1891 / 28 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 31 Jan 1891 18:00:01 GMT) scan diff

E ger E t

baren könne. Was sei das nur für ein Geseß? Erst wür- den die Gebühren geseßlich fixirt und dann besonders gestattet, sie anders zu normiren. Man bâtte dann besser eine Bestimmung treffen sollen, wonach die Gebühren nur zwishen dem Klienten und dem Rechtsanwalt zu vereinbaren seien. În einem ihm vorliegenden Briefe tbeilten zwei vereinigte Rechtsanwalte einem strafgesehlid Verurtheilten mit, daß sie die Anfebiung des Urtbeils und deren Begründung în diesem besonders \chwierigen Falle übernebmen würden, wenn der Klient sofort 50 46 einshickte, da sie die Sache unmögliG_ für die nur wenige Mark betragende gesetzliche Taxe maten könnten. So werde also die Rothlage eines armen Mannes auszebeutet! Die beiden Paragraphen seien aber au des Rehtsanwaltsftandes unwürdig. Set der Rechtsanwalte stand ein officium nobile, fo mühle ihm jede rein geschäftlihe Thätigkeit ferngehalten werden. Heute [fordere dec Rechtê- anwalt, der Klient biete die Hälfte, und man einige sich \ch{ließlich auf das Mittel. Die besondere Beweisgebühr könnte man überbaup fallen laffen, denn an Prozeß- und Verhandlungsgebübr werde \chon genug gezablt. Auch eine Herabseßung der Gebüßbren für das Mehr- verfabren müfte eintreten. Die Bestimmung des S. 14 der Gebühren- ordnuna, wona dem Rechtsanwalt, 10enn der Prozeß vor der mündlichen Berbandlung rückgängig gemacht werde, °/10 des Objetts zuitänden, könnte dabin abgeändect werden, daß ihm rur 3/10 zuständen. Die Civil- prozefiordnung wäre dahin abzuändern, daß fünflig nihi mehr der unterliegende Theil die Rechtsanwaitsto}ten

des obsiegenden bezahlen müsse. Gerade der arme Mann, der Bauer k

c

ônne dem Nechtsanwalt den verlangten Vorshuß nicht zahlen, führe selbst den Prozeß, verliere ibn und müsse dann dem Gewinner die Rechtéanwaltskosten er]eBen, fönne sie ridt bezahlen und werde ausgepfändet. Leider [et diejer Paragraph mit der garzen Civilprozeßordnung 10 verflowten, daß er nit ohne Weiteres abgeschafft werden könne. Die Revision der Gerichtskosten habe 1888 son der Abg. Kulemann hier zur Sprache gebradt, ohne eine entgegenkommende Antwort zu erhalten. Heute sei hier eine Revision zur Nothwendigkeit geworden, weil das Gefeß über die Gewerbegerite weit niedrigere Säge aufitelle, als man fie bi2ber gekannt babe. Gegen die Prozessirungelust sei n hohe Gerichts: kosten auch fein Mittel. Ein dem Trunk Ergebener w dur die Höôke der Branntweinsteuer nicht ab; . Daß E ZUE Unterhaltung der Gerihtseinriwtiungen diejentgen al tragen sollten, die Gebrau maten, sei eine verwunderliche Behauptung. Staat lafse doch nicht Ret 1preven, um da- dur die Kosten für die Gerichtseinrihtungen herauszuschlagen. Rechts- aawalte hâtten einigen Jahren in einer Petition ertlart : „Die Höbe der Geri s zwinge vielfach die Leute, das ArmenreSt nazusuchen, und ein hnender Bescheid komme hier der Ver- ¡lei Begriff der „Beleidigung“ sei in dem deutshen Civiireht | Wer das Vergnügen habe, Zeitungen zu redigicen, | herunter. Cin westfälisGes B sich das Wort

„anständig" als Aitribut zu dem Worte „Jude“ in AnfühßrungsstriÞe

zu feßzen erlaubt, und drese Gänscfüßcen mit 20 F gebüßt. Er frage alle Herren, die mit dec Presse zu thun hätten, ob es niht immer {werter werde, die Wabrheit zu s{reibcn. Vian dürfe nicht einmal chreiben, was auf Thatsachen beruhe. Er sei verurtheilt worden, weil er einer Frau Diebîtah fen habe, die, wie das Erkenntniß sage, wegen Dicbstahl3 gese]sen habe. Deutf land habe also sehr gute Gesege für Bankerotteure, Betrüger u. dergl. Man leide wirkli hon an einem Beleidigur gébacillus, es fehle uns aber an etnem Koch. Der Wuterparagraph sei ebenso weit gefaßt, wie der Beleidi- qungêparagraph eng. Ein {lauer Mann könne die Bestimmung, 5 Notblage, Leichtsinn und Unerfaßrenheit vorliegen müßten, falls auf Wucher erkannt werden solle, sehr leiht umgehen. Er braue ih nur einen Schein geben zu lassen, daß das Geld zu wirtbschaftlihen Zwecken angelegt werden solle. Man könne also rubig jene drei Bedingungen \treihen. Denn Wucher liege immer da vor, wo zwischen dem Hergegebenen und dem (Henommenen ein unrechtmäßiges Verhältniß bestehe. Ueber den Unfug, der mit dem Biebleiben getrieben werde, könne man in Vogelsberg, in Elsaß- Lothringen und anderswo viel erzählen. Man müsse die Wucherprozesse vor die Ges{worenengerihte verweisen, denn dahin gehörten sie, wenn irgend etw n dem Prozeß Hallmeyer in Frankfurt fei etn notoris v zer Börsenshwindler aus Russis- Polen, der Jahre lang die betrog Hunderttausende gewonnen habe, ver- urtbeilt worden, s Geri@t aber habe ihm mildernde Um- stände zugebilligt, i ( » von Iugend auf si în Arschauungen bewegt elde iht die Uebervortheilung seiner Nebenmenschen nic | limm erscheinen ließen“. Man babe allen Grund, die be#tehende Geseßgebung zu reformiren, ebe man an das bürgerlihe Gese8bud trete, Man möge {ih mit diesem nicht fo sebr beeilen, denn solle man nit stürzen. Man möze von Grund aus die d? nde Gesezzebung refor- E t dann erst werde es besser werden im Vaterlande! (Beifall re

44+

is.)

Staatssekretär von Dehlschläger: Meine Herren! Dem letzten Herrn Redner wegen der Antwort in einiger Verlegenheit ; denn ganze Rehtsgebiet gestreift und unsere Gesetze unterworfen, obne die entsprechenden Konsequenzen zu einen Antrag zu ftellen, obne eine bestimmte Frage an m: obne auH nur Wünsche seinerseits autzusprehen. rióterlihe Urtheile getadelt und das Verhalten der Fritisiet, G bin nicht in der Lägkz bin Abkülfe zu sch{affen, weil der tr¿ fenden no ftaaten genannt hat, Ui welen ex den

einer Kritik unterworfen hat. e cs ch um Uebelftände welchec wirkli§ der Abhülfe bedürfen, dann wird diese nur zuständigen Landesbebörden oder Landtagen zu suchen sein

Véeber das bürgerlihe Geseßbuch hat der Herr Abgeordnete in einer Weise gespro®en, als ob dasselbe bereits von der Regierung oder vom Bundesra vorgeleat worden wäre, und als ob i die Pflicht bâtte, dasselbe bi j So liegt die Satte aber keineswegé ; vielmehr sind wir z noH mit den Vorarbeiten für das bürgetrlihe Gesezbu beschäftigt. Welche Stellung der Bundes- ratb demnächst zu dem Entwurf nehmen wird, läßt sich heute noch garnidt übersehen. Ih fann mi daher nicht für berufen balten, bier auf eine Vertheidigung des Inhalts des publizirten Entwurfs einzugehen.

Viellei{t dürfie aber, ta wir einmal bci dem Entwurf des bürgerliden Geseßbubs angelangt sind, für das [ohe Haus eine Mitibeilung darüber von Inter:fse sein, in welhem Stadium der Vorbereitung das bürgerlite Geseßbuh f befindet. Vor etwa Jahresfrist hatte ic bei der Etatsberathung ebenfalls Gelegenheit, über den tamaligen Stand der Vorarbeiten mich zu äußern. Danzals war man im Reichs-Justizamt damit beschäftigt, eine Zufammen- stellung der fritishen Aeußerungen zu dem Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs zu fertigen. Diese Zusammenstellung is inzwischen in fünf Drucktänden ershienen und geht jeßt ihrem Absckluß dur die Herausgabe eines sechsten, Nachträge enthaltenden Druckbandes ent- gegen. Inzwischen hat der Bundetrath unter dem 4, Dezember v. I. den Beschluß gefaßt, den Entwurf einer zweiten Lesung dur eine neue Kommission zu unterziehen. Bei der Zusammenseßung dieser Kom- mission ist der Bundesrath von verschiedenen Gesichtspunkten geleitet worden. Es sind diesmal nicht nur Fachjurifsten gewählt, sondern

-

—_

au Vertreter der vershiedensten nteressentenkreise, so Vertreter der Landwirtb\chaft, des Handels, der Industrie, des Gewerbes, sowie der Volkêwirtb\chaft. Als juristishe Mitglieder sind Männer sowobl aus dem Richter- wie aus dem Anwaltstande berufen; es ist ferner darauf Bedatbt genommen, daß die verschiedenen größeren Rectsgebiete ihre Vertretung finden, insbesondere das gemeine Recht, das preußis e, französishe und sächsishe Reit. Unter den in der Kommission bé- rufenen Rechtslehrern ist sowobl die romanistisce als die germanifstische Richtung vertreten. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ift eine Kommission von 22 Mitgliedern eingeseßt. Dieselbe ift bereits in Berathung getreten; sie hat allerdings bis jeßt nur eine Sitzung abgehalten, die mehr fonstituirender Natur war, und in welHer die Geschäftsordnung festgestelt wurde. Die fa&lien Berathungen werden voraussi{tlih am 1. April d. J. beginnen. ns zwischen baben aber die bestellten Referenten sowie der General- referent bercits mit den Vorarbeiten begonnen. Zuglei ift das Reiché-Justizamt damit beschäftigt, auf der Grundlage der Kritik Abänderungs8anträge zum Entwurf festzustellen, welhe beim Zu- sammentriit der Kommission derselben zur Berathung unter- breitet werden f\ollen, Die Regierungen find also, wie Sie aus diesen Mittheilungen ersehen, ihrerseits bemüht, dem Geseßgeburgswerk möglichste Förderung angedeihen zu lafsen. Möge dieses Bestreben von Erfolg begleitet sein.

Was den ersten Herrn Redner anbelangt, so hat derselbe eine Frage berührt, die bereits vor fünf Monaten bier eine auéführlihe Erörterung gefunden hat. Damals bei einer Interpellation des Hrn. Abg, Dr. Bamberger bandelte es sich um den Strafvollzug, und es wurde die Frage der Revision des StrafgeseßbuLs namentli in der Ribtung des Strafenystems hier eingehend erörtert. I@ glaube, auf datjenige Ve:ug nehmen zu können, was ich damals acäußert habe; daß nämli die Regierungen fi keineswegs ablehrend gegen- über einer Revision des Strafgeseßbuchs verhalten, namentli au niót in der Richtung des Strafensystems und der Ver- einbeitliGung des Strafvollzuges. Allein ih habe damals bes

auf die großen S{wierigkeiten hinzuweisen mir erlaubt, solches Reformwerk hat, und, wenn ih mich ret erinnere, „urden diese Schwierigkeiten noch viel mehr betont aus dem hohen als von meiner Seite. I erinnere namentlich an die Be- wel&e damals Hr. Abg. Dr. Windthorst vorbra@te, und an die Aeußerungen des Hrn. Abg. Dr. von Bar. Beide eaneten sich in dem Wursh, taß man an eine Revision des fgeseßbus und zwar an eine tiefgreifende, das ganze Strafen- svstcem umfassende Revision eins werde gehen müssen, allein fie aren dod aub der Meinung, daß man ret vorsihtig vorzuzehen babe, und zur Vorsicht werden wir umsomehr gemahnt, als selbst Dicjenigen, wel%e als Havptvertreter ter neuen Seitens des Herrn Abgeordneten hevte uns vorgeführten Gedanken gelten, darüber einig sind, daß die Zeit für eine Revision no nit gekommen sei, weil die einschlagenden Fragen noch niht genügend geflärt seien. Ein Marn, wie List, den man als den Vater einiger jener Gedanken bezeichnen kann, bekenrt, daß die Satbe noch nit in allen Theilen spru Greif sei. Troßdem karn ich im Anfs{luß an meine früheren Erklärungen beute versichern, daß seit jener leßten Erörterung die Strafvollzugs-Frage nicht vellständig geruht bat, sondern daß inzwischen das Reichs-Justizamt in dem Bestreben, eine Einheit im Strafvollzug herbeizuführen, mit den Regierungen der größeren Bundeëftaaten- insbesondere mit der preußishen Regierung, in Verbindung getreten ist. Die Verhandlungen {weben noch, und ih bin nit in der Lage, darüber nähere Auskunft zu geben.

Aba. Klemm: Was die Anklagen des Abg. Dr. Bocckel geger deutsze Rechtspflege betreffe, so ließen die Darstellungen des Abg Boeckel zwar an Deutlichkeit und Scärfe nick@ts übrig, aber dies Behauptungen allein obne Unterlagen genügten ihm nit Urtbeil abzugeben. Es sei s{chwerer, Ret spreDen

Q,:7t chUs1

N tsmittel, Einzeln nstand allgemeiner Anilag gens nach einer gerlichen Geseßbuches schließe n, Der Reichstag habe die Kom- razrlihen Geseßbuchs niede i annt habe, daß Sedanke der Cinheit des d einem der wihti Gebiezie, dem Rechts Auédruck [ müsse. Dieser große festgehalten Detailfragen kônne man _ Erfolg nid erörtern. Die Urtheile über si in ¿wei großen Extremen. Die ganze Entwurf müsse umgearbeitet werden, rinzivien gestüzt, und die Andern jagken, der en Kapazitäten ausgearbeitet, berücksictige das 2 b an die historische Entwikelung an, r entlichen bleiben wie er sei. Zwischen diesen beiden rere Hunderte, die alle Nüancen durliefen. Hier im von Rathschlägen niht die Rede sein. Die Kom- ur Männer, deren Namen und Wirken einige Ehr- : Wissen erfordere. Er glaube zwar, daß man@e ganz umgearbeitet, andere überarbeitet werden müßten, lte er aber scine Wünsche vorlegen, so würde er die ganze heutige t und ro& die morgige ausfüllen. Er verzichte daher darauf ; förne rubig die Arbeiten der Kommission abwarten. e Abg. Heine: Der Abg. Freiherr von Buol verlange eine Befugniß für die Gefängnißbebörden, die Gefängnißstrafen zu kürzen und anderer- seits zu verlängern, wenn bei den Gefangenen die nöthige Besserung ¡ob nit eingetreten sei. Er meine mit dem Abg, Freiherrn von Buol, eine Aenderung bezüglih der Strafen eintreten folle, welWe von eldbuße in Gefängniß- resp. Haftfirafe umazewandelt werden Ein Junge, der ein natürlihes Bedürfniß bei der Kirche babe, habe dafür 20 bis 30 # Geldstrafe resp. Woche Gefängniß bekommen und natürlich die leßtere angeireten, weil er die Geldstrafe nicht habe bezahlen können. Man denke stich nun einen solchen Jungen mit anderen Verbrechern zusammengesperrt. Und immer bleibe auf ihm das Odium sigen, schon gesessen zu haben. Die Geldstrafe sei nur eine Strafe für ète Armen, Was frage der Wohlhabende darnach, wenn er 39 # zablen müsse; die Armen müßten aber ins Gefängniß, weil sie die Geltstrafe niht bezahlen fönnten. Die Leute auf dem Lande hätten noch aus der Zeit vor Vescitigung der Leiteigenscaft veraltete Begriffe. Hole sich ein Mann etwas Holz aus dem Walde, was er als iein Net bc- ansvruche, so werde er bestraft und müsse ins Gefängniß, weil er die Geldbuße nicht bezahlen könne. Im Interesse seiner Wähler des ländlichen Arbeiterstandes wünsche er (Redner) statt defsen die Einführung der Zwangsarbeit beim Wegebau oder dergleihen. Wenn der Akg. Dr. Boedel glaube, die Expropriation des Bauernstandes aufhalten zu können, so irre er. Der Großkapitalismus werde den tleinen Bauernstand ebenso auffressen, wie er das kleine Handwerk aufge- fressen habe. Gegen diese natürlihe Entwickelung helfe kein Anti- semitismus. Dringend nothwendig sei die Abschaffung der soli- darishen Verpflichtung der Verurtheilten für die Gerichtskoften und Zeugengebühren, Der Gesetzgeber, der diese Bestimmungen ge-

troffen habe, habe sich nicht denken können, daß solche Riesenprozeïse geführt werden könnten, wie jeßt die Sozialisten- und Gebeimbund- prozesse. Der Elberfeldec Prozeß koste 12000 # Jeder, wenn er aub nur zur geringsten Strafe verurtheilt sei, hafte dafür. Eine folche Person werde also neben der Strafe außerdem noch bürgerlih ruinirt. Einen sehr nattheiligen Einfluß habe das Monopol der Staatsanwalte, Arklagen zu erheben, besonders bei Beleidigungen im öffentlicen Interesse. Das geschebe immer bei Beleidigungen durch die sozialdemokratishe Presse. Als Beleidigung „gelte es {on, wenn ein Blatt \Hreibe, daß ein Arb:itgeber einen Arbeiter wahrscheinli deshalb entlassen babe, weil dieser einem sozialdemofratishen Verein angehöre. Der Abg. Dr. Boeckel habe von der Ausbeutung des kleinen Bauern dur das Judenthum gespro{en. Der s{chlimmste Wucher sei aber der, der von den städtis&en Bebörden dur die Leihbäuser mit den Aermsten der Ärmen getrieben werde. Eine arme Wittwe, die das Letzte, den Unterrock ihres Kindes, verscße, um für fich und ibr Kind Brot zu kaufen, bekomme eine Mark geliehen und müsse dafür monatli 5 S, d. b. jäßrlich 69% Zin'en bezaßlen. Und wenn die Auktion des Gegenstandes nicht den geliehenen Betrag dee, würden noH Auktionsbeiträge erhoben, Der Staats- sekretär babe die Kategorien genannt, welche in die Kommission für das bürgerlihe Geseßbuch bineingekommezn seien. Er (Redner) babe niGt gehört, daß dabei der wichtige Arbeiterstaid berüd- tigt sei, und möchte bitten, auch einen oder mebrere fozial- demofratishe SJuristen in die Kommission zu berufen. Der Abg, Dr. BocEel habe Strafmilderungen erzählt. Gegen Arbeiter werde die Zugehörigkeit zur fozialdemokratishen Partei als Strafvershärfurg®- aruad geltend gemaht. Seine Partei verlange auf dem Gebiet des Civilrechßts absolute Aufhebung der Gerichtskosten und auf dem Gebiete der Strafrecht#pflege Mitwirkung des Volîs, aber nicht in der Weise wie jetzt, wo die betreffenden Geschworenen und Schöffen voa den Richtern ausgesu@t würden, Zur Zeit fei das Recht nit Auéfluß des Volksberoußtseins, sondern datjenige, was den herr- senden Klassen von Nutzen sei.

Abg, Stadthagen: Eine Reform der Antwaltsgebühren- ordnung wüns? er mit dem Abg. Dr. Boekel. In Bezug auf den Wucher scheine der Abg. Dr. Boeckel nur eins zu ver- gessen: die Auswuherung der Arbeitskraft, und er jet neugierig, ob der Abg. Dr. Boeckel bei dem Arbeiters{ußge|eß gegen diese Art des Wuchers Front machen werde. Er habe si aber nur zum Wort gemeldet, um einige Fragen an den Staatssekretär zu ribten. Na 53 der Strafprozeßordnung dürften ffFentlihe Beamte über Umstände, welhe si auf ihre Amtspflichten ezôgen, als Zeugen nux mit Genehmigung ihrer vorge!eßten Behörden ernommen werden. Diese G:nehmigung, heiße es weiter, vürfe nur ersagt werden, wenn die Ablegung des Zeugnisses dem Wohle des Reichs oder eines Bundesstaats Nachtheile bereite, Er ha®e in vielen Fällen gefunden , daß dieser Paragraph die Handhabe biete, um die Wabrheit zu verhüllen. Dies gelte besonders von etner Reibe von Sozialistenprozessen. Er habe si wiederholt gefragt: Wie kann der preußishe Stat oder bas Reich dadur®© Schaden erleiden, daß tie Wahrheit enthüllt wird, daß dargelegt wird, daß ein Beamter belogen ist oder nicht? Er habe den Einèruck gehabt, daß in den meisten Fällen die vorgefeßzte Behörde die Senchmigung zur Zeugenautsage eines Veamten nur verweigert habe, weil fe gefürchtet babe, durch die Enthüllung der Wakrheit könne es schein:n, als ob der preußishe Staat oder die deutschen Bes börden mit Elementen in Verbindung ständen, mit denen in Verbindung zu treten ansiändige Menschen si sonst \ch{euten. Der 8. 53: müßte dabin geändert werden, daß kein BVürger im Deutfchen Reich fortwährend Gefahr laufe, irgend einer lügenbaften Kreatur zum Opfer zu fallen, deren Namen dagegen von den Beamten nicht ge- mnat werden dürfe, weil die vorgesetzte Behörde ohne Angabe von Gründen ih auf den §, 53 füge. So sei hier in Berlin einer iener belicbten „Spißel“ unter seinem Eide befragt worden, 6 er mit dem betreffenden Polizeiklommissar in Verbindung gestanden habe. Er habe dies verneint. Er (Redner) fei nah dem Ergebniß des Verhôrs überzeugt , daß der Mann einen Meineid geleistet habe, Nun sei der Kommissarius befragt worden: „Dit diefer Derjenige gewesen, der Ihnen die _Na@richt gebracht hat?“ Er habe geantwortet: „Ja, das zu sagen, hal mir meétne vorgesezte Behörde verboten.“ Wenn das o weller gehe, dann untergrabe man allerdings das Ansehen der Behörde. Man werde es im Volke nit verstehen, wie die Regierung mit einem Menschen, der vor Geridt und außerbalb desselben lüge und dies GesDäft als Gewerbe betreibe, in Verbindung stehe, und daß nit die Hand- babe geboten werde, um folhe Leute zu entlarven. Kin zweiter Punkt betreffe die Verantwortlichkeit der Staatsanwalte und Richter. Man wisse, daß der leiseste Zweifel an der Gewissenbaftigkeit eines Ricbters oder Staatsanwalts sofort zur Anklaze der Zweifelnden

T E 0

s Ls g 5 A 10

o,

Le S

ero

if führe. Er meine, die moralis§e Verantwortlihkeit genüge nit,

es gehöre weiter dazu, daß ein etwaiger Verstoß gegen das Strafgesegbuch mit aller Strenge des Gefeßes au gegen Richter und Staatsanwalte in Anwendung gebracht werden müsse. Wer fônne nun den Staatsantoalt anfklagen, wenn er dieses oder jenes Yerbrechen oder Vergeben im Sinne des Sirafzeseßbuhes begangen habe ? Wenn der Erste Staatsanwalt Jemand zu Unrecht anftlage oder eîne Anklage unterlasse, zu der er verpflichtet gewesen sci, so seien beides \chwere Verbrechen, die das Geseß mit Zuct1hauëstrafe bedroße. Nun werde aber doch ter Erste Staatsanwalt nie und nimmer sich selbft anflagen, tazu gebôre ein so mafelloser reiner Charafter, wie er eben in den Reihen Derjenigen, die solhe Verbrehen begingen, nik gefunden werde, Nun könne sich allerdings der Verleßte vem Ober-Staatsanwalt beschweren. Da sage aber der Ober-Staatéanwall : er fönne niet einschreiten, dena der fubjektive Thatbestand NVerbrehens liege nicht vor. Weil ter Anklager behauptet daß der Erfte Staatsanwalt dieses ¡ßtsein gehabt so tlage er ihn wegen Beleidigung an.

s seten das für Zustände! Er (Redner) möchte alîo die egte» rurg um Aufklärung bitten, ob sie Remedur nah der Richtung afen wolle, daß sie eine Anklagebehörde au gegen Staatëanmwalte ihafffe. Der Abg. Dr, Hartmann habe neulich gesagt, daß gegen derartige Vergehungen ja das Ober-Landesgericht, das Kammerger.cht u. f. w, Abbülfe scwafften. Das sei ganz s{chôn, aber in Preußen z. B. seten die böten Stellen mit Richtern besetr, die eine kürzere oder längere Zeit früber Staatsanwalt gewesen seten. Hier in Berlin fei indestcns ein Viertel sämmtliwer höheren Stellen mit früheren valten beseßt, und da wisse man on, was dabet herauês-

. In Bezug auf dea Strafvollzug werde eine ganze Ans

zahl von Verschen begangen, obne daß die betreffenden Beamten zur Verantwortung gezogen würden oder werden könnten. Ve- sonders schlimm stehe es mit der Untersuhungshaft. Die Unter- suchung8cefangenen sollten geseßlich nur solche Beschränkungen er- leiden, welde zur Sicberung des Zwecks der Haft oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung in den Gefängnisien nothwendig seien. Nun fei es aber in Preußen eine cigenthümliwe Einrichtung, daß über die Untersuhungs8gefangenen lediglich die Gefängnißinspektion zu bestimmen habe. Würden die Gefangenen allerlei Beshränkungen unterworfen, und wende man sich dann beshwerdeführend an den Ritter, so heiße es: Ja, er könne darin nihts weiter thun, daran sei die Aufsichtsbehörde \chuld, er fönne fi darin niht mis{en. Die Untersuungsgesangenen seien dem Schuße des Ricbters unterstellt, und derselbe Richter könne diese ungeseßlichen Maßregeln nit verhindern. Er habe cinmal einem Untersuungs- gefangenen den Heine zugeshickt. Das sei als eine unzweckmäßige Lektüre zurückzewiesen worden. Eine Beschwerde einzureichen sei in den meisten Fällen gar nicht möglich. In drei Fällen, in einem einzigen Monat sei er verhindert worden, mit dem Unterfuchungs- gefangenen zu sprewen. Er habe davon abgeschen, disziplinarishe Bestrafung direkt zu beantragen, weil er i gesagt habe, die unteren Beamten seien gebunden durch das Reglement der oberen Beamten. Das Reglement des preußischen Justizminifteriums für die Gefängniß- verwaltung stehe nicht im Einklang mit den Bestimmungen der Strafprozeßordnung. Möge der Untersuhungégefangene \{chuldig sein oder nit, so lange er noch nit verurtheilt sei, dürfe seine

Freiheit nur beshränkt werden, so weit es der Zweck der Haft und die Aufrechterhaltung der Ordnung erfordere. Beschwere ih z. B. ein Arbeiter, so müsse er erît den langen Instanzenzug dur&magen; er gehe (ließli an den Kaiser, und wenn das Alles nichts helfe, komme er zu den Sozialdemokraten, und wenn diese ihm sagten: Da sei nichts zu machen, fo fange die Sa®e wieder von vorne an. Swließli komme der Staatëanwalt auf den Gedanken: Sollte das nit ein Querulant fein? Der Mann werde angeklagt und das Entmündigungsverfabren gegen ibn eingeleitet. Nun noH einen kleinen Fall: Es sei cin Mann angeblich wegen Geheimbündelei zu 6 Monaten Plözenfee verurtheilt und gezwungen worden, die eiserne Maske zu tragen, Der Mann habe vorgestellt, daß feine Lunge frank sei und er durch die Maske an der freien Athmung verhindert werde. Er kabe gebeten, daß man ihm die Maske abnehme. Er (Redner) habe nun an den JIuftiz-Minister in Preußen in diefer Be- ziebung ein Gesuch geri@tet, weil er sich gesagt habe: ehe der Staatsanwalt geantwortet hat, if#t der Mann mit irgend einem Uebel \chon behaftet. Der Justiz-Minister babe die Sache zur Entsceidung an den Dber-Staatëanwalt abgegeben, und dieser habe erwidert: Ew, _Woblgeboren find garniht berechtigt und legitimirt dazu, die Bescwerde zu führen. Nun habe er (Redner) in dem Prozesse nicht nur vertheidigt, sondern au Gelegenheit gehabt, eine schriftlihe Vollmacht einzurei@en. Er möhte an die ReichSregie- rung die Bitte ridten, dafür zu forgen, daß im Interesse einer ein- beitlihen Rechtsprebung die Behörden angewiesen würden, bevor sie irgend eine Verfügung erlicßen, wenigstens die Akten einzusehen ; sie hätten in diesem Falle gesehen, daß eine s{riftliche Legitimation vorhanden gewesen sei. Ferner bitte er, daß man politis&en Gefan- genen nicht cize Maske anlege, wie es viclleiht bei Dieben und anderen Verbrechern noibwendig set.

Staats2sefretär von Oehlschläger:

Meine Herren! Die ersie Frage, welche der Herr Abgeordnete gestellt hat, betraf den §. 53 ter Strafprozeßordnung und ging dabin, ob der Herr Reichskanzler nach den gemat#ten Erfahrungen nit An- laß habe, auf Abänderung dieser Vorschrift binzuwirken. Ich kann darauf nur die Antwort geben, daß noch kein Fall eines Mißbrauchs des 8, 53, weder in Folge einer Beschwerde, noŸ§ auf anderem Wege zur Kenntniß des Neis. Justizamts gekommen ift, also au kein Anlaß bisber H geboten hat, der Frage ciner Aenderung des S. 93 der Straf- proteßordnung näher zu treten.

Die zweite Frage, betreffend die für ein Vorgehen gegen Mit- glieder der Siaatsanwalis&aft zuständigen Anklagebebördin, bedarf faum noch einer Antwort von meiner Seite, da der Herr Abgeordnete demnächst im Laufe seiner Ausführungeu stch felbst die ert’ prehende Antwort dabin gegeben bat, daß ein anderer Staatsanwalt zur An- Élageerhebung zu bestellen oder die Anklage direkt vom Ober-Staats- anwalt zu erheben sei. Au die weitere Frage, was zu geschehen babe, wenn der Ober-Staatsantoalt oder der subfstituirte Staatsanwalt ihre Pflicht nit thun follten, bat der Abgeordnete selbst sich beant- wortet. Er hat nämli si erinnert, daß in folhem Fall2 noch die Beschwerde an das Ober-Landesgericht gegeben jet.

Der Herr Abgeordnete bat aber dann ecingewen \chwerde an das Ober-Lande8sgeriht wenig Werth habe, wei derart besctt würden, daß tie Mehrzahl der Richter niht geneigi wären, gegen einen Staaisanwalt Arklageerbhebung anzuordnen. Allein

eine

n, und auc abgesehen hiervon, tande sein, Abhülfe zu gewähren, gebührt, Beschwerden in

thatsählihe Grundlage nit würde die Reibêregicrung

dieser Richtung also niht vor ständigen Landtaz gehören.

Der Herr Abgeordnete bat s{iüicßlih cine Reibe einzelner Be- ihwerden vorgebracht, auf die ih nicht näher eingehen fann, weil mir jedes Material fehlt, diese Fälle einer Beurtheilung zu unterziehen, und weil diese Fâlle ebenfalls auf dem Gebiete der Partikulargeseßgebung liegen, nämlich auf dem Gebiete des Strafvollzugs. Wir haben vorhin ausführlih darüber verhandelt, daß der Strafvollzug bis beute noch nicht «inbeitlich geregelt worden ist, sondern daß dort die Partikulargeseßgebung noch in voller Kraft besteßt. Es kann alfo auch für diese Fälle die Abhülfe nit hier gesu@t werden, vielmekr wird der Herr Abgeordnete eventuell sich dieserhalb an den preußischen Landtag wenden müssen.

Das Gehalt des Staatssekretärs wird bewilligt.

Zur weiteren Ausarbeitung des Entwurfs eines bürgerlihen Gesegbuches werden verlangt 200 000 f, 80 060 A mehr als im vorigen Jahre.

Abg. Hahn: Die Materie des Wasserrehts habe im bisberigen Entwurf dcs bürgerli@en Gesezbuches leider keine Behandlung ge- funden. Die in den Motiven für diefe Unterlassung angegebenen Gründe Ealte er für unzulängli@: es solle nur das Privatrecht, nit das öffentliche behandelt werden. Nun sei aber das Wasfserreckt auch privatre@tliher Natur. Das preußische Landrecht bestimme, daß jeder Uferanwobner für die Untertaltung und Freimaung der über tein Srunditück fließenten Flüsse verpflihtet sei. Daß das eine privatrechtlihe Bestimmung fei, habe an ein Erkenntniß des Ober- trivunals anerkannt. Es Tônne nit allein vom polizeilihen Standpunkt beurtheilt werden, ob und wie weit Jemand sich von scinem Nachbar habe überschwemmen lassen. Der 1882 dem preußiscen Abgeordnetenhause vorgeleate Entwurf über die

ugni}e der Strombauverwaltung gegenüber dex Uferbefißern be-

ausdrüdlid, daß der Haupttheil der Materie im bürgerlichen buch geregelt werden solle. Die Wasserverbältnifse in den Grenz-

n der verschiedenen deutschen Kleinstaaten, z, B. der tbüringischen,

! au dringend eine reichSgeseßliwe Regelung, und das bürger- Bescgbuch sollte diefe nibt vorenthalten.

Der Titel wird bewilligt.

Zum Neubau des Reichsgerihtsgebäudes in Leipzig wer- den als fünfte Nate 650 000 F verlangt,

_ Berichterstatter Abg. Dr. Hartmann richtet im Auftrage der Budgetkommission an dea Staatssekretär eine Anfrage über den Stand des Baues und darüber, ob man mit der veranschlagten Summe ausreihen werde.

Staatssekretär von Oehlshläger:

Meine Herren! Ih kann Jhnen die gewüns{chte Auskunft dahin ertbeilen, daß die Umfassungëwände des Gebäudes in Mauerfteinen lertiggeitellt find, daß dann ein Nothdac errihtet worden und unter diesem der größte Theil der Deckengewölbe hergestellt is, Unsfertig E noch, und zwar au im Plan, die Kuppel, welche sich über der Dalle des Mittelbaues erheben soll, Der bezügli@e Entwurf ist Seitens der Akademie des Bauwesens beanstandet, und in Folge davon ist dem Architekten der Auftrag ertheilt worden, seinen früßeren N einer Umarbeitung zu unterziehen. Mit dieser Umarbeitung stt gegenwärtig der Architekt beschäftigt und hofft sie etwa 2 ¿um Mai dieses Jahres zu beendigen. Inzwishen wird aver der Bau fkeine UnterbreGung zu erleiden haben. Vielmehr steht der Kuppelbau so außer Konnex mit den übrigen Arbeiten, daß die letzteren hierdurch nit berührt werden.

In diesem Baujahre soll nun die Bekleidung der Façaden mit Sand-

R Cre

stein in Angriff genommen werden und es sind die betreffenden Ver- träge bereits abges{lofsen. Nach Lage der Dinge steht mit voller Sicherheit zu erwarten, daß wir den Bau in der anschlagsmäßigen Zeit erden vollenden können. Der Mietbsvertrag mit der Stadt über das Gebäude, in welchem das Reichsgericht zur Zeit untergebracht ist, läuft am 30. September 1895 ab, und wir nehmen an, daß spätestens am 1. Oktober 1895 der Umzug aus dem alten Gebäude in das neue Gebäude erfolgt sein wird. Ebenso ift mit großer Wahrscheinlichkeit, eigentli® mit Gewißheit darauf zu rechnen, daß die Bauanschlagssumme nicht wird überschritten werden. Allerdings könren ja in dieser Hinsicht nech unvorhergesehene Zwischenfälle eintreten. Soweit aber solhe sich nicht ereignen, wird die ans&lagëmäßige Summe für den Bau vollständig ausreichen.

Der Stand des Bauwesens wird von Zeit zu Zeit durch pboto- graphis{he Aufnahmen festgestellt, und ih gestatte mir, für die Herren, wel&e Interesse daran haben, die im Daember des Vorjahres auf- genommenen Photographien zur Einsicht biec auf dem Tisch des Hauses niederzulegen.

Nor Ti : enz t Éi :

Der Titel wird bewilligt, desgl. die Einnahmen und der ganze Rest des Etats der Reihs-Justizverwaltung.

Darauf fährt das Haus in der Berathung des Etats der Reihspost- und Telegraphenverwaitung fort.

B E 20° Oaller ver Vorstehéx von Posl- ämtern“ bittet

Abg. Dr Hartmann um eine Aufbesserung der im Nach- tragë-Etat _nicht berüdsictigien Postdirektoren, die jeßt vielfach schleWter gestellt fzien als ihre Sekretäre.

_ Direktor im Reihs-Postamt Fischer: Dadurch, daß die Gehbalts- aufbefserungen im Nadtrags-Etat unmittelbar vor den Poitdirektorer abgeschlossen bâtten, sei in der That in einer nit geringen Anzahl von Fällen der Uebelstand herbeigeführt, daf: der Cbef des Amtes ein geringeres Einkommen beziehe als die nahgeordneten Postsekretäre. Es fônne nit verkannt werden, daß dadurh Schwierigkeiten für die Aufrechterhaltung der Stellung und Disziplin entstehen könnten. Die Hoffnung, dur Gewährung von Stellenzulagen Abhülfe zu s{affen, sei ni@t erfüllt worden, weil nah dem Vorgange in Preußen Stellen- zulagen an folde Beamte nit gewährt werden könnten. Es feien indeß Verhandlungen eingeleitet, um so bald als mögliS den Miß- stand zu beseitigen.

Der Titel wird bewilligt.

Bei Titel 31 „Postagenturen“ bemerk

Abg. yon Meyer: Die Postagenten sei Funktionen, acer nit amtliche Qualität sie unter die Beamten auf Widerruf z1 bisher 540 nd [ollten j f erböbt 3 auêreichen, a selbe Zu die Leute müßten L zel Lokal hergeben ; sie hätten nit selten einen Kafsenve 15 C00 Æ jährli; zuglei n sie Stationen die bei Tag und t bei ihnen vorübergebe ; i bis sech8 Poftboten zu beaufsichtigen, die ein viel hôher?zs Gehalt b als sie jelbit. ei sei ein Hauptkreuz dieser Leute, daß

er gar nit bâtten, sondern nd Sra n angetwrelen leren, aber verantwortli sle für Alles. erechtigung bätten fie nicht; es irgend einem anderen Fonds für diese Postagenten etwas m geleistet werden. Vielleicht könnte man ihnen auch die Befug einräumen, daß, Falls ihre Agentur zam wirklihen Postamt erhoben werde, sie in diefe Stelle einträten. Gegenwärtig bâtten sie dieses Recht nicht, wenn sie au noch fo lange gedient hätten und noch so qualifiziri seien.

Staatssekretär Dr. von Stephan:

äIchH bin dem Herrn Vorredner sehr dankbar für die Wärme, mit der er siŸ dieser Klasse sehr braver Angehöriger der Post- verwaltung angenommen hat. Es ifff ja au, wie der Herr Vorredner bereits erwähnt hat, in dem jeßigen Etat Vor- sorge getroffen, daß die Bezüge dieser Beamten erhöht werden, und es fängt das zusammen mit der allgemeinen Befsoldung®- erhöhung, die im vorigen Jahre vom hohen Haufe genehmigt worden ist. Sie sind damals in demselben Rabmen geblieben, in welchem Re standen, und find einrangirt auch mit dieser Zulage von der ih ebenfalls gewünsht hätte, daß auêëgefallen wäre, da, wo sie hingehören, uxrd fie \ behandelt wocden naH den Normen, welhe damals von dem Reihs- taze und naher von dem Bundesrath vorgeschrieben word sind. Ob es thunlich sein wird, für diese Angehörigen d Postverwaltung es sind das Beamt: auf Widerruf dreimonatlice Kündigung gau künftig etwas zu das wird ledigli davon bäng? in welhem Temp Besoldungêéaufbefserungen im Allgemei De

1

Alu

Ta 2a 34)

“e

- =

ir von

_

nat

g

-_

ße aus dem Rahmen kberaustreten fein Anla5 vor, es würde das

Aus den Titeln, die der geehrte fann ibnen nichts bewilligt werden, weil das Titel für die Unterbeamten sind. Soweit darin natürlich Beiträge für Botenposten, Hülfe- leistungen u. dergl. stecken, bekommen sie auch die Vergütung. Inso- fern ift es nicht richtig, daß sie die Selbstkosten der Verwaltung tragen. Und endlih bekommen sie in besonderen Bedarfsfällen, in Fällen, wo Noth eingetreten ist oder Krankheit, aus dem Remune- rationsfonds Tit. 37 besondere Unterstüßuugen. Aber es besteht die vollste Sympathie bei uns für diese Klasse sehr braver und pflict- treuer Angeböriger der Postverwaltung. Der Titel wird bewilligt.

Bei den Betriebs3koften im Bereich der Tele- graphie bemerkt Staatssekretär Dr. von Stephan:

Meine Herren! / Es werden bei diesem Kapitel, welhes die Be- triebskosten der Telegraphie betrifft, 15 Millionen Mark im Ganzen in Anspruch genommen, etwas über 3 Millionen Mark mehr als im vorigen Iabre. Es ift das ja keine unbedeutende Summe, und ich halte mi für verpflichtet, einige Elemente wenigstens mitzutheilen, auf denen die Mebrforderungen beruhen.

Das ift erstens die Weiterentwikelung des Telegraphen- netes, Wir konnten damit nicht zurückhalten, obwohl Deutsch- land von allen Vndern in Europa die meisten Tele- grapbenstationen hat, England nit auêgenommen, nämli eine Anzahl von 11200 Telegraphenanstalten. Im Jahre 1888 waren es 10 000; in den beiden Jahren 1889/90 sind also 1200 neu eingerichtet, Wir müssen in demselben Tempo weiter gehen, um die Bedürfnisse des Landes zu befriedigen, in welhem die Industrie sich immer mehr ausdehnt, ih erinnere an die Zuckerindustrie, an die chemischen Fabriken u, \. w.; es muß in Folge dessen das Leitungs- ney verdihtet werden. Es sind in den leßten beiden Jahren 30 000 km

Stuttgart gelegt, Württemberg bat si angesch{lofen. Na Bayern ift die Linie ¡wishen Dresden und Hof auf dem deutschen Postgebiete weitergeführt und wird in Bayern im nähsten Frühjahr in Angriff genommen werden, so daß zwisœen München und Berlin eine unterirdische Telegraphen- linie bestehen wird, wie Fe jeßt {on zwishen Stuttgart und Berlin im Gange ift. Es is s\odann hergestellt eine direkte Leitung nach Rom. Bisher war Rom nur zu er- reihen über Mailand mit Unmtelegraphirung und Ueber- tragung und auf dem Wege über Wien auch mit Umtelegrapbirung. Eine direkte Linie obne irgend wel&@e Uebertragung und Um- telegraphirung bestand bisher nißt. Es ift gelungen, durch Ber- einbarung und durch Entgegenkommen der Königlih bayerishen, der Kaiserli Köoniglichß öfterrei®isch - ungarishen und der Königlich italienishen Regierung jeßt eine Linie direkt zu bauen von Berlin über München, den Brenner, Verona nach Rom, und es ift diese Linie vor etwa seck8 Wochen in Betrieb genommen. Sie funktionirt aus- gezeihnet; ih selber habe im Telegraphen’aal nahgeseben. Schrift kommt ia großer Vollendung in wenigen Sekund i Rom nah Berlin, ohne Uebertragung. Ertfernung 1947 km beträgt, daß diese längste Linie, die wir bisher batten,

so ift das eine ganz

S ; - Z ermäßnen, weil mebrere H

intere daf für biefo Reth 185 intere!\irten, day fur diele Leitung aus

Ea A ft «4 I 4, Ran der das beste Leitung8ve

} 2 e 494 Gi, s Lawinen d l DETGD! idrabt verwen N

naÿ England

Es haben Ermäßigungen stattgefunden im tele; kehr mit England, Sck&weden-Norwegen, Italien, Belgi Westindien, Mexiko, mit Mittel- und Süd-Amerika, und e Ermäßigung bevor zum 1. Iuli in ziemlich bedeutendem

E

É E R E. c. hr mit Franfreih und Rußland, fod

2 A

e L ult mitoere sz j zum 1. Juli mitgerechnet, sämmtliche

Deutschland

tausend Elemen

bureau,

Reihs-Postamt 1, Es ift gebaut worden mit Genehmigung des Reih zwei Iabren stand es im Etat eine eigene einem Grundftück in der Köpnickerstraße, die wir beim Experimentiren gebraußen. s ift erwcitert wo Telegraphen'chule, wo f Lehrgegenstände umfafsen Pbysik, Chemie, Mechanik, Mathematik Telegraphenbau und Apparatwesen, Handelsgeogaravhie, Handels- und Völkerrecht und Finanz- und Volkswirthschaft. Endli und damit will ich {ließen stebt im n re die elektrotehnische Ausstellung in Franifurt a. M, be (t sich dabi um die Lösung des großen Probletmét ung auf weitere Entfernungen auf elckirishen tarum bandelt, die Kraft der Wafserf ten verrauscht, dem Dienst der Menîf kar zu machen. Es werden in diesen mehrere Tecniker bingeschidckt 1 Telegraphenamt, die diese babe beute früß den erste i ctommen es werden in Oerlikon bei Züri, | Transforma- toren aufgestellt, und utende Kraft überiragen woriì in Benußung eine Spannung von etwa 39000 as enorm viel sage ill; und diese Kraft ift f f Entfernung von es als vollständig aussictsreic ersDeinen lasen, daß es auH gelingen wird, diese Kraft auf weitire Ent- fernungen, bis zu 200 km zunäwst, fortzuführen. Ströme von fo hoher Spannung sind ja zum Theil gefäbrlich. Nimmt man starke Ströme, die nicht f Svannung ungefährlich sind, fo bedürfen sie eines ßen Querschnitts des Leiters; dadur wird der Draht theurer un ur u ih geführt werden, was die Sache außerordentlich ers{wert. Nimmt man ftarke Ströme mit s{chwacher i S P H nicht auf leichteren Drähten geführt werden. Es wir Strom in eixer Spannung von ursprünglich 100 Bolt erzeugt, aber durch sogenannte Trans- formatoren, dur die urchgebt, Metalldraht-Widckelungen, die fi in großen mit Oel gefüllten Kufen befinden, bis auf 30 000 Volt ver-

stärkt, und auf sol@en Dräßten, die niht ftärker sind als unserê Telegraphendrähte, nämlih 4 mm im Durchmesser, kann er auf Ent- fernungen geführt werden, wie man anzunehmen alle Ursa§e hat nach diesem ersten gelungenen Experiment, bis auf Entfernungen von 200 km. Nun will man in Frankfurt den Wasserfall von Lauffen am Neckar benutzen, um die Kraft in das Ausstellung8gebäude mit diesem Verfabren überzuleiten, das je8t in Oerlikon versucht worden ist. Es ift das eine Entfernung von 180 km, und man bofft, unter Antvendung der entsprehendenMaschinen diesem Wasserfall eineKraft von etwa 300 Pferden zu entziehen, die mit momentaner Snelligkeit, mit der S{nelligkeit, mit der die Elektrizität überhaupt arbeitet, nah Frankfurt übergeleitet werden, um fie im Ausftellungëgebäude zu allerlei Zwecken zu ver- wenden; man kann fie in Lich1 verwandeln, in motorishe Betriebs- fraft umseßen, indem man sie auf die einzelnen Gewerbeftellen, auf kleine Maschinen vertbeilt. Kurz, es ftebt zu boffen, daß diese neue Errungenshaft der Wissenschaft, die der Welt, namentli® dem Gewerbeverkehr, einen ganz außerordentlihen Aufs{wung zu geben berufen ifi, die namentli für das kleine Gewerbe von großer Wichtigkeit sein wird, indem man die Maschinen auf jeden Stubl einer Werkstatt vertheilen kann, gelingen wird. Das ift das

Drabtleitungen gezogen worden, die unterirdishen Linien find na

Experiment, das in diesen Tagen in Oerlikon versucht worden ift. Ich