1890 / 262 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 30 Oct 1890 18:00:01 GMT) scan diff

GleiWhzeitig ist von dem Bureau der Handelskammer ein kurz: efaßter Rathgeber versandt worden, der in leiht verständ- Üer Form dem polnischen Arbeiter in seiner Muttersprache einschärst, was ihm zu thun obliegt. ' n Wiesbaden, 29. Oktober. Nachdem die nieder- ländischen Kammern die Einseßung einer Regentschaft be- lossen haben werden, wird Se. Hoheit der Herzog von Nassau ie luxemburgishe Kammer auf den 4. November einberufen.

Da die Genesun N Geisteskrantheit nd somit eine Wiederholung der vorjährigen Vor-

ä 8 en erscheint, hat der Herzog seinen bisherigen E agen ne Meise nah Luxemburg aufgegeben und ist nunmehr, wie dem „Rhein. Kurier" aus Hohenburg gemeldet wird, demnächst ein kurzer Aufenthalt des Herzog- Regenten in Luxemburg nicht ausgeschlossen.

Münster, 28. Oktober. Der Provinzial-Landtag berieth, wie dem „Hann. Cour.“ mitgetheilt wird, in seiner heutiaen Sißung über das Kaiser Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica. Das Referat erstattete eFreiherr von Schorlemer-Alst. Bekanntlich hatte der Provinzialauss{chuß den Entwurf des Architekten Bruno Schmiß aus Berlin mit dem ersten Preise ausgezeichnet und zur Ausführung empfohlen. Die Kosten dieses Denkmals würden rund 1390 000 H be- tragen haben, während einschließli der von der Provinz her- gegebenen halben Million nur 822 208 M 21 S zur Verfügung stehen. Der Ausschuß hat si nun entschlossen, den Shmig'schen Entwurf, mit welchem die Projekte der Übrigen Künstler ih bei Weitem niht messen können, beizubehalten, die Größen- verhältnisse aber um ein Drittel zu reduziren. Der Preis des Denkmals stellt sich dann auf rund 550 000 6, sodaß aus den verfügbaren Mitteln noh eine genügende Summe für den Grunderwerb, Herstellung der Wege u. dergl. verbleibt. Auch Se. Majestät der Kaiser hat sich in der Audienz, zu welcher Landeshauptmann Overweg in dieser Angelegenheit am 19. d. M. befohlen war, für den reduzirtenSchmiß’schen Entwurf ausgesprohen. Nach einer belanglosen Debatte faßte das Haus den einmüthigen Beschluß, den Entwurf des Architekten Bruno Schmitz aus Berlin, auf zwei Drittel reduzirt, ausführen zu lassen. Der Ober-Präsident von Westfalen, Studt, gab darauf seiner Freude und Genugthuung über die Verhandlung Ausdruck und erblickte in dem Beschlusse einen glänzenden Beweis für die von Sr. Majestät dem Kaiser Wilhelm IT. dem Wesifalenvolk gelegentlich seines Besuches in Münster nahgerühmten Eigen- schasten. Der Landtag beschloß ferner die Errichtung einer neuen Jrrenanstalt; die Anstalt wird eine evangelische, während die bisher paritätishe Jrrenanstalt Marienthal bei Münster einen rein katholishen Charakter erhält. Westfalen besißt dann vier Frrenhäuser, zwei evangelishe und zwei katholische. Die Umwandlung der Provinzial-Pflegeanstalt zu Gesecke in ein Landarmen- und Krankenhaus wird ge- nehmigt und den westfälishen Verpflegungsstationen eine ein- malige Unterstüßung von 5000 M bewilligt.

Sachsen.

Dresden, 29. Oktober. Seitens der hiesigen Abthei- lung des Deutschen Kolonialvereins war in einer vor- gestern abgehaltenen Versammlung an den Reichskanzler von Caprivi folgendes Telegramm abgesandt worden:

„Die heute versammelte Abtheilung Dresden des Deutschen Kolonialvereins spriht ihr vollstes Vertrauen zu Eurer Excellenz planvollem und entshiedenem Eintreten für die Organisation unserer zukunftsreihsten Kolonie aus und erhcfft con demselben dauernde Sicherung und gleihmäßige Förderung der in Ost-Afrika interessirten wirthschaftlihen Kräfte zum Nußen des Vaterlandes.“ /

Jn der darauf eingegangenen Antwort des Reichskanzlers heißt es dem „Dr. J.“ zufolge:

«„Auh ih halte die ostafrikanishe Kolonie für zu- kunstsreich und hoffe, daß sich ihr die für die Erschließung und ors nten nöthigen Privatkapitalien bald zuwenden werden,“

Baden.

Karlsruhe, 29. Oktober. Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin haben nach der Karlsr. Ztg.“ Berlin gestern Mittag verlassen und trafen in der vergangenen Nacht auf Schloß Baden ein.

Mecklenburg-Schwerin.

Shwerin, 28, Oktober. Der Landes-Eisenbahn- rath trat, wie die „Meckl. Nachr.“ berichten, heute zu seiner ersten Sißzung zusammen. Es hatten sich dazu auf Einladung des Großherzoglichen Ministeriums des Jnnern sämmtliche Mitglieder dieser Körperschaft, sowie deren Stellvertreter eingefunden. Von der Großherzoglihen Regierung wären der Staats - Minister von Bülow, der Staats - Rath von Bülow, der Ministerial - Dircktor Schmidt und der Ministerial - Rath Ehlers anwesend. Die Sizßung wurde dur eine Ansprache des Staats-Ministers von Bülow eröffnet, in welher er den Anwesenden die Aufgaben und Zwecke der neuen Einrichtung darlegte. Nah- dem darauf einige Drucksachen für die Berathungsgegenstände vertheilt waren, zogen sih die Vertreter der Regierung zurü; sodann nahmen die eigentlihen Verhandlungen des Landes- Eisenbahnraths ihren Anfang.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Weimar, 29, Oktober. Jhre Königlihe Hoheit die Großherzogin begiebt sih, wie die Shweidnigzer „Tägliche Rundschau“ erfährt, in allernächster Zeit, wahrscheinlih am 31. Dftober, von Schloß Heinrihau nah Wien zum Besuch Höchstihrer Tochter, der Gemahlin des deutshen Botschafters Prinzen Reuß.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Coburg, 29. Oktober. Der Aus\chuß des Landtags des Herzogthums Coburg tritt, nah der „Goth. Ztg.“, us zur Erledigung der ihm zugegangenen Vorlagen zu- ammen.

Elsaß - Lothringen. Straßburg, 29. Oktober. Die Einfuhr von lebenden O weinen aus Oesterreih:Ungarn und FZtalien- ist, wie kürzlih in die Schlahthäuser von Straßburg, Colmar und Mülhausen, nunmehr au für die Stadt Gebweiler unter gewissen Bedingungen bis auf Weiteres gestattet worden.

Oesterreih-Ungarn. Wien, 30. Oktober. Wie dem „Prag. Abdbl.“ aus Pola gemeldet wird, hat die Yaht „Miramar“ auf Aller- höchsten Auftrag sich in den nächsien Tagen seebereit zu halten,

des Königs der Niederlande von seiner-*

um JZhre Majestät die Kaiserin und Königin an Bord zu nehmen. Die Yacht wird sich nach Korfu begeben, um dort die Ankunft Fhrer Majestät abzu- warten, Fhre Kaiserlihe und Königliche Hoheit die Kronprinzessin-Wittwe Erzherzogin Stephanie ‘hat Abbazia näch längerem Aufenthalte daselbst vorgestern Abend wieder verlassen und die Rückreise nah Wien angetreten. Se. Kaifserlihe und Königliche Hoheit der Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich-Este hat sich Behufs Ueber- nahme seines Regiments-Kommandos nahDedenburg begeben.

An den Obmann des Altczechenklubs, Dr. Rieger, richteten, wie der Münchener „Allg. Ztg.“ geschrieben wird, vor zehn Tagen neun Klubmitglieder ein Schreiben, worin sie ersuhten, ihnen die Freiheit des Han- delns gegenüber den Ausgleichspunktationen zu bewilligen, widrigenfalls sie aus dem Klub austreten und eine neue Klubverbindung bilden würden. Die Entscheidung war für den Altczechenklub {hwer, weil im Fall der Be- willigung eine ganze Reihe anderer Klubmitglieder dasselbe verlangen, im Fall der Verweigerung der Klub bedeutend ge- s{chwächt werden würde. Die Vertrauensmänner des Klubs hielten mehrere lange resultatlose Sißzungen, bis endli be- {lossen wurde, in dem Klub den Antrag zu stellen, den er- wähnten Mitgliedern die Freiheit des Handelns zuzu- erkennen. Dieser Beshluß wurde vorgestern durch Dr. Rieger dem Dr, Zemann notificirt.

Großbritannien und Jrland.

Jn Dundee hielt Gladstone am Mittwoch anläßlih der Ueberreihung des Ehrenbürger-Briefes eine Rede, in welcher er die Mac Kinley-Bill entschieden verurtheilte und bemerkte, dieselbe würde den Jnteressen der Vereinigten Staaten nah allen Richtungen Schaden thun. Gladstone empfahl, England möge sich nicht zu Repressalien gegen- über diesem Tarif hinreißen lassen, der nur mit Unrecht ein Schußtarif genannt werde, in Wahrheit aber Unter- drücckung und betrügerishe Täuschung sei. England habe von dieser Bill Nichts zu fürchten, wofern es mit Eifer seine Jndustrie betreibe. Jm weiteren Verlauf seiner Rede \prah sih Gladstone auch gegen einen Zollverein Englands mit seinen Kolonien aus, welcher zwar den Handel Englands mit den Kolonien vermehren, aber seinen Welthandel ver- ringern würde.

Frankreich.

Paris, 30. Oktober. Jn der gestrigen Sißung der Deputirtenkammer wies bei der weiteren Berathung des Budgets der Deputirte Germain, Vorsißender des Verwal- tungsraths des Crédit Lyonnais, aufdie Besserung der finan- ziellen Lage Frankreichs hin ‘und sprach die Ansitht aus, daß Ersparungen im Betrage von 300 Millionen durch verschiedene Reformen herbeigeführt werden könnten. Er werde niht für neue Steuern stimmen. Jm Fortgang der Sizung wandte sih der Finanz - Minister Rouvier gegen die hin- sichtlih des Budgets gemachten Ausstellungen und wies darauf hin, daß die Ausgaben seit 10 Jahren fich um 17 Vroz. verringert hätten, und daß eine fakultative Konvertirung der 41/5 prozentigen Rente zu Unzuträglichkeiten führen würde. Die neuen Steuerauflagen seien nothwendig, um ein ehrliches Budget herzustellen und das außerordentlihe Budget des Krieges in das ordentlihe Budget aufzunehmen, damit die übermäßigen Ausgaben für das Kriegs-Ministerium ein Ende nähmen. Das Budget weise Herabminderungen im Betrage von 135 Millionen auf, es sei unmöglih, damit noch weiter zu gehen. Wenn die Kammer der Aufnahme des außer- ordentlihen Budgets des Kriegs-Ministeriums in das ordent- lihe Budgei nicht zustimme, fo könne er die Verantwortlich- keit für die Geschäfte niht weiter ‘behalten. Die Fortsetzung der Berathung wurde hierauf vertagt.

Nuß:land und Polen.

Der „Politishen Correspondenz“ wird aus St. Peters- burg gemeldet, der Großfürst-Thronfolger werde auf seiner Reise nah Triest, wo die Einichiffung erfolgen solle, auch Wien berühren, während des Wiener Aufenthalts aber einen durhaus unoffiziellen Charakter bewahren. Von Triest aus begebe der Zarewitsch sich zu -mehrtägigem Aufenthalt nah Athen und von da nah Egypten; der Besuch Pa- lästinas unterbleibe. S S

Im Kommunikations-Ministerium wird, wie man der „Frkf. Ztg.“ schreibt, an der Feststellung der Detailpläne für eine binnen drei Jahren auf Kosten des Staatsschaßes zu bauende strategishe Eisenbahn in Polen gearbeitet. Die neue Baÿn foll parallel mit der Warschau-Petersburger Bahn von Malkinia längs des Bugflusses über Brok und Wyszkow nah Zegrze bei der Mündung des Bugflusses in dis Narew führen und von diesem Punkte mit der Weichsel- bahn bei Jablonna in Verbindung gebracht werden.

Dem „Daily Telegraph“ wird aus St. Petersburg gemeldet:

Der Minister alarmirenden Bericht i i ¿ ments Charfow terinoslaw. des Distrikts Bogoduow weigern fih, in ; zurüdzukehren. 9000 Mann Truppen operiren gegen die ständischen, wele ibre Rädeleführer nicht ausliefern und feinen Pardon annehmen wollen. Bewaffnete Bauernbanden ziehen umher, verbrennen die Häuser der Gutsbesitzer und verwüfsten das Land ; 5000 Acres Waldung find längs des Samaraflusses im Distrikt No- womosfkowsf niedergebrannt; Korn, H d Stroh sind anderwär:ts zerstört worden. Der Minister gab telegraphisch Befehl, alle Rechte und Institutionen der aufftäntischen Bauern abzushaffen.

Ftalien.

Die Florentiner „Nazione“ erklärt sich ermähtigt, die Nachricht, die Kaiserin von Oesterreich beabsihtige Rom zu besuchen und beim Papste vorzusprechen, als vollkommen unbegründet zu bezeihnen. :

Der „Pol. Corr.“ wird aus Rom berichtet:

Wenn es auch verfrüht wäre, heute \chon mit bestimmten An- füntigungen über den zu erwartenden Auéfall der Neuwahlen für die italienishe Kammer aufzutreten, so läßt sich doch mit Zuversicht die Behauptung aufstellen, daß die Regierung eine ansehnliye Mehrheit erringen wird, Man höct allgemein die Ueberzeugung äußern, taß die neue Kammer sich Betreffs tes Stärkeverhältnifses der Parteien von der früheren kaum wesentlich unterscheiden werde, ‘Das Losungéwort der einzelnen Parteica in dem Wahlkampse wird, und das ist das Bezcichaente ber jetzigen Lage, nicht dem Gebiete der Polítik entnommen sein, sondern die wirthshaftlihe und finanzielle Lage des Landes betreffen. Es wird den Mitgliedern und den Anhängern ter Regierurg gewiß nicht {wer fallen, die auf Gntiiellungen beruhendeas Anflegen der Extremen zu wider- legen, und sie werden wohl in der Lage sein, durch Ankün- dig weiterer Ersparungémaßregeln und einer Reihe von wirth-

erhielt am rungen in den

\caftlihen Reformen au s{chwankende Wähler für \sih zu gewinnen. Den Reigen der ministeriellen Wablreden wird Hr. Crispi er- öffnen ; andere Mitglieder des Kabinets werden folgen, darunter au der Staats-Schaßmeister Gioletti, welder anläßlih eines ihm von seinen Wählern in Cuneo zu veranstaltenden Bankets {ih ein- gehend mit der Finanzfrage beschäftigen und an der Hand ziffern- mäßiger Daten die Angriffe der Opposition widerlegen wird.

Spanien,

_ Madrid, 29. Oktober. Das amtliche Blatt veröffentlicht die Ernennuna von Miguel Suarez Guanes zum Ge- sandten in Washington.

Portugal.

Dem Journal „Dia“ zufolge {lug der portugiesi che Minister des Auswärtigen der RaiGi Reat rung einen Modus vivendi unter sehr annehmbaren Be: dingungen vor , welche gegenwärtig in London berathen werden. Andere Lissaboner Journale versichecn, nach den für den Modus vivendi vorgeschlagenen! Bedingungen werde Por- tugal die freie Schiffahrt auf dem Zambesi anordnen: England dagegen werde keinen Verträgen mit Häuptlingen zustimmen, deren Gebiete innerhalb der portugiesischen Jnteressensphäre liegen, bis zur endgültigen Grenzfeststellung der beiderseitigen afrikanischen Besizungen.

Schweiz.

Bern, 28. Oktober. Ueber die (in Nr. 261 d. Bl. kurz gemeldeten) Vorgänge in Lugano berichtet ein Tele: gramm der „Berner Ztg.“ folgendes Nähere:

„Es heißt, von konjervativer Seite sei beim hiesigen Bataillons- Kommando gegen das Freudenschießen dér Liberalen in Lugano Ein- spruch erhoben worden, Das Kommando, anstatt vom Gemeinderath die Einstellung des Swießens zu verlangen, glaubte mit einer Sektion die Sacbe direkt machen zu müssen. Da ab.r in der Umgegend von konservativer Seite ebenfalls geschossen wurde, beurtzeilte das Volk die Sache als Ungerechtigkeit und machte Opposition, welcher die Truppe mit gefälltem[Gewehr begegnete, Nun wurde die Erregung um fo größer, alles beklagte sih über diese Art des Einschreitens der Truppen. Man glaubte, die Sate habe damit ihr Bewenden. Doc nein! Abends 8 Uhr kam eine Patrouille mit aufgepflanztem Bajonett ; da sie von den Straßenjunaen ausgelact wurde, ging sie mit gefälltem Gewebr auf die Jungen los. Darüber wurde das Volk wüthbend, arif die Soldaten an und prügelte fie dur. Es wurde dann das Militër-Kommando auf die Sache aufmerksam gemacht, welches fofort eine größere Truppen-Abtheilung aufmarschiren ließ. Dies vermeFetz die Auf- regung; die Ruhe kehrte erst zurück, als die ppe wieder vom Play abzog. Die vielen anwesenden Deuts{s{weizer baber fich bewogen gefühlt, einen Protest gegen die Haltung der Truvpen an den Bundes- rath abgehen zu lassen. Der Protest lautet: „An den boben Bundes- rath, Bern. Die Versammlung der Deut\hschweizer in Lugans, theilweise Zeugen der heutigen bedauerlihen Vorgänge, în ibren Ge- fühlen als freie Schweizer beleidigt, protestiren enera geg 3 provozirende, unqualifizirbare, uns{weizeris@e Auftreten gegen größtentheils Frauen und Kinder, verlangen strenge und Bestrafung der Scbuldigen dur die zuständäze E ordnung der nöthigen Vorkehrungen zur Verbütung holungen, Wahrung der Ehre der \{weizerishen Armee 7

Die Ausschreitungen in Freiburg merden demselben Blatt folgendermaßen dargestellt :

„Gestern Abend beabsihhtigten die Liberalen ite Protestversamm- lung gegen die Wabl des ultramontanen Pyptbon it den Nationalrath abzuhalten. Das liberale Comité rieth Anzrefichts der erregten Stimmung beider Parteien ab. Die Vnfirmmlung unterblieb, Trotzdem ließ die Regierung theils mit Stö, theils mit Gewehren bewaffnete Banden ultramontaner Bauern, 0 fanatishen Pfaffen angeführt, in die Stadt kommen und dit 4 Gompagnie des Ba- taillons 17 aufbieten. Die Compagnie wude von Cioiliften ange- führt. Im Ganzen befanden sich ctæa 1000 Bewaffnete, Bauern, Militärs und Gendarmen in der Stadt. Vie bewaffneten und zum Theil betrunkenen Bauern provozirtez die Bevölkerung, {ossen mit Revolvern und Gewehren in den Streu Die Liberalen bewaffneten sich darauf ebenfalls mit Revolvern. Sine Anzahl junger Liberaler (Turner) zerstreuten eine von einem Paffen angeführte Bande von Bauern. Einige Gaffsenjungen waw Steine gegen die Gendarmerie. Diese warfen mit Steinen zurü& uiùd verwundeten mehrere Personen, Python gab von der Hauptwa#tso qus der Gendarmerie Befehl, zu feuern. Glücklicher Weise wunde der Befehl nicht befolgt, fonst wäre großes Blutvergießen die Kie gewefen.“

Nicderiande.

Haag, 29. Oktober. Die Generalstaaten haben in der heutigen gerneinsamen Situng mit 109 gegen 9 Stimmen den Beschluß gefaßt, da der K 0 nig auper Stande jet, die Negierung zu führen. Dex „Staats-Courant“ veröffentlicht diesen Beschluß und zeigt an, daß der Staatsrath von morgen ab mit der zeitweiligen Ausübung der Königlichen Gewalt beauftragt ist. Der Geseßentwurf Behufs Ein- sezung einer Regentschaft wird, wie verlautet, in etwa 14 Tagen den Generalstaaten vorgelegt werden.

Velgien.

Wie der „Etoile belge“ aus dem Haag gemeldet wird, hat die niederländische Regierung beschlossen, sich bei der am 4. November in Brüssel zusammentretenden Con go- Kommission vertreten zu lassen, ohne jedoch hierdurch eine Verbindlihkeit bezüglich ihres Beitritts zu der Akte der Anti- skaverei-Konferenz zu übernehmen. i

Die Antwerpener Handelskammer hat eineDepu- tation an den Finanz-Minister entsendet, um ihm die bedenkliche Lage des dortigen Hafens vorzuführen, dessen Verkehr im Rücgange begriffen ist, und eine Ermäßigung der Schiffahrtsabgaben zu erreihen. Der Minister war, wie man der „Wes.-Ztg.“ berichtet, obwohl er -die Sachlage nicht ver- kannte, zu einem bestimmten Versprehen nicht zu bewegen. Er erklärte, die Regierung werde die Schiffahrtsabgaben erst herabseßen, wenn die Stadt sih auch ihrerseits zu Opfern be- queme. Zum Schluß erklärte fich der Minister bereit, zum Studium der Frage eine aus Vertretern des Staats, der Stadt und der Handelskammer bestehende Kommission ein- zu}eßen. “u Aus Gent vom 29, d. M. wird dem „Hann. Cour. über einen sozialistischen Exceß Folgendes gemeldet:

Gendarmen, die einen Deserteur verhaften wollten, wurden von Sozialisten in einer Vorstadt angegriffen, die Stcine auf die Gendarmen s{chleuderten, Viehrere wurden \chwer verwundet. Alsdann wurde Feuer auf die Menge gegeben, Eine Anzahl Personen wurden getroffen. Dennoch gelang es, den Gefangenen zu befreien. Die wüthende Menge wurde endlich auseinandergetrieben, nachdem sie die Gendarmen bis ¡u den Thoren der Stadt verfolgt hatte.

Türfei. i

Konstantinopel, 30, Oktober. Durch neuerdings Seitens

des Patriarhats erhobene Schwierigkeiten isl, wie

„W, T. B“ méelbet, die Ecledigung des Streits zwischen der

Pforte und vem Patriarháat abermals hinausgeshoben. Der

Gottesdienst in ven garicdishen Kirchen ist gestern noch nicht wieder aufgenommen worden.

Griechenland.

Athen, 29. Oktober. Der Kronprinz und die Kron- prinzessin treten, wie „W. T. B.“ meldet, morgen die Reise nah Berlin an, um der Hochzeit der Prinzessin Victoria beizuwohnen.

Ueber die Zusammenseßung des neuen Ministeriums ist noch nichts festgestellt; wie verlautet, würde Delyannis das Finanz-Ministerium und das Kriegs-Ministerium über- nehmen. Der König bewilligte Delyannis auf dessen Er- suhen einen Aufshub von mehreren Tagen für die Neu- bildung des Kabinets. Delyannis hat eine Aufforderung an seine Anhänger gerichtet, baldmöglihst nah der. Hauptstadt zurüzukehren. i

Dem „Hann. Cour.“ wird über die Ursachen der Kabinets krisis geschrieben :

Bei den Wahlen im Jahre 18837 errang die Regierungspartei einen glänzenden Sieg. Hundert Anhänger der Regierung und bloß fünfzig Oppositionelle saßen in der neuen Volksvertretung. Diesmal ift, wie es \s{eint, das Verhältniß gerade umgekehrt; die Regierungspartet soll nur ein Drittel der Abgeordnetensitze errungen haben eine ungeheuere Verschiebung der Verhältnisse, wie sie allerdinas in Griechenland {on öfters durch die Wahlen eingetreten ist Unter solhen Umständen war nah den herkömmlichen parlamentarischen Ge- pflogenheiten eine Kabinetskcisis, ein Wechsel im Ministerium, unver- meidlid, Was eigentlich den gewaltigen Umschwung in der öffent- lihen Meinung in Griechenland herbeigeführt hat, was die re- gierungsfeindlihe Stimmung verursaht und großgezogen hat, ist nicht leiht zu sagen. E {Meint sich in erster Linie um die Haltung der Negierung, insonderheit des Minister-Präsidenten Tril'upis, in der auswärtigen Politk gehandelt zu haben. Außerdem ist wohl auch der Wakblmodus etwas Schuld an der Niederlage des Ministeriums. In allen Balkanstaaten gilt es eigentlich infolge ge- wisser Maßregeln für selbstverständlich, daß das jeweilige Kabinet bei den Wahlen stets eine mindestens genügende Mehrheit erhält, ohne die es ja überhaupt nicht regierungsfähig scin würde. Das wäre jeden- falls auch dieëmal dem Kabinet Trikupis geglückt, wenn es nicht das Listenskrutinium gegen sih gehabt hätte. Dadurh wurde die Regie- rungspartei genöthigt, eine Anzahl Opp-csitioneller auf ihre Listen zu seßen, während son genügend oppositionelle Kandidaten aufgestellt worden waren, um die Negterungs8partei zu gefährden. Was nun zweitens die Unzu- friedenheit der Nation mit der auswärtigen Politik der Regierung anlangt, fo handelt es sich wohl vor Allem um das Verhältniß Griechenlands zur Türkei und um die damit zusammenhängende, nun {on fo lange in der Luft \{chwebende kretensishe Frage. In diesen Punkten denkt Delyannis ganz anders als Trikupis, der zwar kürzli erst in einer Wahlrede von ciner baldigen Aktion gegen die Pforte gesprochen, dies aber gewiß nicht so ernstlih gemeint hat. Die Strömung ist eben wieder einmal stärker gegen die Türkei gerichtet.

Afrika.

Die Meldungen von dem Vorgehen der englischen Flotte gegen Witu werden jeßt ergänzt. Nachdem der Sultan die Bedingungen des englischen General-Konsuls ver- worfen hatte, griffen, der „Köln. Ztg.“ zufolge, auf Befehl des Admirals Freemantle zwei Ahtheilungen unter Kapitän Curzon Howe und Commander M’Quhae die Orte an, welche bei der Ermordung von Karl Horn und Behnke be- theiligt waren. Sie fanden geringen Widerstand und brannten ohne Verlust die Dörfer nieder. Am 2826. ging der Admiral mit ungefähr 1000 Mann gegen Witu vor. Seine Vorposten unter Commander Montgom- merie waren (wie schon telegraphish in Nr. 260 gemeldet) in der Nacht angegriffen und drei Matrosen verwundet wor- den, Die Br:tish Ostafrikanishe Gesellshaft hatte 200 in- dishe Soldaten und außerdem Träger zu der Expedition ge- stellt. Unter dem 29. d. M. wird dem „W. T. B.“ aus San- sibar gemeldet, daß Admiral Freemantle nunmehr auch die Stadt Witu am Dienstag erobert und sodann den Ort niedergebrannt hat.

Egypten. Aus Kairo wird dem „Daily Tel.“ berichtet, daß eine Schwadron egyptisher Kavallerie am 29. nah Suakim abgehen sollte, um Osman Digma anzugreifen. Zwischen den Djallins uad den Baggaras hat in Fashoda eine Schlacht stattgefunden; es gab große Verluste auf beiden Seiten, doch wurden die Baggaras geschlagen. Wie verlautet, unterstüßen die Djallins Senussi gegen den Mahdi.

Aus Kapstadt meldet „W. T. B.“ von heute den Tod des Oberhäuptlings des Damaralandes Kamaherero.

Nr. 43 der Veröffentlihungen des Kaiserlihen Ge- fundheitsamts vom 28, Oktober hat folgenden Inhalt: Personal - Nachricht. Gesundheitsstand. Volkskrankheiten in der Berichtswohe. Choleranachrihten. Sterbefälle in deutschen Städten mit 40000 und mehr Einwohnern. Desgleichen in größeren Städten des Auslandes, Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. Desgl. in deutshen Stadt- und Landbezirken. Geburten und Sterbefälle in Brüssel, Triest, Warschau, 1889. Witterung. Zeitweilige Maßregeln gegen Volkskrankheiten. Thierseuhen in Oesterrei, 1888. Veterinärpolizeilihe Maßregeln. Medizinal- Gesetzgebung u. \. w. (Baden.) Zuchtfarren. (Elsaß-Lothringen.) Hufbeschlaggewerbe. Zuchtstiere. DThierseuhen - Entschädigungen (Belgien.) Verleihung der akademishen Grade und Universitätsprüfungen. Rechtsprehung. (Reich8gericht.) CTrichinenshauer in Sachsen. (Kammergeriht zu Berlin.) Medizinalpfuscherei eines Apothekers. Verhandlungen von geseßgebenden Körpershaften (Rußland.) Rot.

Nr. 42A, und 43 des Centralblatts der Bauverwal- tung, herausgegebeui im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, haben folgenden Jnhalt: Einfluß der Biegung auf die Ab- nußung an den Stüßflähen der Eisenbahnschienen. Dritte Konferenz zur Vereinbarung einheitliher Prüfungsverfahren. Vermischtes ; Eisen- bahifahwissenshaftlihe Vorlesungen in Preußen. Baulichkeiten der Dae Weltausftellung von 1889, Büchershau. Das Demmer'she

aus in Braunschweig. Fftalienishe Architektur-A usstellung in Turin. Preisbewerbung für den Neubau der Peterskir he in Fcank- furt a. M. Mangelhafte Vorcichtungen und Vors chriften bei der Preßluft-Gründung. Geschoßvorrichtung zum Abstillen der Meeres- wellen mit Oel. Vermischtes: Rathhaus in Aahen. Neue Vorschriften über Dampfkessel, Wanderversammlung des Verban- des deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. Donaubrücke bei Cernavoda in Rumänien. Tunnel unter dem Firth of Forth. Inhalt der Zeitschrift für Bauwesen. Nachdruck aus dem Central- blait der Bauverwaltung.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die Einstellung einer Verwaltungszwangsvoll- streckung läßt sih, nah einem Uctheil des TV. Civilsenats des Reichsgerihts, vom 20, März 1890, dur eine einstweilige Ver- fügung im Sinne des §. 819 der Civilprozeßordnung nicht er- wirken; es ist demnach das Gericht, bei welchem der zur Zahlung eines Stempels in Anspru Genommene auf Feststellung der Nichtverpflich- tung zur Zahlung klagt, niht befugt, die Einftellung des zur Bei-

treibung des Stempels anhängigen Verwaltungszwangsverfahrens durh einstweilige Verfügung anzuordnen.

Die Bestimmungen der Artikel 347, 349 des Handel s8geseh- bus, betreffend die rehtzeitige Mängelanzeige bei über- sendeten Waaren und die Folgen der Unterlassung dieser Anzeige, finden, „nah einem Urtheil des Reichsgerihts, VI. Civilsenats, vom 24. März 1890, auf Werkverdingungsverträge, selbs wenn beide Theile Kaufleute sind und der Werkmeister die Materialien zu bein D Dea E U Vlelmebr ind für diese im Geltungs- eret des Preußischen Rechts die bezüglihen Bestimmungen des Allg. Landrechts (88. 947 flg. I, 11) maßgebend, | , :

S Dis Folge einer Contrebande oder Defraudation eintretende Konfiskation. der Gegenstände des Zollvergehens (S§ 134, 135 V.-Zollges.) findet, nach einem Urtheil “des Reichs- gerihts, III. Strafsenats, vom 28. Juni 1890, auch in dem Falle statt, in welchem diese Gegenstänte vom Thäter vor dem Einschmug- geln einem Dritten gest ohlen worden waren.

Hat ein Arbeiter gelegentlih der Ausstellung seines Arbeits- buchs dur die zuständige Polizeibehörde (8. 107 flg. der Reichs- Gewerbeordnung) durch wissentlich falshe Angaben vor dieser Behörde bewirkt, daß in dem Arbeitsbuh ein unrichtiges Geburtsjahr eingetragen wurde, so hat er si, nah einem Urtheil des Reichs- gerichts, 1IT. Straf senals, vom 30, Juni 1890, dadur nicht der intellektuellen Urkundenfälshung \{uldig gemackt, und er ist über- haupt nicht strafbar, wenn die Fälschung sein besseres Fort- kommen nit bezweckt, bzw. wenn er von dem Arbeitsbuch zum Zweck eines besseren Fortkommens keinen Gebrauch mat,

Die dem Rechtsanwalt in den 88. 13 3. / und 17 der Ge- bührenordnung für Rechtsanwälte zugebilligte Beweisgebühr und erhöhte Verbandlungsgebühr kann derselbe nach einem Be- {luß des Reich8gerichts, I. Civilfenats, vom 17, September 1890, nur dann liquidiren, wenn die Beweitaufnahme und die weitere mündliche Verbandlung auf Grund eines Beweisbeshlusses in einem befonderen Termin stattgefunden haben, niht aber, wenn diese Akte si unmittelbar an den Beweisbescluß in demselben Termin angeschlossen haben,

Der Benefizialerbe, welcher im Geltungsbereih des Prevß. Allg. Landrects die Nachlaßshulden nur soweit vertritt, als das Vermögen des Nachlasses bhinreiht, und den Nachlaßgläubigern über die Verwaltung des Nachlasses Rechenschaft abzulegen hat (§§ 422, 444, 1, 9), haftet nah einem Beschluß des Reichsgerichts, I. Civilsenats, vom 17. September 1890, persönlich dem Nachlaß- gläubiger für die Prozeßkosten, wenn er, dur Nichtanerkeunung der e desfelben, ihn zwingt, im Prozefwege seine Forderung zu erstreiten.

Der von einem Strafantragsberechtigten gegen den verantwort- lihen Redacteur einer Zeitung gestellte Strafantrag, unter Beneanung einer anderen Person als des Redacteurs, in der irrigen Meinung, daß die benannte Person der Nedacteur sei, ist, nah einem Urtheil des Reich8gerichts, 1V. Strafsenats, vom 19, September 1890, als gegen den wirklichen Redacteur gerihtct, zu erachten und auch gegen diefen wirksam, wenn nicht besondere Umstände annehmen u B08 der Antragsteller nur die von ihm benannte Person bestraft aben will,

Kunst und Wissenschaft.

Auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers sind im Kunsfst- gewerbe-Museum elf Bierhumpen ausgestellt, welhe dem Kaiser von einer Gruppe jüngerer Berliner Bildhauer überreicht worden sind. Die Humpen sind \{chlichte Krüge aus Steinzeug mit einem aufgebrannten Wappenadler und dem Datum 27, Januar 1889, Die Fassung ist Zinn; aur dem Deckel tragen die Krüge in Zinn gegossene Figuren oder Gruppen, die von den elf Künstlern in ver- schiedener Weise komponirt sind. Diese Krüge bilden eine Ergänzung zu dem Album mit Aquarellen, welhes Sr. Majestät dem Kaiser bei gleicher Gelegenheit von Mitgliedern des Künstlervereins überreicht wurde. Zu gleicher Zeit sind auf Befehl Jhrer Majestät der Kaiserin und Königin im Lichthof die aus Blattwerk und Früchten gewundenen Guirlanden zur Ausstellung gelangt, die am 22, Oktober den Geburtstagstisch Ihrer Majestät umkränzten und die nunmehr ein interessantes Material für Naturstudien zu dekorativen Zwecken darbieten,

Am 21. Oktober hielt der Verein für die Herstellung und Auss\{chmücckung der Marienburg, wie wir der „N. Pr. Ztg.“ entnehmen, in Marienburg unter dem Das des Ober- Präsidenten von Leipziger seine Generalversammlung ab. Bei den zunächst stattgefundenen Ersaßwahlen wurden als Vorstandsmitglieder wiedergewählt Bankier Bedckert - Marienburg, QDeichhauptmann Bönchendorf - Ki.-Lesewiß, Kommerzien-Rath Damme-Danzia, Ver- waltungsgerichts-Direktor Döhring-Danzig, Graf Dohna-Finkenstein und Kaufmann Glaubig - Danzig, neugewählt Ober-Hofmarschall Graf Culenburg - Prassen, Regierungs - Rath Dr. Kühne- Danzig, Landes-Direktor Jäkel-Danzig, Bürgermeister Sandfuchs- Marienburg und der Landes-Hauptmann der Provinz Ostpreußen von Stockhausen. Nachdem hierauf die Vermehrung der Zahl der Vorstandsmitglieder um zwei beschlossen worden war, wurden hierzu gewählt Landrath Dr. von Zander-Marienburg und Ober-Bürgermeister Elditt-Elbing. Regierungs-Rath Dr. Kühne erstattete hierauf den Gescbäftsberiht, in welhem er zunächst des Verlustes gedachte, welchen der Verein durh das Hinscheiden Sr. Majestät des Kaisers Friedrich erlitten, der als Kronprinz das Protektorat über den Verein über- nommen hatte und dessen Tod den leßteren eines Beshützers be- raubt hat, von dessen mit hohem Kunstverständniß gepaartem Wohl- wollen der Verein vielfahe Beweise erfahren habe. Se. Majestät der regierende Kaiser und König habe die Gnade gehabt, das Protektorat über den Verein anzunehmen, um hierdurch der Theilnahme und Huld einen sichtbaren Ausdruck zu verleihen, welche derselbe dem Werke der Wiederherstellung des altehrwürdigen Herrscher- sißes des deutschen Ritter-Ordens und den darauf gerihteten Be- streburgen des Vereins entgegenbringe. -— Dem Geschäftsbericht . ist zu entnehmen: Die Finanzlage des Vereins is eine günstige. Der Reingewinn aus den ersten vier Loiterien stellt ih auf 390 575 J aus der erften, 372520 6 aus der zweiten, 347 575 M aus der dritten uüund auf 347510 #4 aus der vierten Lotterie Die Reineinnahme aus der fünften Lotterie, deren Ziehung in diesem Monat stattgefunden, ist noch nicht re&nungsmäßig festgestellt, wird in dem Bericht aber niht unter 348 000 A veranschlagt, sodaß die dem Vereine zur Herstellung der Marienburg zufließende Hälfte #ich niht unter 174000 6 stellen wird. Der Verein hat zur Zeit wenigstens 909000 4A für die Zwedcke der Aus\{chmückung verfüg- bar. Nah dem vom Land - Bauinspektor Steinbrecht aufge- stellten Bau- und Ausshmückungsplane, welcher die bisher aus- geführten Arbeiten mit in sih begreift, sind insgesammt 4 076 581 A6 68 4 erforderli, um die Ordensveste in ihrer alten Schönheit und Großartigkeit neu erstchen zu lassen. Ungedeckt bleiben bei diefer Aufstellung noch gegen zwei Millionen Mark, deren Aufbringung wohl nicht anders als durd Veranstaltung weiterer fünf Lotterien wird erfolgen können. Der Vorstand hat sich denn au mit einem Immediatgesuch um Genehmigung weiterer fünf Lotterien an Se. Majestät den Kaiser und König gewandt und giebt si der Hoffnung hin, daß dem Verein die erbetene Gestattung zu Theil werden wird.

Auf dem Centralfriedhofe in Wien versammelten sich am Sonntag Vormittag, wie die „W. Ab.-P.* berichtet, hervorragende Vertreter der Wiener Künstlershaft, um Hans Makart’s Gebeinen feierlich das Deleite von der alten Ruhestätte zur neuen Ehrengruft auf dem

. Auflagen

zu geben. Das von Professor Helmer ausgeführte Monument auf der neuen Rubestätte zeigt auf einer massiven Granit-

Gräberfelde der historish denkwürdigen Persönlichkeiten ae Ein Genius }tüyt es,

tafel das Porträt-Medaillon Makart’s.

und zur Seite {webt eine Engelsfigur. Eine verhüllte Urne bildet die Spiße des Monuments. Zu Füßen des Genius liegt auf einem Lorbeerzweige ein aufges{lagenes Buch, in dessen metallenes Blatt die Namen der Hauptwerke Makart's gravirt sind, Der Steinsockel trägt den Namen des Künstlers und in römischen Ziffern Geburts- und Sterbejahr (1840 bis 1884).

Literatur.

Von den Entscheidungen des vormaligen preußi- schen Ober - Tribunals auf dem Gebiet des Civilrechts für Studium und Praxis, bearbeitet von H. Rehbein, Reichsgerichts- Rath, ist jeßt die elfte Lieferung erschienen, die den 21. Litel des Allgemeinen Landrechts Theil T umfaßt, Die Entscheidungen des 22. Titels werden, nach einer Angabe der Verlagshandlung von H. W. Müller in Berlin, noch vor Schluß dieses Jahres nachfolgen und, da der 23. Titel hierbei in Weafall kommt, den I. Theil des Landrechts abschließen. Vom II. Theil kommen dem Programm gemäß dann nur noch die Titel 1—5 in Betracht.

* Dramaturgie des Schauspiels (Dramaturgie der Klassiker) von HeinrichBulthaupt. Oldenburg und Leipzig, Verlag der Schulze’shen Hofbuchhandlung. Von dem vorgenannten Werk find jeßt Band 1 und 2, welche die Aufsätze über Lessing, Goethe, Sciller und Kleist sowie Shakespeare enthalten, in vierter, der 3, Band, in welchem Grillparzer, Hebbel, Ludwig, Gußkow und Laube behandelt werden, in dritter Auflage erschienen. Diese große Zahl von beweist, daß die Art der Untersuhung und Dar- stellung des Verfassers sich allgemeinen Beifall erworben hat und daß es Seitens der Leser bankend anerkannt worden ist, ein Werk gefunden zu haben, welches \ich von der alten metaphysishen Aesthetik, die das künstlerische Genieben und Betrachten nur verwirrt und ershwert, fernhält. Der Verfasser bezeichnet eben überall das Wahre und Unwahre, das Schöne und Häßliche mit dem zutreffenden Namen, weist künstlerishe Geseße nah und findet für {wer zu beschreibende ästhetishe Eindrücke in den meisten Fällen dic richtig bezeihnende Formel, auch wird dur seine Betrachtungen die Freude an dem künstlerischen Genießen wesentlih gesteigert. Die vielfahen Zusäße, welhe das Werk er- fahren hat, werden überall willkommen geheißen werden.

Vor wenigen Tagen ausgegeben, liegen uns von dem in der Straßburger Druckerei und Verlagsanstalt in 12—15 Lieferungen à 90 A erscheinenden neuesten zweibändigen Werke Hans Wachen- husen?’s, betitelt: „Aus bewegtem Leben“ Erinnerungen aus dreißig Kriegs- und Friedensjahren, die 7. und 8. Lieferung vor, Wenn wir bei Würdigung der ersten sechs Lieferungen dieses Werkes die Ueberzeugung gewannen und aussprachen, daß wir es hier mit einem ungemein fesselnden Werk voll interessanter Aufzeichnungen, scharfsichtiger Beobachtungen und überrashender Beleuchtungen zu thun haben, so wird dies dur die vorliegenden beiden Lieferungen vollkommen bestätigt.

Rechte und Pflichten der Lehrlinge, Arbeiter und Gesellen. Von D. J. Rieks. Berlin 1890. Wiegandt & Griécben._ 96 S. Preis 50 , in Partien billiger. In dieser Schrift finden Lehrlinge, Arbeiter und Gesellen in gemeinverständlicher Sprache alles das genau dargestellt, was ihnen an Rechten und Vor- theilen dur die großen Arbeitergeseße der Neuzeit wie die über Kranken-, Unfall-, Alters- und Invalidenversicherung, Arbeiterschut, Gewerbegerichte und Gewerbeordnung zuerkannt ist, Sie lergen aber auch alle Pflichten und Bedingungen kennen, welche sie geMssenhaft zu erfüllen haben, wenn sie ihrer Nechte und Ansprüche nit verlustig gehen, empfindlihen Schaden leiden oder gar dem Strafrichter an- heimfallen wollen. Au Handwerksmeister, Hausindustrielle und Ar- beitgeber lernen durch das Büchlein den Kreis ihrer Rechte und Pflichten kennen 1nd gewinnen dadurch einen festen Boden für ein ge- Pee und friedlihes Verhältniß zu ihren Mitarbeitern oder Unter- gebenen. /

Sanitäts-, Veterinär- und Quarantänewesen.

Laut Bekanntmach D Kheialic \{chwedi

| au etanntmahung des Königli wedishen Kommenz- E e N A t A Stadt Durban in Natal als von der olera ni mehr befallen erklärt w R.-A. Nr. 249 vom 16, Oktober 1890). ; A E

Verkehrs - Anstalten.

Hamburg, 30. Vktober. (W. T. B.) Ver Postdampfer ¿Gellert* ‘der Hamburg-Amerikanischen De ebler Aktiengesellschaft is, von New-York kommend, heate Morgen auf der Elbe eingetroffen.

London, 29, Oktober. (W. T. B.) Der Castle-Dampfer „Haæwarden Castle“ ist am Montag auf der Ausreise von Lissabon, der Castle-Dampfer „Duart Castle“ heute auf der Ausreise von London abgegangen. Der Castle-Dampfer «Methven Castle* ist gestern auf der Ausrêise in Capetown, der Castle-Dampfer „Drummond Caftle“ heute auf der Heimreise in London angekommen. Der Un ion-Dampfer „Arab“ ist heute auf der Heimreise von den Canarischen Inseln und der Union-Dampfer „Tartar® quf der Heimreise von Madeira abgegangen.

i 30. Oktober. (W. T. B.) Der Union -Dampfer , Moor“ ift gestern auf der Heimreise von Capetown abgegangen.

Theater und Musik.

A Königliche Theater. _, In Heyse's Drama „Colberg“, das am nähsten Sonnabend“ im Königlichen Schauspielhause neu einstudirt in Scene geht, wird Fel. Lindner als Antrittsrolle die Rose, Hr. Matkowsky den

Heintich spielen. Berliner Theater.

Die ersten Wiederholungen von Theodor Herzl’'s „Bernhardiner“ finden am Sonnabend und Sonntag Abend statt. Die Sonntage Nachmittagsvorstellung beginnt, da die Aufführung der „Jungfrau von Drleans* eine größere Zeitdauer in Anspru nimmt, ftatt um 3

um 27 Uhr. i Lessing-Theater.

In Grillparzer's Märchen - Drama „Der Traum ein Leben“, welches übermorgen in Scene geht, sind die Hauptrollen in den Händen der Damen : Jenny Groß, Eugenie Klein und Ida Stäge- mann, „und der Hrrn.; Josef Kainz, Adolf Klein, Georg Molenar, Oscar Sauer, Gugen Stägemann, Otto Vischer und Carl Waldow. Die Inscenirung wird von Hrn. C. F. van Hell geleitet.

j; Friedrih-Wilhelmstädtishes Theater.

Die Erstaufführung des Sullivan’shen „Königsgardisten“, welche am Sthlusse der nächsten Woche bevorsteht und als Zugabe die Ballet- Pantomimen-Novität „Sonne und Erde“ bringt, führt, wie bereits angekündigt, auch Hrn. Link zum ersten Mal als Mitglied des Operetten- Ensembles genannter Bühne vor. Hr. Link hat die Partie

des Kyau inne. Thomas-Theater.

Für die erste Aufführung der neuen großen Gesangsposse „Der Wetterfros{ch“ von Kneisel und Hirshel, Musik von G. Steffens, ist nunmehr ein premierenfreier Abend und zwar der Dienstag Abend nächster Woche gewählt worden. In der Novität, die hinsichtlih der Dekorationen und Kostüme vollständig neu ausgestattet sein wird, werden beschäftigt sein: die Herren Emil Thomas, Burmester, Guthery, Jarno, Kaiser, Kestner, Meyer, Wellhof und Wirth, sowie Ge Damen Corbach, Fischer, Gallus, Hocke, Schlüter, Schneider und

ieger. C'oncerthaus. _In dem morgen statifindenden „Wagner-Abend® wird Kapell- meister Meyder die beliebtesten Werke dieses großen Meisters zur Auf- führung bringen. Das Programm des Abends enthält u. A. das