1890 / 279 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 19 Nov 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Begründung zu dem Entwurf eine? Gewerbesteuergesehes.*)

ie S welche die Reform der Gewerbesteuer in dem A Reform der direkten Steuern einnimmt, ift iz einleitenden Tbeil der Begründung des vorgelegten Entwurfs des

bargelegt. Einkommensteuergeseßes hars die Finanzlage Bemerkten ist die Bei-

t über Ô ; Leba E bestener nothwendig. Die Staatsregierung hegt

jedo nit die Absicht, diese Steuer zu einer ergiebigeren Quelle von taatseinnahmen auszugestalten. L Laut

Der Entschluß, die sofort durchführbare, wenn auch {wierige Reform der Gewerbesteuer unverzügli@ in Angriff zu nehmen, beruht vielmebr auf der Ueberzeugung, daß es in der That eine unauf\chieb- bare Aufgabe der Gesetzgebung ist, die Mängel der bestehenden Ge- werbestcuer abzustellen und vorüehmlich den durchaus begründeten Klagen über die ungercchte Vertheilung dieser Steuerlast zum Nach- tbeile der feinen und zum Vortheile der großen Betriebe durch- greifende Abhülfe zu s{haffen. :

Der gegenwärtige Zustand der Besteuerung des stehenden Ge- werbeketriébes ist zwar vielfach Gegenstand der Kritik sowohl im Landtage als außerhalb desselben ewesen, so daß wohl allgemein die Notkbwer digkeit wefentlicher Zenderungen auf diesem Gebiete un- bestritten ist, Denr o erscheint es rathsam, der Entwielung des dem vorliegenden "Entwurfe zu Grunde tiege"den Planes einige orientirende Bemerkungen vorauszushicken, da niht Alles an dem Be- stehenden zu verwerfen, vielmehr manches Werthvolle und Bewährte au in den neuen Zusta:d hinüberzunehmen fein wird. i:

Die Grundlage der bestehenden Besteuerung bildet noch immer %as gleichzeitig mit der Einführung einer Klassensteuer und Regelung der Mahl- und Schlachtsteuer in den größeren und mittleren Städten unterm 30. Mai 1820 erlassene Gewerbesteuergeseß.

Es war mit dieser Abgabe, wie das Gutachten der Staatsraths-

ission sagt,

E Cialis nur darauf abgesehen, den lohnenden Gewerbebetrieb zu triffffen, welcher fi in den großen und in den nahrhaften mitt- leren Städten vereinigt.

Sn den kleineren Städten und auf dem Lande erwartete man nur çinen geringen Betrag. „Für das platte Land und die kleinen Städte, das ist für 13/15 der Nation, kann die Gewerbesteuer als ein 2uslag zur Klassensteuer angesehen werden“, heißt es in demselben Gutachten. A l Es ist nicht ohne Interesse, zu sehen, wie sich in dieser Hinsitht der gegenwüärlige Zustand gestaltet hat. Nach der Veranlagung für 1890/91 beträgt das Sollaufkfommen an Gewerbesteuer 18 515 783 M4 Hiervon entfallen auf die großen und mittleren Städte, welche die erste und zweite Gewerbesteuerabtheilung bilden, rund

11 360 000 M, auf die kleineren Städte der dritten Gewerbesteuerabtheilung und auf die noh kleineren Städte und das platte Land rund

7200 000 M,

In ‘der Absicht; nur die lohnenden Gewerbe zu treffen, beschränkte man die Besteuerung auf solche Gewerbtreibende, welche

„1) theils neben den persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten noch cin bestehendes Kapital in ihrem Betriebe benutzen;

2) theils der Erfahrung nach einen ebenso sicheren als {nellen Gewinn abwerfen; : L A L

(Großbändler, Gastwirthe, Brauer, Bäder, Schlächter, Müller)

3) theils eine besonders große und für das Volk im Ganzen

feine besonders günstige Konkurrenz darbieten. (Alle Arten von Einzelhandel bis zur Hökerei hinab, wozu besonders in den unteren Stufen ein Andrang von müßigen, arbeits\heuen Personen is, der dem Volks8geist, eine \{lechte Richtung giebt und bei ‘der Nothwendigkeit, von geringem Absatz zu leben, den Profit- saß „erhöht und zu Betrug und Defraude reizt. Ferner alle Arten von Schankwirths{afsten.)“ '

Es läßt fich hiernach nit verabreden, daß neben dem rein finanziellen Zwecke doch auch Ziele anderer Art mit in das Auge gefaßt wurden, und es kann nicht Wunder nehmen, daß nach dem Buthstaben des Gesetzes gerade die große Masse der Geroerbe geringster Art empfindlich betroffen wurde. :

Der vorstehend erwähnten Absiht gemäß \prach das Gescß nicht eine allgemeine Steuerpflicht der stehenden Gewerbe aus, fondern faßte die zu besteuernden Gewerbe in zehn besondere Klassen zusammen, nämlich ‘Handel mit kaufmännisGen Rechten und ohne solche; Gast- und Schankwirthe; Bäckerz Fleischer ; Brauer; Brennec ; Handwerker ; Müller; Fuhrleute und Schiffer. S

In die Handelsklassen wurden jedoch zugleich alle Fabritbetriebe und überhaupt alle Verfertigung von Waaren auf den Kauf mit Ausnahme derjenigen der Handwerker verwiesen. Jn der Folgezeit hat sih die Spezialisirung der Klassen, selb in dem geringen Maße, wie sie in dem Geseß durchgeführt war, nicht bewährt. Ällmählich find, nahdem die Brenner in Folge der Einführung der Maischraum- steuer von der Gewerbesteuer befreit worden waren, sowohl die Brauer als die Bäcker und Fleischer und \{ließlich auch die Müller in die Handelsfteuerklassen aufgenommenz nur die geringsten Mühlen- betriebe werden mit den Handwerkern besteuert.

Die Zahl der qualitativ unters{hiedenen Gewerbearten ist also abgeséhen von der Klasse der Fuhrleute und Schiffer auf drei vermindert, nämlich:

Handel (einschließlich der Fabrikation 2c.); R (einf{ließlich der geringen Múbhlen);

ast- und Schankwirthshaft (einschließli) des

möblirter Zimmer, der Speisewirthschaft 2c.).

In diesen drei Kategorien / werden die Gewerbe übereinstimmend nach Mittelsäten worauf demnächst noch näher einzugehen be- steuert und die Mittelsäße nah der Größe und Gewerbsamkeit der Vetriebsorte abgestuft. Nach letzteren Kriterien sind die vier Gewerbe- \teuercbtheilungen gebildet. Die Besteuerung der Handelsgewerbe aber erfolgt nit in einer, sondern in drei verschiedenen Klassen, indem Be- triebe von bedeutendem Umfange in Klasse À I, Betriebe von mitt- Terem Umfange in Klasse À 11 und Betriebe geringster Art in Klasse B, besteuert werden sollen.

CEine'Uebersit der Mittelsäße na den erwähnten Unterscheidungen der Steuerklassen und Abtbeilungen ist beigefügt.

Es verdient beachtet zu werden, daß die seit länger als 40 Jahren auf die Tagesordnung gesetzte, wenn au nur stück- und \{rittweise vorgenommene Revision der Gewerbesteuer konstant die Richtung ein- ges{lagen hat, die qualitativen Untersheidungen zu vereinfachen. Man hat .es allmählich aufgegeben, die Brauer nach dem Malz- verbrauch, ‘bie Bâcker und Fleisher nach einem bestimmten Ansaß für jeden Kop? der Bevölkerung des Betriebsortes, die Mühlen nach ihrer Bauart und Mablgängen, Sägegattern 2c. zu- veranlagen, deshalb das Meiste unter Handel und Fabrifalion zusammengefaßt und hier nur now nach dem Umfange eine Klassentrennung statuirt. Es kann daher auch nicht Wunder nehwen, daß die Handelssteuerklassen mehr als zwei Drittel der Gewerbesteuer aufbringen, 122 Millionen Mark, wogegen die Masse der Gast- und Schankwirthe 2c. etwa 32, die Klasse für Handwerksbetricbe zwei Millionen trägt; im Gegentheil nah der gegenwärtigen Gestaltung der gewerblihen Verhältnisse kann es hon von vornherein Bedenken erregen, daß auf die gesammten Fabrik- und die gesammten Handelsunternehmungen nit ein noch höherer Antheil an der Gewerbesteuer entfällt.

Cine vollständige Uebersicht über das Sollaufkommen an Gewerbe- steuer für 1890/91 ist beigefügt.

, Der vorlicgende Entwurf beabsichtigt die Einrihtung der bis- herigen Klassen- und der Gewerbesteuerabtheilungen aufzuheben.

Beide Einrichtungen sind so oft und im Wesentlichen zutreffend kritisirt, daß es ausreichen dürfte, uur an die hauptsählih{ten Aus- stellungen, die daran zu machen sind, zu erinnern. Die Bildung von Ortsklassen O Neimgen), na denen sich die Gewerbesteuersäßze abstufen, ist keine Eigenthümli{keit des preußishen Gesches,

Vermiethens

*) Den Text des Gesehentwurfs haben wir in Nr. 278 des

eR,- u, St.-A,* veröffentli@t.

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findet vielmehr au ix der Geseugebung anderer. Staaten, (Frankrei, Bayern, Hessen, Elsaß-Lotbringen) man-gfaltige An, wendung. Mehr und mehr aber hat sih die Erker,ntniß Bahn ge brochen, daß gge arria die Bedeutung der Gewer'sebetriebe in weit geringerem Maße als ehedem von dec Größe uro der allgemeinen Gewerbsamfkeit des Ortes oder Bezirks abhängig ist, ia welchem der Betrieb stattfindet. Die ungeahnte Entwickelung des modernen Ver- kTehrslebens, der Tranêport- und Kommunikationsmittel, die gewaltige Zunahme folcher Unternehmungen, bei denen die lokale Nachfrage nur cine vers&windende Rolle spielt, hat in der fraglichen Beziehung nivellirend gewirkt.

Die Wahl des Standortes ihrer Betriebe ist den Gewerbtreiben- den hierdurch wesentlich erleihtert, und bei derselben kommen häufig ganz andere Momente z. B. die Lohnfrage mehr in Betracht, als die Größe und Gewerbsamkeit des Ortes. :

In dem neueren bayerischen Gewerbesteuertarif finden sich demgemäß unter den 141 Positionen, unter welchen die Gewerbsarten gruppenweise zusammengefaßt werden, mehr als 90 Positionen, bei denen eine Abstufung der Steuer nah Ortéklassen aufgegeben ist. Insbesondere ist dies ge- {ehen beim Großhandel und bei sehr vielen industriellen Unternehmen, während hauptsächlih für den Kleinhandel, das Handwerk, die Wirth-

\haftsgewerbe, die Ortsklassen noh von Einfluß auf die Besteuerung ge-

blieben sind. Es mag dahingestellt bleiben, ob eine Einschränkung in dieser Weise die Ortéklassen noch haltbar machen könnte.

Unter allen Umständen würde dies nur ganz überwiegend bei den kleinen Betrieben ges{chehen können, und es erscheint nicht erforderlich, hierauf weiter einzugehen, da nach dem vorliegenden Entwurf die große Masse solcher Betriebe von der Gewerbesteuer überhaupt be- freit oder doch nur in geringem Maße zu derselben herangezogen werden soll.

Gbenfo sind die Mängel der bestehenden Eintheilung der Ge- werbesteuerklafsen {hon vielfach zutreffend hervorgehoben.

Bekanntlich hat die Eintheilung zur Folge gehabt, daß eine Neihe von gewerblichen Unternehmen, die fi in keine der bestimmten Klassen einreihen lassen, von der Gewerbesteuer überhaupt niht betroffen werden, z. B. Theater, Panoramen, und ähnliche stehende Betriebe, Straßenbahnen mit Dampfbetrieb u. |. w. Sodann fehlt es nit an Gewerbebetrieben, welche unter verschiedene Klassen gleichzeitig fallen und in mebreren Klassen zur Steuer kerangezogen werden müssen, obwohl es sich keineswegs dabei um völlig getrennte, für si bestehende Betriebe handelt, so z. B. der Betrieb der Gastwirth- saft und gleichzeitig des Fuhrgewerbes, des Handels mit Wein und r Scankwirthscchaft, der Schneiderei und des Handels mit Kleider- iosfen,

Wichtiger noh is der Umstand, daß cs im Laufe der Zeit immer \chwieriger geworden ist, eine bestimmte Grenze zwischen der Hand- werkerklasse und den Handelssteuerklassen zu ziehen, da Niemand mit voller Sicherheit zu sagen weiß, wo der Betrieb aufhört, sich inner- halb der Grenzen des Handwerks, und wo er {on anfängt, {ih innerhalb der Grenzen des Fabrikbetriebs zu bewegen. Die für andere Be der Statistik und sozialen Gesetzgebung angenommenen Kriterien

aben für die Steuerveranlagung keine Bedeutung.

No größere Schwierigkeiten sind leßterer indessen aus der Un- bestimmtheit der Kriterien für die Vertheilung der Steuerpflichtigen in die drei Handelssteuerklassen, zu denen, wte bemerkt, ebenso alle Fabrifkattons8gewerbe gehören, erwahsen. Nach Vorschrift des Gesetzes joll hierbei von der mittleren Klasse (A I1) ausgegangen werden.

Die „umfangreicheren* Betriebe, bei denen „theils nach der Höhe des dazu erforderlihen Anlage- und Betriebskapitals, theils nah der Grheblihkeit ihres jährlihen Umsaßzes auf einen Betrieb von be- deutendem Umfange zu {chließen ist“, sollen zur Klasse A T ver- es die Geschäfte geringster Art aber für Klasse B ausgesondert werden.

An Bemühungen der Centralverwaltung, auf Grund vorstehender, so außererdentlich unbestimmten Grundlagen eine möglichst gleich- mäßige Abgrenzung der drei Klassen im ganzen Umfange des Staates durzuseßen, hat es nicht gefehlt. Das Ziel ist aber, worüber man sih nicht täuschen darf, nur in unvollkommener Weise erreicht. Es liegt in der Natur der Sache, daß mit den Worten „bedeutender Umfang, mittlererUmfang*“, Betriebe ,geringster Art“ sich ganz verschiedene Vorstellungen, je nach der Größe und gewerblihen Entwickelung der Ver- anlagungsbezirte verknüpfen und daß die Berweisung auf den Schluß, welcher fich theils aus der Höhe des erforderlihen Kapitals, theils aus der Erheblichkeit des jährlihen Umsayes auf den Betricbsumfang ziehen läßt, niht in höherem Grade geeignet war, Ungleichheiten von Bezirk zu Bezirk auszuschließen. Ueber die vorstehend berührten Ausstellun- gen gegen die bestehenden Eincihtungen der Gewerbesteuer wird kaum eine Mteeinungsverschiedenheit obwalten können. Der in neuerer Zeit am lautesten erhobene Vorwurf besteht jedo darin, daß die Gewerbesteuer den kleinen, wenig leistungéfähigen Betrieb unverhältnißmäßig höher be- lastet als die großen kapitalkräftigen und gewinnreichen Geschäfte, cin um so schwerer in die Waagschale fallender Vorwurf, als der Klein- betrieb und yornehmlich das Handwerk ohnehin durch die über- mächtige Konkurrenz der Fabriken und der großen Handelsgeschäfte vielfa bedrängt wird.

Die Richtigkeit auch dieser Ausftellung if ohne Weiteres zu- zugeben und könnte mit vielen Zahlen belegt werden. Es genügt im Allgemeinen anzuführen, daß fih bei einer für gewisse Gattungen von Gewerben in Berlin kürzlich angestellten Vergleihung der Gewerbesteuersäte einerseits und andererseits der veröffentlichten Reinerträge der Aktiengesellshaften oder der bei der Einkommen- besteuerung angenommenen Beträge des Einkommens aus den Gewerbe- betrieb ganz evident ergeben hat, wie die Großbetriebe überwiegend weniger als 1% an Gewerbesteuer entrihten und gerade bei Bank- geschäften die Steuer mehrfach nur einen Bruchtheil cines Prozents vom Reinertrage in Anspruch nimmt, der bei den größten Banken sih dem Saß von einem pro Mille des Reinertrages nähert. Dagegen werden zweifellos die Handwerker und die kleinen Handelsbetriebe baf mit Steuersäßen von 2 und mehr Prozenten des Reinertrages

etroffen.

Die durch das Gescß vom 19. Juli 1861 eingeführte Besteuerung der Betriebe von bedeutendem Umfang in einer besonderen Klasse A 1 mit erhöhten Steuersäßen is von der Entwickelung der Großbetriebe in den leßten 30 Jahren weit überholt und führt nicht mehr zu einer angemessenen Belastung derselben. Á

Die gleichzeitig zugelassenen Erleichterungen für geringe Betriebe von Kleinhändlern und Handwerkern (8. 25 Nr. 2 und 4 des ge- dachten Gesetzes) haben si ebenfalls ungeachtet der späteren Korrektur (Geseh vom 20. März 1872 8. 2 und vom 5. Juni 1874 §. 2) nicht wirksam genug erwiesen.

Wenn anzunehmen ift, daß die Mängel der bestehenden Klassen- eintheilung und der gegenwärtigen Steuervertheilung allgemein an- erkannt werden und deshalb auf eine noch tiefer eindringende Unter- suchung dieser Punkte hier“ verzichtet werden kann, so fragt sich nun- mehr, welcher Weg einzushlagen sein wird, um zu einer befriedigen- den Einrichtung zu gelangen.

Schon bei ‘den Vorberathungen des Geseßes von 1820 wurde von vielen Stimmen befürwortet der bénußten Gewerbesteuer- gefeßgebung Frankreihs auch darin folgend einen die einzelnen Gewerbsarten besonders aufführenden und für jede die Besteuerung nah den für sie ausgewählten Merkmalen regelnden Gewerbefsteuer- tarif dem Gesetze beizugeben, in ähnliher Weise, wie dies in der That für die Klassen der Brauereien, Brennereien, der Mühlen aller Art, der Fuhrleute und Schiffer gesehen i.

Während in Preußen, wie oben angeführt, diese Anklänge des Tarifsystems durch die spätere Geseßgebung fast ganz beseitigt und die betreffenden Klassen mit den Handelsfteuerklässen vereinigt sind, hat Frankreich und haben die ihm hierin folgenden deutshen Staaten (namentlich Bayern, Hessen u. A.) das Tarifsystem festgehalten und es in wiezerholten Reformbestrebungen auf das Sorgfältigste durch- zubilden unb der For lYreltendey Zeit gemäß zu verbessern gesucht. In welcher Art uad Weife die Saiave von den betreffenden Gesetz- gebungen angegriffen und gelöst ist, kann an diesem Orte nicht weiter dersolat werden, Es ist im vollen Maße anzuerkennen, daf es dabei an Einsiht, Geschick und dem ernsten Willen, der in der

E E Schwierigkeiten Herr zu werden, durchaus -ni@t gese at 2

Wird aber die Frage aufgeworfen, ob die preußische Gesetzgebung im Gegensaß zu dem von ihr befolgten Wege, „jenen Mustern ent- sprechend, auch ihrerseits sich der Aufstellung eines Tarifes für die einzelnen Gewerbsarten zuwenden solle, fo sprehen doch ganz über- wiegende Gründe für die Verneinung dieser Frage.

Da es si hierbei um eine entscheidende Vorfrage für den ganzen Plan, auf welchem die gegenwärtige Vorlage beruht, handelt, so lassen sich einige kritishe Bemerkungen über das Tarifsystem nit wobl vermeiden.

Auch die Tarifgeseße, wie die meisten anderen Formen der Ge- werbebesteuerung, verfolgen keine andere Absiht, als die, den Ertrag des Gewerbes der Steuer zu unterwerfen, Sie versuchen dieses Ziel auf Umwegen zu erreichen, sih ihm mit vorsihtiger Spzzialisirung der verschiedenen Gewerbsarten dadur zu nähern, daß die für jede einzelne derfelben möglihs passenden Besteuerungsmerkmale auf- gesuht werden, von denen die Höhe des Ertrages bedingt wird, und sodann das Steuermaß festzuseßen, welches dem vermeintlih durch- schnittliGen Ertrage des betreffenden Gewerbes aufgelegt werden soll.

Es - liegt auf der Hand, daß son die unerschsöpfliche Mannig- faltigkeit der Gewerbebetriebe in ihrer gegenwärtigen Gestaltung dem geschilderten Unternehmen der Gesehgebung kaum übersteigliche Schwierigkeiten bereitet. i

___ Thatsählih wird in dieser Beziehung die Tarifaufstellung fast zu einer Sisyphusarbeit; kaum ist ein neuer Tarif fertig, so erhebt ih das Verlangen nach Ergänzungen und Berichtigungen und muß wiederum auf eine nächste Revision vertröstet werden,

Schwerer noch wiegt der Uebelstand, daß es an einigermaßen brauchbaren Grundlagen für die Erfassung der gesuchten Durch- schnittserträge fast gänzlih mangelt. Von einer statistishen Erhebung der wirklichen Erträge, aus denen ih der gesuhte Durchschnitt ziehen ließe, ift so gut wie garnicht die Rede,

Die angenommenen Dur{hschnittserträge beruhen zum Theil und im glücklihen Falle auf wirklich sahverständiger Shägzunag ; vielfa aber auch nur auf hergebrachten landläufigen Vorstellungen und werden nachweisbar nit selten von fremdartigen Motiven noch verschoben.

Kommt es dann aber zu der Bestimmung der äußeren Merk- male, nach denen die Steuersäße sich abstufen sollen, worauf noh mehr Gewicht zu lezen ist, als auf die für alle Betriebe derselben Art festgestellte Normalabgaabe, fo kann die Verlegenheit nur wa{hsen. Es ist ja richtig, daß bei gewissen Geschäften, namentli bei Fabriken, dec Umfang der Produktion im Großen und Ganzen nah äußeren Merkmalen Zahl und Gattung der Ar- beiter, der Maschinen und dergleihen annähernd geschäßt werden kann, obwohl felbst hierbei noch andere Umstände in Betracht zu zichen bleiben, z. B. die Art des Fabrikats, grobe oder feine, theuere oder billige Sorten, die ununterbrochene volle Arbeit des Werks bis an den Rand der Leistungsfähigkeit oder eine nur noth- dürftige Beschäftigung u. st. w. Bei anderen großen Gattungen der Gewerbebetriebe versagen hingegen die äußeren Merkmale gänzlih den Dienst, so z. B. bei den meisten Handelsgewerben, bei den Banquiers u. \. w.

Indessen felbst da, wo es gelingen mag, die äußeren Merkmale mit relativ bestem Erfolge für die Schäßung des Produktions- quantums oder der sonstigen Roheinnahme zu verwerthen, is man doch noch weit entfernt von der eigentliGen Aufgabe, den durchschnitt- lihen Ertrag zu besteuern. Hier lassen die äußeren Merkmale den Gesetzgeber im Stich, denn auch bei gleihem Produktionsquantum und gleiher Robeinnahme hängt der Ertrag doch wesentlih von anderen Gen ab, z. B. von dem Einkauf der Rohstoffe, von der Höhe der

rbeiterlöhne, von der reihlichen oder kärglihen Ausstattung mit Betriebskapital, von dem vortheilhaften oder ungünstigen Abschluß der Verkäufe, von glückliher oder unglückliher Spekulation auf Steigen oder Fallen der Preise, von der Solidität der Kundschaft, von der Nothwendigkeit, dur Agenten einen mühsamen Absay zu suchen, und dergleihen mehr. i

Gegen diese so nahe liegenden Momente können sich felbst- verständlich die Tarifgeseßze niht ganz verschließen, aber die Auswege, welche sie eröffnen, sind niht weniger anfetbar.

Es würde eine ganz irrize Vorstellung sein, wenn man glauben wollte, nah Feststellung des Tarifs könne gewissermaßen Jeder im einzelnen Falle die Steuer selbst daraus ablesen. Dies trifft in der Wirklichkeit nur in äußerst beschränktem Umfange zu und zwar nur bei den einfahsten Gewerben geringer Art. Jedoch selbsi bei diesen ist ein modifizirendes Eingreifen der Veranlagungsorgane keineswegs au8ges{lossen. Bei den bedeutenderen Gewerb2arten hingegen ist diefen Organen ein Spielraum von folcher Weite eröffnet, daß die, Wirkung davon derjenigen nahe kommt, wie wenn man ihnen die Feststellung des Steuerfußes selbst innerhalb eines Maximums und Minimums anheim gegeben hätte. : 2 :

Um das Gesagte anschaulider zu maben, mögen aus den in großer Anzahl ih darbietenden Beispielen nur wenige herausgegriffen werden und zwar nach Maßgabe des im Uebrigen höchst anerkennens- werthen bayerishen Geseßes vom 19. März 1881. Danach hat jeder Großhändler, gleihviel an welhem Ort sich sein Geschäft befindet, einen festen Steuersaß von 36 zu zahlen; dazu tritt nun eine be- weglihe Steuer, die sogenannte „Betriebsanlage“, nah Maßgabe des verans{lagten Jahresertrages des zu besteuernden Gewerbes, und diese soll in der Regel È bis zu 1F % des Ertrages ausmachen, kann aber auch in sehr zahlreihen Fällen bis auf 24 9% erhôht werden. Das Gefeß giebt den Steuerkommissionen die Direktive, daß inner- halb des gegebenen Spielraums ein höherer oder geringerer Saß zu wählen sei, je nachdem auf die Höhe des veranschlagten Erträgnisses die Verwendung von Betriebskapital in dem Gewerbe oder der persön-

liche Arbeitsverdienst von vorwiegendem Einfluß erscheint offenbar eine Unterscheidung, welche in vielen Fällen gar niht oder nur nach ganz fubjektiver Auffassung durchzuführen ist. Nimmt man nun einen Großhändler mit 16 000 JIahresertrag und geht man von der höchst günstigen Unterstellung aus, daß 3 verschiedene Steuerausshüsse übereinstimmend das Erträgniß durhaus richtig auf 12000 \{chäßen, so können sie nach ihrer Auffassung die Betriebs- anlage auf §% also 90 M oder auf 24% also 300 M oder auf einen dazwischen liegenden Betrag festsezen, sodaß die ganze Steuer 126 und' 336 H betragen kann. Ce

Ganz ebenso bei einem Bankgeshäft mit einem Jahresertrage von 40 000 6 Die Normalanlage is hier je nach der Ortsklasje auf 48 bis 144 4 bestimmt; dieser Unterschied ist aber unbedeutend gegen die Betriebsanlage, welche bei 2% 300 M, bei 24 o 1000 M betragen kann.

Gs würde zu weit führen, auf die noch außerdem vorhandenen

Bestimmungen über weitere Befugnisse der Steuerausschüsse zu Er- ais oder zu Ermäßigungen, selbst der Normalanlagen, éin- zugehen. ' t : Wenn man si das Vorstehende gegenwärtig hält, so wird man es erklärlich finden, daß die Staatsregierung bei M Emertuns des Planes zur Reform der Gewerbesteuer sih nit entshlofsen hat, den Uebergang zu dem sogenannten Larifsystem zu empfehlen, Jn einem roßen Lande mit so außerordentlich verschiedenen gewerblichen Ver- hältnifsen der einzelnen Landestheile würde, um nur diese Seite noch- mals zu betonen, auf eine einigermaßen gleichmäßige Anwendung des Uebermaßes von Ermächtigungen der Veranlagungsorgane unter keinen Umständen zu rechnen sein. Ohne folche weitgreifende Ermäch- tigungen erscheint aber ein Tarif für die gesammten Gewerbsarten gegenwärtig ‘unhaltbar,

Die Festseßungen des Tarifs werden zu oft mit der r, A Forderung gerehter Steuerveranlagung in Konflikt gerathen und das Verlangen nah immer erneuter Revision des fehlerhaften Tarifs würde überhandnehmen. Es ist kaum anders mögli, als daß der Versuch, die Leistungsfähigkeit der unendlich verschiedenen Formen des gewerblichen Lebens auf längere Zeit l bestimmen und festzulegen, in concreto sogar zu vielen Ungereimtheiten führen muß.

(Fortsegung in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

1890.

Berlin, Mittwoch, den 19, November

¿ 299.

(Fortseßung aus der Ersten Beilage.)

Im Wesentlichen treffen die vorstehenden Bemerkungen auch auf die eigenthümliche Gewerbesteuer des Königreichs Württemberg zu, obwohl man dort keinen eigentlihen Tarif, sondern nur im Wege der Verordnung aufzustellende Klassentafeln kennt. Die württembergische Geseugebung beruht übrigens auf der außerordentlih fkünstlihen und \{wierigen, in Preußen wenigstens undur@führboren Sonderung des persönlichen Arbeitsverdienites und des in Prozenten auszudrückenden Ertrages des Betriebskapitais. Auch diefen Weg hat die Staats- regierung nicht wählen zu dürfen geglaubt. : j :

Besondere Erwähnung verdient hier noh die neueste Badische Gesetzgebung, welche die Gewerbesteuer nah Durchführung ihrer Ein- fommensteuerreform aus\{ließlich nach dem Betriebskapital der im Großherzogthum betriebenen gewerblichen Unternehmungen bemißt und einen bestimmten Prozentsaß des Betriebskapitals als Steuer fordert. Bekanntlich haden si in Preußen ebenfalls manche Stimmen dafür erhoben, die Gewerbesteuer nur auf eine Abgabe von dem ‘än- lage- und Betriebskapital zu beshränken, um auf diese Weise zu einer höheren Besteuerung des fundirten Einkommens gegenüber dem unfundirten Einkommen zu gelangen. E /

Es wird si jedoch kaum bestreiten lassen, daß eine derartige Gewerbesteuer nicht sowohl das Einkommen als das Vermögen treffen und in Wahrheit nit sowohl als eine ergänzende Ein- fommensteuer, sondern als elne partiele Vermögenssteuer _an- zusprechen sein würde, denn nit das Anlage- und Betriebs- fapital repräsentirt fundirtes Einkommen, sondern zweifellos nur der Ertrag stellt Einkommen dar. Daß letzterer, wie die Nationalökonomen früher lehrten, si im Durchschnitt und im Sroßen und Ganzen mit dem allgemeinen Gewinn in Gleichgewicht seßen müsse, weil sonst das Kapital die minder ergiebigen Betriebe verlassen und si den höheren Gewerben zuwenden und diese auf das allgemeine Niveau herabdrücken werde, fiadet jeßt nicht mehr all- gemeinen Glauben. Jedenfalls weiß man, daß ein solcher Prozeß nur ein sehr langwieriger sein und auf der cinen Seite mit {weren Opfzrn, auf der anderen Seite nah Umständen mit außerordentlichen Gewinnen während längerer Perioden sich vollziehen kann.

Die täglihe Erfahrung zeigt {hon bei den Aftien- und ähnlichen Gesellschaften welhe großen Unterschiede in der Höhe des Ertrages im Verhältniß zum Vnlagçe- und Betriebskuapital in Wirklichkeit Plaß greifen. Bei den übrigen Gewerbebetrieben ist dies niht anders. Die Gewerbesteuer nur auf einen allgemein geltenden, gewissen Prozentsatz des Anlage- und Betriebskapitals zu richten, heißt offenbar, sie auf eine Fiktion gründen.

Bon fundirtem Einkommen kann keine Rede sein, wenn das Kavital mit Verlust arbeitet, und wo umgekehrt ein den fingirten Saß bei Weitem übersteigender Ertrag erzielt wird, muß die fragliche Besteuerung auf alle Fälle zu einer hoch# mangelhaften und ungleich- mäßigen Belastung des Einkommens- führen. Im Uebrigen ist es nicht erforderli, diesen Gegenstand hier weiter zu behandeln. Es darf auf die Ausführungen in dem einleitenden Theile der Begründung zum CEinkommensteuergesezentwurf hier Bezug genommen twerden,

Dem vorliegenden Entwurf lieat der Gcdanke zu Grunde, zu der beabsihtigten Besteuerurg des Ertrages der \tehenven Gewecbe nicht mehr auf den bisher betretenen Umioegen zu gelangen, sondern den direkten Weg einzuschlagen, Daß dies als das Ein- fahere und Sichere, falls «8 sich als dur{führbar er- weist, vor dem Aufsuhea mißliher äußerer Besteuerungs- merkmale oder vor einem zwiespältigen Verfahren, welches theils mit Besteuerungsmerkmalen, theils mit der Schäßung des jährlihen Erträgnisses operirt und überdies dann noch den Antheil des Kapitals und derjenigen der persönlihen Arbeit gesondert wisscn will, unbedingt den Vorzug verdienen würde, leuhtct nach dem Obigen von selbs ein. Nicht minder unbestreitbar dürfte die Be- hauptung sein, daß die unmittelbare Erfassung des Ertrages für das Gelingen einer den Anforderungen der Gerechtigkeit entsprechenden Vertheilung der Steuerlast und einer diesen Zweck vornehmlich er- strebenden burhgreifenden Umgestaltung der jetzigen veralteten Besteuerung die beste Bürgschaft bieten würde, ; G

Bei dem Entschlusse, den bezeichneten Weg einzuschlagen, ift zu- glei erwogen, daß die vorgeschlagene Reform der Gewerbesteuer durch die gleichzeitig geplante Reform der Giüïtommensteuergeseßgebung in hohem Maße erleihtert wird. Der Ertrag, welchen die Gewerbe- steuer hauptsählih erfassen soll, unterscheidet sih von dem Ginkommen aus Gewerbebetrieb, welches der Ginkommenstener untecliegt, wesentli dadurch, daß einerseits bei Gewerbebetrieben, an denen mehrere Personen (Sozien u, st. w.) betheiligt find, das gewerbliche Einkommen der- selben zu ciner Einheit zusammenzufassen ist, und daß andererseits Abzüge für die Verzinsung des Vnlage- und Betriebsfapitals ausge- [lossen werden, auch wenn dasselbe dritten Personen gehört und Behufs Einrichtung, Erweiterung oder Verbesserung und Unterhaltung des Betriebes von lett-ren angeliehen ist. Da nach dem Catwurf des Einkommensteuerzeseßes das Einkommen aus Gewerbebetrieb bei einer Höhe von mehr als 3000 ( der Deklarationspflicht unterworfen und zum Gegenstand eingehender Ermittelungen gemacht werden soll, 0 unterliegt es keinem Zweifel, daß hierdurch eine Basis ge- wonnen wird, welche es gestattet, die Erfassung des Ertrages der Gewerbebetriebe unmittelbar in Angriff zu nehmen. Es kann dies ges{chehen, ohne den Steuerpflihtigen allgemein eine neue lästige Delklarationépfliht aufzulegen; es wird genügen, nur sür diejenigen Fâlle, in denen sich ein wirkliches Bedürfniß dazu herausfiellt, den Veranlagung#behörden die eine begrenzte Befugniß beizulegen, Auf- klärung von dem Steuerpflichtigen zu fordern. Natürlich werden Aktiengefelishaften, Kommanditgesellshaften auf Aktien, eingetragene Genossenschaften u. \. w. unbedenklich zur regelmäßigen Einreichung ihrer Geshäftsberihte und Abschlüsse verpflichtet werden können.

Um ein Urtheil über die Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit des in dem vorliegenden Entwurf #ich darstellenden Plans zu ermöglichen, wird derselbe nunmehr in seinen Grundzügen zu entwickeln, vorher jedo) noch die aus ber bisherigen Gesetzgebung in den neuen Plan

als ein wesentliwher Bestandtheil desfelben mit hinübergenommene !

Besteuerung nah Mittelsäßen zu erläutern sein,

Die Einrichtung der Besteuerung nach Mittelsätßen is dem preußischen Geseße vom 30. Mai 1820 eigenthümlih. Sie beruht auf der Erwägung, daß „es zur Erleichterung der Gewerbe ange- messen ist, daß dem Steuerpflichtigen selbst bei der Vertheilung der Stewer so viel als möglich eine Enwirkung gestattet werde“ (8. 26), und besteht darin, daß die Steuer für jetes stehende Gewerbe einer be- stimmten Klasse in einem Mittelsaße festgeseßt ist, „den die Gewerbetreiben- den dieser Art im Durchschnitt als Gewerbesteuer aufbringen müssen“. Der Mittelsay wird also mit der Zahl der Gewerbetreibenden des Ver- anlagungsbezirks der Städte in den drei ersten Abtheilungen, des Kreises in der vierten Abtheilung multiplizirt. Das Ergebniß der Berechnung bildet die dem Staate gebührende Steuersumme, die Steuerpflichtigen der betreffenden Klasse aber bilden eine Steuer- gesellschaft und dieser liegt die Vertheilung unter ihre Mitglieder durch ihre Abgeordneten ob, welche sie jährlich durch Stimmen- mehrheit aus ihrer Mitte erwählen Ueber die Vertheilung ist in der Beilage B zum Geseß vom 30. Mai 1820 unter Nr. 9 gesagt:

„Da indeß der Umfang, worin jeder Einzelne das Gewerbe betreibt, sehr verschieden sein kann, so ist von Denjenigen, welche den Mittel- d nicht aufbringen können, ein bestimmter niedrigerer s zu zahlen. Der Ausfall, welcher hierdurh entsteht, muß d":ch höhere

Beiträge Derjenigen gedeckt werden, welche vermöge ihres stärkeren Gewerbebetriebes mehr als den Mittelsaß zahlen können.“ Das Gefeß hat dementsprechend nicht bloß die Mittel sondern auch die niedrigsten Säße und zulässigen Steigerungssäße anzugeben.

Wenngleich die geschilderte Einrichtung, soviel bekannt, keine Nachahmung gefunden hat und vom theoretischen Standpunkte an- fechtbar, auf Vollkommenheit, wie die meisten St-uereinrihtungen, keinen Anspruch erheben kaun, so hat fie sich doÞ nah langjähriger Grfabrung als ein glückliher Griff des Gefetßzgebers bewährt.

Die Besteuerung nach Mittelsäßen dat, wie ofen anerkannt werden muß, einen Nachtheil zur Folge, indem sie einer völlig gleihmäßigen Besteuerung der einzelnen Gewerbebetriebe dur den ganzen Staat und von einem Veranlagungsbezirk zum anderen unter Umständen entgegensteht. Die Höße - des Steuer- saßes des einzelnen Gewerbetreibenden wird verschieden ausfallen, je nachdem innerhalb des bestimmten Veranlagungsbezirks die Steuer- gesellschaft aus mehr oder weniger potenten, den Durchschnitt über- ragenden, oder aus mehr oder weniger relativ impotenten, hinter dem Durchschnitt zurükbleibenden Betrieben, sich zusammenseßt. Nach dieser Berschiedenheit wird sih der von dem potenteren Betriebe zu übertragende Ausfall bei der Besteuerung in dem einen Bezirk höher, in dem anderen niedriger stellen,

Indessen stehen diesem theoretisch unleugbaren Mangel, der abec selten oder nie zu Beschwerden der Gewerbetreibenden Ver- anlassung gegeben hat, und dessen Tragweite durch die in dem Ent- wurf vorgesehene Gestaltung der Veranlagungsbezirke und durch die neuen Vorschriften im §. 15 Nr. 2 und 3 des Entwurfs ih noch weiter vermindert, unverkennbar überwiegende Vorzüge der Einrichtung gegenüber. Jeder Stzuerpflichtige ist als Mitglied der Gesellshaft zur Theilnahme an der Wahl sahkundiger und aevifenbalter Senossen berufen, welchen, weil sie mitten im Geschäftsleben stehen, die umfasscndste Bekanntschaft mit den gewerblihen Verhältnissen des Bezirks zugetraut wird und in erster Linie die Verantwortlichkeit füce die Bestimmung der den einzelnen Gewerbetreibenden aufzulegenden Indipidualsteuersäße überlassen bleibt. Es mag zugegeben werden, daß es als prinzipiell konsequenter erscheinen würte, wenn Überall die Bestimmung des Individualsteuersaßzes nach einem Prozentsatz des ermittelten Ertrages durchgeführt werden könnte. Diese Aufgabe würde aber unter allen Umständen eine Veränderung der Verwaltungs- organisation vorausfeßzen. Der Umstand, daß den Abgeordneten der Stenergesellshaft nur die Vertheilung eines bereits festitebenden Kontingents zugemuthet wird, erleihtert offeubar die Aufgabe be- deutend. In sehr vielen Fällen wird es sich überhazupt niht um die Auëmittelung eines bestimmten, ziffermäßigen Ertrages des einzelnen Geschäfts handeln, sondern auch ohne solche die Vertheilung der Steuersumme in befriedigender Weise nah Maßgabe des gegenseitigen Verhältnisses der Erträgnisse der einzelnen Geschäfte untereinander ausgeführt werden können.

Der Einfluß der Verwaltung, welchem si so leiht das Odium einseitiger Fiskalität anheftet, fällt bei der Vertheilung der Steuer weg. Der Bereich fiskalischer Thätigkeit wird hauptsächlih auf die GSürsorge für die richtige Abgrenzung der Steuerklassen einges{chrärkt und auch hierbei steht den Vertretern der Steuergesellshaft eine wesentliche Mitwirkung zu. Der Regterung verbleibt im Uebrigen die Untersuchung und Entscheidung der Beschwerden, welche die Steuerpflichtigen wegen Ueberbürdung durch die staitgehabte Steuer- vertheilung erheben.

Die Staatsregierung glaubt sich nicht darin zu täuschen, daß die Vorzüge der geschilderten Besteuerung nah Mittelsäßen in den Kreisen der Gewerbetreibenden selbst Anerkennung sih erworben haben, und daß der Verzicht auf diese populäre Eincihtung wenig Beifall finden würde. Der Entwurf hat dieselbe überdies mit neuen Garantien gegen mögliche Ungleichheiten der Besteuerung ausgestattet, indem nah 8. 15 Nr. 2 und 3 den Steuerpflichtigen {das Recht beigelegt wird, gegen eine Besteuerung “mit mehr als 1 9% dés Ertrages }ch durch Einspruch und Berufung zu \{üßen, und zuglei der Finanz- Minister ermächtigt ift, die Steuersummen der einzelnen Veranlagung :- bezirke herabzuseßen, wenn was nur ausnahmsweise vorkommen wird deren ordnungsmäßige Vertheilung nicht ausführbar sein follte, ohne den vorbezeichneten Prozentsay des Ertcages zu über- schreiten.

Die Grundzüge des vorliegenden Geseßzentwourfs sind hiernach folgende:

1) Alle Betriebe, bei denen weder der jährlihe Ertrag 1509 4, no) das Anlage- und Betxriebskapital. 3000 M. erreiht, werden von der Geroerbesteuer befreit.

Die Grenze ist so hoh gezogen, daß {on hbierdurch die Be- \chwerden über den Druck der Gewerbesteuer, namentlih bei Klein- händlern und den geringeren Handwerksbetrieben, sich erledigen werden. Soviel si bis jeyt übersehen läßt, würde die Zahl der zu befreienden Betriebe gegen 390 000 zu s{chäßen sein; es würde also mindestens ein Drittel der jeßt auf 865 940 anzunehmenden Zahl der \teuer- pflihtinen Gewerbe ganz von der Besteuerung entbunden werden. Gleichzeitig trägt eine so ausgedehnte Befreiung zur erheblichen Ver- einfahung nicht bloß der Gewerbesteuerveranlagung, fondern au der ganzen Gewerbesteuerverwaltung bei. Es werden durch dieselbe eine aroße Anzahl bisher nothwendiger Bestimmungen über die Ab grenzung des eigentlichen Gewerbebetriebes von anderen Gewinn bringenden Beschäftigungen, und eine Anzahl von Bestimmungen über Befreiangen von unbedeutenden Betriebea ohne Weiteres entbehrlich.

Der Borschlag selbst beruht auf der Erwägung, daß die kleinen Betriebe mit weniger als 1500 4 Ertrag und weniger als 3000 Anlage- und Betricbékapital ncch ihrcr gegenwärtigen Situation im Großen und Ganzen kaum besser stehen als viele gewerbliche Hülfs- personen, welche wegen der Unfelbständigkeit ihrer Thätigkeit der Ge- werbesteuer überhaupt niht unterworfen sind, und daß fole Betriebe über die persönlihe Thätigkeit des Unternehmers hinaus, welche dem Wandel und dem Erlöschen, ebenso wie die der Gehülfen, ausgesetzt ist, keinen in Betracht zu ¡iehenden Werth repräsentiren, der nicht {hon durch die Personalbesteuerung ausreichend getroffen würde

Die vorgeschlagene Grenzbestimmung möcbte eher zu hoch als zu niedrig erscheinen und angefochten werden. Wenn jedoch die Vor- {läge der Staatsregierung im Uebrigea Annahme finden, so wird es auch thunlich sein, den kleinen Betrieben die empfohlene durchgreifende und im Hinbiick auf e steigende Bewegung der Lehne zweckmäßige Steuerbefreiung zuzuwenden, ;

T In Beiret des Anlage- und Betriebskapitales mag noch an- geführt werden, daß z. B. die württembergische und badische Gesehz- gebung nur ein solches von 700 bei der Besteverung außer Bet lassen. Q R

i S Aufübrung der Klassen, in welche die steuerpflichtigen Gewerbe nach dem Entwurf eingereiht werden sollen, ist noh die Be- merkung vorauszuschicken, daß neben der Höhe des Ertrages in zweiter Linie auch die Höhe des Anlage- und Betriebskapitals für die Zu- weisung zu den einzelnen Klassen _bestimmend fein soll. Es telt sich dies als praktisch nüßlich heraus, wenn man berücksichtigt, daß es Erträge giebt, welhe der Schäßung oder Ermittelung besondere Schwierigkeiten bereiten, Es braucht hierbei nur auf die im Laufe des Jahres erst entstehenden Gewerbe- betriebe, und auf ständige Betriebe auswärtiger Unternehmungen hin- gewiesen zu werden. Bet eben erst begonnenen Betrieben oder wenn es sih beispielsweise um die Veranlagung einer einzelnen Fabrikanlage im Snlande, welche nur für das auswärtige Geschäft des Besitzers

arbeitet, handelt, wird es wünshenswerth sein, auf das in dem Be- triebe angelegte Kapital zurückzugreifen. i Z

Hauptsäthlih aber kommt in Betracht, daß die Berücksichtigung des Anlage- und Betriebskapiiales in dem zugelassenen Maße den Anschauungen der gewerblihen Kreise selbst entgegen kommt. Es würde in diesen Kreisen öfters Anstoß erregen, wenn ein bedeutender Betrieb wegen eines vielleicht durch eine besondere Konjunktur oder cinen einmaligen Fehler verursachten- -Mißerfolges fofort in eine geringere Klasse verseßt oder für jedes Verlustjahr von der Seroerbe- steuer ganz befreit würde. :

3) Nach dem Entwurf sollen die bisherigen Gewerbesteuerklassen und ebenso die Eintheilung der Orte în verschiedene Gewerbesteuer- Abtheilungen gänzlih aufgehoben werden. Dagegen werden die fteuer- pflihtig bleibenden Betriebe in vier Klassen dergestalt eingetheilt, daß

a. zur untersten Klasse IV die Betriebe mit einem jährlihen Er- trage von 1500 bis 4000 #, oder mit einem Anlage- und Betriebs- apital von 3000 bis 30 000 4 gehören.

b. Daran \chließt sch die nächste Klasse II1, welche Betriebe mit einem jährlihen Ertrage von 4000 bis 20000 Æ oder mit einem Anlage- und Betriebskapital von 30 000 bis 150 000 / umfaßt.

c. Demnächst folgt Klasse IT, zu welcher die Betriebe mit einem jährlichen Ertrage von 20 000 bis 50 000 oder mit einem Anlage- und Betriebskapital im Werthe von 150000 bis 1090 009 M ge- rechnet werden,

Veranlagungsbezirke bilden für die beiden erstgedachten Klafsen die Kreise, für die leßterwähnte Klasse die Regierungsbezirke.

Bis hierher soll die Besteuerung na Mittelsäten erfolgen. Die der betreffenden Klasse in dem Veranlagungsbezitk angehörenden Gewerbebetriebe werden mithin zu ciner Steuergesell\chaft vereinigt, und ihre Abgeordneten haben das nah den Mittelsäßen berechnete Steuerkontiagent zu vertheilen.

4) Auf die oberste Klasse T, welcher die Betriebe, deren jährlicher Ertrag 50 009 4 oder mehr beträgt oder deren Anlage- und Betriebs- kapital sich mindestens auf 1000 000 4 beläuft, zugewiefen werden, ist die Besteuerung nah Mittelsäßen niht ausgedehnt. In dieser obersten Klasse kommen fo bedeutende, fast unbegrenzte Unterschiede zwischen den einzelnen Gewerbebetrieben vor, daß die Auffindung eines angemessenen Mittelsaßes unmöglih ift. Es handelt ih hier um Betriebe mit Erträgen von 50000 #4 und solche mit Erträgen von Millioäen und ebenso Um Anlage- und Betriebskapitale von einer Million Mark bis zu 60 und mehr Millionen Mark.

Die Steuer in der obersten Klasse soll deshaib für jeden einzel- nen Betrieb mit Einem vom Hundert des jährlichen Ertrages be- sonders festgeseßt werden, und zwar follen regelmäßig die einzelnen Provinzen und die Stadt Berlin die Veranlagungsbezirke bilden. Bei dieser Klasse fällt selbstverständlih auch die Bildung einer Steuergesellschaft weg; für jeden Veranlagungsbezirk wird ein beson- derer Steuerausschuß gebildet. Die überwiegende Mehrheit (zwei Drittel) foll durch den Provinzialaus\{uß, die Minderheit (ein Drittel) der Mitglieder und der Vorsißende durch den Finanz-Minister berufen werden.

Wegen des Verfahrens werden die weiter erforderlihen Erläute- rungen in der Begründung der bezüglichen einzelnen Bestimmungen des Catwourfs beigebraht werden. Die Besteuerung mit ein Prozent des Ertrags bleibt hinter demjenigen zurück, was bisher regelmäßig von den geringen und sehr vi-clen mittleren Gewerbebetrieben ‘eut- rihtet ift, und kann bei voller Rücksihtnahme auf die in neuerer Zeit durh die Reich8geseßgebung bedingten Mehrleistungen zu sozialen Zwelken und auf dic Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit nicht als eine über- mäßige bezeihnet werden. Wenn die bisher hart empfundene Unver- häâltnißmäßigkeit der Gewerbebesteuerung wirkli abgestellt werden soll, so ist cs ofenbar unvermeidlih, daß die dur die bisherige Gesehgebung herbeigeführte starke Begünstigung der Großbetriebe aufhören muß. Das erftrebte Ziel läßt ih nit erreichen, ohne die leßteren nah Maßgabe ihrer g: ößeren Leistungsfähigkeit zur Ueber- tragung des Ausfailes heranzuziehen, weler aus der geforderten Aus- gleihung der Besteuerung entsteht.

Veber die hierbei in Frage kommenden Summen wird in der vnten folgenden Darstellung der zu erwartenden finanziellen Ergebnisse der vorges{lagenen Reform das Weitere bemerkt werden.

Die in der Klasse T zulässigen Steuersäße sollen Rach Intervallen von je 48 M entiprehend dem arithmetishen Mittel einer Er- tragsstufe von 4800 # abgesiuft werden. Dur diese An- ordnung der Steuerskala wird nit nur lästigen Berechnungen bei Feststellung und Erhebung der Steuer nach einem Prozentsaß des Ertrages vorgebeugt, sondern auch die Veranlagung selbiît erheblih erleihtert. Meinungêverschiedenbciten innerhalb der Aus- schüsse selbst oder zwischen ihnen und den erpflichtigen verlieren meist ihre Bedeutung, sofern sie ich auf Beträge bezieben, welche die Grenzen ciner Steuerstufe von 48009 #4 nid erschreiten. Die fest- geseßten Steuerftufen bieten mithin die gle deren bei der Einkommensteuerreform die A der bloßen Beftimmung des Prozentsazes der Sreucr v

Der Entwurf läßt in Klasse I geringere Steuersätze 524 M bis zu 300 Æ hberab für folWe Gewerbe zu, 1 wegen der Höhe des Anlage- und B ‘apital Steuerklasse zugewiesen sind. Es if allen Fällen, wo ein Ertrag liegt, diese ermäßigten Säße nicht zu Die Grenze von 300 # stimmt mit 0 niedrige Klasse IT normirten Mittelsatze überein und einprozentige Steuer von einem Ertrage von 30(

Fâlle etnes dauernden Sinkens

betriebe ist im §8. 8 nochþ besonders vorgefc Steuerpflichtigen Versetzung in d

cintreten muß.

5) Für die Klassen I1, IlT und die bôchsten und niedrigsten rsâte a normirt. Gleicbzeitig bestinmt auw der Entwurf Skala der überhaupt anwendbaren Gewerdesteuersäßze Eine Uebersicht derselben ift beigefügt. J

Die Intervalle der Stufen für die Klassen TT—IV fteigen don 4 6 auf 8 M, 12 K und 36 A4 Das von dem Nußen etner in folcher Art abgestuften Skala der Steuer)äge oben in Bezug auf Klasse T Gesagte gilt au hier. Die bisherigen Intervalle der untersten Stufen von 3 und 6 sind in 4 und 5 geändert. Mit Rücksiht auf die vorgeschriebene vierteljährliche Steuererhebung und auf die Ausscheidung der geringsten Betrtebe ersccint dies unbedenklich. Der geringste Steuersaß von 1 „& pro Vierteljahr kann nicht als ein

) ngeschen werden. | T eger V edr für die Normirung der dea einzelnen Klassen angemessenen Mittelsäße fowie der döchiten u d niedrigsten Steuer- säye ist durch die obige Feststellung des Steuerfußes für die Klasse I gegeben. Wenn in Klasse 1 die Besteuerung na Maßgabe des Er- trages mit 1% erfolgt und nur für diejenigen wegen der Höbe ihres Anlage- und Betriebskapitals zu diefer Klasse gehörigen Betriebe, dercn Ertrag den Minimalertrag von 50 000 « nicht erreicht, eine böbere Besteuerung vorgesehen ist, so muß hbierna% auch die Be» steuerung in den übrigen Klassen geregelt werden. L

Die höchsten Stkeuersäße jeder Klasse bestimmen si{ch demnach na dem in ihr vorkommenden höchsten Ertrage und dem Steuersaß der * obigen Skala, welher 1% des höchsten Ertrages annähernd

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gleihkommt. Htiernah berechnen sich die höchstea Säye în: