1890 / 278 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 18 Nov 1890 18:00:01 GMT) scan diff

A der letzteren, bebürfen der Genehmigung der Schulaufsichts- be i Die Aufhebung bestehender öffentliher Volksschulen bedarf der Genehmigung des Pater E

: der Schulaufsihtsbehörde unterliegen Be- sGlüse der D ienen (Gutsbezirke, Schulverbände) über die Ver- wendung der für die öffentlihe Volksschule benußten oder ihr ge- widmeten Vermögensstücke, der Schulgebäude und Sculgrundstücke zu anderen Zwecken und Beschlüsse über die Einziehung von Dienst-

wohnungen. 8. 188.

Der S(ulhaushalt unterliegt der Bestätigung der Scul- aufsihtsbehörde. a 189

Die Volks\hulbauten unterliegen der Prüfung der Schulaufsichts- tve. Die näheren Anordnungen über das Verfahren werden von

¡terrihts-Minister erlassen. terrihts-Ministe ie d

s Beschlüsse der Schulausshüsse, sowie des Gutsvorstehers oder Su! vorstandes in Gutsbezirken über die Veräußerung des zu NBolk3- Thulzwecken gewidmeten Grundeigenthums, über die Veräußerung oder wesentlihe Veränderung der den Volkéshulzwecken gewidmeten _ “Gegenstände, welche einen besonderen geshi{chtlichen, wifsenshaftlichen odex Kunstwerth haben, ‘und Beschlüsse der Schulaus\hüfse über Aufnahme von Daxkéhen bedürfen der Genehmigung der Schul- aufsihtsbehörde.

/ 8 198 Feststellung und den Ersaß der bei der Kasse und der der Schulverbände und Gutsbezirke vorkommenden Fheschlicßt der Kreitauss{chuß an Stelle der Aussiehtsbehörde Maßgabe der Verordnung vom 24. Januar 1844 (Geséz-Samml. Der Beschluß ist vorbehaltlih des ordentlihen Nehtsweges

8, 192,

Der Kreisaus|chuß beschließt uber die Art der gerichtlichen Zwangsvollstrekungen wegen Geldforderungen gegen Schulverbände und gegen Gutsbezirke, in denen der Gutsbesißer die Volksschullasten nicht aliein trägt. 8. 193

Unterläßt oder verweigert ein Schulverband bei öffentlichen Volksschulen in anderen als den im §. 22 vorgeschenen Fällen die ihm na öffentlihem Recht obliegenden, von der Behörde innerhalb ihrer Zuständigkeit fefigestellten Leistungen auf den Haushalt zu bringen, oder außerordentlich zu genehmigen und zu erfüllen, so verfügt der Landrath die Eintragung in den Haushalt oder die Feststellung der außerordentlihen Ausgabe.

Gegen die Verfügung des Landratks steht dem Schulverbande die Klage bei dem Bezirksaus\huß zu. :

Dieselbe ist, soweit der Schulverband zu der ihm angesonnenen Leistung aus Erlüinden des öffentlihen Nechts statt seiner einen An- deren für verpflichtet erahtet, zugleih gegen diesen zu richten.

Die Klage ist innerhalb zwei Wochen anzubringen. Die zuständige Behörde kann zur Vervoliständigung der Klage eine angemessene Nach» frist gewähren.

Durch den Ablauf der im Absay 4 bezeihncten Fristen wird die Klage im Verwaltungéstreitverfahren gegen einen aus Gründen des öffentlihen Rechts verpflichteten Dritten niht ausges{lossen.

Achter Abschnitt. Leistungen des Staates zur Unterhaltung der öffentlihen Volks\chulen. 8, 194.

Zur Erleichterung der nah öffentlichem Recht zur Unterhaltung der Volks\{chulen Verpflichteten ist aus der Staatskasse ein jährlicher Beitrag zu dem Diensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlihen Volks\{ulen zu leisten.

Se a Höhe dieses Beitrages wird so berechnet, daß für die e

e 1) eines alleinstehenden sowie eines ersten ordentlichen Are , 00 M, 2) eines zweiten ordentlihen Lehrers... , , , 400 , 3) eines anderen ordentlichen Lehrers ..., , 300 , S) EINEE OVDeENIEEN E a « LOO , 9) eines Hülfslehrers und einer Hülfslehrerin , . 100 , gezahlt werden.

Bei der Berehnung kommen nur voll beschäftigte Lehrkräfte in Betracht. Darüber, ob eine Lehrkraft vollbeschäftigt ist, entscheidet auss{chließlich die Schulaufsichtsbehörde.

8. 195.

Der Staatsbeitrag is an diejenige Kasse, aus welcher die Lehrer- besoldung bestritten wird, vierteljährlich im Voraus zu zahlen.

Derselbe dient zur Bestreitung folgender von den zur Unter- haltung der Volks\{hulen nach öffentlihem Reht Verpflichteten zu gewährenden Leistungen: ; :

1) des baaren Theils des Diensteinkommens der Lehrer ein- \chließlich der Aufwendungen für niht vollbeshäftigte Lehrkräfte,

insofern er bierzu nicht erforderlich ift,

2) des anderweiten Diensteinkommens einschließlich der Auf- wendungen für Dienstwohnung, Feuerung und Bewirth- Js des Dienstlandes, mit Ausschluß jedoch der Bau- osten,

__ Dabei sollen Leistungen, welche auf Umlagen beruhen, vor sonstigen Leistungen berüctsihtigt werden. 8, 196.

Das Recht auf den Bezug des Staatsbeitrages ruht, so lange und soweit durch dessen Zahlung eine Erleihterung der nah öffent- lihem Recht zur Schulunterhaltung Verpflichteten bezüglih der von ihnen für das Diensteinkommen von Lehrern und Lehrerinnen an Volks\{hulen zu tragenden Lasten, mit Rücksiht auf vorhandenes Schulvermögen oder auf Verpflichtungen Dritter aus besonderen Rechtstiteln niht würde bewirkt werden.

8. 197,

Den Gemeinden (Gutébezirken, Schulverbänden) wird aus der Staatskasse der Mindestbetrag der den Lehrern und Lehrerinnen ge- feblih (§8. 1-34) zustehenden Alterszulage vierteljährliÞh im Voraus gezahlt, sobald die Ordnung der Gehaltsverhältnisse in Bezug auf die Alterszulagen den geseßlihen Vorschriften (§8. 131 ff., 147) ent- sprehend erfolgt is. Bis dabin bleiben die Lehrer und Lehrerinnen an den betreffenden Orten im Genuß der seither aus der Staatskasse ihnen gewä hrten Alterszulagen nah Maßgabe der bisherigen Bestim- mungen. 6.198

Den zur Aufbringung der Pension eines Volks\{ullehrers (Lehrerin) verpflihteten Gemeinden (Gutsbezirken, Schulverbänden) wird der zu zahlende Pensionsbetrag bis zur Höhe von jährlich ein- tausend Mark aus der Staatskasse erstattet.

Die in Gemäßheit des §, 170 Absaß 3 nah dem in dem vor- maligen Herzogthum Nassau und der vormaligen freien Stadt Frank- furt geltenden Vorschriften berechneten Persionen fallen der Staats- kasse nur insoweit zur Last, als sie- die unter Zugrundelegung dieses Mun zu berehnenden Beträge niht übersteigen.

ie Pensionen der Lehrer und Lehrerinnen, welche vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in den Ruhestand verseßt sind, werden

bis zu dem Betrage von jährli eintausend Mark auf die Staats- kasse übernommen.

8. 199. Im Falle nahgewiesenen ÜUnvermögens der Gemeinden (Guts- Hn Swulverbände) zur Aufbringung der Volks\chullasten werden denselben in den Grenzen der durch den Staatshaushalt bereit ge- stellten Mittel Ergänzungszushüsse gewährt. / Ein Anspruch gegen den Staat kann weder -im Rechtswege noch im Verwaltungsstreitverfahren geltend gemaht werden,

Neunter Abschnitt. i Scchluß- und Uebergangsbestimmungen. *" ,

8. 200. Alle diesem Geseh entgegenstehenden Bestimmungen treten außer

Kraft, mögen dieselben in allgemeinen Gesetzen, in Provinzialre{ten, Bezirks-, Ortsverfassung, Herkommen, Gewohnheitsreht oder in all- gemeinen auf Grund der Geseße getroffenen Anordnungen beruhen.

Die 88. 45 bis 49 des Gesetzes über die Zuständigkeit der Ver- waltungsbehörden und Verwaltungsgerichtsbehörden vom 1. August 1883 (Geseßz-Samml. S. 237) und das Geseß vom 26. Mai 1887 (Geseß-Samml. S. 175), betreffend die Feststellung von Anforderungen für Bolks\chulen, treten außer Kraft. N

; 8. 201.

Soweit den bestehenden Schuldeputationen und Schulyorständen außerhalb des Gebiets des ö¿ffentlihen Volks\chulwesens b:sher auf Grund der Gesetze oder der Anordnungen der Behörden anderweite Schulaufsichtsbefugnisse zugestanden haben, is die Sculaufsichts- behörde berehtigt, dieselben fortan selbs auszuüben oder bis zur anderweiten geseßlichen Regelung dieser Verhältnisse den nah Maß- gabe dieses Geseßes gebildeten S{hulvorständen (Schulaus|chüssen) ganz oder theilweise zu a a

Das Geseh tritt mit dem 1. April 1892 in Kraft. Indessen ist \{on vor dicsem Termin mit der Bildung der Schulbezirke (Schul- verbände) und ihrer Organe, sowie mit der Regelung der Vermögens- verhältnisse fo rechtzeitig vorzugehen, daß die Gemeinden (Gutsbezirke, Schulverbände) die aus diesem Geseß sch ergebenden Rechte und Pflichten am 1. April 1892 übernehmen können.

Die Verwaltungs- und Verwaltungsgerihtsbehörden üben dabei die ihnen nah diesem Geseh O Befugnisse aus.

Mit dem Zeitpunkt des Junkrafttretens dieses Gefeßes wird der, nah § 1 des Geseßes vom 14. Mai 1885, betreffend Ueberweisung von Beträgen, welche aus landwirths{aftlihen Zöllen eingehen, an die Kommunalverbände (Ges.-S. S. 128), von der Ueberweisung aus- geschlossene, auf fünfzehn Millionen Mark festgestellte Betrag auf zweiundzwanzig Millionen fünfhunderttausend Mark erhöht.

Begründung

des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die öffent- lihe Volksschule.

A us Dau nee vom 31, Januar 1850 bestimmt im rtikel 26;

Ein besonderes Gesetz regelt das ganze Unterrichtswesen. ___ Der vorliegende Entwurf bezweckt die Ausführung dieser Vor- rift auf dem Gebiet der öffentlihen Volks\cule.

Das Streben nah einer einheitlihen geseßlichen Regelung des Unterrichtswesens trat niht erst bei Erlaß der Verfassungsurkunde hervor. Das Bedürfniß wurde vielmehr \{chon nah den PeTUunge kriegen empfunden, als die nationale Wiedergeburt Deutschlands eine von einheitlihen Grundgedanken getragene, nah einheitlihen Zielen et a als eine befonders wichtige Staatsaufgabe erkennen ließ.

In diesem Sinne ordnete die Allerhöchste Ordre vom 3, Novem- ber 1817 den Erlaß einer allgemeinen Schulordnunag an.

Dieselbe lautet:

„Je inniger Ich überzeugt bin, daß zum Gelingen alles dessen, was der Staat dur seine ganze Verfassung, Geseßgebung und Ver- waltung bezweckt, der erste Grund in der Jugend des Volkes gelegt werden müsse, und daß zugleih eine gute Erziehung derselben das sicherste Förderungsmittel des innern und äußern Wohles der einzelnen Staatsbürger fei, desto angelegentlicher ist Meine Aufmerksamkeit und

ürsorge von jeher auf diesen wichtigen Bestandtheil des öffentlichen Lebens gerihtet gewesen. Einen neuen Antrieb giebt * ihr die dur die Gnade des Höchsten geschehene Hexstellung und neue Gestaltung Meiner Staaten, die Mir die von allen Seiten sih regenden Bedürf- L A Erziehungs- und Unterrihtswesens in denselben dringend ans erz legt.

Es würde eine, zumal bei der vergrößerten Anzahl - und der neuen Einrichtung der Provinzialbehörden, sehr \{wierige und weitläuftige, in sih selbst wahrscheinli niht recht übereinstimmende, und noch weniger vielleiht mit dem Geiste und Streben in den übrigen Ver- waltungszweigen zusammenwirkende Arbeit sein, wenn man fortfahren roollte, diesen Bedürfnissen nur im Einzelnen, sowte sie sich ankündigten, zu begegnen, ohne die Verhältnisse des. Erziehungs- und Unterrichts- wesens im preußishen Staate im Ganzen ins Auge zu fassen, und das, was im Einzelnen dafür geschehen kann und muß, dur allgemeine Bestimmungen zu begründen.

Ich finde aber, daß es ihm an einer Verfassung noch mangelt, wona dies mögli wäre, an einer Verfassung, wodurch es in Einem Geiste und unter gleihen Grundsäßen vereinigt würde, ohne Beein- trächtigung der Verschiedenheit, welche durch die Mannigfaltigkeit der im Umfang Meiner Staaten begriffenen Länder und Menschen und dur deren Stamm, Sprache, Religion, Gewerbe, besondere Rechte und Einrichtungen nothwendig und durch die fortwährende Entwilke- lung der Erziehungs- und Unterrichtskunst herbeigeführt wird. Die wenigsten Meiner Provinzen find mit geseßlichen Grund- lagen dafür versehen, unter den vorhandenen Provinzial- Schulordnungen fehlt Uebereinstimmung in mehreren Punkten, wo sie erforderlich wäre, alle einzelnen enthalten vieles noch Streitige, oder nah den in andern mitwirkenden Verwaltungs- zweigen eingetretenen Veränderungen, sowie nah den inzwischen fortgeschrittenen inneren und äußeren Verbesserungen im S{ulwesen neuer Festseßgungen Bedürftige, und die wenigen allgemeinen Be- stimmungen, die das Allgemeine Landreht und das Allgemeine Land- Schulreglement vom Jahre 1763 geben, sind zum Theil niht um- fassend genug, zum Theil in sich ungenügend, zum Theil au als veraltet zu betrachten.

Ich habe deswegen beschlossen. dem Erziehungs- und Unterrichts- wesen Meiner Staaten, inwiefern es der öffentlihen Leitung und Aufsi@t unterworfen ist, eine Verfassung von dem oben bezeichneten Charakter zu geben.“

Damit im Einklange {rieb die Instruktion für die Provinzial- Konsistorien vom 23, Oktober desfelben Jahres im S. 7 vor: „daß eine allgemeine Schhulordnung, welche die bei Leitung und Aussicht des Schul- und Erziehungswesens sowohl in Absicht der inneren als äußeren Verhältnisse zu befolgenden Grundsäße und Vorschriften auto entworfen und“ auf Grund «derselben demnächst besondere Schulordnungen für die einzelnen Provinzen erlassen werden sollten.

Veber die bei dem Erlaß dieser Bestimmung maßgebenden Gesichtspunkte, sowie über Ziel und Einrichtung der in Aussicht ge- nommenen S{ulordnungen verbreitet sch näher eine Denkschrift, welche von dem damaligen Staatsrath Süvern verfaßt ist. „Ihm ift der Staat eine Erziehungsanstalt im Großen. Zur National- erziehung hat die Nationaljugenderziehung vorzubereiten. Alles wird der Staat in und mit seinen Bürgern erreichen können, wenn er sorgt, daß sie Alle in einem Geiste von Jugend auf für seine großen Zwecke gebildet werden. Das erste Erforderniß is daher, daß die allgemeinen Prinzipien, nach denen der Staat in seinen öffentlichen Unterrichts- und Erziehungsanstälten die Bildung seiner Jugend an- legt, einfach und klar geseßlich aufgestellt werden —_

Es kam au im Jahre 1819 ‘zur Aufstellung eines umfassenden ees indessen gerieth die weitere Berathung desfelben bald ins Stoden.

Während in den nächsten Jahrzehnten die Verwaltung unaus- geseht an der Hebung des Schulwesens arbeitete, der Lehrerbildung und dem Unterricht neue Grundlagen gab und troß der knappen Mittel die Durchführung der allgemeinen Schulpflicht durch stetig fortgeseßte Gründung neuer Schulen und Seminare nah Kräften förderte, beshränkte sich die Gesetzgebung auf einzelne Gebiete des Nolks\chulrechts. Insbesondere wurde in der Kabinets-Ordre vom 14. Mai 1825 (Ges.-S. S, 149) der Grundsaß der Schulpflicht aufs Neue und allgemein zur Geltung gebraht; im Uebrigen aber kam es.

nur zu einigen provinziellen Ordnungen, welche hauptsächlich die S{ul- last betrafen. So entstanden der Landtagsabschied vom 22. Februar 1829 über die Regelung der Schullehrerbesokdungen bet den evangelischen Schulen in Schlesien (von Kampß, Annalen Bd. XV S. 178). das Regulativ vom 29. August 1831, betreffend die Errihtung und Unter- haltung der Landshulen in Neuvorpommera (von Kampt, Ännalen Bd. XV S. 564), und die Verordnunz vom 11. November 1844, be- treffend die Beitragspflicht der Rittergutsbesißer und anderer Grund- besißer in den vormals Königlih sächsischen Landestheilen in der A Sachsen zur Unterbaltung von Kirchen, Pfarren und Schulen Geseß-Samml. S. 6983). Auch gehören hierher die Verordnung vom 11. April 1846, betreffend die Beitragspfliht zur Unterhaltung von Kirchen, Pfarr- und Schulgebäuden in dem Markgrafenthum Ober- lausiß (Gesez-Samml. S. 164), und für das Gebiet des Allgemeinen Landrechts das Geseß vom 21. Juli 1846, betreffend den Bau der Schul- und Küsterhäufer (Geseß-Samml. S. 392).

Umfassender war die Schulordnung für die Elementarshulen der Provinz Preußen vom 11. Dezember 1845 (Gesez-Samml. 1846 S. 1), Sie regelt die Schulpflicht, die Berufung, das Amt, die Besoldung und Entlassuñg der Scullchrer, die Schulaufsiht (Sculpatron, Schulvorstand, Schukinspektor, Schuldeputation) und die Uaterhaltung der Elementarschulen,

,_ Der Plan, ähnli®ße Schulordnungen für die übrigen Pro- benden zu erlassen, wurde durch die Ereignisse des Jahres 1848 unter- rohen.

Nach Erlaß der Verfassungsurkunde, welche ein allgemeines Unterrichtsgeseß verhieß, sind wiederholt Vorarbeiten zu dermsélben unternommen worden. Nachdem indeß das Haus der Abgeordneten unter dem 6. April 1865 die Staatsregierung aufgefordert hatte, zu- nächst den Entwurf eines Gesetzes, betreffend Feststellung der äußeren Verhältnisse der Voiksshule, insbesondere der Lehrerbesoldungen, möglichst bald vorzulegen, bewegten sich in den folgenden Fahren die dem Landtage vorgelegten Geseßentwürfe auf dieser Linie, bis im Jahre 1869 das Haus der Abgeordneten der - Staats- regierung wiederum zur Erwägung gab, ob in der That der Erlaß eines allgemeinen Unterrichtégeseßes unmöglih erscheine. Diese Erwägungen führten zwar zur Einbringung eines allgemeinen Unter- riht8geseßes, dasselbe wurde aber in den parlamentarishen Verhand- lungen niht weiter gefördert. Es kam im Weiteren das Geseß vom 11, März 1872, betreffend die Beaufsichtigung des Unterrichts- und Erziehungswefens (Geseß-Samml. S. 183), zu Stande. Innerhalb des Minifteriuums wurde fodann im Jahre 1877 der Entwurf eines allgemeinen Unterriht8geseßes aufgestellt; derselbe ist aber dem Landtage nicht vorgelegt worden.

Seitdem ist eine stückweise Regelung der einzelnen, auf dem Gebiet des Volksshulwesens einer geseßlichen Ordnung bedürfenden Angelegenheiten erfolgt.

Das Gescy vom 22. Dezember 1869 (Geseßz-Samml. 1870 S. 1), betreffend die Erweiterung, Umwandlung und Neuerrichtung von Wittwen- und Waisenkassen für Elementarle\ÿrer, ist ausgestaltet durch die Ergänzungs8geseße vom 2. Februar 1881 (Gesetz Samml. S, 41), 19, Juni 1889 (Geseß-Samml. S. 131) und 27, Juni 1890 (Gesez-Samml. S. 211), welhe die Wittwenpension erhöhten, die Beiträge der Lehrer beseitigten und ein Waisengeld einführten.

Die Pensionsverhältnisse der Lehrer sind durch das Geseß vom 6. Juli 1885 (Geseß-Samml. S. 298) umfassend geordnet.

Durch die Gesetze, betreffend die Erleichterung der Volks\{ul- lasten, vom 14. Juni 1888 (Geseßz-Samml, S. 240) und 31. März 1889 (Gesezg-Samml. S. 64) sind den Gemeinden erhebliche Beiträge zur Lehrerbesoldung gegeben

Durch den Staatshaushalt sind den nit besonders reihlich be- soldeten Lehrern an allen Orten bis zu 10 000 Einwohnern Alters- zulagen bis zur Höhe von jährlich 500 Æ für Lehrer und 350 für Lehrerinnen gewährt worden.

Der dem Landtage auf Grund der Allerhöchsten Ermächtigung vom 3. Mai 1890 vorgelegte Entwurf eines Geseßzes, betreffend die Schulpflicht (Drucksachen des Hauses der geo e Nr. 189), ift zwar nit zur Verabschiedung gelangt, hat aber nah eingehender Be- rathung die Billigung der Unterrichtekommission des Hauses der Ab- pen gefunden (Drucksachen des Hauses der Abgeordneten

t, :

Inzwischen is eine geseßlihe Regelung des Volks\{chulwesens wiederholt und dringend im Landtage in Anregung gebracht.

Die Staatsregierung nimmt an, daß nah diesen schrittweisen Vorbereitungen die Zeit gekommen ist, um eine umfassende Ordnung der auf die öffentlihe Volksschule bezüglichen Angelegenheiten herbei- zuführen und dadurch insbesondere zu ciner gerechten Vertheilung der UnterhaltungEpfliht und zur Unentgeltlichkeit des Volks\chulunter- rihts, wie zu einer angemessenen Besoldung der Volksschullehrer im Sinne der Verfassung zu gelangen. : i

Fe mehr aber die neuere Geseßgebung dahin geführt hat, die Rechtsverhältnisse der öfentlihen Volksschulen von denjenigen der mittleren und der privaten Schulen zu \{cheiden, um so mehr erschien es zur Beschränkung der ohnedies s{chwierigen Aufgabe einer geseßlichen Lösung der Unterrichtsfragen erforderlich, und nach dem ungünstigen Ergebniß, welches frühere weitergreifende Pläne gehabt haben, zweck- mäßig, die geseßlihe Regelung vorerst auf das Gebiet der öffentlichen Volks\chule zu beshränken und daher diejenigen Fragen auszuscheiden, welhe über den Rahmen desfelben hinausgehen, Es betrifft das insbesondere das Lehrerbildungswesen und das Privatunterrihts- und Erziehungóöwesen, Unberührt bleibt auch die Schulaufsiht nah dem Geseß vom 11, März 1872, soweit nicht einzelne Befugnisse der Aufsicht und Leitung in dem vorliegenden Gesey selbst ihre nähere Begrenzung erfahren.

Die Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 bestimmt:

„Art, 21. Für die Bildung der Jugend soll durch öffentliche Schulen genügend gesorgt werden.

Eltern und deren Stellvertreter dürfen ihre Kinder oder Pflege- befohlenen nicht ohne den Unterricht lassen, welcher für die öffent- lihen Volksschulen vorgeschrieben ist.

„Art 23. Alle öffentlihen und Privatunterrihts- und Er- Pen stehen unter der Aufsicht vom Staat ernannter Behörden.

Die öffentlihen Lehrer haben die Rechte und Pflichten der Staatsdiener.

„Art. 24. Bei der Einrichtung der öffentlihen Volksschulen sind die konfessionellen Verhältnisse möglichst zu berücksichtigen.

Den religiösen Unterricht in der Volksschule leiten die betreffen- den Religionsgesellschaften.

Die Leitung der äußeren Angelegenheiten der Volks\{hule steht der Gemeinde zu. Der Staat ftellt unter geseßlih geordneter Be- theiligung der Gemeinden aus der Zahl der Befähigten die Lehrer der öffentlihen Volksschulen an.

„Art, 25. Die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung und Er- weiterung der öffentlihen Volkss{hulen werden von den Gemeinden, und im Falle des nachgewiesenen Unvermögens ergänzungsweise vom Staat aufgebraht. Die auf besonderen Rechtstiteln beruhenden Ver- pflihtungen Dritter bleiben bestehen.

Der Staat gewährleistet demnach den Volks\{chullehrern ein festes, den Lokalverhältnifsen angemehenes Einkommen.

t In der öffentlihen Volksschule wird der Unterricht unentgeltlih ertheilt.“

Demgemäß behandelt der Geseßentwurf in neun Abschnitten

I. Die Aufgabe und Errichtung dèr öffentlihen Volksschule Ss M h 1, Art. 24 Abs. 1 und 2 der Verfassungsurkunde)

ï is 25 —. i

11. Die Träger der Rechtsverhältnisse der öffentlihen Volkls\{hule (ra ga Abs. 3, Art. 25 Abs. 1 der Verfassungsurkunde)- §8. 26

is 82 —,

1IIT. Die S(hulpflicht und die Bestrafung der Schulvérsäumnisse (Art. 21 Abs. 2 der Verfassungsurkunde) —- §8. 83 bis 109 —.

1IV. Die Anstellung, das O und das Dienstein- kommen der Lehrer und Lehrerinnen an öffentlihen Volksschulen (Art. 23 Abs. 2, Art. 24 Abs. 3, Art. 25 Abs, 2 der Verfässungs- urkunde) S8§. 110 bis 148 —, , Daran anschließend;

y. Die Pensionirung der Lehrer und Lehrerinnen an öffentlichen Volksshulèn §8. 149 bis 172 und

VI, Die Fürsorge für -die Wittwen und Waisen der Lehrer an offentlihen Volkss{ulen S5. 173 bis 183 —,

VII. Die Stellung der Gemeinden, Gutsbezirke und Schulver- bände zur Sculaufsichtsbehörde auf dem Gebiet der öffentlichen NVolks\chule (Art. 23 Abs. 1 der Verfassungsurkunde) §§. 184 Gs YIT. Die Leistungen des Staates zur Unterhaltung der öffent- lichen Volks\hulen (Art. 25 Abs. 1 der Verfassungsurkunde)

y 4 bis: 199 —. 55. 4 S(hluß- und Uebergangsbestimmungen §8. 200 bis

E Erster Abschnitt. Aufgabe und Einrichtung der öffentlichen Volksschule.

Die 88. 1 bis 25 betreffen die Aufgabe und die Einrichtung der fentlichen Volkss{ule; dieselben sind bestimmt, die Grundsäye fest- zustellen, an welche si die Unterrihtsverwaltung bei der Leitung und Beaufsichtigung der SWulen zu binden, und die Ziele zu bezeihnen, welche sie zu erstreben hat. s i

Bei dem Entwurfe der bezüglihen Bestimmungen war zu be- achten, taß die Linien, innerhalb deren sih das Leben der Schule bewegen soll, nidt zu eng gezogen und nicht Anschauungen, Wünsche und Richtungen geseßlich feitgelegt werden dürfen, welche im Augen- blick als die rihtigen gelten, aber ihre Probe noch nit bestanden haben, und deren vorzeitige Anerkennung einer späteren Entwickelung vorgreifen würde. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die allzusehr in Einzelheiten eingehenden geseßlihen Vorschriften, welche in einigen Landestheilen gelten, der freien Bewegung und dem sicheren Fort- \critte auf dem Gebiete der Schule die größten Hindernisse Hereitet haben. Gerade jeßt, wo die allgemeinste Theil- nahme der gesammten deutshen Bevölkerung der Erziehung der heranwahsenden Jugend in der Shule lebhaft zugewendet ist, wo man von ihr die Heilung mancher Schäden der bürgerlihen Gesell- schaft erhofft, die Hut der höchsten Güter der Nation von ihr er- wartet, wo von allen Seiten die verschiedensten Wege zu dem er- strebten Ziele vorgeschlagen und erörtert werden, liegt die Versuchung nahe, im Gesehe eine recht ausführliche Beschreibung der vollkom- mensten Schulformen zu geben; es würde jedoch auf das Aeußerste bedenklih sein, diesen Weg zu betreten.

Der vorliegende Entwurf hat sich darum im Wesentlichen darauf beschränkt, die gegenwärtig im Schulleben geltenden bewährten Grund- ste festzuhalten und nur mit leiten Strichen ciner weiteren Ent- widelung den Weg zu öffnen | : j

Andererseits haben die Familien, welche ihre Kinder der Schule zuführen, und die Gemeinden, welche sie, zum Theil unter nicht ge- ringen Opfern, unterhalten, ein Recht zu erfahren, nah welchen Grundsätzen ihre Kinder erzogen werden, welche Kenntnisse und Fertig- feiten sie in der Schule erlangen, welche Bildung sie empfangen sollen. Ebenso darf der Zusammenhang nicht verkannt werden, in welhem die Vorschriften über die Cinrihtung der Schule mit dem Auf- wande stehen, den ihre Unterhaltung erfordert. Es ist daher unab- weisbar, über die Zahl der Kinder, welche einem Lehrer überwiesen werden dürfen, über das Maß der Schulroege, welchcs man einem Kinde auflegen kann, über die Anforderungen, welche an die Ausstattung der Squlräume zu stellen sind, bindende Vorschriften zu geben, während es ein berehtigter Anspruch der Familien ist, daß der alte Gedanke der religiössittliGen und. vaterländischen Erziehung der Kinder mit allen seinen Folgerungen im Geseß ausdrücklich ausgesprohen werde.

Wie bereits im Eingange erwähnt, sollen die §8. 1 bis 25 die Ziele angeben, welchen die Ünterrihts8verwaltung zuzustreben hat; es foll damit ausgesprochen werden, daß nit daran gedacht werden kann, sämmtliche öffentlihe Volksschulen des preußishen Staats sofort nach den hier gegebenen Normen umzugestalten und also unver- züglih soviel neue Lehrerstellen zu gründen, daß keine Klasse mehr als 80 Kinder zählt, und soviel Schulhäuser zu bauen, daß kein Kind mehr einen Schulweg von über 25 km zurückzulegen hat. Es würde, wenn die Unterrihtsverwaltung derartiges ausführen wollte, niht blos die Leistungsfähigkeit der unterhaltungspflichtigen Verbände überspannt und die Bevölkerung beunruhigt, sondern es wücde das Leben der Schule selbst gestört und dadurch geschädigt werden.

Die 88. 3 und 4, die hier besonders in Betracht kommen, sind vielmehc wesentlih dazu bestimmt, die Normen zu geben, an welche die Unterrichtsverwaltung {ih bei Neugründungen und Umbildungen von Schulkörpern zu binden hat Sie haben zuglei det“ Zweck, die unterhaltungépflichtigen Gemeinden vor zu weit gehenden Forderungen auf dem Gebiete der äußeren PORRIs der Schule zu s{chüßen.

Die Vorsthriften über Aufgabe und Einrichtung der öffentlichen Volksschule stellen sih auf den Boden, auf welchem fich die preußische Volks\hule von Anfang an bewegt hat, und sie shlagen den Weg ein, welchen sie im Wesentlichen jederzeit verfolgt hat. j Dies gilt vorzüg- lih von dem ersten Satze, welcher als die Aufgabe der Volksschule die religiöse, sittlihe und vaterländishe Bildung der Jugend durch Erziehung und Unterricht, sowie die Unterweisung derselben in den für das bürgerlihe Leben nöthigen allgemeinen Kenntnissen und Fertig- keiten bezeichnet. Es ist das derselbe Gedanke, der si bereits in der berühmten Verordnung König Friedrih Wilhelm I. vom 28, Sep- tember 1717 findet, und welcher die Schulordnungen Friedri des Großen und aller seiner Nachfolger beherrsht, auch in den ver- schiedenen Unterrrihts-Geseßentwürfen, mit denen sich die Landes- Leeeung bis jeßt zu beschäftigen gehabt hat, zum Ausdruck ge- angt ist.

ZF. 2, 3, N

Die §8. 2 und 3 sprechen aus, daß so viele Volks\{ulen vor- handen sein sollen, als erforderlich sind, um den Kindern die Grfüllung der Schulpflicht zu ermöglichen, und daß in der Regel kein Kind einen

Qulweg von mehr als 25 km haben darf. Der erste dicser beiden Säße ist die natürlihe Ergänzung der Schulpflicht; denn wenn Gltern und deren Angehörige verbunden sind, ihre Kinder nit ohne den Unterri{t der öffentlichen Volks\chule zu lassen, so haben sie auch zu fordern, daß ihren Kindern der Besuh der Volksschule ermögliht werde. Uebrigens kann das hier bezeichnete Ziel im Allgemeinen als erreiht angesehen werden, denn während am 20. Mai 1886 4 838 247 Kinder die öffentlihen Volks\{chulen besuchten, hatten nur 8826 wezen Ueberfüllung der für sie in Betraht kommenden Schule nicht rechtzeitig Aufnahme in dieselbe finden können.

In der Bestimmung des §. 3 ist zunächst ausgesprochen, daß von allen Rücksichten, welche bei der Einrichtung von Schulen in Betracht kommen, die Abkürzung des Schulweges die oberste Stelle einnimmt. Daß es den Kindern, deren volle Hälfte das zehnte Lebensjahr nicht überschritten hat, möglich sein soll, ihre Schule jederzeit auch im Winter regelmäßig und ohne Schaden für ihre Gesundheit zu besuchen, is wichtiger, als daß ihnen der Unterricht in mehreren aufsteigenden Klassen gewährt oder sonstige Wünsche bezüg- li der inneren Einrichtung der Schule erfüllt werden. Bei Be- messung eines Weges von höchstens 24 km is übrigens wiederum der gegenwärlige Zustand annähernd festgehalten; am 20. Mai 1886 hatten nur 131 947 Kinder cinen Schulweg von mehr als 3 km zurüctzulegen. Im November 1882 hatten die Kinder in 29 711 (am 20, Mai 1886 in 30 165) Fällen die Schule am Orte, Aus 8638 Ortschajten hatten die Kinder einen Shulweg von weniger als 2 km, aus 8381 Ortschaften einen weiteren Weg, und zwar aus 4502 weniger als 3, aus 3879 mehr als 3 km zurückzulegen. Unter diesen find alle Orte mitgezählt, die wegen ihrer einfamen Lage und ver- [chwindend geringen Bevölkerung eigene Schulen niht haben können (Leuchtthürme, Gebirgsbauden, N Kämpe u. dergl.)

Die Forderung des §. 4, daß einklassige Schulen im Allge- meinen niht über 80 Kinder zählen follen, entspricht altpreußischer Ucberlieferung und findet sich auch in der Gesehgebung der meisten außerpre:ßischen Staaten des Deutschen Reichs, insbesondere auch der“ Reichslande Elsaß-Lothringen, wieder. Sie ist zum ersten Mal in einem Ministerialerlaß vom 26. März 1827 qaus- gesprohen und darnach in dens Schulordnungen vom 3, Oktober

1854 und vom 15, Oktober 1872 wiederholt, Ebenso liegt fie den bezüglihen Bestimmungen in §8. 19. des Geseßentwurfs von 1861/62, 8, 26 desjenigen von 1869 und §. 28 desjenigen von 1871 zu. Grunde, Maßgebend für die Forderung ist vorzüglih die Rüd- sicht, daß die erziehliche Wirkung des Unterrichtes von dem Einflusse abhängt, welchen die Persönlichkeit des Lehrers auf jedes der ihm anvertrauten Kinder übt, und daß in dieser Beziehung der mens\ch- lichen Kraft engere Grenzen gels sind, als da, wo nur beabsichtigt wird, daß ein Lehrer ein gewi}ses Maß von Kenntnissen an feine Schüler bringe.

Bei. mehrklassigen Volks\{ulen muß die Durchschnittszahl der auf eine Lehrkraft angewiesenen Kinder unter 80 bleiben, wenn nicht eine Ueberfüllung der untersten Klassen entstehen soll, Auch bei der besten Schuleinrihtung erreihen nämlih nit alle Kinder einer Klasse oder einer Abtheilung am Ende des Jahres das Lehrziel, es bleibt also ein Theil derselben alljährlich in der betreffenden Klasse zurüd, während die neuen Shüler in Vollzahl eintreten. Es ist daher in

.4 Absay 2 vorgeschrieben, daß bei mehrklassigen Schulen die Durch{hschnittszahl auf 70 zu bemessen ‘sei.

Uebrigens it bereits oben ausgesprochen, daß niht daran gedaht werden kann, unmittelbar na Erlaß dieses Gesetzes alle Schul- klassen, welche über die hier vorgeschriebene Frequenz hinausgehen , zu theilen, sondern daß nur der Unterrichtsverwaltung eine Norm für ihre neven Einrichtungen gegeben und das Ziel gesteckt wird, welchem fle allmählich zustreben foll,

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Der §. 5 bezeihnet die Lehrgegenstände der Volks\{hule; es sind dieselben, welche in Gemäßheit der Allgemeinen Verfügung vom 15. Oktober 1872 {ou heute gelehrt werden, und welche mit Aus- nahme vielleiht des Turnens und der weiblichen Handarbeiten {on seit Anfang des Jahrhunderts eine Stelle in dem Lehrplan der Volksschule gehabt haben. Die Bedeutung der beiden leßtbezeich- neten Gegenstände ist gegenwärtig allgemein anerkannt; daß die Knaben nicht zur Wehrhaftigkeit erzogen werden können, wenn fie niht in der Schule {hon körperlih geübt sind, steht ebenso fest, als daß die Unterweisung der Mädchen in den Handarbeiten die Voraus- seßung für den glücklichen Bestand des häuslihen Lebens in der Arbeiterfamilie is, Wenn noch vor 20 oder 10 Jahren die Aufnahme der weiblichen Handarbeiten in den Lehrplan der Volksschule vielfa auf Widerstand \ticß, so ist derselbe heute überwunden, - die Schule hat sich vielmehr mit weitergehenden Forderungen abzufinden, Man verlangt Haushaltungsunterriht für die Mädchen, Uebung der Handfertigkeit für die Knaben, auch wohl noch manches Andere. Daß die allgemein verbindlihe Aufnahme solher Gegenstände in den Lehrplan zur Zeit verfrüht wäre, bedarf keiner weiteren Begründung, Oer zweite Absatz des §, 5 ermöglicht aber der Unterrichtsverwaltung, derartigen Wünschen der Gemeinden, wo sie geprüft, bewährt und berechtigt sind, Folge zu geben. Der- selbe Paragraph gestattet auch die Aufnabme einer fremden Sprache in den Lehrplan der Volksschule, wo die Verhältnisse der Bevölkerung dies erfordern oder wo in einer einzelnen Schule eine besondere Auf- gabe zu lösen bleibt,

D.0: Di: 12:

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Die 88. 6 bis 12 übernehmen aus den zur Zeit in Geltung be- stehenden Ministerialverfügungen über die Gliederung und innere Ein- rihtung der Volksschule diejenigen Bestimmungen, welhe im Gesetze niht entbehrt werden können.

Für die Vorschrift des §. 6, nach welcher der Lehrplan und die innere Einrichtung der Volksschule, unter Berücksictigung der örtlichen Verhältnisse, von der Schulaufsichtsbehörde bestimmt werden sollen, ist die doppelte Nücksiht maßgebend gewesen, daß die Grundzüge für den Lehrplan möglichst im ganzen Staatsgebiet, jedenfalls aber inner- halb. einer Provinz die gleihen sein müssen, wenn die Volksschule überall ihre Aufgabe erfüllen und der \schulpflichtigen Jugend das- jenige Maß der für das bürgerlihe Leben nöthigen allgemeinen Kennt- nisse und Fertigkeiten geben foll, unter welhes ohne Schaden für daß Gemeinwohl nicht heruntergegangen werden darf; und das andererseits der Untershied in den Verhältnissen und Bedürf- nissen nit nur der einzelnen Provinzen, sondern auch noch innerhalb derselben, der einzelnen Landestheile, so groß ist, daß eine völlige Gleichheit der Schuleinrichtungen nur unter den größten Schwierig- feiten durchzuführen sein und der Volksbildung selbst niht zum Vor- theil gereihen würde. 4 :

Cs wird genügen, auf die Verschiedenheit hinzuweisen, welche in den Lebensbedürfnissen der ländlihen Bevölkerung und denjenigen der großen Städte liegt; ferner an die verschiedenen Erwerbszwetge zu erinnern, auf welche die Bevölkerung in den Gegenden am Meer, im Gebirge und auf dem flachen M angewiesen ift.

Die Annahme von drei Unterrichtsftufen im §. 7 beruht auf der Erfahrung, daß auf die hier vorgeshriebene Weise einerseits die Auf- gabe der Schule am leichtesten gelöst, andererseits die Gliederung der- selben in mehrere aufsteigende Klassen bei Zunahme der Schülérzahl nah Möglichkeit erleichtert wird ; insbesondere waren dabei noch fol- gende Erwägungen maßgebend :

Die erste Aufgabe, welche die Schule an den ihr zugeführten Kindern zu lösen hat, ist, sie für Entgegennehmen des Unterrichts- stofes fähig zu machen, d, h. sie sprechen, lesen und {reiben zu lehren. Diese Arbeit erfordert in der Regel zwei Jahre; während derselben gehören die Kinder der Unterstufe an. Der Mittel- stufe fällt sodann die Hauptaufgabe des Unterrichts zu; in den drei bis vier Jahren, welche ihr die Schüler angehören, sollen sie die jedem Mitgliede der bürgerlihen Gesellschaft unentbehrlihen Kennt- nisse und Fertigkeiten gewinnen, während dann auf der Oberstufe die- jenigen Kinder, welhe die Schule regelmäßig besucht haben und normal begabt sind, Gelegenheit erhalten, weiter zu lernen und siheren Grund zu ihrer Grwerbsfäßigkeit zu legen. Es bedarf wohl kaum des Hinweises auf die Bedeutung, welhe eine zweckmäßige Gliederung der Schule für die Lösung der ihr zufallenden erziehlichen Aufgabe hat. Besonders deutlich tritt dies im Religionsunterricht hervor. Während den Kindern auf der Unterstufe die einfachsten Clemente religiösen Wissens gegeben und sie zu den ersten religiösen Vebungen gewöhnt werden, werden sie auf der Mittelstufe in den Besiß derjenigen Kenntnisse geseßt, deren sie nit entbehren können, wenn sie an den Gottesdiensten ihrer Gemeinden theil- nehmen sollen, und erhalten sie endlih auf der Oberstufe, neben einer würdigen Vorbereitung für Konfirmations- beziehungsweise Kom- munionsunterricht, diejenige religiös-sittliche Erziehung, welche sie be- fähigt, im Leben ihrer Gemeinde sih zu bethätigen, dem Staate als treue Bürger zu dienen und den Versuhungen des Lebens zu wider- stehen. Der Regel nah werden die Schüler vom vollendeten sechsten bis zum vollendeten achten Jahre der Unterstufe, von da bis zum vollendeten elften Jahre der Mittelstufe und in den übrigen Schul- jahren der Oberstufe angehören. Selbstverständlich werden aber \chwae, kranke, unregelmäßig zur Schule: kommende Kinder zurück- bleiben, andere voraneilen; und die Schule hat Einrichtungen zu treffén, damit dies ohne Schaden für die Mugler mögli sei.

Daß die Kinder der dret Unterrichtsstufen niht die gleichmäßige Stundenzahl erhèlten, findet seinen Grund in dem verschiedenen Unterrichtsbedürfniß derselben und in der Ungleichheit ihrer gèistigen und körperlichen Kräfte. Die Lehrstunden, welche die Oberstuté mehr hat als die mittlere und die untere, ermöglichen es in der einflassigen Schule dem Lehrer, sich mit den älteren Schülern ungestört zu be- \ckäftigen und ihnen Stoffe mitzutheilen, welhe sie dann in stiller Beschäftigung frei verarbeiten, wenn der Lehrer mit dem Unterricht der Unterstufe befaßt ift. j i

Wenn im §, 8 die Stundenzahl für die einzelnen Stufen unbe- stimmt angegeben oder vielmehr für die Bestimmungen derselben im einzelnen Fall eine gewisse Freiheit gelassen ist, so hat dies feinen Grund in der bereits erwähnten Nothwendigkeit, die örtlichen Ver- hältnisse zu berücksihtigen. Schulen mit einer geringeren Kinderzahl bedürfen geringerer Unterrichtszeit; es wird aber au der Fall etn- treten, daß dieselbe Schule im Sommer eine andere Stundenzahl er- hält als im Winter, sei es mit Rücksicht auf die Schulwege, fei es,

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um den Eltern die Heranziehung der Kinder zu häuslicher Arbeit zu erleihtern.

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Die örtlihen Verhältnisse, von welden es abhängt, ob die Stufen als besondere Klassen eingerihtet, vielleiht sogar für die Stufen je zwei bis drei Klassen gebildet werden, liegen in ¡der Zahl der Schüler, in den Räumlichkeiten des Schulhauses, in der Möglich- keit, die nöthigen Lehrkräfte zu beschaffen, in der Leistungsfähigkeit der Schulbezirke.

S 10. : 5 Die Vorschrift des §. 10, nah welcher in den Städten im Allge- meinen Volks\{chulen mit mindestens drei aufsteigenden Klassen be- stehen sollen, hat, wie aus §. 15 ersihtlich ift, „nicht die Bestim- mung, eine Berücksihtigung der konfessionellen Verhältnisse zu erschweren, sondern sie soll nur für die Einrichtung des Schulwesens in den Städten eine allgemeine Mou bilden.

Der §, 11 wahrt dér Familie ein gewisses Recht, die Sthulé it wählen, in welcher sie die von ihr gewünschte Erziehung des- Kindes“ am besten gefördert zu sehen glaubt. é

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Der §. 12 sieht die Fälle vor, in denen die besonderen Vete-. hältnisse einer Schule die Theilung derselben in zwei Klaffen - erfordern, die Anstellung eines bee, Lehrers aber .nochG nl@t. erfolgt (Halbtagsscule). Ein folcher Fall tritt zunä wenn die Zahl der Schüler achtzig überschreitet, aber die Un behörde Anstand nehmen muß, die sofortige Anstellung eines zwei Lehrers zu fordern, weil noch nicht festgestellt werden kann," däß die Scülerzahl sich dauernd auf ihrer Höhe halten werde, oder weil ein zroeiter Klassenraum noch nicht hergestellt ist ; vielleiht au darum weil zu Zeiten eines Lehrermangels die vorhandenen Lehrkräfte an anderer Stelle dringender gebraucht werden, oder die Mittel zur Bé- foldung eines zweiten Lehrers nicht bereit gestellt werden können. Ein anderer Fall ist der, wenn ein Shulzimmer für die vorhandenen Schüler nicht ausreicht, obgleich deren Zahl achtzig nicht überfteigt, oder wenn der Lehrer wegen Shwäce feiner Augen oder seiner Stimme, vielleiht auch wegen vorgeschrittenen Alters nit alle Kinder gleich- zeitig zu unterrihten vermag. Durch die in diesen Fällen angeordnete Theilung der Klasse erfährt der Uaterriht für jedes einzelne Kind zwar eine Verkürzung; der entstehende Schaden wird aber dadur zum Theil aufgewogen, daß der Lehrer sih in jeder der beiden Abthei- lungen den Kindern vollständig widmen kann, und sie in den ihnen auf diefe Weise ertheilten Unterrihtsstunden erheblich mehr empfangen, als der Fall ‘sein würde, wenn die Kinder aller Abtheilungen vereinigt wären. Im Falle solcher Ver- einigung treten häufig in den Stunden sogenannte- ftille Be- \cästigungen an die Stelle des unmittelbaren Unterrihts. Dazu kommt, daß der Lehrer die einzelnen Schüler bei einer Theilung der Klasse mehr ins Auge fassen kann und der erziehlihe Einfluß der Schule dadurch größer wird. Damit aber die Nachtheile, welche aus der Verkürzung der Unterrichtszeit für die einzelnen Schüler entstehen können, auf das mindeste Maß zurückgeführt werden, ist die Halb- tags\hule so eingerichtet, daß die geforderten Abtheilungen aufe- steigende sein müssen. Die Vertheilung der Unterrichtszeit in der Halbtags\cule' wird dann in der Regel so geschehen, - daß die älteren Kinder achtzehn bis zwanzig, die jüngeren zwölf Unterrichtsstunden erhalten. Im Winterhalbjahr wird dies immer der Fall sein, im Sommerhalbjahr bisweilen das umgekehrte Verhältniß stattfinden. Die Bertheilung der Lehrgegenstände auf die verkürzte Unterrichtszeit wird ih je nah den örtlihen Verhältnissen verschieden gestalten. Der weltkundliche Unterricht wird nicht - ganz entbehrt werden könuen, insbesondere werden die Kinder au bei verkürzter Unterritszeit die vaterländische Geschichte kennen lernen müssen. Uebrigens aber wird si der. Unter- riht niht gleichzeitig über Erdkunde, Geschihte und Naturkunde erstrecken, sondern jahrmeise abwechselnd den einen oder den anderen dieser Gegenstände aufnehmen. Htergus ergiebt si allerdings zuglei, daß die Halbtags\chule, fo viele Vorzüge sie auch vor einer überfüllten oder mangelhaft eingerihteten einklassigen Schule hat, doch immer nur cine Aushülfe darbietet und ihre Erweiterung zu einer / zwel- klassigen Schule mit voller Unterrichtszeit für jede Klasse überall, foweit irgend thunlich, erstrebt Morden muß.

Der §, 13 überuimmt die Vorschrift aus §. 10 Tit. 12 Th. IL des Allgemeinen Landrechts.

88. 14 bis 17. L

Die 88, 14 bis 17 ordnen - die konfessionellen Verhältnisse der öfentlihen Volksschulen im engen Anschluß an Artikel 24 der Ver- fassungsurkunde. :

det ist, daß die Kinder den Religionsunterriht ihres Be- kenntnifses erhalten. Wenn noch in der Begründung früherer Unter- rihtsgeseßentwürfe es nothwendig erschien, ‘die Anforderung, es folle ein allgemein christliher, ja vielleicht ein ganz allgemeiner Religions- unterricht ertheilt werden, als unbere{tigt, unchristlich Und jedenfalls als unausführbar zurückzuweisen, so erscheint dies heute nicht mehr nöthig, da kaum noch ein ernster Ap derartigen Gedanken Raum giebt.

Der Gesetzentwurf geht aber weiter und verlangt, bol möglichst kein Kind ohne den Religionsuntecriht seines Bekenntnisses bleibe, und daß überall, wo auch nur 15 Kinder einer konfessionellen Minder- Lan sind, ein besonderer Religionsunterriht für sie gewährt werde.

Geht die Zahl der Minderheit noch weiter herab und ift es nicht möglich, durch Vereinigung von Kindern ‘aus verschiedenen Schulen Hülfe zu: schaffen, so wird sh ein Zwang gegen die Ge- meinden niht durchführen lassen, es is aber dadur nit ausge- \{lossen, daß, wenn ein Lehrer zu gewinnen ist, Staatsmittel ergän- zend eintreten. 8 17

Der §. 17 bestimmt die Grenzen zwischen der staatlihen Schule aufsicht und dem Rechte der Leitung des Religionsunterrichtes, welhe den Religionsgesellshaften verfassungsmäßig zusteht. Maßgebend ift der Gedanke, daß auch der E in der Volksschule den Gegenstand staatlicher Fürforge dildet; anderènfälls würde der ganze kFonfessionelle Charaktèr der Schule, welchen | die §S. 14,“ 15, 16 wahren, zum Sein herabsinkèn. Daneben haben die Religtonsgefell- schaften ihr Recht, darüber zu wachen, daß die Kinder in der Lehre ihrer Konfession unterrichtet werden Diese ibnen pfli@tmäßig zu- stehende Obhut zu üben, werden fie in den Stand gescht, indem ibnen Antheil an der Aufstellung des Lehrplanes und an der Auswahl der Lehtbücher gewährt wird, und indem fie Gelegenheit erhalten, zu prüfen, ¿ob der Lehrer auch nach dem vereinbarten Lehrplan und in Anschluß an die ihm übergebenen nein unterrichtet.

§18. :

Der §. 18 bezeichnet die Dauer der Ferien. Da die Zeit der- selben nur mit Rücksicht auf die örtlichen Bedürfniffe, namentli der ländlichen Bevölkerung, bestimmt werden kann, ift bei der Vertheilung der Ferien auf die einzelnen Jahreszeiten auf dem Lande dem Kreis aus\chusse, in den Städten dem Schulvorstande eine Mitwirkung zue

gésprochen. S. 19.

Der §. 19 ordnet die Schulzucht im Sinne der Allerhöhsten

Ordre vom 14. Mai 1825. O 88. 20 bis 2%.

Bei den 8. 20 bis 25, welche die äußere Ordnung der Schule angehen, ist das Bestreben maßgebend gewesen, einerseits die Er- füllung der Aufgaben, welche die Schule au in Beziehung auf die förperlihe Ausbildung und Kräftigung sowie auch die Pflege der Gesundheit ihrer Zöglinge zu lösen hat, zu ermöglichen, andererseits die Anforderungen an die Unterhaltungspflihtigen auf ein möglichst niedriges Maß herabzuseßen. In diesen Grenzen und in diesem Sinne wird daber auch die Schulaufsichtsbehörde fi bei dem Erlaß der na 8. 20 zu treffenden allgemeinen Anordnungen über die S@Hulbauten und’ die Ausstattung der Volksschulen zu halten haben. Wenn dort noch besonders der Berücksichtigung der öctlien Verbältnisse gedacht ist, so soll damit einer \{hablonenhaften Behandlung der An- gelegenheit entgegengewirkt werden, welche ebensowenig den Znteressen