1890 / 261 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 29 Oct 1890 18:00:01 GMT) scan diff

König Leopold hatte Seinen Plaß zwischen den Kaiserlichen dajestäten, Allerhöchstdemselben gegenüber saß der Reichskanzler.

Nach Aufhebung der Tafel kurz vor 9 Uhr fand auf dem Plate zwishen dem Palais und den Communs ein Zapfenstreich ftatt, welcher von den Musikcorps der sämmtlichen in Potsdam und Berlin garnisonirenden Gardetruppen ausgeführt wurde. Ueber dem weiten Play mit seiner |chönen architektonishen und parkartigen Umgebung leuchtete am sternenklaren Himmel der Mond, dessen Licht mit der glänzenden kfünsilihen Beleuchtung zu wetteifern schien. Die Communs waren mit kfieinen Gas- flammen eingerahmt, die Geländer der shlangenartig ge- wundenen Treppenaufgänge mit weißen Papiexlaternen ein- gefäßi. Jn dem Augenblick, wo die Musikcorps, von dem grünen Licht der von Mannschaften getragenen Magnesiumfackeln be- leuhtet und unter den Klängen des York'schen Marsches heranmarjchirten, breitete sich rothes bengalishes Licht über die Façaden und die Thurmkuppeln, sowie über die Säulen- Verbindungshalle der Communs aus, während weißes und bellgrünes Licht die Bäume des danebengelegenen Parks besirahlte. Der Anblick war ein höhst malerischer und efffekt- voller, Die Musikcorps stellten si, umgeben von den fackeltragenden Mannschaften, in der Mitte des Platzes auf und trugen in rascher Folge einen Trommel- wirbel, die Fceishüp:Duvzitüre, Trot de Cavallerie, den britishen Grenadiermars{, Highland ladies, den Armee- marsch Nr. 113, die belgische Brabançonne und den großen Zapfenstreich, Einleitung zum Gebet und Retraite in fkünstlerisher Weise vor. Die Majestäten erschienen während der Aufführung auf dem Balkon des Marmorsaales, von wo aus Allerhöchstdieselben das prahtvoll farbige Bild übershauen und Sich dem gebotenen musikalischen Genuß hin- geben konnten. Auch Jhre Majestät die Kaiserin erschien kurze Zeit auf dem Balkon. Um 10 Uhr endete der Zapfenstreich mit dem Abmarsch der Musikcorps unter den Kiängen des Armeemarsches Nr. 113.

Wie „W. T. B.“ meldet, besuchte Se, Majestät der König Leopold heute Vormittag um 10 Uhr 10 Min. das Mausoleum weiland Sr. Majestät des Kaisers Friedrih und legie am Sarge des hohen Entschlafenen einen großen Lorbeer- franz mit einer Schleife in den belgishen Farben nieder. Darauf stattcte der König Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Heinrih, dem Erbprinzen von Hohenzollern, dem Herzog Johann Albrecht von Medcklenbucg, dem Großfürsten IWladimir und anderen hohen Herrschaften Besuche ab und unternahm sodann eine Spazierfahrt nach Babelsberg.

Dem Bundesrath sind bereits mehrere Spezialetats des Reihshaushalts für das Jahr 1891/92 zugegangen, und zwar der Etat für den Reichskanzler und die Reichs- kanzlei, der Etat für die Reichs-Justizverwaltung, der Etat für das Reichs: Eisenbahn-Amt, der Etat für den Rechnungshof, der Etat der Reichsdruckerei und der Etat für die Verwaltung der Eisenbahnen.

Der Kaiserlihe Gesandte am Königlich serbishen Hofe Graf von Bray-Steinburg hat einen ihm Allerhöchst be- willigten Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit von Belgrad fungirt dér Legations-Sekretär von Schloezer als Geschäftsträger.

Der Polizei:Präsident von Rheinbaben aus Wiesbaden ist zur Beschästigung als Hülfsarbeiter bei dem Königlichen Staats-Ministerium einberusen worden.

In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs- und Staats-Anzeigers“ wird eine Bekanntmachung des

Ministers für Handel und Gewerbe, betreffend die Unfall- versicherung sür Bauarbeiter, veröffentlicht.

S, M. Kreuzer „Sperber“, Kommandant Korvetten- Kapitän Fo ß, ist am 5. Oktober in Apia eingetroffen.

Posen, 28. Oktober. Ja der heutigen Sihung der Stadtverordneten verabschiedete sih der bisherige Ober: Bürgermeister Mueller, welcher zum Mitgliede des Reichsbank- Direktoriums ernannt is. Der Vorsitzende Justiz- Rath Orgler widmete dem Scheidenden warme, aneikennende Worte, dem die Versammlung durch einmüthiges Erheben von den Sißen zustimmte.

Vayern.

München, 28. Oktober. Das Staats-Ministerium

des Jnnern hat, nah der „Allg. Ztg.“, Betreffs der hohen

leishpreise folgende Entschließung an den Magistrat der tadt München erlassen:

„Das Königliche Staats: Ministerium des Innern hat von der zufolge Beschlusses der beiden Gemecindekollegien erfolgten eingehenden berihtlihen Vorlage vom 14. per 23. d, M. mit großem Interesse Kenntniß genommen, und wird der Inhalt derselben bei der Be- rathung des Antrages Bayerns wegen Zulassung der Einfuhr von S(hlachtvieh aus Oesterreih-Ungarn in größere, mit öffent- lihen Swlachthäusern versehene S1ädte im Bundesrath die ent- sprehende Verwerthung finden. Gleichzeitig bietet der Bericht werth- volle Anhaltspunkte für die allseitige Pcüsung der ebenso dringlichen wie hohwihtigen Frage, dur welche weiteren Maßnahmen den hohen Fleishpreisen entgegengewirkt und eine Ermäßigung derselben herbei- geführt werden könne. Auch hierbei wird das Königliche Staats- Ministerium des Innern den vorgebrachten thatiächlichen Verhältnissen und Vorschlägen die sorgsamste Würdigung zuwenden.“

Sachsen.

Dresden, 29. Oktober. Die Königlihe Familie wohnte, wie „W. T. B.“ meldet, heute Vormittag in der katholischen Hofkirhe dem feierlihen Requiem für weiland König Johann bei.

Württemberg.

Stuttaart, 28. Oktober. G-stern fand, wie wix dem „St.-A. f. W.“ entnehmen, die Ferer der Grundstein- legung der Friedenskirche statt. Es nahmen daran eine große Zahl geladener Ehrengäste Theil. Vom Hofe waren er- \hienen als Vertreter Sr. Majestät des Königs Se. Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm, ferner Jhre König-

lie Hoheit die Prinzessin Katharina, Jhre Kaiserliche d

Hoheit die Herzogin Wera, Se, Hoheit der Prinz von Sachsen - Weimar, ferner der Minister des Kirchen- und Schulwesens Dr. von Sarwey, der Kriegs-Minister von Steinheil, der General-Adjutant Freiherr von Molsberg, der Hof-Kammer- Präsident von Tscherning, der Präsident des Konsistoriums Freiherr von Gemmingen und der Vorsißende der Landes’ynode Staatsrath Dr, von Riecke, der kathol. Kuwrchen- raths-Direktor von Hefele, viele Geistliche aus der Nähe uud Ferne, der Stadt-Direktor und der Ober-Bürgermeister, die bürgerlichen Kollegien, der Reihtags- und der Landtags-Abgeordnete von Stuttgart, ferner die Vorstandshast des Kirchenbauvereins, Gemeindebeamte, der Baumeister der Kirche Professor Dollinger, der Kirchen-Gemeinderath und viele andere. Nachdem die Hammerschläge gethan, iprach der Stadtdekan Weitbrecht das Weihegebet, worauf sämmtlihe Anwesende unter Musik: begleitung den Choral anstimmten „Jh weiß an wen ih glaube“, womit die erhebende Feier {loß.

Vaden.

Karlsruhe, 28. Oktober. Von der Landesver- sammlung der badischen Centrumspartei, welche, dem „Badischen Beobachter“ zufolge, von 4 bis 5000 Personen besucht war, wurde eine Reihe von Resolutionen ange- nommen, von denen die auf die soziale Frage bezüglichen folgendermaßen lauten:

Mir \prechcen den ehrerbietigsten Dank aus für die hobherzige und kräftige Initiative, womit der Kaiser die Lösung der \fozialen Frage in Angriff genommen hat, und für die weise Fürsorge, weldie der beilige Vater unablässig dieser Frage zuwendet. Wir begrüßen es auch mit freudiger Genugthuung, daß die heuer zu Fulda versam- melten Bischöfe die Grundzüge zur Besserung der fozialen Lage in so überzeugender Weise entwickelt haben. Wir sind entschlossen und fordern alle Parteigenossen dazu auf, den ernsten Mahnungen unserer Oberhirten mit “aller Hingebung und Opferwilligkeit im privaten und öfentlichen Leben nahzukommen.

Wir erkennen es als eine heilige Pflicht aller Gläubigen, den religionsfeindlihen und gemeingesährlichen Bestrebungen der Sozial- demokratie mit Entschiedenheit und Aubdauer entgegenzutreten.

Oldenburg.

(H.) Oldenburg, 27. Oktober. Das in der Auss{uß- sizung vom 8. August v. J. beschlossene Statut der Ver- siherungs-Anstalt für das Herzogthum Olden- burg ist am 17. Oktober d. J. genehmigt worden. Als Ver- treter der Arbeitgeber und der Versicherten find der Fabrik- direktor, Konsul Aug. Shulze—Oldenburg und der Maschinen- meister Kraps—Oldenburg in den Vorstand eingetreten. Jn der ersten, unter dem Vorsiy des Amts-Assessors Düttmann abgehaltenen Vorstandssizung vom 24. d. M. ist beschlossen, von der dem Vorstand durch das Statut ertheilten Befugniß, die Führung der Kassengeschäfte der Versicherungs-Anstalt einem hiesigen Bank,eshäft zu übertragen, Gebrauch zu machen. Nah einem ferneren Beschluß soll eine Vereinbarung mit dem Großherzoglichen Staats-Ministerium angestrebt werden, nah welcher die wichtigeren St:llen im Bureau der Versicherungs- anstalt, und zwar zunähst zwei derselben, durch Beamte zu beseben, dencn die Staatsdiener-Eigenschaft beizulegen ist.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Coburg, 28. Oktober. Se. Hoheit der Herzog ist, nah einer Meldung des „W. T. B.“, heute nah seinen Besitzungen in Ober-Desterreih abgereist.

Anhalt.

Dessau, 27. Oltober. Am Sonnabend Nachmittag er- folgte, wie der „A. St.-A.“ mitlheilt, auf dem hiesigen Kasernen- hofe die Uebergabe der neuen Fahne an das Landwehr- Bataillon des Anhaltischen Janfanterie-Regiments durch den Brigade-Commandeur, General-Major GottschalckÆ. Nachdem die Fahne in Gegenwart des gesammten Offiziercorps im Osfizier- kasino genagelt war, wurde dieselbe vor die Front gebracht, wo sie mit kurzer Ansprache der General:Major Gottschalck dem Bataillon übergab. Mit einem Hoch auf den Kaiser und den Herzog {loß die Ansprache. Unter den Klängen des „Heil Dir im Siegerkranz“ fand die Fahne Aufstellung an dex Spie des Bataillons. Ein Paxrademarsh beschloß die Feier.

Waldeckck.

* Arolsen, 27. Oftober. Der zur diesjährigen ver- fassungsmäß gen Sißung einberufene Landtag der Fürsten- thümer Waldeck und Pyrmont wurde heute Mittag 12 Uhr im landständischen Sißungssaale im Gerichtsgebäude dahier von dem Königlichen Landes-Direktor Herrn von Saldern mit nahfolgender Rede eröffnet:

Meine Herren !

Se. Majestät der Könia von Preußen haben durch Allerhöbsten Erlaß d. d Liegniß, den 16. v. M, mich Allergnädigst ermächtigt, den Landtaa der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont im Laufe des Monats Oktober d. J. zur verfassungsmäßigen Sißung zu berufen, in Allerhöhflseinem Namen diese Sißung zu eröffnen, den Landtag nach Erforderniß zu vertagen und die Sitzung nach Erledigung der Vorlagen zu schließen. : s j :

Die erfolgreiche Thätigkeit der im Jahre 1887 gewählten bis» herigen Landtags-Abgeordneten, welcke zuleßt im Oktober und November v. J, zu einer ordentlichen Session versammelt waren, hat mit dem Ablaufe der dreijährigen Wahlperiode ihren Abschluß gefunden.

Aus den in Folge dessen stattgehabten allgemeinen Neuwahlen für die nächste dreijährige Wahlperiode sind Sie, meine Herren, als Vertreter des Landes hervorgegangen. Ais folche begrüße ih Sie bei Fhrer heutigen erstmaligen Versammlung zum ordentlihen Landtage mit dem aufrihtigen Wunsche, daß die Berathungen und Be- \chlüfse, zu welhen Sie berufen sind, im cinmüthigen Zusammen- wirken mit der Regierung zu einem für das Land segenéreihen Erfolg führen und dazu beitragen möchten, das gegenseitige Vertrauen zu bes festigen, welches bisher ¿wischen der Regierung und dem Landtage be- standen und das Wohl des Landes gefördert hat. j :

hre Thätigkeit wird in der diesjährigen Sitzung ni{t in erheblichem Umfange in Anspru genommen werden.

Es wird Ihnen nur / :

der Entwurf einer Verordnung, betreffend die Abänderung des 8, 51 des Fürstlichen Hausgeseßes pom 93, April 1857,

zur Berathung und Beschlußfassung und die Staatskassenrehnung vom Jahre 1888

zur Wahrrehmung Ihrer verfassungsmäßigen Rechte vorgelegt werden.

Außerdem sind Ihnen nur einige minderwihtige geschästliche Mittheilungen und Vorlagen zu machen, welche ih auf die laufende Verwaltung der Landesangelegenheiten bezichen und Ihre Mitwirkung erfordern. : h

Fm Namen Sr. Majeslät des Königs von Preußen erkläre ih den Landtag der Fürstenthümer hiermit für eröffnet.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 29. Oktober. Dem Vernehmen des „W. T. B,“ zufolge hat der Minister am Kaiserlichen und Königlichen Hof- lager Baron Orczy aus Gesundheitsrücksihten seine Ent- lassung erbeten. Als sein Nachfolger wird von mehreren Seiten der Sektions{chef im Auswärtigen Amt von Szögyeny i- Mar ich genannt.

Jn der vorgestrigen Sizungder Ausgleichskommission des böhmischen Landtages stellte bei der weiteren Be- rathung der Landeskulturraths-Vorlage der Abg. Dr. Skarda einen Antrag, wonach die Beamten des Landeskulturraths nicht dur die Sektionen, sondern vom Landesausschusse, und zwar niht etwa auf Vorschlag der Sektionen, sondern des Centralfollegiums ernannt werden follen. Fn diesem Antrage, dessen Tendenz offenbar die eines Eingrifss in die Se!bständigkeit der beiden nationalen Seklionen ist, erblickten, wie die Wiener „Presse“ s{hreibt. die Deutschen ein Aitentat auf den Grundgedanken des Geseßes, die nationale Zwei- theilung des“ Landeskulturraths, und der Abg. Dr. von Plener bezeichnete die Annahme dieses Antrages als gleih- bedeutend mit der Verw:rfang des Geseßes. Mit noch größerer Unumwundenheit aber erklärte der Statthalter Graf Thun, daß in dem Antrage das Bestreben sich verberge, den Ausgleich in und mit dieser Vorlage zu Falle zu bringen, und daß er daher dem Antrage Skarda, der auch in offenbarem Wider- spruch mit den Wiener Vereinbarungen stehe, auf das Aller- entschiebenste entgegentreten müsse. Der Antrag wurde sodann abgelehut.

Wie der „Polit. Corresp.“ aus Budapest geschrieben wird, hat in der Fahkommission des ungarischen Handels- Ministeriums gestern ein Meinungsaustausch Betreffs der Verbesserung der Handelsbeziehungen zu Deutsch- land stattgefunden. Ein überwiegender Theil der Versammelten hätte sich einer Zollherabseßung geneigt gezeigt und wären dies- bezügliche Vorschläge gemacht worden, eine eingehendere Be- rathung wäre jedoch vom Handels-Minister als verfrüht ab: gelehnt worde.

Jn ver gestrigen

Abend-Konferenz der rumänischen Nationalpartei wurde,

nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Hermannstadt, das Central-Comité mit der Abfassung eines Memorandums über die Be- \shwerden der in den Ländern der ungarischen Krone ansässigen Rumänen beauftragt. Die Erklä- rung des Referenten, daß die Rumänen Ungarns nicht nach außen gravitiren, sondern treu zur Dynastie stehen, wurde von der Konferenz gutgeheißen. Die Konferenz sprach ferner den Wunsch aus, es möchten zwischen Desterreih Ungarn und Rumänien gute politische, kommerzielle und militärische Beziehungen gepflegt werden. Großbritannien und Frland.

London, 27, Oktober. Die aus Frland vorliegenden Berichte über den Besuch des irischen Ober-Sekretärs Balfour im Westen Jrlands zeigen, der „A. C.“ zufolge, daß er überall bisher von der Bevölkerung enthusiastisch begrüßt und, im Widerspruch mit bisherigen Nachrichten, von keinerlei Polizei- Eskorte begleitet worden ist.

Wie ein Telegramm des „Bureau Reuter“ aus Montreal in Canada meldet, ist der Graf von Paris mit seiner Gesellschaft am 26. d. Abends von dort nah Quebec ab- gereist. Feindlihe Kundgebungen gegen ihn haben während seines Aufenthalts in Montreal nicht stattgefunden, die Gegner beshränkten sih darauf, die Flaggen au} ihren Wohnungen und Bureaux Halbmast zu hisjen.

Frankreich.

Paris, 29. Oktober. Jn dem gestrigen Ministerrath berichtete, dem „W. T. B.“ zufolge, der Minister des Aeußern Nibot über den Abschluß der kommerziellen Verein- barung zwishen Griechenland und Frankrei ch. Die Regierung wird von den Kammern die Ermäßtigung ver- langen, auf griechische Produkte bis zum 1. Februar 1892 den Konventionaltarif anzuwenden. Griechenlaud wird für fränzösishe Produkte vortheilhastere Tarife und eine Anzahl Zollherabsezungen bewilligen. : L

Den Abendblättern zufolge beantragte Léon Say mehrere Amendements zum Budget, darunter die Fest- stellung der Alkoholsteuer mit 225 Dr “anitatt 167 v, sorner die Dotirung. des Budget- fapitels, beireffend die Amortisirung mit 27 Millionen. Casimir Perier stellte einen Antrag, welcher die Mißbräuche beim Verkauf der Börsenwerthe ver- hindern soll und si insbesondere gegen Ratenagenten cihtet; dar"a@ jollen alle Kaufverträge, bei denen der Käufer nicht vollständig über die Verkaufsbedingungen aufgeklärt worden ist, ungültig sein. o i

Die Zollkommission der Deputirtenkammer hat anStelled- s Ministers De velle den Abgeordneten Daut resme ¿um Vize-Präsidenten ernannt und beschlossen, um die Arbeiten mög ichst zu beschleunigen, den Generalzolltarif an vier Subkommissionen zu verweisen und keine weitere Enquête zu veranstalten.

Der gestrigen kirhlihen Trauung der Tochter des russischen Botschasters, Baron von Mohrenheim, mit dem Lieutenant Vicomte de Sèze wohnten die Mitglieder der diplomatischen Vertretungen, die Gemahlin - des Präsidenten Carnot und zahlreiche Notabilitäten bei. Vor der Kirche hatte sich eine große Menge angesammelt, welche verschiedene Hoch- rufe ausbrachte. i : Ö

Nah Meldungen aus Konakry sind in Rio Numez Unruhen ausgebrohen. Der Negerkönig Dinah Salifu wurde von aufständishen Stämmen geschlagen. Ein Dampfer ist nach Rio Numez abgegangen, um eventuell den europäischen Faktoreien Schuß zu gewähren. j

Die durch Geseß vom 165. Juli 1889 angeordnete Verkürzung der Dienstzeit nöthigt dazu, die leßtere möglichst au8zunugen und kein Mittel unangewendet zu lassen, welches dazu dienen kann, die Ausbildung nahdrüdcklicher zu betreiben. Da leßtere namentlich durch diegrößeren Uebungen gefördert wird, ergiebt ih die Nothwendigkeit, diese auszudehnen. Vor Allem sind es die Sonderwaffen und einzelne Dienstzweige, welche im Frieden nur bei den Manövern în Thätigkeit treten, zu deren Ausbildüng man der größeren Uebungen bedarf. Que die zwei Uebungen der Reservisten, welche sich jeßt auf fes stat früher auf vier Jahre vertheilen, müssen mit größerem Nachdruck be icieben werden, und es müssen sämmtliche ausgebildeten Mann- schaften an denselben Theil nehmen. Der Kriegs-Mizister beab» sichtigt daher, ver „France militaire“ zufolge, den MNanöverstand der Compagnien zu vermehren und die leßteren der Kriegsstärke moge nahe zu bringen. Wenn die von der Budgetkommission bereits gebilligten Vorschläge des Kriegs-Ministers die Zustimmung der Kammer erhalten, 0 werden im Fahre 1891 statt bei zwei, bei vier Armee-Corps wanzigtägtge Corpsübungen, folglich bei fünfzehn, {tatt bei sebenzeha, Divisions- un

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Brigade-Uebungen von vierzebntägiger Dauer abgehalten werden. Es lie in der Atsicht, dann 367 000 Mann, also 66 892 mehr als 1890, wo tk Zahl 300 539 Mann betrug, an den großen Manövern theilnehmen zu lassen. Auch die seit einigen Jahren unterbliebenen Cadremanöver sollen wieder stattfinden. Die Verwirklihung dieser Absichten er- ordert ee e an E Fr. Die Manöverkosten, welché Fr. betragen haben, werde

3 453 241 Fr. belaufen. E

Rußland und Polen.

Die Kommission zur Revision des Zolltarifs zählt, wie die „Now. Wr.“ mittheilt, 36 Mitglieder, darunter 16 Vertreter des Finanzressorts; das Domänen- Ministerium ist durh zwei Delegirte, das Ministerium des Auswärtigen und das des Jnnern sowie die Reichskanzlei dur je einen Delegirten vertreten. Die übrigen Mitglieder sind: je ein Vertreter des Adelsgrundbesißes (wird vom Minister des Jnnern ernannt) und der landwirthschastlihen Jndustrie (wird vom Domänen-Viinister ernannt); ferner je zwei Vertreter des Konseils für Handel und Manufaktur und seiner Filialen in Moskau: je ein Ver- treter des «Jwanowo - Wosnessenski - Comités für Handel und Manufaktuz und der Börsen - Comités von St, Petersburg, Riga, Warschau, Moskau, Odessa, Kier, Nishni Nowgorod, Charkow. Präsidiren soll bekanntlich der Finanz-Minifter jelbst; Vize-Präsident wird Geheimer Rath Jljin, Mitglied des Konseils für Handel und Manufaktur, sein, Als Delegirte des Finanz - Ministeriums fungiren auc vier Professoren des Technologischen Jastituts. Wie man dem „Hamb. Corr.“ mittheilt, herrschen unter den Mitgliedern der Kommission, welhe allwöhenilih dreimal zusammentreten wird, vielsah Meinungè®verschiedenheiten. Für „Schuß- zöólle“ sind alle, aber die Vertreter des Handels und der Industrie des nordwestlichen Rußlands halten einige der be- reits bestehenden, für sie besonders wichtigen Zölle für voll: kommen ausreichend, verschiedene derselben sogar {hon für zu hoh. Sie möchten also einige der jeßigen Zölle am liebsten ermäßigt, keinenfalls noch erhöht seyen. Andere Vertreter, besonders der Handelswelt und der chemischen Jndustrie, verlangen eine wesentlihe Erhöhung der Schußzdlle, ja shärsste Prohibitivzölle. Es dürften also leb- haste Erörterungen bevorstehen und der Kommission ihre Hauptaufgabe, den {on häufig geänderten Zolltarif jegt einheitlih und planmäßig umzuformen, nicht leiht werden. Die Arbeiten der Kommission müssen noch vor dem rFahres- {luß beendigt sein, da der neue Tarif Juni 1891 in Krast tritt.

Das heutige „Journal de St. Pétersbourg“ bemerkt, dem „W. T. B.“ zufolge, bei Besprehung der Patriarchats- frage: Jndem die Pforte das gemeinsame Recht anzuwenden suche, lasse sie außer Acht, daß ge- wisse Anordnungen des türkishen Geseßbuhes auf die christlihe Gesellshaft nicht anwendbar seien; man könne billiger Weise niht behaupten, daß die ottomanische Re- gierung ihre Beziehungen zur christlihen Kirche ebenso wie die übrigen christlihen Regierungen regeln könne. Das S E a E O S Die Oere Dey orthodoxen Kirhe sehr am Herzen liegen und wir eine vollkommene Uebereinstimmung der christlihen Ge- meinden mit der türkischen Regierung wünschen, hegen wir die feste Zuversicht, daß durch die Jnitiative des Sultans der bedenklichen Lage bald ein Ende gemacht werde. Wir hoffen ebenso, daß der Patriarch im Vertrauen auf diese Jnitiative den Gottesdienst wieder aufnehmen wird, der nicht hätte unterbrochen werden sollen, wie berehtigt auch immer die Forderungen des Patriarchats sein mögen.“

Portugal.

Nach in Lissabon eingegangenen Nachrihten des 28, T. B.“ hätte in London dort am 27. d, eine nochmalige Unterredung zwischen dem portugiesishen Geschäft s- träger und dem Marquis vonSalisbury stattgefunden, in welcher der englishe Premier sih geneigt gezeigt habe, Verhandlungen Betreffs eines neuen Vertrages zu eröffnen. Wie ferner verlautet, werde man sih jeßt in London über die Bedingungen für einen modus vivendi berathen, welcher wäh- rend der Verhandlungen über den neuen Vertrag anerkannt werden soll. :

Schweiz,

Bern, 28. Oktober. Der Bundesrath hat die

Tessiner Rekurse gegen die Volksabstimmung vom 5. Oktober und deren Resultat aus formellen und materiellen Gründen abgewiesen. Der Kommissar Künzli berichtete, daß in Lugano gestern Nachmittag zwischen 5 und 6 Uhr wegen Verbots des Kanonirens Ansammlungen stattgefunden hätten, do habe sich das Volk wieder verlausen ; um 8 Uhr sei jedo eine Patrouille des Bataillons Nr. 42 überfallen und es seien einige Soldaten und Bürger verwundet worden. Der Bundesrath hat daher ein weiteres Jnfanterie- Bataillon, Nr. 29, aufgeboten, das nah dem Tessin ent- sendet wird, und hat den Kommissar ermächtigt, die Bataillone 40 und 42 so lange als nöthig zurückzuhalten. Das {on aufge botene Bataillon Nr. 28 geht morgen nah dem Tessin. Der Generalan1alt entsendet einen Untersuchungsrichter nah dem Tessin. Jn Freiburg hat die klerikale Regierung, welche fi bedroht glaubte, zu ihrem Schuß eine Compagnie, aber ohne deren Hauptmann, avfgeboten und Bauern nah der Stadt kommen lassen und diese dort bewaffnet. Jnfolgedessen bewaffneten si die Liberalen ebenfalls. Der Bundesrath hielt in dieser Angelegenheit heute nah dem Eingange näherer Berichte eine nohmalige Siyung und beshloß, von besonderen Maßregeln wegen der Unruhen in Freiburg abzu- sehen, weil die dortige Regierung überzeugt ist, mit den seit- her aufgebotenen zwei regulären Compagnien Infanterie die Ordnung aufrecht erhalten zu können.

Niederland e.

Haag, 28. Oktober. Jn der heutigen ersten gemein- schaftlichen Sigung der beiden Kammern erstattete der Minister: Präsident Madckcay Bericht über den Gesundheils- zustand des Königs. Die Aerzte hätten konstatirt, der König jei außer Stande, zu regieren. Der Justiz: Minister und der Minister der Kolonien, die den König persönlich gesehen haben, besläligten die Aussage der Aerzte. Der Ministerrath ver- lange von den Generalstaaten die nach der Konstitution erforderliche Get E 6 U Fibung wurde hierauf bis

itta r vertagt. a i A f A ban „W. T B. verlautet, hätte die niederländishe Regierung an die belgische Re- gierung das Ersuchen gerihtet, in ihrem Namen

den Signatarmächten der Berliner Congo-Akte von 1885 und

der Brüsseler Anti:-Sklaverei-Konferenz vorzushlagen, gemein-

sam dem unabhängigen Congostaat als Ersaß für die ver-

langten Eingangszölle einé jährliche Kontribution zu

zahlen und ferner den Congostaat zu ermächtigen, sofort

n E von 25 Frcs. pro Hektoliter Alkohol rheben.

Velgien.

Die Gemeinderaths-Stihwahlen, welhe am Sonn- tag in Brüssel stattfanden, sind, der „Mgdb. Ztg.“ zufolge, für die Liberalen nicht so günstig ausgefallen, als man nah dem Ergebniß der Hauptwahlen vom 19. Oktober hätte er- warten sollen. Man berichtet dem genannten Blatt: „Zwar ist es den Klerikalen niht gelungen, ihren Gegnern auch nur eine Stellung zu entreißen, allein in einigen Städten, die bisher als feste Burgen des Libera- lismus galten, haben die Ultramontanen festen Fuß gefaßt, so in Verviers, Namur und Thuin, wo es nunmehr eine klerikale Minderheit in den Gemeinderäthen giebt. Wenn die Liberalen ihren noch immer andauernden inneren Spal- tungen kein Ende machen, so dürsten die genannten Städte in drei Jahren den Klerikalen in die Hände fallen. Der Ausfall der Stichwahlen in der Hauptstadt be- deutet den Sieg der radikal - sozialistishen Koalition, indem nur ein Gemäßigtliberaler durhdrang, während die Radikalen und Sozialisten zwei Kandidaten durch: brachten. Bezeichnend sür die Zunahme der radikalen Strömung ist die Thatsache, daß am Sonntag der Arbeiterführer Vandendorpe, der sich offen als Republi- kaner bezeichnete, in Brüssel gewählt wurde. Jn verschiedenen Jndustrieorten der Provinzen Hennegau, Namur und Lüttich haben die Sozialisten ganz erhebliche Erfolge errungen. Sie haben im Ganzen eiwa 100 Gemeinderäthssiße gewonnen und in der Gemeinde Familleureux sogar die Mehrheit erlangt.“ De ani O, November in Brüssel zusammentretende Kommission zur Regelung der Congozölle wird, der „Köln. Ztg.“ zufolge, von allen 17 Signatarmächten der Berliner Congo- Konferenz außer den Niederlanden beschickt werden. Man {reibt dem genannten Blatte ferner: „Der Congostaat hat der Kommission, welche Baron Lambermont leiten wird, seine Vorschläge mitgetheilt. Sie sind äußerst entgegenkommend und versöhnlih. Ob Frankreich und Portugal besondere Vorschläge machen werden, ijt noch unbestimmt. Troß der Enthaltung der Niederlande wird die Kommission ihre Berathungen beginnen und, sobald sie über die Gesammtheit der Vorschläge einig ist, einen gemeinsamen Schritt bei der niederländishen Regierung unternehmen. Bleiben die Niederlande bis zum 1. Fanuar bei ihrem Widerspruch, so zerfällt das ganze Werk der Anti- \klaverei: Konferenz in Nichts.“ (Vgl. au Niederlande).

Der Asrikareisende Stanley richtete ein „Eingesandt“ an die „Times“ über den „Congojtaat und den proponirten Zolltarif“. Darin heißt es dem „Hamb. Corr.“ zufolge:

Sn wenigen Moxaten werde der unabhängige Congoftaat 6 Jahre seit seiner Anerkennung Seitens Europas und Amerikas bestanden haben. Dem König der Belgier habe das Präliminar-Werk, welches zu seiner Bildung geführt habe, etwa 350 000 Pfd. Sterl. gekostet. Nach der Berliner Konferenz wurden die jährlihen Ausgaben des Staates mit Ausnahme von etwa 20 000 Pfd. Sterl. an Exportzöllen vom König getragen. Mit der Ausdchnung der Operationen auf dem oberen Congo stiegen die Ausgaben von 80 000 Pfd. Sterl. auf 120 000 Pfd. Sterl. und jet, seitdem große Dampfer auf dem oberen Congo eingeführt, neun Stationen - errichtet, eine große eingeborene Streitmacht bewaffnet und ausgerüstet worden, um eine tüchtige Garnison des oberen und unteren Flusses zu bilden, betrugen die Ausgaben jährlich 170 000 Pfd. Sterl; dazu erhalte der Staat 40 000 Pfd. Sterl. vom König Leopold, 80 000 Pfd. Sterl. von der belgischen Regierung, 25 000 Psd Sterl. an Exportzöllen und einigen in- ternen Einkünften. Das Defizit betrug im Ganzen 25 000 Pfd. Sterl. Er habe eine Liste neuer Steuern erhalten, die hauxtsählich Spirituosen, direkte Steuern und Zölle für \pezielle Gegenstände betceffen. Einige wurden \{chon in diesem Monat erhoben, andere treten im Januar in Kraft. Troßdem aber seien die Revenuen ganz unzulänglih zur Deckung der Verpflichtungen. Wern die beabsichtigten Einfuhrzölle nicht gestattet würden, werde die Unterdrückung der Sflavenjagd am oberen Congo ein todter Buchstabe bleiben. Zum SwWluß empfiehlt Stanley als unerläßlih, daß dem Congostaate dieselben Privilegien gewährt würden, welche die Süd-Afrika-, die britishe Ost-Afrika-, die afrifka- nishe Seengeselshaft und die Körtgliche Nigergesellschaft genießen, besonders nachdem sie die Genehmigung Europas erhalten haben. Der Corgostaat sollte seine vollen Recte erhalten und die Macht ausüben, den Handel Zwecks seincs Schußes und seiner Ausdehnung, sowie Behufs Ausführung des Willens der Mä@te zu besteuern.

Wie gemeldet wird, scheiterte der belgische Dampfer „Florida“ unweit von Brazzaville an einem Felsen im Congo. Zwei Tage darauf lief „Stadt Brüssel“, der \{hönste Dampfer des Congostaats, oberhalb von Bolobo auf und sank. Menschenleben sind nicht zu beklagen.

Griechenland.

Athen, 28. Oktober. Der Minister-Präsident Trikupis hat in Folge des Ausfalls der Wahlen seine Demission cingereiht. Der König hat De! yannis mit der Bildung eines Kabinets beauftragt.

Numüänien.

Bukarest, 28. Oktober. Die Königin ist in Sinaja eingetroffen; der König, der Prinz Ferdinand und sämmt- liche Minister empfingen dieselbe an der Grenze.

Serbien.

Belgrad, 29. Oktober. Der König Milan is heute von hier nah den Besißungen des deutschen Gesandten Grafen Bray bei Königstetten abgereist. Die Regenten und die Minister gaben dem König bei der Abfahrt bis zum Bahnhof das Geleite.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Der Washingtoner Korrespondent der New-Yorker „Sun“ berichtet, daß der britische Gesandte Sir Julian Pauncefote neuerdings die Lösung des N g R ias dur pru empfehlen werde, sobald der Staatssekretär Blaine na

Washington zurückgekehrt sei. Er werde Reglements für den Schuß der Seehunde vorschlagen, während eine ge- mischte Kommission Untersuchungen hinsichtlich ihrer Schonung anstell. Das Volk Neufoundlands, bemerkt der Korre- spondent, wünscht hinfihtlich der Seehundsjagd Beziehungen der Reciprocität mit den Vereinigten Staaten. Der britische Minister \{chlägt vor, daß die pelagishe Seehundsjagd im Behringsmeer und Ochotskmeer sowie in den benachbarten Gewässern während der Monate Mai, Juni, Oktober und November untersagt und Seehundsfishern auch nicht gestattet sein soll, sich den Brutinseln innerhalb eines Umkceises von 10 Meilen zu nähern.

__ Die meisten Delegirten des deutschen metallurgi- shen Vereins, welhe sich zur Theilnahme an dem inter- nationalen Kongreß der enálisdèn und amerikanischen Eisen- und Stahlindustriellen nach Amerika begeben hätten, werden, wie ein Wolff'shes Telegramm aus New-York meldet, am Donnerstag die Rückreise nah Europa antreten; andere ge- denken noch Canada zu besuchen.

Bereits zu Anfang des nächsten Monats finden die Wahlen zum Nepräsentantenhause des nähsten Kongresses der Vereinigten Staaten statt, und die Wahl- bewegung hat schon ernstlih begonnen. Beide großen poli- tischen Parteien sind eifrig damit beschäftigt, die Erwählung der von ihnen aufgestellten Kandidaten mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln durhzuseßen, um si eine Mehrheit im Hause des 52. Kongresses zu sichern. Besonders rührig sind das republikanishe und das demokratische Kongreßcomité in der Bunde hauptstadt. Große Thätigkeit, namentli in den süd- lihen Staaten, entwidckelt auch die „Farmer's Alliance“. Das Hauptthema der Wahlredner, welches namentlich Seitens der Demokraten als s{chweres Geschüß ins Treffen geführt werden dürfte, wird, wie die „New-Yorker Hdls.-Ztg.“ schreibt, der neue ZSolltar e o0Ie Da indessen die Tariffrage schon bei der bevorstehenden Wahl aus- \{laggebend sein wird. Die Zeit vom FJnkrafttreten des Gesetzes bis zum Wahltage sei zu kurz, als daß sih die große Masse des Volks über die Wirkung des Tarifs auf die Ge- staltung der Verhältnisse im Allgemeinen klar werden könnte. Das werde längere Zeit in Anspruch nehmen, und mitErfolg werde die Tarifsrage erst bei der Präsidenten- resp. Kongreß-Wahl- campagne 1892 als Mittel, um die Stimmgeber zu beeinflussen, verwendet werden können. Die bevorstehende Herbstwahl dürste kaum große Veränderungen in der politischen Zusammen- seßung des Repräsentantenhauses herbeiführen.

Parlamentarische Nachrichten.

Im 2. Frankfurter Reichstags - Wahlkreise (Landsberg:Soldin) ist an Stelle des verstorbenen Stadtraths Witt der Kammergerichts-Rath Schroeder in Berlin (frei- sinnig) mit 8743 Stimmen zum Reichstags-Abgeordneten ge- wählt worden. Amtsrath Diez von Bayer (konservativ) er- hielt 7131 Stimmen.

Kunst und Wissenschaft.

x Verein Berliner Künstler im Architektenhaus.

Die gegenwärtige Ausstellung ist reich beschickt. Außer den bereits besprohenen Flagellanten wirkt die Moltke: Aus- stellung sowie die Zeichnungen von C. Allers anziehend auf die Besucher. Auch befinden sich eine Menge neuer Gemälde daselbst, welche dem Künstler und Kunsikenner besonders interessant sind. Die Moltke-Aus stellung besteht aus einer Reihe Bleizeichnungen nah Moltke, Bismarck, dem Hochseligen Kaiser Wilhelm und dem Hochseligen Kaiser Friedrih. Die Zeichnunigen, zum Theil not aus der leßten Kriegszeit, geben dieselben Persönlichkeiten auch noch in späteren Lebensjahren wieder und sind mit wenigen Ausnahmen Meisterwerke von der Hand A. von Werner's. Besonders fällt die mit wenig Strichen hergestellte Zeihnung Werner's nah Moltke aus dem Jahre 1872 in die Augen. Gewiß auch meisterhaft, aber nicht in dem gleihen Maße die ge- waltige Seele wiederspiegelnd, erscheinen die Zeihnungen Werner's nah Bismarck. Die Statuen resp. Büst: n Moltke's, erstere von Schaper, leßtere von C. Begas, sind tüchtige Werke, ouch wirkt das Porträt Kaiser Wilhelm's 11. von Werner, in Garde-du-Corps: Uniform, lebendig und besonders sehr plastisch. C. W. Allers stellte eine große Serie von Bleizeih- nungen nah Mitgliedern der Meininger Theatertruppe aus, zum Theil in Größenverhältnissen, in welchen dieses Material selten mehr verwendet wird, Diese Zeichnungen sind bei allem Humor, welcher durch Einschristen dokumentirt ist, durchaus solide und tüchtige künstlerishe Leistungen, welche von hoher Besähigung des Künstlers Zeugniß ablegen. Von dem fürzlih heimgegangenen Maler des Orients Genß wird uns eine Gesellschaft von Arabern vorgeführt, welche andächtig einem Märchenerzähler lausht. Gent war unstreitig der tüchtigste Drient: Maler, den bisher Deutsch- land hervorgebracht hat. Jn wie hohem Maße er Leben und Treiben dieser, von der unseren so grundverschiedenen Welt studirt hat, wird allerdings nur denen klar, die sich offenen Auges lange Zeit in jener Gegend aufgehalten habea. Von Elise Brennickde finden wir ein Damen- Porträt voll Geist und Leben. Wit [leuchtenden, energishen Farben gemalt, erinnert dies Bild durch nichts an die weibliche Hand der Künstlerin. Von Staats sehen wir ein ret originelles Bildhen „am Amm-orsee“, in welchèm der in die Augen brennende wilde Mohn den Vordergrund bildet. Amber g schickte ein Bauern-Genre: ein junges Mädchen hat si den Pfeiler eines alten Parkthores als Siß ausgewählt und verplaudert den Feierabend mit ihrem jungen Kurmaer. Landschaft und Figuren wirken fast gleich- werthig, ohne si gegenseitig zu s{hädigen, während die Zeit der herannahenden Abendstunde in stimmungsvollster Weise zur Geltung kommt. „Hohwild im Spätherbst“ von Thiele is eine sehr tüchtige Leistung. Während auf dem gesrorenen Boden bereits der Schnee liegt, aus welchem fi die darbenden Bewohner des Waldes ihre spärlihe Nahrung ist der den Hintergrund bildende Wald zwar doch ohne Schnee. Fn dem Bilde Amsterdam“ is der neblige Lust- ton vortrefflich durchgeführt. H. Hendrich stellte ein sehr talentvol pte Seestück aus; es zeigt uns eine am fluthbespülten Felsen lehnende weibliche Jdeal - Figur, welche eine Fackel emporhält, während si ein antikes Schiff naht. Die Farben übertreffen an Leucht- kraft und Tiefe noch die Bödlllin'schen, ohne unharmonish zu wirken. Scherres stellte eine Havel-Landschast, in gewohnter etwas glatter, aber doh wirkungsvoller Manier ge- malt, aus. Von P. Graeb sind verschiedene fleißig in Aquarell durhgeführte Kirchen- Fntérieurs vorhanden. Douzette's Dorfstraße auf Prerow is} eins der besten Gemälde, die er geschaffen hat. Kondratenko's Kaukasus-Landschaft ist meisterhaft in Kolorit und Technik. A. Menzel schickte einé größere Bleizeihnung, das Jnuer

herausholen, bereits entb ättert, „Blumenverkauf in