1910 / 293 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 14 Dec 1910 18:00:01 GMT) scan diff

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Niqchfamklicßes. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 14. Dezember.

Seine Mans der Kaiser und König nahmen gestern vormittag im Neuen Palais bei Potsdam den Vortrag des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Jnfanterie Frei- herrn von Lyncker und heute vg die Vorträge des Ministers der öffentlichen Arbeiten von Breitenbah und des Chefs des Zivilkabinetts, Wirklichen Geheimen Rates von Valentini entgegen.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll- und Steuerwesen und für Justizwesen, die vereinigten Ausschüsse . für Zoll- und Steuerwesen und für Rechnungswesen sowie die vereinigten Vertehe 6 für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr hielten heute Sigzungen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. O. „Areya“ am 11. Dezember in Port of Spain auf Trinidad eingetroffen.

S. M. S. „Hansa“ ist vorgestern in Kingston auf “Jamaika eingetroffen und geht am 28. Dezember von dort nach Galveston (Texas) in See. l

S. M. S. „Scharnhorst“ mit dem Chef des Kreuzer- geshwaders und S. M. Torpedoboote „S 90“ und „Taku“ find gestern in Hongkong eingetroffen.

Oesterreich-Ungarn.

ZU Beginn der gestrigen Sitzung des österreichischen Abgeordnetenhauses machte der Min.sterpräsident Freiherr von Bienerth von der Demission des Kabinetts Mit- teilung und daß der Kaiser das Kabinett mit der Fortführung der Geschäfte bis zur Bildung eines neuen Kabinetts betraut

abe. 9 Wie das „W. T. B.“ meldet, forderte der Ministerpräsident das

Haus auf, das Budgetprovisorium, den Handelsvertrag mit Serbien, ‘die Verlängerung der provisorischen Geschäftsordnung und die Wahlen u den Delegationen schnellstens zu erledigen, und erklärte, daß die Megieeuna die Arbeiten des Hauses in loyalster Weise fördern werde.

Jm weiteren Verlaufe der Sißung beendete das Haus die erste Lesung der Bankvorlage, die dem Ausschuß zugewiesen wurde, und erledigte den Dringlichkeitsantrag, betreffend die Lage der Postoffizianten. Hierauf wurde die Sißzung eschlossen. N s \Glof Der Polenklub hat einstimmig beschlossen, für das dreimonatige Budgetprovisoriuum und die Verlängerung der provisorischen Geschäftsordnungsreform geschlossen zu stimmen.

Das ungarische Abgeordnetenhaus hat, obiger Quelle zufolge, gestern das Budgetprovisorium bis zum 1. April mit großer Mehrheit angenommen.

Großbritannien und JFrland.

Nach Meldungen des „W. T. B.“ sind bis gestern abend 197 Liberale, 240 Unionisten, 36 Vertreter der Arbeiterpartei, 59 Anhänger Redmonds und 8 Anhänger O'Briens gewählt worden. Die Liberalen haben 19, die Unionisten 23 und die Arbeiterpartei 4 Siße gewonnen.

Frankreich.

Jn der gestrigen Sißung des Senats tadelte Jénouvrier den mangelhaften Betrieb der Staatseisenbahnen und führte, „W. T. B.“ zufolge, aus: |

Die Schiffahrtsgesellshaften ließen ihre Schiffe den Hafen von Havre gar niht mehr anlaufen, weil sie dort ihre Ladung nicht los würden. Auf den dortigen Kais seien 200 000 Ballen L aumwolle liegen geblieben. Hamburg, Bremen und Antwerpen zögen aus dieser Lage Nupen. In Nouen verfaulten Tausende von Toanen Getreide,

weil es an Transportmitteln fehle. ; Méline {loß sih den Ausführungen Jénouvriers an.

Rußland.

Jn der Budgetkommission der Reichsduma kündigte der Finanzminister Kokowßow gestern, „W. T. B,“ ufolge, eine Vorlage an über Tilgung von 45 Mil- Hann Rubel Staatsschulden mit hohem Zinsfuß vor Ablauf des Fälligkeitstermins und wies weiter auf die Besserung der Bilanz der Staatsbahnen hin, die eine Mehreinnahme von zwei Millionen und eine Minderausgabe von 21/, Millionen Rubel in diesem Jahre aufweise. :

Die Kommission für Gesezvorlagen hat die Vor- lage über die Gleihberehtigung Finnlands und der finnishen Bürger mit den übrigen russischen Unter- tanen mit einigen Aenderungen angenommen, darunter die Gleichberehtigung der Absolventen der Schulen des Reichs und der Finnlands sowie die Bestrafung für mündliche und \chriftlihe Aufreizung gegen das neue Gesez. Die Vertreter der Opposition hatten erklärt, die Vorlage sei verfassungswidrig, und hatten dann bei der Spezialdebatte die e Bund verlassen. Ein Vorschlag, die Nechtsbeschränkungen für die Juden in Finn- land aufzuheben, wurde abgelehnt.

Spanien.

Die Deputiertenkammer hat, einer Meldung des W. T. B.“ zufolge, gestern das Budget angenommen.

Portugal.

Das Urteil in der Berufungsinstanz, das die Amnestie vom Mai 1908 zugunsten Joao Francos und seiner Kollegen im Ministerium zur Anwendung bringt, bezieht sich, wie das „W. T. B.“ meldet, nur auf einen Teil der gegen diese erhobenen Anschuldigungen. ' |

Das Gerichtsverfahren, das gegen den früheren Finanz- minister Espregueiro, den früheren Generalsekretär des Schaßes Perstrello und den früheren Generalschaymeister Gomes d’Araujo angestrengt worden ist, wird begründet mit den Vorschüssen, die an die Königin Maria Pia gezahlt

worden sind. Griechenland. Nach den bisher bekannten Wahlergebnissen wird, W. T. B.“ zufolge, das Ministerium über eine große Mehr- heit in der Nationalversammlung verfügen. Amerika.

Die brasilianishe Deputiertenkammer hat, wie das „W. T. B.“ meldet, in der gestrigen Sißung die Budgets

Na einen ei der brasilianischen Gesandtschaft in Paris dae E Telegramm aus Rio de Janeiro vom 19.0 M.

sind 110 Mann der Besaßung des Panzerkreuzers „Sao Paulo“,

die am 22. November gemeutert hatten und dann begnadigt, aber vom Marinedienst ausgeschlossen worden waren, nach dem Fort Villegagnon gebracht worden. Die Mannschaft des Seebataillons;“ die am Sonnabend E Woche gemeutert hatte, wird vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge sind die Besaßungen der Kreuzer „Minas Geraes“, „Deodoro“ und „Bahia“ ebenfalls nah dem Fort Villegagnon gebracht worden und werden ebenso E die des „Sao Paulo“ durh neue Mannschaften erseßt werden. |

Nachdem von seiten Boliviens anerkannt worden ist, daß der im vorigen abre von dem Präsidenten der Republik Argentinien in Sachen des Grenzstreits oan Peru und Bolivien gefällte Schieds\spruch vom Geiste der Gerechtigkeit etragen war, ist, obiger Quelle zufolge, gestern abend zwischen em Minister des Aeußern und dem bolivianischen Unter- händler ein Vertrag unterzeichnet worden, der die bis dahin unterbrochen gewesenen amtlichen Beziehungen zwischen Argen- tinien und Bolivien wiederherstellt.

Asien.

Der Deutsche Kronprinz ist, „W. T. B.“ folge,

heute in Bombay eingetroffen. Der Gouverneur begab si zur egrüßung an Bord der „Gneisenau“ und kehrte dann an

Land zurü, wo er den Kronprinzen empfing und nah dem

Gouvernementsgebäude geleitete. :

Nach Meldungen des „Reuterschen Bureaus“ ist das Gesuch des chinesischen Reichsausschusses um die Ernennung eines verantwortlichen Kabinetts gestern dem Staatsrat unter- breitet worden. E : i

Der ets beabsichtigt, dem Thron eine Bitt- {rift um Freilassung der politischen Verbrecher, die im Jahre 1898 gefangen geseßzt worden sind, einzureichen.

Afrika.

Vom „W. T. B.“ verbreiteten Meldungen aus Udschda zufolge herrsht unter den Stämmen in der Umgebung von Debdu und Tafrata große Erregung. Aus Süd-Oran sind ahlreihe Marabuts M O die die Bevölkerung gegen Frankrei aufreizen. Von Yang Seite sind alle Maß- nahmen zur Aufrechterhaltung der Ruhe in den gefährdeten Gebieten getroffen.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die gestrige Sißzung des Reichstags befindet sih in der Ersten Beilage.

Der Reichstag seßte in seiner heutigen (101.) Sizung, welcher der Staatssekretär des JZnnern Dr. Delbrü, der Kriegsminister, General der Jnfanterie von Heeringen, der Staatssekrelär des Reichspostamts Kraetke, der Staats- sekretär des Reichsshaßamts Wermuth, der Staatssekretär des Neichsjustizamts Dr. Lisco, der Staatssekretär des Aus- wärtigen Amtes von Kiderlen-Waechter und der Staats- sekretär des Reichskolonialamts Dr. von Lindequist bei- wohnten, (die GeneraldiRussion des Etats für 1911 und des Entwurfs*über die Frikdenspräsenzstärke des deutschen Heeres fort.

Abg. Dr. Heinze (nl.): Der Abg. Erzberger hat vorgestern eine lange Rede gehalten, in der er die Finanzform “fehr eingehend erörterte und die Aufhebung des Jesuitengesetzes forderte. Das Interessantesle war die lebhafte Zustimmung, die seine Rede auf der rechten Seite fand. Das gibt doch zu denken. Wenn man si erinnert, daß mit Bezug auf die Haltung des Zentrums und insbesondere des Abg. Erzberger das Wort von dem Eingriff in die Kommandogewalt des Kaisers gefallen ist, so muß man bei diesem Beifall der Nechten sagen: O quao mutatio rerum ! Merkwürdig ist, wie unsere vollständig klare Haltung in der Finanz- reform noch immer verkannt wird. Wir haben gegen die Finanzreform

estimmt, weil fie es an einem Ausgleich nah der Seite der Be- ißenden fehlen ließ. Unsere Grundforderung, daß bei einer derartigen Belastung der großen Massen der e P ERO in hervorragender, durch- greifender Weise herangezogen werden ollte, ist niht erfüllt worden. Die Millionenvermögen sind durh Ihre rsaßsteuer so gut wie gar niht getroffen. Cs sind volkswirtschaftlihe, politishe Gründe, die uns zur Ablehnung der Finanzreform gezwungen haben. Die Haltung des Zentrums zur Finanzreform war zweifelsohne durch taktish politishe Momente bestimmt. Es hat die Grbschaftssteuer abgelchnt, und damit die Finanzreform in ganz andere Bahnen geleitet, weil ihm daran lag, den Fürsten Bülow zu flürzen und si zwischen die Linke und die Nehte einzuscieben. Die Nechte hat sih nicht durch finanztehnische, sondern dur politiscke Gründe bistimmen lassen. Das haben Sie auch ofen au?gesprochen. Ihnen paßte die Liberalisierung nicht, sie wollten die neue Parteifombination nicht, die Fürst Bülow geschaffen hatte. Die Liberalisierung Deutsch- lands läßt ih nicht aufhalten, in einem Lande, das das allgemeine Wahlrecht, die allgemeine Wehrpflicht besißt, die Freizügigkeit und eine Presse, die bis in die leßten Winkel dringt. Was wir aber nicht wollen und auch Sie nicht, das ist die Nadikalisierung N und diese wird durch Ihr Verhalten zur Fiuaniretorm wesentlich verstärkt. Nach rechts sind die “s br Wahlen nit ausgefallen, die Sozialdemokratie hat ganz außeror entliche Fortschritte gemacht und wir find felbst die Leidtragenden. Die Richter über die Finanz- reform werden die Wähler bei den nächsten Wahlen sein. Der Abg. Grzberger hat unfer Verhalten ¿zum Modernisteneid und zur Borromäus-Encyklika fkritisiert und erklärt, wit diesen innerkirch- lihen Dingen habe das Parlament {ih gar nicht zu beschäftigen. Innere kirhliche Dinge beschäftigen uns allerdings nicht, aber der Modernisteneid und die Borromäus-Enzyklika sind nicht innere An- gelegenheiten der Kirhe. Sie gehen uns als staatsrechtliche Dinge sehr an, und es ist zweifelhaft, ob der Modernisteneid nicht gegen die preußishe Staatéverfassung verstößt. Wenn durch die Borromäus - Enzyklika solche Aufregung im Volk hervor- gerufen wird, wenn der Protestantismus dadurch empfindlich beleidigt wird, wenn ein deutscher Fürst sich dagegen autspriht dann werden wir wohl das Recht haben, sole Dinge hier zu besprechen. Der Abg. Erzberger wandtc sih auch gegen die Kritik des Abg. Bassermann an der Militärvorlage. Hat tenn niemals das Zentrum an Miilitärvorlagen Kritik geübt? Ein unanfecht- bares nationales Blatt, „Die Grenzboten“, schreibt: vom „mili tärischen Standpunlt müsse bedauert werden, daß politische Rücksichten eine so weitgehende EinsHränkung der organischen Weiterentwicklung des Ausbaues der Wehrmacht verlangen; man könne berechtigte Zweifel hegen, ob die Maing darin nicht zu weit ge- gangen sei. Man darf doch hier über tiese Bedenken diskutieren, und der Abg. Erzberger darf uns dann nicht solhe Motive unter- \{hieben, als verlange der Abg. Bassermann „nur eine weitere Militärvorlage, damit neue Steuern notwendig seien, die Erbschafts- teuer bewilligt werden nue und die Nationalliberalen S t eien. Das zetot doch Verständnislosigkeit darin, den Gegner E zu würdigen Daß das Zentrum eine Abneigung gegen den früheren Staatssekretär Dernburg hat, ift erklärlih, aber der Abg. Erzberger

des Aeußern und der Marine angenommen.

hat aus dem Buch von NRohrbach niht vollständig zitiert.

Li:

Rohrbach schreibt nämlich weiter, daß Dernburg si hohe Verdiens erworben habe, daß er die nationale Anteilnahme an unseren Kolo B unternehmungen gefördert habe wie niemand vorher, und daß er eg fertig gebracht habe, den zögernden Reichstag zur freudigen Bewilligung im großen Stile für die Kolonien fortzureißen. Der Abg. von Putliß verwehrt uns eine Kritik an der preußischen Politik. Wir Nationalliberalen erkennen die ausshlaggebente Bedeutung der hervorragenden Stellung Preußen an und find ihm dankbar für die große F die es seit Jahrhunderten gemachr hat ; wir cxfennen auh an, daß Preußen in seiner Ausdehnung mit seinen verschiedenen Nationalitäten, mit den Millionen Polen und seiner verschiedenen Besißverteilung anders regiert werden muß als ein einheitliher Fleiner süd, deutsher Staat. Aber die ganze NReichspolitik ist mit der preußischen eth, verwahsen, deshalb können wir die inneren Preubilde

erhältnisse gar nicht von der deutschen Politik trennen. Die preußische Politik interessiert das ganze deutsche Volk, deshalß können wir nicht darauf verzichten, im Rahmen der Meichspolitik auch auf die preußische Politik einzugehen; wir können im Juter, esse der Netichspolitik nicht auf die Fortentwisung Preußens in liberalem Sinne und insbesondere darauf nicht verzichten, daß das Wahlrecht Preußens in liberalem Sinne gestaltet wird. Der Abg, von Putliy hat ja auch unsere Partei in Baden fritifiert. In der inneren Politik fordern wir der Verfassung entsprehend eine über den Parteien stehende, unabhängige Regierung, cine Fortführung unserer bewährten Schutzollpolitik, eine Fortführung unserer Sozialpolitik, dabei allerdings den Schuß der persönlihen Freiheit, erergisce Handhabung der bestehenden Gesege, aber wir le nen Ausnahmegesete ab. Der Reichskanzler stellt \sich mit Recht über die Parteien; wie er wollen auch wir keine Partei von der positiven Mitarbeit aus\chließen, Ablehnen aber müssen wir es, daß eine Partei einen überragenden Einfluß gewinnt, daß wir wieder zu ähnlidhen Zuständen kommen, wie vor der Neichêtagsauflösung 1906, wo das Zentrum seinen Ein; au M den Neichsämtern in einer ungebührlihen Weise geltend ge- macht hat.

(Schluß des Blattes.)

Nach dem endgültigen amtlichen Wahlresultat sind bei der Reichstagsersaßwahl im Bezirk Labiau- Wehlau (Königsberg 2) im ganzen 17 009 Stimmen abgegeben worden. Davon haben der Bürgermeister Wa gner - Tapiau (Fortschr. Volksp.) 9825, der Landesrat a. D. Burchard (dkons.) 7184 Stimmen erhalten. Ersterer ist somit gewäht.

Statistik und Volkswirtschaft.

Neugründungen, Kapitalerhöhungen und -herabsezuugen, Liquidationen und Konkurse von Aktiengesellschaften im Deutschen Neiche im 3. Vierteljahr 1910.

Nach den Ermittelungen tes Kaiferlihen Statistischen Amts auf Grund der Bekanntmachungen der Gerichte im „Meichsanzeiger“ wurden im 3. Vierteljahre 1910 42 AktiengesellsGaften mit einem nominellen Aktienkapital von 79,14 Millionen Mark neu gegründet gegenüber 54 Gesellschaften mit 61,92 Millionen Mark im 2. Viertel- jahre. Von den 42 neuen Gesellschaften des 3. Vierteljahres 1910 wurden 13 mit 32,29 Millionen Mark untcr Einbringung bestehender Unternehmungen gegründet; für die Sacheinlagen bei tiefen Um- wandlungen wurden 16,16 Millionen Mark in Aktien gewährt. Bemerkt sei, daß das Kaiserliche Statistishe Amt nur diejenigen Sach- einlagen feststellen kann, die unter Beobachtung der Schutzvorschriften des § 186 Abs. 2 des Handelsgeseßbus eingebracht sind.

Kapitalerhöhungen erfolgten im 3. Vierteljabre 1910 bei 71 Aktiengesellschaften um 138,36 Millionen Mark; 21 Gesellschaften nahmen Kapitalherabsezungen um 7,92 Millionea Mark vor. In demselben Zeitraum traten 14 Gesellshaften mit einem Aktienkapital von 13,61 Millionen Mark in Liquidation. Ueber das Vermögen von 7 Gesellshaften mit 1809 Millionen Mark Kapital wurde das Wo nfürsveriahren eröffnet; unter den leßteren befand sich eine Kommanditgesellshaft auf Aktien mit 12 Millionen Mark Kapital.

Zur Arbeiterbewegung.

In einer in Cöln abgehaltenen Versammlung der Ko nfektions- \chneider wurde, der „Nh.-Westf. Ztg.“ zufolge, beschlossen, gleich- zeitig in Côln, Düsseldorf, Elberfeld, Gelsenkirhen-und Steele in eine Lohnbewegung einzutreten. Die Schneider verlangen auch in den Konfektionsbetrieben tarifliche Festlegung der Lohn- und Arbeitsbedingungen, wie es in den Maßgeschäften der Fall fei. Es wurde ein Larifentwurf durhberaten, der ten Konfektionsgeschäfts- inhadern vom Lohnaus\{uß vorgelegt werden soll.

Auf der Glücckauf-Brauerei in Gelsenkirchen find von etwa 115 dort beschäftigten Arbeitern, wie dasselbe Blatt mitteilt, ungefähr zwei Drittel wegen Tarifstreitigkeiten in den Ausstand ge- treten.

In Leipzig wurde in einer von dem Verein der Brauerge- hilfen einberufenen, aber auch von Angehörigen der anderen Brauer- organisationen zahlreih besuchten Nang wie die „Leipz. Ztg." berichtet, eine Resolutton gefaßt, nah der der ¿stehende Lohntarif am 1. Januar 1911 gekündigt werden soll» Die Organisationsleitung wurte ermächtigt und beauftragt, wegen Abschlusses cines neuen Tarif- vertrages mit den Arbeitgebern zu verhandeln und dafür Sorge zu tragen, - daß die Lohn- und Arbeitsbedingungen der Brauer in Leipzig denen der Brauer in den anderen Großstädten gleichgestellt würden. Wie in einer Ver-ammlung der Leipziger Lichtdrucker- gehilfen bekannt gegeben wurde, sind die zwishen den Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganifationen des Lichtdruckgewerbes gepflogenen Verhandlungen zwecks Abschlusses eines Tarifvertrages gescheitert. : | Thie Streik im oberbayerishen Kohlenrevier in Hausham erfährt die „Köln. Ztg.*, daß die Hauer 5 4, die Schlepper 4 (4 für die Schicht fordern; die Tagelöhner wollen um 30 „4 auf 3,50 G aufgebessert werden. Auf der Basis dieser For- derungen wollen die Streikenden mit der Direktion verhandeln. (Vgl. Nr. 292 d. Bl.)

(Weitere „Statistishe Nachrichten“ st.. i. d. Zweiten Beilage.)

Kunst und Wissenschaft.

Vom Museum für ostasiatische Kunst in Cöln.

A. F. Professor Adolf Fischer, der geshäßte Kenner ostasi.. tischer Kunst, hatte eine Sawmlung ostasiatisher, im besonderen chinesischer, japanischer und koreanischer Kunstgegenstände, die er bei jahrelangem Aufenthalt in Ostasien gesammelt hatte, vor einigen Jahren der Stadt Kiel gls Grundstock eines dort anzulegenden Museums für ostasiatische Kunst angeboten. Nach der Ablehnung des Angebots ist nun die Stadt Cöln nicht nur den r pr ain von Professor Adolf Fischer bereitwälig entgegengekommen, sie hat au den Plan tes Baues Eines besonderen Museums für den gedahten Zweck gefaßt und seine Auéführun alsbald ins Werk gesezt: Das „Museum für ostasiatishe Kunsi“ i j 3. in Côln im Bau begriffen. Bis zu seiner Vollendung hat Professor Fischer im Auftrage der Stadt Cöln eine nohmalige Reise na Ostasien zur Ergänzung und Vervollständigung einiger Kategorien von Kunstgegenständen unternommen. Von dort zurückgekehrt, hat er in einem Naum des Cölner Kunstzewerbemuseums zunächst eine Teil- auéstellung seiner neuen Erwerbungen veranstaltet, die zurzeit Gegenstand des allgemeinsten Interesses in Cöln ist. Ueber den Inhalt der Ausstellung weiß u. a. die , Kunstchronik folgendes zu berichten: Das Kunstzewerbe tritt diesmal gegen Malerei und Plastik zur#ck, denn das Museum für ostasiatische

nischen

l

nstt wird in erster Linie die große Kunst Ostasiens pflegen. Bud- fut e Malereien von hervorragender Schönheit aus dem 8. big 16. N Cindert, zwei Altartüren mit Malereien auf Lakgrund im Zakuma-Stil (12. Jahrhundert), Holzstatuen einer Kwannon, einer Amita, einer Miroku Bosatsu, eines Jizo, treffliche Werke aus dem 11. bis 13. Jahrhundert, sowie zwei Holzstatuetten aus dem 6 bis 8. Jahr- hundert, von denen eine japanisch, die andere foreanisch ist, geben einen Begriff von der hohen, religiösen Kunst des alten Japan. Eine besondere Ueberraschung bieten in chinesis{en Gräbern gefundène, viel- farbige Tonstatuetten aus der Wei-Dynastie (3. bis 6. Jahrhundert) und tatierte Steinskulpturen, von denen die früheste, eine viel- farbige, aus dem Jahre 167 n. Chr. stammt. Von chinesischen Malereien seien u. a. hervorgehoben eine großzügige Landschaft im Stile Ma-Yuans, eine Herbstlandshaft von Yan Shi Ven (beide 12. Jahrhundert) sowie ein Bild, das ein historishes Motiv darstellt, im Stil des Kiso-Koten. Jn Glatschränken bemerkt man ferner No-Masken von packendem Ausdru, altchinesi\che, in Gräbern gefundene Bronzen aus der Chou- und Han-Dynastie, Töpfereien mit prachtvoller, irisierender Patina aus der Han-Dynastie, einige Ming-Vasen und koreanishe Gräberfunde.

Der Königliche Bezirksgeologe Herr Dr. Ludwig Finckh ist an der hiesigen Bergakademie als Privatdozent für Petrographie zu- gelassen worden. Er wird über „Methoden der Gesteinsuntersuchung“

vortragen.

In Kiel ist, „W. T. B." zufolge, der Geschichtsprofessor an der dortigen Universität, Geheimer Regierungsrat Dr. Karl Schirren, und in London der Historiker Dr. Emil Neich gestorben.

Land- und Forftwirtschaft.

25. Winterversammlung der Deutschen Landwirtschafts- gesellschaft.

Die Arbeit der Landwirt schaftgesellshaft, die die Hebung und Förderung der deutschen Landwirts aft bezweckt, wird vornehmlich von ihren Abteilungen, Sonderaus\hüssen und deren Mitgliedern ge- leistet, die dann während der Wintertagung über ihre Erfahrungen berihten, um die gewonnene Erkenntnis unter den deutschen Land- wirten zu verbreiten. Nachdem in der gestrigen Nummer des „MNeichs- und Staatsanzeigers“ über die Jubiläumshauptrersammlung der Deutschen Landwirtschaftsgesell {aft referiert worden it, geben wir daher noch ‘einige der in Sondersißungen der einzelnen A teilungen erstatteten Berichte auszugsweise wieder. ibi

In der Düngerabteilung \prah Professor Or. Tae, der Leiter der Versuchsstation für Moorkulkur in Bremen, über die Ver- wendung künstliher Düngemittel in Heide, Marsch und Moor. Der ursprünglih für die Versammlung der Düngerabteilung elegentlih der diesjährigen Ausstellung in Hamburg bestimmte und fir die besonderen Verhältnisse des Gaues eingerichtete Vortrag darf vielleicht ein allgemeines Interesse beanspruchen, insofern er die Be- deutung eines der wichtigsten neuzeitlihen Hilfsmittel der Landwirtschaft für die in ihrer natürlichen Beschaffenheit weit vonetnander abweichen- den Bodenarten dartut. In chemischer wie physikalischer Hinsicht find die 3 genannten Bodenarten denkbar verschieden, insbesondere ist der Gehalt an allen oder toch an einzelnen wichtigen Pflanzennährstoffen, um deren Zufuhr es sich bei Verwendung künstliher Düngemittel handelt, bei Moor- und Heideböden im Geaensaß zu den Mar chböôden gering. Auf den fkalkarmen Heide- und Moorböden ist durch Ver- wendung von Kalk, kali-, phoëphorsäure- und stickstoffhaltigen Kunst- düngemitteln das Haupthindernis für eine Entwicklung der Landes- tultur hinsihtlih der Ausdehnung der Kulturflächen und der Steige- mung der Intensität der Kultur selbst, der Mangel an Dünger, L seitigt worden. Die dadurch ermöglihte Entwicklung des Futter- baues, der Wiesen- und Weidewirtschaft auf diesen Böden hat die Betriebsgestaltung wesentlich erleihtert und unerwartete Aussichten für deren zukünftige Entwicklung eröffnet. Die zwar an Kalk und Stidstoff reihen, gewöhnli aber an Kali und Phoëphorsäure armen Niederung8moore, die vorwiegend als Grasländereien genugt werden und deren Bewirtschaftung vielfach mit derjenigen von leiten, fandigen Bodenarten verknüpft is, werden durch reichliche Anwendung von Kalisalzen und leichter [ösliden Phosphaten in ihren Erträgen na) Güte und Menge beträhtlich ge- hoben, was mittelbar au der Bewirtschaftung des mineralischen Bodens zugute kommt. Die große Bedeutung der künstlihen Dünge- mittel für diese Bodenarten tritt besonders deutli bervor in der starken Zunahme des Verbrar ck{;s an En und Phosphaten in den Bezirken, die reich an Heide- und Moorboden sind. Von 65 Kreisen Deutsblands mit über 2000 kg Kaliverbrauh auf 100 ha liegen allein 24 in den besonders heide- und moorreihen Gebieten der Provinz Hannover und des Großherzogtums Oldenburg. Ueber den Verbrauch von Phosphaten, insbesondere Thomasmehl, liegt eine so umfassende Statistik nicht vor; da im allgemeinen jedech ein zweckmäßiges Ver- hältnis zwischen Kali und Phosphorsäure bei der Düngung inne- gehalten wird, \o “ist die Annahme berechtigt, daß der Verbrauch namentlich an Thomasmehl in dem gleihen Verhältnis gestiegen ift. Auf den reiheren Böden der Marschen ist die Verwendung künst- liher Düngemittel jüngeren Datums und im allgemeinen noch nit in dem Umfang turdlgeführt wie auf den von Natur armen Bodenarten. Wenn auch das Bedürfnis des Marschbodens im all- gemeinen bei Ackerbau an Kali und zum Teil au an Phosphorsäure viel geringer ist als auf Heide und Moor, so werden doch stickitof- haltige Kunsidüngemittel mit Erfolg und von Jahr zu Jahr in steigender Menge verwendet. Auf Weiden und namentlih auf den vielfa ohne jeden oder wenigstens ohne genügenden Ersaß bewirtshafteten Marschwiesen, insbesondere auf tiefliegendem, r be Marschboden, hat man jedech dur kali- und phosphor- fäurehaltige Kunstdüngemittel Ertragssteigerungen erzielt, die denen auf armen Hecide- und Moorböden nit selten nahekommen. Nicht zum wenigsten die unerwarteten Erfolge bei Wiesen und Weiden auf Heide und Moor und die dadurch entstandene Konkurrenz dieser Böden im utterbau mit den von alters her in dieser Hinsicht hochges äßten Marschböden haben für leßtere einen räftigen Ansporn geliefert, au ihrerseits diese wertvollen ilfsmittel

immer steigendem Maße zu benußen. So gewinnt bei diesem Wettstreit {ließlich nur das große Ganze. Nicht zum kleinsten Teile sind jedo diese Fortschritte erzieli dur ein auêëgedehntes Net von Versuchsfeldern, von Beispiel- und Musterfeldern, die seit etwa einem Vierteljahrhundert auf nordwestdeutschen Heide- und Moorböden so zahlreich wie vielleicht sonst nirgends eingerihtet worden sind. Die ifutldte Landwi1 .schaftsgesell schaft, insbesondere ihre Düngerabteilung, ist mithin M dem richtigen Wege, wenn sie die reichen, thr zur Ver- fügung stehenden Mittel dazu ent dur exakte, im Verein mit Männern der Wissenschaft durhgeführte Feldversuche die Grundlagen für die Verwendung künstliher Düngemittel immer mehr zu sichern und dur Lehr- und Beispielsversuche die gewonnene Erkenntnis unter den tandwirlsWaftlichen Berufsgenossen immer mehr zu verbreiten.

Im Anschluß an diesen L tig berihtete Professor Dr. Gerlah-Bromberg über die Entwi lung der Düngerlehre von Thaers Zeiten bis zur Gegenwart. Ausgehend von Thaers Humuslkehre, die die ganze Pflanzenernäh ung auf die panisden Stoffe aufbaute, die Mineralstofe aber nit als Pflanzennährstoffe anerkannte, fondern lediglich als Reizmittel ansah, fam der Nedner auf die allmählih erkannte Wichtigkeit der ie ralftofe zu sprehen. Erft Liebig warf die alte E theorie vollständig über den Pa und stellte ihr die Mineral-

eorie gegenüber, die das Heil lediglih in der Zufuhr von anorga- toffen sah. Liebig blieb bis an sein Ende ein Feind tickstoffdüngung ein Îrrtum, der sich seitdem zu einer tl{tigen erüdsihbigung dieses wichtigsten Düngemittels gewandet hat. Im weiteren Vexlaufe seiner Aus ühruygen erörterte der Nedner die ver-

\hledenen Versuche einer Düngerstatik, die au heute noch nicht

einwandfrei aufstellbar ist. Die. Erfahrungen der meisten Düngungs- versuche sprechen dafür, da T j in gleihem Maße wichtig: sind. Im Gegensaß zu Liebia wird heute auch der organischen Masse des Stallmistes eine gewisse Wirkung, und zwar in physikalischer Hinsicht, zuerkannt. Die Brache, für deren Beseitigung auch {on Liebig eintrat, ist dank der künstlichen Dünge- mittel und verbesserten Bodenbearbeitung immer mehr zurück- gegangen. Die A e der Bodenbakteriologie sind unabweisbar, haben aber bisher keinen Anhalt für eine Aenderung unserer Düngungsgrund- säße ergeben. Zu der Düngung ist in neuerer Zeit die Bewässerungs- frage getreten und hat bereits faßbare Ergebnisse gezeitigt. Wir treiben heute, zumal dur die Shwemmkanalisation, größeren Raubbau als zu Liebigs Zeiten. Den Anforberungen an hohgezüchtete Pflanzen mit gesteigerten Erträgen muß auch die Ausbreitun der elektrischen Ueberlandzentralen dienen, die auf Wasserzufuhr, Luft tickstoffbereitung und eine durhgreifendere Votdenbearbeiturg hinarbeiten müssen. , Ueber Erfahrungen mit ausgeführten landwirtschaft- lihen Elektrizitätszentralen hielt der Oberingenieur Viete aus Halle a. d. S. in der Geräteabteilung der Landwirts aftsgesellschaft einen Vortrag. Das Gebiet der Neberlandzentralenfrage ist außer- ordentlih vielseitig und umfangreih, deshalb beschränkte sih der Nedner auf die Beantitriins der beiden Frogen: 1) Bietet die Verwendung der Elektrizität in der Landwirtschaft be- triebswirt haft! iche Vorteile? und 2) sind dke ländlichen Elektrizitätswerke wirtshaftlich? Zur Beantwortung der ersten Frage ‘schilderte der Redner die elektrishe Einrich- tung eines größeren Gutes in der Provinz Sachsen und zeigte an der Hand dieser Einrichtung die Vorzüge und Erspar- ise des elektrishen Kraft- und __Lichtbetriebes. Zunächst führte er die Zuhörer im Geiste an eine 66 ige Garrett-Smith- Dreschmaschine, an die etne Felgershe Bindfaden- bezw. Drahtstrohpresse und eine Hochschiebevorrihßtung angeschlossen war. Diese Maschine wurde von einem ¿0pferdigen Glektromotor angetrieben. Die Vorteile des elektrischen Antriebes sind zu erblicken in einem reineren Drusch, ferner darin, daß kein Schornstein, keine Feuerbuchse, kein Kohlen- haufen, keine Wasserfuhre, ja nicht einmal eine Bedienung nötig ist. Das Ein- und Ausschalten kann ein polnischer Ocsenjunge besorgen. Die Elektrizitätszählerablesung ergab, daß diese Dreschmaschine stündlich 14,24 Kilowattstunden verbrauht. Ihre Leistung betrug in der Stunde 30,1 Zentner Hafer, das mat für 1 Zentner Hafer noch nicht # Kilowattstunte und kostet bei 15 4 für 1 Kilowattstunde etwa 7,1 4 auf den Zentner. Eine andere Dres maschine, die Winterweizen verarbeitet, liefert im Durchschnitt stündlich etwa 25,6 Zentner bei 10 «K Stromkosten für den Zentner Getreide. Der Stromverbrauch für Rübensamendrush stellt fich bei weitem niedriger; er beträgt etwa 7 Kilowattstunden stündlih. Ferner beschrieb der Vortragente die Tätigkeit eines Gebläsewagens, der in 10—12 Minuten einen voll- geladenen NReaswagen mit Spreu und Kraft entleert und das Gemenge gleihmäßig verteilt auf einen Boden bläft. Diese Einrichtung erspart einem Gut 3—4 Mädchen pro Dreschmaschine. Eine bedeutende rsparnis bieten auch fahrbare Getreidereinigungsmaschinen, die vermittels Wand- anshlüssen auf den Getreideböden . in jedem Winkel des Raumes arbeiten können. Zum Antrieb dieser Maschinen genügt ein 14 pferdiger Motor, ter täglih für 45—50 S Strom verbrauht und dabei 3—9 Personen erspart. Als sehr nüßlih erwiesen n auch elektris angetriebene Sadelivatoren, die es ermöglichen, daß die kräftigen Männer, die früher für hohen Lohn das Getreide shleppen mußten, durch einige alte Frauen zur Hilfeleistung erseßt werden. Auf dem geschilderten Gute war noch ein 10pferdiger Motor vorhanden, der eine Wasserpumpe antreibt und gleichzeitig durh Umschaltung eines Ventils decn Anschluß von d DEeRLtent an die Wasserleitung ermöglicht und für Feuerlöshzvecke einen Wasserstrahl von mehr als 17 m Höhe ergibt. Selbst das Schmiedefeuergebläse in der Schmiede wurde von einem kleineren Elektromotor betätigt. Für alle noch nicht genannten Arbeiten war nun ein außerordentlich vielseitiger Motor von 64 Pferdekräften vorhanden das Mädchen für alles. D Motor ist fahrbar und wird benußt zum Futterschneiden, Schrotcn, Oelkuchen- brehen, Düngermahlen, Sägen, Bobren usw. Die ganze Kleinarbeit auf dem Gute Tostete im leßten Jahre niht mehr als 726,16 M. Die einzige elektrishe Einrichtung, die auf dem Gute noch vermißt werden könnte, war der elektrische Pflug. Nach Ansicht des Nedners ist heute auch dieses Problem gelöst, weil die modernen Ueberland- zentralen reichlich Kraft abgeben können. Die Leistung eines Elektro- pfluges beträgt bei Tieffkultur (30—35 cm) etwa 20 Morgen tägli. Eine Nentabilitätéberehnung ergibt für die Boten- und Lohnverbält- nisse in der Provinz Sachsen einen Gesamtkostenaufwand von 7,50 M pro elektrish gexflügten Morgen gegenüber 9,75 4 mit Damwmpfspflug. Der Redner erwähnte ferner die elektrishe Feldbahn, “hob die Vor- teile des elcktrischen Lichts hervor und zeigte, daß seit Einführung der Sparlampe das elektrise Licht nicht teurer ist als andere Lichtarten. Ueber die Wirtschaftlichkeit der ländlihen Elektri- zitätszentralen führte der Vortragende alsdann weiterhin folgendes aus: Cs gibt rentable und unrentable Werke. Die sogenannten Orts- zentralen, die sih auf die Stromabgabe an eine Gemeinde beshränken, sind fast ohne Ausnahme zu den unrentablen Werken zu rechnen. Diese sollten künftig stets zugunsten der Neberlandzentralen aufgegeben werden. Bei den Ueberlandzentralen hat man zu unterscheiden zwischen solchen, die eine eigene Krajtstation besißen, und den Leitungsgesell- schaften, die den Strom von einem vorhandenen fremden Werk beziehen. Den Vorzug verdienen die leßteren. Der Grund hierfür liegt darin, daß die Landwirtschaft in bezug auf die Ausnußzung der Maschinen als {lechter Konsument zu gelten hat. Veberlandzentralen mit eigener Kraftstation sind daher gezwungen, Industrie anzuschließen, um wirtschaftlih zu werden. Dies gelingt aber niht immer. Dems- gegenüber sptelt dieser Umstand bei Leitungsgenossenschaften keine so wichtige Nolle, weil die Maschinen der Zentrale außer von der Leitungs- genossenschaft ja au noch in Ce ee Maße, bis zu 509% und mehr, von dem industriellen Werke selbst, das den Strom a gibt, benutzt werden. So kommt es, daß bei einer Kombination von Leitungsgenossen- schaften und stromabgebendem industriellem Werk die Forderun für den Ausgleih zwischen Landwirtschaft und Industrie von selbst gegeben ist. Jn der Provinz Sachsen haben von 7 genossenscaftlihen Ueberlandzentralen, die 1 Jahr und länger im Betriebe sind, 3 Ueber- O T mit Verlust und 4 Ueberlandzentralen mit Gewinn earbeitet. Alle drei Ueberlandzentralen mit Verlust besitzen eigene raftstation, während unter den vier Ueberlandzentralen mit Gewinn nur eine mit eigener Kraftstation ist, die anderen drei aber Leitungs- enossenschaften repräsentieren. Der Grund für die Unwir!\chaftlich- eit der ersten drei genannten Ueberlandzentralen liegt allerdings nicht allein in dem Vorhandensein einer eigenen Kraftstation, \sondern ist be- ründet durch cine Neihe von Fehlern, die bei Gründung und Ausbau der erke gemacht sind. Zu diesen Fehlern gehören: 1) Es ist versäumt worden, das Stromabsatzgebiet vor dem Bau der Anlage sicherzustellen. 2) Es ift nicht für eine solide Finanzierung geforgt worden. 3) Die Ausführung der Werke ist nicht sparsam genug durchgeführt worden. 4) Die Stromtarife p yon vornherein zu Mg angelept: 5) Die urzel alles Uebels besteht darin, daß vor dem Bau der Werke die Wirtschaftlichkeit nicht gewissenhaft genug geprüft worden ist. Wenn die gemachten Erfahrungen etwas nützen ollek fo dürfen die genannten Fehler bei Neugründungen niht wieder vorkommen. Darin liegt des- halb eine gewisse Gewähr für die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens, weil nachgewiesen ist, daß auch die unwirtschaftlichßen Ueberland- zentralen der Pa Sachsen rentabel sein könnten oder von vorn- herein rentabel gewejen wären, wenn die genannten Fehbl.r niht ge- macht sein würden. Es sollte eigentlich selbstverständlich sein daß völlig falsch qngerente Werke bei der Beurteilung der Eristenz- berechtigung von Ueberlandzentralen ausgeschaltet werden. Das geschieht aber leider nicht. Der Redner bielt es für notwendig, da- gegen zu protestieren, daß gewisse Citmenteene, deren Juteressen dur den Bau von Ueberlandzentralen beeintrà tigt werden, gerade solche Beispiele, und oft noch dazu arg entstellt, veröffentlichen und vec- allgemeinern, ohne dabei eine Erklärung oder Begründung der Ver- hältnisse zu geben. Bei der Prüfung der Frage, welhe Stellung- nahme der Landwirtschaft bei der LuN Ds von elektrischen Ueberlandzentralen empfohlen werden soll, kam der Redner

Stall- und Handelsdünger zu Höchsternten

zu dem Resultat, daß keit und Selbständigkeit durch Uebernahme Nisikos auß bei elektrischen Unternehmungen um auf diese Weise [ae alle Zukunft einen Einfluß auf die Preisgestaltung zu gewinnen. Die neueren Bestrebungen deen \ich mit diesen Ausführungen und sind geeignet, den ländlichen Gleftrizitäts- zentralen eine gefunde Weiterentwicklung zu ermöglichen. ;

An der sehr lebhaften Diskussion, die diefen mit starkem Beifall aufgenommenen Vortrage folgte, beteiligten sich zunächst Amtérat Mankiewicz und Direktor Schroeder. Beide stimmten zwar für den Elektrizitätsbetrieb in der Landwirtschaft, be- tonten aber, ebenso wie weiter g rofeslo Nachtweh, daß Preis der elektrishe Drush erbheblich zu teuer sei, wenn der

die Landwirtschaft ihre Unabhän ig- eines gewissen

wahren sollte,

,

reis für die Kilowattstunde niht unter 10 verbilligt werde. emgeg erklärte Oberingenieur Viete, daß der Normalfay von 20 bis 25 S bei größerer Kraftentnahme E der Nabatte wohl auf 15 bis 18 „g Herabgesegt werden könne, weiter aber nit. Ueber das elektrische igen gingen die Ansichten zwischen den Vertretern der Dampjina| chinenindustrie (Kemna-Breólau) und den Anhängern der Elektropflüge „auseinander. Unter anderem betonte Fischer-Cöln, es sei kaum möglich, die Kosten des elektrischen Pflügens pro Morgen E abzuwägen gegen die des Dampspflügens, sondern ma ebend ei die s{ließlihe Jahresbilanz. Außerdem sei das Ziel des Elektro- pfluges ja keineswegs, den Dampfpflug zu verdrängen; aber wo der Elektropflug als passend und verbilligend erkannt würde, da solle er auch angewandt werden.

Fischerei.

Der am leßten Sonntag abgehaltene 4. brandeubu rgishe Fischertag war von etwa 150 Derufofishery besucht, zu denen \sih eine Anzahl von Freunden märkischer Fiscerei hinzugesellt hatte. Den Vorsitz führte der Geheimrat Uhles. Vertreter des Oberpräsidiums und der Königlichen Regierungen der Provinz waren anwesend und begrüßten die Versammlung namens diefer Behörden, indem sie den Verhandlungen, deren Bedeutung die Regierung nit untershäge, den besten Mon wünschten. Der Vortrag des Professors Schiemenz über die Verpachtung von Fischgewässern brachte zum Ausdruck, daß die Höhe der Pachten vielfach eine ungesunde, weil dem natürlichßen Wert der Gewässer nicht immer entsprechende Steigerung erfahren habe. Es finde oft ein wahrer

x A um die Pachtgewässer statt, und die Interessenten täuschen ì längeren es Genre in welcher

häufig über deren Ertragsfähigfkeit. Der Redner schilderte in

/ t l Art der Fischer den natürlichen Wert eines Gewässers prüfen und danach sein Pachtgebot einrichten könnte. Ein lebhafter Meinungsstreit {loß \ich an, wobei u. a. her- vorgehoben wurde, daß die Vercinigung mehrerer großer Gewässer- kfomplere in einer Hand niht wünschenswert sei, während von anderer Seite betont wurde, daß auf ein und demselben Gewässer nur ein Päthter sein dürfe, wogegen Flußfischereiberechti te von ihrem Standpunkt aus Einspruch erhoben, da der Fischerstand hierdurch zum großen Teil ver- chwinden würde. Die staatliche Unfallversiherung der

ischer behandelte der Generalsekretär Fisher vom Deutschen Fischereiverein. Die Kommission des Reichstags hat sih für Cinbeziehun des Fischereigewerbes in die Berufsgenossenschaft der BVinnen\chiffahrt ausgesprochen; die Versammlung erklärte si entshieden hiergegen. Von manchen Seiten wurde die \taatliche Unsfallversiherung wegen der sehr wenigen Unfälle überhaupt für unnötig erklärt, aber wenn {on die Ein eziehung erfolge, die Unter- stellung untor die landwirtshaftlihen Berufsgenofsenschaften gewünscht. Die Fischereiverhältnisse von Sawall (Berichterstatter Professor Dr. Eckstein) wurden eingehend erörtert. Der Plan einer Statistik der Pachtpreise _und der Erträge der Fischereien (Berichterstatter Generalsekcetär Dr. Friede ris) wurde an der Hand von Fragebogen auseinandergesezt. Verschiedene lánagen, E rechtlicher Natur, beschäftigten die Versammelten noch ängere Zeit. i

Verdingungen.

(Die näheren Angaben über Verdingungen, die beim „Neihs- und

Staatsanzeiger“ ausliegen, können in den Wozentagen in dessen

Expedition während der Dienststunden von 9 bis 3 Uhr A werden.

__ Der Zuschlag auf das von dem Verwaltungsressort der Kaiser- lihen Werft zu Wilhelmshaven am 12. November 1910 ver- dungene Packungsgarn ist, wie folgt, erteilt worden:

de | Gegenstand Nets 1 |Packungsgarn von Hanf | für 1 gk 0,72] Ed. Morgenstern, Schönebeck a. E.,

1,95] Felten & Guilleaume, Cöln a. Rb.

Firma

2 Ideêgl. von Baumwolle L

Oesterreich-Ungarn.

Längstens 19. Dezember 1910, 12 Uhr. Materialverwaltung der K. K. priv. Südbahngesellschaft in Wien : eun von Stück-Kalzium- karbid (Stückgröße 50—100 mm) für Beleutun 8zwecke. Näheres bei der vorgenannten Stelle, Wien 10/2, Südbabnbof, Administrations- gebäude, Parterre, Tür Nr. 27, und beim „Neichsanzelger“.

Belgien.

(Lastenhefte können, wenu nichis anderes angegeben, vom Bureau dea adjudications in Brüssel, Rue des Augustins 15, bezogen werden.)

21. Dézember 1910, 11 Uhr. Börfe in Brüssel: Lieferung von 90 t Schmiedekohlen für die Marinewerkstätte in Ostende. Spezial- lastenhest Nr. 1222. Sicherheitsleistung 200 Fr.

14. Dezember 1910, 1 Uhr. Ebenda: Verkauf alter Materialien der Staatsbahnen. Speziallastenheft Nr. 885. 1) 32 Lose, ungefähr 3310000 kg Stabl, 6410000 kg Eisen und 50000 kg Glas. 2) 67 Lose: galvanisiertes Eisen, Berliner Silber, Blei, Bronze, Kupfer, Heizröhren, Kautshuk, Feilen, Wagen- und Lokomotivenräder, Dampfkessel, Lokomotiven, Tender, Petroleummotoren usw.

16. Dezember 1910, 1} Uhr. Höôte]1 do ville in Brüssel, Lieferung feuerbeständiger Artikel für die Gasanstalt. 5 Lose: 126 Retorten, 300 Spezialstücke, 150 000 kg Zement und 200 000 Ziegel. SesamtsihergelBetung 2900 Fr. Plâne 4 Fr., Lastenheft 1 Fr. Eingeschriebe Angebote zum 15. ezember.

19. Dezember 1910, 10 Uhr. Justizministerium in Brüssel, Rue Ducale 2: Für die staatlichen Frnehungsanstalten: Lieferun von 116 500 kg Weizenmehl (1 Los) und 23500 kg Roggenmeh (4 Lose). Zu liefern in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April 1911. Eingeschriebene Angebote zum 16. Dezember.

21. Dezember 1910, 1 Uhr. Börse in Brüssel: Neuverdinguug des 1. Loses des Lastenheftes Nr. 871. Lieferung von 160 chm Trägern aus Eichen- oder ähnlichem Holz.

21. Dezember 1910, 11 Uhr. Ebenda: Lieferung von 400 qm Linoleum für die Marineverwaltung in Ostende. 2000 Fr. Sicher- heits[eistung: 200 Fr. Speziallastenbeft Nr. 1225.

23. Dezember 1910, 14 Uhr. Udtel de ville in Brüssel:

Lieferung von Röhren und verschiedenen Apparaten für die Wasser-

[ettung (11 Lose) und Verkauf von Abfällen (2 Lose). Lastenheft Cts. Angebote zum 22. Dœember.

29. Dezember 1910, 11 Uhk. Maison communale in Ixelles: Lieferung von Röhren, Apparaten und Materialien für die Wasser- [eitung (14 S Gesamtsicherheitsleistung 2540 Fr. Eingeschrte Angebote zum 27. Dezsomber.

4. Januar 1911 (anstatt 14. Dezember), 11 nr. Börse in Brüssel: Lieferung und Legung der Telephonkabel nebst Zubehör in