1891 / 37 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Feb 1891 18:00:01 GMT) scan diff

dec Cigarre zugewendet. Dies bedingt leihtece Tabacke und hat für das Elfaß die Folge gehabt, daß der dortige schwere Tabak nit mebr in dem Maße leit abschbar ift, wie es früher der Fall war.

Was speziell den vorgelegten Antrag der Hrrn. Abgg. Menzer, Grafen Douglas und von Winterfeld betrifft, so bezweckt derselbe eine erheblide Erhöhung des bestehenden Eingangszolles und eine erbeblihe Ermäßigung des jetzigen Tabacksteuersaßes. In der Denk- \chrift ist auf der Seite 5 mitgetheilt, daß die betheiligten Bundesregicrungen einer Erhöhung des Eingangszolls theils überhaupt, theils zur Zeit abgeneigt nd, und daß für eine Ermäßigung der bestehenden Tabasteuer im gegenwärtigen Moment si keine der betheiligten Regierungen ausgesprochen hat. Sollte, was ih zunähst noch nicht annehmen möchte, der Reichstag in seiner Majorität dem gestellten Antrage zustimmen, also die vor- geshlagene Resolution beschließen, so würde sich daraus für die ver- bündeten Regierungen die Pflicht einer erneuten Prüfung der Frage ergeben. Ih glaube, es würde aber nur dann eine veränderte Stellungnahme der verbündeten Regierungen mit einiger Wahrscein- lihkeit cintreten können, wenn in der Diskussion wirklih neue, bisher innerhalb der verbündeten Regierungen niht erörterte Gesichtspunkte zu Tage treten, was bisher niht der Fall gewesen ist.

Abg. Scipio: Daß der Konsum des inländischen Tabas seit der neuen Steuerveranlagung abgenommen habe, sei richtig, aber der deutshe Tabak gehe au in großen Mengen ins Ausland. 1875/76 habe die Produktion 42 000 t betragen, von denen 13—14 000 ex- portirt worden seien, also ein Drittel der gesammten Produktion. 1886/87 habe die Grnte 38000 t betragen, von denen 7216 exportirt worden seien. Daraus gehe die Bedeutung des Exports ür den deutschen Tabakbau hervor. Gefreut habe er ih, daß die Regierung, einer von ihm früher gegebenen Anregung folgend, Steuerfreiheit für die Rippen habe eintreten lassen. Die Frage des Auëslaugens möchte er gleihfalls der Regierung in Anbetracht der Wichtigkeit des Exports zur weiteren Erwägung anheim geben. Vielleiht fkönnte auch hier eine Erleichterung der Zollerhöhung cintreten. Eine solhe wünsbte er auch für die durch Hagelschlag g:shädigten Tabake._ Wenn es unmöglich sein sollte, hier durch gescßlihe Vorschriften Erleichterungen zu {hafen, so könnte vielleicht eine weitergehende Ermächtigung der Exefkutivbehörde günstig eingreifen. Daß in Elsaß-Lothringen viele Sympathien für das Tabackmonopol aus der französischen Zeit existirten, zeigten die Vertreter für Elsaß-Lothringen im Reichstage jedes Jahr. Man vergesse aber in Elsaß-Lothringen, daß ein Monopol in Deutschland ganz anders auf Elsaß-Lothringen wirken würde, als es das französische Monopol gethan habe. Als das Monopol in Frankreih eingeführt worden sei, seien {were Tabadte sehr ge- \ucht worden, das Scnupfen und Pfeifenrauchen allgemein ver- breitet gewesen; heute sei der leihtere Cigarrentaback der gesuchtere. Gerade in Elsaß-Lothringen fei der {were Taback gebaut worden, und als sich die Geschmacksrihtung geändert habe, habe si die französishe Regierung bis zum Jahre 1870 verpflichtet gefühlt, nicht glei eine Aenderung eintreten zu lassen. Würde das Monopol heute in Deutschland eingeführt, so müßte man auch der veränderten Geshmadcks- rihtung Rechnung tragen. Man könnte nur ein verhältnißmäßig ganz ge- ringes Quantum des deutschen Tabackbaues auf Elsaß-Lothringen renen, und der Zustand würde für Elsaß-Lothringen gewiß noch s{limmer werden, als er heute fei. Er bitte also seine Kollegen aus Elsaß-

Lothringen, niht immer wieder auf den Monopolgedanken zurüzu- kommen. Sie lei” ten damit ihren Tabackbauern slechte Dienste. Die heutige Steuer drücke niht deshalb, weil das Verhältniß zwischen Steuer und Zoll ein ungünstiges sei obgleich er anerkenne, daß es ctwas über die rihtige Grenze hinausgehe —, sondern deshalb, weil bei der Gewichtsbesteuerung die Qualität nicht berücksichtigt werden könne! Wenn heute der Bauer eine \{lechte Ernte habe, müsse er noch hohe Steuersäße zahlen; er habe also neben dem Quantitäts- und Qualitätsverlust au noch eine drei- bis vierfahe Steuer zu zahlen. Die Steuer auf den inländischen Taba sei in der gegenwärtigen Veranlagungsform zu ho; deshalb werde er für eine Erniedrigung der Steuer stimmen, aber gegen eine Erhöhung des Zolls. Jede Erhöhung des Tabalsteuerertrages be- deute eine Verringerung des Konsums. Eine Ermäßigung der Steuer würde dem Tabackbauern gewiß Hülfe bringen, da der Konsum sh heben würde. Zum Gedeihen der deutschen Tabalckindustrie bei- zutragen, seien alle Parteien dieses Hauses immer bereit gewesen.

Abg. Dr. Barth: Was in der Denkschrift gegen die Er- höhung des Tabatzolles gesagt sei, könne er nur unterschreiben. Es sei ein eigenthümlihes Vorgehen der Antragsteller, dem Reich einfa eine erhöhte Zolleinnahme von ca. 18 Millionen zusprechen zu wollen, obgleih in der Finanzlage des Reichs für eine solche Erhöhung keine Veranlassung vorliege. Man wolle die Raucher zwingen, den \{lechten inländischen Taback zu rauhen, indem man sie mürbe machen wolle. Erst solle der Konsument also den hohen Zoll zahlen, um dann \ch{lechten Tabak zu rauhen. Daß die französische Regie heute den {weren elsässishen Tabak nicht mehr nehme, sei für den Reichstag doch kein Grund, den Zoll zu erhöhen. Gerade der elsässishe Tabak werde vom deutshen Konsum am Allerwenigsten begehrt. Die Herren aus Elsaß-Lothringen hätten bei jeder Diskussion über wirthschaftlihe Fragen dem Reichstage klar zu maten versucht, daß ihre Liebe zu Deutschland in dem Maße wachsen würde, wie man speziell die elsässishen Interessen im Reichstage wahrnehme. Wenn Deutschland si Gen müßte, das Tabackmonopol einzuführen, so hieße das doch die Begeisterung Elsaß-Lothringens für Deutshland zu hoh erkaufen. Wenn gemeint E daß es ih nicht darum handele, dem armen Mann neue asten aufzuerlegen, sondern gerade die Cigarren des Reichen zu vertheuern, so sei zu bedenken, daß gerade das große Quantum ausländishen Tabaks von kleinen und mittleren Leuten verraucht werde. So viel reihe Leute habe man in Deutschland nicht, daß fie die sämmtlihen 400 000 Doppelcentner ausländischen Tabacks, die nah Deutschland eingingen, allein aufrauhen könnten. Wenn die Mehrheit des Reichstages also eine so enorme Erhöhung des Zolls, wie sie in dem Antrage Menzer vorgeschlagen sei, beschließe, fo be- laste sie aufs Neue die unteren Klassen der Bevölkerung und ver- ursace überdies einen großen Rückgang des Konsums an aus- ländishem Taback. Die ganze deutsche Tabackindustrie und den Taback- handel beshwere sie damit aufs Aeußerste.

Damit {ließt die Diskussion. : 5

Der erste Theil des Antrages Menzer, die Erhöhung des Zolls, wird abgelehnt; bei der Abstimmung über den zweiten Theil, die Ermäßigung der Taba steuer betreffend, ergiebt sich die Beshlußunfähigkeit des auses, da 96 Mitglieder mit „Ja“, 57 mit „Nein

Eis also nur 153 Mitglieder anwesend sind, während zur Beschlußfähigkeit 199 generen: t

Schluß 31/, Uhr. Nächste Sißung: Mittwoch 1 Uhr.

Haus der Abgeordneten. 29, Sißung vom 10. Februar 1891.

Der Sizung wohnen bei: der Vize-Präsident des Staats- Ministeriums, Staats-Minister Dr. von Boetticher, der Minister der geistlichen 2-. Angelegenheiten Dr. von Goßler, der Minister des Jnnern Herrsurth, der Finanz-Minister Q M und der Minister für andwirthschaît 2c. von

eyden.

ur dritten Berathung steht der Entwurf eines

Nbg. Freiherr von der Reck erklärte, troß großer Bedenken gegen einzelne Beflimmungen des Gesetzes doch im Ganzen für dasselbe stimmen zu wollen. E

Abg. Brandenburg: Das Wichtigste an dem ganzen Geseß sei ihm, daß hier prinzipiel ein Anspru auf Swadenersaß für Wildschaden anerkannt werde, und er begrüße dasselbe als cinen Fortschritt innerhalb der Bestrebungen zur Besserung der Lage des kleinen Landwirths. i

Abg von Raucbhaupt: Im Namen seiner politischen Freunde fönne er folgende Erklärung abgeben: Ein Theil werde für das Geseß stimmen, obwohl er die \{wersten Bedenken gegen das Gese habe, nur deshalb, weil man aub dem anderen Hause Gelegenheit geben wolle, fich über die Materie auszusprehen; der andere Theil habe, obglei er prinzipiell eine Entschädigungspflicht für Wildschaden an- erkenne, folhe Bedenken besonders gegen die Beschlüsse der zweiten Lesung, daß er au in dritter Lesung gegen das ganze Geseh stimmen

werde. Abg. Conrad: Er glaube, der Minister werde mit großer

Freude dem Gesctzentwurf, der hier zu Stande gekommen sei und der noch lange nit allen Wünschen entspr:che, zustimmen können. Abec auch nah Annahme des Gesetzentwurfs durch die Regierung werde es nöthig sein, daß die großen JIagdbesiter dem kleinen Manne

mit Wohlwollen entgegen kämen. 2 Abg. Strutz: Namens der Freikonservativen könne er eine ähnliche

Erklärung abgeben, wie der Abg. von Rauchhaupt. Eine große Mehr- heit sciner Freunde werde für dea Entwurf stimmen, obgleih er ibnen durchaus nit in allen Stücken sympathisch sei. Er beabsictige den §. 1 nit zu ändern, also eine Scadensersaßpflicht auch für Rehe und Fasanen anzuerkennen, aber im §. 5 die Rehe und Fasanen zu streichen. : : i i Damit {ließt die Generaldiskussion.

In der Spezialdebatte beantragt zu §. 1

,

Abg. Freiherr von Dobeneck, die Kommissionsvorlage wieder- herzustellen und eine Schadensersaßpflicht für Rehwild und Fasanen nicht anzuerkennen.

Der Antrag wird abgelehnt und §. 1 nach dem Beschluß zweiter Lesung angenommen, desgleichen SS. 2—4.

Bei §8. 5 bemerkt / Abg. Freiherr von der Reck: Wenn das Haus sich nicht ent- \hließe, für Rehwild und Fasanen jeßt den Regreß abzuleÿnen, mae es das Geseß für Alle, die etwas von der Jagd verständen, un- annehmbar, und es thue damit der Sache selbst den größten Schaden; das Haus möge also seinen Antrag wegen des Rusf\chlusses des Schadenersatzes für Rehe und Fasanen annehmen, l

Abg. S trußtz begründet einen Antrag, der den Regreß für Rehe beseitigen und nur für Schwarz-, Elch-, Roth- und Damwild einen folhen anerkennen will. i Abg. Francke (Tondern) meint, daß es sehr wohl nachzuweisen

sei, aus wessen Gebiet Rehe und Fasanen ausgetreten seien, daß deshalb auch ein Regreß geschaffen werden müsse, wean man das Gese nit in Bezug auf einen der wesentlihsten Punkte unwirksam

machen wolle. : : A Der Antrag von der Reck wird mit großer Majorität ab-

gelehnt ; der Antrag Struß wird gegen die Stimmen der Kon- servativen, Freikonservativen und der nationalliberalen Abgg. Seer, Hobreht, von Benda, von Eynern und eines Theils des Centrums abgelehnt, §. 5 in der Fassung der zweiten D angenommen.

Zu 8. 7 beantragt Abg. Rintelen, den Anspruch auf Schadenersay nicht bei der für das geshädigte Grundstück zu- ständigen Orts-Polizeibehörde, sondern bei dem Gemeinde- vorsteher anmelden zu lassen.

Nach kurzer Begründung dur den Antragsteller wird der Antrag mit 154 gegen 147 Stimmen verworfen.

Qu 8. 13, der den Besißern von Obst-, Wein-, Gemüse-, Blumen- und Baumschulanlagen das Recht zuspricht, Vögel und Wild, welhe Schaden anrichten, abzuschießen, wird ein Amendement Herold angenommen, welches den bezeihneten Besißern das Recht zuspricht, die Schaden anrichtenden Thiere „zu jeder E abzuschießen.

Der Rest des Geseßes wird ohne Debatte angenommen.

Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:

Meine Herren! Nach dem Gange der Verhandlungen des hohen Hauses darf ich annehmen, daß Ihre Berathungen mit einem posi- tiven Ergebniß \{ließen werden. Es entspricht dies meinem Wunsche, welhen ich bei Beginn der Verhandlungen verlautbart habe, daß die Angelegenheit in irgend einer Form an das Herren- haus fomme und gefördert werde. Wenn ih am Schluß Fhrer eingehenden Diskussion noch das Wort ergreife, so veranlaßt mich dazu der Wuns resp. der Anspruch, den der Hr. Abg. Conrad erhoben hat: ich möhte die Beschlüsse dieses Hauses in allen einzelnen Details mit einer gewissen freudigen Lust im Herrenhause vertreten. Mit überzeugender Kraft und mit Auss\iht auf Erfolg kann man nur das vertreten, von dessen Güte man felbst überzeugt ist. (Sehr richtig !) Fh kann niht behaupten, daß diese Ueberzeugung bei mir bezüglich aller einzelnen Bestimmungen, wie sie jeßt beschlossen sind, besteht. (Bravo! und Bewegung.) Sie werden das verzeihlich finden, meine Herren, gegenüber den \{chwankenden Majoritäten, mit denen die einzelnen Beschlüsse gefaßt sind. Im Uebrigen stehe ih auf dem beim Beginn der Verhandlungen gekennzeihneten Standpunkte, ih werde mih nach wie vor bemühen, daß aus den Verhandlungen beider Häuser des Landtages ein praktisch brauchbares Ergebniß zu Stande komme, und gebe die Hoffnung auf eine der- artige Erledigung der Angelegenheit noch niht auf. (Lebhafter Beifall.)

Darauf wird das Gesey im Ganzen angenommen.

Es folgt die erste Berathung des Antrages Bachem auf Annahme eines Geseßentwurfs, welcher das Geseg von 1851/73, betreffend die Klassen- und Ein- kommensteuer, dahin ändern will, daß in den- jenigen Landestheilen, in welhen für die Ge- meindevertreterwahlen die Wähler nach Maßgabe der von ihnen zu entrihtenden direkten Staat s- Neun E Sen getheiltwerden, allgemein

er Census auf sechs Mark festgeseßt werden soll. Das Geseß soll am 1. April 1892 in Kraft treten und orts- statutarische Bestimmungen, welche einen höheren Census fest- seßen, an demselben Tage ihre Gültigkeit verlieren.

Abg. Fritzen (Borken) begründet den Antrag, der den ein- {Mae Senden Aenderungen, welche das neue Einkommensteuergeseßz

ezüglih des Gemeindewahlrechts in der Richtung einer Verminderung

desselben mit \sich führen werde, entgegenzuwirken bestimmt ist. Redner seßt auseinander , daß auf diese Weise ohne die Aufbietung eines umfassenden geseßzgeberishen Apparats die Verküimmerung des Wakhlrechts der in die dritte Klasse gehörigen Wähler, wie fie in Folge des neuen Einkommensteuergeseßzes zu befürhten sei, abzuwenden sein werde, und bittet das Haus, dem Vorschlage ohne Voreinge- nommenheit und freundlih gegenüberzutreten.

Abg. v. Eynern erkennt zwar die lobenswerthe Tendenz des An-

trags an kann sich aber mit seinem Inhalt nit befreunden. 1886 sei der Antrag vom Hause U berathen, aber \ch{ließlih ab-

chiedenartigen kommunalen Verhältnisse in der Monarchie eine

PUP Raten a aietae

liede worden, weil man allseitig anerkannt habe, daß die ver- ole Scablonisirung nicht ertrügen. Allerdings sei das Spatium

von 6 bis 36 M, an welches die Gesetzgebung gegenwärtig die Be- rechtigung zu den kommunalen Wahlen knüpfe, ein sehr weites, und richtiger würde es vielleiht sein, diefes Spatium auf die Ausdehnung von s bis 18 # zu beshränken, aber einfah die Verscbiedenartigkeit der lommunalen Verhältniffe ganz unberückfictigt zu lassen, fönne man im Interesse der Gemeindefreiheit niht verantworten. Der Antrag bedürfe demna \{chon seiner Form wegen eingebender Kommissionsberathung. Auch die nationalliberale Partei wünsche eine Versciebung des Kommunalwablrechtes nicht und werde \ich{ deshalb an den vorbeugenden Bemühungen in dieser Richtung eifrig betbeiligen.

Minister des Jnnern Herrfurth:

Wenn i zu dem vorliegenden Geseßenlwurf das Wort ergreife so muß ich vorausshicken, daß ih nicht in der Lage bin, bindende Erklärungen Namens der Königlihen Staatsregierung ab- zugeben, Denn bei Geschentwürfen, welWe auf Initiativanträgen aus diesem hohen Hause beruhen, kann der Ressort-Minister und das Staatê-Ministerium bestimmte Stellung sei es eine ablehnende oder eine zustimmende erst dann einnehmen, wenn über die in den- selben geregelte Frage die Allerhöchste Entsheidung Sr. Majestät des Königs zuvor eingeholt worden ist. In dem vorliegenden Fall war dies aus sachliben und zeitlihen Gründen nicht thunlih, und i kann daher nur im eigenen Namen allerdings im Einverständniß mit dem gesammten Staats-Ministerium niht aber Namens der Königlichen Staatsregierung hier sprechen.

&Fch kann nun erklären, daß unter gewissen Vorausfezungen und mit bestimmten Beschränkungen ich mit dem Antrage des Abg. Bachem und Genossen in seiner Tendenz einverstanden bin, obwohl die Fassung des\elben nach Form und Inhalt zu einer Reihe von Bedenken Anlaß giebt.

Die erste und hauptsählihste Vorausseßung, unter der überhaupt auf diesen Antrag meines Erabtens wird eingegangen werden können, ist von dem Hrn. Abg. von Eynern sehr \{arf hervorgehoben worden ; der Hr. Abg. Friten hat, soweit ih ihn verstanden habe, diese Vor- aussezung kaum gestreift. Diese Voraussetzung besteht in dem Zustandekommen des neuen Einkommensteuergesetes. Meine Herren, ih gebe ja den Herren Antragstellern ohne Weiteres zut dieser Antrag besteht für fch und kann für ih bestehen ohne irgend welche Rücksiht auf irgend eine Steuerreform. Jm Jahre 1886 ist ein gleihartiger Antrag gestellt worden, ohne daß damals von irgend ciner Veränderung der direkten Steuern die Rede war. Aber ih erinnere daran: damals ist jener Antrag von der Königlien Staats- regierung bekämpft und von der Majorität dieses Hauses abgelehnt worden, und ih möchte glauben, daß die Gründe, die damals für diese Ablehnung bestimmend gewesen sind, auch heute auss{laggebend sein würden, wenn wir niht eben das neue Einkommensteuergesey zu berathen und die Ausficht hätten, dasselbe zu Stande zu bringen.

Meine Herren, es ist damals meines Erachtens mit vollem Ret ausgeführt worden, daß keine auêreihende Veranlassung vorliege, eine Spezialbestimmung eines einzelnen Gemeindeverfassungsgeseßes aus ihrem Zusammenhang herauszureißen und durh ein Spezialgeseß anders zu regeln, sondern daß diese Regelung in zweckmäßiger Weise nur bei einer Revision des Gesammtinhalts dieses Gemeindeverfafsungs- gesetzes stattfinden könne.

Ganz anders liegt allerdings die Frage, wenn wir davon aus- gehen, daß das neue Einkommensteuergeseß in der Form zu Stande kommt, wie es in dem Beriht von der Majorität der Kommission wie ih glaube, mit sehr großer Majorität angenommen worden ift.

Meine Herren, ich erkenne an, daß die Bestimmung des jeßigen Einkommensteuergeseßes, na welcher an Stelle der betreffenden Klassensteuersäte, insbesondere der hier in Betraht kommenden Säße von 18, 12 und 9 4, die neuer Einkommensteuersäße von 12, 9 und 6 A. treten sollen nit etwa ausreiht, um die Wirkungen dieses Gesetzes in der Weise zu beschränken, daß keine Veränderung gegen den bestehenden Zustand eintreten wird. Nein, das ist wohl zweifellos, daß einerseits durch die {chärfere Heranziehung der höheren Einkommen in Verbindung mit der Deklaration und andererseits durch die Minder- belastung der niedrigeren Einkommen auch bei dieser Substitution der entsprehenden Säße für ein gleihes Einkommen Verschiebungen nah der Richtung eintreten werden, daß \sich die Zahl der Wähler erster Klasse und zweiter Klasse vermindert zu Ungunsten der Wähler der dritten Klasse, Nun nehme ih keinen Anstand, zu er- flären, daß das Staats-Ministerium keinen Widerspru dagegen erheben würde, wenn eine Aenderung der in Rede stehenden Be- stimmungen nah der Rihtung hin und insoweit stattfindet, als eine Aenderung nothwendig ist, um diejenige ih will einen Aus- druck gebrauchen, der im Jahre 1886 gewissermaßen das Schlagwort war plutokratishe Richtung in der Gemeindevertretung, die in verstärktem Maß durch das neue Gesetz eintreten würde, zu paralysiren und zu neutralisiren.

Insoweit dieser Geseßentwourf diese Richtung verfolgt, bin ich mit demselben einverstanden. Aber, meine Herren, ich glaube, dazu würde genügen, wenn der Census eines Klafsensteuersaßes ih will auf die neuen Einkommensteuersäße niht weiter eingehen von 18 A auf 12 A und von 12 # auf 9 M herabgeseßt würde, während der 9 Marksayß ja den Saß erreihen würde, der im Gese vorgesehen ist. Jh nehme das an, ih kann es aber nicht ziffernmäßig nachweisen, und es sind jedenfalls darüber ers Ermittelungen zu ver- anlafsen, ob meine Ansiht, oder die entgegengesezte des Hrn. Abg. Friten, der, wie ih aus seinem Kopfsck ütteln entnehme, die vor bezeichnete Ausgleichung in dieser Weise nicht für genügend erachtet, die richtige ist.

Ih glaube also, traß, wenn man die Herabseßung um eine Stufe anordnet und dabei gleichzcitig bestimmt, daß in Zukunft eine weitere Erhöhung im Wege des Ortsstatuts nicht stattfinden soll, dieser Anforderung genügend Rechnung getragen is. Meines Er- achtens geht aber der Antrag des Abg. Bachem und Genossen weiter; er will eine feste Normirung auf einen Minimalklassensteuersaß von 6 A für den Census als Vorbedingung des Wahlrechts. Meine Herren, da nehme ich auch wiederum keinen Anstand, und zwar im direkten Widerspruch mit den Ausführungen des Hrn. Abg. von Eynern zu erklären, daß ih persönlih dieser Tendenz ganz spmpathisch gegenüberstehe. Ih habe bei der Be- rathung der Landgemeindeordnung in erster Berathung und nament- lihin den Verhandlungen der Kommission wiederholt darauf hingewiesen, daß ih es nicht für richtig erachtete, die Möglichkeit einer Erhöhung des Census als Vorbedingung des Wahlrechts im Wege des Orts- statuts eintreten zu lassen. (Sehr gut!)

Meines Erachtens is das Stimm- und Wahlrecht ein solches

kFommunales Grundret, daß dessen Bedizgungen, wenigstens in Betreff des Höchstbetrages, durch das Gesetz selbst festgestelit wer- den müssen, und daß man dem Ortsstatut allenfalls eine Verminderung des Census, also eine Erweiterurg, niemals aber eine Beshränkung des Wahl- und Stimmrechts würde zugestehen können. Ih \cheide mich nah dieser Richtung vollständig von der Auffassung, welcher der Abg. von Eynern unter der meines Erachtens hier nit ganz richtigen Firma der Wabrung der Freiheit der Gemeinden, der kom- munalen Autonomie Ausdruck gegeben hat. (Sehr gut!)

Meine Herren, ich nehme auc keinen Anstand, zu sagen: ih würde diefen Grundsaß auch für meine Person unbedingt festkalten, wenn die Frage der Revision der einzelnen Städteordnungen oder des Erlasses einer Städteordnung für den gesammten Staat, für welche überaus s{wierige, zeitraubende und keineswegs unbedenkliche Aufgabe erst die allerersten Schritte von mir eingeleitet find, zur Erörterung gezogen wird, Anders aber liegt es, wenn jeßt ohne cine folche Revision dieser eine einzelne Punkt aus dem Gemeindeverfassungsgeseß herausgegriffen wird, und zwar in eirer Weise, daß mir allerdings erheblihe Bedenken bezüglih der Form und auch des Inhalts dieses Antrages vorzuliegen \ch{einen,

Meine Herren, als dieser Antrag vor vier Tagen in meine Hände gelangte, bin ih sehr zweifelhaft gewesen, was denn eigentlich dieser Antrag bedeute, und die Vermuthung, die ich nach dieser Richtung begte, ist ers zur Gewißheit geworden durch die Ausführungen der beiden Herren Vorredner.

Ich möchte zunächst, was die Form des Antrages anlangt, es nit für fehr glücklich halten, daß dieser Antrag als ein neuer Absfaß von §. 9 b des Gesetzes vom 25, Mai 1873 formulirt worden ist. I will kein Gewicht darauf legen, daß bci einem Paragraphen, der bereits drei Absäße hat, man einen neuen Absatz doch als Absatz 3 nur dann einfügen kann, wenn man einen der Absäte treibt, was anf{einend ja wohl beabsihtigt wird. Aber ih möHte noh auf einen anderen Punkt aufmerksam machen. Dieser neue Gesctzentwurf soll einen integrirenden Bestandiheil des Gesezes vom bom 25. Mai 1873 bilden, und zwar foll diese neue Bestimmung am 1. April 1892 in Kraft treten. Meine Herren, nah dem letzten Paragraphen des Einkommensteuergeseßes, welher Paragraph, \o viel ih weiß, einstimmig angenommen worden ift, tritt dieses ganze Gesetz vom 25. Mai 1873 am 1. April 1892, also ge1au an demselben Tage, außer Kraft, und ih glaube also, die Konstruktion, die Sie diesem Gesetzentwurf hier gegeben haben, ift keine sehr glücklihe und steht in direktem Widerspru mit den Beschlüssen der Kommission zum Ein- kommensteuergeseß.

Nun aber weiter, meine Herren, die praktishe Tragweite dieses Antrags ist kaum mit Besiimmtheit zu übersehen. Dieses Gefeß ist in Form eines allgemeinen Gesetzes, entsprehend dem 8. 9b, des Geseßes vom 25. Mai 1873, gefaßt. Jh mußte mir nun aber doch zunächst die Frage vorlegen: auf welhe Gemeinde- verfassung8geseßze und auf welche Kategorien von Gemeinden wird dieses Gesetz überhaupt Anwendung finden? Daß es auf die Städte- ordnung für die Rheinprovinz Anwendung findet, darüber war kein Zweifel, Darüber haben wir im Jahre 1886 sehr ausführlich ver- handelt. Aber warum sagt man das nicht, warum wählt man die allgemeine Fassung ? Die Herren Artragsteller sind doch wohl davon ausgegangen, daß es auch auf andere Gemeindeverfassungsgeseze des preußishen Staates werde Anwendung finden. Ih habe mir nun diese Verfassungsgesetze, die ih bekanntliG auf mehr als siebzehn belaufen, darauf hin angesehen und bin zu der Ueberzeugung gekom- men: es findet nirgends anders Anwendung als nur in der Städteordnung der Rheinprovinz. Denn da, wo nicht ein Dreiklafsen-Waßlsystem existirt, wo keine Abtheilungen nah Steuern gebildet werden, sondern gleites Wablrecht mit einem Census besteht, der ortsftatutarisch anders geregelt werden kann, soll das Gefeß nach dem Wortlaut keine Anwendung finden. Also in der Städteordnung von Frankfurt, Schleswig-Holstein und Hannover ift es ausgeschlossen. Auf die Gemeindeverfafsung8gesete, welbe auf dem Prinzip der Bürgergemeinde beruhen und cinen eigentlihen Census nit kennen, auf die kurbessishen, die hessen homburgischen, die Groß- herzoglih-bessishen, die bayerischen, die nafsauishen Gemeinde- verfafsungsgeseße, dann auf die Frankfurter Landgemeindeordnung findet es ebenfalls keine Anwendung. Ebensowenig paßt es auf die Landgemeinden der Oftprovinzen und der Provinz S@&les8wig- Holstein. Dann wiederum findet es nicht Anwendung auf diejenigen Gemeinde- verfafsung8gesete, bei, denen eine solche ortsftatutarische Befugniß zur Erhöhung des Normalsteuerbetrages nicht vorbanden ift, sondern bloß

zur Erniedrigung, also nit auf die Städteordnung für die Oftprovinzen, auf die Städteordnung und Landgemeindeordnung für Westfalen, auf die Landgemeindeordnung für die Rheinprovinz. Dann bleiben noch die Stadtrezefse in Neuvorpommern übrig, die ich auch durhgeseben habe. Shließlih habe ih gefunden, daß dieses Gesetz nirgends weiter Anwendung findet, und nur speziell für die Städteordnung für die Rheinprovinz zugeschnitten ist. Der Herr Antragsteller bat es au flar ausgesprochen, er habe gar nit daran gedacht, daß irgend wo anders sein Antrag Anwendung finden könne.

Warum denn dieses Verfteckenspielen, warum sagen Sie nit einfa: §. 5 der Städteordnung für die Rheinprovinz von 1856 \oll so geändert werden? Jh habe die Vermuthung, daß dies absichtlich unterlassen worden ift, daß man absichtlih die Form eines allge- meinen Gesetzes gewählt hat, um nit klar werden zu lassen, daß es sih thatsählich um ein Provinzialgesez handelt, was doch in der Weise behandelt und verbreitet werden mvß, wie man Provinzialgeseße zu behandeln und vorzubereiten pflegt.

Meine Herren, weiter! Es ift mir aus den Darstellungen des Antragstellers nicht klar, wie weit die Tragweite seines Antrages in der Rheinprovinz selbst reiht. Ich habe aus der neuesten Zeit keine speziellen Nachweisungen; meine Nachweisungen, die ich zur Hand habe, sind auf Grund jenes Antrages vom Jahre 1886 aufgestellt. Da \timmen nun die Zahlen, die ich habe, nicht mit denen, die Hr. Abg. Friyßen angegeben hat, überein. Die Rheinprovinz hat 140 Städte, Ein erhöhter Census auf Grund ortsstatutarisher Bestim- mung besteht, oder ich will rihtiger sagen, bestand im Jahre 1886 in 67 Städten, beinahe der Hälfte aller Städte der ganzen Provinz. Davon haben 6 Gemeinden einen Census von 18 #4, 69 einen Census von 12 A und 2 Gemeinden einen Census von 9 K durch Orts- statut eingeführt. Nun, meine Herren, hier läßt #ch meines Er- ahtens die Frage, ob man über die Wirkungen des Einkommensteuer- gesetzes hinaus eine weitere Verminderung des Census im Wege der Geseß- gebungeinführen soll, nur entscheiden, wenn man weiß: wie wird das wirken,

find nigt besondere sofale Bedenken dagegen geltend zu mahen Meincs Erachtens ist es also nothwendig, daß diese Frage eingehend erörtert wird, daß den betreffendin Gemeinden Gelegenheit gezeben wird, si hierüber zu äußern, daß die Provinzial- und Bezirksbehörden darüber gehört werden und, soweit es sich um den weitergebenden Theil des Antrages handelt, auh dem Provinzial-Landtag Gelegenheit gegeben wicd, si üter ein \folhes Provinzialgeseß zu äußern.

i Ih rekapitulire dahin: das Staats-Ministerium ist einverstanden mit dem Antrage, insoweit als derselbe bezweckt, die Ver- \hiebun1, welhe durch das neue Einkommensteuergesch eintreten wird, für ‘dea Fall des Zustardekommens dieses Gesetzes sofort auszugleichen; den weiterstehenden Theilen des Antrages der Hrrn. Abgg. Bachem und Genoffen stebt das Staats-Ministerium keineswegs unsympathish gegenüber; es hält hier aber eine eingehende Erörte- rung unter Anhörung der Provinzialverwaltang und Provinzial- behörden für unabweisbar. i

Abg. Bachem (Mülheim): Die ecste und direktest - anlassung zur Einbringung dieses Antrages hätten die BVerbalinitie der Rheinprovinz gegeben. Daß das Geseg von 1873 außer Kraft treten solle, sei ein Kommissionsbes{luß, an dem die Antrag- steller ganz unschuldig seien; sie könnten füc das, was die Kom- wission in dieser Beziehung gesündigt habe, nicht verantwort- lich cin. Welcher vernünftige Grund fköônne denn noch geltend gemacht werden, um die in der Rheinprovinz noch bestehende Anomalie, daß der Cenfus für die Gemeindewahlberechtigung bis auf 36 # hinaufges{raubt werden könne, nit endli zu beseitigen ? Bei der Berathung der rheinishen Städteordnung von 1856 hätten si die sämmtlichen Vertreter der Rheinprovinz kräftig gegen diese Be- stimmung gewehrt, aber leider erfolglos, Diese Anomalie sei im Laufe der Jahre immer drückender, immer ungerehter geworden ; viele Tausende von Wählern seien dadurch vom Gemeindewahlrecht in den rheinis{en Städten ausges{lofsen, und dieser Aus\ch{luß sei gesehen obwohl! die öffentlihen Lasten im Laufe derselben Jahre sih ganz be- deutend vermehrt bâtten und zu den hohen Säßen noch ein viel größerer Betrag an indirekten Steuern hinzutrete. Thatsächlich fange in Köln das Wakblreht erst an bei Denjenigen, welche mindestens 45 # Steuern zablten. Dazu komme nun die Wirkung des neuen Steuertarifs, der gegen die Vorlage noch erhöht worden sei. Jn welhem Maße durch diese Tarife die Wahlberehtigung nach oben verschoben fei habe man zur Genüge aus der Probeveranlagung für Köln gesehen; die Wahlberehtigung der unteren und mittleren Klassen werde ganz erheblih beeinträhtigt; denn zur ersten Klasse würden statt 683 nah dem neuen Tarife nur 395 Personen gehören. (Hört, hört! im Centrum.) Schon jetzt fange die Wahlberehtigung der ¿zweiten Klasse erst bei einem Steuersaßze von 163 #4 an; die Einkommen von 9000 fielen jeßt s{chon in die dritte Klasse; nah der Ver- fchiebung durch den neuen Tarif würden alle Regierungsräthe, der Polizeipräsident , kurz fast alle höheren Beamten, in die dritte Klasse kommen. Die Verschiebung des Dreiklassen-Wahlsystems habe sich immer mehr zu Gunsten des Besfites vollzogen; man könne diese üble Verschiebung nicht noch mehr potenziren wollen. Das werde aber unzweifelhaft gesehen, wenn der neue Steuertarif ohne Aende- rung der das Wahlrecht berührenden Vorschriften in Kraft trete. Auch werde das Geseß dadurch mit einem Odium behaftet, welches er ihm niht wünsche; es werde ohnehin nit populär sein. Mit der Verweifung an eine Kommission sei er einverstanden, aber in dem Sinne, daß die Entscheidung so rechtzeitig erfolge, daß sie bei der definitiven Entschließung über das Einkommensteuergeseß mit berük- sichtigt werden könne. (Beifall im Centrum.)

Minister des Jnnern Herrfurth:

Ich möchte ein Mißverständniß aufklären, von dem der Hr. Abg. Bachem anscheinend bei seinen leßten Worten ausgegangen ist: wenn derselbe annimmt, ich habe Namens des Staats-Ministeriums erklärt, daß auch insoweit, alsz die Verschiebungen, welche durch das neue Einkommenfteuergeseß in dem kommunalen Wahlrecht eintreten werden, ausgeglihen werden follen, eine Anhörung des Provinzial-Landtages erforderlich sei, so ist das niht zutreffend. Jh habe nur gesagt, es werde festgestellt werden müssen, ob diese Vershiebungen wirklich fo groß sein werden, daß ihre Ausgleichung nur auf dem Wege und in der Weise erfolgen kann, wie es der Antrag des Hrn. Bachem und Genoffen beabsihtigt. Ich habe auêsdrücklich erklärt: ih glaube an- nehmen zu dürfen, daß die Ermäßigung um eine Steuerstufe bereits diese Ausgleihung bringen werde, daß aber der Antrag der Herren Bachem und Genossen weiter gehe; und ich habe gesagt, daß, insoweit als dieser Antrag weiter geht, insoweit als er nicht bloß etwa diese Vershiebungen ausgleihen, sondern die Ge- legenheit benußen will, um eine anderweitige Einzelbestimmung der rheinishen Städteordnung zu korrigiren, mir allerdings die Anhörung des Provinzial-Landtages erforderlih erscheine, weil insoweit ein be- sonderes Provinzialgeseß, das in keinem ersihtliwen Zusammenhange mit dem Einkommensteuergeseß steht, vorliegen würde.

Abg. Freiherr von Zedliß: Er fei mit den Antragstellern bereit, die von ibnen befürchtete Verschiebung des Koannnnalwabtrebts auf dem Wege des Antrages zu beseitigen, glaube aber mir dem Minifter, daß der Antrag über diesen Zweck hinausgehe und deshalb e kommiffarischer Berathung bedürfe. Das Geseß von 1873 abe seiner Auffassung nah die Kommission im Punkte der Wahl- berechtigung nit aufheben wollen; diese Bestimmungen könnten nit wobl entbehrt werden und bingen ja auch mit der Veranlagung zur Steuer niht weiter zusammen. Er wolle den positiven guten Kern aus dem Antrage hberaus\@älen und wünshe auch die Berathung tbunlihft zu fördern, damit vielleiht noch in dieser Session der Gedanke des Antrages formell gangbares Recht werden könne.

Abg. von RautGbaupt: Aug die Konservativen böten zu der von den Antragstellern gewünschten anderweitigen Regelung die Hand; der §. 9 des e von 1873 müfse aufrecht erbalten werden; es werde fih vielleiht . empfehlen, denselben mit der ge- wünsten Abänderung in das neue Einkommensteuergesez aufzu- nehmen.

Abg. Richter: Er bedaure lebhaft, daß der Antrag si bloß auf die Rheinprovinz erftrecke, für diefe beabsichtige derselbe das Ueberwucern des plutekratishen Elements zu verhindern; in allen übrigen Provinzen solle diefer Nachtheil bestehen bleiben, und auch für die Rheinprovinz selbst schaffe der Antrag weitaus nit die ge- nügende Abhülfe. Tür die Dritteltheilung in den Städten seien nit bloß maßgebend die Staatsfteuern, sondern auch die Gemeindefteuern, Kreis- und Provirzialabgaben. Danach sei die Fassung des Antrages nit zutreffend gewählt. Nah dem neuen Steuertarif verändere fi die Gemeindeeinkommensteuer noch viel mebr, als die Staatseinkommen- steuer, denn in den Gemeinden werde noch nach dem Tarif von 1873, für den Staat nach dem Tarif von 1883 die Steuer erhoben, was für sämmtliche Klafsensteuerftufen einen Unterschied von drei Monatsraten mache; hiernah sei die Verschiebung thatfählich viel größer für das Gemeindewablrecht, als für die Wahlen zum Abgeord- netenhause. Bei allen diesen Erörterungen werde die Rückwirkung des neuen Tarifs auf den Gemeindehaushalt noch viel zu wenig beachtet, die Kommission habe fich sehr leiht darüber hinweggeseßt. (Sehr richtig! links.) Der Hane ser habe ¿war gesagt, er werde den Gemeinden dur Ministerialreskript gestatten, \ich da herauézuhelfen; aber was nüßge ein \solbes Verfahren, welches \chlie{ßlich nur für die Dauer der Amtsthätigkeit eines Finanz-Ministers maßgebend sein werde und von dem Nawfolger desselben in das Gegentheil verkehrt werden könne. Diese

\{hweren Bedenken würden dur den Antrag für ihn niht ge- mildert; ebenso gehe es allen übrigen Vertretern, die niht der

Rheinprovinz anzehörten. Das Centrum mate sich bier ei Inakonsequenz schuldig. Bei der A O E Tate gopeR der Kommission für die Erhöhung des Census durch Ortsftatut mit- gewirkt; hier verfolge es die entgegengeseßte Richtung. Wer die Geschichte der Städteordnuxg von 1856 kenne, wisse, daß man damals die Rheinprovinz für ihre liberale Gesinnung habe bestrafen wollen (Sehr richtig! links und im Centrum.) So fei auch die Be- stimmung wegen des erhöhten Census in diese absihtlich möglichst schlecht gemahte Städteordnung hineingekommen Nah den Kom- missionsbeschlüssen verwandele sih übrigens hon von selbst der orts- statutarishe Saß von 18 H in einen folchen von 12, der von 12 in einen Saß von 9 #( Darüber hinaus wolle man nun den Sah auf 6 M. berunterbringen. Auch damit werde die Rheinprovinz noch schlechter gestellt sein als alle anderen Provinzen, denn hiermüssenach dem Gescß überall der Census an einen Saß von 4 # anknüpfen (Widerspru im Centrum.) Gründliher paralysiren werde man diese nahtheilige Wirkung, wenn man die Bestimmung der Städte- ordnung von 1876 in das Geseß aufnehme, wona Jeder wahl- berehtigt sein solle, der überhaupt Klassensteuer, zahle. Damit werde ein wirksamer Shuß des Wahlrecht® gegeben sein. Wenn verlangt werde, daß man eine \städtishe Steuer zählen müsse, um wahlberechtigt zu fein in der Kommune, fo gelte -das schon heute nicht mehr unbedingt, Ferner müsse die Dritteltheilung ftatifinden nah Maßgabe der Einkommensteuer allein, wie es 1876 die Re- gierung selbst vorgeschlagen habe. Nur in folhen weiter- gehenden Bestimmungen sehe er einen wirklichen Schuy gegen eine Verkümmerung des Wahlrechts. Unter keinen Umständen könne die Frage, ob das Gemeindewahlreht zu \{ützen sei, einer Begut- atung durch den Provinzial-Landtag unterliegen. Auch liege kein Grund vor, diese Sache in Form eines besonderen Gesetzes zu regeln sondern es müsse im Einkommensteuergesetz selbst versuht werden, diesen Schuß des Wahlrechts zu garantiren. Es heiße die Gemüthlichkeit übertreiben, wenn man ein Einkommensteuergeseß annehme, ohne sih s zu vergewissern, daß das Wahlrecht unverkürzt bleibe. (Beifall 19,

Abg. Dr. Windthorst: Es müsse nothwendi rsorge werden, daß das Kommunalwahlrecht in seinem S S aufrecht erhalten bleibe; er trete deshalb dem Antrage und dem Vorschlage auf Kommissionsberathung bei.

Abg. von Eynern glaubt darauf hinweisen zu sollen, daß 1886 gerade mit Rücksi@t auf die Gemeindefreiheit von der Regierung der Antrag bekämpft worden sei, während heute der Minister die entgegengefeßte Meinung vertrete. In Uebereinstimmung mit dem Abg. Richter wünsht Redner die kommunale Einrichtung des rheinischen Provinzial-Landtages nicht mit der hochpolitishen Frage des Wahlrechts zu befassen. Man werde damit eine Brandfackel der \chlimmsten Art in die Bevölkerung werfen.

Minister des Fnnern Herrfurth:

Meine Herren! Die Behauptung des Hrn. Abg. von Eynern, daß im Jahre 1886 die Königliche Staatsregierung zu dieser Frage überhaupt nicht Stellung genommen habe, ist niht ganz zutreffend. Diese Frage ist im Jahre 1886 zwei Mal hier zur Erörterung ge- kommen, zuerst in Folge einer Petition dec Stadt Trier und dem- nächst in Folge eines Antrages des Hrn. Ab,,. Baem. Es war aber genau dieselbe Frage, nur die Königliche Staatsregierung hat zu der Petition aus Trier in der Sitzung vom 2. März 1886 allerdings ganz bestimmt Stellung eingenommen, und zwar genau in dem Sinne, den ib vorhin angegeben habe, Sie hat diesen Antrag bekämpft, weil sie sagte, es sei nit richtig, einen einzelnen Punkt aus einem einzelnen Gemeinde- verfassung8geseß herauszureißen und ohne Rücksicht auf die sonstigen Bestimmungen für sich aUein zu regeln. Sie hat ihn aber nicht etwa bekämpft vom Standpunkt der sogenannten Gemeindefreibeit aus, und in dieser Beziehung ift zwischen meiner beute abgegebenen Erklärung und zwischen der Stellung, die die Königlihe Staats- regierung damals eingenommen hat, irgend ein Widerspru nit zu finden.

Abg. Pleß (Mülheim) polemisirt gegen den Abg. von Eynern und spricht fi ebenfalls gegen die Anhörung des Provinzial-Landtages aus.

Damit {ließt die Diskussion.

Der Antrag wird an die Einkommensteuergesetz - Kom- mission überwiesen.

Der Antrag des Abg. von Bülow (Wandsbek) auf Annahme eines Gesezentwurfs, betreffend die Gültigkeit der Jagd scheine im ganzen preußischen Staatsgebiet, wird ohne erhebliche Debatte mit der vom Regierungskommissar, Geheimen Ober-Regierungs-Rath Humperdinck empfohlenen Modifika- tion, wonach von der Bezugnahme auf Helgoland abgesehen und die Ausdehnung auf den Kreis Herzogthum Lauenburg beshränkt wird, in zweiter Lesung angenommen.

Abg. Riesch befürwortet darauf einen von ihm einge- brahten Gesezentwurf, durh welchen die in der Kreis- ordnung für Hessen-Nassau statuirten Befugnisse der Städte, frei über die Art der Aufbringung ibrer Antheilean den Kreisaufgaben zu beschließen, auf die Landgemeinden übertragen werden follen. Ein großer Theil der dortigen Landgemeinden unterscheide si eigentlih nur dem Namen nach von Städten. Außerdem sei es ungerecht, daß gut situirte Landgemeinden, welche mit Uebershüssen wirthschafteten, diese niht zur Deckung der Kreis- abgaben verwenden dürften.

Minister des Jnnern Herrfurth:

F kann nicht leugnen, daß ih von diesem Antrage einigermaßen überrascht worden bin. Es ist ausdrücklich in der Begründung des- selben gesagt: Die Landgemeinden in Hefsen-Nafsau hätten über diese Bestimmung der Kreisordnung geklagt und hätten wiederholt gebeten, bei Aufbringung der Kreisabgaben wie die Städte behandelt und von jener durch die Individualkorporation entstehenden, unmotivirten Be- lästigung befreit zu werden.

Ich darf demnächst konstatiren, daß an der Stelle, wo allein diesen Klagen Abhülfe geschaffen werden kann und es kann ja, wie der Antrag zeigt, nur Abhülfe geschaffen werden auf dem Wege der Gesetzgebung, zu welchem die Initiative vom Ministerium des Innern aus zu ergreifen sein würde, bis jeßt eine solche Klage niemals laut geworden ift; auch nicht mündli ift, etwa von irgend einem Landrath aus der betreffenden Provinz, mir ein derartiger Wun\ch ausgesprochen worden. Ich entnehme ihn jeßt zum ersten Male aus diesem ge- druckten Antrage.

Meine Herren, was den Antrag selbst anlangt, so würde, wênn-— der Herr Antragsteller sich mit mir vorher in Verbindung géfezt

beabsi(tigt, hon in der nächsten Session des Hauses, Falls jeßt die Landgemeindeordnung für die Ostprovinzen zu Stande kommen wird, diese Frage generell zu regeln. i Meine Herren, ich bitte Sie, diesen Antrag, der lediglih für die Provinz Hessen - Naffau geftellt ist, nicht so für fich allein ins Auge zu fassen, sondern die Lage der Gesetzgebung, über die Auf- bringung der Kreisfteuern im ganzen Staat zu beahten.

Ich darf daran erianern, daß im Jahre 1872 sehr eingehend die

Frage erörtert worden ist, ob man die Kreisfteuer im Wege der

bätte, ih ihm mitgetheilt haben, daß die Königlihe Staatsregierung N