1891 / 40 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 14 Feb 1891 18:00:01 GMT) scan diff

B ia Aa P E At Eee E A E E R

X11. (Königlich Württembergisches) Armee-Corps.

Offiziere, Portepee-Fähnriche x. Ernennungen, Beförderungen und Verseßungen. Im aktiven Heere. 9, Februar. v. Müller, Königl. Preuß. Oberst à la suite des S(wleswig-Hol stein. Ulan. Regts, Nr. 15, beauftragt mit der Füh- rung der 26. Kav. Brig. (1. Königl Württemberg.), das Kommando dieser Brigade übertragen. Reinhardt, Port. Unteroff... Ober- Primaner der Haupt - Kadcttenanstalt zu Lichterfelde, im Armee- Corps s Port. Fähnrich im Gren. Regt. Königin Olga Nr. 119 angestellt.

Im Beurlaubtenstande. 9. Februar. Blum, Sec. Lt. der Res. des Feld-Art. Regts. König Karl Nr. 13, Siben I, Siben IL, Sec. Lts. vom Train 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Stuttgart, Leuze, Sec. Lt. von der Feld-Art. 1. Aufgebots desselben Landw. Bezirks, Deblinger, Sec. Lt. vom Train 1. Aufgebots deéselben Landw. Bezirks, zu Pr. Lts. befördert.

Beamte der Militär-Verwaltung.

Durch Verfügung des Kriegs - Ministeriums. 2. Februar. Friederi@s, kontrolführender Kasernen-Insp. bei der Garn. Ver- waltung Stuttgart, zum 1. April 1891 zur Garn. Verwalt. Weîin- garten verseßt.

Kaiserliche Marine.

Offiziere x. Ernennungen, Beförderungen und Verseßungen. Berlin, 9. Februar. v. Naßmer, Oberst à la suite des 1. See-Bats. und Inspecteur der Marine-Infanterie, Behufs Uebertritts zur Armee, von der Marine-Infanterie aus- geschieden. Î E i S

Berlin, 10. Februar. Graf v. Baudissin, Korv. Kapitän, Capelle, Kapitän: Lt, zur Dienstleiftung im Reichs-Marine- Amt kommandirt. Rottok, Kapitän-Lt. a D., den Charakter als Korv. Kapitän verliehen erbalten.

Statiftik und Volkswirthschaft.

Lage der Eisenindustrie. In den letten Monaten sind, wie aus dem Regierungsbezirk Aa ch en eschrieben wird, Seitens der deutshen Eisenbahnverwaltungen bedeutende engen Cisenbahnmaterial in Auftrag gegeben worden. Weiter war eine lebhafte Nachfrage im Auélande bervorgetreten, sodaß diejenigen Werke, welche sich bauptsählich mit der Hersiellung von Sienen, Schwellen u. f. w. befassen, größere Aufträge erhalten haben und für die nâdsten Monate sich Beschäftigung sichern konnten. In den leßten Woten jedo ließen die ausländishen Nacfragen nah, sodaß E Preise ffir Eisenbahrmaterialien allgemein ermäßigt werden mußten, Wenig erfreulih ist gegenwärtig der Markt für Baueisen, indem zum Theil in Folge des heftigen Frostwetters der inländishe Bedarf darin so schwach geworden ift, daß kaum ein Viertel der normalen Mengen zum Versandt gelangte. n jüngster Zeit sind zwar die er- warteten Ausschreibungen der Eisenbahnen auf Eisenbahnwagen er- \cienen, indefsen konnten die dafür benöthigten Mengen an Formeisen, Stabeisen und Blechen keinen genügenden Eriaß für die durch die verminderte Bautbätigkeit ausfallenden Aufträge bieten.

Dur den Anschluß einiger noch außerstehender Werke an den Deutschen Stabeisen-Verband war leßterer in der Lage, den Preisrückgang, welcher bis dahin unaufhaltsam gewesen war, zum Still- stand zu bringen, ja fogar in jüngster Zeit eine leihte Preiserhöhung zu erreihen. Der feste Zusammenschluß des Verbandes hat zur Folge gehabt, daß die Verbrauber ein wenig aus ihrer Zurück- haltung hberausgetreten und mit ihrem Bedarf an den Markt ge- kommen sind Im Drahtgeschäft machte die Herabsetzung der Preise des Robeisens und damit zusawmmenbängend der Halbfabrikate, wie Drabtknüppel u. \. w. den Drahtwalzwerken die Erlangung einiger größerer Aufträge und damit die Erreichung eines einigermaßen regelmäßigen Betriebs möglich, obgleih die Preise für Draht nah wie vor wenig lohnend blieben.

Alters- und Invalidenversicherung.

Aus zuverlässiger Quelle erfahren die „Meckl. Nachr.“, daß bei der Invaliditäts- und Altersversiherungsanstalt Mecklenburg bereits 1250 Anträge auf Bewilligung von Altersrente eingegangen sind. Davon haben 420 Anträge ihre Erledigung gefunden und sind biéher nur act als unberechtigt zurückgewiesen. Der Rest erforderte noch weitere Erhebungen, insbesondere wegen der Arbeitsnahweise, welche vielfah in unzureihender Form ausgestellt worden sind. Die bewilligten Renten repräsentiren ungefähr eine jährlihe Summe von 54 000 i E |

Die Versicherungsanfstalt für das Königreib Sachsen hat bis zum 23. Januar d. J. an 100 Personen Altersrenten bewilligi, Von diesen Rentenempfängern gehören, wie das „Dresd. Iourn.“ mittheilt, 46 unzweifelhaft der Industrie oder dem Handwerk und zwar an- sheinend bis auf eine oder zwei Ausnabmen als Arbeiter an es sind dies 3 Zimmerleute, je 2 KFärbereiarbeiter, Scheerer, Nätherinnen, Posfamenterarbeiter, Steinbruchsarbeiter, Grobdrabtiteher, Appreturarbeiter und Fabrikarbeiter _ ohne nähere Bezeihnung des Betriebszweiges, sowie je 1 Fabrikwädter, Puter, Packmeister, Tapetenfabrikarbeiter, Sriftgießer, Gerber, Garnfiger, Tischler, Kettensheerer, S{lofser, Shubmawber, Waaren- rauher, Accommodeur, Packer, Garnstärkerin, Webergeselle, Hütten- meifter, Glaëbeschauer, Kartonnagenarbeiter, Blattbinder, Fabriktreiber, Buchbinder, Formftehermeifter, Mangler, Anftrei@wer, Sortirer und Stuhlarbeiter. Der Land- und Forstwirthschaft find 17 Rentenempfänger zuzuzäblen, nämli 10 landwirtbscaftlice Tagelöhner, 3 Waldarbeiter, 2 Gartenarbeiter, 1 Schäfer und 1 Waldaufseher; der Hauswirthschaft 10, nämli 3 Haus- bälterinnen und Wirthschafterinnen, 1 Privatbausmann, 1 Diener, 1 Kinderfrau, 1 Wascbfrau, 1 Kehrfrau, 1 Dienstmagd und 1 Auf- wärterin. Außerdem sind Altersrenten noch zugesproWen worden an 14 Handarbeiter und 1 Hülfsarbeiter obne nähere Berufêangabe, 3 Kommurarbeiter, 3 Boten, 2 Wächter, 2 Schulbausmärnner, 1 Expedienten und 1 Krankenbesuer.

Zur Arbeiterbewegung.

Der „Frkf. Ztg.* wird aus Witten unter dem 12, d. M. ge- schrieben, daß der Ausstand auf Zehe „Rabe“ bei Bredens(eid dadurch bcendigt ift, daß am Mittwoch sämmtlichen ausftärdigen Ar- beitern der Abkehrschein zugeftellt wurde. Den Arbeitern, die am Strike ni@i theilgenommen kaben, ift zum 20. d. M. gekündigt worden, sodaß mit diesem Tage der ganze Betrieb eingestellt wird.

Ueber die Verhältnisse im alten Rheinisch-Westfälischen Bergarbeiter-Verbande giebt der Geschäftsberiht über das leßte Vierteljabr des Borjahres Aufscluß. Nach demselben betrug, wie wir der „Köln, Ztg * entnehmen, die Einnahme 2d 157 Æ, in wel&er Summe aber ein Bestand aus dem dritt-n Vierteljahr von 7770 M. enthalten is. Die Ausgabe stellt sich auf 11465 4; cs ergiebt sih also ein Bestand von 136-2 # Im Ganzen sind bis jeßt scit dem Bestehen des Verbandes vereinnahmt worden 56 912 #4

Aus Berlin wird der „Köln. Ztg.“ geschrieben: Der Zweck der Delegirten-Versammlung aller Bergleute Deutfc- lands, welhe am 15. Februar in Boum stattfindet, \{eint baupt- \ächlich der zu sein, für den internationalen Bergarbeiter- kongreß, welwer am 31. März in Paris ftattfindet, Propaganda zu machen; bis jeßt sind die Bergleute für denselben wenig be- geistert. Auf dem Pariser Kongreß foll zunächst über ein einbeit- lies Vorgehen in Ausftandsangelegenheiten verhandelt werden ; die Heißsporne unter den Führern der Bergleute, deren Anhang aber recht unbedeutend ift, glauben, daß in Folge des Pariser Kon- gresses sih ein ge\{lofsenes, einbeitlihes Vorgehen aller Bergleute der Erde für erhöhte Lohnforderungen, Verkür:ung der Arbeitszeit erzielen laffen werde. Die Delegirten der Bergarbeiter Belgiens, die bekanntli zum großen Theile der rothen Fahne folgen, werden ebenfalls in diesem Sinne wirken, und auch die französishen

Delegirten steben einem Riesenausstande sehr sympatbisch gegenüber. Aber der Pariser Kongreß wird vollkommen wirkungslos bleiben, denn die deutsben und französishen Delegirten baben keinen bedeutenden Anbang ; die englishen versprehen sich von einem gesch{lofsenen, ein- beitliden Vorgehen aller Bergleute der Erde nicht viel.

Wie der „Vormwärts* berichtet, ift die Aussperrung der Hamburger Cigarrenarbeiter niht beendet; die Nachricht des eW. T. B.“, die Hamburger Ausgesperrten bätten in einer Ver- fammlung bes{lofsen, auf die Bedingungen der Fabrikanten einzugehen (vgl. Nr. 38 d. Bl.), wird als unrichtig bezeihnet.

Aus Thalheim wird dem „Vorwärts“ geschrieben: In einer am leßten Mittwoch abgehaltenen öffentlihen Versammlung wurde, nabdem der Situation®eberiht über den Strike erledigt war, von allen anwesenden Strikenden folgende Resolution einstimmig ange- nommen: Die öffentlice Versammlung der Wirker und Wirkerinnen beshlieit: den Strike, so lange die Forderungen niht bewilligt werden, fortzusetzen. i

Hier in Berlin beschäftigte sich vorgestern eine der „Voss. Ztg.“ zufolge von etwa 2000 Personen besudte Buchdruckergebülfen- Versammlung mit den Lohnverbältnissen in der Reihs- drudckerei und faßte in dieser B-ziehung sowie in Bezug auf die ftädtishen Drudckarbeiten Resolutionen; in ersterer Be- ziehung verlangte die Versammlung namentlich, daß der all- gemeine deutiche Bucbdruckertarif in der Reichsdruckerei genau dur{- geführt werde; in leßterer Beziehung werden die sozialdemokcratischen Stadtverordneten ersucht, dabin zu wirken, daß bei Vergebung von Drudckarbeiten die Bezahlung bestimmter Lohnsäße als erste Bedingung gefordert werde.

Die Strikekommission der Vergolder in Berlin er-

läßt im „Vorwärts“ einen Aufruf an die deutshen Arbeiter um Unterftüßung der Auëftändigen der C. Ruthenberg*s\chen Gold- leisten-Fabrik, Nachdem in der Sißung des Fabrikanten- bundes für Goldleiften-Fabrikation am 10. d. M. beschlofsen worden war, durch öffentlihen Anschlag in den Werkftätten bekannt zu geben, daß, Falls die Arbeiter der C. Ruthenberg’ sen Goldleisten-Fabrik bis zum 21. Februar die Arbeit nicht wieder auf- genommen bâtten, die Fabriken ges{lofsen würden, wurde in der Ver- sammlung der Vergolder, Vergolderinnen und Berufsgenossen am 12. d. M. der Beschluß gefaßt, unter keinen Umständen in der ge- nannten Fabrik die Arbeit bei Abzug der bestehenden Akkordlöhne wieder aufzunehmen. Aus Prag wird dem Wiener „Frd. Bl.“ telegrapbirt: Der czehishe volitishe Arbeiterverein beschloß mit großer Majorität, an der Ausstellung sih nicht zu betbeiligen, weil dies ein Unter- nebmen des Kapitalismus sei. Die Minorität, welhe si für die Bescickung erklärte, wurde vom Verein ausgeschlossen und der Bereinsrechte verlustig erklärt.

Aus Liverpool meldet ein Wolff’\hes Telegramm, daß die

ausftändigen Dockarbeiter die Arbeit wieder aufgenommen haben. Der Strike gilt als beendigt. In Bologna versammelten si, wie ,W. T. B.* berichtet, gestern Nacwittag etwa 2000 beschäftigungslose Arbeiter außerhalb der Stadt. Dieselben entsandten eine Deputation an den Präfekten, der ihnen baldige Arbeit verspraw. Nab erregten Debatten ging die Verjammlung auseinander bis auf 900 Leute, welhe in ges{chlofsenem Zuge si nach der Stadt begeben wollten, Die Polizei verhinderte dies und nabm dabei fünf Ver- baftungen vor. Als sich später wieder eine größere Anzahl Arbeiter auf dem Victor-Emanuel-Plaß versammelte, wurden diese dur Militär zerstreut und dabet neun Personen verhaftet.

Das „Gothenburgiswe System“, wonach alle Schankwirthschaften eines Ortes im Besiß und unter Leitung einer gemeinnützigen Gesellschast sind, ift jeßt in 51 norwe- gischen Städten eingeführt, so daß cs nur noch drei zu erobern braucht. Der Verbrau von Branntwein betrug im Iahre 1889: 6 338 000 1, während derselbe im Jahre 1872 noch zwölf Millionen

überstieg.

Na Mittheilung des Statiftishen Amts der Stadt Berlin sind bei den biesigen Standesämtern in der Woche vom 1, Februar bis infl. 7. Februar cr. zur Anmeltung gekommen: 245 Cbcsließungen, 1077 Lebendgeborene, 24 Todtgeborene, 514 Sterbefälle.

Kunft und Wissenschaft.

Aus den Mittheilungen, wel@e Baurath Wallot in einem Vortrage über die innere Auss{chmüdckung des Reichstags- hauses im Vercin Berliner Künstler gab, sind der „Voß. Z.* zufolge diejenigen besonders bemerkentwerth, wele auf die Dekoration der verschiedenen Vestibüls und der großen Wandelballe Bezug hatten. Die Hauptfront des Gebäudes liegt nach Westen am Königsplaß. Aber der dort befindli®e Eingang, vor welchem eine mähtige, zum Havptgeschboß biranfübrende Freitreppe gelagert ist, wird zur bei be- sonders festlichen Gelegenheiten, zu welWen etra Se. Majestät der Kaiser und die übrigen Mitglieder des Hofes ersheinen, in Ver- wendung treten. Der Haupteingang füc die Abgeordneten liegt vielmehr an ter nah dem Plag_ vor dem Brandenburger Thor ge- rihteten Südfront. Hier öffnet sich zu beiden Seiten ein von je drei Vollsäulen getragenes und von Kreuzgewölben überspanntes Vestibül. Ackt Sandftein- Statuen deutscher Kaiser aus der Reibe von Karl dem Großen bis Maximilian II. sollen in diesim Vestibül zur Aufftellung gelangen, Reliefs allegorischen Inhalts die Treppexnwangen s{mücken und Glasgemälde cin mildes, gedämpftes Licht in ten hoben Raum hinein werfen, um diesem Raum eine feierlibe Stimmung zu verleihen. Ein größeres Givpétmodell, welches auëgestellt war, erläuterte die Ausführungen des Redners. Wie das Süd- wird auh das an der ent- gegengeseßten Seite gelegene Nordveftibül, welches ten Zugang zu Bureau- und fonftigen Gesäftsräumen bildet, ausges{chmüdckt werden. Nur soll dieser Shmuck der Zeit vor Karl dem Großen giwidmet sein. Die bervorragendste Aus!chmückung, und zwar von besonders nationalem Gepräge, wird selbstverständlih das hinter dem Festeingang am Königéplaß gelegene Hauptvestibül erhalten. Auch bier sind farbige Fenster vorgeieben. Es erfolgt von diesem Vestibül aus der Zutritt zu dem 21 m weiten, achtseitigen Kuppelraum, welcher den Mittelpunkt der langgestreckten, für die Abgeordneten bestimmteu Wandelhalle bildet. In der betreffenden Kuppel werden ein allego- risbes Gemälde und auf den mättigen Vouten der beiden \sich an- sbließenden Flügel der Wandelhalle kleinere allegoriswe Dar- stellungen in Verbindung mit Wappen und farbigem Ornament ausgeführt. Unten an den Wänden dieser Hallen ziehen sch hoch- lebnige Bänke in gothisirender Holzarcitektur mit Sißen und Rücken von geshnittenem Leder hin. Von der Kuppelhalle erfolgt für die Abgeordneten der Eintritt in den Parlamentésaal. Redner betonte nech auédrüdckli%, daß im Uebrigen in den Geschäftsräumen sowie in den an der Front des Königéplatzes angecrdneten Restau- rationéräumen und im Lefesaal, ferner auc in den an der Nordfront gelegenen Bibliotbeksräumen große Einfachheit beobachtet werde. Das Gleiche gelte in Bezug auf die im zweiten Geschoß gelegenen Sitzungé- sâle und übrigen Ges{äftsräume.

In der Elektrotechnischen Gesellschaft von Frank- furt a. M. ftanden am 10. Februar die vor einigen Tagen zu Derlikon stattgehabten Versuhe mit bohgespannten Strömen zur Realisirung des Projektes einer Kraft- übertragung von Lauffen nah Frankfurt zur Verbandlung. Der Vorftand hatte den verdienstzollen Leiter der Masinenfabrik Oerlikon, Hrn. Direktor Brown, gebeten, der Gesellschaft einen Vortrag über seine eins{lägigen Versuche zu balten, welcher Bitte der Genaxnte entsprach. Das Thema feines Vortrass lautete: „Hobe Spannungen, Erzeugung, Fortleitung und Verwendung derselben“ Der Vortragende ging, wie wir dem „Frankf. General-Anzeiger“ entnehmen, auf seine ersten Versuche zur Er-

zeugung und Verwendung sehr hoch gespannter elektriser Ströme

zurü, erläuterte die Maschinen zur Erzeugung des primären Stromes, dann die von ihm fkonftruirten Transformatoren, welche den erzeugten niedrig gespannten Strom (100 Volt) in einen folchen von sehr bober Spannung (30000 Volt) umwandeln, und bob namentlich die Einfachheit und absolute Sicherheit dieser Instrumente hervor. Die wirksamen Theile derselben stehen aanz unter Oel, welches vom Vortragenden als das beste JIsolirmaterial be- zeihnet wurde. Er wandte sich dann zu den Mitteln zur Fort- leitung der bobgespannten Ströme (blarnker Kupferdraht, Oelisolatoren auf boben Masten mit S{utnetzen an Straßenüber- gängen) und erläuterte endli die Art und Weise, wie die hochge- spannten Strôme am Verbrauchsorte, gegebenen Falls unter wieder- holter Transformation, in solhe von niederer Spannung zurückver- wandelt werden. Zum Schluffe wies Hr. Direktor Brown auf die diesjährige Elektrotehnishe Ausftellung bin, die ja der Anregung der Elektrotechnishen Gesellshaft ihre Entstehung verdanke, pries sie als ein hochwitiges Ereigniß und fprach die Ueberzeugung aus, daß sie für die Elektrotechnik von epochematerder Bedeutung sein werde. Die Versammlung, welche den interessanten Auëführungen mit großer Spannung gefolgt war, lohnte den Vortrag mit lebhaftem Beifall. Hr. Dr. May nabm hierauf das Wort, um seine BeobaHtungen bei den Versu@en zu Oerlikon mitzu- theilen. Er erläuterte den von Hrn. von Dobrowelski forstruirten Dreiphasen- (Drebstrom-) Motor, welcher thatsächlich nur aus einem dreispeichigen Rade bestehe, also an Eintachheit kaum mehr übertroffen werden fönne. Ibm ertgegnete Hr. Lahmeyer, welcher zugiebt, daß für die Ueberleitung von Elektrizität auf große Ent- fernungen (welhe noch vor ni§t langer Zeit von den größten Kapazitäten für eine Unmöglichkeit gehalten worden sei) die von der Maswinenfabrik ODerlikon getroffenen Anstalten von der größten Bedeutung seien; er will aber doch auc dem Gleibstrom und dem Gleihstrommotor ihr Recht gewahrt wissen. Der Drebstrom werde von weiten Entfernungen bis zu den Thoren der Stadt geleitet, dann aber müsse der Gleihstrom in Funktion treten, welcher si besser wie jeder andere für die Licht: und Kraft- vertheilung in der Stadt felbst eigne. Die Diekussion wucks an Bedeutung, als nunmehr Hr. Elektrotehniker Haselwander aus Offenburg auftrat, um gegen Hrn. von Dobrowolski die Priorität an der Grfindung des Dreiphasen- (Drebstrom-) Motors für ih geltend zu mahen. Seine bezüglichen Versuche reichten bis 1887 zurüd, und das Patentamt babe ibm nach bartem Kampfe mit Anderen die Priorität zugesproßen. Er zeigte, wie er dur die Thomp- son Houston-Mashine auf seinen Motor gekommen sei und wie er die Tranéformatoren einribte und anordne. Na einigen ergänzenden Worten des Hrn. Dr. May ergriff wiederum Hr. Direktor Brown das Wort und gab eine Geschichte der Entwicklung von Motoren der fraglihen Art, mit deren Konstruktion sich in legter Zeit die Elektrotechniker der verschiedensten Länder lebhaft beschäftigten. Der ebenfalls als Gaft anwesende Hr. Dr. Dubois-Reymond aus Berlin gab Aufs{hlüfse über die Grenze, bis zu welcher jeßt Kabel für die Fortleitung bohgespanrter Ströme mit Sicherbeit hergestellt werden könnten, und mate auf die von Ferranti in London benußten Kabel aufmerksam, deren Leistungsfäbigkeit fich noch bewähren müsse. Dann richtete er an Hrn. Brown die An- frage, wel&e Beobachtungen er über die Ladungsersheinungen bei seiner Fortleitung bobgespannter Ströme gemaht habe, und ob er rit fürdte, daß diese ihm Schwierigkeiten bereiten würden. Hr. Broten theilte seine bezüglihen Beoba&turgen über jene Erscheinungen wit und beri{htete auch über die von Fezranti in London gemaSten eins{lägigen Versube, denen er beigewohnt habe. Dort habe sich die merkwürdige Erseinung ergeben, daß in Folge der Ladurg aus der Luft der fortgeleitete hohgespannte Strom an der Endstatiou eine mehrere tausend Volt böbere Spannunz gezeigt habe, wie an der Erzeugungsftelle, Bezüglih der Kabel für bochgespannte Sirôme weist er auf die bereits vor mehreren Jahren von Brooks gemahten Versuche mit Del als Jsolirmaterial hin und bemerkt, daß auh Edison Kabel für hohe Spannungen in der Weise berstelle, daß er die umsponnenen Leitung8drähte in ein Rohr lege und dieses dann mit sogen. „Edisonmasse“, die wohl weiter nichts wie Theer sei, ausfülle. Hr. Lak- meyer kommt nochmals auf die Herleitung hohgespannter Ströme auf weite Entfernungen zurück, erkennt rückhaltlos an, daß das Problem in zufriedenstellender Weise von Oerlikon gelöst sei, bemerkt aber zu- aleih, daß das System doch nur in wenigen bestimmten Fällen ver- wendbar sei, nämlich dort, wo es sich darum handle, große Wafser- kräfte für entfernte Gegenden nußbar zu machen. Bei Kohle sei es vortheilbafter, sie per Achse nah den Elektrizitätscentralen der Städte zu befördern, als sie zur Erzeugung von Elektrizität auf der Zeche selbst zu benußen. Hr. Dr. May gab Leßteres zu in Bezug auf die werthvolle weftfälishe Koble mit hohem Kaloriengehalt; minderwertbige Kokle dagegen, wie solche in nit großer Entrernung von Frankfurt vorkomme, vertrage die Fractspesen nit, könne aber sehr wobl mit Vortheil auf der Zehe selbst zur Erzeugung von Elektrizität ver- wendet werden, die alsdann weiter zu leiten sei. Hr. Dr. Nipyold {lug vor, die Flüfse einzudämmen; man erhalte dann starke Gefälle zum Betriebe von Elektrizitätkerzeugern und als Nebenprodukt einen kanalifirten Fluß. Hiermit endete die bedeutsame Diskussion

Einer Meldung des „R. B.“ aus Athen zufolge wäre bei den unter Leitung Waldstein's unternommenen Ausgrabungen in der Nähe von Eretria ein Theil der Bühne des alten Theaters aufged:ckt worden. Es sei Hoffnung vorhanden, daß daselbst noch andere witige Entteckungen gemacht würden.

Handel und Gewerbe.

Wien, 13. Februar. (W. T. L.) Ausweis der Karl-Ludwigs- bahn (gesammtes Net) vom 1. bis 10. Februar 257185 Fl, Mehreinnahme 32 095 Fl., die Einnahmen des alten Netzes betrugen in derselben Zeit 196 740 Fl., Mehreinnahme 22 134 Fl.

London, 13. Februar. (W. T. B.) Wollauktion. Woll- preise fest, lebhafte Betheiligung.

Manchester, 13. Februar. (W. T. B.) 12r Water Taylor 62, 30r Water Taylor 87, 20r Water Leigh 73, 30r Water Clayton 8}. 32r Mock Brooke 84, 40r Mayoll 9, 40er Medio Wilkin'on 95, 32r Warpcops Lees 82, 36r Warpcops Rowlant 83, 40r Double Weston 94, 60r Double Courante Qualität 12, 32* 11s yards 16 K 16 grey Printers aus 32r/46r 168. Rubig.

Glasgow, 13. Februar. (W. T. B.) Die Vorräthe ocn Robeisen in den Stores belaufen sih auf 557 313 Tons, gegen 890 401 Tons im vorigen Jahre.

Die Zahl der im Betriebe befindlichen Hochöfen beträgt 6, gegen 87 im vorigen Jahre.

Wars{au, 13. Februar. (W. T. B.) Die Einnahmen der Warschau-Wiener Eisenbahn-Gesellschaft betrugen im Sanuax cr. 70 300 Rbl. weniger als in demselben Monat des Vor- jahres. Belgrad, 4, Februar, (W. T. B.) Die Einnahmen der Serbischen Tabackregie betrugen im Januar 1891 562 922,50 Frs.. gegen 445 370,90 Frs. im gleihen Monat des Vorjahres, daher 1891 mebr 117 551,60 Fes.

Aus der Salzregie wurden im Januar 1891 vereinnahmt 186 928,42 Fr., gegen Januar 1890 115 389,98 Fr., mithin 1891 mehr 71 538,44 Fr.

Kopenbagen, 13. Februar. (W. T. B.) Die National- bank segt- von morgen ab den Wechseldiskont und den Lombard- zinsfuß auf 3{—4 9% berab.

New-York, 15. Februar. (W. T. B) Baumwollen- Wotenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 137 009 Ballen. Auéfuhr nach Großbritannien 82000 Ballen, Ausfuhr nach den Kontinent 61 000 Ballen, Vorrath 823 000 Ballen.

zum Deutschen Reihs- Anzei

„2 40.

Zweite Beilage

ger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger. S5.

Berlin, Sonnabend, den 14. Februar

nan

Deutscher Reichstaa. 65, Sigung vom 13. Februar, 1 Uhr.

Am Tische des Bundesraths: Der Staats-Minister Freiherr von Berlepsch.

Der Präsident theilt mit, daß er si vorgestern den Staatssekretär Dr. von Stephan mit der Bitte gewendet, den Reichstag mit dem Abgeordnetenhause telephonish zu verbin- den, und heute die Mittheilung von ißm erhalten habe, daß diese Verbindung sofort hergestellt worden sei. Der Apparat befinde sih in der Garderobe in der Nähe des Foyers. Die Einrichtung werde namentlich den Abgeordneten, die Mitglieder beider Körperschaften seien, erwünscht sein.

Vor der Tage#ordnung erklärt der Abg. Met ner, daß er mehrfach in der Presse irrthümlich als der Abgeordnete genannt worden sei, den die Staatsanwaltschaft in Hamburg wegen Beleidigung des Reichstages strafrehtliÞ§ verfolgen wolle. Es liege hier eine Verwechselung mit dem sozialdemo- fratishen Abg. Meßger vor, der der Lettere in Zukunft vor- beugen fönne, wenn er den betreffenden Namen die Wahlkreise E :

Darauf wird die zweite Berathung des Arbeiterschußgt- geseßes fortgeseßt mit §. 105b Abs. 2: Sonntagsruhe der Handlungsgehülfen. z

Der Kommissionsb-\{hluß hat folgenden Wortlaut:

Im Handelsgewerbe dürfen Gebülfen, Lehrlinge und Arbeiter am ersten Weihuachts-, Oster- und Pfingfttage überhaupt nit, im Uebrigen an Sonn- und Fefttagen nicht länger als fünf Stunden beschäftigt werden. Durch statutarische Bestimmung einer Ge- meinde oder eines weiteren Kommunaiverbandes kann diese Be- schäftigung für alle oder einzelre Zweige des Handels- gewerbes auf kürzere Zeit eingeshränkt oder ganz untersagt werden. Für die leßten vier Wohen vor Weibnatten sowie für einzelne Sonn- und Festtage, an welchen örtlihe Ver- bäâltnifse einen erweiterten Geschäftéverkehr erforderlich maden, fann die Polizeibebörde eine Vermehrung der Stunden, während welcher die Beschäftigung stattfinden darf, bis auf zehn Stunden zulaffen, Die Stunden, während welcher die Beschäftigung stattfinden darf, werden unter Berücksichtigung der für den öfen!lihen Gottesdienst bestimmten Zeit dur ftatutarishe Bestimmungen oder, soweit folde nit erlassen find, von der Polizeibehörde festgestellt. Die Feststeliung kann für vershiedene Zweige des Handelsgewerbes ver- scieden erfolgen.

Gleichzeitig hiermit werden zur Debatte gestellt die von der Kommission neu beschlossenen Artikel A und B.

Nach Art. A soll hinter §. 41 der Gewerbeordnung fol- gender S. 41 a neu eingeschaliet werden :

_ Soweit nah den Bestimmungen der £8. 105 b bis 105 h Ge- bülfen, Lehrlinge und Arbeiter im Handelêgewerbe an Sonn- und Festtagen nicht Lescäftigt werden dürfen, darf in offenen Verkaufs» flellen ein Gewerbebetrieb an diesen Tagen nicht stattfinden. Weitergehenden landesgeseßlihen Beschränkungen des Gewerbe- betriebes an Sonn- und Festtagen steht diese Bestimmung nit entgegen.

Nach Art. B soll hinter §. 55 neu eingeschaltet werden

als §8. 5óa:

An Sonn- und Festtagen ift der Gewerkebetrieb im Umher- ziehen, soweit er unter §. 55 Absaz 1 Ziffer 1 bis 3 fällt, ver- boten. Ausnahmen können von der unteren Verwaltungsbehörde zugelassen werden. Der Bundeërath ift ermäßtigt, über die Vor- ausfezungen und Bedingungen, unter denen Auënahmen zugelassen werden dürfen, Bestimmungen zu erlassen.

Es liegen hierzu eine Reihe von Amendements vor.

Abg. Freiherr von Münch will die Beschäftigung an Sonn- und Festtagen nur vier Stunden dauern lassen.

__ Die Abgg. Wöllmer und Dr. Hirsch beantragen, die Beschäftigung nicht später als bis drei Uhr Nachmittags und nit länger als drei Stunden, in offenen Verkaufs|tellen nicht länger als fünf Stunden währen zu lassen. Am ersten Weih- nahts-, Oster: und Pfingsttage soll nach einem Antrage der Abgg. Dr, Gutfleis{ch, Dr. Hartmann, Letoha, Möller und Freiherr von Stumm eine Beschäftigung von nicht länger als zwei Stunden zulässig sein.

Die fozialdemokratishen Abgg. Auer u. Gen. wollen allgemein nur drei Stunden Beschäftigung, welche bis zwölf Uhr Mittags beendet sein muß, zulassen. Eine längere Be- schäftigung soll jedenfalls bis sechs Uhr Abends beendet sein.

__ Referent Abg. Hiße: Man sei in der Kommission darin einig ge- wesen, daß in den großen Städten eine weitere Herabsetzung der Arbeits- stunden, ja vielleit ein gänzlihes Verbot der Sonntagsarbeit in den Verkaufégeshäfien möglih sein würde. Dagegen babe man Be- denken getragen, dieselbe Beschränkung auch auf das Land zu über- tragen, wo namertlich gelegentlich des Kirchenbesubs eingekauft werde, und da habe man geglaubt, an den fünf Stunden festhalten zu sollen. Es sei weiter beschlofsen worden, daß durch Ortsstatut die Ge- [châftszeit weiter herabgeseßt oder gänzlid verboten werden könne.

Abg. Wölilmer: In der Kommijsion sei der Antrag, 1 Uhr Nachmittags als die Grenze der Beschäftigung der Handlungs- gehülfen am Sonntage festzustellen, nur mit einer Stimme Majorität abgelehnt. Der Staats-Minister Freiherr von Berlepsch babe na der Vertagung des Reichstages an Korporationen, Handelskammern u. dergl. die Frage gerihtet; Erscheint es ausführbar, vorbehaltli der erforderlihen Ausnahmen, an Sonn- und Festtagen a) die Ver- kaufsftellen von Nawmittags 1 Uhr ab zu ließen, und b) die Be- schäftigung auf drei Stunden zu beschränken ? Soviel er (Redner) aus den ibm zugänglihen Aeußerungen ersehen habe, gingen die ges fragten Korporationen noch über seinen Antrag binaus. Die Mannkbeimer Handelskammer sage ausdrücklich, es werde von Vertretern des Detailhandels vorgeschlagen, daß Handlungs- beflifsene überhaupt nichi bis über ein Ubr beschäftigt werden dürften. In demselben Sinne sprächen si die rheinische, die Leipziger Handelskammer, diejenige zu Münster, sogar die in Plauen und Reichenbach aus. Er erwähne serner die Eingaben des kaufmännischen Vereins zu Bamberg, der „Germania“ (Verein der Kolonialwaaren- bändler), des Vorstandes des Vereins der Handlungsgebülfen in Köln, des Verbandes kaufmännischer Vereine in Rbeinland-West- falen, des Verbandes deutsher Handlungsgebülfen, der kaufmännischen Vereine in Franffurt a. M., des kaufmännishen Vereins in Mann- heim und ihrer zahlreihen Zweigvereine in den Provinzen. Daß die Beschäftigung der jungen Kaufleute an den Sonntagen bis in die späten Abendfiunden hinein dazu angethan sei, die Fortbildung der jungen Leute zu hemmen und ihre soziale Lage herabzudrüden, liege auf der Hand. Daß dur ortsstatutarishe Anordnungen eine Abhülfe möglih sei, müfse er bezweifeln. Es würden in den vershiedenen Kreisen und Regierungsbezirken sehr verschiedene Anordnungen erlassen werden. Man sage, das sei gerade rihtig, um die versciedenartigen örtlihen Verhältnisse zu treffen.

Es werde aber gerade das eintreten, was man vermeiden wolle. Die Konkurrenz, welche biélang jeden Fortschritt an einem Orte ver- bindert habe, werde sib auf einen größeren Bezirk erstcecken. Man werde fortan an den Orten faufen, wo cin Verbot an bestimmten Stunden nicht bestehe. Daß jetzt ein vollständiges Verbot der Sonntagsarbeit das Nationalvermögen nit \{mâlere, zeige der riesenhafte Auf\chwung des englishen Handels. Auch babe man G in Deutschland nit etwa aus Furt vor Verlust im Handels- stande gegen eine weitergehende Soantagsrube gewehrt. Es sei ein Sichgebenlassen gewesen, eine konnivente Berückfichtigung einer sehr eg Gewohnheit der Gefellshaft, welche einen Fortschritt verhindert abe.

| Abg. Dr. Bubl: Er bitte, den Antrag Wöllmer, und noch mebr, den Antrag Auer abzulehnen. Der Abg. Wöllmer habe bei seinen Ausführungen übersehen, daß die Kommission in ihrer zweiten Lesung ganz wesentliche Abweichungen von ihres Bes{lüfsen erster Lesung angenommen habe; mit diesen abgeänderten Beschlüssen dürften sich sämmtliche Handelskammern einverstanden erflären. Dur die vorliegenden Bestimmungen würden alle irgend möglichen Erleichterungen getroffen und dadur, daß die etwa nôötkigen Ueber- sbreitungen der Zeit, in der am Sonntag die GesHäfte geöffnet fein dürften, durch Bestimmungen der Ortsbehörden geregelt werden soliten, sei au den besonderen Verhältnissen, wie sie in dea ver- schiedenen Gegenden oder in den versiedenartigen Ortichaften, ¿. B. Großftädten, Landftädien, Industriestädten u. f. w. herrihten, genügend Rechnung getragen. Die Bedenken, daß etwa der Hausirer den ges{lossenen Geschäften einen übermäßigen Schaden zufügen könne, seien unbegründet, denn Hausirer gingen ibrem Gewerbe weniger am Sonntag, als vielmehr an den Wochentagen nab, und wenn die Leute die Läden, in denen sie einzukaufen pfleaten, in einer bestimmten Zeit ge\{lofsen fänden, so verzi&teten sie nit auf den Einkauf, sondern kauften eben zu einer anderen Zeit: zu den Konkurrenten könne das Publikum nit gehen, weil dieje ja aud ges&lofsen bäiten, also erwahse den Kaufleuten aus der Sonntagéruhe kein S{aden, Die Vorschläge der Kommission träfen also auf diesem sehr s{wierigen Gebiete überall den ricztigen Weg, und er empfehle dieselben zur Annahme. Bei dieser Ge- legenheit mae er der Kommission sein besonderes Kompliment darüber, daß sie in §8. 41a und 55a Bestimmungen darüber ge:rofen habe. daß Kaufgeschâfte zu bestimmten Zeiten ganz ges{lofse: cin müßten. Dadurch sei es ausges{lofsen, daß Geschäften, in denen der Inhaber nit selbft thätig sei, etne übermäßige Konkurrenz gemaht

werden fôönne durch folhe G-schäïte, bei denen der Unternehmer |

nur feinen Angestellten freie Zeit lassen müsse, selbft aber im Ge Þäft thätig sein dürfe. Die Unternehmer selbt begrüßten es gleibfall8 sreudig, daß ibnen au einige Stunden am Sonntag - freigegeben leren.

Abg. Singer: Bei der vorliegenden Frage handele es i darum, einer großen Zahl von Mensden, die an den Wochentagen noch weit über das in der Arbeiterklasse üblibe Maß in ihrer Arteits- frafi ausgebeutet würden, einen freien Sonntag zu hafen. Im Kleingewerbe und in Kolonialgeshäften seien die Angeitellten 15 bis 16 Stunden am Tage angestrengt thätig, und um diesen eine genügende Sonntagsruße zu versbaffen, dazu genügten die Kom- missionsbes{lüsse nicht. Von Sonntagêrube könne nur dann die Rede sein, wenn sie nit dur die Arbeitszeit zerrissen werde; wenn aber die Leute fünf Stunden am Sonntag arbeiten sollten und die Zeit des Gottes- dienstes in diese fünf Stunden nicht einbegriffen werden dürfe, dann werde der Sonntag zerrissen, und den Leuten sei die Sonntagéruhe und Sonntagsfreude vergällt, Anders könnten die Leute nit zu ibrer Er- bolung in die Natur gehen und si auch nicht die nöthige geistige Weiter- bildung in Vereinen u. #. w. beshafffea Wolle man aber die Geidäfte zu einer beftimmten Stunde \{ließen, so habe man wobl nöthig, fi darüber, welches diese Stunde sein solle, zu einigen. Die Stunde drei Ubr gehe \ch{on , de8wegen nicht, weil sonst Vielen die Fahrgelegenbeit, in die freie Natur zu kommen, genommen sei. Seine Partei habe früher in dem Arbeiterschußgesez eine fünfstündige Sonntags8arbeit angestrebt. Aber die von Kaufleuten ihr mafsenhaft zugegangenen Erklärungen wünschten das, was ste jeßt beantragt habe. Er gebe ja zu, daß in der Uebergangszeit die Sacke namentlich in kleinen Landstädthen Schwierigkeit machen werde. Aber sch{ließli® werde man auch hier die Vortheile der Einrichtung einsehen lernen. Uebrigens, wenn man si auf eine dreistündige Sonntagsarbeit einlafsen wolle, so wolle seine Partei si au der Festseßung des Geschäftsshlufses um ein Ühr ni6t widerseßen. Wolle man aber alle möglihea Bedenken berück- sihtigen, so komme man überhaupt nie zu einem Geseg. Wenn die Kommissionsvors{läge angenommen würden, so könne es wohl vorkommen, daß die ganze Sonntagsarbeit auf den Nachmittag verlegt werde; da nun aber alle geselligen Unterhaltungen am Sonntag Nachmittag vorgenommen zu werden pflegten, so würde man den Handlungsgehülfen keine genügende Ruhe, Erbolung und Zerstreuung bieten, wenn man ibnen erlaubte, am Sonntag Vormittag spazieren zu gehen , sie aber Nahmittags zwänge, alle Leute spazieren gehen zu sehen, selbst aber wieder ins Geshirr zu gehen und zu warten, ob vielleicht Jemand etwas kaufen wolle. Dadurch würden die Leute nur verbittert werden. Wie aber auch die Beshlüsse hierüber aus- fallen möôgen jedenfalls bitte feine Partei, den Theil ihres An- trages anzunehmen, in dem die längste Ausdehnung der Sonntazs- arbeit bis auf sechs Ubr angeseßt werde, denn an Sonntagen im Sommer Abends um fech{s Uhr ins Freie zu kommen, das werde wohl Jeder den so sehr angestrengten Handlung8gehülfen gönnen. Wolle man die Bestimmung hierüber in die Hände der Lokalbehörden legen, so werde die Entscheidung thatsählich bei den Unternehmern sein, weil diese vermöge ihrer gesellschaftlihen Beziehungen großen Einfluß auf die Lokalbehörden hätten. Ganz unbegreiflih erscheine ibm der Antrag des neuen Kartells, das sich von dem Abg. Dr. Gut- fleisch über das Centrum und die Nationalliberalen bis zu den Abgg. Dr. Hartmann und Freiherrn von Stumm ausdehne, wonach au an dem ersten Weihnachts-, Oster-und Pfingstfeiertag die Geschäfte nit ganz ges{lofsen zu sein brauchten. Man müsse den Handlungsgebülfen do twerigstens einmal einen ganzen freien Tag gönnen! Praftishen Werth babe ja dieser Antrag für Niemand, au für die Unternehmer niht, denn die einzigen Leute, auf deren Kaufbedürfniß man hierbei viellei@t rechnen könnte, die Landleute, kämen doch an Feiertagen au nit in die Stadt, um Einkäufe zu mahen. In einer Berliner Versammlung von Handlungsgehülfen habe der Abg. Dr. Hartmann Arm in Arm mit dem verstorbenen Kayser den Gehülfen die Versicherung gegeben, mit allen Kräften auf deren Sonntagsrube hinzuwirken. Er (Redner) möhte dem Abg. Dr. Hartmann _ nit empfehlen, seinen jeßigen Antrag den Handlungs- gebülfen gegenüber zu vertreten und ihnen zu sagen : es ist nöthig, daß Ihr zum Ruhme Eurer Chefs die Dinge besorgt, die möglicher Weise an jenen Tagen nothwendig sind. Er (R:dner) wisse nit, ob das Kartell dieser fünf Antragsteller so fest ges{lofsen sei, daß an eine Ablehnung folher Anträge überhaupt nit zu denken sei.

Abg. Dr. S&ädler: Der Sonntag sei außer zur Ruhe, Er- bolung und Zerftreuung auch no zur Er üllung der religiösen Pflich- ten bestimmt. Er begrüße daher die Berücksichtigung der für den öffentlihen Gottesdienst bestimmten Zeit in der Vorlage. Er wäre in erster Linie für eine vollständige Schließung der Geschäfte des Handelsgewerbes an Sonn- und Feiertagen. In England habe der

Kaufmann außer den 52 Sonntagen noch vier Fetertage und außer- dem gesezlich ibm zukommende vierzehn Tage Ferien. Was dort mögli fei, sollte auh dem DeutiGen Reich als erstreben#tw:rtbes Ziel vorshweben, allein er wolle feine auëihtslofen Anträge stellen und begnüge sich mit der Kommissionsfafsung zweiter Lesung, indem er darin wenigstens den Anfang einer besseren Zeit und einer Regelung der Sonntagsrube sehe. Biéher sei die Regel gewesen, daß die Geschäfte offen, und die Auênabme, raß sie ge!\{lossen gewesen jeien, zumal au die Landeêgesczebung nit so gehandhabt werde, wie es mögli fei. Die Vereinbarungen der Kaufleute, selbst die Ge- schâsie zu (ließen, seien immer über farz oder lang von dem Einen oder Anderen gebroGen worden, selbst unter Zabtung der ventionalstrafe, w:il man gedaŸt habe, einen Profit berauszus Bedenklich sei zwar , daß die Polizeibehörden je nah den ör Verbältnissen eine Erweiterung des Ge chäftaverfebrs könnten, aber er hoffe, daß die Verwaltungëebebörden ein w Auge darauf haben würden. Andererseits seien gerade di Bekbörden über die lokalen Bedürfnisse des Kaufmanr®ftan des Publikums am Besten unterrihtet. WünsHenêwerth sei Nachmittag frei bleibe, was sih bei den fünf Stunden zum größte Theil au erreihen lasse. Auf dem Lande werde zwar Sonntagnahmittag benutzt, um gelegentlih cines Besuches der Sta gleichzeitig Einkäufe zu maben. Er sei vollständig geaen de Gutfleis, wenn auch Gründe dafür anzuführen sein m im Osten werde nämlich eine ganze Reibe von Gesbäften nd Tages vor Weihnachten dur den Handel so in Anspru genommen, d es den Angestellten ni®t mögli sei, für fiH sel5f#t und ihre Anze- hörigen einzukaufen. Aber da diese zwei Stunden für alle GesGêfte gelten sollten, würde do nihts erreißt. Er erblicke ferner in die’en Anträgen gerade eine Vers{limmerurg der Landesgeseßzgebung, speztell in Süddeutshland. Die Arbeitszeit in Kolonial- und Spzzereigeschäften dauere überdies von früh Morgzns bis zum Abend gegen zehn Ubr, in Manufafktur- und Kurzwaarenze\Häft:n von Mor- gens 7 tis 85 Uhr Abends. In den ihm be?annten Gezenden werde der erste Oster-, Pfingst- und Weibnahtstag von den Angestellten benußt, um Eltern und Geschwister zu besuen, ¿zu welHem Z3weck sie hon Abends vorber abreisten. Das lasse ch mit dem Antrage Gutfleish nit vereinbaren.

Abg. Smidt (Elberfeld): E: müsse h aegen den Antrag utfleis erfläâren. Wenn, wie der Abg Dr. Schädler meine, in ayern bereits beute weitergebende Bestimmungen cxistirten, so bersehe er, daß dur Ortsftatut nah dem vorliegenden Gesetz jederzeit Ausnahmen zulässig seien. Mit einer Beschränkung der intagSarbeit auf drei Stunden könne er G binsi@tlih der ptoirardbeit fast einverstanden erklären, denn in seiner Heimath de Sonntagë auf den Comptoirs nicht gearbeitet; was aber die en betreffe, so werde eine dreistündige Arbecits:eit kaum aus- ihen, namentli nicht in kleineren Städten, wo besondere Ver- âltnisse, die Ankunft und der Abgang der Eisenbabnzüge, die Gewobns- zeiten der umwohnenden Bevölkerung ausschlaggebend seien. Das Ortsftatut werde hier die beste Lösung berbeiführen können. Wenn man damit au oft die Entscheidung in die Häzde von Interessenten lege, fo sei sie bier noch immer besser aufgehoben, als etwa bei der Polizeibehörde. Es sprächen sich auch durchaus ni&t alle Petitionen für eine Regelung im Sinne des Abg. Singer aus; es könne kaum E BVerfschiedenartizeres geben, als die dort angebrachten Wünsche.

u gegen den Antrag Hartmann müsse er sit erklären. In der Regierungévorlage babe rur die Polizeibehörde über eine Vermehrung oder Verminderung der Stunden unter besonderen Verhältnissen ent- scheiden jollen. Man habe in’ der ersten Lesung der Kommission hier eine „Anhöruzg der Gemeindebehörden“ einshieben wollen, si ader dann in der zweiten Lesung für das Ortsstatut als den besten Autweg entschieden. Der Antrag Hartmann, der cine ortsftatutarishe Regelung nur bei einer Herabseßung der Arbeits- stunden ¿ulafsen wolle, gebe der Polizeibehörde noch immer zu viel Rechte. Die Kontrole über ihre Bestimmungen würde ihr überdies sehr {wer werden

Abg. Freiherr von Stumm: Die Fürsorge für die Handlungs- gehülfen sei bei seiner Partei durhaus feine geringere, als die für die Arbeiter. Kein Ortsstatut sei im Stande, die Arbeitszeit der Arbeiter zu beshränken. Es fei für ihn auch selbitverständli®, daß die Sonn- tag8arbeitszeit erheblich unter fünf Stunden beruntergehen werde, nur die Mögli&keit einer solhen zuzulassen, {eine ihm angebra(t. Er wolle die Entwicklung der großen Städte durchaus nicht bemtnen, aber den besonderen Verbältniffen der kleineren müsse man Rechnung tragen und könne deshalb für solche einen allzu frübzeitigen Sluß der Geschäfte niht geseßlih bestimmen. Viele Handelskammern, z. B. die Straßburger, die Trierer, hätten das vollständig anerkannt; daß sich der Deutsche Handelstag anders entschieden habe, liege darin, daß er mehr das Handelsgewerbe der großen Städte vertrete. Die Wirkung einer Annahme der Anträge Auer oder Wöllmer würde sein, daß Land- leute, die früher Sonntags Nacmittags in den kleinen Städten ihre Einkäufe gemacht hätten, künftig ihre Waaren si aus den großen Städten schicken laffen würden. Der Reich- tham Englands, die Armuth Spaniens hätten andere Ursachen, als das Verbot der Sonntagsarbeit. Die Gesetzgebung Englands gehe auch durhaus nit weiter, als die Kommissions- vorlage. Wenn die Verhältnisse es erforderten, z. B, wenn ein Sifff ankomme, werde dort auch am Sonntag in faufmännis{en Geschäften gearbeitet, und die Gerichte ließen weitgeßende Ausnahmen auch sonst zu. Geseglih jede ärbeit an den hohen Festtagen zu verbieten, sei niht durchführbar; es würden Fälle eintreten, wo geradezu Unglücks- fälle dadurch verbütet werden fönnten, daß die Möglichkeit bleibe, auch an diesen Tagen nothwendig Feblendes zu ersegen. Vielleicht würde hier allerdings auch eine Stunde Geshäftszeit genügen.

Staats-Minister Freiherr von Berleps\ch:

Meine Herren! In der Vorlage der verbündeten Regierungen ift das Verbot der Sonntagsarbeit für die im Handelsgewerbe beschäftigten Personen auf fünf Stunden beshränkt ; eine weitergehende Einschränkung in dieser Beziehung ist in der Regierung8vorlage nit enthalten. Wern nun in den Beshlüssen der Kommission in der zweiten Lesung binzus geseht worden ist, daß dur statutarishe Bestimmung cines weiteren Komtnunalverbandes oder einer Gemeinde die Beshäftizung im Han- delsgewerbe auf eine fürzere Zeit beschränkt werden kann, so sind die verbündeten Regierungen mit der Abänderung ihrer Vorlage durchaus einverstanden und halten sie für eine Verbefserung, denn fie sind mit den Antragftellern und den Mits- gliedern der Kommission der Meinung, daß es in der That eine ganze Reibe von Ortschaften giebt, in denen es unbedenklich zulässig, sogar nothwendig ist, die Beschäftigung der Handlungsgehülfen noch mehr einzus{ränken, als die Vorlage es gewollt hat. Da- gegen ist es für sie auch ganz unzweifelhaft, daß es eine weitere Neiße von Verbältnifsen giebt, in denen der Verkauf am Sonntag nit zu entbehren ist, und daß, wie von vielen Seiten bier \{chon hervorgehoben worden ift, das vornehmlih der Fall ift in kleineren Landftädten sowie au in größeren Städten, in welchen die ländliche Bevölkerung ihre Einkäufe in Verbindung mit dem Besuche

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