1890 / 300 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 13 Dec 1890 18:00:01 GMT) scan diff

SHELET

ortyrämien falle üfehen, wieDesterreih-Ungarn die seinigen ferkbesteben laffe? ‘Däs: fei Undenkbar. Er werde si ju überlegen baben, ob er niht ind nission mit Rücksicht darauf beantragen solle, die Verhandlungen über“ die Vorlage auszuseßen, bis Mit- theilungen über den Stand der Verhandlungen wegen des öfterreiisch - ungarishen Handelsvertrags gemacht werden könnten, Na den früheren Erklärungen des Bundesraths habe die Zucker- industrie annehmen müssen, daß sie länger als zwei Jahre Ruhe baben würde. (Sehr rihtig! rechts.) Dr. Miquel habe in einer MWablrede am 2. Februar 1890 in Kaiserslautern gefagt, die Frage der Ausfuhrprämien sei wesentlich abhängig von den internationalen Beziehungen, und eine beliebige Verminderung der Ausfuhrprämien in Deuts&land allein würde das Wohl und Wehe ganzer Landestheile in Frage stellen. (Hört! Hört! rechts.) Die landwirthschaftlihen Interessen scien eng mit der Zuckerindustrie verbunden , aber es gebe große Länder in Deutschland, welche keine Zukerindustrie hätten, wie Bayern u. A., und die Schädigung in Folge der Aufhebung der Ausfuhrprämien treffe hauptsählich Preußen. Wie man sich hier folidarisd für das ganze Reih fühle, so sollten auch die Vertreter der Landwirthschaft, welche an si kein Interesse an der Zuckerfabrikation bâtten, daran denken, daß die landwirthschaftlichen Interessen foli- daris@ seien. (Sehr richtig! rechts.) Wenn die Zuerindustrie in dieser Weise umgebrackt sei, werde der Zeitpunkt niht fern sein, wo au die Landwirthschaft daran glauben müsse. (Sehr ritig! rechts.) Au für Herabseßung der Getreidezölle werde agitirt. An die Industriellen rihte er die dringende Mahnung, daß sie mit der Ermäßigung der agrarischen Zölle au die Industriczölle in die höchste Gefahr brähten. (Sehr richtig! rechts.) Das Bedürfniß nah neuen Steuern erkenne er zwar an, aber er wünsch@e , daß mal an eine andere Steuer gedaht werde, bei welcher die Landwirthschaft nit betbeiligt sei. Man versuhe doch mal die Einführung einer Konsum- steter auf Kattun oder auf Eisen; und dann möchte er dem Staats- fekretär des Reibs-Schatßzamts noch eine andere Steuer empfehlen, dié-au@, ohne irgend Jemanden nennenswerth zu belasten, einen fehr boben Ertrag abwerfen würde, die Inseratensteuer. (Sehr richtig! rechts.) Wenn man jedes inserirte Wort nur mit F -Z belaste, fo werde man ganz erheblihe Summen erhalten.

Staatssekretär des Reichs-Schaßamts Malÿahn:

Nur in Bezug auf eine Ausführung möchte ih dem Herrn Vor- réducr gleich antworten. Er hat wiederholt cxemplifizirt auf das Rorgeben bezüglich der Eisenzölle im Jahre 1873. Jch habe damals als Abgeordneter im Reichstage für die Aufhebung der Eisenzölle gestimmt; ih nehme gar keinen Anstand zu erklären, daß ih heute diese Abstimmung für eine falsche halte. Zwischen dem Vorgehen bezüglich der Eisenzölle damals und dem Vorgehen der jeßigen Vor- lage bezügli der Zuckersteuer besteht aber der wefentlihe Unterschied, daß es sh bei der Aufhebung der Eisenzölle damals darum handelte, den Scut, den die Industrie auf dem Inlandsmarkt genoß, in Fort- Fall „zu. bringen, daß aber, wenn die gegenwärtige Vorlage Geseß witd, die deutsche Zucterindustrie genau ebenso ges{chüßt bleibt, wie die-Eisenindustrie ges{üßt ist, und wie leßtere ge\{chüßt war vor dem Geseß von 1873,

Wenn der Herr Abgeordnete nun meint, leihten Herzens wären die verbündeten Regierungen und ihre Vertreter an diese Vorlage heran- gegangen, so kann id, soweit das meinen Posten betrifft, das Gegen- theil bezeugen. Ich bin durchaus nicht lcihten Herzens, fondern nur unter dem Druck der nach meiner Meinung zwingenden Noth daran gecangen, diese Vorlage ausarbeiten zu lassen und zu vertreten, und wenn es mir nicht gelungen ist, in den Motiven, die dem Gesetz bei- gegeben sind, die Sache eindringli@ genug darzustellen, oder wenr in diesen Motiven ein Ton liegt, der die Billigung der Herren, wie es ra den Worten des Herrn Vorr: dners \{hien, nicht findet, so laun ich nur sagen: ich gebe I[nen die ganzen Motive preis, wenn Sie für das Gesetz stimmen. (Heiterkeit )

Abg. Heine: Für seine Partei fei das Interesse der in der Zuckerindustrie beschäftigten Arbeiter entscheidend für die Beurtheilung der Vorlage. In der Zuckerindustrie seien 100 000 Arbeiter be- \{châftigt. Die Ausfuhrprämien flössen aber nicht in die Taschen der Zuckerarbeiter und Konsumenten, fondern in die der Fabrikanten, die 50 bis 100 9% Dividende erhielten. Die Zuckerprämie sei zu einer Krankheit an dem nationalen Körper, zu einer Zuckerkrankheit ge- worten. Die Vorlage trage zwar manchen Bedürfnissen Rechnung, aber den Ansichten seiner Parteigenossen entsprewe sie zum größten Theil do niht. Diese wollten keine Exportprämien, auch keine zweijährige Wartezeit und ebenso wenig feste Prämien. Auch die Verbrau(8abgaben wollten fie niht von 12 auf 92 M. crbóbhen und dadur dem Reiche Einnahmen verschaffen zu Zwecken, die ihnen noch nicht klar seien. Sie scien also im All- gemeinen gegen das Gesetz, warteten aber ab, wie es sich im Einzelnen gestalten werde. Mit der Bemerkung der Motive, daß die gegen wärtigen Verbältnisse {on jeßt einen ungesunden Charakter trügen, seien sie vêllig cinverftanden. Besonders in feinem Heimathlande Sachsen fci durch die Zuckerindustrie der kleine Landbau durch den Großbetrieb verdrängt worden. In Folge der Vernichtung des kleinen und wittleren Besitßzes gebe es kein niedrigeres Proletariat als das der Zuckerindustrie in Sa{fen. Die Löhne der Zuckerarbeiter seien so vngenügend, daß Sc&windsucht, kurzes Lebensalter der in den Zuckerfabriken beschäftigten Männer, Frauen und Kinder die Felgen seien. Man bekämpfe die Sklaverei in Afrika und habe in Deutsch- land selbst Sklaverei. Die Kontrakte der Zuckerfabrikanten mit ihren Arbeitern seien so hart, daß vielfah die Arbeiter bei der _Entlafsung wegen kleiner Vergehen fogar die wenigen GSros@en ihrer Kautionen wverlören. Die Zuckerfabrikation sei cin Molo, der nicht nur das Nationalvermögen, sondern auch die Nationalgesundheit ruinire. Die Sachsen- gängerei sei auch eine Folge der Zuckerfabrikationegesezgebung. Diese meist polnischen Arbeiter würden in einer Art Sklaverei gehalten. Die Zuckerinterefsenten glaubten, ohne Frauen-, Kinder-, Sonntags- und Nack@tarkeit nicht bestehen ¿u können. Das S@machvoliste aber ieten die sogenanrten Strafgelder. Ohne jeden Grund würden den Arbeitern kleire und große Strafabzüge gemacht, und seien diese ni@t damit zufrieden, so würden sie entlassen. Was aus den Sitrafgeldern werde, wisse er nicht, und die Arbeiter wüßten es auch nit. In der Zuckerbror@e würden 97 000 Arbeiter beschäftigt in 393 Fabriken. Diese Arbeiter erhielten niht ganz; so viel Lobn wie überhaupt an Exportprämien bezahlt werde. Mit dem bitherigen Steuersystem müsse gebrohen werden. Erst dann werde au der Arkeiter den Zucker als Verbrauchsmittel in größerem Umfange benußen können. Aber selbs wenn man die Exportbonifikation ab- affe, so werde die Lage der Arbeiter doch nicht wesentlich gebessert werden können, wenn nicht die sozialdemokratis@en Grundsäße zur Dur@&führung gelangten.

Abg. Dr. Buhl: Der Abg. Dechelhäuser habe im Namen eines Theils feiner Freunde gesprochen; er erkläre im Namen des übrigen Theils seiner Partei, daß die Mehrheit auf dem Boden der Vorlage stehe. Der entscheidendste Punkt für seine Freunde sei der, daß sie si nit entschließen könnten, den verbündeten Regierungen ihre Unterstüßung zu versagen, wenn diese den Zeitpunkt gekommen glaubten, eine so große Prämie zu Gunsten eines Produktionszweiges zu beseitigen. Sie verkennten dabei keineswegs die Bedeutung der Zuckerindustrie, sie wüßten, wie große Flächen deutshen Bodens mit der Rübe bebaut würden. Der Abg, von Kardorff irre sich, wenn er meine, es könne hier gegen die Interessen der Zukerindustrie der partikularistische bayeris&e Sonderstandpunkt zur Geltung kommen, denn S in feiner (des Redners) engeren Heimiath: der Pfalz, fei diese Industrie nicht unbedeutend; gerade die dortigen kleinen und

Freiherr von

mittleren Bauern fänden in dem Rübenbau einen will- kommenen Ersaß für den Tabackbau. Bestimmend sei für ihn vor Allem das von dem Staatssekretär des A ange- führte Moment, daß die anderen Länder im eigenen Interesse dem Reiche in der Abschaffung der Prämien folgen würden. Er glaube, daß diese Prophezeiung keine falshe sein werde. So lange die Materialsteuer in den einzelnen Ländern die Grundlage der Besteue- rung bilde, sei es außerordentlich {wer für den Außenstehenden, zu beurtheilen, ob in dem betreffenden Lande auf Grund der Material- steuer eine Prämie noch gewährt werde ; aber wenn der größte Zucker- produzent der Welt die Abschaffung der Prämie in nahe Aussicht stelle, so sei er überzeugt, daß weite Kreise, die in den einzelnen Ländern nicht an der Zuckerindustrie betheiligt seien, in diesem Veorgehen eine bedeutende Verstärkung in threm Vorgehen gegen die Zuckerprämie erkennen würden. Der österreihischen Finanzverwaltung könne es nur erwünscht sein, fünf Millionen Gulden weniger auszugeben. Andere Länder wolle er nicht nennen, um in dieser Beziehung die Eifersucht niht wachzu- rufez. Der Abg. Dr. Witte habe den sehr rihtigen Satz aufgestellt, bei Fortfall der Prämien der Weltmarktspreis steigen müsse. Demnach hätten die bisherigen Prämien den Weltmarktspreis und alfo auch den Inlandspreis herabgesetzt. Die politishen Freunde des Abg. Dr. Witte bekämpften doch sonst immer Maßregeln, wodurch der Konsumpreis heraufgeset werde, warum ereiferten sie fich denn jeßt so gegen die Prämien, die den Konsumpreis des Zuckers drückten? Es lei eben unrichtig, daß dur die Prämien der deutshe Konsumzucker vertheuert werde. Durch das bisherige Steuersystem sei eine deutsche Industrie groß und bedeutend geworden. Man könne hoffen und wünschen, daß durch das neue Gesey der Industrie wie der Land- wirthschaft ihre alte Kraft erhalten bleiben werde, und unter dieser Vorausseßung entschlössen seine Freunde fih, im Allgemeinen für die Borlage einzutreten, (Beifall.)

Abg. Dr. Bart h: Seine Parteigenofssen hätten stets behauptet, daß dur die Exportprämie der Weltmarktspreis für Zucker gedrückt werde. Aber als Freihändler hätten sie niemals einen fo thörihten Stand- punkt vertreten, daß sie dur künstlihe Maßregeln die Preise künst- lih drücken wollten. Die erfte Aufgabe einer gesunden Wirtbschafts- politik sei die, alle Maßregeln zu beseitigen, die die Preise künstlich in aufsteigender oder absteigender Nihtung beeinflußten. Die Export- prämien hätten nun den Weltmarktspreis vollständig demoralisirt, denn man gebe jährli} 20 Millionen, damit die englischen Kon' surnenten unnatürlih billigen Zucker erhielten. Mit Recht fühle si der Abg. von Kardorff bei der Lektüre dieser Vorlage an die Zeiten einer gemäßigten Freihandelspolitik erinnert, Sie beruhe auf einer wirkli rationellen Grundlage, nur hoffe seine Partei, die Regierung werde mit ihr gemeinschaftliG noch weiter gehen und die Schonzeit von vier Jahren durch sofortige Abschaffung der Prämien falen lassen. Eine Steigerung der Verbrauchs\teuer hätte nah Wegfall der Materialsteuer auch niht einzutreten brauen, denn die Steigerung des inländischen Konsums werde rei{chlichen Ersaß bieten. Wenn innerhalb der letzten sieben Jahre die Zukersteuer fünf Mal ab- geändert sei, so zeige das nur, daß früher ein falsches System. er- griffen worden sei. Man möge sih jeßt vor einem faulen Frieden hüten, denn andernfalls werde die Zuckerindustrie hon nach kurzer Zeit wieder mit neuen Faktoren zu rechnen haben. Je größer die auf dem Weltmarkt ersheinende Quantität Zucker sein werde, um fo nothwendiger sei es, daß der Gesundhcitsprozeß der Industrie rasch vor sih gehe. Swon deshalb dürfe man niht noch weiter auf vier Jahre die Prämie beibehalten. Daß die Engländer die internationale Zuckerkonvention unmöglich gemacht hätten, verstehe er von ihrem Standpunkte vollständig. Wenn der Kontinent ihnen billigen Zucker liefern wolle, warum sollten fie si durch cine Konvention davor ver- {chließen? Wenn Deutschland mit der Abschaffung des Prämiensystems vorangehe, würden andere Staaten folgen. Das unvermeidlihe An- ziehen des Weltmarktspreises werde die Fabrikanten für den Wegfall der Prämien vollständig enischädigen. Man werde in Allem alsdann zu dem natürlihen System zurückehren.

Damit {ließt die Diskussion. Die Vorlage wird an eine Kommission von 28 Mitgliedern überwiesen.

Der Präsident s{lägt vor, die nächste Sitzung jofort abzuhalten, damit der türkische Handelsvertrag noh vor Weihnachten erledigt werden könne, da sonst noch ein be- sonderer Sißzungstag erforderlih sein würde.

Schluß 33/4 Uhr. Nächste Sißung 4 Uhr.

41. Sitzung, 4 Uhr.

Zur Berathung steht der Antrag des Abg. Auer und Genossen, betreffend die Einstellung eines beim Land- geriht zu Magdeburg s{chwebendenStrafverfahrens gegen den Abg. Kunert wegen Vergehens gegen das Sozialistengeseß.

Abg. Singer: Obgleich seine Partei oft genöthigt fei, ähnlihe Anträge beim Reichstage einzubringen, habe sie doch nicht geglaubt, daß sie in die Lage kommen werde, einen Antrag, wie den vorliegenden, zu befürworten, der dadurch nothwendig geworden, daß der Abg. Kunert wegen Vergehens gegen das längst auf geseßlihem Wege auf- gehobene Sozialistengeseß angeklagt worden sei. Er empfehle die An- nahme des Antrages.

Der Antrag wird ohne weitere Debatte angenommen.

Dex Handelsvertrag mit der Türkei wird in dritter Berathung ohne jede Debatte definitiv ge- nehmigt. :

M Namens der Geschäftsordnungs-Kommission be- richtet

Abg. Holzmann über die Anträge auf Ermähti- gung zUr strafreGtliGen Verfolgung: 1) des Rêe- dacteurs Abg. Hans Müller zu Naumburg, 2) der für die in Magdeburg erscheinende „Volksstimme“ verantwortlichen Personen wegen Beleidigung dés Reichstages. Die Kommission habe beschlossen, die vorhin vom Abg. Singer erwähnte Rechtsfrage, die auch in dem erstgedahten Falle in Betracht komme, auf si beruhen zu lassen und empfehle in beiden Fällen, die Ermächtigung nicht zu ertheilen.

Das Haus tritt dem Antrage ohne Debatte bei.

Präsident: Er schlage vor, die nächste Sißzung am Dienstag, den 13. Januar 1891, 2 Ukr, abzuhalten, und zwar {lage er aus folgenden Gründen einen so späten Termin vor: Der Fortgang der Arbeiten in dem neuen Jahre werde wesentlich davon ab- hängen, welches Material die gewählten Kommissionen lieferten. Wenn nun die Kommissionen gleichzeitig mit dem Reichstage zu- sammenträten, so sei zu fürchten, daß der Reichstag eine Zeit lang ohne das nothwendige Material sein würde. Wollten aber die Kommissionen, und er bitte sie dringend darum, ein paar Tage früher sich versammeln, so werde dieser Mangel nicht zu besorgen sein. Er bitte die Kommissionen, \sich ein Beispiel zu nehmen an der Gewerbeordnungs-Kommissson, die vier Wochen lang hier getagt habe, und ihr nacheifernd \sich vielleiht {on am 8. Januar zu versammeln und vor dem Zusammentritt des Reichstages noch etwa vier Sitzungen zu halten. Das würde die Arbeiten unge- mein fördern und die Möglichkeit eröffnen, daß der Reichstag vor Ostern seine ganzen Geschäfte erledigen könnte.

Séhluß 41/4 Uhr. Nächste Sizung Dienstag, den 13. Ja- nuar 1891, 2 Uhr. (Anträge Auer und Richter, be- treffend Aufhebung oder Ermäßigung der Getreide-

ölle und Beseitigung der bisherigen Privilegien ei der Verbauchsabgabe für Branntwein.)

Literatur.

Kalender.

Wie alljährlih bei heranrüc@ender Weihnattszeit ersheinen au diesmal die Gothaishen Genealogishen Tashenbücher aus dem Ver- lage von Justus Perthes willkommen] wie immer als vielfa unent- DeyrDe De, He Hofk

er enealogische Hofkalender auf das Iahr 1839 (128. Jahrgang) ift troy nur gering angewa{sener Seitenzahl Bey vielfa vermehrt, und zwar if dies hauptsählich durch größere Zu- fammendrängung des Stoffs im diplomatisch-statistishen Theil er- mögliht. So sind, wie die Redaktion hervorhebt, im eigentlichen kalendarischen Theil zum ersten Mal seit 31 Jahren die Namen des katholischen Kalenders wieder eingesügt, und dann hat die III. Abthei- lung, die Genealogie der Fürstlihen nihtsouveräner Häufer Europas eine Vermehrung um 30 neue Familien erfahren. Diese Abtheilung ist überhaupt, wie im vorhergehenden Jahrgange die I1., die deuts{en Standesherren verzeihnende Abtheilung eingehend bearbeitet und nah Möglichkeit auf Grund der der Redaktion zugegangenen Daten vervoll- ständigtworden. Die neuen Artikel betreffen größtentheils französis{he amilien; außer alten Namen aus der Zeit des Königthums, wie lacas, Castries, Caylus, Crillon, Durfort-Civrac, Harcourt, La Rocefoucauld, Maillé, Uzès, welhe bisher fehlten, find nunmehr au sämmtliche Herzöge aus der Zeit der Kaiserreiche vertreten. Von den wihtigeren Veränderungen, welche durch Ableben und politische Ereignisse in der I. Abtheilung, der Genealogie der europäischen Regeiten herbeigeführt worden, find die Entthronung des Kaisers Pedro II. von Brasilien durch einen Militäraufstand (am 15. November 1889) der Thronwecsel in Portvgal durch den Tod des Königs Ludwig (am 19. Dftober 1889) und die Thronbesteigung König Carlos’ 1, ver- zeichnet (waren au in der vorjährigen Ausgake {on kurz erwähnt); ebenso der Regierungswechsel in Schwarzburg-Rudolstatt, wo am 19, Januar 1890 dem verstorbenen Fürsten Georg Fürst Günther gefolgt ist. Dagegen hat das Ableben des Königs Wilhelm Il. der Niederlande (f 23. November 1890) und die Uebernahme der Regentschaft für die Königin Wilhelmine Seitens der Königin Emma nicht mehr berücksichtigt werden können, weil die leßten Bogen bereits am 24. November gedruckt worden sind. Bei dieser Gelegenheit möchten wir uns die Bemerkung gestatten, daß, wenn in künftigen Ausgaben wenigitens bei den regierenden Haupt- [linien au die verstorbenen Successionsberechtigten aufgeführt werden könnten, dies von den Benugern des Taschenbubs gewiß dankbar anerkannt werden würde; bei dem Ableben des Königs der Niedcrlande vermißte gewiß Mancher ein chronologishes Verzeichniß der dem Monarchen in den Tod vorangegangenen Thronerben, Die chemals Kaiserliche Linie von Brasilien erscheint jeßt mit der noh heute in Deutschland und Oesterrei blühenden prinzlihen Linie des Hauses „Braganza“ in einem besonderen, diese Ueberschrist tragenden Abschnitt zufällig an derselben Stelle in der alphabetischen Folge wie früher. Dank- bar sind die mannigfahen Erweiterungen und Vervollständigungen des diplomatisch-ftatistischen Theils zu begrüßen. In diesem wird jetzt nicht mehr am Kopf der Artikel über die verschiedenen Länder auf die An- gaben der früheren Jahrgänge verwiesen, sondern die einleitenden Be- merkungen zu den einzelnen Abschnitten enthalten in knapper Form alle wihtigeren Angaben über die Regierungsform des betreffenden Staats, über die gesetzgebenden Körperschaften, die wichtigsten Be- stimmungen der Wahlgeseße 2c, Andere dankenswerthe Neuerungen sind die beigefügten ‘Beschreibungen der Kriegs- und Handelsflaggen und die Angaben über die Landesfarben, ferner die Vermehrung der Listen der Behörden durch Mitaufnahme der Chefs der Central- bureaus, Hülfsämter 2c. Auch sind jeßt bei den Ministerien, Gesandshaften 2c, soweit sie sich in größeren Städten befinden, die Straßen und Häusecnummern notirt. Bei den Provinzialbehörden is nicht nur ihr Siß, sondern auch ihr Wirkungskreis" angegeben; die Notizen über die Kolonialbehörden Großbritanniens und Spaniens sind bedeutend erweitert 2c. In dem Artikel „Deutsches Reich“ hat vor dem die deutshen Schußgebiete betreffenden Abschnitt (auf S. 468) die von Großbritannien an den Deutschen Kaiser am 1. Juli 1899 abgetretene Insel Helgoland Er- wähnung gefunden. Unter den Kolonicn Großbritanniens ernt un ersten Val das i Folde be beutite englishen Vertrages vom 1. Juli 1890 unter englisches Protektorat gestelte und damit_ aus der Reihe der felbst- ständigen Staatea ausgeschiedene Sultarat Sansibar. Der Artikel Brasilien giebt eine gedrängte Uebersicht über die Ereignisse seit der dortigen Revolution und ein Verzeichniß der Mitglieder der provi- forishen Regierung und ihrer Behörden, Auch die Abschnitte, be- treffend den Congostaat, Japan und Samoa, sind verändert und erweitert; in erfterem ist die neue Konvention mit Belgien be- rücksihtigt, in dem über Japan die dort eingeführte Verfassung, in dem Artikel über die Samoa- Inseln die Neuordnung der dortigen Verhältnisse, wie sie durch die Berliner Samoakonferenz herbeigeführt worden ist. Ganz am S{hluß des Theils erscheint unter dem Titel „Central-Amerika“ ein neuer Artikel, freilich nur erst mit der Ein- leitung, worin die Unterhandlungen der Staaten Costarica, Guate- mala, Honduras, Nicaragua und Salvador Behufs Gründung einer Fôderativ-Republik diescs Namens mit einheitliher diplomatischer Vertretung erwähnt sind, die neuerdings durch kriegerische Verwike- lungen unterbrochen und bis März 1891 vertagt wurden. Die rein statistishen Angaben über Handel, Schiffsbewegung, Eisenbahnen, Posten und Telegraphen,«Bevölkerung 2c. sind übersichtlicher geordnet, vielfa errocitert und umgestaltet. Die Handelstabellen umfassen jeßt alle Haupthandelsartikel, d. h. diejenigea, deren Werth wenigstens ein Prozent der Einfuhr bezw. der Ausfuhr bcträgt und die erfahrungs- gemäß 75—90 %/% des Gesammthandels bilden. Ihnen angereiht sind UVebersichhten nach den Hauptproduktions-Kategorien in Relativzablen, die für die vershiedenen Länder vergleihbar sind. Die jeßt überall an den Schluß der betreffenden Abschnitte gestellten {statistischen Notizen über Armee und Marine sind ebenfalls neu bearbeitet und vervollständigt. Als eine dankenswerthe Neuerung endlich ist au die Fortführung der „Chronik“ bis zu den leßten Tagen vor dem Druck (diesmal bis 20. November) zu bezeichnen. Der Hofkalender ist mit den Bildnissen des Königs Carlos von Por- tugal und seiner Gemahlin Amalie, Tochter des Grafen von Paris, des Fürsten Günther zu Schwarzburg-Rudolstadt und des Reichs- fanzlers, Generals von Caprivi ges{chmüdckt.

Mit demselben Inhalt und in der gleichen Ausst:ttung erschien gleichzeitig die französishe Ausgabe des Hofkalenders, der ,Almana ch de Gotha“ für 1891. Ferner liegen in den neuen Jahrgängen vor die Genealogishen Taschenbücher der Gräflichen und der Freiherrlichen Häuser, jener im 64., dieser im 41. Bande. Auch sie sind mannigfach vermehrt und umgearbeitet. Doch erklärt die Redaktion im Vorwort des Gräflichen Taschenbuchs gegenüber immer noch weiter eingehenden Aufnahmegesuchen, daß in diesem nur die Häuser solcher Grafen berücksihtigt werden könnten, deren Diplom von einem deutshen Fürsten ausgestellt oder deren auswärtiger Grafenstand durch cine besondere Urkunde eines deutschen Fürsten anerkannt worden sei. Son wiederholt hätten Familien, die solhe Urkunden nicht vorweisen konnten, aus dem Taschenbuch entfernt werden müssen, und dèmnächst würden alle niht von deutschen Fürsten anerkannten Grafenfamilken endgültig ausfallen, um Naum zu \{chafen für eine große Zahl deuts ch{cher Grafenhäuser, die der Aufnahme noch harren. Im Taschenbuch der Freiherrlihen Häuser sollen künftig die Familien solcher Freiherren, denen dieser Titel nur persönlich verliehen worden, keine Aufnahme mehr finden. Das Gräfliche Taschenbuch ist mit dem Bildniß des Grafen August zu Eulenburg, Königlih preußischen Ober-Hof- und Hausmarschalls und Ober-Ceremonienmeisters, das Fretherrlihe mit dem Porträt des Freiherrn Hermann von Mittnacht, EORN des Königlih württembergishen Staats-Ministeriums geziert.

A Dirlag von Duncker und Humblot (1890).

Bande: " : 2 ; Ks : u s 1 j rkarolingishen und sähsischen Könige“, erschei zur Je! dieferungen von je 3 oder 4 Bogen zum Preise von 1 4

zum Deutschen Reichs-An

¿ 300.

Literatur.

hf ages y Ä : ¿mte des deutshen Volkes und seiner Kul- in U S Fn drei Bänden. Von Heinrich Gerdes.

Von dem ersten

Geschichtedes deutschen Volkes und seiner Kultur

ie Lieferung, liegt, nachdem die 1. Lieferung bereits vor einem

viesem Blatte besprochen, bereits das „Erste Buch“: Monat sitisGe Geschichte des deutschen Volkes von 843 bis 1024“ «ven Lieferungen 1, 2, 3, 4, 5 und 6, und außerdem in Lieferung in 8 und 9 der Anfang des zweiten Buchs: „Die Geschichte der R Deutschlands bis zum Jahre 1017“ vor. Ludwig der Deutsche, ¿+ Söhne Ludwig's des Deutschen, Karl der Die, Arnulf von Kärn- m Ludwig das Kind, Konrad I. wurden in der 1. Lieferung vor- hrt; Lieferung 2 schildert den „Zustand des Reichs beim Aus- n der Karolinger (I. Theil: 919)“ und geht dann in die „Zeit O asien Könige“ über zu Heinrich I. (Sachsens Lindolfinger, einrich's Anfänge, Heeres\{öpfung, Slavenkämpfe und Krieg mit l den Ungarn behandelnd) und Otto d. Gr. (Swere Zeiten im An- fang seiner Regierung, seine Kämpfe mit dem Westfrankreih, ruhige eiten danah und seinen ersten Zug na talien kennzeiWnend). vel -Lieferung 3 und 4 |pinnt Otto's d. Gr. Geschichte it ter Königin Adelheid, Krieg mit feinen Söhnen,

(S ahlung mi L G Ee f Mr m nb Slaven, erster Römerzug und Kaiserkrönung, Auf-

n Veutschland, zweiter Nöômerzug, Ereignisse in Deutschland E leiter U ort eabeit, sein Ausgang und seine Persönlichkeit), Otto's II. (Schwierigkeiten beim Regierungsbeginn, Krieg mit dem französishen König Lothar 978, Zug nah Italien) und Otto 8 L (Vormundschaftliche Regierung, erster Römerzug, zweiter Römerzug).

weiter Theil 997. Doppel-Lieferung 5 und 6 befundet Dtto's 111. Walten (zroeiter und dritter Römerzug), behandelt Hein- rich 11. (Erste Regierungszeit, erster Zug nach Italien, Kämpfe mit Böhmen und Polen, RN3merzug und Kaiserkrönung, Plan zur Grwer- bung Burgunds, dritter Zug nach Italien, Ausgang, Persönlichkeit, Zustand des Reichs bei seinem Tode). Zweiter Theil n —— Die dreifache Lieferung 7, 8, 9 bietet eine umfassende Darlegung der Kulturentwickelung Deutschlands. L. Land und Leute, (Boden- beschaffenheit und Klima, Bevölkerung im Allgemeinen, Besiedelung, Dorf und Stadt). Il. Wirthscaftlihe Verhältnisse. (Ackerbau und Viehzucht, Gewerbthätigkeit, Kunst und Kunsthandwerk, Handel und Geldwesen). III. Ständebildung. (Einfluß des Lehenswesens, der hohe und niedere Adel, Ritter und ritterliche Dienslmannen, die Gemein- freien, Hôrigen, Zinsbauern, Dienstmannen und Ministerialen, Liten Kolonen und Knechte, Sitten und Lebens8gewohnheiten), Zweites Buch, 1. Theil. IV. Der Staat (das Reich und seine Theile, das deutshe Königthum, Herrschaft über Italien und römische Kaiser- würde, Besiß und Einkünste des Königs, Regierungsorgane, Reichs- ämter, Reichsversammlungen, Kanzlei des Königs, Heerwesen, Krieg- führung). Zweites Buch, 2. Theil. In diesem vielgliederigen Rahmen führt der Verfasser das getreue Kulturbild des Mittel- alters in Gestalt einer gewaltigen Gäbrungs8zeit vor, in welcher die Ur- kraft des germanischen Volkes, das Christenthum und Alterthum mit einander ringen, um einen langsamen, doh siheren Fortschritt der Kulturentwickelung berauszuarbeiten und so den keimkräftigen Boden für die Kultur der s zu L Der Förderung dieses Werkes ir mi aftem Interesse entgegen. : N a des deutschen Einheitstraumes und seiner Erfüllung. In den Grundlinien dargestellt von Dr. J. Jastrow. Dritte vermehrte Auflage. Berlin. Allgemeiner Verein für deute Literatur. 1890, Diese „Gekrönte Preis\chrift des Allgemeinen Vereins für deutsche Literatur“, vor etwa 8 Jahren zum ersten Mal gedruckt, dem Meister geshichtliher Belehrung Leopold von Ranke zugeeignet, liegt hier in neuer und erweiterter, Gestalt vor. Wie es dem Verfasser vergönnt gewe]en, 1m Arbeitszimmer seines vorerwähnten Meisters es mit anzuschen, wîe ein druckfertiges Kapitel von dem Autor selbst immer von Neuem der Kritik unterzogen, uner- müdlich gefeilt, oft s{honungslos geändert und umgearbeitet wurde, so ist er in \trengster Kritik au gegen diese Leistung bestrebt ge- wesen, seine preisgekrönte Arbeitsfruht in immer höherem Grade zu vervollkommnen. Aber au hiervon abgesehen, hielt er sich zu solcher Vervollkommnungsarbeit {on um deswillen verpflichtet, weil der Gegen- stand dieses seines Werks immer in lebender Fortentwickelung be- griffen ist. Wer daher heute das erste Buch: „Vielheit“, oder das dritte Buch: „Einheit“ und namentli die Abschnitte: „die Landesftaaten“. „die Reid sgewalt“ „Preußen und Deutschland“ „die deutsche Reichseinheit“ und ganz besonders die Ausführungen: „der nationale Staat als allgemein: europäishe Erscheinung“ „Gemeinsames Vor- gehen der Kulturwelt“ „die Friedensgüter und der nationale Staat“ in vergleihender Betrachtung früherer Ausgaben dieses Werkes studirt, wird finden, daß der gewissenhafte Verfasser dem Neuen, was Gesetgebung und Verwaltung des Reichs und seine Beziehungen nah innen und aufen an den Tag gelegt, ahtsam nagespürt, und daß er bemüht gewesen, Aufschlüsse aus den Schäten der Archive und aus den Erinnerungen mitwirkender Personen und die fort\hreitenden Er- gebnisse der Forschungen, welche die nächste, wie die fernste Vergangen- heit erhellen, zu verwerthen. Erziehung uud Unterricht.

Vielfach geäußerten Wünschen, die Rede Sr. Majestät des Kaisers T Eröffnung der Schulkonferenz in handlihem Oktavfo:mat zu dauernder Aufbewahrung zu besißen, ist dadur ent- \prochen, daß Carl Heymann's Verlag dur Abdruck des Textes aus dem „Neichs- und Staats-Anzeiger“ eine Buchausgabe zum Preise von 15 & veranstaltet hat. Das Heften is dur jede Buchhand- lung sowie direkt vom Verleger, Mauerstraße 44, zu beziehen. :

„Das Jugend spiel“. Vortrag, gehalten in der Gemein- nüßigen Gesellshaft zu Leipzig am 17. November 1890 von H. Rayvydt, Verfasser von „Ein gesunder Geist in einem gesunden Kör- per“, „Mehr Erziehung für die deutshe Jugend“ u. wv. Mit Abs bildungen. Preis: 50 §. Hannover. Verlag von Carl Meyer (Gustav Prior) 1891. In der hohbedeutsamen Rede, welche der Kaiser am 4. Dezember d. J. in der ersten_Sißung der Konferenz für die Unterrichtsreform gehalten, wird zum Schluß als leßter und wich- tigster Gesichtspunkt die Forderung erhoben: „Wir wollen eine kräftige Generation haben, die au als geistige Führer dem Vaterlande dienen“. Gleichsam als Motto könnte der Kaiserlihe Ausspruch der vorliegenden Schrift aufgeprägt werden. Liegt ihr doch die Maxime zu Grunde: „Mens sana in corpore 8aNno , ger sunder Geist in gesundem Körper. Führt sie doh na Ergebniß auf- merksamster Beobahtung der Organisation der englishen Shul- erziehung, besonders aber der natioralen englischen Jugendspiele, deren mehrere dur Abbildungen, bezw. Skizzirung veran\schaulicht sind, ein Thema aus, welches vor allen pädagogishen Fragen gerade jeßt Herz und Sinn jedes deutschen Vaters und niht zum Mindesten des hohen Landesvaters aufs Lebhafteste bewegt: die Gesundung unserer Jugend und damit das Wohl unseres Vaterlandes. Und im Lichte dieser Ausführung muß Jedermann erkennen : Pflicht eines jeden Erziehers ist es, die Knaben zu tüchtigen Bürgern heranzubilden, in welcher Beziehung die englischen Schulen durh Einführung der

Dritte Beilage h E zeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Sonnabend, den 13. Dezember

welche einen bedeutenden Einfluß auf die körperlihe und geistige Ge- sundheit ausüben, indem sie Frobsi..n nd Frische erzeugen, Kraft, Ausdauer, Festigkeit und Geduld stählen. Von der Ergänzung unseres Schulwesens in der durch vorliegende Schrift angedeuteten Richtung ist die geistige und leiblihe Kräftigung unseres nahwachsenden Ge- \{lechts mit Sicherheit zu hoffea. Und in dem Maße, als gerade in diesen Tagen bei uns die Schulfrage erörtert worden, wird auch vor- liegendes Buch das allgemeinste Interesse in Anspru nehmen: Enkel mögen kraftvoll walten, {wer Errung'nes zu erhalten.

Von dem unermüdlichen, wackern Freund und Fürsorger der Jugend, Ferdinand Schmidt, sind in der Verlagshandlung von Felix Bagel in Düsseldorf soeben wieder zwei neue „Patriotische Erzählungen * erschienen, durch welche das unter leßterem Titel begonnene Bagel’\{che Unternehmen bis zu den Ziffern 21 und 22 ge- fördert worden ist. Die neuen Gaben sind: 21. „Die Hohen- zollernburg“. Eine Erzählurg aus der ersten Zeit Friedrichs des Eisernen. Motto: „Vom Fels zum Meer“. 22. „Geschichtliche Bilder aus der Zeit Friedrichs des Eisernen“. Motto: „Es is ein ehrlich und gutes Werk, seines Vaterlands löblihe Ge- {cite zu erzählen“. Schon der Name des Verfassers bürgt dafür, daß diese neuen Büchlein keine \chriftstellerishen Eintagsfliegen vom buhhändlerishen Geldmarkte sind, vielmehr nach langbewährter Art erquickende Opfergaben, von welhen der Duft eht patriotisher Ge- finnung und evangelisher Frömmigkeit aufsteigt und in die Herzen der Leser dringt. Die Erzählungsweise ist {licht, klar und spannend und von lebens- und zeitgetreuer Schilderung durchwoben. Im Genusse folcher Lesekost lernt unser junges Geschlecht früh die Baumeister unseres vaterländishen Wohlfahrtsbaues kennen, zugleich aber au früh begreiten, welche: Pflichten unser Volk hat, um das Errungene zu be- wahren, das Erworbene auszugestalten. Mögen darum dieje Büch- lein freundlihe Aufnahme finden. Jedes kostet 1

Unterhaltungsliteratur.

ck. Unterwegs. Neue Erzählungen von Emil Frommel. Barmen. Verlag von Hugo Klein. (Preis 1 50 A) Von den drei Reiseskizzen fallen die beiden ersten : „Dér Nagel- \{chmied von Finstecbronn“ und „Unter Heimathlosen“, în denen interessante Charaktere aus dem Volke in finniger, fesselnder Weise geschildert werden, in die Jugendzeit des Verfassers, während die dritte: „Auf Badereisen“ der jüngsten Vergangenheit angehört. Besonders anregend sind die Schilderungen aus und über Gastein, woselbst der Verfasser im Gefolge des hochseligen Kaisers Wilhelm weilte. Allen Freunden einer gemüthstiefen, herzerfrishenden Lektüre sei das Büchelhen aufs Wärmste und Angelegentlichste empfohlen. ck. Die größten und berühmtesten deutschen Sou- bretten des neunzehnten Jahrhunderts. Mit ungedruckten Briefen von Josephine Gallmeyer , Marie Geistinger, Ottilie Genée, SophieKönig, Adele Krèn, Pauline Lucca, Lotte Mende, Josephine Pagay, Fla Palmay, Anna Schramm, Lori Stubel, Betty Thomas-Dam- hofer, Ernestine Wegner u. A. Von Dr. Adolph Kohut. Düssel- dorf. Verlag von Felix Bagel. Die vorliegende Schrift, welche der erste Versuch ist, die hervorragendsten deutshen Soubretten in

zusammenfassender Weise darzustellen, dürfte in Scauspielerkreisen und bei Theaterfreunden einer entgegenkommenden Ausnahme be- gegnen. Von * den Briefen hätten mehrere, u. A. die an den Ver- fasser gerichteten, weil von keinem weiteren Interesse, fügliher Weise wegbleiben können. e

N) Die neue sorgfältig dur{chgeschene Ausgabe der Romane des Kapitäns Marryat, welche der Verlag von Carl Zieger Nach- folger (Berlin 80. 16) veranstaltet, ift bis Lieferung 47 gediehen. Seit unserer letzten Besprehung sind die Romane „Iaphet, der einen Vater su@t“ und „Der alte Commodore“ nunmehr vollständig ge- worden. Jener is einmal kein Seeroman, wie die metsten sonstigen Werke Marryat's, sondern spielt sich auf dem Lande ab, wobei das englishe Gesellshafts- und NVolkêleben im Anfang unseres Jahr- hunderts lebendig und treu ge\s{ildert wird. Der andere Roman gehört dagegen wieder zu denjenigen Werken, mit denen der Verfasser seinen Ruhm begründet hat und in denen er niht wieder erreiwt worden ist. Sein einzigartiges Erzählertalent wird Marryat's Romanen, zumal bei allen seefahrenden Nationen, zu denen die deutsche, nah der Erstarkung nnserer Handels- und Kriegsmarine sih jeßt auch mit Fug renen darf, stets einen großen Leserkreis erhalten. Mit Recht ist vou pädagogischer Seite darauf aufmerksam gemaht worden, daß sie nit nur fkulturgeshihtlich werthvoll sind, sondern au dur den Umstand ih vortheilhaft von neueren Erzeugnissen der Roman- literatur unterscheiden, daß der ge1unde Humor und Realismus, der sie durhweht, nie ins Niedrige und Grobe herabsinkt. Wir weisen daher auf die Serie der in der Lieferung8ausgabe bereits er- \chienenen Romane, als auf eine empfehlenswerthe Lektüre nochmals hin; es sind „Der fliegende Holländer“, „Königs Eigen , zMidship- man Easy“, „Die Sendung oder Scenen in Afrika“, „Die drei Kutter“, „Peter Simpel“ und die oben genannten beiden. In der 47. Lieferung (Preis je 40 d) beginnt „Percival Keane“.

„Die Overstolzin“ von Fosef Lauff. Mit Zeichnungen von A. Reith. Köln und Leipzig. Druck und Verlag von Albert Ahn. 1891. Die Heldin dieses großen Liedes ift die liebliche Maid Anna - Margaret, des vielbeglückten, hochangesehenen stolzen Ober - Bürgermeisters, Kaufherrn und Fürsten Johann Overstolz („Stölzgin“) zu Köllen vielumworbene Tochter, die der eitle Nater dem s\tolzen Ritter Hardefuß bestimmt, während die Fungfrau, welcher Seelenhoheit ‘als echter Adel galt, sich längst dem Rector magnificus Heinrich fill verlobt hat. Der ohne- hin \{chwere Liebeskampr wird nah der Enthüllung, der Still- erkorene Joh. Overstolzes vorehelicher Sohn ist, zu einem verzweifelten, den das Brautpaar durch einen mitternähtigen Sprung in den Rhein- strom jäh endet. Spracye, Bilder und Form diefes Heldengedihts nd sehr geshickt dem Mittelalter entlehnt. 65 allzuferne Ausdrücke finden in besonderen Anmerkungen ain Schlusse genügende Erklärung. Die Ausstattung des Werkes i\t recht anspreend. 2 i

M. Heinsius? Verlag (Nachfolger) in Bremen (1890) bat in der Reihe seiner von A. Steen herausgegebenen „(ristlichen CGrzäblungen des ÎIn- und Auélandes“ den X. Band erscheinen lassen unter dem Titel: „Um eine Krone.“ Drei Erzählungen frei nach dem Gnge lischen von A. Steen. Bevorwortet von Emil Quandt. Mit 22 Jllustrationen. Um eine Krone handelt es sich in jedem der drei in diesem Bande dargebotenen Lebensbilder, und immer it es eine und dieselbe Krone. Im Mittelpunkt des ersten aus zwölf Einzel- bildern zusammengeseßten Lebeusgemäldes, welches seinen Stoff und seine Farben dem 16. Jahrhundert und dem alten Holland entnommen und überschrieben ist: „Fn den Niederlanden im 16. Jahr- hundert“, steht das Lichtbild einer anspruchslosen, frommen und ge- treuen Magd, die {licht und ret für ihren himmlischen Herrn lebt und stirbt und zur Märtyrerin wird über dem Leitsaß: „Für cinen ew'gen Kranz das arme Leben A L S Dabei ist das Ganze von einer vortrefflihen Schilderung holländischen Landes und Lebens um- und dur&flohten. Das zweite aus 8 einzelnen Bildern zusammen! gefügte Gemälde stellt unter der Uebersrift : „Ein Mann e dem Volke“, das Lebensbild eines \hottischen Volksmannes a 17. Jahrhunderts dar, der in seinem evangeli]hen Glauben getreu L bis in den Tod und die Krone des Lebens ererbt. „Prasfanna un

‘amin i“ i Lebensbi nalt in ostindishen Farben Kamin i“, das dritte Lebensbild, ger R inbifen

e orts, zeigt einen Heiden des neunzehnten Jahrhunderts, zeig D E ilebeR An Pun

Iugendspiele den deutschen weit voraus sind: die englishen Schulen bilden den Charakter auf dem Spielplaz. Die Jugendspiele sind es,

Brahmanen, der unter größten Schwierigkei auen Heiland kommt, troy aller Versuchungen diesen Glauben festhält und

1890.

\chließlih einen Theil der Seinigen dem Gottesreich zuführt. Dies Busch ist ein labender Quell für alle Leser und Leserinnen. :

„Betty, die treue Magd.“ Eine wahre Geschichte. Aus dem Englischen von A. Steen. Vierte Auflage. Bremen. Druck und Verlag von M. Heinsius Nawfolger. 1890. Zum Besten junger Mädchen ist das vorliegende Büchlein vom Herausgeber der „Christlihen Eczählungen des Jna- und Auslandes geschrieben. Es zeigt in rührender Treue, wie ein einfaches dienendes Mädchen die göttlihen Lehren in ein reines und gewissenhaftes Leben umfeßt, Luther's Wort bethätigt: „Ein jeder lerne sein’ Lektion, so wird es wohl im Hause stohn“ und dadur ein erziehendes Vorbild und ein Segen wird für ihr Haus und ihre Dienstgenofsin. Es ift sehr wünschenswerth, daß jede deutshe Hausfrau ihrem dienenden Mädchen folch Büchlein freundlich in die Hand legt.

Weihnachts: Literatur.

ck. Auf deutschem Boden. ‘Novellen aus dem sozialen Leben unserer Tage von C. W. E. Brauns, Verfasserin von „reis fiau Sibylle von Kirheim“ 2c. Zweite Auflage. Halle“ a. S., Verlag von Taush und Grosse. (Preis 2 # 40 4.) Die drei vorliegenden Erzählungen: „Die Ehen werden im Himmel geshloffen é „Der neue OberB-ürgermeister“, „Eine Fastnachtsverschwörung werfen ganz interessante Streiflichte auf das soziale Leben der Gegenwart. Freunden einer leihten unterhaltenden Lektüre seien sie empfohlen. ck. Licht strahlen aus Schiller's Werken von Adolf Wechsler. Kommissionsverlag. W. Opay, Leipzig. (Preis 1 A) Die vorliegende Citatensammlung, geordnet nah den Anfangs- bubstaben des ersten Worts, ist eine reichhaltige und vielseitige; fie dürfte den zahlreihen Freunden der Schiller'schen Muse nicht unwill- kommen sein. | ; É is ck. Aus dem Verlage von Felix Bagel zu Düsseldorf liegen folgende \sechs Jugenderzählungen von Guftav Nierig-in neuer Ausgabe vor: „Bruderliebe“, „Fedor und Luise“ odek „Die Sünde der Thierquälerei“, „Mutterliebe und Bruder- treue", „Wahrheit und Lüge“, „Der Galeerensklave Ï „Der Schmied von Ruhla“, von denen je drei in einem Band vereinigt sind. Diese Erzählungen gehören zu dem Besten, was die deutshe Jugendliteratur darbietet, sie durhweht der Hau einer warmen und weitherzigen Frömmigkeit, daher ihre besondere Eigenschaft, auf das jugendliche Herz und Gemüth veredelnd einzuwirken. Auch die äußere Ausstattung läßt nihts zu wünschen übrig Jeder Erzäh- lung ist ein Farbendruckbild von G. Bartf ch beigegeben. Eine recht empfehlenswerthe Gabe für den Weihnachtstisch. j [] Germania’s Sagenborn. Mären und Sagen [ür das deutshe Haus. Bearbeitet von Emil Engelmann Au Folge. (12 Lieferungen zum Preise von je 50 s, cinfah bunden 7 M, elegant gebunden 8 46) Stuttgart, Verlag von Paul Neff: Diese neue Folge der Engelmann’shen Sammlung umfaßt die Mären und Sagen des sogenannten gothis{ch-lombardischen Sagenkreises, welche in der Sage von Dietrich von Bern gipfeln. Die leßter, soeben erschienenen Lieferungen des \{on öfter an dieser Stelle ge- würdigten Werks bringen diese gewaltige Reckendichtung zum Abschluß. Ihr voran gehen die kleineren anmuthigen Maären von Ortnit und Alberih, von Hugdietrih und Hildeburg (auch „Die Brautfahrt des Königs von Byzanz® betitelt), ven Wolfdietrich und den Söhnen Berchtung's, vom König RNothari, dem Harfner, und vom König Samson. Sie bereiten auf die große Dietrichs\age in geeigneter Weise vor. Der ganze Cyklus erscheint in dieser zusammenhängenden, logishen Folge zum ersten Mal, und es ist ein Verdienst des Bearbeiters au diese jeßt wenig bekannten, im Mittelalter beim deutshen Volk allgemein beliebten poetishen Sagen der beutigen Generation in anziehender und fesselnder Prosa- Erzählung wieder nahe aebracht zu haben. Die Dietrichsfage wird allen denen, welde das Nibelungenlied kennen, besonders anziehend sein, denn der Hunnenkönig Etel und andere Necken treten darin von Neuem in ihrer mächtigen Gestalt vor uns hin. Wie der erste Band fo ist auch der vorliegende mit vielen Bildern na Zeichnungen bervorragender Künstler, wie Baur, Cloß, Häberlin, Hoffmanr, Kepler, A. von Werner geziert. Mit dieser {önen Ausstattung und in dem eleganten Einbande, welhen die Verlagshandlung dazu beforgt hat, bildet das Buch eine wirklich preiswertbe, innerlih und äußerlih gediegene Festgabe für den Weihnachtstisch des deutshen Hauses.

ck. Geiftlihe Lieder. Aus dem Französischen von Ludwig de Marées. Mit einem Anhang. Halle a. S. Richard Müblmann's Verlagshandiung (Max Grofse). Höchst elegant ge- bunden. Preis 4 # 50 -§. Die vorliegende Sammlung enthält 200 Lieder, welche aus einer Anzahl franzöfisher Gesangbüher, jowie aus anderen Liedersammlungen ausgewählt und _naŸ der in Gefang- büchern üblihen Eintheilung geordnet find. Sämmtliche Lieder sind mit Beibehaltung ihrer ursprünglichen Versmaße überseßt. Diefe eigenartige Arbeit ist nicht nur vom literarischen Standpunkte aus be- achtenswerth, sondern eignet sih vor Allem, auf Herz und Gemüth erbaulich einzuwirken. Einer etwaigen, aus Unbekanntschaft mit diesem Zweige der französishen Literatur beruhenden Frage: „Was kann aus Frankreich Gutes kommen?“ begegnet der Verfafser dur den Hinweis, daß es für die deutshen und französishen Christen bei allen politishen UÜntershieden und Trennungsgründen jederzeit innerhalb der evangelishen Kirhe mit ihren Liedern und Gebeten ein Feld der Einigkeit und der Gemeinschaft giebt. In diesem Sinne möte er die Lieder als Frühlingsboten ausgehen lassen. Im Anbang finden si vierzehn aus dem Italienishen überseßte geistlihe Lieder mit- getheilt. Ein finniges Weihnachtsgeschenk. ;

Passionsblumen. Novellen von Marie GConrad- Ramlo. Mit dem Porträt der Verfasserin in Lichtdruck_ Preis broshirt 3 4 (Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt) Wie der Titel erratbhen läßt, führt uns die Dichterin _Stickfale von tief- gründiger Tragik vor, aber niht von jener Tragik, die das Leben zur Vernichtung treibt, sondern von jener, die nur einen Wuterungsprozeß be- deutet, aus welhem fich der irrende Mensch, nachdem er alle Weiben des Schmerzes empfangen, reiner und fester erhebt, bald neue Hoffnungen \chöpfend, bald till resignirend im Dienste für das Wobl Anderer. Die Verf.fserin, als Königliche Hofschauspielerin in München längst eine Zierde der deutshen Bühne, hat mit diesen Dichtungen în Profa ih einen ersten Rang neben unseren besten Schriftstellertnnen er-

worben. l i s aci an

Fürchtet ecuch nicht! Gedichte von Albert Matthbaei. Preis geheftet 2 4, in eleganiem Original-Einband 3 (Stutt- gart, Deutsche Verlags-Anstalt). Der bekannte deutsche Literatur- fors(er, Professor Herz in München, dem das Bu gewidmet ift,

stellt ebenso wie eine Reihe anderer kompetenter Beurtheiler das Buch sehr hoc), und es ist gewiß ein Zeichen für die ungewöhnliche Begabung Matthaei's, daß ihn König Lutwig IT., ergriffen von seinen Poesien, von Norddeutschland nach München holen ließ. Diesen Mêcen hat der Dichter verloren; die Veröffentlichung seiner Gedichte aber wird bewirken, daß ibm warme Ver- ebrer in reicher Zahl neuerstehen. Am besten bewährt ih Matthaei's Talent in einer Reibe von Balladen, die das markige Gepräge nordischer Heldendihtunz tragen. Aber au in seinen rein lyrishen Ergüssen atbmet eine ins Große gehende Em- pfindung und tritt uns eine geruadete Schönheit des rbythmifchen Ausdrucks entgegen.

Heinri Farel. Elsässisher Roman von L. Spa. Deulshh bearbeitet ron Hermann Ludwig. Preis brofchirt 5 M; in elegantem Originalband 6 # (Stuttgaut, Deutsche Verlags*