1891 / 13 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Jan 1891 18:00:01 GMT) scan diff

L gon - avre n AEEMAR de G; N fn

E S

_

L S A q g D pt n E

(+ 750450 „Æ), und an sähliGen Ausgaben 8 687 000 M, zu- sammen also 66 362 481,79 M (+ 2 076 043 42 M) Für die be- sonderen Gefängnisse, das Straf..efängniß bei Berlin (Plötensee), das Untersuchungsgefängniß in Berlin, das Stadtvoigteigefängniß nebst Filialen in Berlin, das Strafgefängniß in Glückstadt, das Gerichts- gefängniß in Hannover, das Strafgefängniß bei Fcankfurt a. M. (Ponungesheim), das Gerihtsgefängniß in Frankfurt a. M. und das Gerichtsgefängniß in Beuthen O. S., find erforderlich an Besoldungen 653 750 (+ 58645 Æ), an Wobnungsgeldzushüssen für die Be- amten 13 320 4 (+ 2460 4), an anderen persönlichen Ausgaben 362 150 Æ (+ 22925 A) und an sächlichen Ausgaben 1 386 760 4 (— 2940 M), zusammen 2415 980 M (+- 81 090 4). An Warte- geldern. für die in Folge der Organisation ausges@iedenen Beamten find erforderli 883 000 A (— 103 000 M); di: baaren Aus- lagen in Civil- und Strafsaen find auf 8 556 000 (+ 247 000 4), die Tranéportfosten aus 424 000 M (+ 12 000 6), die Post- und Telegraphengebühren auf 2 554 000 # (+ 39 000 M) an- gesetzt. Die sonstigen Ausgaben betragen 2074 336,78 M (— 25 016,85 M). Die Unterhaltung der Justizgebäude, mit Aus- {luß der größeren Neubauten und Hauptreparaturen, erfordern (13 308 000 M); die Ausgabe an_die Justizoffizianten-Wittwenkasse beläuft si auf 36 000 « Die Summe der dauernden Ausgaben beträat somit 89451 800 M gegen 87 019 400 A im Etatsjahre 1890/91. An einmaligen und außerordentlichen Auégaten werden, vornehmlich zu Neubauten und größeren Reparaturen, 3 0903 900 #, 452200 mebr als im Vorjahre, verlangt.

(Fortseßung folgt.)

Kunft und Wissenschaft.

Die heutige Nummer der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ bringt die gestern angekündigte Fort- sezung der „Mittheilungen über ein Heilmittel gegen Tuberkulose“ von Professor R. Ko selbst. Bei dem allgemeinen Jnteresse des Gegenstandes geben wir sie hier vollständig wieder:

Seit der vor zwei Monaten erfolgten Veröffentlihung (cf Nr. 7275 des „R. u. St.-A.* v. 14 November 1890) meiner Versuche mit einem neuen Heilverfahren gegen Tuberkulose haben viele Aerzte das Mittel erbalten und sind dadur in den Stand gefeßt, sich dur eigene Ver- sude mit den Eigenschaften desselben bekannt zu machen. So weit i die biéher hierüber erschienenen Publikationen und die an mich gelangten brieflicen Mittheilungen Üübersehe, haben meine Angaben im Großen und Ganzen volle Bestätigung gefunden. Da- rüber, daß das Mittel cine spezifishe Wirkung auf tuberkulöfes Gewebe ausübt und in Folge dessen als ein sehr feines und sicheres Reagens zum Nachweis versteckter und zur Diagnose zweifelhafter tuberfulöser Prozesse verwerthet werden kann, ist man wobl all- gemein einig. Auch in Bezug auf die Heiiwirkung des Mittels wird von den Meisten beri@tet, daß troß der verhältnißmäßig kurzen Dauer der Kur bei vielen Kranken {on ner oder weniger weitgebende Besserung eingetreten ist. In niht wenigen Fällen soll, wie mir berihtet wurde, selbst Heilung crzielt sein. Nur ganz vereinzelt ist behauptet, daß das Mittel nicht allein bei zu weit vorges chrittenen Fällen gefährlich werden könne, was man ohne weiteres zugeben wird, sondern daß es den tuberkulösen Prozeß

eradezu hefördere, also an und für si \hädlih sei. Jch selbst habe seit andertbalb Monaten Gelegenheit gehabt, an etwa 150 Kranken mit Tuberkulose der verschiedensten Art, im städtishen Krankenhaus zu Moabit weitere Erfahrungen über die Heilwirkung und die diagnostishe Verwendung des Mittels zu sammeln, und kann nur sagen daß alles, was ih in leßter Zeit gesehen habe, mit meinen früheren Beobachtungen im Einklang steht, und daß ih an dem, was ih früher berichtete, nichts zu ändern habe.1)

So lange es nur darauf ankam, meine Angaben auf ihre Richtig- feit zu prüfen, war es nit erforderli, zu wissen, was das Mittel enthält und woher es stammt. Es mußte im Gegentheil die Nach- prüfung um so unbefangener ausfallen, je weniger von dem Mittel selbst bekonnt war. Nachdem nun aber die Nachprüfung, wie mir scheint, in hinreihendem Maße stattgefunden und die Be- deutung des Mittels ergeben hat, wird es die nächste Aufgabe sein, das Mittel au über den biéherigen Bereich der Anwendung hinaus zu studiren und womögli die Prinzipien, welche der Ent- deckung desselben zu Grunde liegen, auch auf andere Krankheiten anzuwenden. Diese Aufgaben verlangen selbstverständlich die volle Kenntniß des Mittels, und ih halte deswegen den Zeitpunkt für gekommen, daß nach dieser Richtung hin die erforderlichen Angaben gemacht werden, was in Folgenden gesehen soll.

Che ih auf das Mittel selbst cingehe, haite ich es zum befferen Verständniß der Wirkungsweise desselben für geboten, ganz kurz den Weg anzugeben, auf welhem ich zur Entdeckung desfelben ge- kommen bin. E N

Wenn man ein gesundes Meershweinhen mit ciner Reinkultur von Tuberkelbacillen impft, dann verklebt in der Regel die Impf- wunde und scheint in den erften Tagen zu verhbeilen ; erst im Laufe von 10—14 Tagen entsteht ein hartes Knöthen, welches bald ausbriht und bis zum Tode des Thieres eine ulcerirende Stelle bildet. Aber ganz anders verhält es si, wenn ein bereits tuberfulös erfranktes Meers{weinchen geimpft wird. Am besten eignen sich hierzu Thiere, welde 4—6 Wochen vorher erfolgreih geimpft wurden. Bei einem solhen Thier verklebt die kleine Impfwunde auch Anfangs, aber es bildet si kein Knötchen, sondern {hon am nächsten oder zweiten Tage tritt eine eigenthümliche Veränderung an der Impfstelle ein. Dieselbe wird hart und nimmt eine dunklere Färbung an, und zwar beshränkt ih dies nicht allein auf die Impffstelle selbst, sondern breitet sich auf die Um- gebung bis zu einem Durchmesjer von 0,5—1 cm aus. In den nächsten Tagen stellt sih dann immer deutlicher heraus, daß die so veränderte Haut nekrotish ist, fie wird {ließli abgestoßen, und es bleibt dann eine flache Ulceration zurück, welche gewöbnlih {nell und dauernd beilt, ohne daß die benabbarten Lymphdrüfen infizirt werden, Die ver- impften Tuberkelbacillen wirken also ganz anders auf die Haut eines gesunden, als auf diejenige eines tuberfkulösen Pceershweinchens, Diese auffallende Wirkung kommt nun aber _niht etwa aus\chließlich den lebenden Tuberkeibacillen zu, sondern findet sich ebenso bei den ab- getödteten, ganz glei, ob man sie, wie ih es anfangs versuchte, dur niedrige Temperaturen von längerer Dauer oder durch Siede- hie, oder durch gewisse Chemikalien zum Absterben gebracht hat.

Nachdein diese eigenthümliche Thatsahe gefunden war, habe ih sie na allen Richtungen hin weiter verfolgt, und es ergab fi dann weiter, daß abgetödtete Reinkulturen von Tuberkelbacillen, nahdem sie verrieben und im Wasser aufgeschwemmt sind, bei gesunden Meer- sckweinchen in großer Menge unter die Haut gesprißt werden körnen, ohne daß etwas Anderes als eine lokale Eiterung entsteht.) Tuberkulöse Meershweinchen werden dagegen {on dur die Injektion von sehr geringen Mengen solcher aufge- s{wemmten Kulturen getödtet, und zwar ]e€ na der angewendeten Dosis innerhalb von 6 bis 48 Stunden. Eine Dosis, welche eben

1) Jn Bezug. auf die Dauer der Heilung möchte ih hier an- führen, daß von den Kranken, welche von mir vorläufig als geheilt bezeichnet waren, zwei in das Krankenhaus Moabit zur weiteren Beoba@tung wieder aufgenommen sind, und daß ih seit drei Mo- naten feine Bacillen im Sputum gezeigt haben; auch tie physika- kalishex Symptome sind bei denselben allmählih vollkommen ver- \chwunden,

2) Derartige Injektionen gehören zu den einfahften und sichersten

Mitteln, um Eiterun Dakteriez f, iterungen zu erzeugen, welche frei von lebenden

ni®t mehr ausreicht, um das Thier zu tödten, kann eine ausgedebnte Nekrose der Haut im Bereich der Injektionsftelle bewirken. Wird die Aufschwemmung nun aber noch weiter verdünnt, sodaß sie kaum sichtbar getrübt ist. dann bleiben die Thiere am Leben, und es tritt, wenn die Injektionen mit ein- bis zweitägigen Pausen fortgeseßt werden, bald eine merklihe Besserung im Zustande derselben einz; die ulcerirende Impfwunde verkleinert sih und vernarbt \{ließlich, was obne eine derartige Behandlung niemals der Fall ist; die geschwolle- nen Lymphdrüsen verkleinern si; ter Ernährungszustand wird beffer, und der Krankheitsprozeß kommt, wenn er nicht bereits zu weit vors aesckritten ist und das Thier an Entkräftung zu Grunde geht, zum Stillstand.

Damit war die Grundlage für ein Heilverfahren gegen Tuber- kulose gegeben. Der prafktischen Anwendung \folher Aufshwemmungen von abgetödteten Tuberkelbacillen stellte ih aber der Umstand ent- gegen, daß an den JInjektionsstellen die Tuberkelbacillen nit etwa resorbirt werden oder in anderer Weise vershwinden, sondern unver- ändert lange Zeit liegen bleiben und kleinere oder größere Eiterherde erzeugen.

Das, was bei diesem Verfahren heilend auf den taberkulösen Prozeß wirkt, mußte also eine lôsliche Substanz sein, roelhe von den die Tuberkelbacillen umspülenden Flüssigkeiten des Körpers gewisser- maßen autgelaugt und ziemlich {nell in den Säftestrom übergeführt wird, während das, was eitererzeugend wirki, anscheinend in den Tuberkelbacillen ¿urückbleibt oder doch nur sehr langsam in Lösung

eht.

Es kam also !ediglich darauf an, den im Körper sich abspielenden Vorgang auch außerhalb desselben turhzuführen und womöglich die heilend wirkende Substanz für sich allein aus den Tuberkelbacillen zu extrahiren. Diese Aufgabe hat viel Mühe und Zeit beansprucht, bis es mir endli gelang, mit Hülfe einer 40 bis 50 prozentigen Glycerin- lôsung die wirksame Substanz aus den Tuberkelbacillen zu erhalten. So gewonnene Flüssigkeiten sind es gewesen, mit denen ich die wei- teren Versuce an Thieren und \{ließlich am Menschen gema@t habe, und welche zur Wiederholung der Versuche an andere Aerzte ab- gegeben sind.

Das Mittel, mit welhem das neue Heilverfahren gegen Tuberkulose ausgeübt wird, ist also ein Glycerin- extrakt aus den Reinkulturen der Tuberkelbacillen.

In das einfache Exirakt gehen aus den Tuberkelbacillen natür- lic neben der wirksamen Substanz au alle übrigen in 50 9% Glycerin lôöëlihen Stoffe über, und es finden sich deëwegen darin eine gewisse Menge von Mineralsalzen, färbende Substanzen und andere unbekannte Extraktivstoffe. Einige dieser Stoffe laffen I) ziemlih leiht daraus entfernen. Die wirksame Substanz ist nämlih unlösli@ in absolutem Alkohol und karn durch denselben, allerdings nit rein, sondern immcr noch in Verbindung mit andern ebenfalls in Alkohol unlöëlihen Extraktivstoffen au8gefällt werden. Auch die Farbstoffe lassen sich beseitigen, sodaß es möglich ist, aus dem Extraft eine farblose trockene Substanz zu erhalten, welche das wirksame Prinzip in viel konzentrirterer Form enthält, als die ursprüngliche Glycerinkösung. Für die Anwendung in der Praxis bietet diese Reinigung des Glycerinextraktes indessen keinen Bortheil, toeil die 10 entfernten Stoffe für den mens{lihen Organismus indifferent sind, und also der Reinigungsprozeß das Mittel nur unnöthigerweise ver- theuern würde. _ :

Ueber die Konstitution der wirksamen Substanz lassen sih vor- läufig nur Vermuthungen ausfprechen. Dieselbe \cheint mir ein Derivat von Eiweißkörpern zu sei- und diesen nahe zu stehen, gehört aber nit zur Gruppe der fogenannten Toxalbumine, da fie hohe Temperaturen erträgt und im Dialysator leiht und \chnell durch die iembran geht. Das im Extrakt vorhandene Quantum der Substanz ist allem Anschein nach ein sehr geringes; ih {äße es auf Bruch- theile eines Prozents. Wir würden es, wenn meine Vorau®sfetzung richtig ist, also mit einem Stoff zu thun haben, dessen Wirksamkeit auf tuberkulös erkrankte Organiëmen weit über das hinau8geht, was uns von den am stärksten wirkenden Arzneistoffen bekannt ift.

Ueber die Art und Weife, wie wir uns die \pezifische Wirkung des Mittels auf das tuberkulöse Gewebe vorzustellen haben, lassen ih selbstverständlih verschiedene Hypothesen aufstellen. Ich stelle mir, ohne behaupten zu wollen, daß meine Ansibt die beste Erklärung abgiebt, den Vorgang folgendermaßen vor. Die Tuberkel- bacillen produziren bei ihrem Wachsthum in den lebenden Geweben ebenso wie in den künstlihen Kulturen gewisse Stoffe, wele die lebenden Elemente ihrer Umgebung, die Zellen, in verschiedener Weise und zwar nachtheilig beeinflussen. Darunter befinder sich ein Stoff, welcher in einer gewissen Konzentration lebendes Protoplas8ma tödtet und so verändert, daß es in den von Weigert als Koaggulations- nekrose bezeichneten Zustand Üübergefüh:t wird. In dem néekrotish gewordenen Gewebe findet der Bacillus dann fo ungünstige Er- nährungsbedingungen, daß er nicht weiter zu wachsen vermag, urter Umständen selbst \hließlich abstirbt., Auf diese Weise erkläre ih mir die auffallende Erscheinung, daß man in frisch tuberkulös erkrankten Organen, z. B. in der von grauen Knöthen durchseßten Milz oder Leber eines Meerschweinchen®, zablreihe Bacillen findet, während letztere selten sind oder gar fehlen, wenn die folofsal vergrößerte Milz fast ganz aus weißliher, im Zustande der Koagulationénekrose befindlicher Substanz besteht, wie man es häufig beim natürlihen Tode tuberkulöfer Meerschweincen findet. Auf große Entfernung vermag der einzelne Bacillus des- wegen auch nicht Nekrose zu bewirken; denn, sobald die Nekrose eine gewisse Ausdehnung erreiht hat, nimmt das Wachsthum des Bacillus und damit die Produktion der nekrotisirenden Substanz ab, und es tritt so eine Art von gegenseitiger Kompensation ein, welche bewirkt, daß die Vegetation vereinzelter Bacillen eine fo auffallend beschränkte bleibt, wie z. B. beim Lupus, in \krophulösen Drüsen u. \. w. folchem Falle erstreckt \sich die Nekrose gewöhnlich nur über einen Theil einer Zelle, welhe dann bei ihrem weiteren Wadcéthum die eigenthümliche Form der Riesenzelle annimmt; ich folge also in dieser Auffaffung der zuerst von Weigert gegebenen Ertlärung von dem Zustandekommen der Riesenzellen.

Würde man nun künstlih in der Umgebung des Bacillus den Gehalt des Gewebes an nefrotisirender Substanz steigern, dann würde sih die Nekrose auf eine größere Entfernung ausdehnen und es würden sich damit die Ernährungsverhältnisse für den Bacillus viel ungünstiger gestalten, als dies gewöhnlich der Fall ift. Theils würden alédann die in größerem Ümfange nekrotisch gewordenen Ge- webe zerfallen, sich ablösen und, wo dics möglich ift, die ein- ges{lo}senen Bacillen mit fortreißen und nach Außen befördern ; theils würden die Bacillen so weit in ihrer Vegetation gestört, daß es viel eher zu einem Absterben derselben kommt, als dies unter gewöhnlichen Verbältniffen geschieht.

Gerade in dem Hervorrufen leëver Veränderungen scheint mir nun die Wirkung des Mittels zu bestehen. Es enthält eine gewisse Menge der nefrcotisirenden Substanz, von welchen eine entsprechend große Dosis aub beim Gesunden bestimmte Gewebselemente, viel- leiht die weißen KBlutkörperhen, oder ihnen nahestehende Zellen ichâdigt und damit Fieber und den ganzen eigenthümlichen Symptomen- fompler beœirtt, Beim Tuberkulösen genügt aber {on eine sehr viel geringere Vienge, um an bestimmten Stellen, nämlich da, wo Tuberkelbacillen vegetiren und bereits ihre Umgebung mit dem- selben nefrotisirenden Stoff imprägnirt haben, mehr oder weniger auégedehnte Nekrose von Zellen nebst den damit verbundenen Folge- ersheinungen für den Gesammtorgarismus zu veranlaffen. Auf solche Weise läßt fic, wenigstens vorläufig, ungezwungen der spezifische Einfluß, œelHen das Mittel in ganz bestimmten Dosen auf tuber- fulôses Gewebe ausübt, ferner die Möglichkeit, mit diesen Dosen so auffallend sSnell zu steigen, und die untec nur einigermaßen günstigen E unverkennbar vorhandene Heilwirkung des Mittels er- lâren.

4+ Wie erinnerlic, hat die Stadtgemeinde von Hildes- heim beschlossen, ihr aus dem vierzehnten Jahrhundert stammendes Rathhaus in würdiger Weise durch bildnerischen Schmuck zu zieren. Man fam überein, den das Rathhaus durcziehenden Wartesaal, welchen zwei große gothische Fenster erhellen uud von welchem vier, mit der Renaissance- olzbekleidung der unteren Wandtheile harmonirende üren in die verschiedenen Amtsräume geleiten, mit größeren und kleineren Wandbildern auszustatten, der- gestalt, daß die gothishen Spißbogen darüber hinaus noch sihtbar bleiben und die das Tonnengewölbe bekleidende Holz- dede in ihrer dekorativen Wirkung nicht beeinträchtigt wird. Als Vorwurf für die Gemälde wählte man Kulturbilder aus den verschiedenen Epochen der Stadt- geshihte, welhe mit allegorischen Darstellungen des Gewerbfleißes, der Wehrkraft, der Milde, Gerechtigkeit und Weisheit abwechseln sollten. Die Gemeinde übernahm die Herrihtung und Renovirung der Decke nebst Architektur, der Staat selbst dagegen die Ausführung der Gemälde, welche in reiner Freskomalerei erfolgen soll. Bei der hierfür ausge- schriebenen Konkurrenz wurde dem hiesigen, in der gedachten Technik mehrfach bewährten und durch seinen „Judas Jscharioth““ rühmlihs bekannt gewordenen Maler Hermann Prell die gesammte Ausshmücung übertragen. Dex Künstler hat bis jeßt zwei große Gemälde nnd mehrere kleinere, allegorishe Bilder vollendet ; die ersteren sind in lebensgroßen Figuren ausgeführt und von Rahmenzeichnungen eingefaßt, welhe in ornamentaler Weise den Inhalt der Gemälde kennzeichnen. Das eine, welhes sich gegenüber der Eingangsthür befindet, zeigt uns Kaiser Heinri IL., wie er sih von dem kfunstthätigen Bischof Bernward (1003) die Werke desselben vorführen läßt. Er steht neben ihm und hält dessen linke Hand gefaßt während ein stattliher Graubart das Kreuz, welches einst auf der noch heute vorhandenen Bronzesäule gestanden, dem Kaiser entgegenhält; Andere zeigen die unter Anleitung des Bischofs gefertigten und mit Miniaturen ge- zierten Folianten. Links an dem Treppenaufgang zum Dom erblick man eine Gruppe Handwerker, rechts das Ge- folge des Kaisers und weiter unten das Volk, welches die eherne Säule selbst bewundert. Das zweite vollendete Gemälde schildert uns den Einzug des aus der Schlacht von Bleckenstedt (1492) heimkehrenden Bürgermeisters Henning von Brandels inmitten seiner siegreihen Bürgerschaft. Hoch zu Roß, den Helm in der Linken, reiht er die Rechte den ihm zujubeln- den Bürgern. Von lebensvoller Bewegung ist die Gruppe rechts, welche den verwundeten Krieger um iebt; niht minder carak- teristisch sind die Tusch blasenden Musikanten und die Frauen mit ihren Kindern, welche ein Hellebardier zurückhalten muß. Der ganze Vorgang spielt sich vor dem hinten siht- baren Rathhaüse ab, vor welhem auf einer Tribüne die Väter der Stadt Play genommen haben. Die Kom- position ist ern| durchdacht und maßvoll gehalten ; in gleiher Weise wirken die fertigen Allegorien, deren Einfügung in den Raum über dem Holzwerk der Thüren niht leiht gewesen und welche der Künstler äußerst geschickt und geshmackvoll in der Art der Altmeister des sechzehnten Jahrhunderts mit Ornamenten umkleidet und unter säulen- gestüßte Bogen gestellt hat. Hoffentlih werden ihm auch die weiteren zur Ausführung kommenden Gemälde: „Arminius, welcher den römischen Silbershaz erblickt“, „die Gründung der Stadt“, „die Einführung der Reformation dortselbst“ und „die Zeit Kaiser Wilhelm's T.“ nebsi .den „Sagen der Stadt“ ebenso gut gelingen, wie die bisher vollendeten.

Am Sonntag Mittag versammelte si, wie die N: A 9 meldet, im Sißungszimmer der Königlichen Akademie der Künste ein Kreis von Männern, welche aus namhaften Musikern, Finanzleuten, sowie Mitglicdern des Senats: Künftlern und Gelehrten, beftand. Die Frage der Errichtung eines Mozart-Denkmals in der Reichshauptstadt war das Thema der Besprechung. An- gesihis der in Berlin wvorbandenen Standbilder jener Geisteshelden, wel&e auf dem Gebiete der Literatur, Malerei, Skulptur und Architektur Großes erreihten, it die Vers pflihtung fühlbar geworden, nun auch die Bedeutung der Ton- diúter dur Denkmäler zum Ausdruck zu bringen, welche zuglei Zeugnisse der dankbaren Zeitgenofsen sind, Nach kurzer Debatte einigte man sih darüber, daß nicht Mozart allein diese Ehre gebühre, und beschloß der Dreizahl „Haydn, Mozart, Beethoven“ ein Grupvendenk:nal zu widmen, Dieses Denkmal sou im Thiergarten errihtet und binnen Kurzem ein bezüglicher Aufruf an Berlins kunsie sinnige Bürger gerihtet werden.

Den zoologischen Sammlungen vnserer Universität hai dem „V. LTgbl.° zufolge der jüngst verstorbene Etsenbahn=- Sekrctär a. D. Johann Peter Maaßen in Elberfeld seine be- deutende Schmetterlingssammlung und seine sämmtlichen levidopterologishen Schriften und Werke leßtwilig vermacht. Die bereits hier eingetroffene Schmetterlingssamm- lung enthält im Ganzen 293 260 Stück, während vie Maaßen’\he lepidopterologishe Bibliothek aus 220 Bânten und Heften besteht. Da die Sammlung außerordentli rei an Hetercceren ist, so führt sie der zoologishen Samm- lung des Museums für Naturkunde viele Arten S({metterlinge und \chöône Exemplare zu, die ihr bither gefehlt haben. Ebenso ergänzt die Maaßen'\he Bibliothek, wenn si darin auch viele Werke be- finden, welche in der Bibliothek des Museums bereits vorhanden sind, die letztere dech dur mehr als hundert sehr willkommene Nummern, Der Geldwerth der Sammlung beträgt nah sahver- ständiger S&käßung gegen 20 000 #, derjenige der Bibliothek uns gefähr 2009

_— Karl W, Hiersemann's Buchhandlung und Antiquariat, Leivzig, Königgrätzerstraße 2, hat foeben ausgegeben ihren „Lager“ Katalog 74: Kupferstihe Handzeichnungen.“ Mit einem Anhang von fkunstbibliographishen und Galerie-Werken, enthaltend u. A. die Sammlung eines sächsischen Kunstfreundes. Preis in Mark: (1 = 1 Sh. = 1 Fr 25 Ct.) Leipzig. 521 meist sehr werth- volle Kupferstiche, 72 ältere Lithographien, 186 Handzeichnungen und 162 Nummern „Allgemein bibliographisher Werte“, 29 Galerie- und Prachtwerke nebst einem Nachtrag bilden den reien Inhalt diejes „Lager-Katalogs*. Die Morographien über die einzeinen Künstler finden si unter deren Namen in der Kupferftich= bezw. Hands zeihnungsabtheilung verzeihnet. Allen Kunstfreunden sei diese Ver- offentlihung bestens empfohlen. A f

Na einer Meldung dcs „W. T. B.“ ist gestern in Paris der Bildhauer Millet gestorben. Geboren 1816 zu Paris, widmete er G Anfangs, nahdem er von David d’Angers und dem Architekten Viollet le Duc ausgebildet war, zehn Jahre ohne Erfolg der Malerei, um dann ganz zur Plastik überzugehen. Unter anderen Portrât- büsten und Statuen rührt von ihm die Statue Chateaubriand’s in St. Malo her.

Me 13.

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 15. Januar

Statiftik und Volkswirthschaft.

Internationale Branntweinstatift ik.

Na einer Zusammenstellung im neuesten Hefte des Hands wörterbus der Staatswissenschaften* (Jena bci Fischer) beträgt die JFahreserzeugung an Branntwein in Rußland 4,3 Mill. Hektoliter, în Deuts(land 3, in Frankceih 2,2, in ODefterreil-Ungacn 2, in den Vereinigten Staaten 1,6, in England 1,05, in Dänemaik 0,3, în Belgien 0,25, in Italien 0,2, in Schweden 0,2, in Norwegen 0,03 Mill Hektoliter. Dagegen beläuft fch der Jahresverbrau©Öch nach der Kopfzahl in Dänemark auf 7, in Deutschland auf 6, in Belgien auf 5, in Frankrei, Shweden und Oesterreich-Ungarn auf 4,2, in Rußland auf 3, in der S&weiz auf 2,75, in England auf 2,43, in den Ver- einigten Staaten auf 2,4, in Norwegen auf 1,7 und in Italien auf 0,8 1 Alkohols einscließlich der Verwendung für gewerblihe Zwette, zum Weinverschniit 2c. und auss{ließlich der Zusäße an gewissen Oelen, wie sie namentli in Oesterrei@-Ungarn und Rußland zur Verfälschung des Branntweins benußt werden. In England wird der Hektoliter Branntwein mit rund 400 besteuert, in den Ver- einigten Staaten, den Niederlanden und Rußland mit 175 bis 200 A, in Belgien, Frankrei, Italien und Schweden mit 100 bis 125 M, in Deutscland, Oesterreih-Ungarn und der Schweiz mit 75 bis 100 M

Zur Arbeiterbewegung.

Am Montag tagte in Berlin in dec Brauerei FriedrihsZain cine sozialdemokratishe Versammlung, um über die Gcündung einer Berliner Arbeiter- Akademie zu berathen. Der Abg. Lieb - kneht entwidelte, wie der „Frkf. Ztg." gemeldet wird, in längerer Rc de die Einzelheiten des Projektes, das er als eine Fortseßung des früheren Leipziger Arbeiterbildungêsvereines bezeichnete. Die zu ke- gründende Howschule solle dem Grundsaß „Wissen ist Macht“ zufolge die Arbeiter zum Kampfe mit geistigen Waffen befähigen, denn bloße Leidenschaft führe nur zu den Barriïaden, dauernde Herr- haft können nur die geistig durgebildeten Arbeiter erringen. Demgemäß solle vor Allem diz deuishe Sprache in dem neuen Institut gepflegt und so die Arbeiter zu vollendeten Debatters und Agitatoren ausgebildet werden. Daß dabei Eindringen in die national-ökonomishen Dinge selbstverständlich fei, brauche er nit zu sagen. Stadtverordneter Vogtherr, der als Vor- fißender der vorberathenten Kommission fungirt hatte, berichtete über die Statuten des neuen Unternehmens. Darnach sind Ein- richtungen von Unterrichtskursen und Vorlesungen geplant, die Er- rihtung einer Bibliothek und Lesezimmer, Verbreitung zweckdien- lider Schriften sowie in Folge einer Anlebnung an die {on bestehende Freie Volksbühne Veranstaltung von Festlibkeiten u. f. w. Als Monatsbeitrag wurden 25 & angeseßt, man hofft bald in der Lage zu sein, eigene Vereinsräume zu schaffen. Liebkneckt zidersprah im S@lußwort der aufgetauhten Befürchtung, als wolle der neue Verein den kleineren Debattirklubs 2c. den Garaus mawen. Er hoffe im Gegentheil, daß leßtere dur die neue Ein- cichtung neues Leben erhalten würden. Die Versammlung nahm darauf einstimmig eine Resolution an, in welcher der Verzin für ge- gründet erflärt wurde. Die Fünfzchner-Kommission bleibt bis zu der binnen vier Wochen zu berufenden ersten Versammlung der Mit- glieder in Thätigkeit und bereitet das neue Unternehmen durch Bor- tragêcyfien vor. : e

Die sozialdemokratische „Central - Strikekommission“ (General-Kommission der Gewerkschaften in Hamburg) bat eine neue Liste dec eingegangenen Beiträge veröffentliht. Auch diese Liste, welche die zwischen dem 9. und 11. Januar «ingegangenen Beiträge aufzählt, beweist die Internationalität der Sozialdemokratie, Die Beiträge, welhe bisher nur spärlich flossen, gehen jeßt außec- ordentlich reichlich ein, und die Summe, über welche die etwa 9 bis 6 Wothen bestehende Kommission verfügt, wird wobl 100 000 be- tragen. In der neuen Liste ist, wie die „Köln. Ztg.“ bervorhebt, ein Posten von 15 060 M, angebli von der Börse herrührend ; vom skan- dinavischen Tabacarbeiterverein in Stockholm kamen 144

Eine Versammlung von Arbeitslosen hat am Sonntag au in Elberfeld stattgefunden; sie nahm eine Resolution an, welche die ftädtishen und anderen Bebörden auffordert, dur \{leunigst ange- ordnete öfentlihe Arbeiten dem Elende zu steuern, und welche außer» dem für die geseßglihe Regelung der Arbeitszeit eintriik. Box orel Wogen wurde eine ähnliche Versammlung au in Köl a ab- gehalten, welde dur cine Deputation dem Ober-Bürger- meister Becker eine gleihe Refolution überteickte, Wie die Köln. Ztg.“ mittkeilt , spra Leßterer iener Deputation sein Verwundern darüber aus, daß jo viel? Arbeitslose in Köln sein sollten z den städtisben Behörden fei davon nichts bekannt. Im Gegentheil, in diesem Winter meldeten sich nit lo viele Leute zur Arbeit wie in früheren Jahren. Gewiß lel der Winter bart und dadurch Noth entstanden. Aber das jet in jedem strengen Wintec der Fall und die städtisWen Be- hörden thäten Alles, um jeder Noth abzuhelfen. „Die von der Ab- ordiung gegebenen Erklärungen Über einen außerordentlichen Nothstand in Köln waren, so bemerkt das Blatt weiter, sehr übertrieben und das ganze Vorgehen war nur aus Aufhezung der Massen bere@ne!. Unbestreitbar giebt es Urbeitslose in Köln, aber nit mehr als früber. Unbestreitbar hat die anbaltende strenge Kälte etne Noth in den ärmeren Klassen hervorgerufen. Aber anderer]eils hat noch nie der Woblthätigkeitsfinn der Bürger Kölns sich glänzender bewährt als jet. Die Kölner Bürger brauchen feine geseßliche Verpflichtung, für ibre ärmeren Mitbürger zu forgen. Reicher denn je flosten zu Weihnachten die Gaben in alle Wohnungen der Armen, Taul!ende haben verschiedene Bürger zur Linderung der augenblicklihen Noth gespendet. Erft in den leßten Tagen baben mehrere Industrielle, vor Allem in Ehrenfeld und. Nippes, viele Hunderte von Centnern Kohlen vertheilen lassen. Alle Iobltbätigkeitsanstalten und Vereine wetteifern im Wohlthun. Die Armendeputation hat außer dem Etat eine Summe von 6000 F an besonders Bedürftige vertheilt. Vie städtischen und staatliben Behörden beginnen alle möglicen Arbeiten, um den Arbeitslosen Beschäftigung zU gewähren. Ein großes Werk in einem Vororte hat zur Bewältigung seiner Aufträge 4000 Arbeiter nöthig, allerdings nur sole, die arbeiten können und wollen; das Werk hat gegenwärtig nur 2800 Arbeitskräfte zur Verfügung und weiß nicht, wie es die noch nöthigen 1290 zusamm:nbrivgen soll.

In Leipzig beschloß am Dienstag eine von etwa 200 Personen besuhte Versammlung der in denBuchbindereten beshästigten Arbeiter und Arbeiterinnen, yon dem Beschluß der Versamm- lung vom 23, September, betr. die Einführung des ahtstündigen Arbeitstages, bei der veränderten Lage, der sihtlihen Abnahme des ÊFnteresses der Facgenossen für diese Frage und den spärlich ein- laufenden Beiträgen für den Unterstüßungsfonds insoweit abzu- gehen, als man zunächst den neunstündigen Arbeitëtag anstreben und nah dessen Erreichung später aus den actstündigen zurüd- ommen wolle. : : s : Wie W. T. B.“ aus Fürth meldet, reduziren die meisten dortigen Glasfabrikanten wegen der kerrschenden Geschäftékrisis die Arbeit. s Aus Glasgow, 14. Januar, wird gemeldet: Das Comité zur Beilegung des Ausftandes der Eisenbahnarbeiter berieth heute unter dem Vorsitßze des Bürgermeisters mit der Verwaltung der Caledonian Eisenbahn. Letztere verweigert jedes Zugeständ-

B E: Vi A E I I S E

niß, wofern nicht die Eisenbahn - Bediensteten vorher die Arbeit wieder aufnehmen. Der Bürgermeister von Edinburg unterhandelte mit der Verwaltung ter North British Eisenbaha, von welŒer er dieselbz Antwort erhielt. Die Strikenden lehnen die von den Gesellschaften gestellten Bedingungen ab.

Na ciner Meldung aus Lille haben in Dorignies die Bergleute zweier Gruben die Arbeit eingestellt; es berricht die Besorgniß, daß der Strike ih auch auf die anderen Gruben ausdehnen werde.

Literatur.

Geschichte.

* Zur Feier des zwanzigsten Gedenktages jenes weltgesci{chtlichen Ereignisses, welches sih am 18. Januar 1871 in Versailles vollzog, der N2zerrichtung des Deutschen Kaiserrei8, ist im Verlage von Felix Bagel in Düsseldorf eine Schrift erschienen, „Bismarck und Moltke, Deutschlands Dioskuren®, in welcher der Verfasser M. Ever, Oberlebrer am Königlichen Gymnasium zu Düsseldorf, dem deutswen Volke eine würdige Festgabe darbringt. áIft auch das Leben der beiden genannten gcoßen Männer {on oft und eingehend geschildert worden, so hat es do bis jeßt noch an einer Darstellung gefehlt, welche ein zusammenhängendes, das Ge- meinsame in dem Leben Beider zur Anschauung bringendes Bild entwirft. Diese Lücke will das vorliegende Werk auéfüllen. Fn s\chwungvoller Sprache zeigt der Verfasser, dessen Schrift dur den Umzuß einer Reibe vaterländisher Festreden in drei größere, je in sih einheitlich zusammenbängende Gesammtschilderungen ent- standen ift, wie Bismarck und Maltke, die Vertreter der Staats- und der Kriegskunst, nicht fowohl zu einander im Gegensaßze gestanden haben, sondern vielmehr auf das Innigste zu gemeinsam-cinbeitlihem Zusammenwirken verbunden waren, der barafkteristishen Eigenthüm- li@fcit Deutslands entsprehend, wo Staatsleitung und Heeres- leitung nur zwei Seiten ein und derselben Sache bilden, der Er- ziehung, Grhaltung und Förderung von Volk und Vaterland. Wir seben, wie Beide vereint ihrem unvergeßlihenHerrsher Kaiser Wilhelm I. halfen, das Werk Friedrichs des Großen fortzuseßen und, was dieser für Preußen gethan, für Deuts&land zu vollbringen. War es Bismarck, der die Einigung des Vaterlandes vorbereitete, so war es Moltke, der deren Verwirklichung ermöglichte, aber nur Beiden vereint konnte das groze Werk gelingen. Die patriotische Begeisterung, welche aus der ih durch Klarheit und Allgemeinverständlichkeit auszeihnenden Sgrift spricht, dürfte nit verfehlen, in weiteren Kreisen des Volks S aria bei der reiferen Jugend einen erhebenden Eindruk zu machen.

* Im Verlage von S. Hirzel in Leipzig ist jeßt der dritte Band von Paul Tschadert's Urkundenbuch zur Reformations- geschichte des Herzogthums Preußen, weicher den 45. Band der Publikationen aus den Königlich preußischen Staats-Archiven bildet, erschienen. Derselbe enthält eine weitere große Zahl von Urkunden (Nr. 1385—2429), welche auf die Zeit von 1542 bis 1549 Bezug haben und unter denen ih viele bisher ungedruckte befinden. Dem Bande ist ein alphabetisches í“nbaltsverzeihniß (Titel der Urkunden) sowie ein Register zur Aus- nußung der Urkunden beigegeben, welches die Briefe (an N. von NN.) und ein Personen-, Orts- und Sachregister enthält

Die Revolutionen der Jahre 1848 und 1849 in Europa, geschichtlih dargestellt von Rudolf Stra. Zweiter Theil; Die Revolutions8ereignisse des Sommers 1848, Heidelberg, Carl Winter's Universitätsbuhandlung, 1891. gr. 89. S. XII u. 350, Dieser zweite Theil der Revolutionsereignifse Earopas während des Jahres 1848 \{ließt sih eng an den bereits 1888 erschienenen ersten Theil, über dessen Inhalt und Werth im „Deutschen Reis-Anzeiger“ Nr, 182 16. Juli 1888 berichtet wurde. In sechs Abschnitten des vorliegenden Bandes werden besprochen : Der Bürgerkrieg im Königrei© Neapel, die franzô- sishe Republik, der italienise Freiheitskampf, die Ereignisse in Berlin, der Krieg in Schleswig-Holstein, die Deutsche Nationalversammlung. Durch Benugung des fleißig und umsitig gesammelten mit Geschick verwertheten Stoffes founte cin flares und anschaulihes Bild entworfen werden von den lesten europäishen Vorgängen, ihrem thatsäblihem Verlaufe wie den bewegenden Ursachen. Wir werden hineingeführt in das geschichtliche L-ben und Treiben jener derhängnißvollen Zeit, von welcher viele Zeitgenossen noch ein Zeugniß aus eigener An- \chauung geben Éöônnen, fodaß sie fpruchfähig find, die Auffassung des Verfassers gere{@t zu beurtheilen. Sind neue That- sachen auch nit verzeichnet, anscheinend weil seither die Einsicht un- gedruckter Aktenstücke versagt blieb, so ist doch anzuerkennen, daß die gefällige, ansprehende, rein objeftiv gehaltene Erzählung ih völlig frei halt von parteilicher NBoreingencmmenheit und absichtlicher Färbung. Um den Standpunkt des Verfassers erkennbar zu machen, seien aus den Abschnitten „Die Ereignisse in Berlin“ und „Die deutsche Nationalversammlung®“ folgende Urtheile über Sachen und Personen herauëgehoben: „Der preußishen National- versammlung selbst ging jeder parlamentarishe Takt, vielen der Mitglieder die üblichen und unentbehrlichen Lebentformen völlig ab, und so boten die erften Sitzungen der ersten preußischen Volks- vertretung ein Bild des zügelloseîten Durcheinanders, ein Bild, auf welches das Land nit ohne Beshämung zu blicken vermohte.“ (S. 189.) „In Folge der Ercesse in Berlin, namentlich wegen der Er- stürmung des Zeughauses am 14. Juli 1848, erhob \fich in den Pro- vinzen ein Sturm der Entrüstung, der bandgreiflihe Beweis war geliefert, daß die Berliner Bewegung überbaupt keine Revolution des ganzen Volkes, sondern ein Spiel des zügellosen Pöbels war.“ S N) ¿Die deutiWe_ Reichsversammlung hcfte mit Reden und Meajoritätsbeshlüssen die Erfüllung jener Au)gabe zu leisten, wel&e später durch Blut und Eisen ihre Lösung fand.“ (S. 293.) „Es war eine Versammlung von Gzlehrten, welhe über das Wobl Deutschlands entsheiden sollte; denn derjenige Beruf, welcher das geistige Leben der Reichsversamms- lung beherrshte, war die akademishe Wissenschaft.“ (S. 294.) „Die Laufbahn des Reichspaclamentes blieb von, Anfang an ein Gemisch ven Unerfahrenheit in allen praktischen Dingen und völliger Gnergielosigkeit, die für die späteren Zeiten in dem deutschen Professor den Typus weltentfremdeter, gewissermaßen hülfloser Gelehrsamkeit entstehen ließ.“ (S. 296.) „Nach dem 18. September 1848 drängte ih immer deutlicher den Vereir barungs-Politikern die alte bittere Lehre auf, daß nit redlihe Wünsche, s{ône Hoffnungea und begeisterte Worte, sondern die feste That und der starke Wille das Getriebe dieser Welt beherrs{hen.* (S. 348.) Swarf und treffend sind ge- zeichnet die hervorrazenden Männer des Jahres 1848 4. D, Camphau|en (S. 165), Hansemann (S. 218), Rodbertus (S. 219), von Radowiß (S. 306), Heinri von Gagern (S. 310), Robert Blum (S. 308), Fürst Lichnowsky (S. 319). Zu berichtigen ijt, daß der in das preußische Ministerium 1848 eintretende Herr von Ladenberg nicht, wie S. 222 angefübrt, Regierungs-Rath, sondern Direktor im M inisterium der geistlihen und Unterrichtsangelegenheiten war, zu welchem Amte bereits im Jahre 1839 der damalige MRegierung8- Präsident zu Trier, seit 1834, befördert wurde.

Sozialpolitik.

„Praktisher Leitfaden durch das I

Alters versiherungsgel]eß vom I D

nvaliditäts- und uni 1889“, Zum

| und besondere Hervorhebung des Wesentlichen zeihnen die © Sn den Erläuterungen ist im Hinblick auf Gutsbesißer, Pä®t

1891.

Gebrau für Gemeindebehörden, Arbeitgeber und Versicherte in Stadt und Land. Von Christian Ienssen. Hannover. Verlag von Carl Meyer, Hannover, 1891. Die Bestimmungen des am 1. Januar d. I. in Kraft getretenen Neick8gesetzes über die Invalidi- täté- und Altersversicherung vom 22, Juni 1889 sind ziemli ver- wickelt. An erfolgrei@en Versuchen, das Verständniß derielben zu er- möglichen, bat es nit gefeblt. Hingedeutet sei bier nur auf die Ar- beiten des Unter-Staatssekretärs Dr. Bosse und des Gebeimen Ober- Regierungs-Raths von Woedtke, ferner auf die Arbeiten von Dr. Fuld, Hahn, Schneider, Schmit, Henning. Diesen reiht si die vorliegende Schrift an. Verfasser derselben , der den darin behandelten Gegen- stand in verschiedenen Versammlungen von Vereinen în ein- gehenden und allgemein” fäßlihen Vorträgen erörtert hat, will in diesem „Leitfaden“ einem dringenden praktishen Be- dürfniß begegnen und namentli den Gemeindebehörden, Arbeitgebern und Versicherten in Stadt und Land einen Anhalt geben, sh leiht und {nell mit dem neuen, bedeutendsten aller sozialpolischen Géeseyze vertraut zu mahen. Kut:e Fassung, gedrängte Zusammenstellung des

Verwandten und Gegensäßlichen, aroße Uebersichtlibkeit des Stoffes -3 Werk

Juf die landwirtbs\caftliwen Verhältnisse besonders Rücksicht genommen. Gin umfassendes Inhaltsverzeihniß und ein vorau®gesckchicktes habetisch geordnetes Sachregister erleitern den Gebrauch des Buches. i ertbeilt ein Anhang über die zu besbaffenden Nachweise, die Aus nabmen von der Versiherungspfliwt dur vorüberaebende Beschäfti- gung, die Entwerthung und Rernitung der Marken und das Ber- fabren der Schiedsgerichte jede ndibige Belehrung. Wie sehr das Buch seinem Zweck entspricht, dafür zeugt der Umstand, daß cs schon nach Verlauf eines Vierteljabrs in zweiter Auflage erscicner. Preis geheftet 1 4, in Partien von 50 Expl. an bezogen, à 80 s.

ck, Reihszushuß für Arbeiterkinder. Ein sozial- politisher Vorschlag von H. O. Lehmann, Professor der Rechte an der Universität Marburg. Mit einer Uebersicht des Grundkapitals und des Reingewinns der deutschen Aktiengesellschaften. Kiel und Leipzig. Verlag von Lipsius und Tischer. Während in der Regel der Lobn für den alleinstebenden Arbciter mehr als auésfömmlich und für eine kleine Familie ausreichend ift, reit er zum Unterhalt einer größeren Familie nit oder dochH nur bôbsstt notbdürftig. Hier zu helfen, ist der Arbeitgeber nit in der Lage. Er kann, will er konkurrenzfähig bleiben, nur die Arbeit zablen, die ihm geleistet wird, obne Rücksiht auf die Anzahl der Personen, deren Unterbalt von dem Verdienst des einzelnen Arbeiters bestritten werden fol. Auf Grund dieser Erwägungen und um den finderreihen Arbeiterfamilien eine einigermaßen ausfkömmlie Gristenz zu vershaffen, mat der Verfasser folgenden Vorschlag: 1) Ieder bedürftigen Arbeiterfamilie wird für jedes Kind unter 14 Jahren mit Aus\{luß des ersten ein jährliber Zuschuß von 59 H aewährt. 2) Die hierfür erforderlichen Mittel werden durch folgende Reichssteuern aufgebrahi: 1) Eine Eirkommensteuer von 9 °/o von allen unter Déeklarationspfliht festzustellenden Jahreseinkommen über 10000 A 2) Eine Erbschaftssteuer von 69/9 von allen Erb- {haften im Betrage von über 100 000 M, 3 9/6 von den Erbschaften im Betrage von 50—100 000 4 3) Cine Steuer von 129/ vom Reingewinn der Aktiengeselsckaften. Die Befolgung des Raths des ariebischen Philosophen: „Maß zu halten ist gut* \{eint der Herr Berfasser bei seinen sozialistis{en Theorien nicht für erforderli zu erachten.

ck, Meine Polemik mit Karl Marx. Zugleich ein Bei- trag zur Frage des Fortshritts der Arbeiterklasse und seiner Ursachen. Bon Lujo Brentano. Berlin, Verlag von Walther und Apolant. Jn der von Karl Marx im Jahre 1864 abgefaßten Inaugural- adresse, welche cine große Verbreitung erlangte, befand sih folgendes Citat aus einer Budgetrede Gladstone's das mebr als alle übrigen in ibr enthaltenen Angaben Aufsehen erregte: „Geblendet durch den „Fortschritt der Nation“, umgaukelt von den Bablen der Statistik, ruft der Schayßkanzler in wilder Verzückung aus: „In ben Jahren 1842—1852 bat si das steuerpflihtige Cinkommen des Landes um 6 °/o rermebrt, in den aht Jahren 1853—1861 bat es im Verhältniß zum Einkommen des Jahres 1853 um 20 °/g zugenommen. Diese Thatsache ist so staunenswerth, daß fie beinahe unglaublich ist..." „Diese beraushende Vermehrung von Reichthum und Macht“, fügt Mr. Gladstone hinzu, „ift ganz und gar auf die besißenden Klassen be- \chränkt.* Im Iahre 1872 wies der Verfasser in der „Konkordia, Zeitschrift für die Arbeiterfrage“ an der Hand des bezüglichen steno- graphischen Berichts aufs Sclagendste nah, daß das Citat gefälsct sei, da Gladstone im direkten Gegensaß zu der Angabe von Karl Marx gesagt habe: „die Zahlen, wele ih angeführt habe, nehmen wenig oder gar feine Kenntniß von der Lage Derjenigen, welwe keine Einkommensteuer bezahlen . . . bon dem Eigenthum der Arbeiterbevölkerung und von der Zunahme des Einkommens der- selben. . . . Aber wenn wir die Durwscnittslage des britishen Ar- beiters betraten, sei er Bauer oder Verzmann, ungelernter oder ge- lernter Arbeiter, so wissen wir aus mannigfachen unzweifelhaften Zeugnissen, daß in den leßten zwanzig Jahren eine derartige. Ber- mehrung seiner Mittel zum Leben ftattgefunden hat, daß wir fie beinahe für beispiellos in der Geschidte jeglichen Landes und jeglichen Zeitalters erklären fönnen.“ Trotz diefer Richtigstellung hat Engels în der von ibm beforgten 4. Auflage des ersten Bandes des „Kapitals“ u. a. die Stelle, wo Marx Gladstone das Entgegenge)etke von dem, was er wirflih gesagt hat, sagen läßt, unverändert beibehalten. Bet der grofien Bedeutung, welche „das Kapital“ von Marx thatsäblih erlanct bat, hat der Verfasser es für geboten erachtet, auf das hart- näâdige Festhalten an dem falshen Citat mit dem wortgetreuen Ab- druck der ganzen Polemik zu antworken. Ueberdem, da die Wieder- hebung der englischen Arbeiterklasse mit der Entwickelung der Arbeiters \cchutgesezgebung und den Gewerkverein® Organisationen zusammen- hängt, bat es auch ein allgemeines wissenscha\tlihes Interesse, das Citat aus Gladstone richtig zu stellen.

ck, Die sozialdemokratis©e Gedankenwelt. Von Theodor Barth, Mitglied des Reichstages. Berlin. Verlag von Leonhard Simion. (Preis 2 #4) Die vorliegende Broschüre,

welche der beinahe völlig unveränderte Abdruck einer von dem Ver- fasser im Jahre 1878 verfaßten S{rift ist, welche unter dem Titel : „Der sozialistishe Zukunftsstaat. Beitrag zur Kritik des heutigen \ozialistishen Staatsideals“ im Jahre 1879 von dem „Centralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen zu Berlin“ herausgegeben worden ift, stellt eine Kritik der vor dem Sozialistengeseß in die Er- scheinung getretenen „soztaldemokratischen Wissenschaft“ dar.

„Der Sozialdemokrat kommt!“ Ein Warnungs- ruf an unser Landvolk von einem alten Dorfpfarrer. 15. Auflage. Freiburg (Breisgau), Herder’\he Buchhandlung, 1890. Gr. 8.24. Durch diese bereits fünfzehn Mal aufgelegte volksthüm- liche, paEend und naturfrisc abgefaßte Flugschrift beabsichtigt ein Pfarrer, welcher selbst aus dem Volke stammt, die ländliche Bes- völferunz vor dem neuen, von den Sozialdemokraten ges predigten „Evangelium®* zu warnen und sie aufzuklären über das Heil, welches die Sozialdemokraten den Bauern bringen wollen. Der Verfasser beantwortet die vier Fragen: 1) Wer kommt ? 2) Woher kommt er? 3) Was will ex? 4) Warum kommt er 2_ Die Sozialdemokratie will dur gewaltsame Volksherrshaft die mens{lihe Gesellsbaft dadur verbessern, daß sie die ganze heutige gesellshaftlihe (soziale) Drdnung aus den Koyf stellt. Nach der

ff

i A: Aue M G C A a5 R ORST C O E R S

Fie N