1891 / 33 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 06 Feb 1891 18:00:01 GMT) scan diff

und noch beute steht die Kolonialregierung auf dem Boden diefer Direktive. Es war nothwendig, daß solche Direktive gegeben wurde und daß man sich klar wurde, was denn eigentlih gesehen sollte ; denn dieser Zustand, in dem wir lebten, war eben unerträglich; wir mußten heraus aus ihm, und das war eine der wesentlichsten Schwierigkeiten, die uns beim Abschluß des Vertrages mit England entgegentraten. England hatte Zeit und war ni@t begehrlih. Ge- sättigt von reihen Kolonien, spielte etwas mehr Witu oder Sansibar für England nicht die Rolle wie für uns, wo ja durch die Theil- nabme der Nation an diesen Dingen die Kolonien für uns einen idealen Werth gewonnen hatten, von dem in England keine Rede war.

Eine weitere Ersbwerung der Verhältnisse bei den Verhandlungen

lag darin, daß man mit Dingen zu thun hatte, die geographisch und re{tlich zum großen Theil nit definirbar waren. Es handelte sih um ganz unbekannte und unbenannte Größen, Es kam binzu, daß England dem Sultan von Sansibar gegenüber die stärkere Stellung einnahm. England ist dort seit Anfang des Faÿrhunderts thätig gewesen, und wenn ih aern anerkenne, daß die deutschen politischen Agenten, welche in Sansibar thätig waren, es dort bis zu einem gewissen Grade von Einfluß ges bracht hatten, so war der Engländer do der Stärkere dem Deutschen gegenüber. Das deutsche Element auf der Insel und in der Stadt Sansibar hatte zugenommen, ein starker Zulauf von zum Theil fragwürdigen deutshen Elementen hatte stattgefunden, und dies Vor- handensein der Deutschen war den Verhandlungen und unserem Verbältniz zum Sultan schon seit Langem nihcht mehr förderlich gewesen. Die Deutshen waren mehr laut als einflußreih dort. So traten wir unter nit leiten Verhältnissen in Unterhandlungen mit England ein. Ich werde naher darauf zurück- kommen, was wir damals erreicht haben. Ich bin noch heute der Ueberzeugung, die ih beim Abschluß der Verhandlungen hatte, daß, wenn wir von dem Werthe von Helgoland absehen und von der Frage, in wie weit sch unser Verhältniß ¡zu England dadur gebessert hat, der Vertrag für uns vortheilhaft war. (Sehr richtig! links.)

Fh will mir nun erlauben, die wesentlihsten Vorwürfe, die da-

gegen erhoben worden find, durchzugehen. Eine Menge Kleinigkeiten fasse ih unter einen Vorwurf zusammen: Ihr habt nicht genug gekriegt; und in der deutschen Presse ging man soweit zu sagen, der brave deutsche Michel hätte si{ von dem perfiden Albion übers Ohr hauen lassen und wäre nur mit einem kleinen Stück der Beute nah Hause gekommen. Ein fremder Staatsmann soll die Aeußerung während der Verhandlung gethan haben: „Gott, wenn man nur Deutschland ganz Afrika geben könnte!“ In dem Ausspruch liegt die Anerkennung, daß die Sache do irgendwo eine Grenze haben müßte. Man hatte die Theorie des Hinterlandes erfunden und war in deren Anwendung nibt sparsam gewesen. Nun mußte si die Kolo- nialregierung aber doch die Frage vorlegen: was fönnen wir auf die Dauer balten? wie weit reihen unsere Kräfte? wie weit reiht das Geld, was Deutsche in Kolonien anzulegen gesonnen sind, und wie weit reiht unser Menschenmaterial, was in den Kolonien verwendbar ist? Und da, bin ih der Meinung, war von Hause aus eine Schwäche unserer Kolonialpolitik und ih betone wiederum ausdrücklich, um jedem Mißverständniß vorzubeugen: ih übe hiermit keine Kritik an meinem Amtsvorgänger —, das lag in der öffentlihen Meinung, in den Verbält- niffsen, wie die Kolonien bei uns geboren wurden. Man hatte nämlich an zu vielen Stellen gleihzeitig angefangen und haite nun beide Hände voll mit Dingen, die man zu verwerthen niht im Stande war, weil man weder Geld noch Menschen dafür hatte. Ist diese meine Ansicht richtig, so folgt weiter, daß über eine gewisse Grenze binaus jede Vermehrung des Umfangs unserer Besißungen in den Kolonien zu einer Shwähhung werden mußte; denn wenn wir do nit die Kraft hatten, das zu verwalten und zu balten, was wir ge- wonnen batten, so mußte in dem Mehrnehmen Maß gehalten werden. sonst wuchs die Shwäche.

Von den zablreihen einzelnen Punkten, die bemängelt worden sind, ift manter {on der Vergessenheit anheim gefallen. Zwei find von den Hrrn. Abgg. Graf Mirbach und von Kardorff ausdrücklich erwähnt worden, und ih erlaube mir deshalb, näher auf sie zurück- zukommen. Sie hatten immer bis dahin in der öffentlihen Meinung noch einen dritten Kollegen, den ih aber jeßt, nachdem er bier nit erwähnt ist, für abgethan balten darf: die Walfishbai. Die beiden, welche noch jeßt genannt wurden, find Witu und Sansibar.

Nun, was is Witu ? Meine Herren, in der Denkschrift, die die Kolonialregierung veröffentlicht hat am 29, Juli im „Staats-Anzeiger“, bat fi die Regierung mit derjenigen Vorsicht, die durch unser Ver- hältniß zu England und zu den Gesellschaften, welche in ibrer Thätig- keit und in ibren Einnabmen nit zu beeinträhtigen die Regierung ni@t allein ein Interesse batte, sondern die zu {hüten fie verpflichtet war, also mit derjenigen Vorsicht, die diese Rücksichten geboten, bat fe die Regierung autgesprochen. Es steht da au ungefähr zu lesen, was sie über Witu denkt. Da ih nun do annehmen muß, daß das, was da ftebt, den Herren niht genügt hat, daß sie immer noch meinen, Witu muß für ein hinreihend fulturfähiges und wohl zu erwerbendes Land angesehen werden, so will ich mir erlauben, aus dein GesGäftéberi&t der damals roch agirenden Witugesellschaft Folgendes vorzulesen. Sie bemerkt,

daß fie auch dem Plantagenbau darauf war sie nämli aufmerksam gemacht worden iz ibm cacbübrende Aufmerksamkeit gewidmet habe, daß derselbe aber, wenn nit dur& Sflavenarbeit erfolgend, \fich unrentabel erweise. Der Werth der Ernten reihe niht einmal hin, um die Auficher und Arbeiter zu ernähren und zu lohnen, geschweige denn einen Gewinn einzubringen. Einige Kokospalmenplantagen seien im Heranwatbien begriffen, würden aber erst in einem Jahrzehnt Früte tragen und alétann erft, wenn überbaupt, sich ergiebig zeigen. Nun kann man to& arnebmen, daß diese Gesellschaft, die mit aroßen Hoffnungen gegründet war, ein noch prafktischeres Interesse daran batte, die guten Seiten von Witu zu finden, soweit welche findbar waren, als eiwa die bloßen Reisenden, die gestern bier citirt worden sind. Wir sind ja mit unserem Material, mit allen Quellen über diese Länder übel dran. Es find zum Theil Berihte von Reisenden und, wie \chon bemerkt ift, der Eine kat das Fieber gehabt, der Andere hat es nicht gehabt, sofort sehen fie die Sache anders an. Darn kommen die Veri@te von Kaufleuten, die fast immer ein Interesse an der Sawbe haben, der Eine will Kon- kurrenz machen, der Andere will fie nit, der Dritte will nicht ge- steben, daß er dort \ck{lehte Geschäfte gemacht hat. Und shließlih

kFindern identifiziren und den engen Kreis, in dem sie wirken, auch für maßgebend für weitere Verhältnisse balter. Ih bin also der Meinung, daß, wenn die Kolonialregierung auf dies Land Witu an si keinen großen Werth legte, bisher das Ge- gentheil, daß sie Unrecht gehabt hat, nicht erwiesen ist. Der Werth von Witu verringerte sich um so mehr, als es im Laufe der Verhandlungen zweifellos wurde, daß wir die beiden Inseln Manda und Patta, die dem Witulande vorliegen, nicht bekommen konnten. Sie ftehen in demselben Verhältniß wie die dritte, Lamu; das war schon durch ein Sthiedsgeriht dem Sultan zugesprochen; daëselbe hätte uns hier passiren können. Nun würde ich aus meinem alten Interesse für die Marine es gewünscht haben, diese Inseln, Manda und Patta, bekommen zu können, weil hinter ibnen ein verhältnißmäßig brauhbarer Hafen war. Die Verhältnisse lagen aber so, daß die Rechtsverständigen, die wir darüber hörten, der Meinung waren, kein Schiedsgericht könne uns Manda und Patta zuspreber. Ohne Manda und Patta aber war dies ganze Wituland für urs ziemli werthles; denn das Beste an ibm war eben nach meiner Ansicht der Hafen; bekamen wir den Hafen nit, fo war auch das Hinterland nichts nütze. Nun war die Witugesell haft im Begriff, sh aufzulösen und si an die Deutsh-O tafrikanishe Gesellschaft zu verkaufen, und ¿zwar mit der ausgesprochenen Absicht, dadurch ein Kompensationsobjekt zu \{chaffen. Diese Absiht hatte die VDeutsh- Ostafrikanishe Gesellschaft acceptirt auf Instanz der Regierung; der damalige Staatssekretär des Auswärtigen An:ts hatte der Gesellschaft eröffnen lassen, daß das Auswärtige Amt gegen den Erwerb des Witulandes durch die Deutsh-Ostafrikanishe Gesellschaft nichts einzu- wenden bätte, aber nur unter der Vorausseßung, daß dieser Erwerb zu Kompensationszwecken erfolge. Also \{on damals, {on ehe wir in den Vertrag cintraten, stand fest: Witu soll zum Kompensations8- objekt gemacht werden. Nun hat Witu, nahdem es an England abgetreten war, noh ehe die Abtretung ganz perfekt war, das Interesse des Publikums von Neuem dadur erregt, daß Deutsche, die eine Unternehmung dahin geribtet hatten, zu Schaden gekommen find; es war das zu be- klagen. Ih will auf die Einzelheiten hier nit eingehen und mi auf die Bemerkung beschränken, daß, auch wenn Witu um die Zeit noG deutsch gewesen wäre, nach den mir bekannten Personalien des Mannes, an dessen Namen si diese Expedition anknüpft, (ch niht den mindesten Zweifel daran habe, daß eine Ausschreitung gegen den Sultan von Witu, die zu diesen Feindseligkeiten führte, gerade so gut unter deutschem Protektorat möglich war wie unter englishem. Die Engländer s{ritten nun ein und haben ein Landungêcorps von 900 Mann etwa drei Tagemärshe in das Innere geschickt, um Witu nicderbrennen zu lassen. Wenn wir nun in der Lage gewesen wären, um der Ausshreitung eines Deutschen willen eine solche Expedition in Scene zu seßen, so würden wir materielle Mittel haben aufbieten müssen, die etwa denselben Umfang angenommen bâtten, wie die Sciffsconcentration um Sansibar im Jahre 1885. Die Engländer halten vermöge der großen Zahl ihrer Shwhiffe auf einer einzelnen ibrer zahreihen Stationen, die von mehreren Flüssen getheilt sind, ungefähr so viel Schiffe, als wir überhaupt im Ganzen Kreuzer in der Welt im Dienst haben. Die Folge wäre die gewesen, daß, wenn wir ein Landungêcorps von 900 Mann hätten zusammenbringen müssen, wir sieben, vielleicht auch acht Kreuzer bätten zusammenziehen müssenz wir hätten also diese Schiffe von anderen Stationen weg- nehmen müssen; es würde sehr lange Zeit darüber vergangen sein und es hätte nicht unerheblihe Kosten verursacht. Denn ih darf daran erinnern, daß a conto dieser Schiffsconcentration bei Sansibar vom Jahre 1885 der Etat der Marine um etwas über eine und eine halbe Million überschritten wurde. Ih meine also, daß auch vom rein finanziellen Standpunkte die Ges@ióte uns insofern Ret gegeben hat, als sie zeigt, wie kostspielig zu Zeiten der Besiß eines absolut werthlosen Landes werden kann. Fh komme zu dem Protektorat von Sansibar. Ich habe mir \chon erlaubt zu erwähnen, daß die Zustände in Sansibar geradezu unerträglid waren. Wir sind bis dahin, wenn au die Interefsen von Engländern unseren Interessen oft entgegengeseßt waren, immer noch weiter gekommen, indem zuleßt eine gewisse Konnivenz von England gegen unsere Interessen eintrat, eine Konnivenz, die bier und da von uns dur die allgemeine Politik ausgeglihen wurde; unsere allgemeine Politik war vielleicht hier und da in der Lage, etwas für England thun zu können. So batte man sich arrangirt. Nun hat man gesagt ih gebe das vollkommen zu —, daß der Besitz von Sansibar den Handel in den bisherigen Verbältniffen gelassen bätte. Der Handel wird an der Küste bekanntlich baupt- \ählich durch Inder, die dort ansässig sind, betrieben. Die Leute sind gewohnt, nah Sansibar zu handeln; au manche andere Verbältnisse \sprehen mit. Troßdem aber mußten wir uns von Sansibar trennen. Denn daß uns bei diesem Vertrage das Protektorat abgetreten worden wäre, wenn England niht gewollt bâtte, das war au8geschlofsen. Es konnte damals nur der Zuîtand eintreten, der einzutreten pflegt, wenn zwei Mächte mit einander verhandeln und es nit zum Kriege kommen laffen wollen, sich auch zur Zeit kein Kompensationsobjekt in der allgemeinen Politik findet: daß man dann den flrittigen Punkt auf \i@ beruhen und den status quo fortbestehen läßt. Das war aber das, was wir nicht konnten. Denn wir waren unbedingt in der Nothwendigkeit, von dem zehn Seemeilen breiten Küstenstreifen die Flagge des Sultans herunter- zubekommen; wir waren weiter in der Nothwendigkeit, dies Resultat zu erreichen, ohne cinen Groschen Geld dafür in der Tasche zu haben. Nun hat man gesagt: hättet Ihr gewartet, so wäre Euch ja dies ganz von selbst zugefallen. Ja, das ist ein Moment, was meinerseits nicht als dur&shlagend anerkannt wird. Wenn man die Voraus- setzung hat, daß die Verhältnisse der allgemeinen Politik cinmal so werden könnten, daß England geneigt wäre, für irgend einen Preis, den wir anderswo zahlen, uns das Protektorat von Sansibar zu über- laffen, wenn ein solcher Zustand einmal eintceten könnte —, so weiß ih niht, warum derselbe niht jeßt ebenso gut eintreten kann, wie no zu der Zeit, als der Sultan souveräner Herr von Sansibar, aber unter Englands Einfluß war. Fch will noch auf einen Vorwurf eingehen, der uns wiederholt gemackt worden ist, nämli den, daß Fürst Bismarck diefe Abtretung \chwerli® gema§t haben würde. Man hat die jeßige Regierung darin mit der vorigen verglihen, und der Verglei fiel zu unserem Nachtheil aus. Nun würde ih ganz und gar ein pflichtvergefsener Mens sein, wenn ih, als id in dieses Amt eintrat und solche Ver-

der bedeutende Mann gewesen wäre, der er war, davon überzeugt bätte: was sind denn sür Vorgänge da und was hat denn die Regierung in der Sade vor, was hat sie für einen Standpunkt cin- genommen? Das war ja eine ganz felbstverständiiche Pflicht, und Sie können glauben, daß i dieser Pflicht mit großem Eifer na- gegangen bin.

Da hade ih nun in Bezug auf Witu gefunden, daß im Oktober

des Jahres 1889, als der Fürft Bismark sich auf seinem Landsige befand, und die Frageswegen der Annektirung des Küstenstries von Witu bis Kismaju angeregt worden war, er na Berlin schreiben ließ: „Mag die Nachricht richtig sein oder niht; jedenfalls bittet der Reichskanzler dringend, vor jeglihem Vorgehen fi sorgfältig zu vergewissern, ob nit Engländer daselbst bessere Rechte haben oder au nur zu haben glauben. Die Erhaltung von Lord Salizbuiy hat für Se. Durch- laubt mehr Werth wie ganz Witu.“ (Hört, hört! links.)

Und was das Protcktorat von Sansibar angeht: es war im Dezember 1888; es hatte eine Budgetverhandlung stattgefunden, bei dec die Frage angeregt worden war, ob man nicht das, was wir jeßt haben, im Wege des gütliwen Vergleichs bekommen Éönnte, nämli den Erwerb des Küstenstreifens auf dem Festlande, dieses zehn See- meilen breiten Küstenstreifens, durch eine Abfindung des Sultans, und ih glaube, der Hr. Abg. Oechelhäuser, unterstüßt auch dur Abgeordnete anderer Parteien, hatte die Ansicht aufgestellt, man könne für diefen Küstenstreifen wohl 10 bis 20 Millionen dem Sultan von Sansibar bieten. Es war dann die weitere Idee angeregt worden, man könne dann den Engländern an einer anderen Stelle auch zu Willen sein. Da hat mein Herr Amtsvorgänger an den Rand des Berichts, der ihm über diese Kom- missions\sißung gemaÿt worden ist, geschrieben : „Darüber müßten wir zunächst England fragen, wo ih Zustimmung kaum erwarte. England ist für uns wichtiger, wie Sansibar und Ost-Afrika. (Hört, hört! links.)

Ih glaube also, der Vorwurf eines leihtsinnigen Abweichens von den Traditionen meines Vorgängers oder der, eine falsche Bahn eingeschlagen zu haben, weil sie nicht die meines Vorgängers war, kann mich in dieser Beziehung nit treffen. (Bravo! rets.) Na&dem wir nun unter vielen Mühen und ich kann fagen, ih habe mit Spannung den Moment erwartet, in der leßten Stunde zog er sich noch hin, bis die Unterschrift unter den Vertrag gescßt war —, nachdem wir das mit vieler Mühe erreiht hatten, kam die vielleiht noch größere Mühe. England hatte sich in dem Vertrage verpflichtet, uns beizustehen, daß wir gegen eine billige Ents&ädigung den Küstenstreifen, soweit ‘der Sultan noch Hoheitsrehte an ihm hatte, von ihm bekommen follten. Ja, eine billige Entshädigung; das \hreibt fich leiht, naher aber wird das Wort sehr drückend, wenn man positiv, wie wir, keinen Pfennig in der Tasche hat. Womit sollten wir den Sultan ent- \chädigen ? Es blieb uns also nichts übrig, als in Verhandlungen mit der Ostafrikanishen Gesellschaft einzutreten. Während wir nun hier auf der einen Seite den Versu maten, aus den Taschen der Ostafrikanishen Gesellschaft, deren Verwaltungsrath um die Zeit nicht zusammengebracht werden konnte, weil die meisten Mitglieder auf Reisen waren, eine Mark na der anderen herauszuholen, fo ver- suhten wir auf der anderen Seite, in England um eine Mark nah der anderen den Preis herunter zu drücken (Heiterkeit), und fo sind wir von dem ursprüngli angeseßten Preise und ich wiederhole nohmals, selbs in der Budgetkommission waren 10 bis 20 Millionen nit für zu hoh gehalten worden, der Hr. Major Liebert in seinem Reiseberichte hatte auh noch die Summe von zehn Millionen als eine ganz zahlbare für den Gewinn dieses Küstenstreifens gehalten auf vier Millionen heruntergekommen. Aber auch diese vier Millionen wollten beschafft sein, und das war recht s{wer. Es reite aber nit hin, diese vier Millionen zu beschaffen, wir mußten weiter Geld bekommen, um das Land, wenn wir nun die Herren ge- worden waren, melioriren zu können. Der Aufftand hatte das Land verwüstet, die kleinen Küstenstädte waren Haufen von Ruinen, die Plantage Lewa war niedergebrannt, zerstört. Nicht allein diese Schäden mußten wir herstellen, fondern wenn aus dem Küstenstreifen überhaupt etwas werden sollte, mußten wir in der Lage sein, eine Telegraphenlinie anzulegen, hier und da Wege zu bauen, und eine Zahl Meliorationsarbeiten mußten vorgenommen werden, die die Regierung felbst vorzunehmen feine Neigung hatte; sie mußte Leute finden, die sie vornehmen wollten. Wir mußten also zahlbare Menshen an unserer Seite baben, die weiter mitwirken wollten, um das, was wir nun dur den deutsch-englishen Vertrag in Oft-Afrika gewonnen hatten, ausnüßen zu können. Es wurde darauf der Ihnen bekannte Vertag mit der Oft- afrikanischen Gesellschaft abgeschlossen. Die Gesellschaft brate die vier Millionen noch recktzeitg auf ; am 29.Dezember konnten wir sie zahlen, und se brate außerdem eine Summe von etwa sechs Millionen auf, die sie si vertragëmäßig verpflichtet hatte, in das Land hineinzustecken, um es zu melioriren. Das Reih übernahm die Verpflichtung, aus den Zöllen, die die Ostafrikanishe Gesellshaft vom Sultan von Sansibar gepachtet hatte und deren Ertrag nunmehr an das Reich überging, die Gesellschaft zu einem billigen Zinsfuß, der in dem Vertrage festgeseßt ist, zu entshädigen. Die Summe, die das Reih der Gesellschaft dafür jährli zu zahlen hat 600000 K, wenn ich mich nit irre —, ist geringer, als der Ertrag der Zölle, selbst in dem Auf- standsjabre, wo Handel und Wandel nahezu ganz ftille gestanden haben, gewesen ist. Es ist also nicht wahrscheinli, daß in abseh- barer Zeit die Höhe dieser Zölle heruntergehen wird. Ih will Eins zugeben (weil ih niht das Bestreben habe, hier irgend etwas zu ver- \hleiern): die Sache kat auch ihre Schwierigkeiten. Der Elfenbeinhandel, auf den wir bis jeßt in der Hauptsache basirt find und der eine Quelle dieser Zölle ist, ift Raubbau. Es wird, wenn es so weiter geht, einmal eine Zeit kommen, wo feine Elephanten mehr da find; aber noH sind wir nicht so weit. Und dann ist es eine Erfahrung, die andere folonisirende Nationen gemacht haben, nicht mit dem Elfenbein, aber mit Gold oder anderen kostbaren Stoffen, daß, wenn man erst gewisse Wege eingeshlagen hat, die ursprünglichen Artikel nit mehr erforderli bleiben. Es treten andere Artikel an deren Stelle, und so sind wir zu der Annahme berechtiat, daß die Deut schafrikanishe Geselschaft nah wie vor ihre Rente wird vom Staat erhalten fönnen.

Bamberger gestern mißverständlih sagte; er meinte, das Reich hätte die moralis@e Verpflichtung übernommen, wenn nun doch über alles

baben wir Briefe von Missionaren, die fich oft mit ihren Tauf-

handlungen übernahm, mich niht, felbst wenn mein Vorgänger nit

Erwarten die Zölle einmal geringer würden, dana mit seinen Mitteln

Ib möhte mi noh gegen etwas verwahren, was der Hr." Abg.

beizuspringen. Das mar mir cin reuer Getarke. Diese moralische Verpflittung habe ih bisher nit empfunden, ih weiß au nit, ob das Reid sie empfinden würde, jedenfalls würde das dann von Ihrem Empfinden abhängen. Wir mußten ja, wenn wir in Ost-Afrika weiter kommen wollten, bei dem Vertrage mit der Gesellshaft niht bloß das fiskalische Interesse im Auge haben, sondern dieser Gescllschaft , die ein ver- bältnißmäßig bedeutendes Kapital in Ost-Afrika angelegt hatte, dur den Aufitand kolofsal gelitten hat, und in einen Zustand versetzt worden war, daß sie, wenn ihr niht vom Reih, indem das Reich ges wisse Funktionen übernahm, geholfen wurde, vielleiht niht wieder lebensfäßig geworden wäre; der Gesels@aft mußten wir soviel Swonung angedeihen lassen, daß sie lebensfähig blieb und- mit einiger Aussicht auf Erfolg in Ost-Afrika weiter wirken kann. Ih glaube, daß auch dieser Vertrag mit der Ostafrikanaischen Gesells{chaft sowohl für das Interesse des Reichs wie für das der Gesellshaft ein guter ist,

Nun sfagt man, und ich glaube gestern auh von dem Hen. Abg. Bamberger einen Anklang davon gehört zu haben —, Ihr bättet do das Geschäft qua Reich mathen sollen und die 4 Milionen vom Reich aufbringen, das wäre einfacher und vielleiht au vornehmer ge- wesen, Zweifellos, denn vornehm war dies nicht (Heiterkeit), das gebe ih zu, wenn die Reichsregierung sih bemühen muß, um nach und nah eine Privatgesellshaft dahin zu bringen, daß sie si überzeugt, daß ihr Interesse und das Reichsinteresse Hand in Hand geht, wenn sie 4 Millionen aufbringt. Das ist niht vornehm, aber wir konnten niht an den Reichstag gehen, einmal schon zeitlich nit, wir mußten am 29. Dezember das Geld von hier abshicken, wenn es am 1. Januar in London gezahlt sein sollte. Nun frage ih: welche Chancen hatten wir, das Geld vom hohen Hause bis zum 29. Dezember vorigen Jahres zu bekommen? Wahrscheinlih gar keine. (Heiterkeit)

Also dieser äußere Umstand hinderte uns s{chon. Zweitens hatten wir gar keine Neigung, indem wir qua Reich den Sultan bezahlten, dessen Rechtsnachfolger zu werden; denn der Vertrag, den der Sultan mit der Gesellshaft geshlossen hatte, war cin für den Sultan viel ungünstigerer, als für die Gesellschaft. Man hat dann weiter gesagt: ja, Ihr konntet den Sultan regreßpfli®tig machen, wenig- stens wegen der Kosten des Aufstandes, oder Ihr konntet der Deutsh- Ostafrikanishen Gesellschaft die Kosten des Aufstandes mit ein paar Millionen in Rehnung stellen und ihr erst dann Zinsen zablen, wenn diese Millionen eingebraht worden wären. Ja, der Gedanke war ja naheliegend und, wenn ih ihn auch von Haus aus nit für er- folgreich gehalten habe, so babe ih mich doch für verpflihtet ge- halten, ein Votum des Reihs-Justizamts darüber einzuziehen: wie weit geht wohl unser Anfpruch an die Regreßpfliht tes Sultans und der Oftafrikanischen Gesellshaft. Das Reihs-Justizamt verneinte den Arspruch nah beiden Rihtungen. Der Sultan hatte sich sehr wesentlicher Hoheitêrechte entäußertÄnd den Vertrag sehr vorsichtig abgeschlossen, daß von ihm nichts berauszukriegen war. Die Deutsch-Ostafrikanishe Gesellschaft aber regreßpflihtig mahen zu können, verneinte das Reichs-Justizamt auf Grund des Geseßzes wenn ih mich nit irre vom 2. Februar 1889, Die Motive zu dieser lex Wissmann, in denen gesagt worden war, daß man den Wissmann zum Reichs- Tommissar oder einen Reichskommifsar einseßen und große Ausgaben machen wollte von so und so viel Millionen, niht im Interesse der deutshen Gesellshaft, au nicht um Krieg zu führen gegen irgend Jemand, sondern im Interesse des Christenthums und der Civilisation, würden nicht hingereiht haben, ein Gericht zu bewegen, daß es die Deutsh-Osftafrikanishe Gesellschaft zum Kostenersaß verurtheilte, wenn wir einen folchen Prozeß hätten anflrengen wollen.

Nun will ih zu der Frage übergehen: Was haben wir denn nun erreiht? wie stehen wir nun jeßt? Wir haben also zunächst erreiht, daß wir vom Sultan unabhängig geworden sind, und das ist Etwas, was ih nit gering anshlage. So oft ich den Vertrag der Deutsh-Osftafrikanischen Gesellshaft mît dem Sultan gelesen habe, so hat mir das Blut etwas gekocht, wenn ich von Sr. Hoheit Flagge, von Sr. Hoheit Rechten in einem Paragraphen fünf, \ech8 Mal lesen mußte. Fragen Sie, wen Sie wollen, von den Herren, die aus Deuts - Oft - Afrika herkommen! Ihre Klagen fangen damit an: so lange die Sultansflagge in Ost-Afrika wcht, ist nichts zu machen, kein Araber begreift, daß hier der Hr. von Wissmann Herr sein foll, so lange die Flagge des Sultans weht, das muß erst in Uebereinstimmung gebraht werden. Das i} ein wesentlicher Erfolg, und ein Erfolg, den wir rach ureiner Meinung, fo wie die Sachen lagen, durch die Konzession, daß Eng- land das Protektorat über Sansibar haben sollte, niht zu theuer erkauft baben. Der Herr Redner gestern sagte, wir hätten Sansibar aufgegeben. Das möthte ih doch niht in diesem Wortlaut zugeben, denn wir hatten es nie, es war ein ftrittiger Punkt; wir haben aber unsere Ansprüche von Sansibar zurüdckgezogen, die Übrigens auG nie begründet waren, fondern nur in dem faktishen Wettstreit zwischen Deutshland und England ihre Begründung finden konnten, und haben geglaubt, daß wir ein sehr gutes Geschäft machen, indem wir den 10 Seemeilen breiten Küstenstreifen bekommen, ein sehr gutes um deswillen, weil wir ohne diesen Küstenstreifen absolut niht vom Fleck kämen. Wenn wir den niht bekamen, war der Vertrag mit der Oftafrikanishen Gesell- schaft nicht möglih, und ich mag kaum ausmalen, welche Zustände die Folge davon gewesen sein würden. Wir haben ducch den Vertrag ein abgegrenztes Gebiet in Ost-Afrika bekommen und haben dadur die Möglichkeit, mit Organisationen vorzugehen. Wie wir über die Interessensphäre und das Schutzgebiet und den Küstenstreifen denken, ist Ihnen gestern gesagt worden. Da die Sahe heute noch einmal in diesem Punkte angeregt worden ist, so will ih bemerken: gewiß, wir werden unsere unmittelbare Reihsverwaltung in dem Gebiet der Interessensphäre immer weiter ausdehnen in dem Maße, als eben Deutsche in der Interessensphäre vorgehen, und in dieser Beziehung bat es mich gefreut, den Werth zu hören, der hier vom Hrn. Abg. Dechelhäuser auf das Vorgehen im Norden gelegt wroorden ist; denn

gerade diese vormalige, streitige nördliGße IJInteressensphäre ist dasjenige gewesen, was wir bekommen haben, die süd- lihe ift den Engländern geblieben. In der Vortragsentscheidung Sr. Majestät, die ich mir erlaubt habe, Ihnen vorzulesen, wird \chon gesagt, wir solkten auf die nördlihe hinwirken und dafür die südliche preisgeben. Wir hatten {hon damals den Eindruck, daß die nördliche, in der der ganze Victoria-Nyanza und ein Ufer des Tanga- njika liegt, für uns ungleih werthvoller sei, als die südlihe, die nah dem portugiesishen Gebiete hingeht. Das, was der Hr. Abg. Oechel-

bestätigen, daß wir in tieser Wahl recht gethan boben. Es ist vielleidt Engiand auch nit ganz leiht geworden, uns diesen nördlichen Theil zu lassen; denn er liegt dem nördlichen englis{en Theil nake und ift wohl au feruhtbarer im Vergleich zu dem, worum Eng- land am Zambesi si noch streitet. Wenn wir nun zu organisiren anfangen werden, so wird unser Bestreben dahin gehen, das, was wir nun {hon feft haben, nah und nah weiter auszubauen und von da ins Innere zu gehen, alfo von der Küste ins Inland zu ocganisicen und nit umgekehrt. Es hat Afrikakenner gegeben, die der Meinung waren, es wäre beffer, man finge bei den Seen an und drebe die Sache um. Der Meinung sind wir nit, wir müssen von da aus, wo wir unsere Bezug®quellen haben, also von der Küite aus nach dem Irlande vorgehen. Wir werden tas thun in dem Maßz, als wir die Mittel finden und nicht auf Schwierigkeiten stoßen, deren Ueberwindung Zeit und Geld kostet. Soweit ih jeßt übersehea kann wird das im Norden nick&t der Fall sein, Wir werden verbältniß- mäßig schnell an die Seen kommen, und wenn wir mit den vor- handenen Mitteln auch nur ‘eine einzige Karawanensiraße mit kleinen Stationen werden befestigen können, so glaube ih, daß damit viel gewonnen sein wird. Wir toollen die Verwaltung als unmittelbare Neich8verwaltung oder, wenn der Ausdruck erlaubt it, obe wohl er für das Deutsche Reich absolut unkorrekt ist, als Kron- kolonie übernehmen. Der Hr. Abg. Bamberger hat uns vor- geworfen, daß wic damit mit unserer Vergangenheit brähen. Es kann sein, daß er damit Ret hat, aber die Verhältnisse zwingen uns dazu, und „der Noth gehorchend, nicht dem eigenen Triebe,“ über- nehmen wir die unmittelbare Reihsverwaltung, weil, wenn wir das nicht thäten, aus garz Osft-Afrika voraussihtlich nichts werden würde. Die Deutschostafrikanishe Gesellschaft ist mit uns damit einverstanden, da sie nicht in der Lage ist, Deutsh-Ost-Afrika selbst zu ver- walten. Sie kat ih deshalb an die Regierung gewendet und die Regierung, die ja über ungleih größere Mittel verfügt, ist Willens, die Sache zu übernehmen, und hat die nöthigen Einleitangen bereits gethan. Das ist an und für sich auch gar nivt etwas so Abnormes; dern wenn inan sich mit der Geshihte der Kolonien anderer Staaten beschäftigt, deren Entstehungsweise vielfah eine ganz andere ift, zwishen denen und den unseren eine Parallele beinahe unmögli ift, so muß man doch das zugeben, in der Kindheit pflegen die Kolonien selbständig zu sein und dann wieder im hoben Alter- kurz che sie vom Mutterlande abfallen; ihr mittleres Leben wird aber fast immer durch eine Regierung Seitens des Mutterlandes aus- geführt. Wenn wir nicht so schnell in die Kolonialypolitik bhinein- gekommen wären, hätte man sich vielleiht {on auf dem einfachen Wege des Studiums sagen können, daß dies das Shicksal der Sache sein würde. Wir können auch aus einem anderen Grunde von einer stärkeren Mitwirkung der Regierung zur Zeit gar nicht absehen, weil das Land faktisch noch nicht pazifizirt ist. Der Norden i} zur Zeit es kommen ja kleinere Gefechte vor; das will aber nicht viel sagen beruhigt. Wie der Süden ift, das wissen wir niht; es sind weite Gebiete, in denen überhaupt noch kein Deutscher gewesen ist; ih darf nur an eine Expedition gegen den Häuptling Machembe erinnern, die wieder erfolglos zurückgekommen ist. Eine Gesellschaft, wie die Deutscostafrikanische, ist überhaupt nit in der Lage, Krieg zu führen; das kann nur das Rei, und wir können gar nicht sagen, ob diese Art der Pazifizirung sich in 1, 2, 3 oder 4 Jahren vollziehen wird. Also auf Jahre wäre die Reichsregierung ohnehin engagirt.

Liegen nun die Verhältnisse so, so folgt weiter, daß die Truppe, die jet da ist, in ihrem Bestande nicht verringert werden kann, daß sie aber auch in der bisherigen Weise niht weiter bestehen kann. Das kontraftlihe Verhältniß, dur das die Offiziere an den Major von Wißmann gebunden sind, ist doch nur ein lockeres und kann auf die Dauer nicht den Geist erzeugen, den eine Truppe, die zu so \{chweren Aufgaben wie die Truppe in Ost-Afrika berufen ist, unbedingt braucht. Das geht nur, wenn sie eine andere, höhere Spitze über si hat, und es ershien darüber ist au in der Truppe selbst gar kein Zweifel unbedingt nothwendig, aus der Wissmann’'shen Truppe cine Reichs- trubpe zu machen.

Sie wissen aus den Denksriften, wie sie organisirt werden soll; ih brauche darauf niht cinzugehen, ih kann nur sagen und das sage ich im Hinblick auf eine Notiz, die jeßt durch die Zeitungen geht —, daß das Schickfal der Offiziere, die jeßt da sind, der Kolonialregierung am Herzen liegt. Es wird allerdings eine Ver- ringerung in der Zahl der Offiziere eintreten müssen. Es wird also den Einen oder Anderen das Stwhicksal treffen, si es aus Gesundheitsrücksihten oder sei es, weil eben zu viele da sind, daß er zurückommen muß. Wir werden aber das Bestreben baben, ihm eine Uebergangszeit zu \{chaffen, die ibm den Rücktritt in andere Verhältnisse erleihtert. Was für Mittel dazu erforderlich sind, können wir niht übersehen, voraussihtlich sehr geringe, es wird si um vier bis sechs Offiziere handeln. Jch kann aber annehmen, daß, wenn wir zu diesem Behuf den Etat überschreiten werden, das hohe Haus uns deshalb nicht wird übel wollen.

Es wird bei der Organisation der Schußtruppe als Grundsatz festgehalten werden müssen, daß die weißen Offiziere und Unteroffiziere, die hingehen, möglichs| das Gefühl behalten, daß sie Deutsche sind. Die Franzosen haben mit ihrer Truppe die {lechte Erfahrung ge- macht, daß, wenn Leute draußen blieben mit der Aussiht, ihr Leben lang nit wieder zurückzukommen, ein gewisser Zustand der Ver- wilderung eintrat. Das werden wir zu vermeiden suchen müssen. Wir werden danach trachten , einen gewissen Turnus zu finden, in dem die Truppe sich von hier aus ergänzt. Wir werden neben der Landtruppe, wie Sie durch den Herrn Berichterstatter gehört haben, eine kleine Truppe haben müssen, die durch Schiffe den Verkehr an der Küste vermittelt.

Wenn Sie mi nun fragen, wie eine geordnete Verwaltung ge- hafen werden und wie das gedacht werden soll, so kann ich Ihnen darüber keine Antwort geben. Das läßt sich von hier absolut nit übersehen. So viel kann ih aber übersehen, daß die Verhältnisse im Norden der Küste andere sind als im Süden, daß sie im Innern ganz andere sind als an der Küste. Wenn wir nit in den Fehler verfallen wollten, von hier aus Maßregeln zu ergreifen, die, wenn die Posten sie nah Ost-Afrika bringen, unausführbar sind oder an Ort und Stelle unter dem helleren Licht der tropischen Sonne so klare Fehler zeigen, daß der Mann, der sie ausführen soll, sie nit ausführen kann, so blieb ‘uns nichts Anderes übrig, als einen einzigen Mann mit mög- list ausgedehnter Vollmacht und voller Verantwortlihkeit an Ort

Hauses, wir möchten dana trachten, mit der Zeit das Reich zu ent- lasten. Ja, ganz gewiß thun wir das, das thun wir {on jeyt; und wenn die ostafrikanishe Kolonie so gedeiht, wie i es hoffe und für wahrscheinlih halte, dann glaube ih, daß das Reich in absehbarer Zeit in die Lage kommen wird, diejenigen Kosten, die es beute noch felbst aufwenden muß, aus den Einnahmen, fei es der Zölle, oder anderer Cinnahmemiltel, die stch uns eröffnen werden, sicher zu stellen. Ich stimme mit dem Hrn. Abgeordneten Grafen ron Mirbach darin ganz übirein ich glaube, er war es, der das sagte —, daß es fehr \@wer fein wird, den Handel von Sansibar nah der Küste zu ziehen. Aber der Versuch muß gemacht werden, Warum follen wir unter fremder Flagge an einem dritten Orte handeln? Es kann das das ist ganz richtig Jahrzehnte dauern, bis wir so weit sind kein Mensch kann das überschen; aber ich möchte überhauvt vor dem Glauben warnen, daß das, was wir nun in den Kolonien vorhaben, leiht gehen wird. Das ift gerade, ein Fehler im Anfange unserer Kolonisation gewesen, daß auch die betheiligten Kreise sich die Sache viel leichter vorfstellten und, als es nun s{werer war, hie und da wohl zu ermatten geneigt wären. Keine JIllusionen! Das, was wir da treiben, wird Mühe und Arbeit noch auf lange Zeit sein; aber ich bin der Meinung, wir haben keinen Grund, davor zurück- zushrecken,

Die Kolonialregierung hat sih dafür entshieden, Dar-es-Salaam zur Hauptstadt unserer ostafrikanishen Kolonien zu machen. Daß sie an der Küste liegen muß, ift unter den gegebenen Verbältnissen klar. Die Sawverständigen und Ortskenner \ch{wankten zwischen Bagamoyo, dem größeren Handel8ort, und Dar-es-Salaam, dem besseren Hafen. Daß Dar-es-Salaam unser Kriegshafen wenn ih diesen groß- klingenden Ausdruck gebrauchen darf für Ost-Afrika werden wird, ist zweifellos, und es wird sich denn dafür schienen uns die meisten Motive zu spreWen empfehlen, den Schwerpunkt unserer Regierung dahin zu verlegen. Inwieweit Plantagenbau, Bergbau möglich scin wird, das wird zum guten Theil auh von der Frage abhängen, wte weit es uns gelingt, die Bevölkerung an Arbeit zu gewöhnen. Ich stehe vollklommen auf dem Standpunkte derjenigen, die si dafür begeistern, den Sklavenhandel abzuschaffen und zu unter- drücken; man kann aber auf der anderen Seite nicht leugnen: Für unser Kolonialunternehmen war es vielleißt niht günstig, daß die Unterdrückung des Sklavenhandels mit dem Beginne des Plantagenbaues a tempo fam, denn bisher ist der Plan- tagenbau, wenigstens wo er tief in der Kindheit lag, immer nur geglüdt, wenn er durch Sklaven betrieben rourde. (Hört, hört! links.) Wir werden fehr sorgfältig darin sein müssen, daß wir die Interessen der an der Küste wohnenden Inder shonen. Wir brauchen die Leute, sie sind geborene Handelsleute, sie haben Beziehungen bis weit in das Innere von Afrika, und wir wären nicht im Stande, fe zu ersetzen. Wir werden uns bestreben, ihre Kräfte uns nußbar zu machen; fürs Erste aber werden wir sie \{onen müssen.

Das wäre ungefähr das, was sih von der Sache sagen läßt, und ih komme nun noch einmal darauf zurück; die Hauptsache ist die Personenfrage. Es hat mich die warme Anerkennung, die der gegen- wärtige Gouverneur von Kamerun Freiherr von Soden hier gefunden hat, gefreut. Wie in der Vortragsentscheidung, die ih mir zum dritten Male erlaubte anzuführen, \chon gesagt worden ist: Es muß Einer über Alle gestelt werden, anders kann es nit gehen. Jeßt mußten wir Einen suchen, und ih glaube, darin werden die Herren mit mir einverstanden sein, es mußte Einer sein, der fremd bin kam, der mit den Dingen, die da jeßt vor si gehen, nichts zu thun gehabt hat, der auch Kenntniß in der Verwaltung tropisher Länder mitbrahte. Und der einzige Mann, den wir im Augenblick dafür Sr. Majestät in Vorschlag bringen konnten, war Freiherr von Soden, der mit so großem Geschick aus der Anfangs auch verzweifelt \{ecinenden Kolonie Kamerun etwas gemacht hat. Hr. Freiherr von Soden ging nun hin, um sih die Sade anzusehen, und behielt s seine Entscheidung darüber, ob er das Kommissorium übernehmen könnte, vor, bis er an Ort und Stelle geschen haben würde. Er is wiedergekommen, keineswegs als Optimist. Er vergleiht man§es mit Kamerun, und findet manches in Kamerun besser als in Oft-Afrika, er findet auch, daß manche Silderungen, die er vorher gelesen hat, übertrieben sind, er kommt aber doch wieder mit dem Glauben, daß aus der Sache etwas zu machen ift, und er würde den Auftrag niht übernommen haben, wenn er nicht dieser Ueberzeugung wäre.

Es ift nun erwähnt worden das Schicksal der Männer, die bisher da thätig gewesen sind, des Majors von Wissmann, des Emin Pascha und des Hrn. Peters. Die Kolonialregierung ist erbötig und wird ih sehr freuen, wenn diese Herren ihre Erfahrung, ihre Energie weiter der Kolonisation von Osft-Afrika widmen wollen. Es ist ja in diesem weiten Terrain, das viel größer is als Deutschland davon is nur ein kleiner Theil bisher erst bekannt, ein klciner Theil erst unter deutshe Herrschaft gestellt da is schr viel Raum, nit bloß für drei, sondern auch für mehr Männer, die da arbeiten wollen, fodaß ihre Placirung nicht die mindeste Schwierigkeit bietet, Wir müssen nur eine Be- dingung stellen, daß sie in leßter Instanz von dem Gouverneur von Soden abhängig sind. Jch glaube, die leßten Ereignisse werden uns gezeigt haben, wie nöthig das ist. Wir können von hier aus sol{che Expeditionen ganz uamöglich dirigiren, das kann nur an Ort und Stelle geschehen; wir sind aber gewillt, die Sache fo einzurichten, daß für die Distrikte, in denen diese Herren wirken, ihnen Hr. von Soden von den weiten Vollmachten, die er bekommt, so viel delegiren kann, als er für nôthig hält. Jch glaube, daß damit die Herren cinen Wirkungskreis bekommen, wie sie ihn sih niht besser wünschen können. Sie treten aus der Abhängigkeit, in der sie früher gestanden haben, als sie die Expeditionen ausrüsteten, lediglih in eine Abhängigkeit vom Reich, die nur so weit geltend gemaht werden wird, daß sie in Bezug auf ihre pekuniären Mittel und in ihren Aufgaben, die ihnen vorzuzeichnen find, vom Reih abhängen, Im Uebrigen wird man ihnen voll-ck kommen freie Hand lassen. a So gebe ich mich dem Glauben hin, daß wir, wenn wir auf Osft-Afrika sehen, im Augenblick {on ein Bild vor uns haben, was besser ist als das war, welches wir vor einem Jahre vor uns hatten. Und ih hoffe, daß, wenn wir nach einem Jahre wieder vor Sie treten, das Bild noch etwas besser geworden sein wird; denn ih wiederhole: nur nach großen Zeiträumen können wir wirklich in die Augen fallende Erfolge erwarten. Ich habe aber den festen Glauben an die deutshe Nation, daß fie an zäher Arbeit hinter keiner anderen

und Stelle zu seten.

häuser sagte, und die Erfahrung, die wir bis jeßt gemacht haben,

Es ist der Wunsh ausgesprohen worden von jener Seite des

zurücksteht und daß es ihr gelingen wird, das, was sie einmal an-

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