1891 / 48 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 24 Feb 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Die Vermessungsbeamten der General-Kom- missionen sind, wenn sie in ihrer Eigenschaft als Landmesser außerhalb ihres Wohnorts in den vor die Gerichte gehörigen Rechtssachen als Sachverständige zugezogen werden, nah einer im Einvernehmen mit dem Justiz-Minister getroffenen Verfügung des Ministers für Landwirthschaft, Domänen und Forsten hinsichtlich ihrer Gebührenbezüge den anderen Landmessern gleihzustellen. Die Vermessungsbeamten der General-Kom- missionen haben daher nah Aufhebung der Bezahlungssäße des Land: (Feld-)messer-Reglements vom 2. März 1871 durch die Abänderung desselben vom 26. August 1885 Mangels anderweiter, auf Grund des 8. 36 a. a. O. getroffener Ver- einbarung für jeden Kalendertag, welchen sie als geometrische Sachverständige in gerichtlihen Angelegenheiten außerhalb ihres Wohnorts in nicht weniger als zwei Kilometer Ent- fernung ganz oder theilweise zubringen müssen, neben den Diäten von § M eine Feldzulage von 4,50 A bezw. 6 gemäß der Bestimmung im ersten Absay des 8, 41 der be- zeihneten Abänderung zu beziehen.

Der bisher auf dem Landrathsamt des Kreises Arns- walde beschästigte Negierungs-Assessor Dr. Herbert ist der Königlichen Regierung zu Magdeburg zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden.

Der; Regierungs: Assessor Dr. Vormbaum zu Arnsberg ist an die Königliche Regierung zu Merseburg verseßt worden.

S. M. Panzerschiff „Friedrich Carl“, Kommandant Kapitän zur See Aschenborn, ist am 22. Februar in Corfu eingetroffen und beabsichtigt, morgen nah Spalato in See zu gehen.

Kiel, 23. Februar. Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Heinrich sind laut Meldung des „W. T. B.“ mit dem Prinzen Waldemar heute Nachmittag von Berlin hierher zurückgekehrt.

Hefsen. Darmstadt, 23. Februar. Se. Königliche Hoheit der Großherzog ist, wie die „Darmst. Ztg.“ meldet, gestern Abend von Berlin hierher zurückgekehrt.

Oldenburg.

(H) Oldenburg, 23. Februar. Der Landtag be- willigte in der heutigen Sizung die von der Staatsregierung beantragten 650 000 6 für Herstelung weiterer Pier- und sonstiger Anlagen in Norderham und 455000 # für den Bau einer normalspurigen Eisenbahn untergeordneter Be- deutung von Norderham bis Blexerdeih. Den Einkommen- steuergesezentwürfen sür die Fürstenthümer Lübeck und Birken- feld, gleihlautend mit dem bereits genehmigten Geseß für das Herzogthum Oldenburg, wurde vom Landtage zugestimmt.

Neuß ä. L.

+ Greiz, 23. Februar. Jhre Durhlauchten der Für st und die Fürstin sind vorgestern zu einem Besuch Jhcer Hoheit der Herzogin von Altenburg nach Altenburg gereist. Die Rückkehr Jhrer Durchlauchten erfolgte am Abend des- selben Tages.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 24, Februar. Dem gestern stattgehabten Leiche n- begängnisse des ehemaligen Kriegs-Ministers Grafen Bylandt-Rheidt wohnten dem „W. T. B.“ zufolge mehrere Erzherzöge sowie Prinz Gustav von Sachsen-Weimar bei. Auch die Minister, die Mitglieder des diplomatischen Corps, unter ihnen der Botschafter Prinz Reuß, die Militär-Attachés und die Generalität nahmen an der Trauerfeier Theil.

Der Kriegs-Minister von Bauer und der Generalstabs- Chef von Beck sowie der General-Genie-JFnspektor Baron Salis-Soglio und der General-Fnspektor der Kavallerie von Gemmingen-Guttenberg sind mit dem Obersten Pitr eich, Vorsteher des Präsidialbureaus im Kriegs-Ministe- rium, nach Budapest abgereist. : i

Die Vertrauensmänner der Deutschen in Böhmen erließen einen Wahlaufruf, in welhem aus- geführt wird, daß unzweifelhaft Thatsachen vorlägen, welche als bedeutungsvolle Anzeichen für eine neue Wendung und Gestaltung in der inneren Politik Oesterreichs angesehen werden müßten. Obwohl voreilige Hoffnungen nicht gerehtfextigt sein würden, so wäre es doch von Uebel, hne Vertrauen der neuen Wandlung gegenüber- zutreten. Die Deutshen in Böhmen würden trachten, die geänderte Ordnung zum Nugzen der Grundsäße des Deutschthums, des Fortschritts und der Staatsmehrheit zu verwerthen und gäben hiermit die Erklärung ab, daß fie an dem deutsh-böhmishen Ausgleih vom 19. Januar 1890 unverbrüchlih festhalten und auf der Ausführung dieses Aktes feierlihst verkündeten Staatsnothwendigkeit nachdrücklichst ver- harren würden, weil es für sie Ehrenpflicht sei, das gegebene Wort einzulösen. Der Jnhalt des Ausgleihs treffe mit den nationalen Ueberzeugungen des deutschen Volks in Böhmen zusammen. Der Aufruf fordert shließlich auf zur Vorsicht und zur Einigkeit in Treue für den Staat, für deutsches Volktsthum und Fortschritt. :

Im ungarischen Unterhause brachte der Finanz: Minister Weckerle einen Geseßentwurf ein, betreffend die Bewilligung zur Aufnahme einer Gewinnst-Anleihe zu Gunsten der ungarländischen evangelisch-reformirten öffentlichen gans und der entsprehenden Fonds der evangelischen Kirche

ugsburger Konfession.

Großbritannien und JFrland. j

Bei der gestrigen Berathung des Militär-Etats im Unterhause beantragte Labouchère die Herabseßung der Heeresstärke um 3320 Mann, und zwar als Protest gegen die Besetzung Tokars und die dauernde Beseßung von Egypten. Der Untex - Staatssekretär Fergusson vertheidigte die Beseßung von Tokar als Schug für Suakim. Dieselbe sei gleichzeitig geeignet, Handel und Industrie des östlihen Sudans, dessen Schlüssel cs sei, zu beleben; ebenso werde die Beseßung Tokars den Land- bau der Umgegend von Suakim günstig beeinflussen. Seitens

der britishen Regierung seien Beweise genug erbracht, daß die Besezung Egyptens nit als permanent beabsichtigt sei; eine Zurückziehung der Truppen werde vielmehr erfolgen , fobald die Unabhängigkeit des Landes und eine gute Verwaltung desselben gesichert sei und die Gefahr einer fremden Be- sezung nicht länger vorhanden wäre. Einen bestimmten Tag der Räumung festzuseßen, sei jedoch vollkommen unmöglih. Der Antrag Labouchère wurde hierauf mit 124 gegen 52 Stimmen abgelehnt. Der Kanzler der Schaß- kammer Goschen führte aus: er habe, als er in Leeds jüngst von Banknoten im Betrage von 10 Shillingen gesprochen habe, gemeint, daß dieselben durch Silber nur soweit gedeckt werden sollten, als es nöthig erschiene, um die Noten in Silber einzulösen ; der Rest würde theils auf Gold, theils auf Werthpapieren basiren. : |

Beide Gruppen der irishen Partei haben ange- kündigtermaßen am Sonntag ihre Propaganda in Irland wieder aufgenommen. Parnell sprach der „Mgdb. Ztg. zufolge vor einer großen Versammlung in Roscommon. Nachdem die Unterhandlungen für die Wiedervereinigung der irishen Partei gescheitert seien, sagte er, müsse der Kampf fortgeseßt werden, bis Gladstone befriedigendere Versicherungen über die Bodenbesiß- und die Polizeifrage ab- gegeben habe. Die Versammlung der Anti-Parnelliten in Carrick wurde von einem Haufen mit dicken Stöcken be- waffneter Parnelliten verhindert, welhe die Rednerbühne stürmten und zerstörten. Healy flüchtete mit seinem Anhang nach der benachbarten katholishen Kapelle, wo er seine unter- brochene Rede fortseßte.

Frankreich.

Paris, 24. Februar. Jhre Majestät die Kaiserin Friedri begab sih, wie „W. T. B“ meldet, gestern früh mit Jhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Margarethe nach Versailles. Abends fand zu Ehren Fhrer Majestät ein Diner in der britishen Botschaft statt, an welchem die Mitglieder der britischen und deutshen Botschaft, sowie zahlreihe Mit- glieder des diplomatishen Corps Theil nahmen. An das Diner {loß fich ein Empfang an, welchem auch die Mit- alieder der österreichishen Botschaft und der griehishen Ge- sandtschaft beiwohnten. Dem Vernehmen nach wird Jhre Majestät ihren Aufenthalt in Paris bis Freitag verlängern.

Die von der Regierung in der Kammer eingebrahte Budget- vorlage veranshlagt die Einnahmen auf 3 218 404 133 Fr., die Ausgaben auf 3 217 815 525 Fr., den Uebershuß der Ein- nahmen somit auf 588 608 Fr. |

Jn der Zollkommission sprachen gestern Vormittag die Minister Jules Roche und Develle und verlangten die von der Regierung beantragten Zollsäße, namentlih auf Zwirn, Baumwolle, frishes Fleisch, Hammel, Fleisch: extrakte, Gänseleberpasteten, St. Gallener Stickereien, geschnittene oder gesägte Steine, frishe und in Treib: häusern gezogene Früchte, in Papier geschlagene Pasteten, harten Käse und Weine wiederherzustellen. Die Befreiung von Steuer auf Hanf, Jute und andere fase- rige Vegetabilien solle aufrecht erhalten werden. PVeéline wird den Gesammtbericht über den Zolltarif zu Ende der Woche der Kammer vorlegen. Die royalistische Rechte beshloß die von der Zollklommijsion festgesezten Zölle aufrecht zu erhalten und die von der Regierung verlangten Ermäßigungen abzulehnen. . |

Jn der Kommission, welche mit der Prüfung der verschiedenen Geseßentwürfe, betreffend den Schutz franzö- sisher Arbeiter gegen die Konkurrenz fremder in Frankreich sich aufhaltender Arbeiter, betraut ist, wurde der Vorschlag einer Fremdensteuer zurücgewiesen und die Verpflichtung zur Aufenthaltserklärung und zum Visum derselben für den Fall eines Umzuges vorgeschrieben.

Der Vorsißende der Subkommission des höheren Arbeitsrathes für die Lohnfrage, Jules Simon, hat sich laut Mittheilung des „Temps“ für die Pfändbarkeit eines Achtels des Lohnes der Arbeiter und Bediensteten aus- gesprochen, sowie dafür, daß Arbeiter und Bedienstete be- rechtigt sein sollen, ein zweites Achtel des Lohnes abzutreten; der Lohnabzug dürfe jedoch niemals ein Viertheil des Lohnes übersteigen. :

Dem Municipalrath is auf eine Resolution, worin die Regierung aufgefordert wird, den Biehmarkt von La Villette für auswärtige Hammel wieder zu er- öffnen, vom Ackerbau-Minister geantwortet worden, daß die unter den deutshen und österreihish-ungarishen Hammeln herrschende Viehseuche eine solche Viaßregel nicht thunlich erscheinen lasse.

Rußland und Bolen.

Am Sonntag fand bei dem Großfürsten Paul Alexandrowitsch ein Ball siatt, welhem der Kaiser, die Kaiserin, die in St. Petersburg anwesenden Mitglieder des Kaiserlichen Hauses sowie der Prinz Heinrich von Orleans beiwohnten. S : S

Gestern trafen aus Berlin in St. Petersburg die beiden chinesishen Gesandten sowie der neue griechische Ge- fandte Paparipopulo ein. : i j i

Die heutige Geseßsammlung bringt einen Kaiserlichen Ukas, betreffend die Kündigungder fünfeinhalbprozenti- gen Rente und die Emission einer zweiten vierprozentigen inneren Anleihe im Betrage von siebenzia Millionen Kreditrubel. Der Rückkauf der Rente erfolgt danach am 1. Funi 1891, mit welchem Tage auch der Zinslauf der Obligationen der neuen Anleihen beginnt. Die Fnhaber der Rente können dieselbe gegen die neue Anleihe austaushen und er- halten alsdann eine Prämie von 7 Proz. Eine bezügliche Anmeldung hat bei der russishen Reichsbank oder deren Filialen bis zum 28. Februar 1891 zu erfolgen. Die Stücke der neuen Anleihe wekden eventuell auch zu 93 Proz. verkauft; dieselben werden als Depots in den Kronsfkassen zum Preise von 85 Kreditrubel resp. 45 Goldrubel für 100 Rubel nominal angenommen.

Der Reichsrath wird sih, wie der „Grashd.“ berichtet, dieser Tage abermals mit dem inzwischen einer Umarbeitung unterworfenen Projekt von Maßnahmen zur V erhinde- rung der Veräußerung von Bauernland be- schäftigen. Nach dem neuesten Projekt darf Bauernland an Niemand veräußert werden, der niht zur Dorfge- meinde gehört. Es können ferner solhe Grundstücke nicht unter dem Hammer verkauft und niht verpfändet werden, sowie niht zur Sicherstellung von Forderungsklagen dienen, selbst wenn Kläger zur Bauerngemeinde 8 Will ein Bauer einer anderen f\tändishen Genossenschaft beitreten, so muß er vorecst für immer auf seinen Landtheil Verzicht leisten zu Gunsten der Gemeinde, der er bis dahin angehörte. Auf

Sibirien, Transkaspien, das Weichselgebiet und die Osisee- gy wird das Projekt zunächst noch niht Anwendung nden.

Ftalien.

Der Staatsschaß-Minister Luzzatti wird der Kammer sofort am Tage ihres Zusammentritts, am 2. März, die von ihm ausgearbeiteten Projekte für Ersparungen im Staatshaushalt vorlegen und daran eine Aus- einandersezBung der finanziellen Lage knüpfen. Nach dem „Capitan Fracassa“ werden die Reprä- sentationsgelder der Präfekten vermindert, und zwar in den einzelnen Klassen von 20 000 auf 16 000, von 12000 auf 10000 und von 8000 auf 4000 Lire. Der Kriegs- Minister General Pelloux hat der „Frkf. Ztg.“ zufolge an die ihm untergebenen Verwaltungszweige ein Cirkular gerichtet, welches zur strengsten Sparsamkeit und zur Ver- meidung aller unnöthigen Ausgaben auffordert. Auch wird er die Vorlage seines Vorgängers, der die militärishe Dienft- pflicht bis zum 42. Lebensjahr verlängern wollte, zurückziehen und sih mit der bisherigen Grenze des 39. Jahres begnügen ; die erstrebte Verstärkung der Cadres will er auf anderem E nämlih durch andere Vertheilung der Dienstjahre, er- reichen.

Die Opposition bezeihnete Zanardelli als ihren Kandi- daten an Stelle des zurüctretenden Kammer - Präsidenten Biancheri.

Laut Zeitungsdepeshen aus Massovah ergriff General Gandolfi in Folge der Meldung des Generals Grenfell von dem Nückzuge der ges{hlagenen Derwische auf Kassala Maßregeln zur Deckung der dortigen Schußbevölkerung.

Portugal.

Sämmtliche republikanischen Klubs im ganzen Lande sind geschlossen und ihre Versammlungen untersagt worden, Das republikanishe Journal „Os Debates“ ift unterdrückt worden; zwei seiner Redacteure wurden zu Ge- fängniß und jeder zu 500 000 Reis Buße verurtheilt. Das Kriegsgericht hatte der „Frkf. Ztg.“ zufolge bis zum 21. d. M. 98 Soldaten und 49 Civilisten zur Deportation, 32 Soldaten und 17 Civilisten zu verschiedenen Gefängniß- strafen verurtheilt.

GriechenlanD.

Prinz Adolf zu Schaumburg-Lippe und Ge- mahlin, Prinzessin Victoria von Preußen, sind dem „W. T. B.“ zufolge nach sehr stürmisher Fahrt gestern von Alexandrien glücklich in Athen angekommen und haben nach kurzem Aufenthalt von dort ihre Reise über Smyrna nah Konstantinopel fortgeseßt.

Serbien.

Belgrad, 24. Februar. Das neue Kabinet ist laut Meldung des „W. T. B.“ wie folgt zusammengeseßt: Pasic Präfidium ohne Portefeuille, Vuic Finanzen, Gjaja Jnneres, Gjorgjevic auswärtige Angelegenheiten, Gersic Justiz, Nicolic Unterricht, Tauschanovic Volkswirthschaft, Veli- mirovic Bauten, Oberst Rascha Miletic Krieg. i

Die neuen Minister wurden heute Vormittag vereidigt und übernahmen bereits die Geschäfte. Morgen findet die Vorstellung des Kabinets in der Skupschtina statt, wobei Pafic das Programm der neuen Regierung entwideln wird.

Schweden und Norwegen.

Das konservative norwegishe Ministerium Stang hat, laut Meldung des „W. T. B.“ aus Christiania, gestern seine Demission gegeben. Veranlassung dazu war die Annahme einer von den Liberalen im Storthing beantragten Tagesordnung zu dem Regierungsvorschlage, betreffend die Ordnung der diplomatischen Angelegenheiten. Die der Re- gierung gegnerische Mehrheit betrug 59 gegen 55 Stimmen.

Zur theilweisen Erläuterung vorstehender Meldung er- halten wir von unserem (F) Berichterstatter folgenden Bericht über die der gestrigen vorangegangenen Storthingssißung:

Christiania, 21. Februar. Auf der beutigen Tagesordnung des Storthings stand das Referat über die Thronrede. Fast alle Minister waren im Sißzungssaale anwesend und die Galerie war mit Zuhörern dicht gefüllt. Abg. C, Berner ergriff das Wort und wies darauf hin, daß, otwohl der Vorschlag wegen der Ordnung der diplomatiswen Angilegenheiten in diefer Session nit zur Verhandlung komme, für das Storthing doch volle Veranlaffung vorliege, seinen prinzipiellen Standpunkt in dieser Sacke auszuiprehen. Norwegische Auffaffung in dieser Sache sei, wie con im Jahre 1886 ausgesprochen worden, daß Norwegen als selbständiger Staat volle Gleichberechtigung in Allem fordern müsse, folglid au bezüglich der Vorbereitung und der Ausführung der ausländis{en Angelegenbeiten, Alles unter gewährleistender konsti- tutioneller Verantwortli&{keit, Redner bob besonders den Ausdruck des Vorschlages hervor: „der Minister der auswärtigen Angelegenheiten“, gegen den die norwegische Regierung niht protestirt, sondern nur eine formelle Reservation eingelegt habe, indem sie den Vorschlag als- unsere gerechten Forderungen „nicht vollständig befriedigend“ be- zzichnete; dieser Vorsblag müsse deshalb als ein Hinderniß für das Ziel der norwegiscen Selbständigkeit abgewiesen werden. Norwegen dürfe von seiner Selbständigkeitsforderung nicht ablassen, Wohl fônne man zur Dur{führung dieser Forderung vorsichtig vorgehen, etwas Anderes aber sei es, die Forderung selbst aufzugeben. Von dieser Auffassung ausgehend, beantragten Redner und Genoffen folgende Tagesordnung :

„Im Anschluß an frühere Aus\sprübe des Storthings behauptet das gegenwärtige Stortbing das Recht Norwegens als selbständiger Staat auf volle Gleicbberechtigung in der Union und damit sein Recht, seine auséländishen Angelegenheiten auf konstitutionelle, gewähcleistende Weise wahrzunebmen und spricht die Ueberzeugung aus, daß das norwegische Volk niemals einer Ordnung zustimmen wird, die ein Hinderniß für die Durchführung des vollen Rechts Norwegens auf diesem Gebiet sein kann. Die Rede des Königs n e Bericht über den Zustand des Reihs werden dem Protokoll

¿gelegt

Nunmekr ergriff Staats-Minister Stang das Wort. Er hob hervor, daß im Jabre 1886 das Storthing in seiner Tagesordnung gesagt habe: „für Norwegen den Antheil in der Leitung der aus- wärtigen Angelegenheiten zu erwerben“, während es jeyt heiße: „seine auswärtigen Argelegenheiten wahrzunehmen.“ Was fei mit leßterem unklaren Ausdruck gemeint? Liege vielleiht eine Verleugnung darin, daß es überhaupt keine gemeinscaftliben auswärtigen Angelegenheiten für die beiden Reiche gebe, die do Krieg und Frieden gemeinschaftlich hätten ? Werde diese Tagesordnung angenommen, dann weide man hinterher wohl dafür sorgen, derselben eine mit den radikalen Wünschen über- einstimmende Deutung zu geben. Cine Tagesordnung aber, die so etwas entbalte, sei für die Regierung durhaus unannehmbar. Gs sei praftish aub wohl undurchführbar, daß die beiden Länder, die

nach den Verfassungen einen gemeinshaftliden König und gemein-

\chaftlihen Krieg und Frieden hätten, zwei Minister der auswärtigen Angelegenheiten haben könnten, einen in Christiania und einen

in Stockholm, die viclleiht einander entgegenarbeiteten, sodaß der

König persönlich vielleicht daë Bindeglied bilde und die wirkliche Ent-

scheidung treffe. Der Gedanke wegen eines eigenen norwegischen Ministers des Aeußeren sei unüberlegt und unpraktisch; was gemein- \chaftlih sei, müsse gemeinschaftlich geleitet werden Das Ziel der Regierung fei, erklärte weiterhin der Staats-Minister, ein gemein- \haftlicher Minister des Aeußeren, entweder ein Schwede oder ein Norweger, unter Kontrole der beiden Nationalversammlungen.

Nachdem noch einige Abgeordnete für die vorgeschlagene Tages- ordnung gesprochen hatten, wurde von dem Abg. Schweigaard folgender Gegenvorschlag zu einer Tagesordnung eingebracht :

eIm Anschluß an frühere Aussprüche des Storthings kbebauptet das gegenwärtige Storthing das Recht Norwegens als selbständiger Staat auf volle Gleichberechtigung in der Union und damit sein Recht an dem Antheil in der Leitung der Angelegenheiten, der Nor- wegen Kraft dieser Stellung zukommt. Das Storthing \pricht die Vekerzeugung aus, daß das norwegishe Volk bei der Beurtheilung des Vorscblages zur Ordnung der Behandlung der diplomatischen Angelegenheiten von diesen Grundsäßen si immer leiten lassen wird.“

Nach ciner kurzen Debatte über einen Antrag Schweigaard?s, die Sawe von der Tagesordnung abzusctßen, wurde die Fortseßung der Debatte am Montag besch{lofsen.

Dänemark.

(F) Kopenhagen, 21. Februar. Das Landsthing beendete gestern nach mehrtägigen Verhandlungen die zweite Lesung des von der Regierung vorgelegten Geseßentwurfs, be- treffend die Zölle und Schiffsabgaben, und nahm den Ueber- gang desselben zur dritten Lesung einstimmig an.

Afrika.

__ Egypten. Ueber die Schlacht bei Tokar-Afafit liegt jeßt folgender Bericht aus Afafit, vom 19. Februar, vor : Bei Tagesgrauen rückten die egyptischen Truppen vor und ftießen in der Nähe von Tokar auf den Feind. Die verfallenen Regierungs- gebäude boten ihnen einen willfommenen Schuß und es gelang ihnen, durch einen plößlidben Sturm sich derselben zu be- mächtigen, ehe der Feind sie an ihrem Vorhaben hindern konnte. Die Gebäude sind im Umkreise von etwa 50 Yards von dihtem Bushwerk umgeben, aus welhem heraus der An- griff der Derwische erfolgte. Darauf kam es zu einem Hand- gemenge, welches 1} Stunden dauerte. Der Feind legte die größte Todeêëverahtung an den Tag. Ein glänzender Angriff der egyptischen Kavallerie entschied den Au8gang des Kampfes. Die Derwische mußten sich gänzlih geschlagen und zersprengt zurückziehen und (wie \{chon telegraphisch berihtet wurde) mehr als 700 Todte auf dem Séólachtfelde zurücklassen. Man \chäßt die Zabl der Angreifer auf etwa 2000, während eine gleih starke Schaar sich auf den Hügeln in Reserve befand. Alle hervorrage: den Emire sind in dem Treffen ge- fallen, Oëman Digma ausgenommen, welcher den Verlauf des Kampfes von Afafit aus betrachtete. Auf Seiten der Egypter wurde ein englischer Offizier getödtet, sowie ein englisher und vier egyptishe Offiziere verwundet (vgl. u.). Außerdem fielen noch zwölf Soldaten und zwei- undvierzig erlitten mehr oder minder ernste Verwuntungen. Nachdem in Tofkar eine Garnison zurückgelassen war, marscierten die Truppen direkt auf Afafit, indem se die vom Feinde bescßten Hügel von der Flanke aus nahmen, Als sie um 43 Uhr bei Afafit anlangten, stellte es sich heraus, daß der Play von den Derwischen geräumt war. Einige bundert Araber waren in der nähsten Umgebung zurückgeblieben, er- gaben fi jet oh gutwillig ohne weiteren Kampf Osman Digma floh nah Temrin. Nachts biwakirten die Truppen bei Afafit, einem großen Dorfe von ungefähr 6000 Strob[ütten, welche eine Fläche von mehr als 4 Quadratmeilen bedecken. Morgen unternimmt die Kavallerie einige Rekognoëzirungen in der Richtung auf Temrin. Die Haltung der egyptischen Truppen war Angesihts des verzweifelten Angriffs der ihnen an Zahl weit überlegenen Derwishe, welde Osman Diama in den leßten Tagen aus allen Theilen des Landes zuströmten, eine musterhafte. Die Egypter haben eine große Anzahl Banner, Schwerter, Speere und Gewehre, 2 Kanonen und beträchtliche Mengen Munition und Lebenêmittel erbeutet. ___ Aus Asffafit über Suakim vom 21, Februar in London eingegangene Nachrichten des „W. T. B.“ melden ferner: Gestern machte die Kavallerie einen Rekogno3- zirungsritt in der Richtung auf Temrin und stieß dabei auf einige Derwische, Dieselben berihteten, Osman Digma sei mit wenigen Reitern in der Richtung nah Kassala ge- flohen. Die Scheikhs fast aller benahbarten Stämme haben ihre Unterwerfung angezeigt. Die Verbindung zu Lande ift mit Suakim, Akik und Erkowit wiederhergestellt. Der Gesund- heitszustand der Truppen ift ausgezeichnet; die Zahl der ver- wundeten egyptischen Soldaten ist weit größer als ursprünglih angenommen wurde.

Parlamentarische Nachrichten.

der heutigen (73.) Sizung des Reichêtages, welcher der Staatssekretär Dr. von Boetticher und der Staats-Minister Freiherr von Berlep\ch beiwohnten, theilte der Präsident zunächst mit, daß Se. Majestät der König von Sachsen die Staats-Minister von Thümmel und von Metzsch an Stelle des verstorbenen Staats-Ministers Freiherrn von Könnerit und des aus dem Staatsdienst ausgeschiedenen Staats-Ministers von Nostiz-Wallwißt zu Mitgliedern zum Bundesrath ernannt hat.

Auf der Tagesordnung stand die Fortsezung der zweiten Berathung des Geseßentwurfs, betreffend die Ab- änderung der Gewerbeordnung, auf Grund des Berichts der VIII, Kommission. aa Berathung wurde fortges.ßt mit 8. 116, welcher

Verträge, welhe dem §. 115 zuwiderlaufen, sind nihtig.

Dasselbe gilt von Verabredungen zwishen den Ge- werbetreibenden und den von ihnen beschäftigten Arbeitern über die Entnahme der Bedürfnisse der Letzteren aus gewissen Verkaufsstellen, sowie überhaupt über die Verwendung des Verdienstes derselben zu einem anderen Zweck als zur Betkei-

ligung an Einrichtungen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter oder ihrer Familien.

Hierzu lag folgender Antrag des Abg. Auer vor: _Im Absay 2 die Worte „sowie überhaupt“ und folgende zu streihen und dafür folgenden Zusaß aufzunehmen :

„Zur Leistung von Beiträgen für die Betheiligung an Einri- tungen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter oder ihrer Familien dürfen die Arbeiter nicht angehalten werden.“

Dieser Antrag wurde nah einer kurzen Motivirung Seitens des Antragstellers abgelehnt und der §. 116 nah der Fassung der Kommission angenommen.

8. 117 lautet:

Arbeiter, deren Forderungen in einer dem S, 115 zuwider- laufenden Weise berichtigt worden sind, könnea zu jeder Zeit Zahlung nah Maßgabe des 8. 115 verlangen, ohne daß ihnen eine Ein- rede aus dem an Zablungsstatt Gegebenen entgegengeseßt werden kann. Leßteres fällt, soweit es noch bei dem Empfänger vorhanden oder dieser daraus bereichert ift, derjenigen Hülfskasse zu, welcher der Arbeitcr angehört, in Ermangelung einer solchen einer anderen zum Besten der Arbeiter an dem Orte bestebenden, von der Ge- meindebehörde zu beftimmenden Kasse und in deren Ermangelung E Slerite ia Mr Ant

lerzu lag der Antrag des Abg. Dr. Hirsch vor:

Statt „Hülfskafse" zu seten; reren, [9

Abg. Bebel befürwortete diesen Antrag mit dem Hin- weise darauf, daß alle sogenannten Wohlfahrtseinrihtungen der Fabrikanten, als da seien: Fabriksparkassen, Konsumvereine und Arbeiterwohnungen, lediglich die Arbeiter in Fesseln {lügen und den Unternehmern in vielen Fällen von peku- niärem Vortheil seien. Mit diesen Wohlfahrtseinrihtungen würde lediglih Heuchelei getrieben.

Geheimer Regierungs-Rath Dr. Königs empfahl Namens der verbündeten Regierungen die Ablehnung des Antrages Auer. Die Sozialdemokraten erwiesen mit dem Verbot der Theilnahme an den Wohlfahrtseinrihtungen den Arbeitern einen schlechten Dienst. Es sei zuzugeben, daß hier und da mit diesen Einrichtungen Mißbrauch getrieben worden sei. Aber es hieße das Kind mit dem Bade ausschütten, wollte man deshalb alle diese Wohlfahrtseinrihtungen verbieten. Auch die Geseß- gebungen der übrigen Staaten kennten eine Beschränkung, wie sie die fozialdemokratishe Fraktion wünschte, nicht.

Bei Schluß des Blattes sprach der Abg. Möller.

In der beutigen (41.) Sißung des Hauses der Ab- geordneten, welcher der Minister der geistlihen 2c. Angelegen- heiten Dr. von Goßler, der Minister des Jnnern Herr- furth und der Finanz-Minister Dr. Miquel beiwohnten, wurde die Berathung der 8. 84, 84a und 85 des Entwurfs eines Einkommensteuergeseßes, welche die Verwendung der etwaigen Uebershüsse aus der neuen Einkommensteuer- veranlagung betreffen, fortgeseßt.

Abg. Freiherr von Zedliß zog den Antrag von Balan zurück und befürwortete cinen von ihm und dem Abg. Richter neu eingebrachten Antrag, der etwa 10 Millionen Mark jährlich für Schulbauten verwendbar macht und anderer- seits da, wo ein Bedürfniß für Schulbauten nicht vorliegt, die Verwendung der Mittel zu anderen Zwecken zuläßt.

Der Finanz-Minister Dr. Miquel empfahl die Ableh- nung aller Anträge und die Annahme der Regierungsvorlage bezw. des Kommissionsbeshlusses, Er verwahrte die Steuer- reform gegen den Vorwurf der Nebelhaftigkeit; die Reform müsse scheitern, wenn das ganze Gebiet gleichzeitig in Angriff genommen würde. Er ent- widelle die Grundzüge des Reformprogramms, zu dessen Fundament auch die Ueberweisung der Grund- und Gebäudesteuer gehöre. Erst dann werde die Kommunalsteuer- reform und die differentielle Behandlung des fundirten und unfundirten Einkommens möglih werden. Die Freisinnigen sollten do ihrerseits ein positives Programm entgegenstellen. Die Verwendungsbestimmungen seien in das Geseß nur auf- genommen, um unverkennbar zu zeigen, daß die Regierung aus der neuen Steuer keine Mehrerträge für andere Staats- bedürfnisse wolle. Die Quotisirung liege außerhalb des Rahmens des Gesezes. Wer die Reform ernsilich wolle, müsse in Einzelheiten entgegenkommen. Ein Scheitern der Reform für jeßt würde ein Scheitern für unabsehbare Zeit fein.

An der weiteren Debatte betheiligten sich die Abgg. Graf Kanit, Dr. Sattler, Fegter und Wessel. Darauf gelangie ein Antrag auf Schluß der Debatte zur Annahme. (Schluß des Blattes.)

_— Die Kommission für die Geschäftsordnung des Reichstages beantragt: die Genehmigung zur Einleitung des Strafverfahrens gegen das Reichstag3mitglied Metger (Hamburg) während der Dauer der gegenwärtigen Sißzungs- periode nicht zu ertheilen.

Ferner beantragt dieselbe Kommission: Die bei der Be- rathung des Reichshaushalts:Etats in der zweiten Lesung beantragten Resolutionen bedürfen der Unterstüßung von fünfzehn Mitgliedern. Die Abstimmung über diese Resolu- tionen erfolgt frühestens am dritten Tage, nachdem sie gedruckt in die Hände der Mitglieder gekommen sind, Die Abstimmung ist bis nach endgültiger Festseßung der Etatsposition aus- zuseßen, sofern der enge Zusammenhang mit der Etatsposition es angezeigt ersheinen läßt oder ein von dreißig Mitgliedern unterstüßter Antrag es verlangt.

Die Wahlprüfungsk ommission des Reihs- tages beantragt: die Beschlußfassung über die Gültigkeit der Wahl des Abg. ODechel häuser im zweiten Anhaltischen Wahlkreise auszusetzen.

Die Krankenkassen-Kommission des Reichstages nahm Dienstag, Vormittags, ihre Sißungen wieder auf. Die Be- rathung steht bei §. 58, Dazu lag ein Antrag der Subkommission vor, welher den Zweck verfolgt, die Entscheidung von Streitigkeitin Versicherungspflihtiger mit ihren Arbeitgebern oder mit Zroangskassen 2c. wie im jezßigen Geseg ent- gegen der Vorlage auf den ordentlien Nehtsweg zu verweisen, sofern nicht nah bestehendem Landesgeseze diese Streitigkeiten dem Ver- waltungsftreitverfahbren überwiesen sind. Die Geheimen Ober- Regierungs-Räthe Lohmann, vonWoedtke und vonLenthbe be- kämpften diesen Antrag, mit ibnen der Abg. Dr. S hier, während die Abgg. Spahn, Gutfleish, von Wendt, Eberty und Molkenbuhr dafür eintraten, indem sie dem Bedauern Ausdruck geben, daß es nicht mögli sein werde, die bedingungslose Berufung an die ordentlichen Gerichte einzuführen. Der Antrag wurde angenommen. Der zurückgestelte §. 53 wurde nach kurzer Debatte unter Ablehnung der Anträge von der Schulenburg und Metzner, die aus- gedrückt wissen wollten, daß die Versicherten verpflichtet seien, die von den Arbeitgebern für fie vorschußweise eingezahlten Ein- trittsgeider und Beiträge \fich bei den Lohnzahlungen in Ab- zug bringen zu laffen, nach der Regierungsvorlage angenommen. Die Sd. 59, 60, 61, 62, 63 wurden unverändert nach den Beschlüssen erster Lesung genehmigt, während in §. 64 Ziffer 1a. die Worte: „Der Vorstand (8. 34) und die Vertreter der Generalversammlung (§8. 37) werden in geheimer Wabl geprüft“, auf Antrag des Abg. Grafen Holstein gestrihen wurde. Die §8, 65, 66, 61, 67a, 67b,, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74 wurden nach dea Beschlüssen erster Lesung angenommen.

Die Einkommensteuer-Kommission des Hauses der Abgeordneten beendigte heute Vormittag die Berathung des Antrags Bacbem bezüglich des Gemeindewahlrehts nebst den gestellten Anträgen, Die Abgg. Bachem (Mülheim) und Frißzen (Rees) hatten den neuen Antrag gestellt, Absatz 3 des §. 79a wie folgt zu faffen: „In denjenigen Landestheilen, in welchen für die Gemeindevertreter - Wahlen die Wähler nach Maßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten Staatéfteuern in Abtheilungen getheilt werden, verlieren ortsstatutarische Bestimmungen, welche das Wahlrecht an einen höheren Klafsensteuersay als 4 X knüpfen, ihre Giltigkeit; der Erlaß solcher Ortsftatuten ift ferner niht zulässig.“ Die Kommission lehnte diefen Antrag mit 15 gegen 8 Stimmen ab. Dagegen stimmte die Kommission dem gestern mitgetheilten Antrage Zedlitz in veränderter Faffung zu, in §. 79a folgenden Saß ein- zushalten: „Soweit nah den bestehenden Bestimmungen in Stadt- und Landgemeinden das Vürgerrecht bezw. das Stimm- und Wahl- recht in Gemeindeangelegenheiten an die Bedinguag eines jährlichen Klafsensteuerbetrages von 6 # geknüpft ist, tritt bis zur anderweitigen geseßliden Regelung des Gemeindewahlrechts an die Stelle des genannten Satzes der Steuersaß von 4 # bezw. ein Ein-

kommen von mehr als 660—900 A In denjenigen Landestheilen, in welhen für die Gemeindevertreter-Wahlen die Wähler nah Maßgabe der von ihnen zu entrihtenden direkten Steuern in Abtheilungen getheilt werden, tritt an Stelle eines 6 # Ein- fommenfsteuer übersteigenden Steuersaßes, an welhen durch Ortsftatut das Wahlrecht geknüpft wird, der Steuersaß von 6 # Wo solche Ortsftatuten nah bestehenden Kommunalordnungen zulässig find, kann das Wakhlrecht von einem niedrigeren Steuersaße bezw. von einem Einkommen bis 900 4 abhängig gemacht werden. Cine Erhöhung ist nit zulässig.“ Die Kommission genehmigte diesen Antrag mit 29 gegen 3 Stimmen.

Die Volkss\chulgeseß-Kommission des Hauses der Abgeordneten genehmigte in ihrer leßten Sitzung den sechsten Abschnitt betreffend Fürsorge für Wittwen und Waisen (§SS. 175 bis 183) mit unwesentlihen Abänderungen nach der Vor- lage. Die Anträge, welhe die Lehrer - Hinterbliebenen mit den Hinterbliebenen der unmittelbaren , Staatsbeamten gleih- stellen wollten, wurden von den Konservativen, dem Cen- trum und dem Abg. Zelle abgelehnt. In der Debatte gab aub die Majorität ihren Sympathien füx die Lehrer-Hinterbliebenen lebhaften Auédruck. Abg. Dr. Windthor f betonte, daß seine Partei in der Pensions- und Reliftenversorgungsfrage den Widerstand gegen die Verwendung von Staatsmitteln aufgebe. Abg. Dr. Brüel {lug vor, die desfallsigen Bestimmungen als vorläufige binzustellen. Abg. Pr. KroPaliGeck rat dasir em. dal die Staats- regierung in der Reliktenfrage sich nach den Wünschen des Abgeordnetenhauses richte. Der Mirvisterial:Direktor Dr. Kügler gab die Erklärung ab, daß die Faffung des Regierungsentwurfs nur formell aufrecht erhalten werde. Dr. Arendt stellt den Antrag, das Wittwengeld auf 300 4, das Waisengeld auf 60 A zu erhöhen bezw. für Kinder, deren Mutter nicht mehr lebt, 300 4, mindestens aber 100 M für jedes Kind zu gewähren. Bei §8. 182 wiesen die Abgg. Sevffardt und Rintelen die Staatsregierung darauf hin, daß die beabsichtigte Sbließung der bisherigen Wittwen- und Waisenkassen nicht ohne forgfältige Abwägung der den Lehrern zustehenden Rechte erfolgen könne. Bei §. 183 wurde der Antrag Hanfen angenommen, daß den Lehrern die ihnen in einigen Landestheilen zustehenden Rechte auf eine weitergehende Fürsorge der Gemeinden gewahrt blieben.

Die XVI. Kommission des Abgeordnetenhauses seßte Montag Abend die Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend den aufsihtführenden Amtsrichter, fort, nachdem sie in der ersten Sißung die Fassung des Herrenhauses abgelehnt batte. Es stand folgender Antrag des Abg. Günther (nat.-lib.) zur Diskussion : den §. 79 des Ausführungsgefeßes zum Gerichtsverfa\sungsgesetz dabia zu fassen: „Bei den nur mit einem Richter beseßten Amtsgerichten steht dem Amtsrichter die Aufsicht über die bei dem Amtsgericht angestellten oder beschäftigten Beamten zu, Bei den mit mebreren Richtern be- seßten Amtsgerichten ist die Aufsiht über die bei denselben angestellten oder beschäftigten nichtrichterlichen Beamten durh den Justiz- Minifter einem der Ritter zu übertragen. Bei den mit mehr als neun Richtern beseßten Amtsgerichten ist vom Justiz-Minister dem mit der allgemeinenDienfstaufsiht beauftragtenAmtsrichter auch dieAufsiht über die bei dem Amtsgerichte angestellten oder beschäftigten richter - lihen Beamten zu übertragen, Diese Uebertragung ift unwider- ruflich, Bei Verhinderung des mit der allgemeinen Dienstaufsiht betrauten Amtsrichters oder bei Erlediguna der Stelle desselben ist der dem Dienstalter nach älteste Amtsrichter zur Stell- vertretung in der Dienstaufsicht berufen.“ Muhl (nat.-lib.) {lug vor, den vorleßten Saß des Antrags Günther dahin zu fassen: „Im letzteren Falle erfolgt diese Uebertragung unter Ver- leihung eines den Rang der Amtsrichter übersteigenden Dienstranges und ist unwiderruflih.* Der Regierungskommissarius erklärte sih mit beiden Anträgen einverstanden, wenn er auch den Zusatantrag Mußhl für überflüssig erachtet. Nach längerer Debatte wurde der Eventualantrag Muhl mit neun gegen fünf Stimmen angenommen, dagegen der Antrag Günther mit aht gegen sech8s Stimmen abgelehnt. Die Kommission beschloß schriftlichen Bericht und wählte Muhl zum Referenten.

Kunst nnd Wiffenschaft.

Wie die „Nat.-Ztg.“ mittheilt, hat der Kultus-Minister den Ober-Präfidenten der Provinzen einen Eclaß zugehen lafsen, welcher den Vertrieb und die Führung des Koh'shen Heilmittels gegen Tuberkulose in den Apotheken regelt. In demselben wird bestimmt, daß das „Tuberculinum Kochii“, abgesehen von dem Großhandel, nur in Apotheken abgegeben werden darf. Das Mittel selbst wird unter Leitung des Er- finders auch fünftig von dem mit der Bereitung desselben betrauten Dr. Libbery hergestellt und wird Seitens der Apotheken von diesem Herrn zu beziehen sein, Dasselbe wird in Fläshchen von 1 bis 5 cem Inhalt abgegeben und mit besonderen Zeichen und Plomben versehen, unter anderen au einen Vermerk über den Tag enthalten, an welchem das Mittel fertig gestellt worden ist. Ferner soll jedem Fläschchen eine Gebrauchsanweisung beigegeben werden. Besondere Vorschriften werden in Bezug auf die Aufbewahrung und die Ab- gabe des Mittels in den Apotheken getroffen. Dasselbe soll seinen Plaß im Giftshrank erhalten und nur in unversehrten Original- fläschchen und gegen schriftliche Anweisung approbirter Aerzte an diefe felbst oder an die von ihnen beauftragten Personen abgegeben werden. Ueber Ankauf und Verkauf des Mittels is besonders Buch zu führen, insbesondere ist bei jedem einzelnen Falle zu be- merken die Menge des Mittels, das Datum der Fertigstellung, des Ankaufs und Verkaufs sowie der Name des verordnenden Arztes. Sechs Monate nah Herstellung des Mittels darf dasselbe nicht mehr verkauft werden, vielmehr werden derartige Fläshchen an Dr, Libbertz zurückgesandt und von diesem unentgeltlich umgetausht. Dex Tar- preis ift für einen Kubikcentimeter auf 6 #4, für 5 Kubikcentimeter auf 25 M festgeseßt. : i

Ueber Prof. Liebreih's Mittel gegen die Tuber- kulosfe erfährt die „Alg, Med. Central-Ztg.", daß dasselbe zwar an sih eins unserer stärksten Gifte ist, aber in der von Liebreih

„zu empfehlenden Ordinationsweise vollkommen ungefährlih ist, so

daß seiner Anwendung in der Praxis nicht das geringste Bedenken entgegensteht, Ueberhaupt dürfte das Mittel, und das sei sein beson- derer Vorzug vor dem Tuberkulin, in erster Linie dem praktischen Arzt zu Gute kommen, da es leiht beshafbar, sehr billig und einfah zu verwenden ist. Weder Fieber, noch sonst irgend eine ent- zündlihe Reaktion folgen auf seine Applikation. Wie der „Allg. Med. Central-Zeitung* weiter mitgetheilt wird, hat Geheimer Rath Liebreih neuerdings Versuche mit dem Mittel an Lupuskranken be- gonnen; mit welchem Erfolge, ist noch nit bekannt. Außer bei Kehlkopftuberkulose soll es auch bei vielen katarrhalishen Zuftänden von großem Nutzen sein und fih überhaupt als ein außerordentlihes Hülfsmittel für die alltäglihe Praxis bewähren.

Die leßten Bildwerke des Professors Lürssen sind, wie die „Voss. Z.* mittheilt, bestimmt für die Schränke der Magistrats- Bibliothek. Es sind dies die Medaillon-Bildnisse des Architekten Stüler, der Maler Franz Krüger und Chodowiecki, sowie der Dichter Chamifso, Willibald Alexis und E. T. A. Hoffmann.

Der durch seine franzöfische Uebersezung des Neuen Testaments bekannte Professor der Theologie, Hugues Oltramare, ist einer Meldung des „W. T. B.* zufolge nah längerer Krankheit gestern in Genf gestorben.

Nach dem , Journal des Débats“ haben sich bis jeßt noch folgende frangzöôsische Maler entshlossen, in Berlin auszustellen ; Petitijean, Nozal, Boudin, Gagliardini, Zuber, Yon, Ywill, Le Blant, Fantin-Latour, Julien Dupré, Toudouze, J.-Paul Laurens, Fouace, Friant, Mme Madeleine Lemaire, Eugèae Carriòre, Armand Dumalescq, Eugène Feyen, Humbert, Maurice Eliot, Saint-Pierre, Laugée fils, Thévenot, Delahaux, Deshampys, Emile Manier, Adrien Moreau, Lematte, JIacquet, Aimé Perret, Delort, Delpy, Ziem,

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