1871 / 102 p. 6 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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Nichtamtliches.

Franfreich. Paris, 13. April, Abends 10 Uhr. (W. T. B.) Die Kanonade hat heute Abend aufgehört, ab- gesehen von einigea vereinzelten Kanonenschüssen.

Eine Proflamation der Kommune löst das 1,, 5., 12., 13, 14,, 11, und 171. Bataillon der Nationalgarde wegen ihres Uebelwollens und ihrer feindseligen Haltung gegen die Kom- mune auf. Dieselben werden sofort reorganisirt werden. Jeder, der sich weigert, der Kommune in der Nationalgarde ferner zu dienen, soll entwaffnet und, wenn sonstige Veranlassung dazu vorliegt, verhaftet werden. Die Kommune verbietet aus- drücklich, eine andere Fahne aufzupflanzen, als die rothe.

Einer Mittheilung des Generals Cluseret zufolge sollen die Soldaten, welche der Kommune nicht dienen wollen, zu den Arbeiten bei der Ausbesserung der Encéinte und der untcr- brochenen Eisenbahnstrecke nah Lyon herangezogen werden. Delegirte der Kommune haben heute vershiedene Waaren- Niederlagen besichtigt, um eine allgemeine Aufstellung der in denselben vorhandenen Artikel zu bewerkstelligen. Die Kom- mune hat heute Abend durch öffentlichen Anschlag verkünden lassen, daß alle Angriffe der Versailler zurückgeschlagen feien ; der Erfolg sei ein vollständiger; die Positionen des Feindes, welcher sih. nur schwach vertheidigt habe, seien genommen.

14. April. Ein Bericht Cluserets an die Kommune meldet: Die Lage bei den Forts im Süden und an der Ver- theidigungélinie von Montrouge bis la Muette ist sehr befrie-

digend. Die auf dem Trocadeco errichtete 24pfündige Batterie

erreicht mit ihrem Feuer die auf dem Mont Valérien befind-

lichen Gebäude. Es herrscht vollkommene Ordnung. Point du jour, Vanvres und Montrouge sind in gutem Zustande. |

Seitens der Versailler Truppen werden dieselben Dispositionen getroffen, wie seiner Zeit von den Deutschen. Jhre Infanterie ist wenig zahlreih und dürfte der von ihnen geleistete Wider- stand unsere Kräfte nicht übersteigen. Die der Kommune befreundeten Blätter melden: Während der Nacht und heute Morgen wurde der Kampf bei Neuilly und Asnières fortgeseßt, ohne daß die Situation beider Theile sich erheblich geändert hätte. Das Feuer des Mont Valórien gegen Neuilly is fast gänzlich eingestellt, da für die Besaßung die Gefahr vorhanden is , die eigenen Truppen ebenso zu treffen, wie die Föderirten. Die Truppen von Versailles haben gestern Abends den der Brücke zunächst gelegenen Theil von Neuilly beseßt, auch stehen dieselben auf der Ile de la grande Jatte gegenüber von Villiers. Die Föderirten suchen die Versailler Truppen über die Seine nach Courbevoie zurückzudrängen und haben ihre Vorposten im Bois du Boulogne aufgestellt, wäh- rend einige Bataillone die auf der Jle de la grande Jatte be- findliche Abtheilung des Feindes in Schach halten. Die Brücke, welche die Jle de la grande Jatte mit der Halbinjel von Genevilliers verbindet, wird von einec von den Föderirten bei Moulins des Couronnes errichteten Batterie bestrichen. Wie es heißt, erwarten die Versailler Truppen Verstärkungen von Longhamps und Surenes, um ihren rechten Flügel zu degagiren. Auf der Südseite der Stadt nihts Neues. Man erwartet noch immer einen Angriff. Es sind beträchtliche Streitkräfte zusammen- ezogen , um denselben zurückzuweisen. Heute hat im Hotel hiers’ eine Hauzsuchung stattgefunden; die vorgefundenen Papiere wurden mit Beschlag belegt, das Silberzeug in die Münze gesandt. Nationalgarden hälten das Hotel besezt. Die Kommune läßt in den Kirchen sorgfältige Durhsuchungen vor- nehmen ; in mehreren Fällen wurden die silbernen Geräthschaf- ten in die Münze gebracht. |

An die vorstehenden Telegramme reihen fich folgende telegra- phische Mitth: ilungen englischer Blätter :

Der »Times« wird aus Paris unterm 12. April gemeldet: Die Herren Adam und Bonvalet sind nah Versailles gegangen, um wo möglich eine Versöhnung auf den von der republifa- nischen Liga angenommenen Grundlagen zuwege zu bringen. Seit 6 Uhr heute früh werden Clichy und Asniòères vom Mont- martre aus mit schweren Geschützen, den schwersten, -roelche die Insurgenten besißen, beschossen. Die Verhaftungen dauern fort. Die Kommune hat ein Dekrxet erlassen, um die Disziplin unter den Nationalgarden wieder herzustellen. Um 8 Uhr, gestern, am 11., Abends, machten die Versailler Truppen einen Angriff auf die südlichen Forts. 15,000 Mann Gens8d'armen und päpst- liche Quaven hatten sich tags8über iin Gehölz von Meudon angesam- melt; nachdem aber diesManöverentdeckt, stellten die Aufständischen 80,000 Mann innechalb der Linie der Forts auf. General Eudes, welcher das Kommando hatte, ließ den ¿Feind bis nahe an's Glacis von Fort J}sy herankommen und trieb ihn dann mit starken Verlusten durch ein Kreuzfeuer von Jy und Montrouge zurück. Innerhalb der beiden Forts-wurden- nur vier Mann getödtet. Um 6 Uhr heute früh begann dann eine heftige Kanonade

längs. der ganzen Linie von Chatillon bis zur Porte St. Ouen! Das Bombardement des Thores von Maillot dauert mit ge- steigerter Heftigkeit fort, die ganze Nacht üder feuerten die Batterien von Courbevoie auf Asnières und die Batterie Nr. 50 an der Avenue des Ternes, um Bresche zu legen; bei der Morgendämmerung nahm das Gewehrfeuer in der Rich- tung von Colombes und Asnières seinen Anfang. Die Kämpfe der Insurgenten am heutigen Tage find im Nord- westen nicht ohne Erfolg für dieselben gewesen: eine 3000 Mann starke Gensd’armerie-Abtheilung von Cour- bevoie, welche gegenüber dem Château d'Asnières die Seine überschritten hatte, wurde dur eine Flankenbewegung vollständig vom Rückzuge abgeschnitten ; sie suchte Zuflucht in den Häusern von Neuilly und Villiers, und unterhielt von diesen aus ein unregelmäßiges Gewehrfeuer , während die Bat- terien von Montmartre sich bemühten, die Werke von Cour- celles zuii Schweigen zu bringen. Dombrowski erklärte, Neuilly; Villiers und Euteaux bei der ersten Gelegenheit vollständig niederbrennen zu wollen, da Häuser und Bäume keine Ueber- sicht über die Beroegungen des Feindes zulassen. Die Forts Ifsy und Vanvres seßten den Kampf mit den Anhöhen von Chatillon und Meudon fort. Anderseits dauerte das Bombar- dement der Potte Maillot mit Heftigkeiï an. Am Ende der Champs Elysóées find viele Bomben niedergefallen.

Aus Versailles wird unterm 12. April der »Times« ge- meldet: Während das Bombardement von Montmartre einer- und den Forts der Jusurgenten andererseits ziemlih schwach war, rückte eine Jafanterie-Abtheilung der leßteren, von Artil- lerie unterstüßt, in der Mitte der Nacht auf das Dorf Clamart vor und unterbielt länger als eine Stunde ein starkes Gewehr- und Geschüßfeuer; da die Versailler Truppen dasselbe nicht er- widerten , so geriethen die Bewohner von Clamart und Um- gegend in großen Schrecken; die Behörden geben vor, es sei cin Theil ibres Planes gewesen , daß die Truppen das Feuer der Aufständischen nicht beantworten scllten , und dieser Plan sei vollständig gelungen , denn auch nicht ein einziger Mann sei verwundet worden. Die Ernennung Mac Mahons zum Ober- Kommando hat den erwarteten Erfolg bisher nicht gehabt. Thiers will Nichts dem Qufalle überlassen und keinen entschei- denden Schritt gutheißen bis die Armee von Versailles um weitere 50,000 Mann verstärkt ist. Der Generalstab dex Na-

tionalgarde von Paris wird in Versailles aufs Neue orga-

nisirt.

yDailyy News®« läßt fich aus Paris vom 12. d, melden: Gestern Abend war ganz Paris in großer Aufregung in Folge des nächtlichen Angriffes, welchen die Truppen von Versailles gleichzeitig gegen den Westen und den Süden der Stadt machten, Die Truppen hatten 30 neue Geschüße schweren Ka- libers bekornmen und erprobten dieselben gestern Abend zum ersten Male. Der Hauptangriff war gegen Fort Vanvres ge- richtet, aber man muthmaßte, daß derselbe cine ernstlichere Be- wegung gegen die Porte Maillot verdecken sollte. Wenn den Berichten der Kommune Glauben zu schenken , so isi der An- griff auf allen Seiten fehlgeschlagen; eines dieser Gerüchte behauptet sogar, daß Paris jeßt Seitens der National-Bersamm- lung keinerlei Angriff mehr zu fürchten habe. Mehr oder weniger dauerte die Kanonade die ganze Nacht an, und heute Morgen wurde fie mit erneuter Heftigkeit wieder aufgenommen. Der Hauptzielpunkt der heutigen Kanonade war die Porte Maillot, welche von den Geschüßen des Mont Valörien eingeschossen wurde. Die Kommune behauptet, in Neuilly etwas weiter vorgerückt zu sein und jeßt den südöstlichen Theil dieses Dorfes beseyt zu halten. Auf dem Marsche von Choisy-le-Roi süd- wärts ift eine Abtheilung Nationalgarden zurückgetrieben wor- den ; die Versailler Truppen haben die Bahnlinie nah Orleans unterbrochen.

»Daily Telegraph« berichtet aus Versailles unterm 12. d, M.: Der Handstreich innerhalb und außerhalb Paris ist auf heute Abend verschoben worden. Mac Mahon wird ihn selber leiten. In der Avenue de Neuilly- haben die Truppen eine Barrikade errichtet, von welcher aus sie die Porte MaiUot beschießen ; an Stelle der leßteren exrichten die Jnsurgenten eine Barrikade. Weiter aus:

Paris, 12. April. Nie seit Beginn der Belagerung war die Kanonade so laut, roie gestern Abend. Das eigentliche Ge- feht begann um 11 Uhr, wo die Besaßung von Jy und Vanvres die’ Versailler Truppen gégen die Laufgräben zwischen diesen Forts vorrücken sahen. Die Insurgenten ließen sie bis auf hundert Meter herankommen, seßten aber ihre Mitrailleusen in Bereitschaft und gaben dann im rechten Augenbli eine \chreckliche Salve gegen den vorrückenden Feind. Das Gemegel war furchtbar, und einen Augenblick lang schienen die Gräben von jedem weiteren Angriff verschont zu bleiben. Allein die Versailler Truppen sammelten sich bald wieder und rückten aufs Neue vor. Der nämliche Angriff wiederholte fich, blieb

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aber eben so fruchtlos wic der erste. Nicht weniger unglücklich waren die Truppen in Neuilly , wo sie na heftigem Gefecht zurückgetrieben wurden. E j

_ Der Aufstand in der algierischen Provinz Constantin ist nach den neuesten Depeschen vollständig unterdrückt, Bu-Bezray hat sich unterworfen und seine Gums entlassen. Ob e E der Provinz-Oran der Aufstand zu Ende is, wird nicht gesagt.

Versailles, 14. April, Morgens. (W. T. B.) Die »Agence Havas« versendet folgende Depesche: Heute Morgen begann wiederum eine heftige Kanonade; gleichzeitig entspann sich bei Asnières ein Gefecht, welches jedoch, soweit bis jegt ersichtlich, keinc bedeutenderen Dimensionen angenommen zu häben scheint. Die Behauptung der Pariser Journale, daß die Insurgenten das Dorf Neuilly und die dortige Brücke genom- men hätten, wird von offizieller Seite für unbegründet erklärt. Bei Clamart fahren die Insurgenten fort, ihre Munition zu verschwenden, jedoch ohne jeden Erfolg.

Die Nationalversammlung hat das Munizipalgeseß mit 499 gegen 18 Stimmen angenommen. Hier eingetroffe- nen Nacebrichten zufolge hat der. von Asnières bis Neuilly stattgefundene Kampf bisher zu keinem Resultate geführt. Auch son wird vom Schauplaße des Kampfes Nichts von Bedeutung gemeldet. Bedeutende Streitkräfte sind gegenwärtig zusammengezogen und lassen einen entscheidenden Kampf als nahe bevorstehend erscheinen. Die Truppen sind vom besten Geiste erfüllt. 2 |

Das» Journal officiele vom 9. d. Mts. veröffentlicht einen Rückblick auf die Ereignisse in Paris seit dene 18. März, welcher das Treiben der Aufständischen scharf verurtheilt. Jn demjelben heißt es u. A.: :

Die Lage Franfkreihs ermächtigte vor kaum einem Monat zu den trôilisten Hoffnungen. Beim Heraustreten aus einem Abgrund von Nebeln befanden wir uns im Besiß con drei Gütern, die zu g!eich-r Zeit zu besiß-n den Völkern nur selien gegeben ist, nämlich der Freiheit, des Friedens und der politischen Weitheit, Eine im Ausland dur die {nelle Zustimmung der europäishen Mächte be- günstigte Regierung arbeitete mit Eifer an der Heilung der Unglücksfälle des Firicges. Eine aus der Elite aller Parteien bestehende Verjammlung zeigte sich geneigt, neben einander in jenêm Geist der Tran®kaktion und der gegenseitigen Konzessionen zu leben , welcher, gewöhnlich die leßte Frucht einer langen Anwendung freier Jnstitutionen, sich diefes Val dur die einzige Kraft des Patriotismus von Anfang an verwirklicht fand. Die Jundustrie und der Handel über die Zukunft beruhigt, durch einen langen Stillstand angeregt, nahmen ihren Aufs{hwung; eine immense Geschäftsbewegung nahm ihren Anfang, bei welchck er man hoffen konnte, Daß die Agiotage nit allen Antheil haben würde. Und da es nicht möglih ist, daß eine Nation alle diese Zeichen der Lebensfähigkeit , des Woblstzndes und des gesunden Menschenverstandes fundgiebt , ohne daß es ihre Nachbarn bemerken, so fand sich Frankreih ungeactet des Verlu?es von zwei Departe- ents doch noch groß. Die Sympathie der Völker, sein Ansehen bei den Regierungen kam wieder.

Da 1oar es, daß aus einer Thatsache, deren Ernft zuerst der Be- völkerung entging und die nur ein einfacher Zwischenfall ohne Trag- weite zu sein \ch{ien, die Krisis entsyrang, die wir durchs{chreiten. Man wußte, daß die Nationalgarden von Belleville und Monmartre sich weigerten , dem gemeinschafilihen Depot die zukünftig unnlißen Ka- nonen zurückzugeben, welche während der Belagerung durch Subsfkcip- tion der Regierung der nationalen Vertheidigung angeboten wörden waren, Das VBublikum begriff diesen unvernünftigen Eigensinn nicht; es war versucht , darin eine Kinderei zu sehen ; etwas wie eine Art von Soldatenspielerei. Jndeß wurde der Hügel Montmartre mit diesen Kanonen bepflanzt, über weldche Schildwachen wachten, die auf genaue Weise abgels| wurden , die, eine strenge Parole vor- {übe nd, den Neugierigen den Zugang absperrten und die Cirkulation in den benachbarten Straßen untersagten. Ein ganzes Viertel fand ih so na und nach dur die Wirkung einer Ait von Sequestration von dem Rest der Hauptstadt getrennt. Man begriff alödann , wes- halb am Tage vor dem Einmarsch dex Preußen in die elysäishen rFelder die- Bewohner des Faubourg Belleville ihre Straßen verbarri- fadirt hatten, obgleich sie wußten , daß die Preuß?:n nicht dort hin- ommen ollten, Man sah das Band , welches alle diese Thatsa&hen vereinigte. (

Fust zu gleicher Zeit erfuhr man, daß si durch Wahl ein Komite konstituirt hatte, welches eine gewisse Anzahl von Nationalgarden- Bataillone unter seinen Befehlen hatte. Man liest niht ohne Er- staunen die Profklamationen dieses Komites, das, indem es sich selbst den Namen Föderation gab, seine Absichten demaskirte, und die weniast Klarsebenden wurden gewahr, daß sih in Paris auf geheime Weise eine revolutionäre Regierung organisirt hatte, welche der legalen und nationalen Regierung die Spiße bieten wollte.

Nachdem man den Secessionisten- die Zeit gelassen, zu überlegen, \sich zu unterwerfen, hielt es die Regierung, den Forderungen der öffentlihen Meinung nachgebend, für nothwendig, diesem Räthsel ein- Ende zu machen. Man weiß, was daraus erfolgte, und wie ein Plan s\cheiterie, den man gemacht, um Paris den Frieden mit Sicher- heit zurückzugeben und den Bürgerkrieg zu vermeiden. Man sah als- dann, was hinter diesen Känonen und Barrikaden verborgen war. Man fand \ich einer ungeheuren Verschwörung gegenüber, die seit lan- ger Zeit unter der Begünstigung eines 6monatlichen Krieges ausgearbeitet vorden war, der ihr gestattet, alle Hülfsquellen und alles Kriegshand-

werkszeug anzuhäufen, indem sie die Kunst lernte, dasselbe zu hand- haben. Vorbereitet und geübt in den kleinsten Einzelbeiten , übe“ sprang fie in ihren Verhäl-nissen alles, was man bis dahin in dek Geschichte gesehen hate. Die Jnsurrektion, die nur einen Angriff er” wartete, um si zu enthüllen, stürzte von den Höhen des Montmartre herah wie ein aus seinen Ufern getretener Wildvach und überschwernmte zuleßt die ganze Stadt mit Ausnahme einiger Juseln (des 1, 2 und 9, UArrondissements).

Die Regierung , welche die Stipulationen des Friedensvertrages - für die Vertheidigung der Gesellschaft auf eine ganz unzureichende Macht reduzirt hatten , befand sih beinahe entwaffnet. Sie glaubte, daß, da sie Paris nicht in ihrer Hand bewahren fonnte, sie um jeden Preis Frankreich bewahren müßte. Sollte selbst. dort cin Konflikt statifinden, so vermied sie der Hauptstadt die Schrecknisse und die Gefahren eines Straßenkampfes. Die Verlegunz der Versammlung na Versailles rvar die Wirkung einer weisen Taktik, welche das Ereigniß gerechfrtigt hat. Während in dem Palast, auf dessen Haupteingang man liést: »A toutes les gloires de la Francte«, die Versammlung Franfkreichs mit ihrer gewöhnlihen Regelmäßigkeit geführt wird und die Ver- sammlung, lebtes Lsyl unserer franzöfishen Nationalität, für ihre Sizßungen eine vollkommene Ruhe genießt, verendet in ihrem Friumphe die in Paris belagerte, der Posten und Telegraphen beraubte Jnsur- rektion. Lyon, Saint Etienne, Toulouse, Marseille, die èinen Augen- blick lang erzitterten, sind zu ihrem arbeitsamen, friedlichen und frucht- bringenden Leben zurücgekehrt.

Aber in Paris entfesselt sih frei die sich selbst Überlassene Jnsur- rektion, und durch das, was fie aus der Hauptstadt macht, zeigt fie, ras sie aus Frankreich machen wollte. Ein Versu zur Versößnung, von einigen Pariser Maires und Deputirien- gemacht, hat na frücht- losen Besprehungen nur damit geendet, die lezten Viderstandslemente, welche in dieser Stadt besianden, zu desorganisirea und aufzulösen. Die von diesen Unterhändlern, welche aufrichtig waren , haben ihren Plaß in der Versammlung wieder eingenommen oder haben sich nah Poris zurüdcgezogen; die andern haben ihre geheime Zuneigung da- dur verrathen, daß sie Partei für die Jnsurgenten nahmen. Zuerst vom CLentralkomite, einer Art von militäris{ - distatorcis{hem Rath, geleitet, suchte die Jnsurrektion sich dur Wahlken ; teren Resultat die Kommune war, geseßlih zu maen. Diese ohne Reck ohne Listen, ohne Ueberwachung und ‘obne irgend eine Garantie yor- aenommenen Wahlen führten zur Wahlurne nur einen unbedeutenden Theil der wahlberechtigten Bevölkerung. Ein Theil der Erwähiten hot selbst nicht einmal den achten Theil der Wahlstimmen erhalten. Einige sind nicht-naturalisirte Ausländer und 18 Mitglieder auf 92 haben bereits ihre Entlassung gegeben. Kaum fkonstituirt , hat die Kommune, der gegenüber immer das Central-Komite , welches \sich nicht auflôsen wollte, besteht, ihre Gewalten einer Exekutivkommission v:n fünf Mitgliedern übergeben.

Wenn man dur alle Gewaltthaten hindurch versu{t, heraus- zubringen, welches der Beweggrund war, den man für diese Rebel- lion angab, fo findet man mehrere: sie hat es nur zu gut verstanden, die Volksleichtgläubigfeit mit Worten abzuipeisen; sie hat auf ihre rothe Fahne eingeschrieben: 1) Revision des Geießes über die Verfallzeit ; 2) ein Geseß Über die Miethen ; 3) die Gemeindefreiheit für Paris; 4) Befürchtung einer monarchischen Restauration. Wenn so der wirkliche Qwek der Jnsurreftion gewesen wäre, so würde der Bürgerkrieg unnöthig gewesen fein, um ihn zu erreichen. Die Nationalversammlung hatte den ersten Punkt bewilligt, den zweiten versprochen, ein Geseh über die Gemeinden disiutirt. Selb| zugebend, daß die von der Veïsamm- lung angenommenen Lösungen Einigen nicht ausreichend erschienen wären, so leben wir unter einem freiheitlihen Regime, welches Jedem alle möglichen Mittel giebt, um seine Mitbürger auf friedliche Weise zu seiner Meinung zu bekehren. Um die Männer der Kommune: in ihrem wahren Lichte zu sehen, um genau zu wissen, was sie wollen, muß man das, roas jie sagen, weniger in Betracht ziehen als das, was sie thun. Es is genug, um zu beweisen, daß ihre Forderungen

und ihre Absichten, ihre Sprache und ihre Handlungen nichts aemtin

mit einander haben; zwischen ihr und dem, was man eine politische Partei nennt, ist keine Aehnlichkeit.

Die Bewegung, welche in Paris ausgebrochen, hat in si keine einzige Idee. Sie ist aus cinem unfruchtbaren Haß gegen d'e soziale Ordnung entstanden. Es ist die Wuth, zu zerstören, um zu zerstören.

Dasselbe Blatt publizirt ein vom Präsidenten der Nationalversammlung, Herrn Jules Grévÿ, und vom Chef der Exekutivgewalt der französischen Republik, Herrn Thiers, unterzeichnetes Gese, das in der Sizung - der Nationalversammlung zu Versailles am 4. April d. I. berathen und angenommen worden ist. Dasselbe besteht aus drei Paragraphen; der erste hebt das von den Delegirten der Regierung der nationalen -Vertheidigung zu Tours ; am 17, Oftober 1870 gegèbene Dekret , betreffend die Wahl von Mitgliedern der Handels-Tribunale, auf. Der zweite bestimmt, daß die zur Zeit in Thätigkeit stehenden Richter bis zu den nun näher festzustellenden Wählen in derselben verbleiben sollen. Im dritten Paragraphen wird gestattet, im Falle inkretender Vakanzen die erledigten Stellen vorläufig aus den“ Beamten des gleihen Ressorts nach Stimmenmehrheit zu beseßen.

Statistische Nachrichten.

Das Central-Bureau des Deutschen ZcUvereins hat kürzli cine Vergleichung der gemeinschaftlichen ZöUeinnahmen für das-Jahr 1870 mit denen des Vorjahrs aufgestellt. Nach derselben belief sich der Brutto-Ertrag an Ein- und Ausganosabgaben im J. 1870 auf überhaupt 28,509,401 Thlr. oder 22,33 Sgr. für jeden Kopf der Zollvereinsbeyölkerung, gegen 26,674,365 Thir, oder 20,60 Sgr

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