Entlassung des Diktators mit größerem Jubel aufgenommen worden, als in Tours. Die Presse, die von unserer Militärbehörde vollständig freigegeben ist, ergeht sich in Ausdrücken über den Erxdiktator, die Einem die Fabel mit dem todten Löwen ins Gedächtniß zurück ruft; sie fallen mit einer Wuth über den Beseitigten her, die sie blind gegen die unbestreitbaren hervorragenden Eigenschaften des Gefallenen macht.

Weiter liegen vom Kriegsshauplay folgende Nach- ridten vor:

Ueber die Lage der Bewohner von Saint Denis hat Graf Bismarck folgendes Schreiben an einen Minister in Paris gerichtet :

»yDie Gemeinde Saint Denis findet sh durch die Demarkations- linie in zwei Theile getrennt, so daß der größere Theil der Einwohner si in der neutralen Zone befindet. Bis zur Zeit der Uebercinkunft wurde die Verproviantirung von der Stadt Paris geliefert und von der Mairie in Saint Denis vertheilt. Jeßt finden sich die Einwohner, welche in der neutralen Zone sind, von Paris ausgeschlossen, das ibnen nichts mehr liefert, und es ist ihnen untersagt, sich außerhalb der Demarkationslinie zu verproviantiren. Es entsteht dadur ein Noth- stand für diese durch den Krieg {hon so hart geprüfte unglückliche Be- völkerung, dem im Ju'eresse der Menschlichkeit sofort abgeholfen wer- den muß. Jch habe die Ehre, die Aufmerksamkeit Ew. Excellenz auf diesen Punkt zu lenken und Sie zu bitten, die nothwendigen Maß- regeln ergreifen zu wollen, um die Subsistenz des Theils der Be- völkerung von Saint Denis in der neutralen Zone zu sihern. In Erwartung der Wirkung dieser Maßregel habe ih die deutschen Mili- tär-Behörden gebeten, zur Unterstüßung dieser Bevölkerung beizutra- gen und ihr unentgeltlih Lebensmittel von unsern Vorräthen zu über- lassen. Genehmigen Sie 2. von Bismar.«

Aus Versailles wird, dem »W. T. B.ch« zufolge, nach London, 17. Februar, gemeldet: Nach der am 15. d. ab- geschlossenen Uebereinkunft bezüglich des Waffenstillstandes in den Departements Jura, Doubs und Côte d'or ist die De- markationslinie daselbst sÜdlih von Lons le Saunier' gezogen. Besangon uñùd Auxonne mit Umkreis bleiben von französischen Truppen beseßt. Jules Favre is gestern nah Bordeaux ge- gangen und wird Montag mit einem Bevollmächtigten der Nationalversammlung zurückehren, um bezüglich der Friedens- bedingungen zu unterhandeln.

Wir {ließen hieran noch folgende Depesche des »W. T, B.«:

Versailles, 16. Februar.

Mit Rücksiht auf die eifrigen Rüstungen der Franzosen im Süden und auf die Einberufung der Ultersklasse von 1872 wurde bei der gestrigen Verhandlung Jules Favre's mit Graf Bismark über die Fortdauer des Waffenstillstandes nur eine Verlängerung von 5 Tagen bewilligt.

Der R N A General Herzog hat am 9. Februar folgenden Tagesbesehl an die schweizerishen Truppen erlassen :

Schweizer Offiziere und Soldaten! Als Euch die Bundesbehörde vor cinigen Wochen unter die Waffen rief, seid Jhr mit der Schnellig- keit und der Hingebung berbeigecilt, von welcher leßten Sommer Euere Kameraden von fünf anderen Divisionen bereits einen Beweis A haben. Aber Euere Aufgabe war noch viel \{wieriger. Richt nur habt Jhr in einer rauhen Jahreszeit niehr Etappen ge- macht und so mehr gelitten, sondern man hat von Euch außerordent- lide Anstrengungen verlangen müssen, um Euch in Eilmärschen an die Punkte zu befördern, wo die sich mit einer ungeheuren Schnelligkeit folgenden Ereignisse Euere Anwesenheit nöthig machten, Sobald Jhr in Reih und Glied standet, waret Jhr einem mühsamen Dienst und vielen Entbehrungen unterworfen. Ein \chreck- lihes Schauspiel hat si vor Euren Augen ent1vickelt. Jhr habt den traurigen E einer Armee angesehen, in welcher alle Bande der Disziplin fast gäozlih gelockert waren, wodurch sie in jene Aufls- sung verseßt wurde, die wir alle mit Bedauern konstatirt haben. Möge dieses Schauspiel sich in Euer Gedächtniß einprägen und als abshreckendes Beispiel die Ueberzeugung bekräftigen, daß ¿hne Diszt- plin und Subordination es keine gute Armee giebt, Muth und Auf- opferung vergebens sind. Jhr könnt jeßt mit dem Bewußtsein treu erfüllter Pflicht an Euren heimathlichen Heerd zurüfehren und für Eure Hingebung den Dank des Vaterlandes erndten 2c.

Der planmäßig um 5% Uhr Vormittags ankommende Courierzug aus Eydtkuhnen is} gestern 4x Stunden verspätet hier eingegangen. :

Nachdem der Betrieb auf der Eisenbahnstrecke zwischen Nuits (sous-Raviòres)-Tonnerre-Sens8-Moret-Montar- gis und Corbeil deutscherseits wiederhergestellt worden ist, find auf dieser Route im Anschlusse an die zwischen Nan zig

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(Blesme) und Nuits coursirenden Eisenbahn - Postbureaus Eisenbahn-Posttransporte unter Conducteur- Begleitung ein- gerichtet worden.

In Xertigny, Departement Vos8ges, und in Longwy F Mosel-Departement, sind Feldpostrelais in Wirksamkeit getreten.

Bon jet ab können wiederum verschlossene Briefe, sowie auch rekommandirte Briefe und Briefe mit Werthangabe nah Paris gegen die vor Ausbruch des Krieges in Kraft ge- wesenen Taxen befördert werden.

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__ Straßburg, 14. Februar. Die »Straßb. ZJtg.« veröffent- licht folgende Verordnung :

Art. 1. Die Stadt Straßburg wird zur Aufnahme eines Un- leihßens in der Höhe von 1 Mill. Francs durch die Benugzung eines in gleicher Höhe ihc eingeräumten Kredits bei der Succursale der Banque de France in Straßburg ermädtigt.

Art. 2. Die auf diesen Kredit erhobenen Vorschüsse sind mit 6 pCt. pro anno zu verzinsen und spätestens nah ciner jeder Zeit der Bank zustehenden Kündigung von sechs Monaten zurückzuzahlen. Art. 3. Zur Sicherung der Vorschüsse überweist die Stadt Straß- burg der Bank 53,360 Francs dreivrozentige französische Staatsrente. Straßburg, den 12, Februar 1871. Der General-Gouverneur im Elscß: Graf von Bismarck-Bohlen, General-Lieutenant.

Badea. Karlsruhe, 15. Februar. Anläßlich des Vor- {lags der Gemeindebehörden Karlsruhe, die Wahl eines Kandidaten für den X. Wahlbezirk zum Deutschen Reichstag, hat Se. Großherzogliche Hoheit der Prinz Wilhelm folgen- des Schreiben an den Gemeinderath der Residenz erlassen:

. Karlsruhe, den 11. Februar 1871. An den sehr verehrlihen Gemeinderath der Residenz.

Sehr verehrlihem Gemeinderath der Residenz erstatte ich meinen wärmsten Dank für die Art und Weije, wie Wohldersekde sich veran- laßt geschen hat, mi seinen verehrlichen ae Ua des E zu fle Abgeordneten zum ersten Deutschen Reichstage in Vorschlag zu bringen.

" Nachdem es der Vorschung gefallen hat, mich der Heilung und Genesung von meiner Verwundung nunmehr näher zu führen, nezume ih um so weniger Anstand, hiermit zu erklären, daß ih freudig eine etwa auf mich fallende Wahl annehmen werde, als ih es für eine der s{önften Pflichten halte, dem Wunsche derjenigen meiner verehr- ten Mitbürger, deren Vertrauen ich zu besißen den Notzüg habe, nach Kräften zu entsprechen.

_ Ih werde, falls mir diese Ehre zu Theil werden sollte, bestrebt sein, unter gewissenhafter Beachtung und Berücksichtigung sowobl voll- beretigter religiöser als auch politisher Ueberzeugungen vor Allem dem großen Ganzen und seinen uns Allen heiligen Interessen zu dienen.

Ich lebe dabei der festen Ueberzeugung, daß in dem Rufe »Deutsch- land vor Alleme sich die verschiedensten Parteirichtungen die Bruder- hand reichen, wie sie es so wodl verstanden haben, auf dem Felde der Ehre ihr Leben cinzusehßen für das große Vaterland und das verjüngte S N mit dem stolzen Bewußtsein der hohen Aufgabe unserer

ation.

Es wird daher, meines Dafürhaltens, die Aufgabe des Reichs-

tages sein, feste Bürgschaft zu gewähren für den Besiand dieses mit vielem Blute errungenen Deutschlands unter gleichzeitiger Aufrecht- haltung einer vertrag8mäßig gesicherten Selbständigkeit der deutschen Staaten nah Innen. Indem ich mich verpflihtet fühlte, in Kürze meine Auffassung Über die Art und Weise darzulegen, wie die Vertretung des 10. Wahl- bezirks im Reichstag zu E hätte, darf ich nit versäumen, den verehrlichen Gemeinderath auf die Wahrscheinlichkeit meiner hoffent- li bald möglihen Rückkehr zum Heere behufs weiterer Erfüllung meiner für die Dauer dieses Krieges übernommenen Verpflichtungen ergebenst aufmerksam zu machen und die Bitte hinzuzufügen, hiervon die verehrlihen Herren Wähler um so mehr gefälligst in Kenntniß seven zu wollen, als ich dadur verhindert werden könnte, rechtzeitig meiner Aufgabe zu genügen, Sie aber es dann vorziehen würden, statt meiner eine andere Persönlichkeit zu wählen.

Ich habe die Ehre mich zu zeichnen, eines yverehrlihen Gemeinde- raths der Residenz hochachtungsvolUl| ergebener

L Wilhelm, ee von Baden.«

Württemberg. Stuttgart, 15. Februar. Der »Staatsanz. f. W.« schreibt: Der Jnhalt des Bundes8geseves vom 4. Mai 1868 über die Aufhebung der polizeilichen Be- M Led der Eheschließung is in einem öffentlichen Blatte dahin aufgefaßt worden, daß nunmehr Ehen zwischen Juden

und Christen gestattet seien. Da diese Ansicht auch anderwärts

Eingang finden könnte, jo dürfte es zweckmäßig sein, darauf auf- merksam zu machen, daß daszurZeit noch inWürttemberg bestehende Verbotder Ehe zwischen ChristenundJuden durchdie neuerdings ein- geführten Bundesgeseße nicht berührt wird, indem der §. 2, Absatz 1, des erwähnten Bunde8geseßes vom 4. Mai 1868 nur auf Ehen zwischen Juden, nicht aber auf Ehen zwischen Christen und Juden fi bezieht, und auch unter den in dem Bundes- geseke vom 53. Juli 1869, betreffend die Gleichberechtigung der

onfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung,

Ret der:

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