1891 / 49 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 25 Feb 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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der Quotisirung die DurGführung einer von dem Herrn Antrag-

um einige Gere Htigkeit berzustellen, wiederum den Weg der Kapitalrenten- steuer beshreiten müßte, dann kann doch nicht auf immer diese Thesauriru-4g stattfinden, dann muß doch der &. 85 in Kraft treten. Meine Herren, nun hat der Hr. Abg. Riert seine Zustimmung zu diesem fet abhängig gemawt von der Einführung der Quotisirung. Meine Herren, seit dem Iabre 1867 kann ih mich nit erinnern, daß diese Bedingung an irgend ein Steuergeseß gehängt worden sei, au nit im Jabre 1873. Ein ernfstliher Anlauf dahin, von der Erzwingung

fteller selbst als nothwendig erklärten Reform abhängig! zu maten, ist meines Wissens im Abgeordnetenhause noch nicht vor- gekommen. Der Hr. Abg. Rickert ist derjenige gewesen, der am Offensten und Bestimmtesten erklärt hat: die Reform ift nothwendig. Es handelt sich hier gar nit um ein neues Steuergeset, sondern nur um die bessere Veranlagung eines bestehen- den Gesetzes; die Mehrerträgnisse sollen fogar unbedingt wieder zur Entlastung der Steuerpflichtigen verwandt werden, das \chreibt das Gese mit dürren Worten vor. Bei keinem Gese war daher weniger Veranlassung, von einer solchen Bedingung, die mit dem Gesetz selbst in gar keinem unmittelbaren Zusammenhange fteht, die Zustimmung abhängig zu maten.

Meine Herren, was man subjektiv auch über die Quotisirung denkt oder niht denkt, ob man darin größere Gefahren für den ruhigen Gang der Staatsverwaltung, für die Stellung der Krone und der Staatsregierung erblick oder geringere, ob man darin ein Flement finanzieller Sparsamkeit und Ordnung sieht, so viel cheint mir do§ zweifellos zu sein, daß es in allen Fällen nit angebraŒt ist, diese Frage in den Vordergrund zu schieben im vor- liegenden Falle, eine Frage, die nach meiner Meinung, wenn sie einmal geregelt werden foll, etwa im Sinne des Hrn. Abg. von Zedliß, nur dur ein freies Entgegenkommen der Krone zu regeln möglich ist. Einen Zwang indem man andere nothwendige Re- formen sistirt hierzu anzuwenden, wäre in allen Fällen der ver: kehrteste Weg, nur einen Theil davon zu erreichen.

Meine Herren, der Hr. Abg. Graf Kanig hat mit vollem Recht auf die großen Veränderungen in unserem Staatébauvshalt bingewiesen, die dieser Frage gegenwärtig ein ganz anderes Gesicht geben; denn das it ja klar: je mehr die Einkommensteuer in ihrer Bedeutung zurück- tritt gegenüber den Gesammteinnahmen des Staats, je geringere Bedeu- tung hat diese Frage. Aber man kann doch auch einen anderen Gesihtépunkt hervorheben. Meine Herren, fo lange das Steuer- einkommen des Staats auch auf der Grund- und Gebäudesteuer, von deren Quotisirung do nicht die Rede gewesen ist, und auf der Gewerbesteuer beruht, hat diese Frage einen ganz anderen politisSen Charafter als in Zukunft, wenn die Grund- und Gebäudesteuer auf- hört, Staatésteuer zu sein, und der Staat allein auf die Einkommen- steuer angewiesen ist. Auch nach dieser Richtung ift die Lage ja geändert, ges{chweige denn gegenüber der Stellung Preußens zum Reich, wo auf der cinen Seite zwar die Militärfragen hier aus dem Innern Preußens auf das Reich übertragen sind, auf der anderen Seite aber im Rei selbst die indirekten Steuern der Quotisfirung über- haupt nicht unterworfen werden können.

Also ih sage: was man auch subjektiv über die Frage denkt, ih kann mir gar nit vorstellen, daß Derjenige, der ernstlich entsblofsen ist, diese Reform durchzuführen, f berechtigt balten fann, vor einer folen außerhalb des Rahmens der ganzen Aufgaben, die wir bier vor uns haken, gestellten Bedingung seine Zustimmurg ab- bängig zu maten.

Meine Herren, ganz so steht der Antrag Weber und Hobreht natürli nit; er {ließt sich mehr an die Regierungsvorlage an. Sn dem Prinzipalantrage aber wird doch im S. 84, wie er dort gefaßt ist, die Frage der Grund- und Gebäudesteuer s{on stark in den Hintergrund ge\{choben. Der Hr. Abg. Weber scheint mir über- Faupt fein großer Freund der Ueberweisung von Grund- und Gebäude- steuer zu sein. (Heiterkeit.)

Das läßt fich_ ja hören. Das is ein ganz bestimmter Standpunkt und daber auf die Frage des Erlasses komme ich gelei finde ih es erflärlih, daß er den §. 84 so formulirt, daß diescs Hauptziel der ganzen Reform mehr in den Hintergrund tritt. Aber, ic glaube nit, daß in dieser Beziehung er die Zustimmung der grofen Mehrheit dieses Hauses findet, die gerade auf das Gegen- theil entsGeidendes Gewit legt. Meine Herren, die Regierungs- vorlage giebt in §. 85 allerdirgs die Sicherung ciner dauernden Herabsetzung der Einkommensteuersäße für den Fall, daß ein Gesetz wegen Ueberweisung der Grunde und Gebäudesteuer nit zu Stande fommt. Der Antrag, wie er hier vorliegt, will aber au für den entgegengeseßten Fall, wenn ein Gesep wegen Ueberweisung con Grund- und Gebäudefteuer zu Stande kommt, die regel- mößige Abminderung der Einkommensteuersäße aufre@t erhalten, Diejenizen , welhe nun niht wünschen, daß die gesammten Ueber- \chüsse aus der Veranlagung der neuen Einkommensteuer zu dem frag- lichen Zwecke vecwendet werden, können für den Antrag des Hrn. Abg. Weber stimmen. Diejenigen, welche nur einen Theil davon ver- wenden wollen, behalten dann noch die Hoffnung auf eine Aëmin- derung der Einkommensteuerstufen. Diejenigen aber, die auf einem entgegengesezten Boden ftehen, können dieser Tendenz nicht folgen. Meine Herren, wenn das Gefeß wegen Ueberweisung von Grund- und Gebäudesteuer zustande kommt, so ift die Vorausseßung, von der die Staatéregierung auëgegangen ist, daß das Mehr- auffommen aus der Einkommensteuer zu verwenden fei zur Sntlastung der Kommunen und zur weiteren Reform des Steuer- vftems, erfüllt. Und dann ist die Regierung also ganz konsequent, für diesea Fall zu sagen: es ist nun die Verwendnung des Mehr- auftomme.is erledigt und daher der altverfassungsmäßige Zustand wieder in raft. Ich sage, das war ein ganz konsequenter Gedanke, während der Antrag Weber darüber hinausgeht. Ich kann also nur bitten, diesen Antrag abzulehnen.

Meire H erren, der Hr. Abg. Richter das mö@te ih bier bei

¡eses Steuerre\ormyrogramm cinen agrarishen Charakter =abe. Nun es Wort wür. e mih nit s{hrecken. Denn wenn die Bewohrer cs platten Lande 5, die Grundbesiger außerhalb der Städte gerechte Be-

er Gelegenheit: au sagen hat mehrfach davon gesprohen, daß

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S Aber darum bandelt es sh niht. Wex hat denn am Allerentshieden- sten die Ueberweisung von Grund- und Gebäudesteuer verlangt ? Die sämmtlichen pceußishen Städte, an der Spiße die Statt Berlin,

f werden haben, so 1 2uß diesen Beshwerden ebensowohl abgeholfen werden, ‘s den Beschwerden aller anderen Kafsen. (Bravo! Sehr gut! rets.)

da —, wird es mir leit sein, darzuthun, daß, wenn man lediglih

von rein finanziellem Gewinn spriht, dabei die Städte am Aller-

wenigsten \{lecht wegkommen. (Sebr rihtig! rechts.) Man wird dann

auc den Unterschied si klar mahen müssen zwischen einer wahsenden

Gebäudesteuer und einer fixirten Grundfteuer! Also von einem

agrarishen Programm, von einer einfeitigen, ungerechten Begünstigung

der Landbevölkerung kann bei diesem Programm überhaupt gar nit

die Rede sein. (Bravo! rechts.)

Meine Herren, der Hr. Abg. Weber hat gefragt und er wünscht

darüber gern Auskunft zu haben, ob na meiner Meinung au nah

Ueberweisung der Grund- und Gebäudefteuer das jeßige Kataster auf-

re&t zu erbalten und vom Staat fortzuführen sei. Ich

fann diese Frage nur unbedingt von meinem fubjektiven

Standpunkte aus bejahen. (Bravo! rechts.) Meine Herren,

is bin nit der Meinung, daß die Grund- und

Gebäudesteuer als Kommunalsteuer aufzuheben sei. Ih

babe mich sehr gefreut, daß der Hr. Abg. Graf zu Limburg-Stirum

ausdrüdli& anerkannt hat, daß, wenn es in den Anträgen der Herren

von drüben beißt: Aufhebung der Grund- und Gebäudesteuer, dies

nur beißen soll: Aufhebung der Grund- und Gebäudesteuer als

Staatésteuer. Alle Gründe, welche man gegen die Grund- und

Gebäudesteuer als Staats\steuer anführen kann, spreten durchaus

nidt gegen ihre Beibehaltung als Kommunalfteuer. Da liegt die

Sat§e ganz anders, und ich hoffe, in dieser Beziehung demnächst

noch einmal die Zustimmung des Abg. Richter zu finden,

der au auf dem Boden steht, daß in der . Kom-

mune die Frage der Leistung und Gegenleiskung ganz anders sich stellt

als im Staat. Daß nicht alle Kommunalausgaben den Czarakter

der Bodenmelioration haben, ist ja zweifellos, aber daß ein fehr grofer Theil der Kommunalabgaben diesen Charakter annimmt und anderer-

seits der Grund und Boden mit seinen Bedürfnissen ebenso wie die gewerblichen Anlagen eine große Anzahl von Kommunalausgaben unbe- dingt hervorrufen, kann nicht dem geringsten Zweifel unterliegen.

Ven diesen Verbefserungen jeder Art, für welhe die Kommune Ausgaben mat, hat Jeder, der in der Kommune si aufbält, mehr oder weniger Vortheil; von vielen Verbesse- rungen aber haben die Grundbesißer außerdem noch den Vortheil der Werth steigerung ibres Besitzes, gleichviel, ob der Boden verschuldet ist oder nit. (Sehr richtig! rechts.) Alfo daß wir schon zu diesem Behufe die Katastrirung des Grund und Bodens, abgesehen von Kreditverhältnissen und aus anderen Gründen, aufreterhalten müssen, und daß das nur einheitlich durch die Staatsregierung gescheßen kann, darüber ist mir nit der geringste Zweifel.

Meine Herren, die Ungleicbeiten in der Veranlagung der Grund- und Gebäudesteuer sind im ganzen Staat sehr groß und tief ein- greifend; innerhalb eines kleineren Kommunalbezirks gleichen sie sh aus, da haben alle diese Fragen einen ganz anderen Charakter. Soviel von den Anträgen.

Ein Wort möchte noh bemerken über den Antrag des Abg, Rickert, nah welchem er auch sofort die Garantie wegen Ueberweisung von Grunde und Gebäudesteuer auf die Gewerbesteuer ausdehnen will, Meine Herren, ich habe meine Ansit {on oft ausgesprochen, daß bei einem weiteren Stadium der Reform, nahdem aber zuvor die Gewerbesteuer, die wir heute als Staatësfteuer hoffentliG bes{chließen, wiederum zu dem Behufe einer neuen Reform unterzogen sein wird, cine Ueberweisurg auch der Steuer, die die gewerblihen Anlagen zu tragen baben, an die Kommunen für fehr zweckmäßig zu erahten und anzuftreben ift. Aber da wir keine Auésiht haben, dies unmittelbar jeßt \chon zu erfüllen, so kommen wir vor die Frage, welche Wabl getroffen werden muß: if dann eher Grund vorhanden, die Srund- und Gebäudesteuer zu überweisen, oder die Gewerbesteuer zu überweisen? Und da bin ih gar nicht zweifelhaft, daß die Gewerbe- steuer zurücksteben muß. Hier werden 4 bis 5% vom sogenannten Reineinkommen bezahlt, bei der Gewerbesteuer in maximo 1 %%, Die Srund- und Gebäudesteuer kann gar nicht korrigirt werden in ibrer verhältnifmäßigen Gleichheit; sie ist firirt und defini- tiv veranlagt. Die Gewerbesteuer kann die veränderten Ver- bältnisse jedes Jahr durch neue Veranlagung berücksichtigen. Meine Herren, es ist also ganz klar, daß bier aanz andere Verhältnisse vor- liegen, und man daher im Zweifel die Wahl doch treffen muß, die Grund- und Gebäudesteuer vorab zu überweisen. Was wir von der Grund- und Gebäudesteuer überweisen können, ob die ganze Grund- und Gektäudesteuer oder nur einen Theil und welhen Theil, das kann man gegenwärtig mit Sicherheit niht sagen. Darüber kann aber der, der unsere Finanzlage kennt, nit zweifelhaft sein, daß wir in feinem Falle auf den ersten Wurf mehr als das Ganze überweisen fönnen, taß man für die Gewerbesteuer noch etwas übrig behält. Diese Frage, glaube i, tritt also zurüúck, und ih möŸte Sie bitten, diesen Anträgen niht zuzustimm:n.

Ich komme nun auf die übrigen Anträge, dic ich übrigens {on theilweise charafterisirt habe; das gilt namentlih von dem Antrage Loë, es gilt au {on von dem Antragë Arendt, über den i au \chon gesproŸen habe, es gilt noH nickcht von dem Antrage Sperlih. Der Antrag Sperlich will bis zum Erlaß des erwähnten Gesetzes, jedoch nit länger als bis zum Etatsjahre 1893/94, den jährlichen Uebers{chuß nah Mafgabe des S. 3 des Geseßzes vom 14, Mai 1885 an die Stadt- und Landkreise überweisen. Meine Herren, ich habe mich \Hon grundsäßlih gegen alle Anträge ausgesprochen, die ihrer Natur nah cin Definitivum ‘entéalten oder wenigstens die definitive Aufrechterhaltung der Verwendung, wie sie provisorisch vorgesehen wird, direkt anregen und verschärfen, Die Schwierigkeiten, irgend eine Korrektur der bestehenden Zweckbestimmurgen der lex Huene zu er- reihen, sind hier in ciner so eklatanien Weise hervorgetreten, daß es doch unmöglich wohlgethan sein kann, eine Steuerreform damit ein- zuleiten, daß man diese Schwierigkeiten durch neue Zuwendungen rah denselben Maßstabe noch erhöht. Ich glaube, der Hr. Abg. Sperli, den ih als einen Freund dieser Reform kenne, tritt seinen Intentionen in der Folge entgegen, wenn er seinen Antrag aufrceckcht erbält. Es wird Gemeinden geben ich will mi ganz korrekt ausdrüdcken —, dic gegenwärtig bei den Ueberweisungen nah Maßgabe der lex Huene in der Summe der leßten Jahre si günstiger stehen, als es bei den demnähstigen Ueberweisungen von Grund- und Ge- bäudesteuern der Fall sein würde.

Es ist nun die große Gefahr, daß, wenn das schon jeßt ter Fall und es dur den Antrag Sperlih verstärkt wird, wir beim Fortgang der Steuerreform von vornherein die Recenkünste dieser Gemeinde gegen uns haben werden. Derjenige, der cine bestimmte hohe Ein-

Dauer derselben, und es könnte ein Verband, eine Gemeinde, ein Kreis, welcher in den legten Jahren hohe Ueberweisungen aus der lex Huene gehabt hat, die Rücksict in den Hintergrund stellen, ob fie damit etwas Sicheres und Dauerndes baben und sie möchten wohl lieber das Höhere, wenn auch niht so Sichere, wählen gegenüber dem Kleineren, aber Dauernden und Sieren.

F kann also nur bitten, diesen Antrag abzulehnen, da er die Dur{führung der Reform ershweren würde.

Und nun, meine Herren, zum S@luß eine Bemerkung allgemeiner Art. Ich knüpfe in dieser Beziehung an an eine Aeußerung des Hrn. Abg. Windthorst und an verschiedene andere Redner. Hr. Windthorst sagte gestern, indem er übrigens zu meiner Freude für die Reform eintrat, das Geseh finde immer mehr Widerstand, und Hr. Richter hat mehbrfah gesagt, es sei im Lande eine große Mißstimmung über dieses Gesetz, und diese Mißstimmung sei im Wachsen. Nun, meine Herren, ih glaube wobl, daß in den Kreifen derjenigen Einkommens steuerpflihtigen, welche das Gefühl haben, nach dem bisherigen Gesecßz oder entgegen dem bisherigen Geseg zu“ wenig bezahlt zu baben, und welche also lebhafte Befürhtungen haben, daß fie künftig das ihnen geseßlich Obliegende zahlen müssen daß in diesen Kreisen die Mißftimmung wächst, je nâßer an sie der Zeitpunkt berankommt, an dem das neue Gefeß in Kraft tritt. (Heiterkeit und Zustimmung.) Das glaube i wobl; denno aber fenne ich Hervorragende Personen genug aus diesen Kreisen, welbe die Gerechtigkeit der Sache anerkennen, um ihren eigenen Privatvortheil sich niht kümmern und mich \{riftli® und mündlih ermutbigen, auf diesem Wege entschlofsen voranzugehen. Wir haben doch auch in den Kreisen diefer Steuerpflichtigen eine große Anzahl Männer, die die Gerechtigkeit höher stellen als ihren eigenen Vortheil. (Bravo!) Aber der Hr. Abg. Dr. Windtkorst bat noch ein anderes Wort gesprochen, und das möchte ih ihm {ließli noch einmal ans Herz legen, er hat gesagt: ih sckeue mi do davor, dies Geset nitt zu Stande kommen zu lassen, denn es ift allgemein an- erkannt, so wie heute fönnen die Zustände nit bleiben. Getviß, das Rechtegefühl im Volke wird verleßt, das Ansehen der Staats- regierung und der Selbstverwaltung im Lande leidet unter den heutigen Verhältnissen \{chwer. Es ift eine Art Korruption, wenn ih so sagen soll, ni®t im subjektiven, sondern im objektiven Sinne vor- banden, und da muß die Steuerreform zu Stande kommen. Was würde es fein, wenn sie niht zu Stande käme? Nun, meine Herren, wenn ein klares, anderes positives Programm entgegengeseßt würde und das Abgeordnetenhaus ih darauf einigte, dann wäre ja die Auss icht einer Lösung do noch gegeben. Wenn aber, wie ich gezeigt abe, cin solches positives entgegengefeztes Programm gänzlih mangelt, so würde das Seltern dieses Geseßes das SHeitern der Reform auf unabsehbare Zeit sein, und ih behaupte, aus einem folchen Scheitern würde eine viel größere Mißstimmung hervorgehen, ein viel größerer sozialer Schaden, als wenn Sie die eine oder die andere Bestimmung acceptiren, die Ihnen nit gefällt, die aber doch nit in Betracht kommt gegen das große Ziel, welches wir im Interesse des Landes verfolgen. (Bravo!) i

Meine Herren, ih möchte Sie daher nochmals bitten, wie ih das au, wie Sie mir bezeugen werden, in der Kommission und bier im Hause gethan babe, auch den Saß JIhrerseits anzuerkennen : in dubiis libertas. Das möôhte ih den Herren links und rechts zurufen, daß eine fo große Geseßgebung ohne ein solHes Entgegenkommen und gegenseitiges Fompromittiren in eins zelnen Fragen ganz undenkbar ist, Wer das Große und Ganze will, muß auf das große Ganze bliEen und über Kleinigkeiten hinwegsehen. (Wiederholter lebhafter Beifall.)

Abg. Graf Kanitz: Nah der Erklärung des Finanz-Minifters über die Quotisirung werde der Abg. Rickert wohl gut thun, seinen Antrag zurückuziehen. Die Ueberweisung der Grund- und Gebäude- steuer sei keine agraris@e Maßregel, das habe der Finanz-Minister bereits autgeführt; die großen Städte würden durch die Ueber- weisung der Gebäudesteuer mehr profitiren, als das platte Land dur die Ueberweisunc der Grundsteuer. Redner "wendet fi dann nohmals gegen die Quotisirung, welche der Abg. Ridckert beantragt habe; dieser kenne jedenfalls die englischen Verhältnisse nicht, wo die Quotisirung Mißfallen erregt habe, namentlich wenn mebr als zwölf Monatsraten erboben würden. Die Freisinnigen, welche immer von der Verbilligung der Lebens- mittel redeten, sollten für die Beseitigung der Grundsteuer als Staatssteuer sein, welche die Landwirthschaft erheblich belafte. f

Akg. Dr. Sattler: Der Antrag Ritter - von Zedliß wolle die Kreise zwingen, Sculbaufonts zu schaffen; aber er decke das Bes dürfniß nit, welches vorhanden sei. An und für ih sei die Hineinzichung der Shulbaufrage in dieses Gese bedenklich; aber er babe fi doch ents@&ließen können, für den Antrag Enneccerus zu stimmen, weil das Bedürfniß ein wohlbegründetes sei. Daß der Abg, Schnatsmeier si gegen den Luxus von Schulbauten aus- gesprochen habe, habe ihn (Redner) gewundert, denn gerade aus feiner Heimath, dem Regierungsbezirk Minden, würden große Anforderungen gestellt, ein Beweis, daß auÿ dort ein Bedürfniß für Schulbauten vorhanden fei. E S :

Abg. Fegter: Die Hoffnungen auf die Steuerreform, nament: lic auf die Ueberweisungen der Grund- und Gebäudesteuer, jeizn son oft getäuscht worden. Man müsse deshalb jeßt einen folden Antrag annehmen, welcher die Ueberweisung der Grund- und Gebäudeiteuer unter allen Umständen sichere. Das sei der Antrag von Bismarck, dem er und einige seiner Freunde zustimmen würden. L

Abg. Wessel: Das Richtigste sei, an der reinen Ueberweisung der Grund- und Gebäudesteuer festzuhalten, Wenn zuleßt vorgeschlagen sei, die Mehrerträge aus der Einkommensteuer glei zur Ueberweisung zu verwenden, wie der Antrag Enneccerus wolle, fo werde er troy der entgegenstehenden Bedenken für seine Person nihts dagegen haben, In der Kommission sei das Bedürfniß von Mitteln zur Ausführung von Schulbauten anerkannt worden ; ebenso klar fei es gewesen, daß diese Miitel aus der lex Huene nicht zu erlangen sein würden. Wenn man die Uebershüsse nun für die nöthigsten Bedürfnifse verwenden wolle, so treffe diesen Zweck am besten wobl der Kommissionsvor- \{lag, den er anzunehmen bitte, der Antrag Richter-v. Zedliß sei für ihn und seine näheren Freunde dagen nit annehmbar.

Damit schließt die Debatte. Bei der Abstimmung werden sämmtliche Anträge abgelehnt und der Antrag der Kom- mission angenommen, wonach die Ueberschüsse der Einkommen- steuer zur Ueberweisung der Grund- und Gebäudesteuer be- stimmt find; bis zum 1. April 1894 werden die Uebershüsse angesammelt uid, wenn bis dahin cine Verständigung wegen der Ueberweisung nicht erzielt ist, zum Erlaß von Einkommen- steuer verwendet. : : L

Der Gesezentwurf wegen Verwendung von 20 Millionen Mark für Voltss{hulbauten wird mit großer Mehrheit avg enne

und wenn man einmal zu rehnen anfängt die Zeit ist noch nit

nahme hat, macht sich oft verbältnißmäßig wenig Sorge um die

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 25. Februar

19A.

M 49.

Der Kommissionsbericht über die Landgemeindeordnung.

Wenngleih wir fortlaufend über die Sißungen der Kommission des Abgeordnetenhauses zur Berathung der Land- gemeindeordnung berichtet haben, erscheint es do angezeigt, auf Grund des vorliegenden gedruckäten Kommissionsberihts einen Ueberblick über die Verhandlungen in ihren wesentlichen Punkten und über deren Ecgebniß zu bringen. /

Die Kommission hat ihre Arbeiten in siebzehn Sißungen erledigt. Es wurde sofort in die Spezialberathung getreten und bes&lossen, den Entwurf in zwei Lesungen zu berathen.

In dem Ersten Titel „Allgemeine Bestimmungen“ seßt §. 2 die Bedingungen fest, unter welhen Grundstücke mit einer Landgemeinde oder einem Gutsbezirk, sowie Land- gemeinden und Gutsbezirke mit anderen Ge- meinden und Gutsbezirken vereinigt werden fönnen. Die Regierungsvorlage hatte in Bezug auf den zweiten Punkt vorgeschlagen, daß die Vereinigung nach Anhörung der be- theiligten Gemeinden und Gutsbesißer, sowie des Kreisaus- \chusses mit Königlicher Genehmigung erfolgen kann, wenn die Betheiligten damit einverstanden sind oder wenn beim Widerspruch Betheiligter das öffentlihe Interesse eine Vereinigung erfordert. Es wurde demgegen- über geltend gemacht, daß beim Widerspruch der Betheiligten ein Beshlußver fahren durch den Kreisauss{chuß eintreten müße ; weiter wurden objektive Merkmale für das Vorhandensein eines öffentlihen Jnteresses gefordert. Der Minister des Innern bezeichnete die Feststellung objektiver Merkmale als erwünscht, erklärte aber, daß der Kreisauss{huß wohl zu einer gutattlihen Aeußerung, weniger aber zu einer beshließenden, namentlich nicht zu einer endgültigen Mitwirkung bei der Vereinigung geeignet fei. Den König in seinen Eat- shließungen von Beschlüssen einer Selbstverwaltungsbehörde abhängig zu machen und die Krone an die Ent- scheidung einer Selbstverwaltungsbehörde zu binden, jei unmöglih. Sollte eine endgültig beschließende Mitwirkung der Selbstverwaltungsbehörden eingeführt werden, dann müßte ‘die Allerhöchste Entscheidung fortfallen und eine Delegation der bisher für die Krone vorbehaltenen Mitwirkung auf ein Organ derselben stattfinden. Noch weniger könne, wie ein Antrag bezwecke, die Vereinigung von Gemeinden bezw. Gutsbezirken, im Falle des Widerspruchs der Bethei- ligten, von einem Antrag des Kreisausschusses abhängig ge- macht werden. Die shließlihe Fassung des betreffenden Abschnitts in §. 2, wie sie in der zweiten Lesung beschlossen “ai trägt diesen Ausführungen des Ministers Rechnung; sie lautet:

Landgemeinden und Gutsbezirke, welcbe ihre öffent- lih-rechtlihen Verpflihtungen zu erfüllen außer Stande sind, können durch Königliche Anordnung auf- gelöst werden. DieRegelung der kommunalenVerhbält- nisse der Grundfstücke derseiben erfolgt nach Maßgabe der Vorschriften in Absatz 2.

Landgemeinden und Gutsbezirke können mit anderen Gemeinde- oder Gutsbezirken nah Ankbörung der betheiligten Gemeinden und Gutsbesitzer, sowie des Kreisaus\{ufes mit Königlicher Genchmigung vereinigt werden, wenn die Betheiligten hiermit einverstanden sind. Wenn ein Einverständniß der Betheiligten nicht zu erzielen if fo die Zustimmung dexselbên, fofern das sffentlißhße Interesse dies erheist, im Beschlu fahren dur den Kreisausschuß zu erseßen. G uf Beschwerde ergehenden Be- \chluß des Bezi u usses steht den Betheiligten und nah ( des §8, 123 des Gesetzes über die all- gemeine La erwaltung vom 30. Juli 1883 (Geseßtz- Samml. S. Vorsitzenden des Bezirksaus- schusses die weitere Besbwerde an den Provinzialrath zu. EraHtet der Ober-Präsident das öffentlihe In- teresse durH den Beshluß des Provinzialraths für gefährdet, so steht demselben in der gleihen Weise (8. 123 a. a. O.) die Beschwerde an das Staats-Ministe- rium offen. Der mit Gründeu zu versehende Beschluß des Staats-Ministeriums ift dem Ober-Präsidenten Behufs Zustellung an die Betheiligten zuzufertigen. Unter den gleihen Voraussetzungen und in der gleichen Weise können Gutsbezirke in Landgemeinden und Landgemeinden in Gutsbezirke dur Königlien Erlaß umgewandelt werden.

Die Abtrenruag einzelner Theile von einem Semeinde- oder Gutsbezirke und deren Vereinigung mit einem anderen Gemeinde- oder Gutsbezirke kann, wenn die betheiligten Gemeinden und Gutsbesizer sowie die Besitzer der betreffenden Grundstücke einwilligen, oder wenn beim Widerspruche Betheiligter das ösffentliche Interesse es er- beis@t, dur Bescluß des Kreisausshusses erfolgen. Gegen den auf Beschwerde ergehenden Beschluß des Bezirksausschusses steht den Betheiligten und dem Vorsizenden des Bezirksaus\chusses die weitere Be- schwerde an den Provinzialrath, und geaen den Be- \chluß des Provinzialraths dem Ober-Präsidenten die fernere Beshwerde an das Staats-Ministerium na Maßgabe des Absatzes 4 offen. Soll aus den abgetrennten Grundstücken ein neuer Gemeinde- oder Gutsbezirk gebildet werden, so ift die Königlihe Genebmigung erforderli.

Ein ôffentliches Interesse im Sinne der Absäte 4 und 5 ist nur dann als vorliegend anzusehen,

1) wenn Landgemeinden oder Gutsbezirke ihre öffentlih-rechtlichen Verpflihtungen zu erfüllen außer Stande sind,

2) wenn die Zersplitterung eines Gutsbezirks oder die Bildung von Kolonien in einem Gutébezirke, dessen Umwandlung in eine Land- gemeinde oder defsen Zushlagung zu einer oder mebreren Landgemeinden nothwendig macht,

3) wenn in Folge örtlih verbundener Lage meßbrerer Landgemein- den oder von Gutsbezirken oder Theilen derselben mit Landgemeinden ein erheblicher Widerstreit der kommunalen Interefsen entstanden ift, dessen Auégleihung auch durch Bildung von Verbänden im Sinne der 88. 126 ff. nicht zu erreichen ift.

Der Minister führte mit Bezug auf diese Fassung aus, daß die Kronrehte darin gewahrt seien. Denn ste belasse der Krone einmal das Recht zur Auflösung bestehender Gemeinden und Gutsbezirke, wie es ihr nach §. 189 Theil IT Titel 6 des A. L.-R. zustehe, und sie lege außerdem die N über die Neubildung allgemein in leßter Jnstanz in die Han des Königlichen Staats-Ministeriums. Ferner spreche die Fassung eine Verpflihtung des Kreisausshusses aus die fehlende Zustimmung zu ergänzen. “Sqhließlich sei in der Fassung nicht eine endgültig be-

s{ließende Mitwirkung der Selbstverwaltungsbehörden vorgesehen. Die Staatsregierung habe sich damit einverstanden erklärt; zwar halte er diese Mitwirkung der Selbstverwaltungs- behörden in drei Jnstanzen auch jeßt noch nit für zweck- mäß1g und die dadur erforderlie Einführung von vier Beschlußinstanzen nit für glücklih; immerhin sei aber diese Gestaltung des Verfahrens für diz Staatsregiecung an- nehmbar. Auch gegen die Definition des öffentlihen Jnter- esses habe er keine Bedenken; deun dieselbe fei im Wesent- lichen dem §. 143 der Regierungsvorlage (welher demgemäß später [vgl. unten] geftrihen wurde), entnommen. Er stimme dieser Lösung zu in der Hoffnung, daß auf dieser Grundlage der Geseßentwurf die Zustimmung beider Häuser des Land- tages finden werde.

SS, 3 und 4 der Regierungsvorlage wurden zu folgendem 8, 3 vereinigt:

Neber die in Folge einer Beränderung der Grenzen dcr Land- cemeirden und Gutsbezirke notbwendig werdende Auseinanderseßung ¡wischen den Betheiligten beschließt der Kreisaus!{huß, soweit aber bierbei Stadtgemeinden in Betracht kommen, der Bezirksaus\{ufk, vorbebaltlich ter den Betheiligten gegen einander zustehenden Klage im Verwaltungs ftreitverfahren bei diesen Behörden.

__ Bei dieser Auseinanderseßzung sind erforderlißen Falls B stimmungen zur Ausgleihung der öffentli§-re@tlihen Iniercssen d Betheiligten zu treffen. Insbesondere Tönnen

im Verbältnif zu anderen Betheiligten, welbe für gewisse kemmun Zwede bercits vor der Vereinigung für sib allein Fürsorge troffen Haben, zu Vorausleistungen verpflihtet werden.

fann, wenn eine Gemeinde oder der Besitzer eines

bezirks durch die Abtrennung von EGrundftüccken eine leihterung in öffentlih-rechtliven Verpflichtungen erfäbrt, der Ge- meinde, welcher jene Grundstüde eirverleibt werden, ferner der neuen Gemeinde, welche aus leßteren gebildet wird, eine Beibülfe zu den ibr durch tie Bezirksveränderung erwachsenden Ausgaben bis zur Höbe des der anderen Gemeinde oder dem Gutsbesiger dadur entstehenden Vortheils zugebilligt werden,

In dem zweiten Titel „Landgemeinden“ sind die Abschuitte „ReHStlihe Stellung der Landgemeinden“ und „Gemeinde-Angehörige, deren Rechte und Pflichten“ nit wesentlih geändert; in §8. 14 wurde die Bestimmung, daß „die Gewerbesteuer von der Heranziehung zu den Gemeinde- abgaben ganz freigelassen werden fann, aber fkeinenfalls mit einem höheren Prozentsaß als die Grund- und Gebäudesteuer herangezogen werden darf“, gestrihen. Jn dem dritten Ab- \chnitt „Gemeindeglieder, deren Rechte und Pflichten“ wurden die Bedingungen des Verlustes des Gemeinderehts (S. 45) näher definirt, die Vertretung in der Ausübung des Stimm- rechts (8. 47) bezüglih der zwar majorennen, aber noch nicht 24 Jahre alten Gemeindeglieder, jowie in Bezug auf die juristishen und auswärtigen Personen ergänzt und die den einzelnen Grundbesizern einzuräumende Stimmenzahl (8. 48) anders geordnet, indem {hon solchen Besitzern, welche 30 bis ausschließlich 75 Æ Grund: und Gebäudesteuer entrichten, je zwei Stimmen, denjenigen, welche 75 bis ausschließlih 150 M4 entrihten, je drei, und denjenigen, welhe 150 M oder mehr entrihten, je vier Stimmen beigelegt wer- den sollen; weiter wurde hinzugefügt, daß fein Stimmberechtigter in der Gemeindeversammlung mehr als ein Drittel der Gesammtzahl der Stimmen führen dürfe. Jm vierten Abschnitt „Gemeindevertretung“ (8. 49) wurde die Wahl einer Gemeindevertretung von dem Vorhandensein von 40 (ftatt, wie die Regierungsvorlage will, von 30) Stimm- berehtigten abhängig gemacht, außerdem den Landgemeinden, Falls der Kreisaus\huß auf Antrag Betheiligter oder im öffent- lichen Jnteresse dies beschließt, eine Verpflihtung auferlegt, auch bei einer geringeren Anzahl von Stimmberechtigten eine Ge- meindevertretung einzuführen; fexner wurde bestimmt, daß die Gemeindevertretung aus dem Gemeindevorsteher und den Schöffen, sowie den gewählten Gemeindeverorbvneten, deren Zahl mindestens das Dreifache der Zuerstgenannten betragen muß, bestehen soll; diese Zahl kann durch Ortsstatut auf 12, 15, 18 oder höchstens 24 erhöht werden. Jn §8. 51 wurde festgeseßt, daß mindestens zwei Drittel der von jeder dèr drei Klassen zu wählenden Gemeindeverordneten An- gesessene sein müssen. Der fünfte Abschnitt „Gemeinde- vermögen“ ist fast unverändert geblieben. Im sechsten Abschnitt „Verwaltung der Landgemeinden“ is|st für größere Gzmeinden ein aus dem Gemeindevorsteher und den Schöffen bestehender kollegialisher Gemeindevorstand fakultatiov eingeführt, ferner di2 Möglichkeit der Wahl eines besoldeten Gemeindevorstehers, statt für sechs, für zwölf Jahre geschaffen worden. Jn §. 87 wurden die Pflichten des Gemeindevorstehers etwas abweichend von der Regierungs- vorlage geregelt. Der siebente Abshnitt „Aufhebung der mit dem Befiße gewisser Grundstücke verbundenen Berechtigung und Verpflihtung zur Verwaltung des Schulzenamts“ ift unverändert geblieben. Jm achten Abschnitt „Geschäfte der Gemeindeversammlung und Gemeindevertretung“ ist für die Beshlußfähigkeit der Gemeindeversammlung die An- wesenheit von mehr als ein Drittel der stimmberehtigten Ge- meindemitglieder, für die Gemeindevertretung mehr als die Hälfte der Mitglieder derselben festgeseßt worden. Der neunte Abschnitt „Besoldete Gemeindebeamte, deren Gehälter und Pensionen“ is unverändert geblieben, während im zehnten Abschnitt „Gemeindehaushalt“ die Führung eines Gemeinde- rechnungsbuchs über alle Ausgaben und Einnahmen und die alljährlihe Revision desselben durch den Kreisausshuß an- geordnet worden ist.

Der dritte Titel „Selbständige Gutsbezirke“ ist unverändert geblieben, der vierte Titel „Verbindung nahbarlih belegener Landgemeinden und selbst- ständiger Gutsbezirke Behufs gemeinsamer Wahr- nehmung kommunaler Angelegenheiten“ (Zweck- verbände) ist in §8. 126 gemäß den Beschlüssen bei §. 2 folgendermaßen geregelt worden :

8, 126. Landgemeinden und Gutsbezirke können mit nahbarlich belegenen Gemeinden oder Gutsbezirken zur Wahrnehmung ein- zelner kommunaler Angelegenheiten nah Anhörung der be- theiligten Gemeinden und Gutsbesiger durch Beschluß des Kreisauss\chusses verbunden werden, wenn die Betheiligten da-

mit einverstanden find. ; A Wenn ein Einverständniß der Betheiligten nicht

zu erzielen ift, kann, sofern das ôffentliche Interesse dies erbeischt, die Bildung eines solchen Verbandes dur den Ober-Präsidenten erfolgen, nachdem die Zustinmung der Betheiligten im Beschlußverfahren durch den Kreisausschuß erseßt worden ift.

Bei der Verbindung von Landgemeinden und Guts bezirken mit Stadtgemeinden tritt an die Stelle de KreisSausschusses der BezirksausschGuß.

Vorstehende Bestimmungen finden auf die Fälle der Veränderung der Verbände in ihrer Zusammensetzung sowie der Auflösung derselben sinngemäße Anwendung,

S. 126a. Bei der Bildung dieser Verbände ift auf die sonit bestehenden Verbände (Amtsbezirke, Kirchspiele, Schul-, Wegebau-, Armenoerbände u. \. w.) thunlichst Rücksi®t zu nehmen.

Es fönnen diesen Verbänden auf ihren Antrag mit Königliher Genehmigung die Rechte öffentliche Körverschaften beigelegt werden.

_ Titel V „Aufsicht des Staats“ hat keine Aenderung erfahren, im sechsten Titel Ausführungs- und Ueber- gangsbestimmungen“ hat 8. 142 folgenden Zusaß er- halten:

__ PrioatreŸte dürfen durch dieses Gesez nicht entiogen oder ge- \§mâlert werden. O-ffentlih-rehtlihe Verbältnifse, welbe auf befon- derem Titel beruben, bleiben insoweit in Krast, als diefe Titel von den bisberigen allgemeinen und besonderen geseßlichen Vorschriften, Ordnungen, Gewobhnheitêrehten und Observanzen abweihende Be- stimmungen enthalten. Eine solchwe Abweichung wird nicht vermuthet.

Die bereits bestehenden Ortsftatuten, allgemeinen Gewohnheits- rechte und Observanzen bleiben, soweit dieses Geschß ortsstatutarishe Regelung zuläßt, einstweilen, längstens auf 3 Jadre, in Kraft.

_ Ferner ist der folgende §. 143 der Regierungsvorlage gestrichen worden :

Bereits vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ist eine allgemeine Prüfung der Verbältinifje der bestehenden Landgemeinden und Guts- bezirke zu dem Zweck vorzunehmen, um diejenigen Be:irkäveränderun- gen 2), welde durch das ösffentlihe Interesse erfordert werden und alsbald auëführbar sind, herbeizuführen. Insbesondere kommt hierbei in Betracht: die Vereinigung derjenigen Gemeinden und Gutsbezirke, welche bei Aufrechterbaltung ihrer Selbständigkeit ihre kommunalen Verpflibtungen nicht vollständig zu erfüllen vermögen, mit benawbbarten Gemeinden oder Gutsbezirken, ferner die Zusammenlegung folcher Gemeinden und Guts- bezirke, deren Gehöfte und F:ldmarken mit einander derart im Ge- menge liegen, daß eine Sonderung der beiderseitigen kommunalen Interessen niht mebr mögli ift, sowie die Umwandlung von zer- splitterten Gutsbezirken und von den îin Gutsbezirken bestehenden Kolonien in Landgemeinden, Die vorstehend bezeihnete Prüfung ift durch den Kreisaus\chußs zu bewirken; biernähst sind über das Ergebniß die Betheiligten zu hören. Soweit der Kreisaus\{huß zur Durchführung der in Frage kommenden Bezicksverände- rungen nah den geseßlihen Verschriften (S. 2) nicht selbft befugt ist, bat er bestimmte Vorschläge zu maten und dem Bezirks» ausshusse einzureichen, welhem die Feststellung des Gesammtplanes für die einzelnen Kreise und die Vorbereitung der der Königlichen Genehmigung zu unterbreitenden Anträge obliegt. Die Ober-Prä- sidenten der Provinzen haben fch durH besondere Kommissarien in steter Kenntniß von dem Gange der Verhandlungen zu halten und nöthigen Falls die zur Förderung der Sache geeignet erscheinenden Anordnungen zu treffen. : :

Zum Schluß wurde folgende Resolution angenommen :

«Die Königliche Staatêregierung zu ersuchen, einen die Rechts- verhältnisse des sogenannten Auenrechts regelnden Geseßentwurf mög- stt in der nähsten Session den Häusern des Landtages zur verfafsungs- gen Beschlußfassung vorzulegen*

Die Kommission hat s{ließlich die ganze Vorlage in der von ihr im Einzelnen beshlossenen Fassung einstimmig an- genommen.

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Statiftik und VolkSwirthschaft. Deuts@er Nautischer Verein.

Den am Dienstag fortgeseßten Berathungen des Vereinstages über das britishe Eeset, betr. die Tiefladelinien, wohnte außer den bereits am ersten Verhandlungstage erschienenen Bertretern der Regierung Regierungs-Rath Jonquières vom Reichsamt des Innern bei. Derselbe wies darauf hin, daß eine an die britische Seitens der Reichsregierung gerihtete Anfrage bezüglich der Aus- legung des in Rede stehenden Geseßes noh nicht beantwortet worden set, glaubte jeddoch die Versiherung geben zu können, daß eine berechtigte Veranlassung zu weitgehenden Besorg- nissen, wie sie in Interessentenkreisen zu herrshen schienen, überall nicht vorhanden fei. E8 sei jedenfalls zu wünschen, daß die Reichsregierung niht nach einer bestimmten Richtung engagirt werde, vielmehr freie Hand behalte, ihre Entschließungen von der praktischen Handhabung des englishen Gesetzes abhängig zu mahen. Das Er- gebniß der weiteren, ziemli au8giebigen Diéfkussion war die mit allen gegea fünf Stimmen erfolgte Annahme eines Antrages des Gez heimen Admiralitäts-Raths Perels, welcher dabin ging: „Der Deutshe Nautishe Verein beschließt: In der Ueber- zeugung, daß die Reichsregierung die Interessen der deutschen Seeschiffahrt, insofern dieselben bdurch das britishe Tieflade- geseß von 1890 beeinträhtigt werden sollten, nach_ allen Rih- tungen wahrnimmt, über alle vorliegenden Anträge zur Tagesordnung überzugehen.“ Ein weiterer von Wessels-Bremen gestellter Antrag: „Der Deutsche Nautishe Verein spreche sh gegen den Erlaß eines deutshen Tiefladegesezes aus*, wurde mit allen gegen zwei Stimmen zum Beschluß erhoben. Nachdem darauf als Vertreter der Regierung der Geheime Regierungs-Rath Donner Gelegenheit ge- nommen, anläßlich der am Tage zuvor besprochenen Miß- stände im Bereiche der deutschen Schiffsverwmessung im Rothen Meere darauf binzuweisen, daß beim Vorliegen berechtigter Beschwerden die Reichsregierung der deutshen Swiffahrt den er- forderlihen Schuß angedeihen lassen werde, folgte die Berathung der Frage : „Auf welche Weise ist dem immer mekr si geltend machenden Mangel eines tüchtigen und beruflich gut ausge- bildeten Nachwuchses im Matrosenstande abzuhelfen ?* Dr. Boisselier- Bremen brachte für den behaupteten Mangel sta- tistishe Nachweise und glaubte Bebufs geeigneter Abhülfe die An- nahme der folgenden Resolution in Vorschlag bringen zu sollen: „Der Deutsche Nautishe Verein hält den von Jahr zu Jahr füßlbarer hervortretenden Mangel an tüchtigen, beruflich gut ausgebildeten Matrosen für einen schweren Schaden unserer Schiff- fahrtsverbältnisse. Er ist der Meinung, daß dieser Mangel vor- nehmlich mit darauf zurüdzuführen, daß in Schiffer- und Rheder- kreisen seit langer Zeit eine starke Abneigung gegen die Beschäftigung von Swiffsjungen vorhanden ist, und wendet si an alle Betheiligten mit der dringenden Aufforderung, auf alle Weise, insbesondere durch eine vermehrte Anstellung von Schiffsjungen und zwar

auch auf Dampfern für einen reihliheren und tühtigen Ersaß im Matrosenstande Sorge zu tragen.“ Jn der lebs-

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