1871 / 72 p. 12 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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und 19 Geshüße und durch die Kapitulation von Paris am |

28. Januar 602 Feldgeshüßze und: 1357- Geschüße aus den Be- festigungen der Forts wie der Stadtenceinte. Ohne daß es jeyt schon möglich wäre, all diese Ziffern als endgültig richtige aufzustellen, erhält man als annähernde Gesammtziffer der während des siebenmonatlihen Krieges Frankreich abge- nommenen Krieg8gefangenen und Kriegstrophäen die außer- gewöhnlich große Summe von 11,200 Offizieren, 380,000 Mann, Über 6700 Geschüßen und 120 Fahnen oder Adlern,

Durch Todesfälle, Desertionen und andere Ursachen ver- änderte sid die Ziffer der Gefangenen ununterbrochen; nah dem Ende Februar abgeschlossenen Rapporte über den Nach- weis der Depots und Juternirungsorte der französischen Kriegs8gefangenen in Deutschland betrug die Gesammtsumme der Gefangenen am 19. Februar 1871 11,669 Offiziere und 363,326 Mann oder 374,995 Köpfe.

Die vorgenannte Summe vertheilt sich zunächst auf Nord- und Süddeutschland, und zwar auf ersteres mit 10,527 Offi- zieren und 296,632 Mann, von denen 28,458 Elsässer und Deutsch - Lothringer, auf die süddeutschen Staaten mit 1142 Offizieren und (6,694 Mann. Es kommen auf das Königreich Preußen 9235 Offiziere und 263,423 Mann, auf das König- reich Sacbsen 271 Offiziere und 19,707 Mann, auf das Groß- herzogthum Mecklenburg - Schwerin 30 Offiziere und 3983 Mann, auf das Großherzogthum Meklenburg-Streliß 16 Offi- ziere und 1364 Mann, auf das nördliche Großherzogthum Hessen außer Mainz 496 Mann und auf die nicht unter eige- ner Militärverwaltung stehenden übrigen norddeutshen Bun- desstaaten 975 Offiziere und 8155 Mann. Jn Süddeutschland befinden si 547 Offiziere und 39,536 Mann im Königreich Bayern, 119 Offiziere und 12,839 Mann im Königreich Würt- temberg, 333 Offiziere und 11,750 Mann im Großherzogthum Baden und 143 Offiziere und 2569 Mann im südlichen Groß- berzogthum Hessen.

Betreffs derjenigen Kriegs8gefangenen, welche in König- li preußischen Corpsbezirken internirt worden, geben wir nastehende spezialisirte Rekapitulation. Es befanden si Ende Februar in der Provinz Preußen 572 Offiziere und 21,977 Mann, von denen in Königsberg 270 Offiziere und 7020 Mann, in Danzig 197 Offiziece und 8627 Mann, die übrigen in aht anderen Orten internirt waren. Jn Pommern waren 752 Offiziere und 37,058 Mann untergebracht, davon 294 Offiziere und 21,385 Mann in Stettin und den Baracken- lagern bei Krekow und Alt-Damm, der Rest in sechzehn kleineren Städten. Die Mark Brandenburg beherbergte 612 Offiziere und 14819 Mann, davon in Spandau 48 Offiziere und 5768 Mann, 5303 Mann ia Jüterbogk und die Übri- gen in acht anderen Orten; die Städte Berlin, Pots- dam und Charlottenburg sind nicht mit Gefangenen beleat. Der Corpsbezirf der Provinz Sachsen faßte 2083Offiziere und 61 ¡249 Mann, davon in Magdeburg 526 Offiziere und 24,793 Mann, in Erfurt 385 Offiziere und 9918 Mann, in Torgau Über 8800, in Wittenberg über 4200 Mann, der Rest in 26 anderen Orten des Corpsbezirks. Jm Distrikte des Armee-Corps der Provinz Posen und Niederschlesien is die Festung Posen mit 10,173 Mann , die Festung Glogau und das Barackenlager auf dem dortigen Atüllerie-Schießplaß mit 179 Offizieren und 13,447 Mann , der ganze Bezirk mit 284 Offizieren und 23,690 Mann belegt. Der übrige Theil der Provinz Schlefien hatte 534 Offiziere und 830,725 Mann, davon 11,768 Mann in Neisse, 369 Offiziere in Breslau, die Übrigen in neun anderen Städten. Im B zirk des Armee- Corps der Provinz Westfalen, zu welchem Wesel und Düssel- dorf gebören, befanden sich 561 Offiziere und 24,508 Mann, von diesen 15,133 Mann in Wesel, 5849 in Minden, 212 Offiziere und 3125 Mann in Münster, 153 Offiziere in Düsseldorf, die übrigen an vier anderen Orten. Die Rheinprovinz zählte 2266 Offiziere und 27504 Mann, unter welchen Coblenz mit 705 Offizieren und 10,029 Mann obenan steht; dann folgen Cöôln mit 468 Offizieren und 8975 Mann, Mainz mit 415 Offizieren und 7901 Mann, Bonn mit 178, Neuwied mit 145, Aachen mit 125 Offi- d während sich der Rest auf neun mehr und fünf minder edeutende Orte vertheilt, Im Bezirk des Schleswig - Holstein- schen Armee-Corps sind 1446 Offiziere und 13,319 Mann unter- ea 668 Offiziere und 1321 Mann in Hamburg, 81 Offi- ziere in Bremen, 168 in Lübe, 304 in Altona, 5000 Mann auf der Lockstädter Haide, die übrigen in Rendsburg und einigen anderen Städten. Die Provinz Hannover hat in 10 Orten 9412 Mann und 251 Offiziere aufgenommen, von denen 990 auf Hildesheim kommen; in Braunschweig (Stadt) sind außerdem 31 Offiziere und 601 Mann, in Oldenburg (Stadt)

Mann untergebracht. Der Corpsbezirk Hessen «Nassau faßte 820 Offiziere, 4142 Mann , vön welchen erfieren 347 in Wiesbaden ; zu diesen treten endlich 1679 Mann in den Herzog- thümern Sachsen-Meiningen, Weimar, Coburg:Gotha' und im Fürstenthum Walde hinzu.

__ Aus den süddeutschen Staaten ist zu bemerken , daß das stärkste Kontingent an Mannschaften in Raftatt mit 11,456, in Ingolstadt mit 8991, in Ulm mit 8353 und auf dem Lech- felde mit fast 5000 Mann, an Offizieren in Rastatt mit 291, in Darmstadt mit 143, in Würzburg, Bayreuth und Neuburg mit je 108 und in Stuttgart mit 69 Köpfen untergebracht ift. -— Die oben angegebene Ziffer von 10,527 Offizieren und 296,632 Marn innerhalb Norddeutschlands hat fich in Folge geschehener Umänderungen vom 26. Februar bis zum 3. März auf die Zahl von 10,501 Offizieren und 295,412 Mann vermindert ; von diesen gehörten nach den angestellten Recherchen 52 Offiziere und 1652 Mann der Nationalgarde an, 645 Offi- ziere und 26,754 Mann der Mobilgarde , 8990 Offiziere und 251,849 Mann der Linie und 814 Offiziere und 15,157 Mann der Kaiserlichen Garde.

Der leßte vollständige Abschluß der Listen französiscber Kriegsgefangenen vom 26. Februar 1871 weist einen Be- stand von 10,527 Offizieren und 296,632 Mann innerhalb des bisSherigen Norddeutshen Bundes nab, von 1142 Offizieren und 66,694 Mann in den süddeutschen Staaten und von im Ganzen 11,669 Offizieren und 363,326 Mann innerhalb des Deutschen Reiches.

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Die Witterung im Kriegs8jahr 1870.*)

Neuere in den Berichten der Berliner Akademie 1870 mit- getheilte Untersuchungen haben es wahrscheinli gemacht, daß unsere Winter in drei Hauptformen zerfallen, welhe man als Früb-, Mittel- und Nachwinter bezeichnen kann, deren Anfang nabe in die Mitte der Monate Dezember , Januar und Fe- bruar fällt, und die bei ungefähr sech8wöchentlicher Dauer da- her den folgenden Monat umfassen. Für welche Form si ein bestimmtes Jahr entscheidet, wird man deshalb an gewissen Zeit- punkten am ersien beurtheilen können, und dies hat, freilich in zu beshränktem Sinne , die sonst richtige Vorstellung hervor- gerufen, daß es gewisse Zeiten in der jährlichen Periode gebe, in avelchen si die Ma für die nächste Folge entscheide. Man hat fie Loostage oder Lurtage genannî, wo man aufzu- lauern habe, um si für das Kommende vorzubereiten. Nun kann es in freili seltenen Fällen vorkommen, daß ein Winter der zweiten Klasse zu Anfang eines Jahres zusammenfällt mit cinem Winter der ersten Klasse an: Ende desselben, man hat dann zwei strenge Winter innerhalb eines bürgerlichen ahres. Dies fand im Jahre 1870 statt. |

Nach einem besonders vom 6. bis 10. Januar außer- ordentlich milden Jahresanfang sank in der zwetten Hälfte des Monats die Wärme unter ihren mittleren Werth und bereitete so auf einen Februar vor, der vom 5. bis 9. eine solche Strenge zeigte , daß in Oberschlesien Und der Grafschaft Glaß jedem Tage 16 bis 17 Grade an der ihm zukommenden Wärme fehlten. Der Februar in Claußen bei Lyck entsprach der mitt- leren Wärme dieses Monats in Archangel, Ekatharinenburç und Oreaburg, die Temperatur von Ratibor und Landeck war

die von Smolensk. Jn Bunzlau glaubte man sich nach

Moskau verseßt , Bresïau war sogar kälter. Königsberg und Conig entsprachen Ufa, Tilsit war Nowgorod geworden. Berlin hatte eine niedrigere Temperatur als Abo, Schwerin wurde Kiew, Frankfurt a. M. und Friedrichshafen am Bodensee wUr4 den Memel, Trier entsprach Posen, Canstadt bei Stuttgart hatte sih in Bromberg verwandelt, Wiesbaden fürchtete seinen Ruf als deutsches Montpellier zu verlieren, denn es war kälter als im vieljährigen Mittel das wesipreußisze Montpellier, kälter als Elbing. Ncch auffallender tritt diese Wärme-Erniedri- gung hervor , wenn wix den Zeitraum vom P Bic bis zum 19. Februar ins Auge fassen. Auf dem Plateau der masurischen Seen fehlten jedem Tage einen Monat hindurch 8 Grad, in Breslau 7, in Franffurt a. O. 6, in Berlin etwas über 5, in Frankfurt a. M. 4%, in Boppard 4, in E 3/2, in Brüssel 3, in Paris 2'/,, in Rom 1°/,, in Lissabon etwas mehr als "/,. Dieselbe Abnahme nah West hin spricht sich auch in den absoluten Eytremen aus. Dem auf der Sabine- Insel von den deutschen Polarreisenden beobachteten höchsten Kältegrad —32,4 fommf am nächsten Elverum , nördlich von Christiania in Norwegen, mit —31,2, dann Haparanda —29,4, nur einen Grad fälter als Hohwald in Mähren. Jn Schlesien war die hôchsie Kälte zwischen —21 und —24, aber sie nimmt \{neller nach West hin ab, als nach SÜd. Wien und München haben noch —16, Frankfuxt a. M. nur —12, Blois —8, Rom 3,8, Biariz —3,6, Bagdad, Athen, Perpignan etwas über 0, Palermo und Lissabon 1'/, Grad Wärme. Die Uebereinstim-

#*) Entniommen dem gleichnamigen Aufsay von Prof. Dr. H. W. Dove in »Tm neuen Reiche, Wochenschrift für das Leben des deut- cen Volkes in Staat, Wissenschaft und Kunst, herausg. von Dr, Alfred Dove. 1871, Nr. 6.

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mung des Ganges der Tempecatur mit 1865, 1855, ja auc mit 1845 ist merfwürdig , und erhält sich in Beziehung auf 1865 bis zum Juni. Der Wärme in der ersten Hälfte des Januar war im Jahre 1870 wie 1865 cine zeitweise, das süd- liche Deutschland im Dezember 1869 vorzugdweise umfassende Kälte, welche zu enormen Schneefällen Veranlassung gab, vor- hergegangen. Den entschiedensten Gegensaß zu Europa bildet Amerika. Jn South Trenton in New-York wird die Luft zu Weihnachten balsamisch mild genannt, in Zuny -Station in Virginiea pflükte man am Neujahrstage blühende Nosen im Freien. Die im Januar und Februar 1870 nach West hin abnehmende Abkühlung deutete {hon darauf, wo wir den kfompensfirenden warmen Strom zu suchen haben. »Juni im Aanuar« ist die Ueberschrift eines am 27. Januar in der »New- York Evening Post« erschienenen Artikels: »Heute«, hieß es in derselben, »ist ein Maitag oder, richtiger zu sagen, ein Junitag. Die Witterung is die auffallendste seit vielen Jahren erlebte. Südliche Winde haben in einer in dieser Jahreszeit unerhörten Weise geherrscht. Wenn es stürmt, haben wir Regen statt Scaee, jeder Sturm {loß mit Wärme, der Boden ift frei von Frost, wie sonst im Mai. Auf Long Island stehen Blumen in voller Blüthe, die Knospen der Bäume sind fast im Aufbrechen. Bleibt das Wetter so, so wird man Erbsen auf den Markt bringen zu der Zeit, wo man sie sonst säet.«

Alle Angriffe südlicher Winde, welche die kalte Luft zu ver- drängen strebten , wurden hingegen damals in Europa abge- wiesen. Jn Subiaco brach am 13. Februar ein die Wärme der Luft auf 14!/, Grad erhöhender Südost wüthend ein, ver- bunden mit einem die ganze ligurische Küste treffenden rothen Staubfall. An diesem Tage drängte in Trogen im Kanton Appenzell der Morgens beginnende Fön die kalte Luft ins Thal zurück; während um 7), Uhr das Thermometer der Station {on 4 Grad Wärme zeigte, herrschte im Dorfe noch 8 Grad Kälte, und den ganzen Tag bekämpften sich die beiden entgegengeseßten Strömungen. Häufig roar die warme Luft förmlich zwischen die kalte eingekcilt, so daß z. B. auf der Nordseite der Häuser 5 bis 6 Grad Kälte war , während zwi- {en den Häusern der sih durchdrängende Fön die Luft bei 4 bis 8 Grad Wärme wie geheizt erscheinen ließ. Aber erst am 21. Februar gelang es dem UAequatorialstrom, den Polarstrom überall zu verdrängen. Von Memel bis Palermo is dies der Tag des niedrigsten Barometerstandes / ein Tag, an welchem in Alexandria der Chamsin die Schattenwärme über 26 Grad erhob, während im mittleren Europa erst der 28. der wärmste Tag ist so daß dann das Thermometer in Ratibor 33 Grad böber steht als am 6.

Diesem ungewöhnlichen Winter folgte eine das westliche Europa umfassende fast beispiellose Troéenheit. »Wir brauchen Wasser, Wasser und es kommt nit,« wird schon im April von Blois geschrieben. Jn Montpellier fallen im Mai im Mittel 3/, Zoll Wasser, 1870 bis zum 31. kein Tropfen. »Man \priht nur von der Trockenheit , welchbe Alles in Gefahr bringt, « heißt es im Mai von Verdun. » Ieder sagt,« schreibt man an Lavallade, »auf Regen hoffend, wir werden an die Reihe kommen, aber drei Monate und mehr, und dieselbe Vorausseßung scheitert an derselben Lage, du soleil et toujours du soleil! Man fragt fi, ob die glühenden Ebenen der Sahara einen iraurigeren Anblick darbieten als unsere Kalkgehänge.« Der Himmel von Beziòres wird als »d’une beauté implacable« bezeichnet. Jn Beyrie (Landes) war im April nur ein Regentag, von März bis Juli infl. fielen 45 Linien Wasser statt 154. Von Tours schreibt man am 1. Juli: »Täglich müssen die Landleute weite Strecken fahren, um Wasser für ihr Vieh zu holen, sie selbst trinken warmes Sumpfwasser und verkaufen zu niedrigen Preisen ihr Vieh, da sie es nicht exhalten können.« »Ein Monat ohne Regen, eine afrikanishe Sonne« , so bezeihnete man den Juni in Beauficel.

__ Auch die iberische Halbinsel erfuhr diese Trockenheit. Jn Lissabon war Mai und Juni äußerst trocker. Jn dem durch

scine Regenmasse, der es seinen bekannten Beinamen verdankt, }

berüchtigten San Jago fielen 25 Zoll ftatt 165 von April bis Juni. Aehnliches gilt von England. Jn Greenwich war die Regensumme während dieser Zeit 1 Zoll, eine Menge, die so klein noch nie beobachtet wurde. Jn dem Halbjahr Januar bis Juni fielen noch nit 5 Zoll siatt 10, seit 1815, bis wohin die Beobachtungen zurückreichen, noch nie erlebt.

Unter diesen einen Mißwachs anzeigenden Witterung8§ver- hältnissen begann Frankreich den Krieg gegen Deutschland. Die am Rhein und an der Mosel im Juli intensive Wärme dauerte bis in die erste Hälfte des August , dadurch war aber die Luft so aufgelockert, daß plößlich die kühle Luft des Atlantischen Ozeans als Nordwest in sie einbrach und zu den stärtsten

Niederschlägen Veranlassung gab. Am 11. August betrug der Niederschlag in Karlsruhe 39 Linien, den achten Theil der IJahre®-

summe , in Baden-Baden und in Badenweiler 33 Linien. Jn den 1779 in Karlsruhe beginnenden Messungen ist eine so hobe Monatssumme, wie die des August 1870, nie vorgeïommen. Uehnlich auffallend große Tagessummen geben die Beobachtungen in Württemberg, 41 Linien in Großaltdorf , 39 in Schöpflo, 37 in Bruchsal, 35 in Jsny, 34 in Winnenden und Tübingen. Die hochgelegenen Stationen liefern überall bedeutende Mengen : Duscbelberg im Bayerischen Wald für den August fast 11 Zoll, Kirche Wang am Abhange der Schneekoppe im Riesengebirge 9 Zoll, Olsberg in Westfalen über 10, Ciausthal auf dem Plateau des Harzes desgleichen. Auch die Nordwestküsten Deutschlands geben relativ hohe Werthe. Erst der Sep- tember brachte“ günstigere Witterung, aber im Oktober fielen wiederum ungewöhnliche Regenmassen , so besonders in Schwaben und der Pfalz, die sich auch auf Frankreich ersireckten, obglei fie dort numerish nicht festgestellt werden können. Die dabei fortdauernde Küble wi endlich in der zweiten Hälfte des No- vembers einem kurzen Nachsommer von wunderbarer Schön- heit, gegen den die dann im Dezember einbrechende Kälte um so furchtbarer abstach, je seltener fie in dieser Intensität in Westcuropa auftritt. Jhre größte Höhe erreichte sie am Weih- nachtsfest und beim Beginn des neuen Jahres. Auf dem Kriegsschauplay machte sich dieselbe wegen deL Mangels an Brennmaterial um so fühlbarer, ibre größte Antensität fiel aber nach Thüringen, denn in Erfurt, Gotha und Mühlhausen sank das Thermometer unter 23 Grad R., während in Heiligen- stadt vom 22. bis 26. Dezember jedem Tag 14 Grad an der ibm zukommenden Wärme fehlten.

Die Haus- und Hofmarken. *)

Die Veranlassung zu dem Werk »Die Haus- und Hofmarken« von Homeyer gaben dem Verfasser im Jahre 1851 die Prozeßakten des Königl. Obertribunals über den Anspruch auf einen Kirchenstubhl in Reichenberg, welcher das Zeichen eines dortigen Hofes trägt. Diese erste Hofmarke legte den Grund- stein zu jener Fülle von Haus- und Hofmarken, die in den folgenden 20 Jahren von Homeyer gesammelï und als Material für das vorliegende Buch und die ihm beigege- benen 44 Tafeln benußt wurden. Der Verfasser sagt selbst **): »Es war die mystishe, runenähnliche Gestalt, die tiefe Verborgenheit, aus der diese der gelehrten Kunde fast fremd gebliebene Zeichenwelt nun in unzähligen, nach Zeit, Räum- lichkeit und Gewerbe zerstreuten Punkten emportauchte, die mich reizte und trieb, dem Ursprunge, der äußeren und sach- lien Verbreitung, der Bedeutung für das Recht8leben, dem O und den heutigen Ueberbleibseln sorgsam nach- zugehen. «

f; Was den Begriff der Marke betrifft, so ist er. wohl zu unterscheiden von dem eines Bildes. Ein Bild, welches eine Gestalt wiederzugeben strebt, und ?u seiner Hersiellung Arbeit und Kunst erfordert, prägt unmittelbar dem Schauenden ein, was es bedeuten will. Das Bild tann zugleich ein Sinnbild sein, wenn es uns, wie z. B. ein Adler, als Zeichen ciner bestimmten Person oder eines Geschlechts ent- gegentritt. Das frei gewählte Zeichen aber , ohne Anspruch auf getreue Nachbildung , kleidet fih in die einfachste Form und besteht aus wenigen Strichen. Ein solches Zeichen, welches {h nicht des Bildes, sondern schlichter, einem Jeden bereiter Mittel bedient, nennt man Marke. Das Kreuzeszeichen z. B. ist die Nachbildung des Holzes, an dem der Heiland litt, und als solches ein Bild, is} sodann Sinnbild der ristlichen Kirche und endlich cine bloße Marke, wenn diese Verbindung einiger Striche, ohne weitere Beziehung zum Christenthum , von einer Person als eigenes Zeichen gebraucht wird.

Die Marken vergegenwärtigen hauptsächlio Personen, welche fi eines einfachen, fie vertretenden Zeichen zu ver- {iedenen Zwecken bedienen , indem sie entweder als Vollzieher eines Willensaktes oder als Eigenthümer eines Gegenstandes, oder als Urheber und Verfertiger eines Werkes u. #. w. erscheinen wollen. Als natürlichen Entstebungsgrund dieser Art von Marken in ältester Zeit mag man annehmen, daß da, wo der Bildung8grad eines Volkes noch nicht dexart war, daß der Name als Vertreter der Person durxh die Schrift vor Jedermanns Augen gestellt werden konnte, als das zugäng- 1ichste Merkzeichen ‘die fo oder so gerichtete gerade Linie erschien, welche in unendlich viclen Zusammenscßzungen einem Stoffe aufgetragen, eingeschnitten, angehängt oder sonst damit verbun-

*®) Die Haus- und Hofmarken von Dr. C. G. Homeycr, ordentl. Professor d. Rechte, Mitg!. der K. Afad. d. Wissensch, zu Bexiin u. des Herrenhauses Mit 44 Tafeln. Berlin, 1870. Verlag der Königl. Geh. Ober-Hosbuchbdruterei (R. v. Deer). :

2%) Vorrede, S. VI.