1890 / 285 p. 33 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 26 Nov 1890 18:00:01 GMT) scan diff

wurf sei wie in der bisherigen Verwaltungspraxis das Prinzip ver- folat, daß die Steuer erst entrichtet werde, wenn die Bedingungen erfüllt seien. Ferner gehörten Besißungen, welche außerhalb des Landes lägen, nit zur erbschaftssteuerpflichtigen Masse. Wohne aber der Erbe inländischer Grundstücke außerhalb des Landes, so folle er an die Steuer gebunden sein, möge er seinen Wohnsiß im Inland oder Ausland baben. -Auh bezüglich des Zinsfußes weise der Ent- wurf besondere Vorzüge auf. Während derselbe in vielen Staatéên 59% betrage, nehme das im vergangenen Zahre „erlassene elsaß- lothringische Erbschaftssteuergeseß, dem auch die preußishe Regierung gefolgt sei, einen solhen von 4/0 In Anspruch. E LS Qa Abg. Dr. Mithoff: Erst wenn der Reformplan im Uebrigen erfüllt sein werde, wenn die Einkommensteuer zu einem Haupttheil : r Stenersvstems geworden sei und die Realsteuern den unseres direkten Stcuersyitems 9 L E IELIE 4 Kommunen überwiesen fein würden, werde die Erbschaftssteuer ein- geführt werden können. Das fundirte Kapital stärker heranzuzichen als das unfundirte, sei gewiß berehtigt, aber bas Einkommen aus fundirtem Kapital mit einem stärkeren Prozentsaß heranzuziehen als das aus unfundirtem, sei praktisch nicht durchführbar. Falls aber später eine Einkommensteuer eingeführt werden sollte, könne man dieselbe noch viel ertragreiher machen, als_ nah dem vorliegenden Entwurf, denn in den melken europäischen Staaten, die eine folche Steuer hätten, sei der Crîrag recht hoh, in Frankreich z. B. im Fahre 1884 pro Kops der Bevölkerung 2,89 M Eine Erbschafts- feuer für Ascendenten und Descendenten könne man aber nicht damit begründen, day die entfernteren Verwandken bereits steuerpflidtig seien. Diese Erbschaften erschienen als ein zufälliger, unvorhergesehener Bermögenszuwachs, oft geradezu als ein Gewinn. Anders sei es bei Ascendenten und Descendenten, wo die nahe Blutsverwandt schaft von vornherein ein Anrecht gebe. Als Kontrole für die Einkommensteuer werde die Erbschaitssteuer au in den Ländern nicht angewendet, wo eine Einkommensteuer auf der jeßt vor- geshlagenen Grundlage bereits bestehe, wie in Sachsen und einigen f [chen Staaten. i As Richter: Zu dea vorhandenen tehnischen Verbesserungen könne man noch mehrere neue fügen. Die steuerfreie Erbshaftsmasfe, die bisher bei 150 M aufhörte, könne entsprechend den veränderten Geldverhältnisson heraufgeseßt werden, etwa bis 900 M. Die Un- annehmlikeiten, die die Behörden bisher gehabt, ständen in keinem Verhältniß zu der Steuereinnahme. Ferner sei die Steuerfreiheit bei Erbanfällen zur todten Hand in dem vorliegenden Maße weder wirth» \chaftspolitish noch steuerpolitisch gerechtfertigt. Solche Erbschaften entzögen sich ja naturgemäß in Zukunft auc dem Verkaufs- stempel. Die Fideikommisse seien bei der Erbschaftsfteuer besonders begünstigt. Ein Fideikommißerbe im Alter von 45 Jahren habe bisher kaum die Hälfte an Steuer zu zahlen als ein anderer Erbe. Bei höheren Alter werde die Un- gerechtigkeit noch eine größere, da mit der Wahrscheinlichkeit einer kürzeren Lebensdauer die Steuer für Fideikommißbesißzer fich in wacsendem Maße ermäßige. Auch sozialpolitisch könne eine Be- günstigung und Vermehrung der Fideikommisse nicht wünschenswerth ersheinen. Man ershwere vadurch dem kleinen Manne auf dem Lande die Möglichkeit des eigenen Besites, und doch sei es erwiesen, daß die Sozialdemokratie den ungünstigsten Boden bei Denen finde, die etwas zu verlieren hätten. Als Grund für die Begünstigung der Brennereien im Osten werde der dürftige Sandboden angeführt, der sonst die Möglichkeit einer Ernährung der Bevölkerung niht gewähre. Der Finanz-Minister habe darauf die Auswanderung zurückgeführt. Das Hauptkontingent der Auswanderung stellten die, welche nichts besäßen, weil es ihnen {wer falle, Besiß zu erwerben bei dem Veberwiegen des Großgrunbbesißes, das noch künstlih ver- stärkt werde dur den Fideikommißbesitz. Die Gesehgebung habe kein Interesse, seine Bildung zu begünstigen, am wenigsten in steuerpolitisher Beziehung, Die Fideikommisse entzögen \ich aber erhebliG der Erbschaftssteuer sowie dem Kaufstempel. Allerdings sei die Errichtung eines Fideikommisses mit einer Stempelpfliht von 3 2/0 belastet, ein * Betrag. der bei dem ersten Erbgang jedoch wieder ausgeglicen werde. Cine Statistik über den Fideikfommißstempel habe das Haus nie erhalten. In zwei Fällen solle aktiven Ministern, welche Fideikommisse gestiftet hätten, der Stempel durch Königliche Ordre erlassen sein. Er bitte um Auskunft, ob wirkliÞh dem Minister Freiherrn von Lucius bei der Bildung eines Fideikommisses im Gnadenwege auf Vorschlag des Staats-Ministeriums der Stempel von 39/0 erlassen worden sei. Wenn es sih auch nur um cine Million dabei handele, so würde das eine Schenkung von 30000 M Seitens des Staats-Ministeriums an cinen Kollegen sein. Sei die Nachricht begründet, so bitte er um Mittheilung der recht- lihen Gründe eines solchen Steuerdispenses. Sei das Staats- Ministerium auf Grund irgend welcher Kabineisordre zu Steuer- dispensationen aus irgend welchen Gründen befugt, so müsse das Haus in allen diesen neuen Steuergeseßen ein solhes Dis- pensationsrecht absolut aus\chließen. Mit dem „gleichen Recht für Alle“ vertrage es sih niht, daß einzelne schr wohl- habende Leute von der allgemeinen Steuerpflicht werden könnten. Bei der zweiten Berathung werde er darauf zurück-

kommen. Der Finanz-Minister habe gestern gesagt, es gebe keine |

offizióse Presse, die berufen sei, die Regierung zu vertrêten und für welche die Regierung verantwortlich sei, mit Ausnahme des „Reichs- Anzeigers“. Das sei eine offizielle Presse, und die sei allerdings außer dem „Reihs-Anzeiger" nicht vorhanden. Das Ckharakteristische der offiziósen Presse sei aber, daß fie, obwohl sie die Regierung niht zu vertceten berufen sei, gleihwohl Nachrichten allein vor andern Zeitungen veröfentlihen könne, Thatsächlih seien, während aus dem Ressort des Innern und des Unterrichts vor Einbringung dieser Borlagen absolut nichts in die Oeffentlichkeit darüber gelangt sei, aus dem Finanz-Ministerium wesentlihe Stücke aus der Steuer- reform Monate vorher bekannt geworden. Sogar die einzelnen Stadien der Verhandlungen darüber ließen fich erkennen. Man habe erfahren, daß der Finanz-Minisier den Crbschaftssteuersaß auf 1% festgeseßt, das Staats-Ministerium ihn aber auf F %/o herabgeseßt habe, sowie daß der Finanz-Minister niht den Landrath, fondern den Steuer-Inspyektor als Vorsitzenden der NVeranlagungs- fommission haben wolle und das gesammte Ministerium erst gegen seinen Willen den Landrath eingeseßt habe. Dana fei dann wohl der Text des Gesetzes geändert worden, aber nicht die Motive, und so sprächen die Motive gegen den Landrath als Vor- fißenden. (Heiterkeit) Er wisse zwar nicht, ob gerade Hr. Schweinburg, dec bekannte Gönner des Hrn. von Scholz, als eifernes Inventar von dem neuen Finanz-Minister mit übernommen sei (Heiterkeit); aber wenn solhe Mittheilungen dur) einen Miß- brauch des Amtsgeheimnisses in die Presse gekommen seien, hätte man das doch niht wochenlang geduldet. So könne es nur mit Wissen und Wilen des KFinanm-Ministers selb geschehen fein, Und es seien nicht nur die Absichten des Finanz-Ministers cinfah mitgetheilt, sondern in Lobeserhebungen für diese guten und s{önen Absichten eingepait vorgeführt worden, und zwar in einer Form, als ob dies die Stimmung des Publikums selbst sei. Darin liege die Täuschung. Das Gröbste würde scin, wenn man diese Artikel im Ministerium selbst redigirt hätte; eine feinere Art sei es, wenn man, wie Hr. von Scholz Hrn. Schweinburg, die Journalisten mündlich instruirt, oder durch cinen Ministerial-Rath hätte instruiren lassen, der ja nit einmal zum Finanz - Ministerium selbst zu gehören brauche. (Heiterkeit.) Dec Minister - Präsident habe sein Programm _\treng innegehalten, aa seiner Stellung zur osfiziósen Presse habe er nichts auszuseßen. Der Finanz- Ministec und der Abg. Dr. Sattler hätten der „Freisinnizen Zeitung“ gestern vorgeroorfen, sie habe den Finanz-Minister als den Minister der neuen Steuern, als „Steuerschlepper“ bezeichnet. Dieser Aus- druck komme in der „Freisinnigen Zeitung“ absolut niht vor. Aller- dings stehe darin, daß durch den neuen Finanz-Minister neben der formalen Aenderung der Steuergeseße auch eine Vermehrung der Steuerlast im Ganzen kommen werde. Diese Erwartung habe fi aber auf Reden des Herrn Miquel im Reichstage und im Herrenhause gestüßt. Noch kurz vor seiner Ernennung zum Finanz-Minister pie dieser sich im Reichstage gegen Erhöhung der indirekten Steuern im

Reih und für Erhöhung der direkten Steuern in Preußen aus- gesprochen. Ein etwaiger Mehrertrag der neuen Erbschaftsfteuer solle ja auch für Staatsausgaben verwendet werden. Eine Ueber- weisung von Wiehrerträgen an die Kommunalverbände sei durchaus nit gleihbedeutend mit einer Entlastung der Steuerzahler. Ein Kreistagsmitglied aus dem Kreise Hattingen im Regierungsbezirk Arns- berg schreibe ihm über die Verwendung der nah der lex Huene überwiesenen Beträge: Im Kreis-Etat für 1888/89 seten 6000 A in Aussit genommen, 19854 4 thatsählich gezahlt worden. _ Der Uebers{Guß von 13854 fei zur außerordent- lihen Schuldentilgung} verwendet worden, obwohl die Schul- den des Kieises das aktive Vermögen nicht überstiegea, zur Erhöhung des Mobilmahungsfonds und für cin Kaiser Wilhelm-Denkmal im Kreise. Im folgenden Jahre feien 11100 A4 im Etat vorgesehen gewesen, überwiesen worden seien 42502 4 Der Uebershuß sei wieder in ähnlicher Weise wie vorher verwendet worden. Man sammele Kapital an, und dazu seien die Gelder nit da. Proteste der städti- {hen Vertreter im Kreistage hätten gegenüber den Vorschlägen des Landraths nihts genügt. Die Gemeindevorsteher stimmten diesem einfah zu. Man wisse ja, wie es mit ven Germeindevorstehern als Kreistags-Abgeordneten stehe. Man sehe daraus, das Mehr an Steuern führe zu einer Verzettelung aus der Ansammlung von Kapitalien. (Widerspru rechts.) Das habe au Hr. von Bennigsen im Reichstage für seinen Hannoverschen Kreis wörtlich bestätigt. Er (Redner) wünsche, daß dem Hause endlich die Statistik über die Ver- wendungen aus der lex Huene mitgetheilt werde. Er werde sich sehr freuen, wenn das Mißtrauen, das er dem Finanz-Minister in ge- wissem Sinne entgegenbringe, si im Laufe der Zeit mildern und es diesem beschieden fein sollte, die Steuerreform einst zu günstigerem Ab- {luß zu bringen, als es z. B. dem Minister von Patow gelungen fei, der die Einkommensteuer im Interesse der Militärorganisation erhöht habe. Angesichts dieser Gesege könne er die Befürchtung nicht unter- drücken, daß aus dieser Session s{ließlich nichts herauskommen werde als eins oder zwei solcher neuen Steuergeseße. Von einer Re- form des Unterritswesens scheine man jeßt weiter entfernt zu sein als jemals, und er befürchte, daß das Haus nicht einmal den bescheidenen Anfang einer Besserung der Landgemeindeordnung in Sicherheit bringen werde, der in vem Entwurf vorhanden sei,

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Es is mir sehr angenehm, durch die Bemerkungen des Herrn Vorredners veranlaßt zu werden, auch cinmal eine Seite hier zu berühren, die ich bither noch niht berührt habe, nämlih die Frage der Staatsausgaben. Hr. Richter hat Reden von mir aus derm Herrenhause zitirt. Ih halte sie in vollem Maße aufrech@t. Er hat Reden zitirt aus dem Reichstag, worin ih sagte: wenn neue Aus- gaben nothwendig werden und vom Reichstage bewilligt werden, so wird es gegenwärtig richtig scin, dies Mehr zu suchen durch stärkere Anspannung der direkten Steuern in den Einzelstaaten. Die Shwäche des ganzen Programms des Hrn. Richter und vieler seiner Freunde liegt nah meiner Meinung darin, daß sie mit großer Leichtigkeit über die Einnahmen hinweggehen, wenn sie ihnen uicht gefallen, aber nicht die volle Bilanz ziehen ; wie konnte man nun zur Deckung der Aus- gaben kommen. (Sehr richtig ! rechts.)

Meine Herren ! Es ist uns gestern hier das Programm dargelegt, wonach wesentlih alle Zölle, cinerlei ob Industcice- oder Agrarzölie, fallen sollen, und das Einzige, was dagegen geboten wird, ift die Kassirung der angeblihen Begünstigung der Brenner und eine Reform der Zuckersteuer, aber auch denn das muß ih aus den übrigen Reden des Hrn. Richter entnehmen nicht unter Erhöhung der Ver- hraud8abgaben, sondern unter Beseitizung der Ausfuhrprämien, obwohl doch noch immer die Materialsteuer dieselben mit 9 Millionen übertrifft. Wie man nun mit einem Pfennig einen Tbaler zahlen kann, das ist mir vôllig unklar. (Beifalls rechts.) Wenn hier uns dargethan ist, daß die Einnahmen, die wir besißen, in Preußen ent- weder dienen müssen zur Deckung der vom Landtag selbst be- willigten Ausgaben oder zu einer, wie ih nahgewiesen habe, schr mäßigen Schuldentilgung, so kann niht die Be- hauptung gerecht sein, daß man überhaupt dem Volk zu viel Steuern abnehme, daß man sie thesaurire, daß man Kapitalien ansammle; wir haben niemals mehr erhoben, als füc die

dispensirt |!

allgemeine Staatsverwaltung nothwendig war.

Nun komme ich aber auh noch auf einen zweiten Punkt. Die Welt hat sich nach meinen Erfahrungen in Bezug auf die Ausgaben des Staats merkwürdig umgewandelt. In früheren Zeiten war der Landtag im Großen und Ganzen sehr wenig geneigt, neue Ausgaben zu benilligen und es wurde jede Ausgabevermehrung sehr {arf kriti- sirt. Gehen Sie heute in eine Stadtverordneten-Versammlung, sehen Sie auch selbst in diesen Landtag, lesen Sie die Reden, die von allen Seiten gebalten sind, so genau dur, wie Hr. Richter es zu thun pflegt, so werden Sie finden, taß ein fortwährendes An- treiben der Staatsregierung nach Mehrausgaben stattfindet, und zwar von allen Seiten. Ich finde also nicht, daß in dieser Beziehung die Kontrole Behufs Verminderung von Staats- ausgaben eine schr wirksame is. Aber Jedermann, der Ausgaben be- willigt, muß fih bewußt sein, daß er auch Einnahmen bewilligt. (Sehr richtig ! rechts.) Ich habe schon gesagt, daß das stete Wechsel- ziehen auf die Staatskasse und das ewige Ablehnen aller Rückwe@sel, die die Staatskasse doch nun ziehen muß, unmöglich zu einem guten Finanzfstande führen kann.

Nun sagt Hr. Richter, ja wenn wir hier eine Reform machen, die von selbst dur die gleihmäßige Veranlagung der Steuer, ohne Erhöhung des Steuersatzes, ja sogar mit erzeblihen Ermäßigungen des Steuersatzes, mehr Einnahmen bringt, und Sie überweisen diese ganze gesammte Wéehreinnahme den Kommunalverbänden, so lieg! darin gar keine Entlastung. Der Hr. Abg. Richter hat ausgeführt: die Kommunalsteuern sind das Lästige und Drückende, 400 %/o werden erhoben in meinem Wahlkreise. Gut, wenn ih nun diesen unglüdlih überlafielen Kommunen die Mehrerträgnisse aus

der Steuer überweise, ist das fkcine Entlastung? Jetzt

sagt Hr. Richter: ras wird aber mit den Geldern in den Kommunen ¡ gemacht ? Das sagt er nun in einem Atbem, wo er sich an meine | Seite stellt in Beziehung auf die Selbstverwaltung der Kommunen. | Das hbeift denn doch die Staatsregierung auffordern, wegen mangel- hafter Verwendung der den Kommunen zustehenden Mittel die Auf- sihtsrehte des Staates \chärfer zu handhaben oder die Kommunen dur geseßliche Schranken zu binden, daß fie eiwas Verständiges thun, Fch babe es {hon oft bemerkt, daß Hr. Richter troy aller seiner liberalen Gesinnung doch cine etwas bureaukratishe Ader hat. (Heiterkeit) j e

Meine Herren, ih bin aber in cinem Punkte mit ihm völlig ein- verstanden, und wir werden Gelegenheit haben, in dieser Beziehung beim weiteren Fortgang der Reform vielleicht Seite an Seite zu stehen, nämlich darin, daß, wenn der Staat mit 35 Millionen die Hälfte der Grund- und Gebäudesteuer den Kommunalverbänden überweist, das nicht mehr in der Weise geshehen darf wie früher.

Ae E E E E R E E E E T

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Die Dotationen, bei denen ich allerdings selbs mitgewirkt habe ih bekenne mich in dieser Beziehung durhaus \{uldig; jeder Mensch muß lernen aus der Erfahrung; ich sage, wir werden diese Ueber- weisung der Grund- und Gebäudesteuer hoffentlih an der Hand eines organishen Kommunalsteuergeseßes machen zu bestimmten geseßlichen Zwecken (sehr richtig!), und ih glaube, das Haus wird damit auch durchaus einverstanden sein. Dann fällt diese Gefahr aber von selbst weg. Man konnte gar nit verlangen, daß Hr. von Huene damals diese \{chwierige Frage löste. Jh glaube auch nit. daß das ein einzelner Abgeordneter kann, das bedarf einer fo sorgfältigen technischen und finanziellen Berathung, man muß o klar sein über die Gesammtaufgaben, daß ein Abgeordneter, der einen An- trag einbringt, von einem Ueberschuß, der durch die in- direkten Steuern dem preußishen Staate zufloß, einen Theil für die Kreise zu sihern, diese Frage gar nicht lösen konnte, und daher meine ih, daß Hr. von Huene nach dén Erfahrungez, die er selbs gemacht hat, damit einverstanden ist, demnächst, wenn diefe ganze Frage einmal zur Lösung kommt, für diese Ueberweisung auch eine andere Form zu findenz ich bin überzeugt, wir werden uns dar- über demnäch|t verständiyen. Aber wie man behaupten kann, daß, wenn der Stadt Berlin drei Millionen und einige Hunderttausend Mark aus den landwirth\{haftlihen Zöllen in diesem Jahre über- wiesen sind, dies keine Erleichterung für die Finanzverwaltung der Stadt Berlin und in Folge desscn für die Steuerzahler ist, das ift mir noch gänzlich unverständlih. (Sehr wahr !)

Meine Herren, dann ist der Hr. Abg. Richter wieder noch ein- mal auf die Frage der offiziösen Presse gekommen. Ich habe ihm \chon den Zvsammenhang gestern deutlich auseinandergeseßt ; er bat selbst au heute nit mehr behauptet, daß irgend ein Organ existire, welches direkt oder indirekt von der Staatsregierung unterstüßt und berufen wäre, in offizieller Weise, ohne eine äußere formelle Verant- wortlichkeit der Staatsregierung, Mittheilungen in die Presse zu bringen. Aber andererseits braucht ein Minister, wenn er in der gegnerishen Presse seine Ansichten gänzlich enistellt fieht, wenn von vornherein sein ganzes Reformwerk verdähtigt wird mit der Behaup- tung : das ist Alles nur Schein, die Reform ift das Geringste und die Nebensache, die Hauptsache ist, mehr Steuern herauszupressen, fi nit zu scheuen, demgegenüber durch Mittheilungen an Lerite, die auch vielleicht in die Presse schreiben, ganz ofen entgegenzutreten. Warum soll ich das Land nicht aufklären? Jch bin in diefer Beziehung nit so engherzig und so ängstlih, Sachen, die kein Staatsgeheimniß sind, namentlih wenn ih glaube, daß diese entstellenden Nachrichten cin ganzes Reformwerk von vornherein diskreditiren, unter allen Um- ständen geheim zu halten, und so werde id auch in Zukunft verfahren. ,

Meine Herren, nun ist der Hr. Abg. Richter nebenbei auch auf die Erbschastsfteuer gekommen (Heiterkeit) und ih möchte auch in dieser Beziebung noch einige Worte hinzufügen. Er sagt: Wenn die Hauptsache fällt, wenn die Besteuecung der Erbfälle in auf- und ab- steigender Linie und zwischen Chegatten vom Hause nit genehmigt wird, so hat es eigentlih kein Interesse, die andern Punkte zu erledigen. Fch würde au nicht dicse andern Punkte denn die sind niht von entscheidender Bedeutung hier in einer besonderen Novelle zur Er- ledigung zu bringen versucht haben, wenn nit bei Gelegenheit der Erledigung der Erbschaftssteuer überhaupt. Nun liegt aber diese Vorlage dem Hause vor, und die Belastung des Hauses mit anderen {weren Aufgaben kann die Erledigung dieser, \{chon von meinem Herrn Kommissarius auéëführlich dargelegten Punkte, die Beseitigung von Mängeln, die in der Praxis hervorgetreten find, die Ausgleihung geradezu von Unzuträglihkeiten und ih mô@te fast sagen Ungerechtigkeiten, die namentlich in Beziehung auf die Be- steuerung der bedingten Schenkungen und auf den heutigen un- angemessenen Prozentsag bei der Kapitalisirung hervorgetreten sind, die großen Schwierigkeiten, die uns die Grbschafts\teuer, wie sie jetzt formulirt is, auf dem internationalen Gebiet gemacht hat, sie fönnen fchr wohl auch geordnet werden, èa die Vorlage einmal vor- und das wird die Erledigung und den Abschluß der übrigen großen Meformgeseßze in keiner Weise hindern. X finn Uo nur wiederholt bitten, daß das Haus diese Fragen, sei es in einer Kommission, sei es hier im Plenum, in Erörterung zieht, auch selbs dan», wenn man im Uebrigen dem Erb- \chafts\teuergeseß niht zustimmt.

Meine Herren, dann hat der Hr. Abg. Richter gemeint, wenn man einmal diese Sache voch verhandeln wolle, dann sei noch eine Reibe anderer wesentlicher Aenderungen in diesem Geseh nothwendig, und er ist in dieser Beziehung gekommen auf zwei Fragen von orößerer Bedeutung. Wenn diese Fragen gelöst werden sollen, dann allerdings würde das Haus sehr eingehend und schr prinzipiell mit den Dingen si beschäftigen müssen, und das kann allerdings gegenwärtig seine Schwierigkeiten haben. Die Frage der todten Hand hier bei dieser Gelegenheit in Erörterung zu bringen, davon würde id dringend abrathen ; id) fage, wir sollen solcbe großen shwierigen, zu Differenzen führenden Fragen, bei dieser Gelegenheit wenigstens, bei Seite lassen, denn wir verhindern dadurch vielleiht die Erzielung einer durchgängigen Uebereinstimmung in den viel wihtigecen andern Fragen.

Genau so aber ist es mit der Fideikommißfrage. Die Herren können darüber vershiedener Meinung sein, ob Fideikommisse in der Ausdehnung, in der sie jeßt vorhanden sind, berechtigt sind oder niht. Hat die Gesetzgebung fie aber einmal eingesührt, bestehen sie Kraft Gesetzes, so müssen sie auch nah Maßgabe ihrer inneren Beschaffenheit, die die Gesetzgebung anerkannt hat, in der Erbschafts\teuer behandelt werden. Denn daß ein Fivcikommißinhaber, der gewissermaßen nur den Nießbrauch hat und über den Grundstock garniht verfügen kann, anders zu behandeln ist, wie ein freier Eigenthümer, auch in der Erbschaft; daß er nicht dasselbe erbt, was ein freier Eigen- thümec erbt, sondern nur für die Nußung währènd der vor- aussitlien Dauer seines Lebens zur Erbschaftssteuer herangezogen werden kann, ist durchaus richtig.

Bei dieser Gelegenheit hat der Hr. Abg. Richter an mich cine Frage gerichtet, die ih zur Zeit niht beantworten kann, nämlich wegen eines im Gnadenwege stattgehabten Erlasses des Fideikommißstempels des Freiherrn Lucius von Ballhausen. Ich habe . darüber ketne Kenntniß, werde aber gelegentlich zu einer anderen Zeit darauf zurüdck- kommen.

Meine Herren, dann hat der Hr. Abg. Richter noch Über das Minimum des Betrages, welcher in der heutigen Erbschaftssteuer freigelassen ist, sch dahin ausgesprochen, daß es zu gering. Meine Herren, ih würde au rathen, diese Frage hier bei Seite zu lassen

handen iît,

denn darüber find sehr verschiedene Ansichten möglich. Man kann das

Minimum noch nach einer ganz audcren Art und Weise bemessen, als nach der Höbe des Erbanfalls. Es sind genug Vorschläge vorhanden, welche das Minimum z. B. nach den sonstigen Vermögensverbältnissen des Erben ver- schieden bemessen wollen. Ich gebe zu, daß das Minimunr, das wir in dem gegenwärtigen Erbschaftssteuergeseß haben, ursprünglich) darauf beruht, daß der ftempelfreie Beirag auf diese Erbschaftsanfälle übertragen ist, Man faun vielleicht der Meinung sein, daß es in der heutigen Zeit etwas niedrig ist, das will ich durchaus nicht bestreiten; aber wenn wir die Frage des geringsten Satzes, der steuerfrei bleiben \oll, einmal gründlih behandeln, dann werden wir noch auf ganz andere Fragen kommen, auf die Frage, ob das Minimum überhaupt in dieser Weise zu bemessen ist, wie es in dem Gesetz steht.

Ich würde alfo au) glauben, daß diefe Frage hier zur Zeit nicht zur Erledigung kommen kann, und ih empfehle Ihnen im Uebrigen, dieses Geseß an eine Kommission zu verweisen, weil ih doch glaube, daß alle die spezifisch technischen Fragen, die in der Novelle behandelt sind, si in der Kommission besser werden erledigen lassen als im Plenum. (Bravo !)

Abg. von Rauhhaupt: Wenn man ausführe, die vorgeschla- gene Erbschaftssteuer sei so gering, daß sie gar nit ins Gewicht falle so könne man doch andererseits nit sagen, daß sie ein Aequivalent für die zu s{chwache Heranziehung des fundirten Einkommens fei Die Erbschaftssteuer könne deshalb nicht als ein Au? gleich für die un- bedingt erforderlihe stärkere Besteuerung des fundirten Einkommens betrachtet werden; man würde mit ihr nur cine dritte Be- steuerung des Grundbesitßes einführen. Das Kapital könne man leiht vers{hwinden lassen und der Erbschaftssteuer ent- zichen, aber der Grundbesiß könne nit verschwinden. Die Erbschafts- steuer bleibe zudem bei dec Koinmunalsteuer ganz außer Acht, zu ihr könne man keine Zuschläge erheben. Brauche man aber eine Kon- trole der Einkomnienstcuer, so könne wan diese auch obne die Erb: \chafts\teuer cinführen. Wenn man die Legung des Inventars fordere so komme man ebenso weit. Sehc viele Censiten würden G \cheuen. ihr Vermögen zu niedrig zu deklariren, wenn sie wüßen, daß na ihrem Tode Inventarlegung gefordert und ihre Hinterziehunz bloß- gestellt werden könne. Eine folhe Bestimmung würde au ur ethishen Erziehung der Nation führen. (Sehr richtig! rets.) Uebrigens müsse ja, wo ein Minorenner eristire, \{chon jeßt Jn- ventar gelegt werden. Soweit alfo cine Kontrole nothwendig fei, ur eine gewissenhafte Deklaration zu erzi-sen, sei er bereit, der Staats- regierung entgegen zu kommen. Bei der Ueberweisung der Grund- und Gebäudesteuer komme es darauf an, die Grund- und Gebäude- besitzer zu entlaften. Dabei müsse man von dem unglücklihen Rük- vertheilungsmaßstab, wie man ihn jetzt in der lex Huene habe, abseh Wenn man die Ueberweisung {ih so dächte, daß das, was die Kreise nicht brauchten, an die Gemeinden, und ¿war nach dem Maßstab von Grund- und Gebäudesteuer vertheilt werben müsse, dann würde man in der Kreisverwaltung die äußerste Sparsamkeit erzielen; und wenn man hinzufügte, daß diese den Gemeinden überwiesenen Summen auf ihre Grund- und Gebäudesteuer angerechnet werden müßten, so würde dafür gesorgt sein, daß möglichst sparsam ia den Gemeinden gewirthschaftet werde. Daß die lex Huene für Berlin so große Er- träge ergebe, sei ganz natürli, Große Kreise hätten überhaupt den Vortheil, daß die lex Huene den Stenerpflichtigen direkt zu Gute komme, weil Kreis und Gemeinde da zusammen fielen. Die Berliner brächten 34 Millionen Kommnnalsteuer weniger auf. Die Fidet- krommisse seien von der Auffassung aus, daß sie einen Grundbesitz repräsentirten, der ohne Schulden bestehe und deshalb in der Lage sei, allen volk8wirthschaftlihen Lagen und Stürmen zu widerstchen, nicht anzufechten. Das Heimstättengesez, die Landgüterordnung, das Rentengütergesez bezweckten ja auch nichtis Anderes, als w8g- lihst \chuldenfreien Grundbesiß zu schaffen, damit dieser seine volkswirthschaftlihen YAufgaben möglihst gut erfüllen könne. Ein verschuldeter Großgrundbesißb sei das Unglüctlichste, was es gebe, Der Einwand, daß die Fideikommisse die Möglichkeit yer- minderten, Arbeiter seßhaft zu machen, treffe nicht zu, denn die Ab- verkäufe von Fideikommißgütern seien jeßt fehr erleichtert, und wie jeder Grundbesitzer, sobald er die Nothwendigkeit empfinde, dur Seß- haftmachung der Arbeiter cine gesunde und \tetige Arbeiterbevölkerung zu gewinnen, für eine solhe sorge, werde der Fideiktommißbesißer erst recht dafür sorgen. Bei dem Bestreben des Abg. Richter, über divergirende Anschauungen kürflig nur fachlich zu diskutiren, denke

er, es werde sih eine Einigung über diese Frage leiht ermöglichen |

lassen.

Abg. Ri (ter: Der Finanz-Minister habe gemeint, er (Redner) biete einen Pfennig und verlange dafür etnen Thaler Steuererlaß, und habe dabei auf den Antrag exemplifizirt, den er im Reichstage eingebracht habe. Dieser Antrag stelle aber 40 Millionen aus den Brenner- privilegien und 20 Millionen Zuckc:1ausfuhrprämien zur Verfügung, Dazu böten die Uebershüsse im Reiche wie in Preußen Geld zu Steuererlassen. Endlich werde eine theilweise Aufhebung der Zöüe bei manchen Artikeln eine Mehreinnahme mit {ich bringen. Sein Verlangen sei also keineswegs ein leichtfertiges Vor- gehen ohne Rücksiht auf die Finanzverhältnisse. Gegen Niemanden sei auch der Vorwurf ungerechtfertigter als gegen ihn, daß er sich nicht bei Bewilligung von Ausgaben der Verant-

wortlihkeit in Bezug auf die Einnahmen bewußt / 2. Jeder

|

Haushaltsetat sei in der Hauptsahe nur der Finanzplan zur !

Ausführung bestehender Gesetze. Allerdings biete er auch einen freien Spielraum bei neuen Forderungen, die gestrihen werden könnten. Ein Haupttheil seiner parlamentarishen Thätigkeit habe darin bestanden, den Ausgabe-Etat möglichst nicdrig zu halten. Er habe auf das Aeußerste dagegen protestirt, daß Millionen nah Afrika wanderten. Er sei gegen die Mehrforderungen für kirchliche Gesellschaften eingetreten und erkläre sih {on jeßt gegen die Forde- rung von 22 Millionen für den Dombau in Berlin. Bei der Beamtenbesoldungsfrage sei er in der Kommission fast fiskalisher aufgetreten als der Fiskus und habe betont der Strich müsse so gezogen werden daß aus den Besoldungs- verbesserungen nicht die Forderung ciner Steuererhöhung im Reiche und Preußen hervortrete. Er habe au zu Denen ge- hört, die die Klausel eingeführt hätten, daß jede Ausgabe zur näheren Prüfung erst in die Kommission gehen müsse, Vit jedem Jahre sei er aber in diesen Bestreben nah sparsamer Wirthschaft ohnmächtiger geworden in Folge des Systems, Steuern auf Vorrath zu bewilligen, und er mache dem Finanz-Minister zum Vorwurf, daß er diesem Svstemn gedient habe. ruinire das Ausgabe-Bewilligungsrecht. Quotisirung der direkten Steuern eine finanzpolitisch wichtige und für die Sparsamkeit entscheidende Frage. Der Finanz-Minister meine, er (Redner) besiße eine bureaukratische Ader. Nichts sei willkürlicher, als seine Aeußerung in Bezug auf die Verwendung in den Kreisen mit der Absicht zu verbinden, die Kreise gewissermaßen unter Vor- mundschaft zu stellen. Er wolle die Verwendung nicht einmal in einem Gesetzentwurf festlegen. Das gebe eine Schablone, die für manche Kreise passe, für manche gar nicht. Der Fehler bei der Ueberweisung liege in der VerquiCung von Finanzen verschiedener Körperschaften. Die Ueberweisung der Grund- und Gebäude- und Gewerbesteuer sci nur rationell, wenn man den Kommunen ermög-

Dieses Bewilligen auf Vorrath | Deshalb si gerade die |

liche, diese Steuern ihrerseits beweglich zu machen. An eine bloße !

Ueberweisung denke er nicht.

die 3} Millionen aus der lex |

Huene maten für Berlin niht viel aus. Sie bedeuteten nur 1/8 |

oder 1/9 der Steuereinnahmen. Nah Maßgabe der Einkommensteuer müßte Berlin das Drei- bis Vierfache bekommen. Bezüglih der offiziósen Presse sage der Finanz-Minister: Warum folle er das Land niht aufklären? Gewiß! Aber er möge dazu den „Reichs-Anzeiger“ nehmen, dazu sei dieser ja da! Und wenn er wegen feiner technischen Einrichtung nicht genüge, so möge ein zweites Organ geschaffen werden. Man müsse nur stets wissen, daß die betreffenden Acußerungen solche der Regierung seien. Herrn Schweinburg müsse jedes Berliner Blatt

vierteljährlich 100 A für seine Nachrichten zahlen, nit die Weisheit diefes Mannes zu erfahren, der aus Ungarn a ean sei, und, wie er (Redner) höre, das, was sein Blatt reibe, weder zu 1 er treibe nu i fe

lukrativen Handel mit amtlihen Nachrichten. Bei E: rihten in der „Kölnishen Zeitung“ des Herrn Schmits, in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ des Hrn, Pindter und der „Post“ des Hrn. Kayßler lege doch auch Niemand Werth auf die

erfassen noch zu redigiren verstehe;

Namen dieser mehr oder weniger unbekannten Politiker; diese Mit- theilungen würden doch nur geschäßt, weil sie von der Regierung kämen. So täusche man nur die öffentlihe Meinung. In den ver- schiedensten Artikeln wücden die Geseßentwürfe der Regierung gelobt aber {ließli folge die Euttäushung, wie man es hier bezüzlih der Erbschaftssteuer erlebe. Also auch ungünstige Rüdkshläge für die Regierung ließen sich vermeiden, wenn man ih auf das bescheidene Maß in der Benußung der Presse beschränke, wie es der Minister- Präsident bei seinem Regierung®antritt in Aussicht gesteüt habe.

Fivanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren, ich möchte, um diese Frage über die offiziöse Presse zu Ente zu bringen, nur noch zwei Worte erwidern. Wenn Hr. Abg. Richter, statt von vornherein zu sagen: das i} feine Reform, sondern eine Steuervermeÿrung! zu mic gekommen wäre und hätte mich gefragt: wollen Sie mehr Einnahmen für den Staat aus dieser Reform erzielen, ist das Ihr Zrweck oder, da doch wahr- s{ecinlich aus der Reform der Einkommensteuer mit Nothwendigkeit mehr Einnahmen herbeigeführt werden, wie wollen Sie die dem Lande wieder zu Gute kommen lassen? so würde ich Hrn. Richter eine ganz offene und bündige Antwort gegeben haben, und dann bätte Hr. Richter alle diese Angriffe vermeiden können. Wenn nun ein anderer Redacteur zu mir kommt und sagt: ih lese in der „Freisinnigen Zeitung“, daß diese ganze Neform nur eine Schein- reform sein soll, daß der eigentlihe Zweck ist, dem Lande mehr Steuern abzunehmes, so habe ih nicht den geringsten Grund, den Mann nicht aufzuklären und ihm zu antworten: das, was in der „Freisinnigen Zeitung“ steht, ist unrihtig. Und so werde ih weiter verfahren; ich mache dabei gar keinen Unterschied zwischen irgend einer politischen Partei. Was ih ofen sagen kann, was kein Staats- geheimniß ist viele Dinge darf und kann man ja nicht mittheilen —, werde ih, wenn von mir offen und objektiv eine Aufklärung erfordert wird, ganz ohne Bedenken Jedem sagen, und was den Hrn. Shweinburg betrifft, so kann ih bestimmt versichern, daß derselbe von mir über- haupt feine Mittheilungen empfangen hat (hört! hört !), wle denn bebaut D Presse e ville Dinde ge standen haben, von deren ih selbst nich18 wußte, ganz un- rihtige Sachen, au) in befreundeten Blättern ; das ist ja klac, bei einer so großen Reform, die durch alle Ministerien geht, daß da niht Alles unbedingt verschlossen bleiben kann: der Eine hört dies, der Andere jenes; das läßt sich gar niht vermeiden. Jede Mitwirkung und Unterstüßung Seitens unabhängiger Blätter für offizióse Mit- theilungen zu erklären, das ist do wohl nicht zutreffend. (Heiterkeit und sehr richlig! rets.)

Meine Herren, jeßt werde ih diesen Punkt verlassen. Besser werde ih vielleiht mit Hrn. Richter mich verständigen über die all- gemeinen Grundsäße, die er entwickelt hat. Es hat mir durchaus fern gelegen, dem Hrn. Abg. Richter vorzuwerfen, daß er auf Aus- gabenvermehrung drängt oder früher gedrängt habe. Im Gegentheil, ih muß ihm durchaus das Zeugniß in dieser Beziehung geben, daß, wie er selbst sagt, er einer der Fiskalishsten gewesen ist. Das habe ih nit jeßt oder in den leßteren Jahren, sondern das habe ih hon vor langen Jahren beobachtet. Aber Ausgaben sind nöthig, nüßlih oder vermeidbar, und ich sage: diejenigen Summen, die wahsenden Aus- gaben, die man einfach unteclassen kann, ohne dem Lande großen Schaden zu thun, find in dem Verhältniß zu dea beiden anderen Kategorien außerordentlich gering. Wir haben cine Menge Ausgaben sowohl im Reich roie in Preußen, die man sehr gern zu vermindern trachten würde, wo man aber immer sagen muß, es ist unmöglich, wir können in unseren Ausgaben beispielsweise für die Landes- vertheidigung nihts Wesentliches ändern. Ebenso sind eiue ganze Menge Ausgaben, die zwar nicht absolut nothwendig sind, die aber doch fo wesentliche Verbesserungen der bestehenden Zustände enthalten, die von allen Seiten gefordert werden, da wird man sich auch auf die Dauer nicht \sträuben können. JIch komme auf die Frage der Beamtengehalte. Beamtengehalte sind hauptsählich ver- langt worden hier aus dem Hause, und zwar, wie ih glaube, von allen Seiten, und auch im Reichstage ift dasselbe geschehen. Wenn nun die Staatsregierung felbst anerkennen muß: es ist richtig, die Gehalte der unteren Beamten sind zu niedrig, wenn das Haus fortwährend von der Regierung verlangt, endlich diese berechtigten Forderungen zu erfüllen, fo wird die Regierung {ih dem doch nicht entziehen können. (Sehr richtig !)

Aber ih gehe noch weiter, ih sage: es liegt in der Natur der Sache, der ganzen Entwickelung unser sozialen Verhältnisse, daß die

| Ausgaben des Staates wachsen. Man kann das nicht ändern. In

jeder Gemeinde ift genau daf lbe der Fall. Hr. Richter hat selbst vorhin diesen Saß unwillkürl.Ÿ bestätigt, indem er sagte: was sind drei Millionen für die Stadt Berlin! im neuen Jahre sind die Aus- gaben s{chon wieder auf über drci Millionen gestiegen. Ganz rihtig, Das geht aber mit jeder Gemeinde o». Sehen Sie ih die Finanzgeschichte jeder Gemeinde an: ob man will oder nit will. die Ausgaben wachsen. Jst denn das in dem Privatleben des Einzelnen anders? Ueberall sehen wir genau dasselbe und zwar in allen Kreisen. Man kommt nicht darüber hinweg. Unser nächster Staatshaushali-Etat in Preußen wird dafür die allerstärksten Belege bringen —- ih bin überzeugt, niht das, was an Ausgaben darin steht, wird bemängelt werden, sondern was nicht drin steht; es wird sch finden, wieviel dringende Bedürfnisse wir unbefriedigt lassen müssen, und ih in mciner Eigenschaft als Finanz-Minister mache darin täglich die allerbedenklihsten Erfahrungen ; ich muß sehr häufig Ausgaben, die die andern Ressorts fordern, traurigen Herzens zurückweisen, weil die Mittel nicht da sind deshalb sage ih, diese ganze Frage der Ein- nahmevermehrung wird man auch mit den permanent steigenden täglihen Ausgaben in eine nothwendige Verbindung bringen müssen.

Hr. Richter meint, wir hätten Steuern auf Vorrath bewilligt. Wenn wir die Branntweinsteuer im Reiche niht bekommen hätten, wenn uns im Reiche die 100 Millionen fehlten, - so würden die Aus- gaben im Reich genau dieselben sein, Hr. Richter bat sie ja au be- willigt, und die Ausgaben würde Preußen zu leisten gehabt haben zu 3/5, und anstatt daß wir jeßt einen Uebershuß haben, würden wir um 3/7 von 100 Millionen mehr Ausgaben gehabi haben durch die Ma- trifularumlagen. Da kann man doch nicht von Bewilligung von Steuern auf Vorrath \prechen, Der nächste Reichshaushalts-Etat

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wird {on deutlich genug zeigen, wie sich bie Ueberweisungen aus dem Reibe gegenüber Preußen stellen. Das Nähere kann i in dieser Beziehung noch nicht angeben, fonst würde Hr. Richter vielleicht be- dauern, daß ih so ofen über diese Dinge spreche. (Zuruf des Abg. Richter.) Wenn Hr. S{hweinburg das weiß, von mir weiß er das jedenfalls nicht.

Meine Herren, in dem laufenden Jahr baben wir auch noch Uebershüfse. Sie werden sih aber schon viel geringer gestalten wie im vorigen Etat. alles unverändert geblieben wäre daraus herleiten, daß wir im laufenden Etat 18 Millionen Gehaltëerhöhungen bewilligt haben und 24 Millionen Mehrausgaben für Kreise.

Meine Herren, wie nun aber auch gerade dem Reiche gegenüber das Verhältniß Preußens in einem s{chwankenden Finanzzustand \ih befindet, das möchte ich Ihnen kurz an einer Tabelle mittheilen oder zeigen. In den Jahren 1879 bis 1881 hatie Preußen stets mehr an Immatrikularumlagen zu tragen, als es vom Reich empfing, und zwar in den ersten Jahren ich will nur mit runden Zahlen dienen 38 Millionen, 15 Millionen, 11 Millionen, dann fiel es auf 13 Millionen im Jahre 1881; seit der Zeit sind die Ueberweisungen mit wenigen Rücshlägen durchgängig gestiegen, sie haben aber ge- \chwankt von 6 auf 23, auf 7, auf 11, auf 5, auf 41, \{@lizßlich sind sie auf 80 Millionen im leßten Jahre gestiegen.

Nun, meine Herren, wenn Sie sih den nähsten Reichshaushalts- Etat ansehen, dann werden Sie {hon finden, wenn. die Zölle in derselben Höhe blieben, daß von einer solhen Ueberweisung in Zu- kunft nicht mehr die Rede sein kann. Wenn wir die S{hu!dentilgung im Reich beginnen sollten, was doch auch möglich wäre, so werden die Ausgaben des Reichs um diesen Betrag steigen. Außerdem existiren auf vielen anderen Gebieten Ausgaben im, Reich, die eher einen steigenden als rückwärt8gehenden Charakter haben, Nun ver- lange ih von einem Finanzmann, wie es der Abg. Richter ist, daß er niht bloß, wie er auch mit Recht sagte, das eine Jahr im Auge hat, nit allein rückwärts sehen kann, sondern die zukünftige muthmaßlihe Entwickelung bei seinem ganzen finanziellen Plane auch in Betracht zieht. Das muß ein vorsichtiger Finanzpolitiker thun; font würde er die allerbedenklihsten Täuschungen erleben.

Meine Herren, wir sind wieder sehr reit von der Erbschaftssteuer abgekommen (Heiterkeit), und ih will die dort angeregten Fragen hier, um die Geduld des Hauses nicht allzu schr in AlsprucH zu nehmen, nicht weiter berühren; ich will nur noch eins sagen: allerdings war ein wesentliches Moment für den Vorschlag in Betreff der Erbschaftssteuer die sehr bedeutende Kontrole in der Sicherheit der Deklaration, und ih kann immer nur wiederholen: bei den ganzen Berathungen des Ge- seßes halten Sie doch den Gedanken fest: je {chärfer die Kontrolen sind, desto gleihmäßiger und gerechter die Steuerveranlagung, und Denjenigen, welcher kontrolirt werden muß, brauhßt man nicht zu \{chonen, denn er verdient es, kontrolirt zu werden, Die Kontrolen sind aber für Leute, die wirklich das Richtige thun wollen, den vollen Betrag ihres Einkommens dem Staat offen sagen, nach meiner Meinung in keiner Weise so lästig, daß man solche Kontrolen aufgeben könnte.

Wenn nun Hr. von Rauchhaupt unter Ablehnung des Vor- \{chlages der Staatsregierung im Uebrigen den Gedanken anregt, in dem Einkommensteuergeseß cine generelle Inventarisirung der Erb- [halten vorzusehen, um dadur eine solche Kontrole zu gewinnen, so ist das gewiß ein sehr erwähnenswerther Vorschlag, und die Staats- regierung wird ganz gewiß geneigt sein, diefen Vorschlag in Betracht zu ziehen. Ih muß zugeben, daß dann ein wesentliher Theil des-

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jenigen, was die Staatsregierung hier mit der Vorlegung der Erb- shaftssteuer erreichzen wollte, erreiht wird. Meine Herren, im Uebrigen wird das ja wohl zweifellos scin, daß die Sozialfragen in einer Kommission zur Erörterung gelangen, und ich gehe daher auf diese speziellen Punkte niht weiter ein. (Bravo !)

Abg. Rickert: Die Quotisirung der Steuet sei früher felbst von der nationalliberalen Partci eins{hließlih des Hrn. Miquel gefordert worden; man habe den Kaffeezoll und den Salzzoll je nach dem Bedarf variabel halten wollen. Von einem Geseß der waGsenden Staatsausgaben zu sprechen, sci unrichtig. Selbst Professor Schmoller habe dieses in seinen Aufsäßen über „die EpoGen der preußischen Finanzpolitik“ geleugnet, Was dieser in Bezug auf Preußen darin ausführe, fei üterhaupt von großem Interesse. Im Jahre 1865 habe danach Preußen nah einem beispiellosen ge- werblihen Aufshwunge genau dieselbe Summe an Steuern pro Kopf der Bevölkerung gehabt, als in den Jahren 1820—1830, Und do werde Niemand behaupten wollen, daß Preußen damals feine staat- lihen Aufgaben nit erfüllt habe. Wie Prof. Shmoller glaube aub er, daß die MagHtstelung Preußens, abgeseh:n von seiner Wehr- verfassung, in seiner geringen Schuldenlast, in dem mäßigen Steuerdruck und ia dem bumanen Steuersystem liege. Heute aber zeige fh, daß kein Land in der Welt in den letzten zehn Jahren eine so kolossale Steigerung der indirekten Steuern, namentlih was die Lebens- mittelzölle betreffe, aufzuwcisen habe, als Deutschland. Eine Steigerung nun auch noch bei den direkten Steuern eintreten zu lassen, sei vollends unmögli.

: Die Diskussion wird gesch{lossen und der Gesetzentwurf an die sür Berathung des Einkommensteuergese82s ein- ge]eßte Kommission verwiesen. 5

(Schluß 14 Uhr.)

Parlamentarische Nacúrichten.

Dem Reichstage ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Vereinigung von Helgoland mit dem Deutschen Reich, zugegangen. :

Der Entwurf lautet:

S L, A Die Insel Helgoland nebst Zubehörungen tritt dem Bundesgebiet )inzu.

Das Reich ertheilt seine Zustimmung dazu, daß die Insel dem

preußishen Staat einverleibt wird, ; S. A

Mit dem Tage der Einverleibung in den preußishen Staat tritt die Verfassung des Deutschen Reichs, mit Ausnahme des Abschnitts VI über das Zoll- und Handelswesen, auf der Insel in Geltung. Zu den Ausgaben des Reichs trägt Preußen für das Gebiet der Insel durch Zahlung eines Aversuins nah Maßgabe des Artikels 38 Absay 3 der Reichsverfassung bei. i

Die von der Insel herstammenden Personen und ihre vor dem 11. August 1890 geborenen Kinder find von der Wehrvyflicht befreit. &

: Das Wahlgesetz für den Deutschen Rei®stag tritt mit dem in

2 bezeichneten Tage gleihfalls auf der Insel in Kraft. Durch ne des Bundesraths wird die Insel einem Wahlkreise zue getheilt.

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