1871 / 77 p. 2 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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Das lateinische und das deutsche Verzeichniß der Vorlesun- gen an der E Universität für das Sommersemester 1871, welche am 17. April er. beginnen , ist von heute ab bei dem Kastellan der Universität Rieß im Universitätsgebäude, ersteres für 2'/, Sgr., leßteres für 2 Sgr. zu haben. Berlin, den 13. März 1871. L S Der Rektor der hiesigen Königlichen Friedrich-Wilhelms- Universität. Bruns.

An ekommen: Se. Excellenz der General der Infanterie und General Gltvécneur im Bereich des V. und VI. Armee-

Corps, von Steinmeß, von Posen. O Ea Contre-Admiral und Marine-Stations-Chef der Ostsee,

Heldt, von Kiel.

Forstakademie Neustadt-Eberswalde. Sommer-Halbjahr 1871.

Beginn: 1, Mai anstatt des früher bekanut gemachten Termins vom 17. April, J . i

Unterrichtsgegenstände. Ober-Forstmeister Danckelmann: Geschichte des Forst- und Jagdwoesens “in Deutschland. Forfstliche Standortslehre. Forsteinrihtung und Abschäßung. Einrichtung und Abschäßung eines größeren Waldes. Forstliche Exfursionen. Forst- meister Bando: Forstshuß. Jagdkunde und Jagdverwaltungsfunde. Forstlihe Exkursionen. Dr. Kemels6: Experimental-Physik. Orga- nische Chemie und Pflanzen-Chemie. Geognosîie mit Beziehung auf Bodenkunde. Pr. Hartig: Allgemeine Botanik. Spezielle Forst- botanik. Bau und technische Eigenschaften der Hölzer. Botanische Ex- fursionen. Professor Dr. Altum: Allgemeine Zoologie. Sâuge- thiere. Ocnithologie. Zoologische Exkursionen. Professor Schnei - der: Arithinctik. Planimetrie. Trigonometrie. Planzeichnen. Uebungen im Messen und O C A S Néuhaus: Rechts- Encyklopädie und Civilrecht, L. Theil.

eitad E 1871.

Beginn: 16. Oktober.

A Len ai bine 0 eNTTade: Ober-Forsimeister OVanckel mann: Waldbau. Waldiwerthberechnung und forfilihe Statik. Foërststatistik von Deutschland. Examinatorium über Forst- und Jagdwesen. Forst- lie Exkursionea. Forstmeister Bando: Forstbenußung und iForst- technologie. Examinatorium über Forst- und Jagdwesen. Forstliche Exkursionen Kreis - Baumeister Düsterhaup t: Forstliche Bau- funde. Dr. Remel&é: Meteorologie. Anorganische Chemie und Mineralogie. Uebungen im Bestimmen von Mineralien und Ge- fieinen. ÉExaminatorium über Physik und Chemie. Dr. Hartig: Anatomie und Physiologie der Pflanzeu. Pflanzen-Pathologie und Laubhölzer im winterlichen Zustande. Anleitung zum Mikroskopiren. Examinatorium über Botanik. Professor Dr. Altum: Ento- mologie. Wirbellose und niedere Wirbelthiere. Anleitung zum Prä-

ariren (Ausstopfen 2c. 2c). Examinatorium über ZDoolcgie. Pro- ffsor Schneider: Stereometrie mit Rücksicht auf Holzmeßkunde. Analysis. Geodäsie 1. Theil.“ Examinatorium Über Geodäsie. Kreisgecichts-Rath Neuhaus: Civilrecht Il. Theil Examinatorium über Rechisfunde. es Se Rus ist zweijährig. Aufnahme von solchen Studirenden, welche sih dem Forstverwaltungsdienste in Preußen widmen wollen, findet nur bei Beginn des Sommer-Halbjahrs, Uebergang von der Forstakademie Münden und zu derselben auch im Herbste statt. ach Bestimmung des Herrn Finanz-Ministers wird das Sommer- Semesier 1870 den Studirenden, welche bis zum Beginne des Kriegs mit Frankrei die Forstakademie besuchten, nur für die Zeit von Ostern bis Pfingsien und auch nur dann auf die “erforderliche Studienzeit angerechnet, wenn dieselben durch ihre militärischen Ver- hältnisse verhindert sind, am 1. Mai d. J. zur Forstakademie zurück- ufehren. Ausnahmen von dieser Bestimmung, wozu spätere Ent- Cfitna von den Truppentheilen oder aus den Lazarethen Veranlassung geben fann, bedürfen der Genehmigung des Herrn Finanz-Minijters auf Antrag des Direktors der Forstakademie. : A6

Das Honorar für das Sommer-Halbjahr 1871 wird denjenigen Studirenden, welche die Forstakademie bei Beginn des Krieges ver- lassen haben und zu derselben gegenwärtig zurückkehren, erlassen.

Meldungen zux ersten Aufnahme oder zur R: ckehr auf die Forsk- akademie sind baldigst an den Unterzeichneten zu richten.

Neustadt-Ew., den 14. März 1871.

Der Direktor der Forstakademie. Danckelmann.

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 17. März. Se. Majestät der Kaiser und König sind, begleitet von dem Kronprinzen, den Prinzen Carl und Adalbert, geftern Abend in Weimar eingetroffen. Jn Eisenah wurden Se. Majestät von dem Groß- herzoge und am Bahnhofe in Weimar von der Großherzogin von Sachsen begrüßt. Seitens der Behörden war ein sehr eierliher Empfang veranstaltet. Der Einzug in die festlich ge- a Stadt fand unter Glockengeläute, unter dem Donner der Kanonen und unter dem jubelnden Zuruf einer zahlreichen

___ Menschenmenge statt. S : ute frü E 10 Uhr haben Se. Majestät Weimar ver-

lassen und die Reise nah Berlin über Halle fortgeseßt. Der Großherzog und der Erbgroßherzog von Sachsen begleiteten

Aw

JThre Majestät die Kaiserin - Königin war gestern in dem Lokal der National - Verloosung und in den Baracken anwesend und dinirte mit Jhren Königlichen Hoheiten dem Großberzog und der Großherzogin von Baden vei Jhrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin. Jhre Majestät wird mit Jhrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin und der Großherzogin von Baden Sr. Majestät dem Kaiser und König bis zur. Wildpark-Station bei

Potsdam entgegenfahren.

Schon seit heute Morgen hat die Haupt- und Residenzstadt in Erwartung der Rückkehr Sr. Majestät des Kaisers und Königs ihren Festtagsshmuck angelegt, namentlich in den Stadttheilen, welhe Se. Majestät vorausfichtlich durch- fahren werden. Die Ankunft des Kaisers und Königs wird heute Nachmittag 4 Uhr 15 Minuten auf dem Potsdamer Bahnhofe erfolgen, auf dessen Perron ein mit rothem Stoff drapirtes Empfangs§zelt errichtet ist. AUerlei Fahnen, deutsche 2c. Wappenschilder schmücken die Pfeiler, welche mit frishem- Grün - umrankt sind. Die Linksstraße ist Haus an Haus reih geflaggt und dekorirt; an einigen Punkten sind Guirlanden über die Straße gezogen, in deren Mitte ein großes- Banner herabweht, welches auf der einen Seite ein Tableau mit dem Adler, auf der andern Seite einen Willkommengruß trägt. Transparente, Fahnen, Büsten und Adler s{mücken die Königgräßer und die übrigen Straßen. Das Palais Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Adalbert auf dem Leipziger Plaß hat in geschmackvollster Weise seine Front mit Fahnen und Flaggen dekorirt.” An der mittleren Façade des Königlichen Kriegs-Ministeriums is} eine Sieges-Trophäe von französischen erbeuteten Waffen und Armeematerial an- gebracht, am Fuße derselben zwei kleine französische Berg- geshüße, Über ihnen und um sie Hand- und Feuerwaffen, Kürasse, Helme, das Ganze von preußischen Wassen und den Königlichen Fahnen überragt. E Aliseitig O G e Jllumination ge- troffen, die glänzend zu werden ver)pricht, | A Bevölkeeung strömt in Massen nach dem Bahnhof und den Straßen, welche Se. Majestät passiren werden, um Allerhöchstdieselben heute jubelnd zum ersten Male als Kaiser

zu begrüßen.

Der Bundesrath trat heute zu einer Sißung zusammen.

Die Stadtverordneten von Berlin haben gestern fol- genden Beschluß gefaßt: »den Magistrat zu ersuchen, sih damit einverstanden zu erklären, daß den Herren Grafen Bißmarck und Moltke das Ehrenbürgerreht der Stadt Berlin verliehen und bei Ueberreichung der hierüber auszufertigenden Urkunden denselben mitzutheilen sei, daß die Kommunalbehörden beschlossen haben ihre Marmorbüsten im Rathhause aufzustellen, und ie gebeten würden, den mit Anfertigung derselben betrauten Künstlern zur Ausführung derselben“ nah dem Leben Gelegen-

beit zu geben. «

E Nach den aus Dover hier eingegangenen Nachrichten befindet sfi S. M. S. » Arkona « auf dem Wege von Lissa- bon nah Wilhe!mshaven; auch die bisher in Cuxhaven statio-

nirten Kanonenboote » Jäger«, »Fuch8« und »Hyäne«e find nah demselben Hafen abgegangen.

Cöln, 17. März, Die englische Post aus London vom 16. März früh ist ausgeblieben.

Straßburg, 15. März. Der Königlich niederländische General-Konsul von Georgii zu Stuttgart hat zur Beförderung des deutschen Unterrichts an den Schulen des Elsaß ein Kapital von Tausend Florins mit dem weiteren Versprechen ausgezahlt, dasselbe dur jährliche Zuwendungen auf fünftausend Florins zu erhöhen, Die Zinsen des Kapitals werden alljährlich den- jenigen Schülern überwiesen werden , welche das beste Lob in der deutschen Geschichte erhalten.

Met, 15. März. Der General Graf Moltke kam gestern in A des Generals von Werder mittelst Extrazuges von Nancy Nachmittags 15 Uhr an, begab sich u. A. zur Be- sichtigung nach du Forts St. Quentin und kehrte um 5 Uhr

ancy zurü. . E im, 12. März. Der »Moniteur officiel« für das bisherige General-Gouvernement Rheims meldet die vorläufige Uebertragung der Geschäfte des Präfekten für das Ardennen- Departement an den Rath von Strenge und die des Unter- Präfekten für das Arrondissement Sedan an den Regierungs-

Se. Majestät zur Bahn.

Assessor von Bülow.

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Braunschweig, 16. März. Der Herzog hat unterm 10. d. Mts. an das braunschweigishe Bundeskontingent folgen- den Tagesbefehl erlassen : _»Nachdem uns nach einem langwierigen , blutigen Kriege der Sr tden wiedergegeben , gereicht es mir zur besoridéten Befriedizung, einen siegrei aus dem Felde zurückehrenden Truppen, welche dur Tapferkeit, Ausdauer und Hingebung im Gefecht, sowie durch Manns- pee und humanes Verhalten nach dein Kampfe, si die Anerkennung brer Führer und unserer Bundesgenossen erworben haben, meinen Dank und meine höchste Zufriedenheit auszusprechen. Die an die Fahnen der bcaunshweigishen Truppen gehefteten neuen Lorbeeren bezeugen daß die Söhne den Kriegsruhm ihrer Väter aufrecht zu er- reu, wußten, welches Bewußtsein mich und das Heimathland wit &reude und Stolz erfüllt. Unseren Täpfern, welche in treuer Hin- gebung den Heldentod starben , wird in den Herzen aller Braun- \chweiger ein dauerndes, ehrendes Andenken bewahrt werden.« Sachsen. Dresden, 16. März. (Dresd. Journ.) Der Kronprinz und die Kronprinzessin werden heute Abend 54 Uhr die Reise nah Fraunkreih antreten. Im Laufe des gestrigen Tages hat der Kronprinz mehrere Deputationen empfangen und deren Beglückwünschungen entgegengenommen. __— Auch der Prinz Georg, kommandirender General des Königl. sächsischen (XIL) Armee-Corps, gedenkt in der nächsten Zeit die Heimath auf einige Tage zu besuchen. So viel bis jeßt bekannt, wollte Höchstderselbe am 17. März in Laon (sei nem dermaligen Hauptquartiere) abreisen und dürfte Seine Königliche Hoheit, über Würzburg und Hof kommend, Sonn- ted den 19, März Vormittags mittelst Extrazuges hier ein- reffen. Der Staats-Minister Freiherr von Friesen hat si heute Nachmittag nach Berlin begeben. Baden. Karlsruhe, 16. März. Sicherem Vernehmen zufolge hat die badische Felddivifion den Befehl zum Rük- marsch in die Heimath erhalten und werden einzelne Truppen-

theile zu Ende dieses oder zu Anfang des nächsten Monats in |

ihre Friedensgarnison einrücken.

fWrttemberg. Stuttgart, 16. März. (W. T. B.) Der württembergischen Feld-Division ist die Aufgabe zugefallen, das ôstlih der bisherigen Aufstellungslinie bei Paris und in zweiter Linie gelegene Departement der Marne mit den Städ- ten Rheims, Epernay, Chalons und Vitry le ¿5rançgais zu be- segen. Die Division wird am 18. d. in ihren neuen Kantonne- ments cingetroffen sein. Die crste Feld-Brigade beseßt die Linie Epernay-Chalons-St. Menchould, die zweite Feld-Brigade Rheims und Umgegend, die dritte die Linie Sezanne-Viry- le Frangais-Blesmes. Das Hauptquartier der Division koramt nach Epernay.

__Vayer#. München, 16. März. Einem Befehl des Königs zufolge führt das 6. bayerische Infanterie-Regiment König Wilhelm von Preußen fortan die Bezeichnung » Kaiser Wilhelm, König von Preußen.«

17. Mâárz. (Tel. Dep. d. St. A.) Die »Korrespondenz Hoffmann« meldet: Die Aufhebung der Festungseigenschaft des Plaßzes Landau ist vom Könige genehmigt.

Desterreih-ingarn. Wien, 15. März. Der Kaiser und die Kaiserin sind gestern nach Ofen abgereist.

Die Prinzessin Wilhelm von Schaumburg-Lippe, geb. Prinzessin von Anhalt, wurde am 13. d. M. auf Schloß Ra- tiborig in Böhmen von einem Prinzen glücklich entbunden.

Im Herrenhaus theilte der Unterrichts-Minister heute die Zurückziehung des Geseßentwurfes, betreffs der Organisation der Universitätsbehörden und der Erwerbung des Doktorgrades mit. Das Herrenhaus nahm in zweiter Lesung die Gesetent- würfe, betreffend die Fideikommisse, die Erprobung der Dampf- kessel und die Maß- und Gewicht8ordnung (Einführung des metrischen Maßes und Gewichtes) an. ;

In Wiener - Neustadt und Iglau sind die deutschen Sieges- und Friedensfeiern- verboten worden. In Linz fand am 15. eine großartige Sieges§feier statt.

P esth, 15. März. Ja der Unterhaus sißung inter- pellirte Julius Schwarz den Kultus-Minister, ob und inwie- fern er gegen die Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogmas das Placetum regium geltend machen wolle? Der Finanzaus\{Uß reichte das Budgetgeseß ein, Hierauf wurden verschiedene Re- ferate desselben Ausschu}ses verlesen und angenommen.

Schweiz. Bern, 16. März. (W. T. B.) Die Kom- rinifsion zur Revision der Bundesverfaässung hat beschlossen, ein obligatorisches Referendum in dem Gebiete des Civil - und Kriminalrechtes, ein fafultatives Referendum für alle anderen Fragen prinzipiell einzuführen. Die Frage der Initiative wurde auf mergen vers{oben.

Frankreich. Paris, 15. März. Jn der Sizßung der Nationalversammlung, in welcher über die Annahme der &riedenspräliminarien entschieden wurde, äußerte sich der Chef der R Herr Thiers, über die Lage Frankreichs wie folgt :

»Der Krieg hat zwei Perioden gehabt: zuerst die, welche auf die berüchtigte Kriegserfklärung. folgte, und dann die Beke man De 4. September (nach der Erfläcung der Republik). JTch will über Niemand richten, will Niemand verurtheilen. Jch- bin überzeugt, daß Jeder gethan hat, was in seinen Kräften sand. Was mi betrifft, so habe ich mit jenen beiden Perioden nichts zu thun gehabt; wenn der Krieg keinen glüclihen Verlauf genommen hat, so kann man weder mi, noch meine Kollegen, welche mir die Versammlung seit einigen Tagen zur Seite gestellt hat, dessen anfklagen.

Als ich unterhandeln mußte , fand ich die Uebergabe von Sedan, von Meß, von Paris vor, fand die Armeen zerstreut, weiche der Hauptstadt zu Hüife eilen sollten, es- aber nichi vermochten.

Ih habe die Unterhandlungen mit allem Patriotismus ¡ dessen ich fähig war, geführt. Jh habe mik allér meiner Kraft Tage lang gekämpft. Jch hade niht mehr thun können, als ih gethan habe. Glauben Sie bessere Bedingungen erlangen zu können, \o schickèn Sie andere Unterhändler; Sie werden mir einen großen Diensi damit erweisen. Sie werden mich von einer drückenden Last befreien. Wenn Jeinand glaubt, noch militärische Hülfëquellen zu haben, so komme er her, und lege sie uns dar.

Sprechen Sie niht von Ehre gegen Leute, die ebensoviel Ehre haben wie Sie, welche dieseibe aber nicht darin finden, das Wohl thres Landes auf's Spiel zu seßen, um einer fal\shen Popularität willen.

Ih für meinen Theil zweifle niht an der Mat meines Landes, wenn ich sage, daß wir jeßt nicht mehr kämpfen können. Nein, ich zweifle niht an Frankrei{s Macht, und der Feind, den wir vor uns haben , zweifelt ebensowenig daran Wenn er einen so großen Theil unserer Reichthümer fordert, so thut er das eben nur in derx Hoffnung, uns zu s{wächen. An ¿rankreich zweifle ih also nicht. Ja j dieje Macht unseres Landes is mein Trojt in unserm heutigen Schmerz. Gewiß, ich glaube an seine Zukunft. Ja gewiß! ich glaube daran; aber unter dér Bedingung, daß wic endi:ch Vernunft anneh- men , daß wir uns nicht mehr mit Worten abspeisen , sondern daß wir zu den Worten Thaten fügen, und daß wir niht nur Vernunft, sondern auch den Muth der Vernunft haben.

Ih zweifle nicht an Frankreihs Macht, aber ich zweifle an seiner heutigen Organisation. Seine militärische Organisation is gebrochen ; das ist das Geheimniß seiner Schwäche.

Warum ist dieseOrganisation gebrochen worden? Als man dieThor- beit begangen hatte, im vergangenen Monat Juli den Krieg zu erklären, da habe ich vom ersten Tage an gesagt, daß ¡Frankreich nicht vorbereitet sei. Wie konnte man Jnfanterie - Regimenter von 13 1400 Mann Effektivstärke in acht Tagen zu 3000 Mann starken Kriegêregiinentern

Machen? Das war unmöglih. JTch habe damals zu den Ministcrn

gesagt: »Stellen Sie mich dem Kriegs - Minister gegenüber und i werde ihm beweisen, daß Sie nit vorbereitet sind, daß Sie es nicht sein fönnen.«

Sie wissen, was geschah. Um die Vollzähligkeit herzustellen, mußte man statt eines Regimentes zwei \{icken; das beißt, man mußte, um mich so aus8zudrücken, die Cadres ohne Soldaten schicken, was ohne Beispiel in der Militär-Organisation war. Jch habe es allen Mächten wiederholt : ¡zranfreich war dasselbe, was es immer gewesen war; aber seine Organisation war durch die Unklugheit und Uner- fahrenheit der gefallenen Regierung zerstört worden. -. :

Man führte also den Krieg mit leeren Cadres. Und was ge- haß? Von 120 Regimentern wurden 116 bei Sedan und Mey zu Gefangenen gemacht. Jn Folge dessen wurde man gezwungen, den Krieg ohne Cadres, ohne See fortzuseßen, mit tapferen Soldaten der Feind selbst hat ihre Tapferkeit mir gegenüber anerkannt —; aber Soldaten ohne Organisation, ohne Offiziere können tapfe1 sein ; fie bilden darum noch keine Armeen. Diejenigea, welche das nicht einschen, können höchstens ihr Land preisgeben, wenn sie die Leitung seiner Angelegenheiten Übernehmen.

Merken Sie wohl! man kann nicht plößlich Armeen schaffen. Se!bst die Revolution, auf welche man so oft hinweist, hat nickcht plôöglich Armeen geeschaffen. Sie führte einen ersten Krie mit einem Mann von überlegenem Geist; den ein glülihèr Qufa ihr zugeworfen hatte, mit dem General Dumouriez, aber er führte die alte Königliche Armee. Mit dieser Armee hat die Revolution ihre ersten Siege davongetragen. Später waudte \sich die Sache ¡ange Zeit, bis zu dem Augenbli, wo sie endlich wirkliche Armeen schaffen konnte. ;

J will nicht etwa Frankreihs Schwäche vor Jhnen vertheidi- en: ich sage nur, daß unsere Organisation gebrochen ist und daß Sie

ieselbe niht in einigen Tagen wiederherstellen können. Jh wieder- hol: nit Frankreich ist gebroen und ohnmächtig, sondern nur seine Organisation is durch eine Unfiugheit ohne Gleichen vom Beginn des Krieges an vernichtet. S : N

Frankreich konnte zu allen Zeiten eine, zwei, drei Armeñ uf stellen. Diesmal is ihm das nicht gelungen, weil man den Krieg nur mit Cadres führte, und weil es nachher keine Cadres mehr in Frankreih gab. So muthig die Bauern, die Bürger auch sein mögety wein sie den Krieg nicht verstehen, sind sie keine wirklichen Soldaten. Der Beweis liegt in unseren leßten Niederlagen vor uns. Es waren tapfere und geshickte Männer: der General Faidherbe, der General Chanzy, der General Bourbaki; und troßdem, welche Resultäte háben fie erreiht? Es is nicht ihre Schuld, ihrem Talent und ihrer Energie lasse ih Gerechtigkeit widerfahren.

_Nicht weniger wahr is es aber, daß die Armee des General Faidherbe zerstreut und in die festen Pläye even worden ist; daß der General Bourbaki, der das Unglück seiner Armee nicht überleben wollte und der es nur wider seinen Willen überlebt hat; gezwungen wurde, seine besiegte Armee der Schweiz zu überliefern; ohneseine Schuld; und daß sogar General Chanzy sich zurückziehen mußte.

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