Ungefähr am d. September begab sich Künhßel nah Lamu, um den dortigen englishen Konsul zur Ausfertigung eines entsprehenden S(reibens zu veranlassen, kehrte jedoch alsbald ohne ein folches Schreiben nah Mkonumbi zurück, da das englifche Konsulat an dem damaligen Tage ohne Vertretung war. Ih will bei dieser Gelegen- heit noch erwähnen, daß wir, nahdem wir mit dem „Reichstag“ in Lamu angekommen waren, den englischen Konsul Symons um seine Unterstützung in dieser Angelegenheit angegangen, von demselben jedo die Antwort erhalten hatten, er könne für uns nichts thun, da er keinen Einfluß auf den ati m aris habe; im Uebrigen würde
esten Kräften unter|tUßen. |
5 Db tum D. See taeibar trat in unserem freundshaftlihen Ver- hältnisse zu den Einwohnern von Mkonumbi keine Aenderung ein. An diesem Tage machte ih einen Besuch bei dem Kolonisten Joseph Friedri in Baltia und als ich Abends zurückkehrte, erzählten mir meine Gefährten, der Dorfälteste von Mkonumbi sei bei ihnen ge- wesen und habe ihnen mitgetheilt, er oder ein anderer der Aeltesten von Mkonumbi habe einen Brief vom Sultan von Witu erhalten, durch welchen die Einwohner angewiesen seten, uns keine Lebensmittel mehr zu verkaufen und uns an dem Weiterbau des Shuppens zu ver- hindern. Noch an demselben Abend ftellten wir Nahtwachen aus, da wir einen Angriff} der Bevölkerung fürhten zu müssen glaubten, es verlief aber alles friedlich, und hielten wir am 10. Schauri mit dem Dorfältesten ab, ohne jedoch zu einer Verständigung mit den Ein- wohnern zu kommen. Wir erklärten alsdann, daß wir das Dorf niederbrennen müßten, wenn wir keine Lebensmittel erhielten, und er- widerten nunmehr die Dorfältesten, in dem Sultansbriefe habe nur gestanden, man sollte uns an dem Bau des Schuppens hindern, Lebensmittel könnten wir kaufen. Der Brief des Sultans wurde uns nit gezeigt, da derselbe verloren gegangen fei. Thatsählih wurden uns dann auch Lebensmittel gegen Bezahlung verabfolgt. t
Inzwischen hatten wir gerüchtweise gehört, daß sih in der Nähe von Mkonumbi Soldaten gesammelt hatten und am 11, September erschien Bana Homari mit etwa 40 Mann von der Stadt Witu her. Bana Homari theilte Künzel in freundshaftlihster Weise mit, daß der Sultan gar nichts gegen unser Unternehmen hätte, wir könnten auch einen Schuppen bauen; er bestände nur auf einem Brief des englishen Konsuls. Bana Homari theilte uns weiter mit, der Sultan sei nur durch einen gewissen Bana Ali gegen uns aufgeheßt worden ; derselbe sei nämlih kürzlich von Mkonumbi nah Witu gekommen und habe dem Sultan erzählt, er sei ohne jede Veranlassung an dem ersteren Orte von Künßel und zwei Anderen mit dem Revolver be- droht worden. Ich will hierdurch ausdrücklich erklären, daß diese Angabe des Bana Ali unwahr ist und keiner sih einer Gewalttÿätig- keit in Mkonumbi shuldig gemacht hat.
In Uebereinstimmung mit Bana Homari wurde alsdann be- \{lofen, Urban, Stauf, Jarwiecki, Claus und mich nach dem dem Sultan gehörigen Otwanie-Walde zu senden, um an einer bestimmten Stelle in der Mitte zwischen der Küste und der Stadt Witu mit dem Bau des Fundaments für das Sägewerk zu beginnen. Wir alle waren der Ansicht, daß der Sultan von Witu hiergegen nihts haben könne, da Bana Homari gegen unseren Plan keine Einwendung erhob. Am 13. September brach ih mit den Genannten nach der bezeihneten Stelle auf; Künßel und Bana Homari gaben uns eiue Strecke das Geleite. Noch an demselben Nachmittage begannen wir an der bezeihneten Stelle mit der Anlage einer Hütte. Am 14, früh \{hickten wir zwei unserer Träger mit Geschenken nach Witu. Kurze Zeit darauf kam Drottleff zu uns; derselbe theilte uns mit, er sei uns von Künzel nachgeshickt worden, um uns zu warnen, es seien ernste Nachrihten aus Witu eingégangen, wir möchten auf unserer Hut sein. Im Laufe des Vormittags erschien dann der genannte Bana Ali, ein gewisser Sheriff Abdallah, soviel ich weiß, und noch andere Beamte des Sultans mit 40 Soldaten, die sich nach und nah auf 150 vermehrten. Einer von den Beamten übergab uns einen Brief, den wir aber nit Icsen konnten, da keiner von uns der Suaheli - Spraße mächtig war. Wir \chickten deshalb den Brief mit einem unserer Träger nach Mkonumbi, damit er dort überseßt werden kvnnte, Nah Abgang des Briefes begannen nun Verhandlungen zwischen uns und den Sultans- beamten, aus denen wir Mangels eines Dolmetschers nur soviel ver- stehen konnten, daß uns der Sultan in Witu persönlih zu sprechen wünsche und daß wir uns deshalb sofort in Begleitung der Soldaten dorthin zu begeben hätten. Wir weigerten uns anfänglih und wollten zunächst die Antwort aus Mkonumbi abwarten, \{chließlich blieb uns aber nihts Anderes übrig, als uns zu fügen und wurden wir nah Witu geleitet, woselbst wir gegen 3 Uhr Nachmittags anlangten, Unser Gepäck und unsere Ausrüstung wurde uns von den Soldaten nachgetragen, unsere Diener und Träger waren vorher, bis auf die beiden, welche wir am Morgen nach Witu gesandt hatten und einen Koch, entflohen. Diese beiden Diener begegneten uns auf unserem Marsche nah Witu und {lossen sich uns wieder an.
In Witu angekommen, wurden wir nach einem Hause ganz in der Nähe des Sultanspalastes geleitet. Der Sultan sandte uns ein Swhaf zum Geschenk, und erlangten wir nach langen Verhandlungen die Crlaubniß im Palast einen Besu zu machen.
Vorher hatte man uns unfere Waffen abverlangt, da uns der Sultan bewaffnet niht empfangen könne; anfänglih weigerten wir uns unsere Waffen aus der Hand zu geben, kamen aber später mit den Beamten des Sultans, die "ns im Walde abgeholt hatten, überein, unsere Waffen in unserem Hause niederzulegeo und dieselben dur die beiden Diener, die uns geblieben waren, bewachen zu lassen.
Im Palaste wurden roir von einem großen breitshulterigen Mann, der uns als Sultan vorgestellt wurde, freundlich empfangen, ih habe aber später erfahren, daß derselbe nicht der Sultan, sondern ein Onkel desfelben, Bana Mku, gewesen war. Irgendwelche ge\{chäftliche An- gelegenheiten konnten wir mit dem angeblihen Sultan wegen Un- kenntniß der Sprache nicht besprehen, wie wir uns denn überhaupt e dahin nur mühsam durch Zeichensprahen hatten verständigen önnen.
Als wir in unser Haus zurückamen, waren unsere Waffen fort und erzählten uns die zur Bewachung zurügelassenen Diener, daß während unserer Abwesenheit Soldaten des Sultans gekommen wären und ihnen die Waffen gewaltsam weggenommen hätten, Die Namen dieser beiden Diener dürften durch Haeßler in Lamu zu erfahren sein.
Ih begab mi nun sofort wieder auf die Straße und suchte im Palaste vorzusprehen, um mich über die Wegnahme der Waffen zu beschweren, jedoch ohne Erfolg. j
, Gegen 5 Uhr Nachmittags erschien Küntzel mit seinem Neffen Frißz Horn und Bana Homari in Begleitung einer größeren Anzahl Soldaten in Witu. Küntel hatte durch unsere weggelaufenen Träger in Mkonumbi von dem, was uns passirt war, gehört und fich augen- blicklich na der erwähnten Stelle im Walde und von da nach Witu begeben, Künßel war denselben Soldaten, die uns im Walde abge- holt hatten und demnächst offenbar zu seiner Abholung in der Richtung nah der Stelle im Walde zurückgegangen waren, begegnet und mit diesen in Witu eingezogen. Küntzel war sehr aufgeregt, als er erfuhr, daß uns die Waffen weggenommen worden seien, und verlangte sofort, wenn auch ohne Erfolg, zum Sultan geführt zu werden. Bana Homari versuchte ihn zu beruhigen und schien überhaupt mehr auf unserer Seite zu sein, theilte Künzel allerdings au mit, daß er seinen Einfluß auf den Sultan verloren habe, und daß der Leßtere ganz unter dem Einfluß der anderen Beamten stände, welche lügenhafte Gerüchte über uns verbreitet hätten. Küngel war mit einem Karabiner, einer Büchsflinte und zwei Revolvern bewaffnet und sagte mir, man hâtte ihm diese Waffen bei dem Betreten von Witu am Thore ab- nehznen wollen, Bana Homari habe indessen den betreffenden Soldaten zu Boden geschlagen,
„ Gegen Abend vershwand plößlich Bana Homari und fing hier- mit unsere Lage an, bedenklich zu werden. In der Nacht, die wir in dem uns zugewiesenen Hause verbrahten, und am anderen Morgen sammelten sich immer mehr Soldaten in der Nähe unseres Hauses. Künßtel versuhte am Morgen des 15. nohmals Zutritt zu dem Sultan zu erlangen, Als ihm dies abges{chlagen wurde, wurde er sehr heftig und \crie laut auf dem Playe vor dem Palaste; er [cheint au Schimpfreden gegen einen Beamten gebraucht zu haben,
denn er wurde von einem folchen in heftiger Weise zurükgestoßen, irgend welche Gewaltthätigkeiten hat sich Künßtel aber niht zu Schulden kommen lassen.
Um 9 Ubr Morgens erschien nomals Bana Homari in unserem Hause und erklärte uns, er könne nihts für uns thun, es sei das Beste, wenn wir uns so ruhig wie möglich verhielten.
Da sich inzwischen aber immer mehr Soldaten angesammelt hatten, bes{chlossen wir, die Stadt erforderlihen Falls mit Gewalt zu verlassen, und als die Soldaten sih einige Augenblicke von unserem Hause entfernt zu haben \chienen, verließen wir dasfelbe, nachdem Künzel seine Waffen an uns vertheilt hatte; ten Karabiner nahm Künßel, Stauf die Büchsflinte und ODrottleff und ih je einen Revolver. Wir versuhten, Witu durch das füdlihe Thor zu ver- lassen; als wir an das leßtere kamen, fanden wir es durch ver- schiedene Querhölzer verschlossen. Küntel ging voran und forderte den unbewaffneten Thorwächter auf, zu öffnen, Der Lebtere \chickte sich au an, das oberste der Querhölzer herauszuziehen, als auch \chon Künßel und wir Anderen die übrigen Querhölzer herausrissen. Küntel verließ das Thor zuerst und hörte ih in diesem Augenbli hinter mir Schüsse fallen. Demnächst folgten Claus und Jarwiecki, dann ih und etwas hinter mir Stauf, welcher mir auf meine Frage nah den An- deren mittheilte, Urban läge bereits todt durch einen Schuß in den Kopf in der Stadt, er selbst habe beim Verlassen des Thores mehr- mals auf seine Verfolger losgefeuert und offenbar auch einige getroffen. Drottleff und Friß Horn scheint es niht mehr geglückt zu sein, die Stadt zu verlassen, wenigstens habe ih sie niht wiedergesehen. Wir Anderen, Manke, Stauf, Jarwiecki, Claus und ih wutden demnächst von vielleiht 200 Eingeborenen, unter denen ich auch Sultansaskaris bemerkte, verfolgt. Dieselben \{hossen mit Gewehren und Pfeilen nah uns und suchten sich gegen unsere Schüsse im hohen Graje zu decken. So lange wir noch Munition hatten, hielten si unsere Verfolger noch in einer gewissen Entfernung, als uns dieselbe aber auszugehen anfing, kamen sie uns von allen Seiten näher und näher. Etwa eine Stunde, nachdem wir die Stadt verlassen hatten, erhielt ich als erster, der verwundet wurde, einen Schuß durch den rechten Oberschenkel und bald darauf einen leiten Pfeilshuß in den Rücken und wurde ih infolge- dessen so schwach, daß ih zurückbleiben mußte. Künzel rief mir noch zu, in dem hohen Grase gegen meine Verfolger Deckung zu suchen und da er mir sagte, daß er alle seine Patronen vershossen habe, gab ih ihm noch meinen Revolver und einige Patronen, die mir nun doch nihts mehr nüßen konnten. Weiteres über das Schicksal meiner Ge- fährten, von denen, als ich zurückblieb, noch feiner verwundet war, vermag ich nicht zu bekunden. Jch selb wurde halb bewußtlos, hörte noch einige Zeit {ießen und blieb selbst in dem hohen Gras den Augen meiner Verfolger verborgen.
Ich mochte vielleiht eine Stunde in dem Grase gelegen haben, als ich von Neuem Stimmen und lautes Schreien neben mir hörte ; man {ien mich zu suchen und als man mich nit fand, wurde das Gras ring8umher angezündet. Mir gelang es, aus dem Feuer zu ent- kommen und nahdem ih zwei Tage in der Wildniß umbergeirrt war, ohne Nahrung zu finden, traf ich am 17. September morgens in Ki- pini ein, wo ich von Arabern freundlich aufgenommen wurde. An demselben Tage traf ih dortselbst Kurt Toeppen und Robert Penn- dorf, welche mir mittheilten, sie seien einen Tag nah dem Angriff auf uns in Witu gewesen. Sie hätten dortselbst den Sultan, der sich anfänglich bätte verleugnen lassen, gesprochen, derselbe habe ihnen mit- getheilt, an dem ganzen Angriff auf uns sei Künzel huld, der zuerst auf den Thorwärter geschossen und uns gewaltsam aus der Stadt Witu entfernt habe.
__ Das Mitglied unserer Expedition, Haeßler, war zu der Zeit, als Küntel am 14. September von Mkonumbi nach Witu aufbrach, in Lamu, um nohmals mit dem dortigen englishen Konsularagenten wegen des Briefes an den Sultan von Witu Rücksprache zu nehmen.
Carl Horn war von Künzel in Mkonumbi sammt dem Dolmetscher Jama zurückgelassen worden und ist, wie mir der leßtere mitgetheilt hat, am 16. September angeblih auf Befehl des Sultans von Witu unter Beihülfe des Akide von Ukonumbi ermordet worden.
Der Bana Sultana ben Ali, von dem ich bereits früher er- wähnte, daß er uns freundlich gesonnen ci, soll den Mord des Carl Horn zu verhindern gesuht' haben.
Der p. Behncke, der Genosse des Ioseph Friedrih in Baltia, ist in der Nacht vom 17. auf den 18. September von Wituleuten unter Beihülfe der Leute aus Hansum Arabu, glei{falls im Witu-Sultanate belegen, ermordet worden. Die betreffende Nachriht gelangte durch einen Dhauführer, der von dem englishen Konsularagenten zur Rettung des Behncke abgesandt war, nah Lamu.
Die Reichsangehörigen Schönert und Tost sind von ihrer in der Nähe bei Wangi gelegenen Schamba am 18. September nah Lamu geflohen, da sie in Erfahrung gebracht hatten, daß auch ihre Shamba auf Befehl des Sultans von Witu durch Wituleute niedergebrannt werden sollte. Der Dorfälteste von Wangi 1oll die zu diesem Zwecke herbeigekommenen Wituleute indeß von der Zerstörung abgehalten
haben. Auf Vorhalt: i
Dieses isl die volle Wahrheit, die ich jederzeit mit gutem Gewissen beshwören kann. Mir is demnach insbesondere nichts davon bekannt, daß Küntel eine heftige Szene mit dem Sultan oder einem seiner Beamten gehabt hat, in welcher demselben das Recht zur Holzfällung untersagt sein soll. Ich selbst wie die übrigen Mitglieder der Expedition sind stets der Ueberzeugung gewesen, daß der Sultan nihts gegen unser Unternehmen habe. Ich weiß auch nihts davon, daß sih Künzel den Eingang in Witu erzwoungen und den Thorwächter niedergeshofsen hat; hätte dies Künzel gethan, so hätte ih es unbedingt noch in Witu erfahren müssen und bin ih der Ansicht, daß Künzel gerade so wie ih und meine Begleiter halb gewaltsam zu dem Eintritt in Witu gezwungen worden is, Irgend welche Gewaltthätigkeiten find von keinem von uns in Witu vor- genommen worden, und machten wir erst außerhalb der Stadt, nach- dem unser Gefährte Urban in der Stadt ershossen worden war und wir Anderen angegriffen wurden, von unseren Schußroaffen Gebrauch.
d) g. U, gez. A. Meushel. gez. Dietrichs, s Konsulatssekretär a. i. als Protokollführer,
Anlage 2. Uebersetzung.
Aussage des Herrn K. Toeppen. / (Diese in englisher Sprache aufgenommene Ausfage enthält verschiedene Unklarheiten, welche sih in der Ueberseßung nicht beseitigen ließen.) Lamu, den 19. September 1890.
Begleitet von Herrn Penndorf verließ ich Lamu am Montag, den 15, September 1890 und langte in Mkonumbi am selben Abend um etwa 10 Uhr an. Ich erfuhr, daß dort keine Nachricht von Küntel eingetroffen war, sah aber Licht in seinem Lager, und man sagte mir, daß ein Europäer daselbst \{liefe. Am folgenden Morgen um etwa 4 Uhr 30 Minuten erreihte ich Fugazombi, wo nach 6 Uhr noch keine Nachricht eingetroffen war. Ich ecreihte den Hohwald um 10 Uhr und traf 4 Leute, welche ich fragte: „Was für Nachrichten ?*; sie schienen sehr erschrocken und berihteten, daß alles in Ordnung fei. Die Europäer und der Sultan seien gute Freunde. Wir marschirten dann nah Utuami, Herrn Bendolph's Play, und sahen keine mit Gewebren bewaffneten Leute. Die Männer, welche den Plaß bewachten, riesen : „Dies ist Bwana Pembe und Bendolph.“ Wir gingen weiter und fanden das Haus verbrannt und alles zerstört. Der Aufseher erzählte uns dann von dem Gefeht in Witu. Es kamen nun 4 oder 5 Sol- daten mit mir, da es gefährlich war, durch das Land zu reisen, Nahe bei N’Kami trafen wir 4 Wituleute, welhe auf dem Wege nah der Küste begriffen waren; sie sagten aber nicht, wohin sie gingen. Wir seßten unsern Weg nah Witu fort und langten dort etwa um 11 Uhr an. Ih begab mich nach dem Hause von Omari Madi, wo ih zu wohnen pflegte, wenn ich in Witu war. Ein Mann öffnete, und ich sah den Sultan und alle angesehenen Leute von Witu (30 oder 40) dort sigen. Jch nahm meinen Hut ab, legte mein Gewehr
gez. von Buri, Gerichtsafsessor.
nieder und sprach zum Sultan. Derselbe sagte daravf zu mir und den Anderen, er hätte niht geglaubt, daß ich wieder nah Witu kommen würde, da Herr Künzel jedem einen Strick und eine Peitsche gezeigt und gesagt hätte, das fei „Soshima“ für Bwana Penbe,
sagte darauf, daß ich keine Furt vor Küaßel habe, denn ih bätte ihm nichts gethan und er würde mir nichts thun. Ich bätte nur in Mkonumbi gewacht, nachdem Herr Weiß ihn hätte aufbrechen sehen.
Der Sultan erzählte mir darauf Folgendes: „Zuerst kam Herr Künzel mit Anderen und mit Herrn Haeßler nah Witu und Künzel verlangte seine eigene Schamba und seine Arbeiter. Der Sultan erwiderte darauf, Künßtzel besäße keine eigenen Arbeiter in Witu, er, der Sultan, habe ihm nur solche zum Arbeiten gegeben. Die Weißen, welche im vergangenen Jahre in Utuami gewesen seien, Herr Doerfer oder Herr Pendorff, würden dies bezeugen. Küntel antwortete darauf ; „Ihr seid Hunde.“ Der Sultan bemerkte, er würde die Erlaubniß zum Abholzen des Waldes nicht ertheilen, Künßel würde daher besser thun, si zu entfernen. Künzel und Haeßler kehrten darauf nah Mkonumbi zurück, Der Sultan ließ seinen Leuten daselbst sagen, sie möchten denselben keine Lebensmittel verkaufen ; darauf abec hörte er, daß sie Ge- walt brauen und kämpfen wollten, und da er dies zu vermeiden wünschte, ließ er seinen Leuten sagen, fie möchten ihnen alles verkaufen, was sie verlangten. Er sandte Omari Madi mit einem Briefe ab, wünschte aber nicht, daß die Europäer nach Witu kämen. Künzel sandte darauf Omari nah einem Orte in der Nähe des Waldes und wies sie an, eine „Banda“ (Schuppen) zu errihten, Als der Sultan dies börte, sendete er Leute nah diesem Orte und ließ den Herren sagen, sie möchten nach Witu kommen. Sie kamen und er überließ ihnen ein Haus zur Wohnung und sandte ihnen Lebensmittel. Die Witu-Leute erzählten dem Sultan, daß fie und die Herren ih freundlih entgegenkämen und keinen Streit miteinander hâtten Der Sultan wußte, daß Künzel wie ein Rasender sei, und daß, wenn er anlangte, es ein Gefeht geben würde. Er ließ daher die Herren nah seiner Baraza kommen und sandte nach ihrer Ankunft Leute nah ihrem Hause, um ihre Waffen nebst [Munition fortzunehmen. Auch befahl er Omari Madi, wenn Küngzel in die Stadt käme, ihm seine Waffen zu nehmen ; Omari wollte dies aber nit thun, da Künzel sein Freund gewesen sei. So kamen Künzel und die Anderen mit ihren Waffen. Der Sultan ließ nun Künzel sagen, er müsse in Witu warten, bis er ein Schreiben vom Konsul in Lamu beigebracht habe. Küntel ging darauf nah dem Hause, wo die Anderen sih befanden, weigerte ih indessen, irgend etwas anzunehmen. Am nächsten Morgen ging Künßtel in der Straße umher, stieß in suahelisher Sprache Flüche gegen den Sultan aus, nannte ihn einen Hund 2c. und sagte, der Sultan habe gar nichts zu sagen, und er brauche seine Erlaubniß nit, um irgend etwas zu thun. Künzel sagte, er sei zum Kampfe bereit, der Sultan würde gut thun, sich auch bereit zu machen, sein Gewehr sei ebenso gut, wie das des Sultans. Künzel äußerte mehr- mals zu Omari Madi, daß er zum Kampf bereit sei und nur auf einen Vorwand warte, um denselben zu beginnen, Als Künzel bei der Flaggenstange stand, wollten die Soldaten ihn tödten, der Sultan aber hielt sie zurück, da er keinen Europäer in seiner Stadt tödten wollte, und da Küngtel’s Worte ihn nicht ver- leßen könnten. Omari Madi kam nun und theilte dem Sultan mit, Küngtel wolle sih entfernen und niht auf irgend welche Schreiben warten. Der Sultan erwiderte Omari Madi, er möge Küntel sagen, es sei besser, daß er in Frieden ginge und die Stadt verließe.
Als Dmari das Haus verließ, hörte er einen Schuß neben dem Stadtthor. Er befahl den Soldaten, niht zu feuern, aber diese wollten nit hören und erwiderten: „Sie schießen auf uns und wir wollen auf sie schießen.“ Der Sultan sendete zwei Andere, um dem Feuern Einhalt zu thun, aber die Soldaten wollten nicht gehorchen.
Folgendes wurde dem Sultan von den Soldaten erzählt, denn er befand sich im Hause und konnte nicht selbst schen, was vorfiel :
Als Künzel mit seinen sieben Leuten das Haus verließ, hatten sie zusammen zwei Gewehre und drei Revolver; er kam an das Gitter und versuchte die Querbalken zu entfernen. Der Thorwächter sagte zu ihm: „Warte, bis ih des. Sultans Erlaubniß empfangen habe, Dich pasfiren zu lassen;“ Künzel ergriff darauf seinen Revolver und {oß den Wächter sofort nieder; er liegt innerhalb der Stadt be- graben. Künyel nahm darauf die Querbalken fort und ging dur das Thor. Darauf feuerten alle Wituleute auf einmal. Vier Deutsche wurden sofort getödtet, einer innerhalb und einer außerhalb des Gitters. (?) Die Uebrigen wurden von den Sultanéleuten verfolgt; der Sultan versuchte vergeblich dies zu verhindern. Drei der Uebrigen wurden etwa eine Stunde von Witu getödtet, Ueber den achten konnte man nichts in Erfahrung bringen. Küntzel wurde zuleßt getödtet, von mehreren Kugeln und vielen Pfeilen getroffen; als er fiel, rief er aus: „Basi Bunduki“ „Amini, Amini*. Die Sultansleute kamen heran und forderten ihn auf, seinen Revolver fortzuwerfen, was er auch that; er verlangte darauf zum Sultan gebraht zu werden, starb aber nah wenigen Minuten (vermuthlich durch Pfeilgift); sie ließen ihn daselbst liegen. N Der Sultan sagte mir darauf, daß er den Vorfall aufs Tiefste bedauere, er habe seinen Leuten nicht befohlen, zu feuern oder Küntel irgend etwas zu Leide zu thun; alle Anderen seien sehr gut und freundlih gewesen, nur Künßel habe den Kampf gewollt und die ganze Sache veranlaßt. Der Sultan \ch{üttelte mir die Hand und entfernte sich. N, 2 j ;
Nach der Vespermahlzeit ließ ih den Sultan um die Erlaubniß bitten, die gefallenen Deutschen zu beerdigen. Er erwiderte, daß er dieselbe gern ertheilen würde, daß aber die Soldaten des Akida und die Medizinmänner es nicht erlauben wollten, weil es nicht gebräuhlich sei, Leute zu beerdigen, welche ihren Sultan in irgend einer Weise verleßt hätten. Ich ging später aus und sah die vier Männer außerhalb des Gitters ; sie waren ganz nackt, aber in keiner Weise verstümmelt; die übrigen sah ich nicht. Am nächsten Tage wollte ih in der Sache etwas thun, mußte aber abreisen. Der Sultan ließ mir sagen, er wünsche, daß ich nah Mombassa und Sansibar mich begebe, gab mir ein Schreiben an Sie (Herrn Pigott) mit und sagte mir, ich solle Ihnen den Vorfall erzählen. Er wünschte, ich möchte sofort abreisen, da viele Fremde in der Stadt seien und uns tödten könnten. Dur Mkonumbi zu reisen, wollte er mir niht gestatten, weil dort dichter Wald ift und es vielleicht nit sicher sei; er gab mir darauf 10 Askaris und nachdem wir gegessen hatten, brahen wir um 11 Uhr Vormittags nach Kipini auf; etwa 2 Stunden vor Kipini sahen wir ‘ die Fuß- spuren eines Curopäers. Als ih mit der Eskorte in die Nähe von Kipini kam, ging ih direkt nah der Baraza des Akida ; er war sehr freundlich und gab mir eine Wohnung. Nach etwa ciner halben Stunde kam Herr Meuschel herein. Ih miethete eine Dhau und wir \hliefen an Bord, segelten von Kipini um 6 Uhr Vormittags ab und langten in Lamu am Donnerstag um 3 Uhr Nachmittags an.
Anlage 3.
Ueberseßung nah einer flüchtigen (rough) englischen Nebertragung.
Von Sultan Fumo Bakari ben Sultan Witu. Nah Salaams S0
Ih empfing Ihr Schreiben, worin Ste mih in Betreff der getödteten Europäer befragten. Von Anfang an, als Künzel anlangte, suchte ih ihn aufzuhalten, zuerst in Mkonumbi, von wo meine Leute mir seine Ankunft mittheilten, Ich ließ ihn holen und sah ihn, als er kam. Er erzählte mir, daß er hier arbeiten und ein Haus bauen wolle; er käme mit 11 Europäern, Ich erwiderte ihm, daß ih, solange ich unter deutschem Schuy stand, niemals etwas ohne Er- laubniß der Deutschen gethan habe, „Geh' jeyt nah Sansibar zum eng- lischen Konsul und bringe mir etn Schretben von ihm. Wenn er Dir erlaubt, zu bauen, so magst Du kommen und thun, was Du begehrt“. Er ging dann nah Mkonumbi zurück, und meine dortigen Unterthanen {rieben mir, daß er dort haue, Ich sandte einen Brief, um ihn daran zu verhindern; als meine Unterthanen dies thaten, wollte er egen sie kämpfen, Darauf schrieben sie mir und ih sandte Omari Madi mit Briefen, Omari Madi berichtete mir, daß er die Europäer
gjesehen Und ihnen meinen Auftrag überbracht habe, Sie hörten aber nicht dacauf. Künßel sandte \cchs8 von seinen Leuten mit ihren Trêgern, um „mit Gewalt“ zu bauen. Darauf schickte i Soldaten ab, um die Leute zu mir zu bringen. Sie kamen zur Stadt und ich gab ihnen ein Haus zur Wohnung. Am Abend kam Küngel mit QOmari Madi in die Stadt; er ging zu seinen „Brüdern“ und führte eine ungeziemende Sprache. — Am Morgen, als sie erwachten, kam er auf meine Flaggenstange zuz dort stieß er Scchmähreden aus, während \ih alle Askaris und viele Leute daselbst befanden. Das Volk wollte mit ihm Streit anfangenz ih verhinderte dies aber und befahl, ihn in Ruhe zu lassen. Sie verlangten Erlaubniß, nach Mkonumbi zu gehen z ih sagte ihm, ih würde an den Konsul in Lamu \hreiben und seine Antwort erwarten. Als ich ihm dies sagte, beschimpfte er mich noch mehr. JIch {rieb Jhnen am 29. Saffr (15. Sep- tember), daß ein Europäer hierher gekommen sei und daß ih ihn zurückgehalten hätte; wenn er mit Gewalt ginge, so könnte ih ihn nicht hindern, ih würde ihn gehen lassen. Dieser Brief wurde um 1 Uhr (7 Uhr früh) abgesandt. Um 4Uhr (10 Uhr Vormittags) ging er mit Gewalt. Jh sandte darauf Dmari Madi, welcher ging und zu ihm sprach; er wollte aber nit hören und beschimpfte mich. Darauf redete Omari mit ihm und versuchte, ihn hineinzuholen. Er ging aber hinaus, bevor i es erfuhr; er \{lug*) einen Mann und stieß ihn zu Boden, dann \chlug er einen anderen, und der Askari wollte nit ruhig zusehen, als er seine Ge- nossen zu Boden geschlagen" sah. Darauf hörte ih Schüsse. Jch sandte Leute, um die Streitenden zu trennen. Der Abgesandte sah einen Europäer fallen und auch meine Leute fielen, Jch konnte sie niht zurüdckhalten, Die Nachricht, daß drei Europäer in Wanga getödtet worden sind, habe ih niht vernommen. Wit 4. Saffr 1308. U, | 19, September 1890. Empfangen in Lamu am 20. September 1890. eit I P Wee Poti
4) Das gebrauhte Wort „piga“ kann „\{lagen“ oder „\chteßen“ bedeuten.
Hefen.
Darmstadt, 25. Oktober. Sicherem Vernehmen der „Darmst. Ztg.“ zufolge wird sich Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog nächsten Dienstag, den 28. Oktober, zum Besuch der Landes-Universität nah Gießen begeben.
Braunschweig.
Braunschweig, 26. Oktober. Se. Königlihe Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Herzog- thums Braunschweig, hat, wie „W. T. B.“ meldet, Jhren Königlichen Hoheiten ‘dem Herzog von Connaught und dem Erbgroßherzog von Sachsen das Großkreuz des Ordens Heinrich's des Löwen verliehen.
Ein Comité, an dessen Spiße der Ober-Jägermeister von Veltheim-Destedt steht, erläßt mit Rücksicht auf den Ausfall der leßten Reichstagswahlen einen Aufruf zur Bil- dung eines konservativen Vereins für das Herzog- thum Braunschweig. Die konstituirende Versammlung ist auf den 5: November in Braunschweig anberaumt.
Sachsen-Altenburg.
X Altenburg, 25. Oktober. Fhre Hoheit die Herzogin traf heute mit Gefolge zum Winterausenthalt im hiesigen Residenzshlo}se wiederum ein, während Se. Hoheit der Herzog in Folge von Jschias, die Höchstdenselben bereits an der Theilnahme an den Blankenburger Hofjagden leider behindert hatte, gezwungen ist, bis zu eintretender Besserung in der Sommerresidenz Hummels hain zu verbleiben.
Sachsen-Coburg-Gotha.
Coburg, 26. Oktober. Jhre Kaiseclihen Hoheiten die Herzogin von Edinburg, der Großfürst und die Großfürstin Wladimir von Rußland sind gestern Abend aus Stuttgart hierher zurückgekehrt.
Anhalt.
Dessau, 25. Oktober. Se. Hoheit der Herzog ist, nah dem „A. St.-A.““, gestern von Ballenstedt Hierher zurük- gekehrt.
Schwarzburg-SonDdershausen.
Sondershausen, 25. Oktober. Se. Durchlaucht der Fürst ist, nah dem „Reg.- u. Anz.:Bl., heute Morgen im besten Wohlsein aus Wiesbaden hier wieder eing+troffen.
Hamburg.
Hamburg, 26. Oklober. Der an die Bürgerschaft s- mitglieder zur Vertheilung gekommene Entwurf des Staatsbudgets zeigt, wie der „Hamb. Corresp.“ mittheilt, ein Wachsthum gegen 1890 von 3 866 780 46 01 Z. Die Einnahmen sind auf 55341 452 A. 91 5, die Ausgaben auf 55.889 634 46 90 Z gegen 52022854 J. 89 § für 1890 geschäßt, sodaß ein Defizit von 548 181 & 99 Z gegen 494 509 M 47 F für 1890 zu decken bleibt.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 27. Oktober. Die Königin von Rumänien ist, wie „W, T. B.“ berichtet, gestern früh aus München hier eingetroffen und im Hotel „Jmpérial“ abgestiegen. Vor- mittags machte dieselbe der Erzherzogin Maria Theresia einen einstündigen Besuch und fuhr am Nachmittag nah Baden zum Besuch der auf Schloß Weilburg wohnenden Mitglieder des Kaiserlichen Hofes. Der Kaiser Franz Joseph hatte inzwischen der Königin einen Besuh im Hotel abgestattet. E E
Die Ausgleihs- Kommission des böhmischen Landtages berieth in ihrer Sißung am Sonnabend §. 17 des Entwurfs, betreffend den Wirkungskreis des Landes- kulturrathe. Der Abg. Dr, Kutschera beantragte für 8. 17 die nahfolgende Fassung: 0 :
„Es gehören demna insbesondere in seinen Wirkungskreis 1) In den angeführten Angelegenheiten a über Aufforderung der Regie- rung oder der Landesvertretung Gutachten zu erstatten, b. an die Regierung oder Landesvertretvng fslbständige Anträge zu stellen; 2) die Regierung und die Landeêvertretung bei sämmtlihen im Interesse der Landetkultur des Königreichs Böhmen unternom- meren Verfügungen zu unterstüßen; 3) die Thätigkeit jener Vereine des Königreichs, welche die Pflege und Förderung der Landeskultur überhaupt oder einzelner Zweige oder Induftrien derselben zur ftatuten- mäßigen Aufgabe haben, zu unterstüßen; 4) die Angelegenheiten der landwirths{aftlicen Lehranstalten im Königreiche zu beforgen.
Bei der Abstimmung wird der Antrag Kutschera in allen fünf Punkten einhellig (auch die Deutschen stimmten dafür)
angenommen.
Großbritannien und Frland,
London, 25, Oktober, Die „London Gazette“ veröffent- lihte gestern die Königliche Proklamation, welche das Parlament auf den 25. November einberuft.
Die Ernennung einer britishen Kommission, in Geméeinschaft mit der französishen Regierung, zur Absteckung der anglo - französishen Grenzen am Gambia und Sierra Leone in Gemäßheit des Ar- tikel V des westafrikanishen Abkommens zwishen den beiden Ländern vom 1. August 1889 wird nunmehr offiziell gemeldet. Seitens Englands is der Major Peacock für den Sierra Leone-Theil und Kapitän Kennedy für den Gambig- Theil ernannt. Sie werden je von einem Arzt und einem kleinen Vermessungspersonal, einer kleinen Eskorte folonialer Polizei und den nöthigen Gepäckträgern begleitet sein. Die Aufgabe der Kommissarien wird auf die Grenzabsteckung streng beschränkt sein, mit Fragen der Handelsförderung werden sie sih nicht befassen.
Der Graf von Paris ist am 24. d. Abends in Montreal (Canada) eingetroffen und, der „A. C.“ zufolge, enthusiastisch empfangen worden. Die besonderen polizeilichen Vorsichtsmaßregeln verhinderten jede feindlihe Kundgebung. Fast die ganze Polizeimannschaft der Stadt war am Bahnhofe anwesend. Die Studenten der französishen und englischen Universitäten hatten sih sehr zahlreih zur Begrüßung des Grafen eingefunden.
Frankreich. Paris, 27, Oktober. Der Ministerrath hat, dem „W. T. B.“ zufolge, in seiner am Sonnabend abgehaltenen Sibung die Ausarbeitung eines Geseßzentwurfs begonnen, welcher die ständige Verproviantirung der festen Plä he anordnet.
Das „ournal officiel“ vom 24. d. M. veröffentlicht .den Erlaß des Präsidenten Carnot, welcher den Admiralitäts- rath abschaft und an dessen Stelle einen Ober-Marine- rath und drei Stellen von General-Jnspecteuren der Marine errichtet, die mit zwei Vize-Admiralen und einem Contre-Admiral besezt werden. Dem einen der beiden Vize- Admirale werden die Arsenale, die Marine-Anstalten außer- halb der Häfen Frankreichs, die Reserveschiffe und die Schul- \{hife und Marineschulen unterstellt. Der andere Vize- Admiral hat die Mobilmachung der Eingeschriebenen und die Mannschasten der Flotte zu überwachen. Der Contre- Admiras beaussihtigt den unterseeishen Vertheidigungs- dienst. Die Jnspektoren werden für zwei Jahre ernannt. Durh Erlaß vom 21. Oktober sind zu diesen Aemtern ernannt worden: die Vize-Admirale Devarenne und Olry und der Contre:Admiral de la Jaille. Der Ober- Marine-Rath, welcher den Admirals-Rath erseßt, besteht aus fol- genden aht Mitgliedern: dem Marine-Vêinister als Vor- sißenden, dem Vize-Admiral und Ober-Befehlshaber der Flotte, fünf Vize-Admiralen und Seepräfekten und dem Chef des Generalstabes des Marine-Ministers. Die Direktoren der verschiedenen Dienstzweige des Marine-Ministeriums sowie die hohen Beamten können mit berathender Stimme zugezogen werden.
Die Deputirtenkammer seßte am Sonnabend die Berathung des Budgets ohne besonderen Zwischenfall fort.
Der Gesetzentwurf zu dem General- Zolltarif ist der Kammer zugegangen. Nach demselben sind, wie bereits ge- meldet, ein Maximaltarif und ein Minimaltarif aufgestellt. Der Entwurf ermächtigt außerdem die Regierung, Zuschlags- zölle oder ein Prohibitivsystem gegenüber allen oder einem Theil dec aus Ländern entstammenden Waaren anzuwenden, welche zur Zeit oder in Zukunft Zuschlagszölle oder Prohibitivmaßregeln in Be- treff französisher Waaren in Anwendung bringen. Jn Betreff der Cerealien und des Viehs behält sich Frankreih freie Hand vor; für Vieh tritt an Stelle des Zolls per Haupt ein Zoll nah dem Gewicht. Wolle und Häute bleiben zollfrei. Cocons und verarbeitete Seide wird besteuert, nicht aber rohe Seide. Eier und Butter werden künftig tarifirt; die Zölle auf die Erzeugnisse des Fischfanges werden erhöht; Oelsamen werden verzollt; die Zölle von Delen erhöht; Wolle, rohe Baumwollen, Leinsaat, Hanf und Jute bleiben zoufrei; die Zölle auf Hölzer werden erhöht. Für Kohlen sind die bisherigen Zölle beibehalten; die metal- lurgishen Zölle werden verändert, diejenigen auf Stahl er- mäßigt; cemishe Erzeugnisse bleiben unverändert; fremde Weine werden je nah ihrem Alkoholgehalt versteuert ; die Zölle auf Bier werden erhöht; gewebtes und gesponnenes Leinen und Hanf, sowie die Erzeugnisse der Baumwoll-Fndustrie werden dem Schußtarif vom Fahre 1881 unterstellt. Lon außereuropäischen Erzeugnissen, welche jedoch aus europäischen Ländern eingeführt werden , bleiben australishe Wollen, indishe Baumwolle und Jute von einem Zuschlagszoll frei.
Das „Journal des Débats“ bedauert es, daß die Regierung der Kammer nicht lediglih einen Maximal- tarif vorgelegt habe, welcher allein rationell gewesen wäre, während bei der Anwendung des Minimaltariss jede Modi- fikation den Charakter einer feindseligen Maßregel annehmen müßte. Die Reform des Zollregimes beginne mit der Abdikation der Regierung, welche sie unternommen habe.
Die „Liberté“ und andere Blätter sprechen sih gegen die Jdee eines gegen Amerika gerichteten europäischen Zollvereins aus. Es :
Zwischen der griechischen und französishen Regie- rung ist ein vorläusiges kommerzielles Abkommen ge- {lossen worden. Erstere bewilligt der französischen Regierung niht nur die Anwendung der niedrigsten Tarife, sondern noh eine Verminderung von 30 Proz. auf Spißen, 50 Proz. auf Sammet, Seide und Parfumerie-Artikel. Weine geen frei ein. Die französische Handelsmarine wird alle die dortheile genießen, welche der Schiffahrt der meistbegünstigsten Nationen eingeräumt sind. Jm Austausch hierfür wird Griechenland bis zum 1. Februar 1892 die Anwendung eines Konventional- N idben 98 000 auf die Fragen der Kommission für die Regelung der Arbeitsverhältnisse eingegangenen Ant- worten haben si, nah der „Köln. Ztg.“, 5500 für einen Arbeitstag von 8 Stunden ausgesprochen, 5000 sind jeder staatlichen Regelung abgeneigt und 10000 befürworten einen längern Arbeitstag von 9, 10, 11 und 12 Stunden.
Das Journal „Paris“ meldet, die französische Regierung werde die Aufmerksamkeit Englands auf den Angriff lenken, welcher gegen die Expedition Mizon auf dem Niger stattgefunden hat, und verlangen, daß die englische Regierung für die Sicherheit der Reisenden in den unter ihrem Protektorat stehenden Gebieten Sorge trage.
Dem „Journal des Débats“ wird aus Batah (an der Küste des Golfs von Guinea) gemeldet, daß Spanien die Okkupation des Benitogebiets vorbereite, deshalb seien
die früheren französishen Posten daselbst wieder hergestellt
worden. Der Administrator von Brazzaville, Cholet, habe während seiner Forshungsreise am Sanghaflusse mit verschiedenen Häuptlingen Verträge abgeschlossen, welche ihre Gebiete unter französishes Protektorat gestellt hätten. Die Bevölkerung dieser Gebiete sei friedlich und handel- treibend. L - - E
Die russishe Fregatte „Minin“ is am 25. d. M. in Cherbourg eingetroffen und wird nah einem mehrtägigen Aufenthalt nah den Antillen weitergehen.
Rußland und Polen.
St. Petersburg, 27. Oktober. Der Kaiser und die Kaiserin empfingen am Freitag den serbishen Obersten Tscholak Antitsch. E / :
Der neu ernannte \{wedishe Gesandte von Reuter- \kiöld ist hier eingetroffen. : A
Der russishen „St. Petersburger Zeitung“ zufolge würde der Präsident der französishen Republik Carnot im Mai 1891 über St. Petersburg nah Moskau reisen, um der Eröffnung der dortigen französischen Au s- stellung beizuwohnen. Sodann würde Carnot das Wolga-Gebiet, den Kaukasus und die Krim besuhen. — Demselben Blatte zufolge wäre die Frage wegen Auflösung der bestehenden Militärbezirke und Bildung dreier selbständiger Armeen, einer Nord-, einer W-sst: und einer Süd-Armee, neuecdings wieder angeregt. | ) e /
Der „Börsenzeitung“ zufolge soll die Kommission für die Revision des Zolltarifs ihre Arbeiten noch in diesem Winter beenden, damit ein entsprehender Geseßentwurf dem Reichsrath noch in der laufenden Session vorgelegt werden könne.
Die Kommission des Reichsraths zur Ventilirung der Frage, betreffend die Erbauung einer sibirishen Bahn, hat sich, wie das amtliche Blatt meldet, dahin ausgesprochen, daß die Bahn durch die Krone allmählich nah Maßgabe der vorhandenen Mittel gebaut werden möchte.
Ftalien.
Wie die „Jtalie“ meldet, hat sich in Mailand eine italienisch - ostafrikanische Gesellshaft mit einem Kapital von 20 Millionen Lire definitiv konstituirt. Die Regierung werde die - Zinsen garantiren und den Gründungsentwurf bei der Kammer mit dem Antrage auf Dringlichkeit einbringen.
Schweiz.
Bern, 27. Oktober. Bei der gestrigen Volks abstim- mung isl, den „V. De qusolge die Revision der Bundesverfassung Behufs Einführung der staat- lihenUnfall-:und Krankenversicherung, soweit bis jeßt zu ersehen, mit großer Mehrheit angenommen worden, Nach derx bisher bekannten Zählung sind 227086 Stimmen dafür und 72 947 Stimmen dagegen abgegeben worden; von22 Kantonen haben 211/, für, der Halbkanton Appenzell und Jnnerrhoden da- gegen gestimmt. — Das Ergebniß derNationalraths8wahlen ist noch nicht vollständig bekannt. Die sozialdemokratische Partei ist in Zürih und Bern unterlegen und kommt in Basel Stadt zur Stichwahl. Die Bernische konservative Volkspartei ist vollständig unterlegen. Die Freisinnigen haben ihrer bis- herigen Zahl gegenüber 4 Stimmen gewonnen. So weit bis jeßt bekannt, sind 6 Stichwahlen erforderlih; unter den Ge- wählten befinden sich 23 Neugewählte.
Niederlande.
Haag, 25. Oktober. Nach dem heute im „Staats- Courant“ veröffentlihten Bulletin ist der Kräftezustand des Königs troß der vorhandenen Schwäche ziemlich zufrieden- stellend, doh dauern die Störunaen der Gehirnthätigkeit fort. Wegen der den Generalstaaten in der am nächsten Dienstag stattfindenden gemeinsamen Sißung beider Kammern zu machenden Mittheilungen begeben sich der Justiz- Minister und der Minister der Kolonien heute nah Schloß Loo, wo heute abermals eine ärztlihe Kon- sultation stattfindet.
Velgien.
Brüssel, 26. Oktober. Die „Jndépendance belge“ glaubt zu wissen, daß die Regierungen der größeren europäischen Staaten gegenwärtig bei der niederländischen Regierung in vertraulicher freundschaftlicher Weise Schritte thun, um sie zu bewegen, sich mit dem Projekt, betreffend die Einführung von Einfuhrzöllen nach dem Congo- staat, einverstanden zu erklären.
Bei den heutigen Kommunalraths-Stichwahlen zwishen 3 Kandidaten der liberalen Vereinigung und 3 Kan- didaten der liberalen Liga wurden 1 Kandidat der leßteren und 2 Kandidaten dec liberalen Vereinigung “ gewählt. Nach Verkündigung des Wahlresultates fanden vor dem Lokal der Liga feindselige Kundgebungen statt, wobei es zu Thätlich- keiten kam.
Türkei.
Konstantinopel, 27. Oktober. Jn dem am 24. d. M. endeten Hochverraths8prozeß gegen 10 Armenier wur- den, wie die „Agence de Const.“ meldet, 4 der Angeklagten zum Tode verurtheilt, die Uebrigen erhielten Kerkerstrafen von verschiedener Dauer, Die Beschuldigten gehörten einem Revolutions-Comité an, welches die Konstituirung der Un- abhängigkeit Armeniens bezweckte und sich revolutionärer Handlungen s{huldig gemacht hatte. Einer der Angeklagten hatte den Mordverfsuh gegen cinen Priester während des Gotiesdienstes in der Kathedrale von Kumkapu gemacht. Bei der Verhaftung eines anderen der Angeklagten wurden in seinem Besiß Schriftstücke revolutionären Charakters vor- gefunden. : D j
Auch der gestrige Sonntag, an welhem wiederum die griehischen Kirchen geshlofssen blieben, ist ohne Zwischenfall verlaufen. Wie verlautet, wäre ein Einvernehmen zwishen der Pforte und dem Patriarchat erzielt, welhes durh ein Jrade heute sanktionirt werden solle. Danach würden die Kirchen morgen, Dienstag, wieder geöffnet werden. Die Nachricht, die Pforte hätte die polizeilihe Oeffnung der Kirchen verfügt, wird als unrichtig bezeichnet.
Griechenland,
Athen, 27. Oktober. - Die gestrigen Wahlen zur Deputirtenkammer verursachten hier große Aufregung. Die ganze Nacht hindurch fanden lebhafte Kundgebungen in den Straßen, jedoch keinerlei Störung der Ordnung statt. Beide Parteien machten die äußersten Anstrengungen, um den Sieg zu erringen. — Wie ein Reuter’sches Telegramm meldet, hat