1910 / 246 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 19 Oct 1910 18:00:01 GMT) scan diff

meindevertreter find von diesem dem Vorstand der Kreissynode Kölln Stadt aemäß SS 36 und 40 K.-G. u. S.-O. zur Entscheidung vor- zulegen, während in beiden Fällen die Entscheidung in der Nekurs- instanz durch uns erfolgen wird, da es zurzeit an einem Gemeinde- kirhenrat in der Emmaus-West-Kirchengemeinde fehlt.

4) Die nah dreijähriger Tätigkeit vom Tage der Amts- einführung gerechnet ausscheidende Hälfte der gewählten Aeltesten und Gemeindevertreter ist gemäß § 43 Absaß 3 K.-G. u. S.-O. durch Auslosung zu bestimmen. :

5) Für die Zeit bis zur Errichtung einer eigenen Kirche wird der Emmaus-West-Kirchengemeinde zunächst der Predigtsaal, Lausiter Straße 24, überwiesen. Auch ist die Emmaus-West-Kirchen emeinde, solange sie eine eigene Kirhe nit besißt, berechtigt, ihre kirchlichen Amtshandlungen (Trauungen, Taufen, Konfirmationen) in der Emmaus-Kirche abzuhalten mit der Maßgabe, daß während dieser Zeit für sie die in der Emmaus-Kirchengemeinde geltenden Gebühren für Trauungen und Taufen verbindlich sind.

Eine weitere Ausstattung, als in der Errichtungsurkunde und vorstehend ausgesprochen ist, erhält die Emmaus-West-Kirhengemeinde von ihrer Stammgemeinde nicht. /

Im übrigen halten wir es für wünschenswert, daß \sich der Ge- meindefirchenrat der Emmaus-Kirchengemeinde im Einvernehmen mit dem Pfarrer Lange der Armen- und Krankenpflege in der Emmaus- West- Kirchengemeinde bis zur Einführung ihrer eigenen Aeltesten in thr Amt annimmt.

Berlin, den 14. Oktober 1910.

Is 49) Königliches Konsistorium der Provinz Brandenburg, Abteilung Berlin. Steinhausen.

Angekommen:

Seine Exzellenz der Präsident des Reichsbankdirektoriums , Mirkliche Geheime Rat Havenstein, von der Dienstreise.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preufßen. Berlin, 19. Oktober.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen estern vormittag im Neuen Palais bei Potsdam die Vorträge des stellvertretenden Chefs des Militärkabinetts, Generalmajors von Oerßen und des Chefs des Admiralstabs der Marine, Admirals von Fischel 7entgegen. Heute vormittag hörten Seine Majestät den Vortrag des Kriegsministers, Generals der Jn- fanterie von Heeringen.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Handel und Verkehr und “on Zoll- und Steuerwesen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Rechnungswesen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll: und Steuerwesen, für Handel und Verkehr und für Rechnungswesen sowie der Aus- schuß für Zoll- und Steuerwesen hielten heute Sißzungen.

Am 15. d. M. verschied im 77. Lebensjahre der Präsident des Reichsbankdirektoriums a. D., Wirklihe Geheime Rat Richard Eduard Koch. Jn ihm ist ein durch hervorragende Geistesgaben, vorbildlihe Pflichttreue und unvergleichliche Arbeitskraft wie durch Liebenswürdigkeit und Lauterkeit des Charakters hervorragender Mann dahingegangen, dessen Name mit der Geschichte der Reichsbank und darüber hinaus mit der Entwicklung des deutschen Wirtschaftslebens unlösbar verbunden bleibt.

Am 15. September 1834 in Kottbus geboren, bezog er im Alter von 161/5 Jahren die Universität Berlin, wo er 5 Semester hindurch die Rechte studierte. Nachdem ihm vom Justizminister für das 6. Semester Dispens erteilt war, bestand er die erste juristishe Prüfung mit dem Prädikat „gut“, worauf am 1. Oftober 1853 die Ernennung des eben Neunzehnjährigen ¿um Auskultator und am 2. November seine Vereidigung erfolgte. Am 11. April 1855 wurde er auf Grund einer „guten“ mündlichen Prüfung und einer „vorzüglich guten“ Proberelation zum Appellationsgerichtsreferendarius, am 21. Mai 1858 nachdem er auch das dritte Examen mit dem Prädikat „gut“ bestanden hatte zum Gerichtsassessor er- nannt. Als solcher arbeitete er nacheinander in Spremberg, Kottbus, Berlin, Frankfurt a. Oder, Ratibor und Halberstadt. Am 27. März 1862 erfolgte seine Ernennung zum Stadt- und Kreisrichter bei dem Stadt- und Kreisgericht in Danzig. Zum 1. Oktober 1865 wurde er als Stadtrichter an das Stadt- geriht in Berlin verseßt, am 18. Juni 1867 zum Stadt- gerihtsrat befördert und in dieser Stellung am 1. Januar 1868 zur Führung des Protokolls über die Beratungen der Kommission zur Ausarbeitung einer gemeinsamen Zivilprozeß- ordnung für die Staaten des Norddeutshen Bundes R nen Als der deutsch-französishe Krieg ausbrach, trat er dem Zentralkomitee des Roten Kreuzes bei und übernahm in dessen Auftrage die Führung eines auf den Kriegsschauplaß abge- lassenen Hilfszuges. Hier, in Nancy, erreichte ihn die Berufung an die Preußishe Bank. Am 3. Oktober 1870 trat er als Hilfsarbeiter in das Hauptbankdirektorium ein, um unter dem 24. März 1871 zum Geheimen Finanzrat, Hauptbankjustitiarius und Mitglied des Hauptbankdirektoriums ernannt zu werden. Die Ummwmandlung der A Bank in die Reichsbank, an deren Durchführung er hervorragend beteiligt war, brachte seine Er- nennung zum Reichsbankjustitiarius vom 1. Januar 1876 ab mit sih. Am 1. Mai desselben Jahres wurde er zum Geheimen Oberfinanzrat ernannt. Am 30. April 1887 erhielt er die neugeschaffene Stelle eines Vizepräsidenten des Reichsbank- direftoriuums und am 5. Mai 1888 den Rang eines Rats erster Klasse. Nach dem Tode des Herrn von Dechend erfolgte seine Ernennung zum Präsidenten des Reichsbankdirektoriums mittels Allerhöchster Bestallung vom 23. Mai 1890. Jm Jahre darauf wurde er unter Ernennung zum Kronsyndikus auf Lebenszeit in das Herrenhaus berufen, am 14. August 1893 zum Wirk- lichen Geheimen Rat mit dem Prädikat Erzellenz ernannt.

Nahezu 18 Jahre hat er an der Spiße der Reichsbank gestanden und sih in dieser Stellung um die Durchführung und Festigung der Währung, um die Regelung des Geld- umlaufs und um die Organisation und den weiteren Ausbau des seiner Leitung anvertrauten Jnstituts unvergängliche Verdienste erworben. Die ununterbrochene, mit dem Auf-

shwunge unseres wirtschaftlihen Lebens s\chritthaltende iterung des Nees der Reichsbankanstalten, die

es emen den Kredit der Reichsbank den weitesten Kreisen i Erwerbstätigkeit im gesamten Reichsgebiet zu- gänglih zu machen, war sein Werk. Daneben ging sein unaus- gese tes Pestveben y in die geschäftlihen Einrichtungen der | achsenden Bedürfnissen des Verkehrs ent- auszugestalten. Jnsbesondere lag ihm die Vervoll- fommnung des Giro- und Abrechnungsverkehrs am Herzen, dessen aiberoaNiEe Bedeutung für unser Wirtschaftsleben er frühzeitig erkannt, und an dessen Einführung er in erster inie mitgewirkt Der Erlaß des Scheckgeseßzes ist wesentli und seiner Mitarbeit zu verdanken. der Zeit von 1890 bis Ende 1907 hat sich die Zahl der eihsbanfanstalten von 238 auf 478, die Zahl der Beamten, denen er ein wohlwollender, gütiger und gerechter Chef war, und deren er in jeltenem Maße genoß, von 1445 auf 3224 und esamte Pas der Reichsbank von 99 auf 299 Milliarden Mark gehoben Ziffern, die klar ertennen lassen, welhen gewaltigen Aufshwung das Jnstitut, dem seine Lebensarbeit gewidmet war, unter seiner Leitung genommen hat. Wie sehr seine zielbewußte, sahkundige und weitsihtige Geschäftsführung in ihrer L rnden E M Ei e T des Ui en Handels er deutschen Industrie allseitig ta gewürdigt wurde, gelangte bei der Feier seines 50jährigen Dienstjubiläums am 2. November 1903 in zahl- reichen ehrenden ebungen der Handelskammern und der sonstigen kaufmänn und gewerblichen Vertretungen zu lautem Ausdruck. Vier Jahre nach dieser Feier suchte er mit Rücksicht auf sein vorgerücktes Lebensalter seine Gchind in den Ruhestand nach, die ihm unter Verleihung des Großkreuzes des Roten Adlerordens mit Eichenlaub Allerhöchst bewilligt

wurde.

and in Hand mit seinem amtlihen Wirken ging eine fortgeseßte atten aftlich-literarishe Tätigkeit, die sih auf die Behandlung ivil-, insbesondere des Handelsrechts und des Zivilproze is jowie auf die verschiedensten Gebiete des Bank und Münzwesens erstreckte und die durch Verleihung der Würde eines Ehrendoktors seitens der Universitäten Heidelberg, München und Straßburg i. E. eine besondere, ihn hoh erfreuende Anerkennung fand. Jn weitem Umfange stellte er seine Arbeitskraft in den Dienst kirhliher und gemeinnüßgiger Bestrebungen und Veranstaltungen. Insbesondere hat er als Vorfißender des Kuratoriums des Wilhelmsstifts und als Schazmeister des Evangelish-firchlichen Hilfsvereins segensreich gewirkt. Die großen Verdienste, die er fih als Vorstandsmitglied des Zentralkomitees der deutschen Vereine vom Roten Kreuz erworben hat, sind dur Verleihung der Roten Kreuzmedaille 2. Klasse und des rusfischen Erinnerungszeichens des Roten Kreuzes anerkannt worden.

Die Verkehrseinnahmen deutscher Eisenbahnen für September 1910 betrugen nah der im Reichseisenbahn- amt aufgestellten Uebersicht:

ge Ns Le E : mehr, weniger M T km | im ganzen auf 1 km M 1 T7 M M | A -| Proz:

1) für alle Bahnen im Monat September 1910: Personen-

verkehr . | 71468 161| 1 41A4+5 122 850+ 81+ 6,09 Güter-

verkehr . [152 865 949] 2 948|4-10562780+ 160+ 5,74

2) für die Bahnen mit dem Rechnungsjahre April März in der Zeit vom 1. April 1910 bis Ende September 1910: Personen-

M ian . 13887 805 365] 8 791|+21600711+ 346+ 4,10 üter-

verkehr . [767 113 749] 16 983|4+49678907|+ 810+ 5,01

3) für die Bahnen mit dem Rechnungsjahre Januar—Dezember in der Zeit vom 1. Januar 1910 bis Ende September 1910:

Personen-

verkehr . | 78 740 565] 12 389|+45 227 077+ 703+ 6,02 Güter-

verfehr . 1137 898 465] 21 139|+7 183 801|+ 932+ 4,61

Die Gesamtlänge der Bahnen betrug 52 155,21 km, gegen das Vorjahr 4+ 837,40 km.

im auf

Der Regierungsrat Dr. Thümen in Osnabrück ist der Königlichen Regierung in Potsdam, der Regierungsrat von Gostkowsfki in Caffel der Königlichen Regierung in Schleswig, der Regierungsassessor Dr. Frielinghaus in Oppeln der Königlichen Regierung in Osnabrück zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen und der Regierungsassessor von Baumbach in Pinneberg dem Landrat des Kreises Zauch- Belzig zur Hilfeleistung in den landrätlichen Geschäften zu- geteilt worden.

Die Regierungsreferendare von Wentzel aus Stettin, von Kißing aus Hannover und von Puttkamer aus Merseburg haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Tiger“ vorgestern in Tsingtau eingetroffen.

Oefterreich-Ungarn.

Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten der ungarischen Delegation begann gestern mit der Be- ratung des Erposés des Ministers des Aeußern Grafen Aehrenthal.

Nach dem Bericht des ,W. T. B.* betonte der Referent Graf Markus Wickenburg, daß die ganze Annexionskampagne einen glänzenden Erfolg des Leiters des Auëwärtigen Amts und seiner Mitarbeiter, des Botschafters in Konstantinopel und des Gesandten in Belgrad, bedeute. Kossuth führte aus, daß das Erposé in

mehreren Punkten lückenhaft sei, insbesondere wendig, Aufklärungen darüber zu - verlangen, Annexion gerade în einem Zeitpunkt

fei es warum vorgenommen

sei, in dem die Türkei infolge innerer Wirren ges{wädt g und Verwicklungen seitens der übrigen europäischen Mächte bezüg: der Abänderung: des Berliner Vertrages zu erwarten gewesen

Franz Nag y (Arbeitépartei) begrüßte das freund)caftliche hältnis zur Türkei und verlangte Aufilärung über die Meldungen : dem Abs{luß einer türkish-rumänishen Militärkonvention. e vou fonstatierte mit D die Festigung des Dreibundes und ir dem Minister des Aeußern die Anerkennung auch dafür aus, das ibm gelungen sei, in leßter Zeit auch Italien gegenüber gewisse Miz, verständnisjse zu beseitigen. Graf Theodor Batthpyany (Jui, artei) vertrat die Auffassung, taß die einseitige Proflamierung Bienion ohne vorherige Zustimmung der Mächte mit Rüdsiht „+ den Berliner Vertrag nit zulässig gewesen sei. Der Redner ¡oli \{ließlich der von Deutschland bewicienen vollen Bundestreue son dem loyalen, friedliebenden Verhalten Frankreihs volle 9.“ kennung. Graf Stefan Tisza (Arbeitspartei) bemerkte gegen, über dem Grafen Batthyany, der Dreibund sei wobl nit d einzige möglihe Bündnis, sicherlich aber das ¿weckmäßigaste. G stellte fest, daß hinsihtlih der Frage, ob Oesterreich-Ungarn Serb; handelspolitishe Konzessionen machen wolle oder nicht, keine aut, wärtige Macht dreinzureden habe und daß es in dieser Bejzieh niemandem gegenüber eine moralische Verpflihtung übernommen babs Was die Wabl des Zeitpunktes für die Annexion anlange, sg sei e nit von Oesterreih-Ungarn gewählt worden, sondern die Greignife hätten ungewollt die Son nach sih gezogen. r Tonstatier ferner, daß der Minister des Auswärtigen die Partie glänzend ¡u Ende geführt habe. Neben dem Verdienst des Grafen Aehbrentbal bâtten dazu beigetragen die männlite, entschiedene und bilfébereite Stimmung in beiden Staaten der Monarchie, die im Dreibund rubende Frzf und, ohne das vollkommen forrefte Verhalten Italiens gering zu schäßen, jene Wärme, mit der die deutsche Reichsregierung dicie Aktion begleitete. Der Minister des Auswärtigen Graf Aehrez, thal sprah seine Freude darüber aus, daß von autoritativer Scite bestätigt würde, daß die Wahl des Zeitpunktes der Annexion n di von Oesterreich-Ungarn abgehangen babe. Eine hervorragend konser. vative Macht wie Oesterreich-Ungarn müßte den Zeitpunkt und die Umstände für den geeigneten Moment zur Wahrung ihrer Interessen sorgfältig prüfen und diesen nah Kräften ausnüßen. Der Minister spra seine um fo größere Verwunderung darüber aus, daß Kossuth eine Rechtfertigung des Vorgehens des Ministers verlangt babe, tz Kossuth selbst seinerzeit der Regierung angebört habe, als er, de; Redner, mit der größten Gewissenbaftigkeit die Modalitäten und die zwingenden Umstände dargelegt bätte, die ihn zu dieser Aktion ver. Citaten. Graf Aehrenthal fuhr fort, er wolle ausdrücklih konstatieren daß gertte die ungarische Negierung, der- Kossuth und Graf Apponri angehörten, dieser Aktion anerkennendfte Unterstüßung hätten an. gedeihen lassen. Auf Verhandlunzen, die mit einigen Kabinetten v: der Proflamierung der Annexion stattgefunden, könne er nit zurü. kommen, da diese vertraulich gewesen seien. Graf Aebrentbal wies dann eingehend den Vorwurf zurück, als ob dur die Annerion ein Nechtsbruch begangen worden wäre. Betreffs der Beziehungen zu den Großmächten erklärte er, daß die Ver- handlungen im Auzts{uß ergeben hätten, daß diefer wie er selbst ter Ansicht sei, daß Oesterreich-Ungarn seine konservative Politik fortseßen und seine Bündnisse sorgfältig pflegen müsse, darüber aber seine Beziehungen zu den anderen Mächten niht vergessen dürfe. Die Anfrage, ob noch die Balkanentente mit Rußland bestehe, beant- worte er dabin, daß diese mit Rücksiht auf die Aenderung der politishen Verbältnifse in der Türkei gegen|tandëslos geworden sei, daß aber die Beziehungen zu Rußland befriedigend seien. Im vorigen Winter hatten beide Regierungen anläßlih der Verhandlungen über die Wiederaufnahme der normalen diplomatishen Beziebungen ih darüber ausgesprohen, welhes die Ziele ihrer Politik im Balkan seien, wobei fonstatiert worden sei, e zwischen ODesterreih-Ungarn und Rußland kein Gegensaß der Auffassungen bestehe. Was die Sandschakbahn betreffe, so wiederhole er seine im öster- reihishen Aus|{chuß gegebenen Erklärungen und versichere, daß, wenn der Zeitpunkt zur Jnangriffnahme des Bahnbaues eintreten und die türkishe Regierung fich an Oesterreich - Ungarn wenden werde, Gelegenheit sein werde, dieses Projekt zu fördern und sihzrzu- stellen. Auf eine Anfrage wegen der Gerüchte von einer türfis{- rumänischen Konvention verwies der Minister darauf, daß dies Gerücht von Rumänien dementiert worden sei und daß es wahr- sheinlich von einer Seite stamme, die Interesse habe, Unruhe zu stiften und der vielleiht auch daran gelegen sei, die türfishen An- [eibeverhandlungen in Paris zu s\tôren. „Rumänien führt“, fo erklärte der Minister weiter, „seit dreißig Jabren stets eine konser- vative und sehr fkorrekte Politik. Die Beziehungen zwischen Rumänien und der Türkei sind sehr freundschaftlih, da feine Interessengegensäße zwischen beiden bestehen. Die guten Be- ziehungen zwishen ihnen brauhen niemand zur Beunruhigung zu ercichen. Was die Türkei und Bulgarien betrifft, so haben diese eiden Staaten eine lange gemeinsame Grenze. Es müssen “daher leiht Divergenzen zwischen ihnen vorkommen, die boffentlich immer freundschaftlich werden erledigt “werden. Wir haben auch stzts gegebenenfalls in diesem Sinne sowohl in Konstantinopel als in Sofña untere Ratschläge erteilt. Was die in der Debatte erwähnte An nâberung oder sogar den F uQtus der Türkei an den Drei- bund betrifft, so handelt es sh hierbei um einen ballon d'’ess um Unruhe zu stiften. Unsere Beziehungen zur Türkei sind sebr prâzisiert. Wir wünshen im Orient die Aufrechterhaltung des Friedens und des status quo, und daß die Türkei mit Klugbëit und Festigkeit an ihrer Konsolidation arbeitet. Diesen Standpunkt nehmen nit nur wir ein, sondern auch unsere Bundesgenossen, un ih glaube sagen zu fönnen, alle übrigen Mächte." Was seine Tätig- keit auf handelépolitishem Gebiet betreffe, so nehme er selbst verständlich keine andere Stellung ein als diejenige, die ihm dur die Geseßze genau vorgeschrieben sei. Auf die Ausführangen de Grafen Tisza könne er positiv erklären, daß Serbien bei Durd führung der Annexion keinerlei wirtschaftliche Kompensationen in Aussicht gestellt worden seien, und daß er es als einen de größten Febler angesehen bätte, wenn eine solche auch nur diéfutiert worden wäre. Andererseits sei er jedoch, was die österreichisd ungarishen wirtschaftlichen Beziehungen zu den Oststaaten betreffe, der Anschauung, daß rege wirtscaftlide Beziehungen und gute Geschäfte gute Freunde mahe. Hobe Zollshranken mit allen möglihen Pladckereien seien freundshaftliden Beziehungen förderlih. Es wäre eine naive D das Verhältnis ¡u den Balkanstaaten auf einseitige wirtschaftliche Konzessionen zu basieres- Diese Beziehungen könnten nur auf Grund gegenseitiger Vorteile beruhen, und er sei der Ansicht, daß eine solche Regelung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht jeßt, aber mit der Zeit mögli® sein werde. Auf eine weitere Anfrage bezüglich der Ereignisse n Portugal erklärte Graf Aehrenthal : „Wir gedenken der Umwälzung in Portugal gegenüber eine abwartende Haltung einzunehmen, um j seben, welhe Entwicklung die Verhältnisse dort nehmen, und wie dab vortugiesishe Volk sich zur Aenderung der Staatsform in legatr Weise äußern wird. Unfer Geschäftsträger in Lissabon hat Instruktion erhalten, zur Wahrung der Interessen Oesterreih-Ungarns in Portuga! mit der de facto-Regierung in Beziehung zu treten.“

Der Ausschuß beschloß dann im Sinne des Antrags des Referenten, daß er die vom Minister des Aeußern erteilten Aufklärungen mit Dank zur Kenntnis nehme, mit der Politit des Ministers übereinstimme und dem Minister sein Vertrauen ausdrüde.

Jn der gestrigen Sißung des Heeresausschu])e® der Ungarischen Delegation gab der Kriegsminister Fre? herr von I N ein eingehendes Erposé, worin er üde! die militärishenMaßnahmen anläßlih der Annerion®

krisis berichtete.

Der Minister hob laut Bericht des „W. T. B.“ hervor, daß t dem Ausrüstungskredit im Betrage ven 180 000 000 Kronen teils its früher angeregte, operative und organifatorische Maßnahmen dauernden Charafters in rasdem Tempo durchgeführt, teils vorüber- hende Maßnahmen getroffen worden seien. Unter den Maß- nabmen dauernden Charakters nannte der Minister die Auf- stellung der Maschinengewehrabteilungen, die sich hinsichtlich des Materials wie der Organifation gleih gut bewährten, er die Ergänzung uud Modernisierung des Feldbahn- materials, des Automobilparks, der Ballonausrüstungen , Ver- mehrung der Munition und des Train- und Sanitätsmaterials, weiter die Beschleunigung der Umbewaffnung der Feldartillerie, die Organisierung der Gebirggartillerie, die Befestigung fester Pläte, die Selage wichtiger Kommunikationsbauten. Die vorübergehenden Maß- nahmen betrafen vorzügli die Verlegung der Truppen nah dem Süden und die Formierung von Streifkorpsabteilungen. Zwei Drittel der von den Ausrüstungskrediten bestrittenen Maßnahmen werde dauernde Be- deutung besißen, jedoch würden die für verschiedene dringende Bedürfnisse anläßlich der Annerxionsfkrise gemachten Beschaffungen in den weiteren Budgets mit ungefähr 10 Millionen nahwirken. Der Minister gedachte am Schluß seiner R2de noch einmal der Folgen der Annexionskrise und erklärte, die Annexionskrise habe erstens gelehrt, daß die Monarchie infolge ihrer Lage troß der Bündnispolitik noch immer mit einem Krieg nach mehreren Fronten rechnen müsse, und ¡weitens, daß die Monarchie den Ausbau ihrer Wehrmacht niht mehr aufshieben dürfe, wenn eben die Wehrmaht der Monarchie die Bürg- schaft bieten solle, allen Eventualitäten stets gewachsen zu sein.

Der Unterausshuß der nationalpolitischen Kommission des böhmischen Landtages seßte gestern die Spezialdebatte über die Reform der Landesordnung fort.

Ein von dem Abg. Frengl gestellter Antrag auf eine nationale

Sektionierung des Landesaus\schusses wurde von den tschechishen Mitgliedern, obiger Quelle zufolge, teils für unklar und verfrüht, teils für indisfutabel erklärt, während die Grundbesißer sich ihre Stellungnahme für die nächste Sißung vorbehielten. Der Unteraus\chuß für die Beratung über die Regelung des Sprahengebrauhs bei den autonomen Behörden vertagte nah längerer Debatte die Verhandlung auf morgen, da eine Einigung nicht zu erzielen war.

Jn der gestrigen Sißzung des Landtages der Mark- grafshaft Jstrien kam es infolge von Obstruktion der slavishen Minderheit zu so erregten Szenen, daß die Sißzung unterbrochen werden mußte und niht wiederaufgenommen werden konnte. Jnfolgedessen schritt der Vertreter der Regie- rung zur Schließung der Session, was den Abgeordneten shriftlih mitgeteilt wurde.

Frankreich.

Jn der gestrigen Sizung des Ministerrats erklärte der

Ministerpräsident Briand, „W. T. B.“ zufolge, daß der Ausstand beendigt sei, mit der Ueberwachung der Eisenbahnen und den Maßnahmen zur Unterdrückung der Sabotage fort- gefahren werden würde. Der Verkehrsminister Millerand teilte mit, daß die Direktoren der Eisenbahngesellschaften die Zeitungsnachricht von beabsichtigten Mafssenentlassungen am Tage nach Wiederaufnahme der Arbeit für unwahr erklärt ätten. ? Der Ministerpräsident Briand empfing gestern abend die parlamentarishe Gruppe, die sich aus Anlaß des Eisen- bahnerausstandes gebildet hat, und erklärte ihr, obiger Quelle zufolge, daß Verhandlungen zwischen ihm und parlamen- tarishen Gruppen die Lage nur ershweren könnten. Die Regierung sei entschlossen, die Verantwortung für die notwendigen Entscheidungen selbst zu tragen, unbeschadet ihrer Bereitwilligkeit, sie zu gegebener Stunde vor dem gesamten Parlament zu verteidigen. Das Parlament werde entscheiden, ob der Ministerpräsident recht oder unreht ge- habt habe, als er Unterhandlungen mit dem Streikkomitee ab- lehnte. Das Personal der Eisenbahnen werde in Zukunft zu der Erkenntnis kommen, daß die Regierung seinen Angelegen- heiten niemals teilnahmslos gegenübergestanden habe.

Die ausständigen Eisenbahnangestellten haben gestern auf der Nordbahn und der staatlihen Westbahn die Arbeit wieder aufgenommen. Auf den übrigen Bahnnezen ist der Betrieb normal.

Das Streikkomitee der Eisenbahner veröffentlicht einen Aufruf, in dem es laut Meldung des „W. T. B.“ heißt:

Das Komitee erachte die bedingungélose Wiederaufnahme der Arbeit für das Syndikat dienlicher als trügerishe und erniedrigende Verbandlungen. Das Komitee wolle allein die volle Verantwortung tragen, falls die Regierung eine Untersuhung einleite. Die Forde- rungen der Eisenbahner würden erfüllt werden, weil die Eisenbahner rubig und fest geblieben seien.

Der Aufruf * wirft dem Ministerpräsidenten Briand vor, er habe die Grundsäße der Freiheit verleßt und die Zwischen- sâlle absihtlich aufgebauscht, und endet mit der Versicherung, de Eisenbahner seien besiegt, aber nicht entmutigt und rüsteten sh zur Rache. S __ In Amiens sind etwa 100 Eisenbahnbedienstete, die der Mobilisierungsorder niht nahgekommen waren, bei Wieder- Reine des Dienstes ins Militärgefängnis abgeführt

orden.

Spanien.

. Nach einer Meldung der „Agence Havas“ ist der spanische Gesandte in Lissabon ermächtigt worden, zu der provisorischen *eglerung in Beziehungen zu treten. Diese Maßregel be- deutet niht die Anerkennung der Republik; Spanien wird es den anderen Staaten überlassen, die Jnitiative zur Anerkennung der Republik zu ergreifen.

- Vie das „W. T. B.“ meldet, haben der Minister des Auswärtigen und der Kriegsminister von dem angeblichen s

ouverneurs von Céëuta beim Straßenbau na Tetuan und von der von ihm an die Eingeborenen ergangenen

Usforderung zur Wiederaufnahme der Arbeiten keine Nachricht erhalten. : Eben{o wird in Abrede gestellt, daß die britische Regierung fn Madrid Erkundigungen eingezogen oder die geringste Gegen- ¿slihkeit gegen eine etwaige Konzentration der militärischen weise diesseits und jenseits der Meerenge von Gibraltar an E Tag gelegt habe. Die Beziehungen zwischen England und panien seien fortgeseßt äußerst herzlih, und es bestehe zwischen

inen fein Interessengegensat.

Portugal. u

Yr Dekret über die Verbannung der Familie

ti a ist vorbereitet. Die materielle Lage der Familie

und L . T. .“ zufolge, in angemej}jener Weise geregelt ihre legitimen Rechte werden respektiert werden.

Türkei.

n m Mi nisterrat wurde gestern nah längerer Beratung,

minis: E Y, zufolge, beschlossen, _die Vorschläge des Kriegs-

nd TS, die in der selbständigen Finanzverwaltung des Kriegs-

Marineressorts sowie in der Unabhängigkeit bei den Be-

Das

stellungen gipfeln, der Deputiertenkammer als Geseßesnovelle

zu unterbreiten und inzwishen das Kriegsministeriuum dem

Gese über den Oberrehnungshof zu unterstellen. Griechenland.

Der Gesandte in Konstantino el Gryparis hat auf die Irene des mit der Kabinettsbildung betrautcn Venizelos, ob er das Ministerium des Aeußern annehme, „W. T. B.“ zu- folge, zustimmend geantwortet.

Serbien.

Nach dem gestern vormittag ausgegebenen Bulletin hat sich das Befinden des Kronprinzen Alexander insoweit ver- \hlechtert, als das Empfindungsbewußitsein mehr getrübt ist. Der Puls\chlag ist schwächer, die Temperatur 39,7. Die Nacht verbrachte der Kronprinz, einer Depesche des „W. T. B.“ zufolge, im Schlummer, aus dem er leiht erwachte. Das Bewußtsein ist wenig flar. Der Patient verweigert die Nahrungsaufnahme und wird künstlich ernährt.

Montenegro.

Die Auswanderung aus den Wilajets Kossowo und Skutari nah Montenegro nimmt, „W. T. B.“ zufolge, täglich größere Dimensionen an und seßt die montenegrinische Re- gierung immer größeren Verlegenheiten aus. Alle Bemühungen der Emigranten, straflos in ihré D bie zurückehren zu können, haben feinen Erfolg. Gestern hat die Regierung allen Ver- tretern der Großmächte in Cetinje ein Memorandum überreicht, worin sie auf die shwierige Lage hinweist, in der sie sih be- finde. Ein Aus\huß von Bürgern hat einen Aufruf an die Bevölkerung erlassen, worin um freiwillige Gaben für die Emigranten gebeten wird.

t Afien.

Wie das „Reutersche Bureau“ erfährt, ist die englische Note über die Anarchie im Süden Persiens der persischen Regierung überreicht worden, nachdem die englishe Regierung sich mit der russishen Regierung ins Einvernehmen geseßzt hatte. Beide Regierungen handelten im Uten Einver- ständnis und sind entschlossen, die Politik der Nichtintervention, soweit sie mit den Jnteressen und der Sicherheit der Fremden vereinbar sei, aufrecht zu erhalten.

Kunft und Wissenschaft.

A. F. Vor längerer Zeit ging die Nachricht durch die Zeitungen, daß das Ehepaar Dr. Hunter Workman und Frau Fanny Bullock-Workman bei einer Besteigung des Himalaya Höhen erklommen hätten, die bis dahin noch nit erreicht worden waren. Die Genannten, ihrer Nationalität nah Amerikaner, und zurzeit auf einer Rundreise durch Europa begriffen, berichteten am Sonnabend- und Montagabend im Theatersaal der „Urania“, Taubenstraße, ausführlih und unter Vorzeigung einer großen Anzahl von Lichtbildern über diese in der Tat höchst kühne und bewundernswerte Bergbesteigung, für die viele zweifellos beweiskräftige Zeugnisse in den Bildern vorliegen, die Ueberras{ung an Ueberrashung reihten. Am ersten Abend \prach Frau Bullock, am zweiten ihr Gatte mit ihr abwechselnd. Beide sind der deutschen Sprache genügend mächtig, die sie mit einem ganz mag fremdartig anflingenden Akzent sprechen. Beide wußten ihren Vortrag durch

umor zu würzen, den sie in den zum Teil schauerlichen und gefahr- ringenden Einöden, in dke sie ihre Wanderung führte, nötig ge- brauht haben mögen. - Der erfte Vorträg handelte von der H - steigung des Nun-Kun-Himalaya von Kaschmir aus: Drei Tage Eisenbahn-, ebensoviel Wagenfahrt und drei Tage Fußwanderung führten zum ersten Quartier, dem 3700 m hoc gelegenen Dorfe Suruh. Als zuverlässige fer hatten die Reisenden 7 Italiener angeworben, die sich von Anfang bis zu Ende trefflich bewährten. Weniger ist das von den 65 Kulls zu sagen, die nebst drei eingeborenen Dienern die fernere Begleitung bildeten und sich wiederholt \treik- und streit- lustig erwiesen. Die große Zahl rechtfertigt sih dur die bedeutende Menge Proviant, die mitzuführen war, u. a. waren nicht weniger als 16 000 kg Reis nötig, um in dem völlig öden Lande die Er- nährung auf genügend lange Zeit jus zu stellen. Die Kulis empfingen den Reis zur Selbfizubereitung, für die anderen sorgte ein Koch, der seine Sache recht gut machte. In Höhe von 4800 m wurde für einen Monat ein Zeltlager auf- geschlagen und die Zeit zur “n der Nachbarschaft, eines Seitengletshers, benußt. Die englishen fkartographischen Aufnahmen enthalten keine Namen für Berge und Schluchten, da bei der Unbewohntheit des Gebirges solche gar nicht erxistieren. Die Oert- lihkeiten find mit Buchstaben und Zablen benannt, z. B. D. 41. Beim Weitermarsh mußte ein boch anges{wollener Fluß stundenlang aufwärts verfolgt werden, bis \sich eine Furt fand, um ihn zu durch waten. Da die mitgenommenen Schafe und Ziegen, zum Shwimmen angehalten, versagten, mußten alle hindurchgetragen werden. Tagelang hatten die Ziegen nur Schnee und was sie etwa darunter fanden zur Nahrung. In einsamer Gegend gelangte man zu einem Kloster tibetanisher Lamas, die zur Begrüßung Teller mit Mehl úüberreihien, wofür sie durch den landesüblihen Backschisch entschäâdigt wurden. Vier Tage wurde nun in ganz baumloser Gegend Raft gemacht, baumlos nicht etwa der Höhe wegen, sondern wegen des gänzlihen Fehlens von Nährboden an den fkahlen Felsen. Weiter aufsteigend wurde dann bei 5000 m Höhe ein Firnlager auf- geshlagen. Von den Regierungsvermessungen her wurde hier Volz gefunden, sodaß man Feuer anmachen konnte. Die nächste Betätigung bestand in Ausflügen auf einen 14 km langen Gletsher. Wunderbar berührte hier, und die aufgenommenen Photographien geben ein anschauliches Bild davon, was Sonne und Wind frei modellierend aus dem Schnee geformt hatten. Der sogenannte Büßerschnee z. B. zeigt die seltsamsten Gestalten. Drei Träger wurden nun vorangeschickt, um weiter oben ein Schneelager zu errihten. Dieser Lagerplatß im tiefsten Schnee wurde dann durch Ersteigen einer steilen Schneewand erreiht. Im Profil dieser Wand laubten Phantasiebegabte ein mens{chliches Antliy zu erblicken, wie es dieß, das der Königin Victoria. An diesem Punkte war man bereits auf 6000 m Höhe. Die Kulis wurden unter dem Einfluß der dünnen Luft krank. Alle fühlten sich elend und entbehrten des Sclafes. Der nähste Tag brachte cinen Aufstieg von enormer Steilheit, nämlich 50 bis 60°; er führte auf ein 5 km langes Plateau, das sich auf den Karten nicht verzeichnet fand. Es war hier indessen bei heftigem Schneetreiben und einer Kälte von 15* Celsius kaum an ein längeres Verweilen zu denken. Alle vermochten weder zu essen, noch zu s{hlafen. Es blieb indessen vorläufig nihts übrig, da die Nacht vor der Tür, als die E am Fuße des Nun-Kun, dessen dem Wetterhorn sehr ähnlihe Pyramide ganz nahe war, aufzushlagen. Dies war die kälteste und längste Nacht der ganzen Expedition, und am nächsten Tage seßte eine un- geguere Hite ein, unter der man fast mehr litt als durch die extreme älte der Nacht. Dieser Tag aber brahte zum Glück den Lesen Aufstieg bis zur Höhe von 7100 m, und merkwürdigerweise erholten sich alle, die hieran teilnahmen, nämlich das Ehepaar, ein Führer und 2 Träger, dabei wieder. Einige Stunden gin es über grausige Klüfte; der Atemnot wegen mußte man oft Hal machen, aber eine wirflihe Nast wurde erst bei 6900 m gemacht, wo alle sih durch Schokolade stärktcn, dann nohmals über Felsen und Schnee noch 200 m höher bis zum Gipfel! Allein die Aussicht enttäushte; sie war nicht so überwältigend, wie man angenommen. Auf der hêchsten Spitze des Nun-Kun, die man erreicht hatte, lag kein

/

Schnee. Bei der ringifen Anstrengung empfand man große Atemnot. Um 2 Uhr wurde der Abmarsh angetreten, um 74 Uhr war man wieder im Gletscherlager, das nächsten Morgen in der Kaffeestunde mit der ganzen fkaffeetrinkenden Gesellschaft photographiert wurde. (Das Bild erregte nah der leb- haften Silderung der Besteigungsnöte das größte Interesse.) Frau Bullock - Workman berichtete dann noch von einer der soeben geschilderten vorangegangenen Bergwanderung, bei der sie durch Be- steigung des 6300 m hohen Gipfel D. 41 einen ersten Höbenrekord für bergsteigende Frauen aufgestellt, aber {wer unter der Berg- krankheit gelitten hatte, die ibr bei der geschilderten Besteigung des Nun - Kun erspart geblieben _ist. Das \{limmste Hemmnis aller Wanderungen in die großen Höhen findet sie in der Schlaflosigkeit, die niemand lange aushalten kann. Immerhin find die Europäer ungleih widerstandsfähiger als die eingeborenen Kulis, die man befser stets zu Hause lassen und sih immer nur mit Europäern bebelfen sollte.

Der zweite Vortrag führte die Hörer an eine bisher unerstiegen gewesene Stelle der Karakorum-Gruppe des Himalaya, nämli zu dem gewaltigen Hispargletscher und seinen zahlreichen Nebengletschern und mehr als 1000 Gletscherseen, wobl die großartigste Gletscherszenerie der Welt. Die Expedition brach am 25. Mai 1908 von Srinagar in der Landschaft Kaschmir auf. Wie immer mußte die ganze Ver- pflegung me und entsprehend wieder die Anwerbung von Trägern in Aussicht genommen werden. Von dem bisher wobl von keinem Europäer besuhten Gilgit aus wurde immer ansteigend der Hisparapaß überschritten, den Dr. Hunter Workman son 1899 besucht hatte. Sandstürme ershwerten den auf unwegsamen Pfaden ohnedies beschwerlihen Marsch in unerwarteter Art. In einer Nacht wurde So Befestigung mittels eiserner Zeltstäbe das Zelt weggeweht. Hinter Gilgit in der Richtung auf Nagor wurde die Gegend immer wilder, das Flufßtal a die Stege shmaler. Die Bewohner des Gebirges sind wilde afghanishe Grenzstämme, die England dur ihre Fried- losigkeit viel zu hafen machen. Am 29. Juni war man in Nagor, dessen Dorfältester die Reisenden zu Pferde in ibrem Lager aufsute und nach Entgegennahme von Geschenken si bereit erflärte, die nötigen Kulis zu stellen und den Proviant durch Reis, Ziegen und Schafe zu ergänzen. So wurde am nächsten Tage der Marsch, das tief ein- geschnittene Tal des Hispar entlang, mit 70 Kulis angetreten. Das 3380 m hoh gelegene Dorf Hispar, düster, öde, baumlos, wurde passiert und ein Einblick in das Leben der Bewobner getan, die an günstigen Stellen Getreide bauen, das aber bäufig nicht reift, was dann Hungerênot im Gefolge hat. Der Hispargletscher verläuft fast genau ostwestlich, er ist 3 km breit und verzweigt i in eine Reihe von Nebengletschern, die größtenteils erforscht wurden. Man darf \ch nun aker diese Gletscherfülle nicht als von blankem Eis und Schnee blißend vorstellen, denn sie ist auf weite Strecken von Steinshutt bedeck und äußerlich kaum als Gletscher erkennbar. Was der Szenerie aber höchsten Reiz verleiht, find die Unzahl kleiner, zwischen den Gletschern verteilter Seen, die berrlih blau oder grün gefärbt ersheinen: denn sie befinden sid in verschiedenen Höben, selbst in den höchsten Teilen des Gletshers, wo die Schuttbedeckung allmählih geringer wird. Wo Nebengletsher in den Hauptgletsher münden, stehen schmale Grate mit tiefen Abgründen nah beiden Seiten. Die e Umgebung und zu erwartende berrlihe Aussicht von oben lockten die Reisenden zur Besteigung eines Gipfels an einem der Nebengletscher, nahdem man an einem sonnigen Nachmittage auf einem Schneefelde ein Lager errihtet und den ge- eignetsten Aufstieg erkundet hatte; denn der Lawtnengefahr wegen er- folgt die Besteigung am besten bei Naht. So brach man um 2 Uhr Morgens in 2 Gruppen zu je 3 Personen geteilt und mit Laternen versehen auf. Der Aufstieg war sehr steil, gemessen auf 70°, bei erster Dämmerung wurde das Frühstück im Schnee genommen und hierauf in einer sehr gefährlihen Kletterpartie dem 5500 m hohen Gipfel zugestrebt. Auch an dieser Stelle wurden wieder die grotesken Formen bewundert, zu denen der Schnee geballt war. Auf die Erreichung des höchsten Gipfels mußte indessen verzihtet werden in Anbetracht der beim Weichwerden des Schnees drohenden Lawinengefahr es gab strahlenden Sonnenschein an diesem Tage. Um 1 Ühr Mittags war man absteigend wieder im Lager. Aber der Zweck eines Aus- blickes auf die gigantische Größe des Gletshers war bei vollendeter Klarheit des Horizonts glücklich erreiht worden. Noch ein anderer Schneegipfel wurde später, unter Zurücklassung der meisten Kulis im Lager, erstiegen. Diese hatten mittlerweile an genau bezeichneten Stellen für spätere topographische Messungen Steintürme zu errihten. Auch diesmal war der Aufstieg überaus \ch{hwierig, ¿wischen zabhlreihen Eisblöcken hindurch, wobei die mitgenommenen Kulis zu \treiken sich anschickten. . In der Höhe von 5800 m wurte die Naht in Zelten verbraht und am nächsten Morgen die recht gefährliche Kletterpartie doppelt vorsichtig fortge]etßt, weil Glatteis gefallen und auf dem Grat von 60° Neigung rets und links Abgründe drohten. Endlich war der 6500 m bobe Gipfel erreicht. Des hberrlihen Panoramas konnte man aber nur für einige Minuten froh werden, weil Nebel sich einstellte, der auch den Abstieg sehr ershwerte, zumal Sturm sich zugesellte. Das Wetter, wie es bei der ersten und dann bei der zweiten Besteigung von Gipfeln in dieser Gletscherwelt erlebt wurde, ist typisch für das Himalaya gebirge. Einige Tage gutes Wetter, dann plößliher Wetterumschlag mit Sturm und Nebel, auch Schnee, auch mehrere Tage an- haltend u. \. f. in ewigem Wechsel. Am 16. August wurde zur Rückkehr aufgebrochen, vorher aber noch ein „das Ende der Welt“ genanntes Dorf besucht, das nur auf einer s{chwankenden Seilbrüccke über den tief unten raushenden Fluß hinweg zu erreichen ist. Es wurden auf dem Wege Neste von Zedernholz gefunden, was zu be- weisen scheint, daß einst Zedern auf den jeßt zumeist kahlen Felsen- bergen wuchsen. Ebenso wurden Gletschertishe von etwa 54 m Höhe und von pilzartiger Erscheinung gefunden, bekanntlich Eisblöcke, deren Abschmelzen durch den Schutz verhindert wird, den ein darauf lagernder Felsblock ihnen gewährt. Es darf \{chließlich nicht unerwähnt bleiben, daß die interessanten, die Aufmerksamkeit der Hörer in ihrem Bann haltenden Schilderungen, selbst an den Stellen, wo von bestandenen Gefahren und fühnem Handeln die Nede war, in den angenehmsten, jede Nuhmredigkeit ausshließenden, {hlichten Formen erfolgte, sodaÿ der Beifall am Schluß nicht bloß der Bewunderung für das von Herrn und Frau Workman Geleistete, sondern auch der gefälligen Form ihrer Mitteilungen galt. Die Hörerinnen mögen \ich der tapferen Geschlehtsgenossin ganz besonders gefreut haben.

Jagd. Freitag, den 21. d. M., findet Königliche Parforce- jagd statt. Stelldichein: Mittags 1 Uhr am Denkmal auf dem Hasenheidenberg.

am

Theater und Musik.

Im Neuen Königlihen Operntbeater findet morgen, Donnerstag, eine Wiederholung von „Samson und Dalila* in der bekannten Besetzung der Hauptrollen mit Frau Götze, den Herren Grüning, Bachmann, Krasa und von Schwind statt, Im Ballett des dritten Aufzuges ist Fräulein Peter sowie das Solopersonal des Corps de ballet beshâftigt. Der Kapellmeister Blech dirigiert.

Im Königlihen Schauspielhause geht morgen H. von Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“, mit Herrn Staegemann in der Titelrolle, in Szene. Den Kurfürsten spielt Herr Kraußneck, die Kurfürstin Fräulein von Arnauld, die Natalie Fräulein von Mayburg, den Obersten Kottwit Herr Pohl.

Mannigfaltiges. Berlin, 19. Oktober 1910.

Gestern nahmittag um 3 Uhr fand, wie hiesige Blätter berichten, auf dem alten Matthäikirhhof an der Großgörschenstraße die Beisezungsfeier für den verstorbenen früheren Präsidenten des Neichsbankdirektoriums, Wirklichen Geheimen Rat Dr. Koch unter großer