1890 / 299 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 Dec 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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Es folgte sofort die zweitè Lesung des Vertrages, deilen ohne Debatte angenömmen

der in seinen einzelnen T wurde. :

Daran reihte si die erste Berathung des Entwurfs" |. die Besteuerung des Zuckers be-=-

eines Gesegyzes, treffend. i Staatssekretär des Reihs-Schaßamts Freiherr von Maltzahn leitete die Berathung mit einem kurzen Rückblick auf die bisherige Zuckersteuergeseßgebung ein, die der deutschen M dusirie einen hervorragenden Play auf dem eltmarkt errungen habe und niht nur den Jndustriellen sonderv auch der Landwirthschaft und den betreffenden Landestheilen den größten Vortheil gebraht habe. Es sprähen aber jeßt überwiegende Gründe für eine Aenderung der Geseßgebung. Es handle sich darum, den that- sächlich bereits eingetretenen Zuständen entgegenzutreten, die dahin gingen, daß für den exportirten Zucker den Jnteressenten ein direkter Zushuß aus den Mitteln des Reichs ge- währt werde. Dieser sei zeitweise mit einigem Recht gewährt worden, als man noch die Jndustrie durh den Besteuerungsmodus habe heben, die Rübe zuckerhaltiger machen, die Entzuckerung des Rohmaterials weiter treiben können, Heute sei dies nicht mehr möglih. Dazu habe die LZuckerindustrie sich dem inländishen Markt vollständig ge- sihert und auf den ausländischen Märkt sih eine bedeutende Stelle erobert. Der Zucker, der exportirt werden solle, würde auch in Zukunft mit keiner Mark Zoll belegt werden. Das bisherige System habe die Fabriken möglichst groß zu machen das Bestreben gehabt, sodaß man oft die Landwirthschaft als ein Nebengewerbe der Zuckerindustrie habe betrachten fönnen. Zu den bestehenden 400 Fabriken seien in der leßten Zeit noch ungefähr 15 neue gekommen, die die Fabrikation um 450 000 Doppel: Centner vermehren würden. Dieser neue Zucker könne natürlih nur für den Export verwendet werden. Die deutshen Techniker und FJndustriellen im Auslande machten aber bereits erheblihe Konkurrenz, und Amerika sei im Begriff, sich ganz abzuschließen, sodaß mit einer weiteren Begünstigung der Jndustrie direkt eine Gefahr ver- bunden sei. Der gegenwärtige Moment sei deshalb für eine Reform, für ein Verlassen der Materialsteuer, sehr gecianet. Bisher habe man noch immer hoffen können, im Wege einer internationalen Konvention etwas zur Beseitigung der Exportprämien zu erlangen. Durh das vorge- shlagene System behalte man dem Auslande gegenüber freie Hand. Eine Reform in späterer Zeit, vielleiht nah drei Jahren, wo etwa 25 bis 30 junge Fabriken entstanden sein würden, würde der Jndustrie Nachtheile bereiten können, denn zu einer Reform der Steuer hätte {hon das Bedürfniß der Reichskasse später doch geführt. Würde der vorliegende Entwurf Gese, so müsse man später auch daran denken, die bis jeßt steuerfreien Stärkezucerfabriken und das Saccharin heranzuziehen, was sich allerdings erst nach der definitiven Gestaltung der Zuckersteuer im Jahre 1895 empfehlen werde. Der vorliegende Entwurf sei also im FJuleresse der Reichs- finanzen wie der betheiligten Kreise nur zu empfehlen. Der Abg. Dr. Witte begrüßte das Verlassen der Ma- terialsteuer mit großer Freude. Ein Zusammenhang der Landwirthschaft mit der heutigen Zuckerindustrie bestehe nicht

Wetterbericht vom 12. Dezember, rgens 8 Uhr.

Preciosa.

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von Weber.

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Wind. | Wetter.

Stationen.

Bar. auf 0 Gr. in ° Geliiu

P 50,

u. d. Meeressp. ced. in Millim. Temveraiurx

burg. Wagner.

Mullaghmore| 763 ¡NO Aberdeen .… | 766 [S Ghriftiansund | 765 |SSW Kopenhagen . 772 ¡NO Stocktholm . | 771 | 2\Nebel Haparanda . 760 | till heiter St. Petersb. | 772 \SSW 1\wolkenlos %Nosfau . 773 |NW 1|Schnee

Cork, Queens: | Own. 4 763 |SO Cherbourg . | 763 [D

eldeE 768 [O OSO O

4 Regen 2'\bededckt 2 wolkig 1\bedeckt

Tell. Anfang 7 Uhr.

æolfiq bedeckt wolkenlos ' bededt wolkig!) bededckt bedeckt bedeckt bedeckt wolkenlos wolkenlos wolkenl.3) wolkenlos wolkenl.3) wolkig bedeckt bedeckt Dunst wolkig

1E S 770

amburg …. 770

winemünde T Neufahrwafser| 770 [N Mem C0 |

A aa 764 | Nünster .. 768 Karlsruhe . . | 766 Wiesbaden . | 767 München .. | 764 Ghemniy .. | 770 Berin « ¿ 770 B v9 767 Breslau . 769 Sle dAix.. | 7160 [D Nizza | 759 |NO Triest | [O

2) Reif.

1) Dunst. 3) Raubfrost, Nebel.

Uebersicht der Witterung.

Die Wetterlage hat sich \eit gestern wenig ver- ändert. Das Minimum, welches gestern nordroestlih von Schottland lag, ift nordostwärts nach dem Eis- meere verschwunden, wobet über den britischen Inseln der Luftdruck weiter gestiegen ist, Bei {wacher nördlicher bis sftliher Luftbewegung ift das Wetter in Deutschland meist kalt, im Norden trübe, im Süden vorwiegend heiter, ohne nennenswerthe Nieder- \chläge. In Meitteldeutshland liegt die Temperatur 1 bis 7, in Süddeutschland 5 bis 12 Grad unter dem Gefrierpunkt; an der deutschen Küste herrscht

\tellenweise Thauwetter. Deutshe Seewarte.

S O R E A H S S E I S F E R I ZRRE R AAE : 1 E I BU Tf t Theater-Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Sonnabend : Opern- haus. 255. Vorstellung, Der Troubadour. Stelienischen ;prge vas Verdi. Zee pas dem meister Kahl. Anfang 7e P

R e.

P A I E DO C5 pk r D DO H I DO A R S R i i Q

Schöller.

von Schönthan.

Naben.

Anfang 7# Uhr.

Kostümen zum student. Genée. Binder. Hierauf : 36, Male:

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Schauspielhaus. 265. Vorstellung. Neu einstudirt : Schauspiel mit Gesang und Tanz in 4 Aufzügen von P. A. Wolff. Mußk von C. M. Ballet von P. Taglioni. Jn geseßt vom Direktor Dr. Otto Devrient. kalishe Direktion: Hr. Steinmann

Sonntag: Opernhaus. häuser und der Säugerkrieg auf der Wart- Romantishe Oper in 3 Akten von Richard - - -

Residenz-Theater. Direktion Sigmund Lauten- Sonnabend: Zum 22, Male: Der Kampf

ums Dasein. (La lutte pour la vie.) Sittenbild in 5 Akten von Alphonse Daudet.

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Lessing-Theater. Sonnabend: Heimgefunden. Volksftück in 3 Akten von Ludwig Anzengruber. Musik von Ad. Müller jun.

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Ut Sgt z t Dié. von der Regierung vorgelegten Berechnungen der euteberhältnisse stimmten mit den von ihm immer ührten überein, und er könne nur bedauern, ‘daßdie zu Grunde liegenden Thatsachen nicht früher von der Regierung anerkannt worden seien. Ungeheure Summen habe die Zuckerindustirie bisher auf Kosten des Reichs bekommen. Nur in einem Punkte könne er der Begründung der Vorlage niht zustimmen: es sei das Bedürfniß der Reichs- kasse für die Nothwendigkeit einer Reform angeführt. Das gebe den FJnteressenten ein gewisses Recht des Widerstandes, folange sie das Bedürfniß des Reichs für erhöhte Einnahmen bestreiten könnten. Die Nothwendigkeit einer anderen Be- steuerung8art ergebe sih aber aus der Sachlage selbst. Schon daß das Geseß vom 1. August 1888, das do schon eine kleine Ab- änderung des früheren Systems bedeute, der Zudlerindustrie nicht geschadet, sondern weit eher Vortheil gebracht habe, zeige, daß die Jndustrie stark genug sei, auch eine gerechte Ver- brauchssteuer zu tragen. Die Zukerpreise seien seit der Zeit noch gestiegen, und im Auslaude sei ein Preisdrul zu ver- spüren gewesen in Folge der Prämien, die das Reich den deutschen Fabrikanten gezahlt habe. Auch nach Weg- fall der Prämien werde die deutshe Zuckerindustrie auf dem Weltmarkt vollständig konkurrenzsähig bleiben, a e würde gerade ¿hann erst ret gesunden; da der Preis auf dem Weltmarkte steigen werde. Die französishe Konkurrenz sei allein durch das hartnädlige Fest- halten der deut)chen Jnrdustriellen an dem Prämien- und Materialsteuersysiem entstanden, indem man die Franzosen auf diese Art gezwungen habe, ihre Fabrikatssteuer aufzugeben. Heute könne man es nur bedauern, daß das Prämiensystem noch bis zum Jahre 1895 bestehen bleiben jolle. Redner beantragte schließlich die Verweisung der Vorlage an eine Kommission von 28 Mitgliezern.

Der Abg. U do Graf zu Stolberg-Wernigerode be- tonte, daß das Juteresse der Landwirthschast an der Zuer- industrie vorzugsweise im Nübenbau liege. Bessere Rüben entzögen dem Boden nienals so viel Kraft wie die s{chlehteren Sorten. Deshalb habe die bisherige Materialsteuer, die die zuckerreiheren Rüben begünstigt habe, der Landwirthschaft viel genüßt. Es sei nun vielleiht bedenklih, mit einer Abschaffung der Materialsteuer voranzugehen, nachdem Frankreih diese Steuer eingesührt habe und gerade jeßt der deutschen FJndustrie erhebliche Konkurrenz mache. Fn Frankreih könne auch noh der Nübenbau erhbeblich erweitert werden, während das bei uns nicht mehr der Fall sei. Für den allmählihen Fortfall der Prämien könne man auch vielleicht einen längeren Zeitraum in Aussicht nehmen. Der Sprung in der Konsumsteuer von 12 auf 22 M sei bedenklih, und wenn s{hon aus anderen Umständen der Weltmarktspreis und somit au der Fnlands- preis steigen könne, so werde diese Erhöhung ganz gewiß die inländishen Konsumenten treffen, die von dem bisherigen System neben der Jndustrie Vortheile gehabt hätten. Jm Ganzen aber fsländen er und seine Freunde der Vorlage nicht feindlih gegenüber. Nur werde man in der Kommission noch Einiges klar stellen müssen.

Bei Schluß des Blattes erhielt der Abg. Dechelhäuser das Wort.

Scene Musi- Anfang 7 Uhr. 256. Vorftellung. Taun-

stattung.

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266. Vorstellung. Wilhelm

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in 4 ib S : Sonnabend : Goldfische. in 4 Akten von Friy Behrend

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98, Male: in 4 Akten von

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Thomas-Theater. Alte

Zum 67. Male: Penfion in 3 Akten nah einer W. Vorher: Zum

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Der Soldatenfreund. Sonntag und folgende Tage: freund.

Posse in 3 Akten

Papa. Deutsh von Franz

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Sonntag: Nacmittags-Vorstellung bei bedeutend ermäßigten Preisen, Die Puppenfee. Hicrauf : Die

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Sonnabend, den 20. Dezember. Mit neuer Aus- Zum 1. Male: Die Goudoliere. leske Operette in 2 Akten von W,. S. Gilbert. Deutsch von F. Zell und R. Genée.

Belle-Alliance-Theater. Sonnabend: Ensemble-

Gafilspiel von Mitgliedern des Wallner-Theaters. Zum leßten Male: Familie Knikmeyer. Schwank Anfang 7F Uhr. E Sonnabend und Sonntag: Nachmittags-Vorstellung | mean

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4 Akten von Carl Laufs,

Adolph Ernsi-Theaier. Sonnabend: Zum | mit

Unsere Don Juans, Leon Treptow. Couplets von Gustav Görß. Musik von Franz Roth und Adolph

Jakobstraße 30. Direktion: G. Thomas. Sonnabend: Zum 22. Male:

Der Soldaten-

Statistik und Volkswirthschaft.

Brausebäder für Schüler

sind u. A. in Hildesheim, Göttingen, Bonn, Sachsenhausen und Jena cingerihtet worden und bewähren sih trefflich. Die Kinder kehren daraus erfrischt zur Schulbank zurück und die überwachenden Lehrer empfinden die Sache nicht, wie Anfangs befürchtet, als eine Störung, In Stegliß bei Berlin ist nun auch auf Anregung der Kaiserin Friedrich eine umfänglihe Brauseanlage ausgeführt worden. Je fauberer der Nahwuchs wird, um so mehr muß das auf das erwachsene Geschleht zurückwirken, soweit es dessen bedarf.

Wasserbauten.

Die Vauten zur Verbesscrung der Schiffbarmahung der Ober- weser und Aller sind in letzter Zeit auf das Kräftigste gefördert worden. Am Hafen von Geestemünde sind am Hauptkanale drei Schuppen zur Holzlagerung mit einem Kostenaufwande von 50000 4 erbaut. Es ist dadurch dem stetig wachsenden blühenden Holzge\chäft in Geestemünde, welches eine Menge von Leuten beschäftigt, eine wesentlihe Erleichterung gewährt. Das Hauptbauwerk der Geeste- Melioration in den Krceisen Lehe und Geestemünde, die große Stauschleuse im Geeste - Durhstih 3, welche anshlags- mäßig einen Kostenaufwand von 217 C00 # erfordert, is bis auf geringe noch rüständige Erdhinterfüllungen der Mauern vollendet. Nachdem die Statuten des Engelschoffer und Neulander Deich- und Schleusenverbandes die Allerhöchste Bestätigung e. halten haben, ist das Projekt zur Erbauung eines Dampfs\chöpfwerkes zur besseren Cntwässerung der niedrigeo Verbandsländereien aus- gearbeitet, geprüft und genehmigt worden. Es sind nunmehr die Suh- missionsverhandlungea für den maschinellen Theil der Anlage zu Gnde geführt, und wird balkigst mit der Ausführung begonnen werden. Die Vorarbeiten zur Regulirung der unteren Wümme bezw, für die Abschleusung der Lesum, sowie für die Dampfshöpfwerke des Hollerner Binnenschleusenverbandes, des Königreich-Westmoorender S{leufenverbandes und des Horneburg-Dollerner Moorschleusen- verbandes sind fortgeseßt und zum Theil vollendet, sodaß die Aus- arbeitung der verschiedenen Projekte im . Laufe des Winters er- folgen kann.

Nach Schluß der Redattion eingegangene Depeschen,

Wien, 12, Dezember. (W. T. B.) Abgeordneten- haus. Jn Beantwortung der Jnterpellation des Klubs der Altczehen erklärte der Landesvertheidigungs - Minister Graf Welsersheimb, daß von den Einjährig-Freiwilligen in der Armee 80 Proz, in der Landwehr 90 Proz. die Prüfung erfolgreih bestanden hätten. Speziell in Lemberg und Pilsen zählten die Uge der Prüfung unter die besten. Das allergünsiigste Resultat mit 100 Proz. sei 1n Dalmatien erzielt worden, woraus sich ergebe, daß keinetlei systematische Benachtheiligung im Sinne der Besorgnisse der Jnterpellanten vorwalte. Der Minister betonte die Nolth- wendigkeit der Kenntniß der gemeinsamen Dienstsprache in dem für den Dienst unerläßlihen Maße.

(Fortseßung des Nichtamtlichen in der Ersien und Zweiten Beilage.)

Circus Renz. (Carlstraße.) Sonnabend, Abends

7 Uhr: Gala Vorstellung: Die lustigen Heidel- berger oder: Ein Studenten-Ausflug mit Hinder- nissen. Große Original-Pantomime, neu arrang. und in Scene geseßt vom Direktor E. Renz. Die vier- fache Fahrschule, ger. von 4 Herren mit 8 Schul- pferden. Colmar, ger. von Frl. Clotilde Hager. Großes Hurdle-Nennen, ger. von Darnen und Herren der Gesellshaft mit 24 Vollblut-Springpferden. Agat, Feuerpferd dre, und vorgef. von Herrn Franz Renz. Miß Zelia Zampa, amerikanische Lusft- gymnastikerin. Auftreten des becühmten Salto- mortales-Reiters Mr. Alex. Briatore. Phantasti- \ches Charivari von 4 musika[ishen Clowns, Auf- treten der Reitkünstlerinnen Frls. Lillie Meers, Adèle, des Reitklinstlers Mr. Burnell Fillis, sowie sämmtlicher Clowns. Sonntag: 2 Vorstellungen. Um 4 Uhr Nachm. (1 Kind frei): Aschenbrödel. Um 72 Uhr: Heidel- berger.

Bur- Musik von

Deutsch von

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Agnes Hoffmann mit Hrn. Prem.- Lieut. a. D, Adolf von Gündell (Hannover). Frl. Margarethe von Pöllniß mit Hrn. Prem.- Lieut, von Hoff (Oberlödla b. Altenburg—Berlin), Frl. Agathe Köhler mit Hrn. Ingenieur Wilh. Breer (Hamburg). Frl. Margarethe Teubner

Hrn. Gutsverwalter Max O'Gilvie (Königs- berg). Frl. Anna Ballauf mit Hrn, Wilh, Klein (Schwelm). Frl. Anna Lehmann mit Hrn. Gust. Heidrich (Neu-Jaschwiß—Dlonie).

Geboren: Ein Sohn! Hrn. A. von Kobbe {Wandsbeck), Hrn. Dr. Uebershär (Adelsdorf). Hrn. Grafen Balny d’Avricourt (Hamburg). Hrn, Rechtsanwalt Groeger II. (Schweidniß). Hrn. H. Blume (Bornum). EtineTochter: Hrn. Landgerichts-Rath Otto Irmer (Chemniß) Hrn, W. Maelter (Schlabiß bei Militsch). Hrn. Dr. Josef Kemmling (Glehn). Hrn. E, Riege (Hameln).

Gestorben: Hr. Stabsarzt a. D. Dr. med, Burk-

Gorner.

Eiu toller

Gesangspofse

Die fieben | Concert-YHaus.

Concert. „Frau Meisterin*, Suppé.

Sonnabend: Musik von G. Lehnhardt. Ballet-

Nicolajewna. Arie a. d. gesungen von Frl. Nicolajewna.

Singakademie.

408. Male: Der VBettel-

Orchester. Regie: Hr.

Concert-Anzeigeu.

Carl Meyder- Ouv, „Der fliegende Holländer“, Wagner. Arioso a. „Der Prophet“, von Meyerbeer, gesungen von Frl. Op. „Orpheus“ v. Gluck, «The lost chord“ f. Piston von Sullivan, vorgetr. v. Hrn. Richter.

Sonnabend, Abends 73 Uhr; Concert von J. J. Paderewski mit dem Philharm.

mann (Strehlen). Hr. Fabrikant Gustav Schreiber (Asuncion, Paraguay). Hr. Guts- besißer Oswald Menzel (Krampiß). Hr. Kgl. Rechn.-Rath Herm. Krepper (Berlin). Frau Kgl. Reg.-Baumeister Klara Knothe, geb, Kaßner (Met). Hr. Shuldirektor a. D. Adolf Beyssel (Berlin). Hr. Major Herm. von Loefen (Hannover). Hr. Lehrer Joh. Krüger (Brom- berg). Hr. Kammerger.-Aff. a. V. Karl Fenn- hahn (Berlin). Frau Margarethe Schwieker, geb. Scheffer (Berlin). Hr. Kaufmann Paul Hartwig (Bromberg).

d. Oper

Redacteur: Dr. H. Klee. Berlin: - -

Pantomimisches Geöffnet von 12—11 Uhr. O vatliGen Theater. zettel.

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Urania, Anstalt für volksthümlihe Naturkunde.

Am Lanves - Ausftellungs - Park (Lehrter Bahnkbof) Täglich Vorstellung im Näheres die Anschlag-

Verlag der Expedition (S ch olz).

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Sechs Beilagen (einschließli Börsen - Beilage).

M 299.

Deutscher Reich®8tag. 39. Sißzung vom 11. Dezember, 1 Uhr.

[m Tische des Bundesraths: Der Reichskanzler von Cie und die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Malßahn, Freiherr von Marschall und

Hollmann. ; Ho! Bie erste Etatsberathung wird fortgeseßt.

Abg: Bebel: Die erregte Art und Weise, in der die Abgg. Dr. Windthorst und Dr. von Frege gestern seine Angriffe auf das bestehende Steuer- und Zollsystem beantwortet hâtten, habe den Cindruck gemacht, als wenn die Herren selbft fühlten, daß sie ihrer Sache nicht mehr ganz sicher seien und sie für gefährdet bielten, An die An- nahme des von Sozialdemokraten und den Freisinnigen ge- stellten Antrags auf Beseitigung, bezw. Grmäßigung der Zölle sei dana nicht mehr zu denken. Er sei aber überzeugt, daß wenn diese Frage heute wie vor 2 Jahren der Wählerschaft vorgelegt würde, 5as Resultat der Wahl noch ein ganz anderes sein würde, als am 90. Februar d J. Die ungeheure Mehrheit der Bevölkerung wolle von der bisherigen Steuer- und Zollpolitik nihts wissen. Man habe behauptet, daß die Agrarzölle nothwendig seien, weil fie dem kleinen Bauern und ländlichen Arbeiter von Vortheil feien, Dem wider- spreche die Thatsache, daß die ländlichen Arbeiter in großen Schaaren nah den Städten hin drängten, und daß die Agrarier selbst in ihren Nersammlungen und Kongressen fortgeseßt die Mittel und Wege besprähen, diesem Drängen Einhalt 10: thun. Die sogenannte Sachsengängerei sei ein Beweis, daß die ländlichen Arbeiter sich zu Hause nicht wohl fühlten. Dieser Zug sei so charakteristisch, daß er in der Bolkezählung zum klarsten Ausdruck gekommen sei. Von 1875—85 habe die städtishe Bevölkerung in Preußen um 20 °/o, die ländliche nur 4,8 %% zugenommen. In Pommecn, alfo einer agrarischen Provinz, abe die Bevölkerung 0,7 9/6 abgenommen. Aber selbit in denjenigen deutschen Landestheilen, in denen der kleine Grundbesiß beinahe aus\cließlich dominire, z. B. in Hessen-Nassau, habe die Bevölkerungszunahme nur 2,9 °/9 betragen. Die lele Volkszählung werde wahrs{einlich noch ungünstigere Resultate aufweisen. In der fruhtbaren Ost- und Westprigniß habe die ländlihe Bevöi!kerung 1865 100 000 Seelen, 1885 nur noch 85 000 Seelen betragen. Gestern habe er aus dem Leobscbüßer Kreise einen Brief erhalten, worin er gebeten worden sei, im Reichstage mitzutheilen, in welcher geradezu un- glaublichen Lage sich die dortige Arbeiterbevölkerung in diefem meist dem Großgrundbesiß verfallenen Kreise befinde. Seit dem 1. Oktober erhielten die Arbeiter täglich auss{ließlid der Kost 40 4, im Sommer 60 , allerdings seien einige Feten Land dabei und Wohnungen, aber welhe Wohnungen! 1872 auf der Konferenz der ländlichen Arbeitgeber in Berlin habe Hr. von Göben erklärt, zahlreihe Groß- grundbesißer machten für ihre Schweineställe größere Aufwendungen, als für die Arbeiter. Im Wahlkreise des Hrn. von Kardorff er- hielten die Arbeiter täglih 50 & § im Winter und 75 H îm Sommer. Die Wohnungen im Leobschütßer Kreise seien so niedrig, daß es ein Wunder sei, daß Amtsvorsteher und Polizei derartige Wohnungen überhaupt zuließen. Im Osten sei es nicht anders. Nach dem Bericht cines Medizinalbeamten in Gumbinnen sei die Entstehung von ÎInfektionskrankheiten auf den desolaten Zustand der ländlichen Wohnungen zurückzuführen. Diese Zustände erweckten die Unzufriedenheit der Arbeiter und erzeugten eine förmliche Völkerwanderung. Der Osten ziehe nah dem Westen und nach den Industriebezirken. Der Abg. Dr. von Frege habe mit einer Art von Hohn gesaat, die Soztaldemo- kraten bâtten zwar die Agitation unter den ländlihen Arbeitern an- gekündigt, aber sie schienen doch dabei einen Stein des Anstoßes zu finden, wie gewisse Aeußerungen des „Berliner Volksblatts* dar- thäten. Hätten folhe Aeußerungen in jenem Blatt gestanden, |o würde das nur beweisen, daß die Sozialdemokraten sich allerdings der Schwierigkeiten, welhe die ländliche Agitation für die Sozial- demokratie biete, voll bewußt seien; aber zu glauben, daß sie des- wegen von dieser ländlihen Agitation abstehen würden, wäre sehr verfehlt, und er (der Redner) könne im Vertrauen sagen, daß, wenn sie erst das nöthige Material aus allen Eten und Enden Deutschlands für diese Agitation zusammengetragen baben würden, sie cine kräftige Agitation auf dem Lande in Scene seßen würden, die nah seiner Ueberzeugung Thatsachen ans Tageslicht bringen würde, wie man sie am Ende tes 19. Jahrhunderts in Deutschland nicht für möglich ge- halten hätte. In Sahhsen seien die Stimmen der Soijialdemokraten von 151600 auf 230000 gestiegen, in dem Agrarlande par excellence, Mecklenburg, feien sie in vier Wahlkreisen in die engere Wahl ge- fommen, und einer der ersten Agrarier Deutschlands, Hr. von Dietze-Barby, sei sogar in Aschersleben einem Sozialdemokraten unterlegen! Es fange eben überall {hon auf dem Lande an zu däm- mern. Der Abg. Dr. von Frege habe gesagt, die Sozialdemo- kraten zerstörten die Religion und Sittlichkeit. Für einen Mann des Agrariertbums sei Religion und Sittlichkeit natürlich gleihbedeutend. Er (der Redner) glaube, man könne fehr sittlih sein und brauche gar keine Religion zu haben (Unruhe rechts), und er glaube es mit dem Hrn. Abg. Dr. von Frege in der Sittlichkeit in jeder Beziehung aufnehmen zun können, Wäre er (Redner) Großgrundbesiter, so würde er es mit seiner Sittlichkeit nit vereinigen können, für die Agrarzölle, Vieh- zôlle und für die Zulkerprämien zu stimmen. (Lebhaste Zustimmung links, Unrube rechts,.) Die eigenen Partei- und Glaubensgenossen des Hrn. Abg Dr. von Frege bätten die Sozialdemokraten darüber auf- geklärt, wie es mit der Sittlichkeit auf dem Lande aussehe. Er erinnere ihn an cinen Vortrag seines Freundes und Glaubensgenossen Dr. von Wächter in einer QDiözesanversammlung in Grimma über die sozialen Verhältnisse der arbeitenden Bevölkerung auf dem Linde. Darin sei von der Sozialdemokratie gar keine Rede gewesen, wohl aber seien als hochbedenklih für den weiblihen Theil auf dem Lande die Herren Dag ner, ihre Herren Beamten und zur Zeit der Manöver die Herren Offiziere bezeichnet worden. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten) Er (der Redner) werde diesen Passus der nächsten Auflage seiner Schrift „Die Frau und der Sozialismus* einverleiben. Die Heuchelei sei auf keinem Gebiet îo groß, wie auf dem Gebiet der Moral und Religion. Er habe h niht gerühmt, Atheist zu sein; er habe nur ausgesprochen, was er sei, Er sage, was er denke, während es im Reichstage, insbesondere auch in der Partei tes Hrn. Abg. Dr. von Gege! Atheisten und Materialisten genug gäbe, die nit den Muth hätten, zu sagen, wa?2 sie seien. (Sebr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der Athei9mus sei keine sfozialistishe Spezialität. Ihm habe im vorigen Jahr- hundert vor Allem die Arittetratie in Frankreih gebhuldigt. Robespierre habe ten Atheismus gerade als eine aristokratishe Erfindung bezeichnet, als er die Wiedereinsezung des hsöch{sten Wesens beantragt habe. Man könnte mit solhen Beschuldigungen bei den unwissenden Arbeitern auf dem Lande Glück haben, bei den aufgeklärten Arbeitern nicht. Die Statistik über den Grundbesiß im Königreih Bayern zeige, daß den Hauptantheil an den Ganten die Besißer unter 10 Hektaren lieferten. Das wäre nit möglich, wenn die kleinen Bauern wirklich so günstig ftänden, wie behauptet werde. Der kleine Bauer, der das ganze Jahr über beim Fleischer, Krämer, Schneider, Schuster u. st. w. borge, habe nichts Eiligeres zu thun, als seine Grnte sofort zu verkaufen, und er könne nicht die R s abwarten, wie der Großgrund- besißer. Oft müsse er sogar die Ernte an seine Hypothekengläubiger verkaufen, und sei also doppelt geshädigt. Gbensowenig wie die In- nungspolitik den Bankerott des kleinen Handwerks aufhalten könne,

Erste Beilage “t zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Slaäts-Anzeiger.

Berlin, Freitag, den 12, Dezember

ebensowenig könnten die Agrarzölle den Ruin des kleinen Besitzers auf- halten. Na der Statistik von 1882 bebaue der- Großgrundbesitz über zweieinhalb Mal mehr als die ganzen 98% der übrigen Grundbesißer. (Hört, hört! links.) Die siebzehn größten Grund- herren hätten insgesammt ein Neuntel der gesammten anbaufähigen Flähe im Deutshen Reih in ihrem Besiy. Diesen Thatsachen gegenüber behaupten zu wollen, daß es nicht der Großgrundbesißz fei, der yon der Agrarpolitik Vortheile ziehe, sei etwas dreist. Die großartigen Gewinne verwende der Großzgrundbesiß nun zum Theil dazu, um kleinere und mittlere Grundbesitzer auszukaufen und das Latifundiensystem zu erweitern. Jeder, der in einer Gegend auf- gewachsen sei, wo der Großarundbesiß eine Nolle spiele, wisse, daß ein kleines Güthen, ein Bäuerlein nah dem anderen verschluckt werde. Ueberall, wo ein Bauer Geld brauche, werde er veranlakt, sein Gut zu verkaufen, und er erhalte ia diesem Fall sogar einen anfständigen Preis, denn die Arrondirung des Besitzes komme den Großgrundbesizern auch wieder in anderer Weise zu gute. Hätten nun diese von der Nichtung der Wirthschaftspolitik Vortbeil, so müßte die ganze übrige Bevölkerung Nachtheil und Schaden haben. Nach der Steuerstatifstik gebe es nur etwa 69% der Bevölkerung, die ein Einkommen von über 1500 M. besäßen. Also 94%/0 der Bevölkerung habe weniger Einkommen und trage die Lasten des Staats bei dem indirekten Steuersystem. In den ländlihen Bezirken Sachsens sei die Noth so groß, daß die Kinder über die österreihische Grenze nach Troppau und Jägerndorf geshickt würden, um von dort das zollfceie Quantum Mehl für ihre Eltern einzukaufen. Die Kinder würden sogar unter unrihtigem Namen über die Grenze geschickt, da die Zollbehörde nur für jede Familie einzeln das Net auf den Bezug eines gewissen Quantums Mehl gelten lassen wolle, dessen Preis in Oesterreih auf 6 Pfund {hon um 20 S billiger sei, als auf deutshem Gebiet. In welchem Maße die deutshe Wirthschafts- politik eine Klassenpolitik sei, zeige der Ertrag der Getreidezölle, der im vorigen Jahre 100 Millionen Mark ausgemacht habe, und der Umstand, daß folhe indirekten Abgaben die zahlreiheren Familien desto bärter träfen, also geradezu wie eine Kopfsteuer wirkten, Die Einnahmen des Reichs aus den Kaffeezöllen hätten im lezten Jahre 45} Millionen betragen, die aus den Tabaszöllen 14} Millionen, die tinländishe Tabakssteuer 104 Milllionen, die Salzsteuer 41 Mil- lionen, die Branntweinsteuer 129 Millionen, die Biersteuer 23 Millionen, die Viehzölle 54 Million, der Reiszoll 35 Million. Alle diese Einnahmen träfen gleihfalls vorzugsweise die ärmeren Klassen. Ein Regierungssystem, das auf eine solche Zollpolitik ge- gründet sei, könne von den arbeitenden Klassen nicht mit Freude be- grüßt werden. Auch die Sozialdemokraten erkennten an, daß der Staat Steuern brauhe. Der Abg. Dr.Windthorst habe darauf hin- gewiesen, daß auh die Sozialdemokraten Abgaben erhöben, und daß aub sie ein abgestuftes Klafsensystem darin hätten. Er bezweifle, ob diese Aeußerungen ernst gemeint gewesen seien. (Abg. Dr, Windt- horst: Sehr ernst!) Seine (des Redners) Partei wolle nur, daß alle Deutshen Steuern zahlen sollten, au alle arbeiten follten, daß auch zu den Ausgaben des Staats alle nach. ihren materiellen Kräften beitragen sollten. Die materiellen Kräfte seien in dem Vermögen, in dem Besitz gelegen, und da das Reich vorzugsweise eine Shuß- anstalt für dieses sei, so müßten die Reichen, um deren Gut es #ch hier doch vorzugsweise handle, auch am meisten beisteuern. Man habe nun aber nicht allein die Finanzen des Reiches auf ein indirektes Steuersystem gegründet, sondern dieses sogar zu einer Quelle für die Einzelstaaten gemaht. Vor zehn Jahren hätte man diese Thatsache faum für möglich gehalten. Als am 23. November 1876 Fürst Bismark sein Steuerprogramm im Reichstage entwickelt habe, seien mit ibm auch die Abga. Lasker und Lôwe einig gewesen, daß die Steuern, die aus dem Reiche aufzebracht werden würden, au allein zur Deckung des Neichsbedürfnisses verwendet werden sollten. Daß die Einzelstaaten jeßt wie kleine Kinder vom Reih mit 70 Millionen gespeist würden, fei eine Ungerechtigkeit, die die Maiorität des Reichstages sich nicht hätte zu Schulden kommen lassen sollen, Das sei es, was die armen Klassen empôre, eine Kenntniß folher Zustände würden die Sozialdemokraten \ich auch bemühen in ländlihe Bevölkerungskreise zu tragen. Der Abg. Dr. Windt- horst sage, wer viele Leute beschäftige und ernähre, bezahle damit au) das Soundsovielfahe an indirekten Steuern und Zöllen, wie der Arbeiter. Das sei richtig, aber der Abg. Dr. Windthorst übersebe, daß der Arbeiter mit feinen Händen wieder für den Reichen sehr viel größeren Nußen \{chaffe. Man habe ja eine kleine Lücke jeßt mit der neuen Einkommensteuervorlage auszufüllen versucht, aber das werde auch bald wieder aufgewogen werden von neuen drohenden Mehrbelastungen, die die breiten Massen träfen, z. B. einer Erhöhung der Brausteuer. Er bleibe dabei, wenn es in der Welt etwas Ungerechtes gebe, im höchsten Sinne, so sei es die jeßige Steuerpolitik in Staat und Reih. Dec Abg. Dr, Windthorst habe au von dem inneren Zwiespalt der sozialdemokratischen Partei gesprochen; nun, er (der Redner) könne ihm sagen, daß die „Jungen“ der Partei wenig Kopfshmerzen machten. Der Äbg. Dr. Windthorst habe dann au betont, daß unter Umständen zur Bekämpfung der soztaldemokra- tischen Bestrebungen, zu ihrer Niederhaltung es selbst einer Verstärkung der Armee bedürfen könne. Nun, was die Armee unter Umständen in der Niederwerfung des „inneren Feindes“ geleistet habe, babe man 1848 gesehen, und zwar nicht in Deuts{land allein, Und in eben dem Maße, wie die Sozialdemokratie immer breitere Schichten des Volkes ergreife, dringe sie doch auch gleichzeitig in die Armee ein. Ueberhaupt sei in diesem Theile seiner Polemik gegen ihn (den Redner) der Abg. Dr. Windthorst von ganz falshen Vorausseßungen aus- gegangen, als ob er (der Redner) gewaltsamen Umsturz gepredigt bâtte. Mehr als ein Mal babe er (der Redner) ausdrücklih gesagt, daß na seiner Meinung die Zeiten vorüber seien, in denen etne gewalt- same Zertrümmerung eines herrshenden Staats- und Gesell\afts- \ystems noch mögli gewesen sei ; die Sozialdemokraten bedienten si vielmehr der Mittel, die die andern Barer uen felbst gäben, In der Gesetzgebung, in der ganzen Oeffentlichkeit, in der eigenen Gesellschaftsorganisation, im Staats- und volitischen Leben liefere man den Sozialdemokraten hundertfahe Waffen; und in eben dem Maße, wie diese Waffen geliefert würden, würden sie damit neues Terrain erobern, bis sie eines Tages einfa defretiren könnten , die Gesellshaftsordnung werde in der und der Weise refor- mict. Die ihrer Natur nach s{ch vollziehende Entwicke- lung der modernen Gesellshaft8ordnung lasse eine solche Empörung in immer weiteren Kreisen erwachsen, daß die Ueberzeugung von einer Notbwendigkeit der Umgestaltung mit oder ohne Gewalt fich Bahn brewhen müsse, und diefe Um- gestaltung werde eines Tages geschehen, wahrsceinlich ohne Gewalt. Er könne ih irren; aber, wie einmal die Dinge liefen, halte er diese Wandlung ohne Gewalt für sehr wahrscheinlich. In dieser Beziehung seien die Sozialdemokraten vollendete Manesterleute, sie ließen die Dinge gehen, wie sie gehen wollten. Der Abg. Dr. Windthorst sage, das Altersversorgungsgesetz fei mal Geseh ge- worden, also müsse es in Kraft treten; gleichzeitig aber sage er (der Abg. Dr. Windthorst): hüten wir uns, mehr derartige Gejepe zu maden, denn wir betreten damit den Weg des Sozialismus - Das fei doc ein vollkommener Widerspru. Hoffe man wirkli, mit solchen Gesetzen der Sozialdemokratie den Boden abzugraben, so ry man do nach dieser Richtung auf dem betretenen Wege mögli! es vorangehen. Aehnlich widerspruhsvoll sei auch die Haltung des Abg. Dr, Windthorst gestern zur Kolonial petetik gewesen. Noch im Früh-

1890.

jahr habe er gesagt: es handele sich um die Beseitigung des fluch- würdigen Sklavenhandels, und diese große Kulturaufgabe könne nur auf dem eingeschlagenen Wege gelöst werden, man möge also weiter gehen. Gestern sei von dieser Kulturausgabe mit keinem Worte die Nede gewesen. Der Abg. Dr. Windthorst habe vielmehr sein Ja zur Fortseßung der Kolonialpolitik damit zu motiviren gesuht, daß möglicherweise do noch eine Pro\p.rität v;n Ost-Afrika erhcfft werden könne, wenn erst eine Eisenbahn gebaut sei. Nun, die Deuts Ostafrikanische Gesell- chaft werde ihm cine folche Eisenbahn nit bauen ; diese Gesellschaft, die jest hon über so geringe Mittel verfüge. werde vielmehr, nach- dem sie einmal Reichssubvention erbalten habe, daran Geshmack finden und öfters kommen, sie werde sih hüten, ihrerseits weitere große Opfer zu bringen. Und daß viele Europamüde über das Wasser gehen und in Ost-Afrika deutsche Kultur pflegen würden, fei au nicht anzunehmen nach Allem, was man bis jegt wisse. Ihm (dem Redner) scheine, daß die Bereitwilligkeit des Abg. Dr. Windt- horst, neue Opfer wieder für die afrikanis{he Kolonialpolitik zu bringen, \{chlecht stimme zu seiner sonst beherzizenswerthen Mahnung, die er an das Haus gerichtet habe, die äußerste Sparsamkeit zu üben. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) j j Abg. Dr. W indtho rit: Was der Reichstag für die Kolonial- politik bewilligt habe, diene hauptsählich dec Bekämpfung der Sfklavenjagden und des Sklavenhandels. Wenn man aber eine Ver- bindung mit den afrikanishen Seen herstellen könne, werde man ein Land eröffnen, in dem segensreihe Ansiedlungen möglich seien. Erst gestern habe ihm ein aus Afrika gekommener Reisender gesagt, sobald nur erst die nothwendige Sicherheit und Rube vorhanden sei, würden die Ansiedler \{on in Massen kommen. Er (der Redner) hoffe, daß nach den Erklärungen des Reichskommissars von Wissmann man auf dem betretenen Wege fortschreiten und auch eryebliche Handelsbeziehungen erreichen könne, die nüßlih sein würden. Gestern habe er (der Redner) übrigens noh keine Bewilligung ausgesprochen, sondern sogar empfohlen, die Kolonialfrage in ciner besonderen Kommission zu berathen, Wenn der Abg. Bebel ihm darin folgen wolle, den Missionen freie Bahn zu schaffen, fo werde er humane Zwecke fördern helfen. Wenn er (der Redner) das Alters- und Jnvaliditätsgeseß gestern als nüßlih für die Arbeiter hin- gestellt habe, so sei sein Gedankengang einfach der gewesen, gs es allerdings für die Arbeiter nüßlih sein müsse, wenn sie für den Fall der Javalidität oder des Alters eine Versorgung bekämen, Davon verschieden sei aber der Standpunkt, den er bei der Berathung des Gesches eingenommen habe und noch einnehme, daß Alles, was den Staatszushuß betreffe, die Ausführung eines sozialdemokratishen Ge- dankens sei. Diese Bahn häite man nicht betreten sollen, Er begreife, daß der scharf denkende ‘Abg. Bebel an dem Punkt einsche und sage: „Der Weg geht na unserer Richtung, und insofern begrüßen wir das Gese, wenn es uns sonst auch" nit Genügendes leistet.“ Weil er den anderen Parteien dies mit solcher Klarheit sage und das Centrum den Fehler einsehe, wolle es den Fehler niht weiter machen, sondern sich mit dem Gese, wie es sei, be- gnügen. Hebe man das Geseß niht auf, so müsse man dahin wirken, daß es in möglichst guter Weise eingeführt werde. Der Abg. Bebel erkläre die heutige Gesellshaftsordnung für unhaltbar und habe auch mit großem Geschick manche ernste Mängel nachgewiesen, aber diese Mängel lägen nicht in der Gesellshaftéordnung selbft, sondern nvr darin, daß die an si rihtige Gesellschaftéordnung von Vielen nicht richtig erkannt und gebraucht werde, sodaß Alle Ursache hätten, fich an die Brust zu {lagen und zu sagen: mea culpa. Hoch und niedrig habe aufzupassen, ob man nicht durch die Art und Weise, wie man die Güter, die man bekommen habe, gebrauhe, Aergerniß errege und dazu beitrage, daß die weniger gut Gestellten fänden, es wäre Wandel zu \{haffen. Die Darlegungen Bebel's, die zwar zu grelle Farben hätten, erthielten doch so viele Wahrheiten, daß er (der Redner) wünsche, diese Mahnung würde allenthalben abgedrudckt, damit diese nüglihe Predigt für Alle gelte. Hätte dieselbe Rede nicht auch den Fratktionsgenossen des Abg. Bebel gehalten werden können? (Heiferkeit.) Wenn die Sozialdemokraten eine andere Gesellshaftsordnung wollten, müßten sie zunäwst sagen, wie sie beschaffen sein solle. (Sehr wahr! rets.) Ein Mens, der niht mehr an Gott und die Ewigkeit alaube, sinke zum Thier herab. (Sehr richtig! im Centrum. Zwischenruf links: Kriedrih der Große!) Der komme nicht in Betracht; wenn er noch lebte, würden die Sozialdemokraten im Reichstage nicht fo ruhig disputiren können (Heiterkeit). Der Krückstock würde ihnen das son besorgen. (Heiterkeit.) Die Sozialdemokraten gingen aber hin und wiegelten die Leute auf, ohne in der Lage zu fein, ibnen eine bessere Gesellshaftsordnung zu geben. Wenn sie ihre Kräfte und Talente zur Verbesserung des Looses der Arbeiter auf Grund der bestehenden Gesellshaftsordnung und des geltenden Staatsrechts verwenden wollten, würden sie großen Erfolg haben. Statt dessen hätten sie nihts weiter gethan, als verneint und bekcittelt. Alle hätten sih zu bessern, und er (der Redner) hoffe, der Abg. Bebel werde Macht genug über seine Genossen haben, auch dieje zur Besserung anzuhalten. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Der Abg. Bebel greife das bestehende Zoll- und Steuersystem an, _habe er aber nur den Schatten eines Versuches gemacht, ein anderes Zoll- und Steuer- system dafür zu geben? (Rufe links: Gewiß, Abschaffung!) Die Sozialdemokraten erkennten ja selbs an, daß der Staal Mittel baben müsse, und nun wollten sie sie abschaffen. Das sei eine findliche Auffassung von der Welt. Wegrasiren könnten ¡te, |@asfen nicht. Man müsse beide Arten der Steuern, indirekte und direkte, richtig fombiniren und die dirckten Steuern richtig vertheilen. Zu den indirekten trügen sowohl Arme wie Reiche gleihmäßig bei. Solle der Reiche die indirekten Steuern tragen, so fei deren Zahl ja viel zu gering, um die vorhandenen Bedürfnifse zu decken. Die Sojial- demokraten wollten nichts von der Religion wissen. Möchten sie das nur dem Landvolk kiar machen, sie würden sehen, wie weit sie damit kämen. In diesem Punkte erinnere er au die Regierungen, daß sie bei aller Belämpfung der Sozialdemokratie nit versäumen mögen überall die Religion ret gründlich zu pflegen und în den Vordergrund zu stellen, und keine Schulgeseyentwürfe (aha! links), ¡zu machen, durch welche die Religion verni@tet würde. (Heiterkeit) Die Religion sei das wichtigste Mittel gegen die Sozialdemokratie, man folle sie aber nit allein lehren, sondern auch ihre Gebote befolgen. Der Staat allein sei nicht im Stande, die Verzen der Menschen zu wandeln, er könne gründlich dabei helfen, aber allein könne er nichis. Der Aba. Bebel habe heute wieder vermieden, zu erklären, daß unter allen Umständen Gewalt ausgeschloffen sei, und ¡war aus Gründen der Moral, niht weil man zu \{wach sei. So lange die Gewalt in den Köpfen der Sozialdemokraten spuke, werde man die Armee stärken. So sei die Sozialdemokratie wesentlich ein Grund für die s{chwere Militärlaft, die das Reich drücke. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Erklärten die Sozialdemokraten, fie hielten die Gewalt unter allen Umständen für unerlaubt, so könnte man in Ruhe mit ihnen über Reformen berathen. Der Abg. Bebel habe als besonders drückend die Lebenémittelzölle in den Vordergrund gestellt. Er (der Redner) fei weit entfernt, ein Lobredner der Lebens- mittelzölle zu sein. Er behaupte auch nit, wie Viele es thäten, daß sie bis zu einem gewissen Grade die Lebensmittel niht ver- theuerten. Aber er behaupte, fie seien nit zu entbehren, so lange man keine anderen, die Staatsbürger weniger drückenden Mittel be- sitze. Jedenfalls hätten diese Zölle dahin gewirkt, daß die Lohn- verhältnisse fi gebessert hätten (Zustimmung im Gentrum und rechts), daß die Industrie ih gehoben habe, daß der Ackerbau wieder im