1890 / 277 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 17 Nov 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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Der über die Auseinanderseßung aufzunehmende Rezeß unterliegt der Prüfung und Bestätigung A Kreivauss{usses.

Auseinanderfet ungsverfahren (§. 95) Streitig- Leib danliber, a mi einem Grundstücke die Verpflichtung zur Ver- waltung des Sculzenamtes verbunden ift, oder ob und welche Grund- stüde, Gere(tigkfeiten, Vorrechte oder Befreiungen der in den §S. 92 und 93 gedachten Art zurückzugewähren oder aufzuheben sind, oder wird die Vollziehung des Rezesses von den Betheiligten verweigert, oder die Bestätigung (§. 95 Ab}. 2) von dem Kreisauss{husse versagt, so sind die Verhandlunaen zum weiteren Verfahren und zur Ent- \cheidung an die betreffende Auseinanderseßungsbehörde (General-

kommission) abzugeben. i ¡ie Entscheidung der Generalkommission findet die Be- a4 tas Sr O destulturgericht statt, welches endgültig ent- A eidung in erster und zweiter Instanz ist das Gut-

E ausschusses einzuholen und den Betheiligten zur Er-

klärung mitzutheilen. u

8. seinanderseßungeverfahren zufolge §. 96 auf die Aus- e E addbebörde übergegangen, fo steht dieser Behörde auch die Aufnahme, Prüfung und Bestätigung des Rezesses zu.

s Verfahrens (88. 95 bis 97), fowie der Wirkung und Dlefittng der Rezese gelten die hinsih!lih der Ablöjung der Reallasten und der Regulirung der gutsherrlihen Verhältnisse

bestehenden Vorschriften. s. 99.

ten, welche die Ausführung der in diesem Gesehe den aa A e deren Kommissarien übertragenen Geschäfte verursacht, haben die Gemeinden und die Sculzengutsbesißzer nichts as Verfahren bei den Auseinandersezungsbehörden gelten die für dieselben bestehenden Kostenbestimmungen.

Achter Abschnitt.

ä x Gemeindeversammlung und Gemeinde- Male vex E vertretung. 8. 100.

Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) hat über alle Gemeindeangelegenbeiten zu beschließen, soweit diese nicht dur das Geseß dem Gemeindevorsteher auss{ließlich überwiesen sind. Ueber andere Angelegenheiten darf die Gemeindeversammlung (Gemeinde- vertretung) nur dann berathen, wenn folche durch besondere Gesetze oder in einzelnen Fällen dur Aufträge der Aufsihtsbehörde ‘an sie gewiesen sind. i /

Wo cine Gemeindevertretung besteht, sind die Gemeindeverordneten an keinerlei Instruktion oder n der Wähler gebunden.

Die Gemeindeversammlung R O überwacht die Verwaltung; sie is berechtigt, sich von der Ausführung ihrer Be- \{lüsse und der Verwendung aller Einnahmen der Gemeindekasse, sowie von der gehörigen Ausführung der Gemeindearbeiten Ueber- zeugung zu vershaffen; sie darf jedoh ihre Beschlüsse niemals felbst zur Ausführung bringen. is

Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) is zusammen zu berufen, so oft ihre Geschäfte es erfordern.

Die Zusammenberufung erfolgt unter Angabe der Gegenstände der Berathung durh den Gemeindevorsteher; sie muß erfolgen, wenn es von cinem Viertel der Mitglieder verlangt wird.

Die Art und Weise der Zusammenberufung wird dur die Orts- verfassung bestimmt. Mit Ausnahme dringender Fälle müssen zwischen der Zusammenberufung und dem Verhandlungstermine mindestens zwei Tage frei bleiben.

Die Versammlungen dürfen nicht in Wirthshäusern oder Shänken abgehalten werden. K

S.-103,

Durch Beschluß der Gemeindeversammlung (Gemeindepertretung) können auch regelmäßige Sitzungstage festgeseßt werden; es müssen jedoh auch dann die Gegenstände der Berathung, und zwar mit Ausnahme dringender Fälle mindestens zwei Tage vorher, den Mit- gliedern der Versammlung ai v Saab

Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) kann nur be- \{ließen, wenn mehr als die Hälfte der vorschriftsmäßig geladenen Mitglieder mit Einschluß des Vorsißenden zugegen sind. Wird jedoch die Versammlung zum zweiten Male zur Berathung über denselben Gegenstand zusammenberufen, so find die ershienenen Mitglieder ohne Nücksiht auf ihre Anzahl beschlußfähig. Bei der zweiten Zu- sammenberufung muß auf diese Bestimmung autdrücklich hingewiesen

werden. S. 105.

Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidel die Stimme des Vorsißenden. Die der Stimmabgabe fich enthaltenden Mitglieder werden zwar als anwesend betrachtet; die Stimmenmehrheit wird jedoch lediglich nah der Zahl der Mitglieder, welhe Stimmen abgegeben haben, festgestellt, 8 106

An Verhandlungen über Rechte und Verpflichtungen der Ge- meinde darf derjenige nicht Theil nehmen, dessen Interesse mit dem der Gemeinde im Widerspruche steht. Kann wegen dieser Ans- \{ließung ein gültiger Beschluß nit gefaßt werden, so beshließt- an Stelle der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) der Kreitaus\{chuf. 8, 107

¡O7

Die Sitzungen der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) sind öffentlich. Für einzelne Gegenstände kann durch besonderen Be- \{chluß, welher in geheimer Sitzung gefaßt wird, die Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden. 8. 108

__ Der Vorsißende leitet die Verhandlungen, eröffnet und {ließt die Sißungen und handhabt die Ordnung in der Versammlung.

Gr kann jeden Zuhörer, welcher Störung irgend einer Art ver- ursacht, aus dem Sitzungszimmer E es lassen.

Die Beschlüsse der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) sind in ein besonderes Buch einzutragen und von dem Borsigenden, sowie wenigstens zwei stimmberechtigten Mitgliedern der Versammlung zu unterzeichnen. 8. 110

Dur Ortéstatut kann bestimmt werden, daß unentschuldigtes Ausbleiben aus den Versammlungen der Gemeindevertretung, sowie ordnungswidriges Benehmen in diesen Versammlungen für das be- treffende Mitglied eine in die Gemeindekasse fließende Geldstrafe von 1—3 M na sih ziehen, und daß im Wiederbolungsfalle, nah Lage der Sache, Ausschließung aus der Versammlung auf eine gewisse Zeit, bis auf die Dauer eines Jahres, verhängt werde. Ueber die Verbängung dieser Strafen beschließt die Gemeindevertretung. Gegen den Beschluß findet die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt. Die Klage \teht auch dem S Ee vortiGzes zu,

8. H Ï Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) beschließt über die Verwaltung und Benußung s Semeindevermögens (88. 66 ff.).

8. :

Zur Veräußerung oder wesentlihen Verändexung von Sachen, welche einen besonderen wissenschaftlichen, historishen oder Kunstwerth haben, ist die Genehmigung des Regierungs-Präfidenten erforderlich.

Zur Veräußerung. von Grundstücken oder folhen Gerectigkeiten, welche den Grundstückten geseßlich gleichgestellt sind,

H A e ao und Schenkungen,

eien, dur welche die Gemeinde mit - ftande belastet, oder der vorhandene vergrößert witd, A R

zur neuen Belastung der Gemeindeangehörigen ohne geseßlihe Verpflichtung,

zu Veränderungen im Genusse der Gemeindenußzungen bedarf es der Genehmigung des AU ant Quhes,

Die freiwillige Veräußerung von Grundstücken darf der Regel nach nur im Wege des öffentliden Mecistgebotes stattfinden.

Zur Gültigkeit des Verkaufs gehört: i

1) die Vorlegung eines beglaubigten Auszuges aus der Grund- steuermutterrolle,

2) eine öffentlih aushängende Ankündigung,

3) die cinmalige Bekanntmachung dur das Amtsblatt der Ne- gierung oder durch ein im „Kreise ersheinendes Blatt,

4) eine Frist von se Wochen von der Bekanntmachung bis zum Verkaufstermine,

5) die Abhaltung der Verkaufsverhandlung durch einen Justiz- beamten oder den Gemeindevorsteher.

Wenn der Grundsteuerreinertrag des Grundstückes 6 A4 nit übersteigt, so bedarf cs der unter 3 vorgeschriebenen Bekannt- machung nicht. s

Das Ergebniß des Verkaufes ist in allen Fällen der Gemeinde- versammlung (Gemeindevertretung) mitzutheilen ; der Zuschlag kann nur mit deren Genehmigung- ertheilt werden.

In besonderen Fällen kann der Kreisausschuß den Verkauf aus freier Hand, sowie einen Tausch gestatten, sofern er sich überzeugt, daß der Vortheil der Gemeinde dadurch gefördert wird.

Die vorstehenden Bestimmungen finden auch auf Verkäufe von Realberehtigungen Anwendung , wobei außerdem die Aufnahme einer Taxe in allen Fällen nothwendig ist.

Für die Eintragung im Grundbuche genügt zum Nackweise, daß der Vorschrift dieses Paragraphen genügt worden ist, die Bestätigung des Vertrages dur den E

Die Verpachtung von Grundstücken und Gerechtsamen der Ge- meinden muß im Wege des öffentlichen Meistgebotes geschehen. Aus- nahmen hiervon können dur den Kreisaus\{huß gestattet werden.

Neunter Abswchnitt.

Besoldete Gemeindebeamte, deren Gehälter und Pensionen.

S 11D, Die Landgemeinden sind befugt, die Anstellung besoldeter Ge- meindebeamten für einzelne Dienstzweige oder Dienstverrihtungen zu

beschließen. [d 8, 116.

Ueber die Gehalts- und Pensionsverhältnisse dieser Beamten kann durch Ortsftatut Bestimmung getroffen werden.

Auf Antrag der Betheiligten beschließt der Kreisausschuß über die Festseßung der Besoldungen und sonstigen Dienstbezüge von Gemeindebeamten.

Veber streitige Pensionsansprüche der besoldeten Gemeindebeamten beschließt der Kreisaus\{uß, und zwar, soweit der Beschluß ih darauf erstreckt, welcher Theil des Diensteinkommens bei Feststellung der Pensionsansprüche als Gehalt anzusehen is, vorbehaltlich der den Betheiligten gegen einander zustehenden Klage im Verwaltungsstreit- verfahren, im Uebrigen vorbehaltlich des ordentlichen Rehtsweges. Der Beschluß ift vorläufig vollstreckbar.

Zehbnter AbschGnitt. Gemeindehaus halt.

8. 117.

Ueber alle Einnahmen und Ausgaben, welche sich im Voraus veranschlagen lassen, entwirft der Gemeindevorsteher für das Rechnungs- jahr oder für eine längere, von der Gemeindeversammlung (Gemeinde- vertretung) festzuseßende Rechnungsperiode, welhe jedoch die Dauer von drei Jahren nit übersteigen darf, einen Voranschlag.

Der Entwurf ist während zwei Wochen nah vorheriger Bekannt- machung in einem von der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) N Raume zur Einsicht aller Gemeindeangehörigen aus- zulegen.

Nach Ablauf dieser Frist erfolgt diè Feststellung des Voranschlags dur die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung).

Diese Feststellung is vor Beginn des neuen Rechnungsjahres oder der neuen Nechnungsperiode zu bewirken, Der Gemeindevorsteher hat eine Abschrift des festgeseßten Voranschlages dem Vorsitzenden des Kreisaus\husses einzureihen.

Der Gemeindehaushalt ist nach dem Voranschlage zu führen. Alle Gemeindecinkünfte müssen zur Gemeindekasse gebracht werden. Ausgaben, welche außerhalb des Voranschlages geleistet werden sollen, oder über deren Verwendung besondere Beschlußfassung vorbehalten ist, sowie Ueberschreitungen des Voranschlages bedürfen der vor- herigen Genehmigung der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung).

Durch Beschluß des Kreisausschusses kann einzelnen Gemeinden die Festsetzung eines Voranschlages nachgelassen werden, wenn deren Verhältnisse dies unbedenklich N lassen.

Die Gemeindehaushaltsrehnung ist binnen drei Monaten nach dem Schlusse des Rechnungsjahres aufzustellen und der Gemeinde- versammlung (Gemeindevertretung) zur Prüfung, Feststellung und Ent- lastung vorzulegen.

Wo cin besonderer Gemeindeeinnehmer bestellt if, erfolgt die Einreichung der Rechnung zunächst an den Gemeindevorsteher, welcher fie ciner Vorprüfung zu unterziehen und, mit seinen Erinnerungen ver- sehen, der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) vorzulegen hat.

Die Feststellung der Rehnung muß innerhalb neun Monaten nah dem Ablaufe des Rehnungsjahres bewirkt sein.

Nach erfolgter Feststellung ist die Rehnung während eines Zeit- uns von 14 Tagen zur Einsicht der Gemeindeangehörigen aus- zulegen.

Dem Vorsitzenden des Kreisausshusses ist eine Abschrift des Fest- stellungsbeshlusses sofort Mr cE Gen

Der Kreisaus\{huß beschließt :

1) an Stelle der Aufsichtsbehörde über die Feststellung und den Ersaß der bei Kassen und anderen Verwaltungen der Landgemeinden vorkommenden Defekte nah Maßgabe der Verordnung vom 24. Januar 1844 (Geseß-Samml. S. 52).

i e eschluß ist vorbehaltliG des ordentlihen Rechtsweges endgültig.

2) über die Art der gerichtliGßen Zwangsvollstrekungen wegen Geldforderungen gegen Landgemeinden (8. 15 zu 4 des Einführungs- gescßes zur Deutschen Civilprozeßordnung vom 30. Januar 1877 Reichsgeseßblatt S. 244).

Dr TEr Ti beL. Selbständige Gutsbezirke. 8. 120.

Für den Bereich eines selbständigen Gutsbezirks is der Be- fißer des Guts zu den Pflichten und eitungen, welche den Gemeinden für den Bereih ihres Gemeindebezirks im öffentlihen Inter se geseßlih obliegen, mit den hinsihtlih einzelner dieser Leistungen aus den Gesetzen folgenden Maßgaben verbunden. :

Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend die Heranziehung oder die Veranlagung von Grundbesißern und Einwohnern eines Gutsbezirks zu den öffentlichen Lasten desselben, finden die Bestim- mungen im §. 39 dieses Gesetzes agene Anwendung.

Der Besitzer eines selbständigen Gutes hat insbesondere die in den 88. 88 und 89 aufgeführten obrigkeitlihen Befugnisse und Pflichten entweder in Person oder durch einen von ihm zu bestellenden, zur Uebernahme des Amts als Gutsvorsteher befähigten Stellvertreter auszuüben. Der letztere muß seinen beständigen Aufenthalt im Guts- bezirke oder in dessen unmittelbarer Nähe haben.

Es kônnen jedoch auch außer dem im §. 85 Abs. 4 vorgesehenen Falle Seitens des Besitzers des Guts sämmtliche oder einzelne Guts-

vorsteherges{äfte an den Vorsteher einer benahbarten Gemeinde unter Beider Zustimmung gegen eine angemessene Entschädigung über- tragen werden.

Ehefrauen werden rüdcksichtlich der angeführten Rechte und Pflichten durch ihren Ebemann, Kinder unter väterlicher Gewalt durch ibren Vater und bevormundete Personen durch ihren Vormund oder

Pfleger vertreten. S 122;

Die Bestellung eines Stellvertreters muß erfolgen, wenn:

1) das Gut unverheiratheten oder verwittweten Besißterinnen, einer juristisen Perfon, einer Aktiengesellschaft, einer Kommandit- gesellshaft auf Aktien, einer Berggetroerkschaft oder einer einge- tragenen Genoffenschaft gehört, oder, wenn mehrere i e si niht darüber einigen, wer von ihnen die Geschäfte des Gutsvorstehers wahr- nehmen foll,

2) der Gutsbesißer kein Angehöriger des Deutshen Reiches ift,

3) derselbe nicht seinen beständigen Aufenthalt im Gutsbezirke oder in desien unmittelbarer Nähe hat oder

_4) wegen Krankheit oder aus anderen in seiner Person liegenden E außer Stande ist, die Pflichten eines Gutvorstehers zu erfüllen.

Auf den Antrag des Gutsbesißzers kann ein Stellvertreter für den ernannten Gutsvorsteher bestellt werden, welcher in Fällen der Behinderung des lehteren die Gutsvorstehergeschäfte wahr- zunehmen hat.

Für die von dem Hauptgute entfernt belegenen Theile eines selbständigen Gutsbezirkes kann von dem Kreisausschusse die Bestellung besonderer Stellvertreter angeordnet werden , sofern dies für eine ordnungsmäßige E Verwaltung erforderlich ift.

__ Der Gutsbesißer, sowie dessen Stellvertreter, werden in der Cigerschaft als Gutsvorsteher von dem Landrathe bestätigt. Die Bestätigung kann nur unter Zustimmung des Kreisaus\{huses versaat werden.

Der Gutsvorsteher wird vor seinem Amtsantritie von dem Landrathe oder in dessen Auftrage von dem Amtsvorsteher (Distrikts- kommissarius) vereidigt.

S O1

_ Unterläßt der Besißer des Guts in den im §. 122 angegebenen Fällen oder, wenn ihm die Bestätigung als Gursvorsteher versagt worden ift, die Bestellung eines Stellvertreters, oder befindet er sih nit im Besiße der bürgerlihen Ehrearechte oder ist er in Konkurs verfallen, so stcht dem Landrathe unter Zustimmung des Kreis- aus\{chusses die Ernennung des Stellvertreters auf Kosten des Besitzers zu.

S 195: Ueber die Festsezung der dem stellvertretenden Gutsvorsteher in den Fällen des §. 124 zu gewährenden Vergütung beschließt der Kreisaus\chuß.

Vierter Titel.

Verbindung nahbarlich belegener Landgemeinden und sebständiger Gutsbezirke Behufs gemeinsamer Wahr- nehmung kTommunaler Angelegenheiten.

8 126,

Landgemeinden und Gutsbezirke . können mit nachbarlich belegenen Landgemeinden oder Gutsbezirken zur Wahrnehmung einzelner zu ihrem Wirkungéêkreise gehörigen Angelegenheiten nah Anhörung der betheiligten Gemeinden und Gutsbesitzer, sowie des Kreisaus\{chusses und des Bezirksausschufses mit Königlicher Genehmigung verbunden werden, wenn die Betheiligten hiermit einverstanden find, oder wenn bei dem Widerspruche Betheiligter das öffentliche Interesse die Ver- bindung erfordert.

Bei der Bildung dieser Verbände ist auf die sonst bestehenden Verbände (Amtsbezirke, Kirchspiele, Schul-, Wegebau-, Armen- verbände u. \. w.) thunlichst e zu nehmen.

Veber die in Folge einer solchen Verbindung oder in Folge einer Aenderung der Zusammenseßung der Verbände nothwendig werdende Regelung der Verhältnis;e zwischen den Betheiligten bes{ließt der Kreisaus\chuß vorbehaltlich der denselben gegen einander zustehenden Klage im Vecwaltungsstreitverfahren. :

Bei dieser Regelung sind erforderlichen Falles Bestimmungen zur Ausgleihung der Vermögensinteressen der Verbandsmitglieder zu treffen. Insbesondere können einzelne Gemeinden oder Gutsbezirke im Verhältnisse zu anderen, welche für gewisse Verbandézwecke bereits vor der Verbindung für sich allein in genügender Weise Fürsorge getroffen oder aus anderen Gründen nur einen geringeren Vortheil von der Verbindung haben, zu PgEauslaiftungen verpflichtet werden.

Die nah Maßgabe des §. 126 gebildeten Verbände haben die Nechte öffentlicher Körperschaften und sind berechtigt, die Ausführung der in ihrem gemeinsamen Interesse liegenden Maßnahmen und Ver- anftaltuncen auf gemeinsame Kosten zu beschließen. Sie bilden in den Fällen, wo die Fürsorge für die öffentliche Armenpflege von ihnen übernommen oder ihnen auferlegt wird, Gesammtarmenverbände im Sinne des §. 12 des Gesehes vom 8. März 1871 (Geseß-Samml. S, 130). Auf die bereits bestehenden Gesammtarmenverbände finden die Bestimmungen diefes Titels fortan sinngemäße Anwendung.

Im Uebrigen werden die Rechtsverhältnisse der Verbände durch ein Statut geregelt, welches von den Betheiligten im Wege freier Vereinbarung festzustellen ist und der Bestätigung des Kreisausshusses

unterliegt. 8, 129.

Das Statut muß enthalten : E

1) die Bezeichnung derjenigen Landgemeinden und selbständigen Gutsbezirke, welche den Verband bilden,

2) die Bezeichnung der von dem Verbande wahrzunehmenden Angelegenheiten,

3) die Benennung des Verbandes und die Angabe des Ortes, wo dessen Verwaltung geführt wird, /

4) die Festseßung der Art und Weise, in welcher über die ge- meinsamen Angelegenheiten des Verbandes Beschluß gefaßt wird,

5) cine Bestimmung über die Wahl oder die. sonstige Art der Berufung des Verbandsvorstehers, soroie über die Vertretung des Verbandes nach außen, z

6) die Bestimmung des Maßstabes für die Vertheilung der Beiträge zu den gemeinsamen Ausgaben auf die Verbandsmitglieder.

Das Statut ist durch das Regierungsamtsblatt zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Außerdem bleibt es der Beschlußfassung der einzelnen Verbände übeclafsen, weiter noch die Bekanntmachung des Statuts auf anderem Wege Metan,

Verbandsvorsteber oder Vertreter von Landgemeinden und felbst- ständigen Gutsbezirken in der Versammlung der Verbandsmitglieder können nur solche Personen sein, bei welhen die Vorausseßungen für den Erwerb des Gemeinderechts ga

Die Wahl des Verbandsvorstehers bedarf, wenn der Gewählte nit zugleich Gemeinde-, Guts- oder Amtsvorsteher ist, der Bestätigung durch den Landrath unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des 8. 83 dieses Gesehes. :

Wird gegen die Gültigkeit der Wahl eines Verbandsvorstehers, welcher na der vorstehenden Bestimmung einer besonderen Bestätigung niht bedarf, Einspcuch erhoben, fo entscheidet hierüber die Ver- fammlung der Verbandsmitglieder. Gegen den Beschluß findet die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt.

(Foriseßurg in der Dritten Beilage.)

zum Deutschen Reihs-Anz

M 2TT

(Fortseßung aus der Zweiten Beilage.)

8. 132. insichtliG der Rechte und Pflichten des Verbandsvorsiehers or B nd atina und der Ge|chäfte der Vertretung des Ver- bandes finden die in Ansehung des Gemeindevorstehers und der Gemeindeversanimlung (Gemeindevertretung) im festen und aten Abschnitte des zweiten Titels gegebenen Vorschriften sinngemäße An-

wendung. 8. 133

j rtheilung der gemeinsamen Ausgaben auf die Mitglieder des Stade darf nux na den für die Vertheilung der Gemeinde-

3 ltenden Grundsäßen erfolgen. : : E i Gemeinden bleibt die Aufbringung ihrer Antheile

nach Maßgabe ihrer Verfassung M

Auf Beshwerden und Einsprüche, betreffend : E Rei zur Mitbenutung der öffentlichen Einrichtungen und Anstalten des Verbandes, : i e 9) der Heranziehung der einzelnen Landgemeinden und selbständigen Gutsbezirke zu den Beiträgen für Berbandszwecke beschließt der Verbandsvorstcher. Die Rechtsmittel und das Ver- fahren regeln sich na §§. 10 L 30.

ommt ein Statut dur freie Vereinbarung der Betheiligten ire Sunta so ist dasfelbe nah Anhörung der leßteren dur den Kreisausschuß festzuseßen. Hierbei kommen folgende Grundsätze

« Arwendung: - j u f Verband wird in seinen Angelegenheiten durch den Verbands- aus\{chuß und 2h D Rae vertreten. Der Letztere ist die übrende Behörde. 4 : N Verbandsaus\{chuß, welher über alle Angelegenheiten des Nerbandes zu beschließen hat, besteht aus Vertretern sämmtlicher zu dem Verbande gebörigen Gemeinden und Gutsbezirke. Jede Ge- meinde und jeder Gutsbezirk ist wenigstens dur) einen Abgeordneten zu vertreten. : l i

Die Vertretung der Gemeinden in dem Verbandsauss{usse erfolgt durch den Gemeindevorsteher, die Schöffen und, wenn deren Zahl nicht ausreichen sollte, burch andere von der Gemeinde zu wähßlende Abgeordnete. ;

Die Zahl der von jeder Gemeinde zu entsendenden Vertreter sowie der jedem Gutsbezirke einzuräumenden Stimmen bemißt sich nah dem Gesammtbetrage der zu dem Zeitpunkte der Feststellung des Statutes in den Gemeindebezirken unv von den Gutsbesizern zu ent- richtenden direkten Staatssteuern unter Mitberükfichtigung der nah Maßgabe des Geseßes vom 27. Juli 188 fingirt zu veranlagenden Steucrsäßtze der in §. 1 a: a. D. bezeihneten Personengefsammtheiten, juristishen und vbysishen Personen. i

Der Verbandöaus\chuß wählt aus seiner Mitte einen Verbands- vorsteher und einen Stellvertreter desselben auf die Zeitdauer von sech8 Fahren nah den für die Wahl des Gemeindevorstehers geltenden Vor-

\chriften (§§ 74 ff.). Fünfter Titel, Aufsicht des Staates. d 196

Die Aufsicht des Staates über die Verwaltung der Angelegen- beiten der Landgemeinden, Gutsbezirke und Gemeindeverbände (Tit. IV.) wird unbeschadet der in den Gesehen geordneten Mitwirkung des Kreiéaus\chu}ses und des Bezirksaus\{u}sses in erster Instanz von dem Landrathe als Vorsitzenden des Kretsaus[chusses, in höherer und letzter úInsianz von dem Regierungs-Präfidenten geübt.

Beschwerden bei den Aufsichtêbehörden in den vorbezeihneten Angelegenheiten find in allen Instanzen innerhalb zwei Wochen

anzubringen. S100

Beschlüsse der Gemeindeversammlung, der Gemeindevertretung oder der Gemeindeverbände (Tit. 1V.), welhe deren Vefugnisse üÜber- schreiten oder die Gesetze verletzen, hat der Gemeinde- oder Verbands- vorstcher, entstchenden Falles auf Anweisung der Aufsichtsbehörde, mit aufsciebender Wirkung unter Angabe der Gründe zu beanstianden. Gegen die Verfügung des Gemeinde- (Verbands-) Vorstehers steht ver Gemeindeversammlung (der Gemeindevertretung, der Versamm- lung der Verbandsmitglieder) die Klage im Verwaltungsstreit- verfahren zu,

Die Aufsichtsbehörde ist nicht befugt, aus anderen als den vor- stehend angegebenen Gründen eine Beanflandung von Beschlüssen der Gemeindeversammlung, der Gemeindevertretung oder des Gemeinde- verbandes herbeizuführen. S. 138

A 00,

Unterläßt oder verweigert eine Landgemeinde, ein Gutsbezirk oder ein Geweinteverband (Tit. 1V.) die ihnen gefeßlic) obliegenden, von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit festgestellten Leistungen auf den Voranschlag zu bringen oder außerordentlich zu genehmigen, so verfügt der Landrath unter Anführung der Gründe die Eintragung in den «Voranschlag oder die Fesistellung der außerordent- lihen Ausgabe. -

Gegen die Verfügung des Landraths stcht der Gemeinde, dem Vesißer des Gutes sowie dem Verbande die Klage bei dem Bezirks- auss{chufse zu.

8. 139.

Dur Königli®e Verordnung kann cine Gemeindevertretung auf- aclôft werden. Es ist sodann binnen sechs Wochen, vom Tage der Auflöfungsverordnung ab gerechnet, etne Neuwabl anzuordnen. Bis zur Einführung der neugewählten Gemeindeverordneten beschließt an Stelle der Gemeindevertretung der Kreitausf{uß.

Bezüglich der Dienstvergehen der Gemeindevorsteher, der Schöffen, der Gutsvorsteher und der Verbandsvorsteher, fowie der sonstigen Beaniten der Landgemeinden, Guiébezirke und Gemeindeverbände, kommen die Bestimmungen des Gesehes vom 21, Juli 1852 (Geschz- Saminl, S. 463) mit folgenden Maßgaben zur Anwendung:

1) Die Befugniß, gegen diese Beamten Ordnungsstrafen zu ver- bängen, steht: dem Landrath und im Umfange d-es den Provinztial- behörden beigelegten Ordnungsftrafrehts dem Regierungépräsidenten zu,

Gegen die Strafverfügungen des Landraths findet innerhalb zwei Wogen die Beschwerde an den Regierungêpräsidenten, gegen die Straf- verfügungen des Regierungspräsidenten innerhalb gleicher Frist die Beschwerde an den Ober-Präsidenten statt, :

2) Gegen den auf die Beschwerde in den Fällen zu 1 in leßter Instanz ergehenden Beschluß des Regierungépräsidenten oder des Ober- Präsidenten findet die Klage bei dem Ober-Verwaltungsgericht statt.

3) In dem Verfahren auf Entfernung aus dem Amte wird die Einleitung des Verfahrens von dem Landrathe oder von dem Regierungs- präsidenten verfügt, und von denselben der UntersuGungskommissar und der Vertreter der Staatsanwaltschaft ernannt. Als entscheidende Dieziplinarbehörde erster Instanz tritt an die Stelle der Bezirks- regierung der Kreisaus\Guß; an die Stelle des Staats-Ministeriums tritt das Ober- Verwaltungsgeriht. Der Vertreter der Staatsanwalt- schaft bei dem Ober-Verwaltungsgerichte wird von dem Minister des Innern ernannt. /

In dem vorstehend zu 3 vorgesehenen Dnte ist entstehenden Qs auch über die Thatsahe der Dienstunfähigkeit der ländlichen

emeindebeamten Entscheidung zu treffen.

Dritte Beilage eiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Montag, den 17. November

8. 141.

Zuständig in erster Instanz ist im Verwaltungsstreitverfahreu für die în diesem Geseße vorgesehenen Fälle, sofern nicht im Einzelnen ein anderes bestimmt ist, der Kreisaus\{chuß. Die Frist zur Anstellung der Klage beträgt in allen Fällen zwei Wochen.

Lie Gemeindeversammlung, die Gemeindevertretung und der Gemeindeverband (Tit. IV.) können zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Verwaltungssireitverfahren cinen besonderen Vertreter bestellen.

Sechster Titel. Ausführungs- und Uebergangsbestimmungen. 8. 142,

Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. April 1892 in Kraft. __ Mit diesem Zeitpunkte treten alle entgegenstehenden Bestimmungen, insbesondere die §8. 18 bis 78 Theil I1 Tit. 7 A. L. N., das Gesetz, betreffend die Landgemeindeverfassungen in den sechs östliGen Provinzen der preußischen Monarchie, vom 14. April 1856, die §8. 22 bis 45 sowie der §. 53 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 in der Fassung vom 19, März 1881 und die §8, 24 bis 37 des Gesetzes über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden vom 1. August 1883 für die im §. 1 genannten Provinzen aufer Kraft. Die Bestimmungen der SS. 51, 5la und 55a Absay 2 der Kreisordnung bleiben au fernerhin in Kraft.

Soweit den Volksschulen die Eigenschaft von Gemeindeanstalten *

beiwohnt, kommen in Ansehung derselben die Bestimmungen dieses Gesetzes nur unter den aus den besonderen Gesezen über die Volks- schule si ergebenden Einschränkungen zur Anwendung.

8. 143.

Bereits vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ist eine allgemeine Prüfung der Verbältnisse der bestehenden Landgemcinden und Guts- bezirke zu dem Zwecke vorzunehmen, um diejenigen Bezirk8veränderungen (S. 2), welche durch das öoffentlihe Interesse erfordert werden und alsbald ausführbar sind, herbeizuführen. Insbesondere kommt hierbet in Betracht : die Vereinigung derjenigen Gemeinden und Gutsbezirke, welche bei Aufrechterhaltung ihrer Selbständigkeit ihre kommunalen Berpflichtungen nit vollständig zu erfüllen vermögen, mit benach- barten Gemeinden oder Gutsbezirken, ferner die Zusammenlegung solcher Gemeinden und Gutsbezirke, deren Gehöfte und Feldmarken mit einander derart im Gemenge liegen, daß eine Sonderung der beiderseitigen kTommunalen Interessen nit mehr möglich ist, sowie die Umwandlung von zersplitterten Gutsbezirken und von den in Guts- bezirken bestehenden Kolonien in Landgemeinden.

Die vorstehend bezeichnete Prüfung ist durch dea Kreisausschuß zu bewirken; hiernächst sind über das Ergebniß die Betheiligten zu hören, Soweit der Kreisaus\chuß zur Durchführung der in Frage kommenden Bezirkeveräaderungen nach den geseßlichen Vorschriften (§. 2) nicht selbsi befugt ist, hat er bestimmte Vorsc{läge zu machen und dem Bezirksaus\{usse einzureihen, weihem die Fest- stellung des Gesammtplanes für die einzelnen Kreise und die Vor- bereitung der der Königlichen Genehmigung zu unterbreitenden Anträge obliegt. Die Ober-Prâsidenien der Provinzen haben ih dur besondere Kommissarien in steter Kenntniß von dem Gange der Verhandlungen zu halten und nöthigen Falles die zur Förderung der Sache geeignet erscheinenden Anorbnungen zu treffen.

8 144.

Der Minister des Jnnern erläßt die zur Ausführung dieses Ge- ces erforderlihen Bestimmungen.

Wegen ter Vorbereitungen für die nothwendig werdenden Neu- wahlen ist alóbcld nach der Verkündigung des Geseßes Anordnung zu treffen. Die Vollmacht dec bisherigen Mitglieder der bestehenden Gemeindevertretungen erlischt mit dem Zeitpunkte des Fnkrafttretens des Gesetzes; do bleiben dieselben bis zur Einführung der neu- gewählten Gemeindeverordneten im Amte.

Die zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes im Amte befindlihen Gemeindevorsteher, Schöffen und sonstigen gewählten Gemeindebeamten verbleiben in demselben bis zum Ablause threr Wahlperiode. Jn- gleichen verbleiben im Amte die besoldeten Gemeindebeamten na Maßgabe ihres Anstellungsvertrages.

Begründung des Entwurfes einer Landgemeindeordnung für bie sieben öftlihen Provinzen der Monarchie. Cinleitung.

Die Frage einer umfassenden Regelung der ländlihen Gemeinde- verfassungsverhältnisse, sei es für den ganzen Umfang des preußischen Staates, sei es gesondert für die östlihen Provinzen, ift vom Beginn dieses Jahrhunderts ab, zuerst in gewissen Zeiträumen, in der neueren Zeit aber von Jahr zu Jahr wiederkehrend, nah den verschiedensten Richtungen hin eröctert und im Großen und Ganzen stets für eine der Lösung dringend bedürftige erklärt worden. Weist 1chon diese Thatfache für H allein darauf hin, daß sich das beharrlihe Ver- langen nach etner solchen Neuregelung auf \{chwerwiegende Gründe ftüßen muß, so ergiebt eine eingehende Prüfung der Verhältaisse der Landgemeinden und Gutsbezirke in den östlichen Provinzen, daß der gegenwärtige Stand ihres Gemeindeverfassungsrechtes sowohl in for- maler wie in materieller Hinsicht ein vurhaus unbefriedigender ift.

1) In formaler Hinsicht giebt cs kaum ein Rechtsgebiet, dessen Grundlagen so \{wer zu erforschen und zu erkennen find, wie dic- jenigen des ländlihen Gemeindeverfassungsrechtes der östlichen Provinzen. Dics liegt zunächst darin, daß die grundlegenden Normen dieses Zweiges des oöffentlihen Rechtes în einer großeu Reihe von Gesetzen, insbesondere in einzelnen Edikten aus der Zeit vor der *Gmanation des Allgemeinen Landrechtes, in den Titeln VI. und VII. dieses Gescybuches, in den Edikten vom 9. Oktober 1807 und 14. September 1811 mit der Deklaration vom 29. Mai 1816, in dem Gesetze, betreffend die Einrichtung des Abgabenwesens vom 7. August 1820, in dec Gemeinheitstheilungsordnung vom 17, Juni 1821, dem Geseße über die Verpflichtung zur Armenpflege vom 31. Dezember 1842 und dem Gesetze, betresfend die Zertheilung von Grundftücken und die Gründung neuer Ansiedelungen, vom 3. Januar 1845, ferner in dem Geseye über die Landgemeindeverfassungen in den östlichen Provinzen der preußischen Monarchie, vom 14. April 1856, der Kriegsordnung vom 13, Dezember 1872, dem Geseße über die Zuständigkeit der Verwalturgs- und Verwaltungsgerichtébebörden vom 1. August 1883 und anderen enthalten sind. Sodann aber kommt namentlih in Betracht, daß die wichtigsten dieser Geseßesvorschriften, wie dicjenigen des Titels 7 Thl. 11 A. L. R. und zu einem großen Theile auch die des Gescyes vom 14. April 1856, nur subsidiäres Recht enthalten, und daß daher in wesentlichen Beziehungen mit der Bestimmung im §.- 26 &hl, I1 Tit. 6 A. L. R. gerechnet werden muß, wonach die Verhältnisse und Rechte der Korporationen und Gemeinden hauptsählich na den bei ihrer Errichtung geschlossenen Verträgen oder ergangenen Stiftungöbriefen, nah den von dem Staate verliehenen Privilegien und nach den von den kommunalen Körperschaften getroffenen autonomishen Bestimmungen zu be- urtheilen find.

Diese Rechtslage hat von jeher eine große Anzahl von Voll- ziehungsvorschriften und ministeriellen Verfügungen nothwendig

emacht; in der neueren Zeit is außerdem eine außerordentlich reiche faltide Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, invbesondere au des Ober-Verwaltungsgerichts, hinzugetreten. Die Kenntniß des geltenden Rechtes ist zur Zeit nicht nur den Gemeindebehörden und Gemeinde-

1890.

angehörigen in hohem Maße erschwert, wenn nicht überhaupt ver- \chlossen, sondern fie bietet auch den Aufsihtsbehörden ungewöhnliche Schwierigkeiten dar. Wenn hin und wieder behauptet wird, daß fich die Landbevölkerung in das jet geltende Gemeindeverfassungsrecht eingelebt, und daß sih dieses Recht in gesunder Weise aus -den praktischen Bedürfnissen des platten Landes heraus, frei von allem sormalen Zwange entwickelt habe, so trifft diese Auffasfung in keiner Weise zu, wie die erheblihe Anzahl fast täglih in der Centralinstanz eingehender, ländlihe Gemeindeangelegenheiten betreffender Beschwerden und die auffallend große Menge vom Verwaltungsrechtsstreitigkeiten auf diefem Gebiete beweisen. Der einfache, aber in Beziehung auf seine Rehts\phäre meist mit treffendem Urtheile ausgerüstete Land- bewohner stellt den Behörden gegenüber in erster Linie die Forderung, daß seine Angelegenheiten so behandelt werden, „wie das Gesetz es vorschreibt“, Ein derart verwickeltes und undurchsiHtiges Recht, wie die zur Zeit geltende Landgemeindcverfassung der östlihen Provinzen, sagt ihm in keiner Weise zu. Die großen Verdienste, welche sh die Verwaltung®srechtspflege für die Fortbildung des in Rede stehenden Zweiges des öffentlichen Rechtes erworben hat, sollen durhaus nicht verkonnt werden z aber einestheils wird au den Verwaltungsgerichten die Rechtsfindung in ländlichen Gemeindeangelegenheiten durch den gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung sehr erschwert, anderentheils aber hat die rechtsbildende Wirksamkeit der Gerichte ihre Grenzen, und die Geseßzgebung des Staates kann ih nicht im Vertrauen auf dieselbe ihres. Berufes begeben.

2) In materieller Beziehung leidet die Landgemeindeverfassung der östlichen Provinzen an mannigfahen Mängeln, wie nachstehend im Einzelnen näher dargelegt werden wird.

In ' Beziehung auf wesentliGe Punkte des Verfafsungsrechtes, insbesondere hinsihtlich der Vorausseßungen des Erwerbes und des Verlustes des Gemeindercchtes, der Verpflichtungen der Gemeinde- angehörigen und der Gemeindeglieder, namentlich auf dem Gebiete des Gemeindeabgabewesens, der Abgrenzung der Befugnisse des Ge- meindevorstandes einerseits und der Gemeindeversammlung (Gemeinde- vertretuyg) andererseits, der Verbindung nachbarlich belegener Gemeinden und Gutsbezirke Behufs gemeinschaftliher Erfüllung kommunaler Aufgaben, mangelt es vielfah an den. unentbehrlichsten Bestimmungen. :

Soweit aber auch solche Bestimmungen bestehen, genügt ein erheblicher Theil derselben in der gegenwärtigen Fassung nit, um einen dem öffentlihen Interesse entsprechenden Erfolg zu erzielen. Dies trifft namentli zu bezüglich der Vereinigung leistungsunfähiger oder in Gemengelage befindliher Gemeinden und Gutsbezi:ke zu größeren Gemeinden, weiche jeßt nur im Falle des Einverständnisses der Betzeiligten zur Durchführung gelängen kann, sowie binsichtlich der Einführung gewählter Gemeindevertretungen, welche jeßt von einem Antrage der Gemeinden abhängig ift.

Gndlich entspricht die bisherige Landgemeindeverfassung des Ostens in wichtigen Punkten niht mehr den durch die heutige Entwickelung der wirthschastlihen und sozialen Verhbältaisse bedingten Anforde- rungen. Dies gilt in hervorragender Weise von den Grundsäßen über die Theilnahme am Stimm- und Wahlrechte.

Das Bedürfniß einer durchgreifenden. alle wesentliGen Bestim- mungen der Landgemeindeverfassung umfassenden Legisiation für die östlichen Provinzen wird dakfer kaum bestritten werden können. Das- selbe ist namentli auch bei dem Beginne der Verwaltungêreform- geseßgebung anerkannt worden. In der Begründung zu dem dem Landtage der Monarchie zufolge ver Allerhöchsten Ermächtigung vom 27. September 1869 vorgelegten Entwurfe der Kreisordnung für die östlichen Provinzen war zu dem von dem Gemeindevorfteher- und Schöffenamte handeinden Abschnitte bemerkt, daß mit den bezüglichen Besti-+mungen des Entwurfes die Reform der ländlihen Gemeinde- verfassung noch niht ihcen Abschluß erreihen folle; die Staats- regierung werde vielmehr niht zögern, nahdem der Kreisordnungs- entwurf zum Gesetze geworden, dem Landtage auch den Entwurf einer Landgerneindeordnung zur Beschlußfassung vorzulegen, welhe nicht nur eine vollständige Kodifikation des jeßt bestehenden, in ciner größeren Anzahl von Geseßen und Verordnungen zerstreuten Ge- meindérechts enthalten, sondern zugleih eine zeitgemäße Fortbildung der wichtigsten Gemeindeeinrictungen, insbesondere auch eine den maßgebenden Interessen entsprehende Lösung der Frage wegen der kommunalen Stellung der Gutsbezirke, erstreben werde. Jn Ueber- cinstimmung mit dieser Ausführung steht eine Reibe von Er- klärungen, welhe Namens der Staatsregierung im Laufe der Berathungcn über den Entwurf der Kreisordnung und über die später eingebrahten Entwürfe zu den Verwaltungsreformzesetzen abgegeben worden sind, so namentlih diejenige des Ministers des Innern in der Sizung des Hauses der Abgeordneten vom 19, Oktober 1869 (Stenographische Berichte Seite 92—94). So legte u. A. ferner bei den Berathungen der XIT. Kommission des

auses der Abgeordneten (12, Legislaturperiode, IIT. Sefsion 1876, Nr. 230, Seite 6 der Drucksachen) der Vertreter des Ministcriums des Innern nachdrücklich Verwahrunz gegen eine solWe Deutung der Motive zu dem lctgedacten Entwurfe ein, als ob Seitens der Staatsregierung die Dringlichkeit des Erlasses eincr Landgemeinde- ordnung verneint und eine andere Verzögerung derselben als die dur die Häufung der geseßgeberishen Arbeiten abgedrungene bewirkt worden sci. Aus der Mitte des Hauses der Abgeordneten ift bei der Er- örterung aller wichtigen geseygeberishen Fragen auf dem Gebiete der allgemeinen Landesverwalrung, der Steuer-, der Unterrichtêvèrwaltung u. |. w. immer von Neuem auf die Nothwendigkeit des Erlasses ciner Landgemeindeordnung hingewiesen worden. Insbcsonderce gelangte diese Angelegenheit bei den Ctatsberathungen des Hauïes der Yb- geordnetes in den Sihungen vom 16. Februar 1859 und vom 25. Februar 1890 zur eingeßer.den Erörterung, wobei sich die Ver- treter aller Parteien für eine Reform der Landgemeindeverfassung aussprachen. L i :

Wird zu einer solhen geseßliGen Regelung geschritten, fo erscheint es am sachgemäßesten, dieselbe gleihmäßia für dte sieben öftlehen Provinzen eintreten zu lassen, ta fi auc bislang {on das ländliche Gemeindeve:fassungsrecht innerbalb dieicr Begrenzung im Großen und Ganzen in der gleichen Weise entwickelt hat, und die wirth» schaftlichen wie die sozialen Verhäitnisse jener Quidestheile im Wesentliczen gleicartig sind, Soll au nit in Abrede gestellt werden, daß die Eniwickeiung der Landocmeinden und Gutsbezirke in den einzelnen Provinzen des Ostens gewisse Verschiedenbeiten aufweist, so sind dieselben nach dem Ergebnisse der bewirkten Erbebungen do nicht so durchgreifend, daß sie deu Erlaß besonderer Landgemcinde» ordnungen für die einzelnen Provinzen nothwendig oder avch nur wn Ls erscheinen ließen. Es ist vielmehr außer Zweifel gestellt, daß in sämmtlichen öttlichen Provinzen gleidmäßig das Be» dürfniß nah ciner einheitlichen Feststellung der grundlegenden Normen des Gemeindeverfassungsrets vorliegt, innerhalb deren dei ums» sihtigem Vorgehen der Gesetzgebung für die autonomis@e Ent» wickelung ausreiheuder Raum bleibt, um den besonderen Verhältnissen jedes einzelnen Theiles der östlichen Provinzen vollständig R iu werden und überall die Entfaltung eines gedeihlichen Gernein u ermöglichen. Die Erreichung dieses Zieles dark um so mehr er» hofft werden, als die Mitwirkung der Selbstverwal der Vollziehung des Gesetzes volle Gewähr für eine aubgiedige Be» rüsichtignng der provinziellen Eigenthümlichkeiten bietet.

Die Ausd der Reform auf andere Provinzea chlt F nit, Ga Fe G e tar Gemeindeverfassungen, R