1891 / 49 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 25 Feb 1891 18:00:01 GMT) scan diff

haften Diskussion, welhe sich an die Ausführungen des An- tragstellers knüpfte, wurde auch die Frage der Mißstände berührt, welche mit den Heuerbas-Wirthschaften in den Hafenorten verbunden zu sein pflegen, und nach diefer Richtung bes&@loß die Versammlung, nah Annabme der Boisselier' schen Resolution, einem Antrage Meyer- Baues beizutreten, welcher folgenden Wortlaut hatte: „Der Deutsche

autise Verein empfiehlt den Rhedern die Errichtung gemein. schaftlicher Heuerbureaur für eigene Rechnung, um dem verderb- lichen Treiben der Heuerbase entgegenzuwirken, und sich einen guten Nahwucs von Matrosen zu sihern.“ Bei Berathung des letzten Gegenstandes der Tagesordnung, Maßnahmen zur Abhülfe des Mangels an Masthinisten für die kleineren, Küsten- shiffahrt betreibenden Dampfer, erklärte der Regierungs- vertreter, Geheime Ober-Regierungs-Rath Dr. Röôsing, daß die Errichtung einer, vierten Klasse von Maschinisten, wie sie na Annabme der Interessenten den in Rede stehenden fleinen Dampfern noth thue, fh im Stadium der Vocbereitung befinde, worau? sih die Versamm- lung auf folgenden Beschluß einigte: „Der Deutsche Nautis e Verein wolle dabin wirken, dak die Einführung des in Auësidht ge- nommenen Gesetzes, betr. die Abänderung der Prüfung der Maschi- nisten für Dampfschiffe, so viel als mögli beïhleunigt werde,“ Damit waren die Verhandlungen des Vereinêtages erichöpft Der Vorsitzende Geheime Kommerzien-Rath Sartori - Kiel dankte den Mitgliedern und namentli auch den betheiligten Vertretern der Regierung für das den Beratbungen gewidmete Interesse, konstatirte des Weiteren die recht erfreulihen Erfolge, welche die Thätigkeit des Vereins bereits gezeitigt und {loß sodann den Vereinêtag mit einem Hoch auf Se. Majestät den Kaiser.

Zur Lage der Handwerker. i

Dem Central-Ausschuß der vereinigten Innungsverbände Deuts{- lands ist auf eine von den Vertretern des Handwerkerstandes an Se. Majestät den Kaiser gerichtete Immediateingabe nachstehendes vom 11. Februar d. J. datirtes, an den Vorsitzenden Hrn. Obermeiiter Faster gerichtctes Schreiben zugegangen, welches vom „Handwerker“ veröffentliht wird:

„Auf die von Ew. Woblgeboren und der Vorsitzenden des Allge- meinen deutsben Handwerkerbundes zu München unter dem 2, Juni v. F. eingereihte Immediateingabe erwidern wir Ihnen auf Grund der uns ertbeilten Allerhöchsten Ermächtigung, daß Se. Majestät der Kaiser die Berufung einer Immediatkommission zur Uxnter'uchung der Fragen der gesammten deutshen Handwerkerbeweaung und zur Be- rathung von Aenderungen der für die Verhâltnisfte des Handwerks gegenwärtig geltenden geseßlichen BVorsc(riften niht für angeméi}en erachten.

Dagegen haben Se. Majestät zu genehmigen gerubt, daß Ver- tretern der beiden Handwerker Vereinigungen Gelegenheit gegeben werde, vor Beauftragten des Reichsamts des Innern und des König- li preußischen Ministeriums für Handel und Gewerbe, die in ihren Kreisen empfundenen Mängel der in Betraht kommenden Gesetze mündli darzulegen und die zur Hebung derselben von ibnen vorzu- \chlagenden Maßnabmen zu begründen.

Dem Central-Auss{chuß der vereinigten äFnnungéverbände Deutsh- lands und dem Allgemeinen deutschen Handwerkerbund zu Muüncken, dessen Vorstand Ew. Wohlgeboren von dem úInhalt dieser Ecwiderung gefälligst in Kenntniß seßen wollen, stellen wir demna anbeim, si über die Bestellung geeigneter Vertreter zu dem erwähnten Zweck zu verständigen und eine Anzeige über die getroffene Wahl hierher gelangen zu lassen. Mit dieser Anzeige würde eine genaue Bezcichnung derjenigen Fragen der Gesetzgebung zu verbinden sein, über welche die einzelnen Vertreter nah dem Wunshe ihrer Auftraggeber sich zu äußern haben würden.

Weitere Mittheilungen, namentlich über den Zeitpunkt des Be- ginns der Berathungen, bleiben vorbehalten.

gez. von Boetticher. gez. Frhr. von Berlepsch."

Arbeiterwohnungen.

Der Herstellung gesunder Arbeiterwobnungen wird Seitens der Fabrik- und Hüttenbesizer, sowie einzelner Gemeinden des Regierungs- bezirks Trier andauernd eifriges Bestreben zugewendet. Das bekannte Geschäftéhaus Villeroy und Bah in Mettlach hat auch in dem verflossenen Jahre den Neubau von Wohnungen für Arbeiter ihrec Fabriken in verschiedenen Ortschaften des Kreises Merzig fort- geseßzt; es sind von ihr bis jeßt dreizehn Doppel- und drei einfate Wohnhäuser hergestellt worden. Die Glashütte von Wagner und Korn in Oberwölklingen bei Saarbrücken hat in dem Orte Rockershausen cine Arbeiteransiedlung für vorläufig zwanzig Familien errihtet. “In der Stadt St. Johann, wo der Mangel an Arbeiter- wobnungen und die dadur bervorgerufene Steizerung der Miethpreise den Abzug eines beträchtlihen Theiles der Nrbeiterbevölkerung in die Nadbbarstädte herbeigeführt hat, ist eine Baugenossenschaft in der Bildung begriffen, welche die Errichtung gesunder und preis- wertber Arbeiterwobnungen zu fördern bestimmt ift; eine den gleichen Zweck verfolgende Genoffenschaft wird zur Zeit in Malstatt—Burbach gebildet,

Zur Arbeiterbewegung.

Die „Saarbr. Ztg“ theilt in einer besonderen Ausgabe des „Bergmannéfreund“ den Wortlaut der Petition mit, welche die Vertrauens8männer der auf den fiskalischen Gruben des Saarreviers arbeitenden Bergleute in Betreff des neuen Statuts des Knaprschaftsvereins unter dem 21. Dezember v. I. an den Minister für Handel und Gewerbe gerichtet haben, und stellt dieser Petition den Erlaß des Ministers vom 13. d, M. voran, mit weldem die Petition beantwortet wurde. Dieser Ministerial- Erlaß widerlegt zunächst die Beswerde der Vertrauensmänner, daß die Statutenänderung obne vorherige Anhörung der Berg- leute vorgenommen worden sei, und weist in dem Umstande, daß, nabdem die Arbeiter- Mitglieder des Knappschaftévereins in der ge- seßlih geordneten Weise bei der Statutenänderung bereits betheiligt worden waren, die Königlibe Bergwerks-Direktion zu Saarbrücken den Statutenertwurf außerdem noch zur Kenntniß ter Mitolieder der Arbeiteraut üsse der Königliden Gruben brate, na, wie großer Werth au Seitens der vorgeseßten Werkêverwaltung darau? geleg wird, sib in allen, ‘das Wobl der Arbeiter betreffenden Fragen in Füblung mit denselben zu balten und in eine saglihe Erörterung der bezüugliSen Wünsde der Belegschaft einzutreten. Weiter gebt der Erlaß auf die Gründe ein, welWe es im Intereffe aller Betbeiligten wünsHentw:rth machten, daß der Knappvschaftsverein des Saarreviers die Erfüllung der dur das Reichdgeseß vom 22. Juni 1889 be- dingten Aufgaben selbst inzdie Hand nahm, und führt die Vortheile auf, welche die veränderten Bestimmungen des Statuts als Ver- bêéfserungen kennzeiWnen.

Aus Heinit theilt die ,S.- u. Bl.-Ztg.“ mit, daß in der am Montag abgehaltenen Sitzung der Vertrauensmänner der vor- erwähnte Erlaß des Ministers für Handel und Gewerbe vom 13. d. M auf die Eingabe der Srubenautshüsse wegen Aenderung des Knapp- schaftsftatuts zur Kenntniß gebracht wurde. Der Vorsitzende, Berg- ratb Gräff. fnüvfte an die Verlesung die Verwarnung, daß weiteres Agíitiren gegen das neue Statut die Kündigung der Arbeit nad sich zieben würde, was einige Unruhe hervorrief. Cs wurde wo bemerkt, daß Aenderungen des Statuts nur auf geordnetem, gesezmäßigem Wege vorgenommen werden könnten. Im Uebrigen verlief die Sißung rubig und wurde die Tage#ordnurg über lokale Betriebsangelegenheiten er- ledigt. Ferner wurde den Vertrauenëmännern noch eine Uebersict über die demnächst einzuribtenden Gewerbeschiedsgerihte gegeben, und H. A. auch die einstimmige Ansicht der Vertrauenêmänner festgestelit, daß der Sit des für die Grube Heiniy zuständigen Gerichts in Neun- firden am Zweckmäßigsten sei. Jeder Bertrauenëmann erhielt einen Abdruck des ministeriellen Bescheides, welcher übrigens noch weiter verbreitet werden wird. Der „Rh. - Westf. Ztg.“ wird aus Trier geschrieben: Die Bergleute des Saarreviers werden vom 1. April d. J. ab ihre eigene Zeitung haben. Sie soll den Titel „Schlägel und Eisen“ führen und in Bildstock ge- druckt werden. Mit dem Bau der Druerei ist bereits begonnen

worden; sie kommt unmittelbar neben den Versammlungsfaal zu stehen, welchen die Bergleute geaenwärtig auf eigene Koften errihten.

Der in der Bergarbeiter- Delegirtenversammlung zu Bochum am 15. d. M. gewählte Ausschuß, der die im Entwurfe vorliegenden Forderungen endgültig feststellen sollte, ist, wie die „Köln. Zta.“ berihtet, nunmehr seiner Aufgabe nah- gekommen. Sämmtliche Forderungen des Entwurfs sind fest- gehalten worden. Nur bei der Lohnforderung hat man eîne niht unwesentlihe Abänderung getroffen. Während in dem Entwurf nur von einer prozentualen Lohnerhöbung die Rede war, hat der Ausshvß die Forderung eines Mindestlobnes bes{lofsen, und zwar für Hauer einen solhen von 4,50 , für Zimmer- und Reparaturhauer von 3,75 F# und für S&lepper 3 Man bält es für angebracht, einen Uebergang zu diesen Sätzen zu {afen in der Weise, daß für sämmtli%e Bergarbeiter eine sofortiae Lohnerhöhung um 25 bis 40 9% gcfordert ‘wird. Bringewald-Wattenscheid, der beim Aktgeordnetertage den Vorsiß führte, bekämpfte diese leßtere Forderung als ¿u hoch. Da er mit seiner Ansicht nicht durchdringen fonnte, lehnte ec es ab, Mitglied eines zu bildenden engern Nus- {uses zu werden, welher die festgeseßten Forderungen den Werks- besitzern unterbreiten soll.

“Wie der Berliner „Volks-Zta.“ aus Bochum mitgetheilt wird, zählt der Deutsche Bergarbeiter-Verband im Ruhr- bezirk bereits 70 009 Mitglieder. Täglich laufen neue Anmeldungen ein. Der Verband hofft, daß bis zum Pariser Kongreß sämmtliche Bergarbeiter des Bezirks beigetreten sein werden,

In Hamburg hat der Verband deutscher Zimmerleute (Domizil und Lokalverband Hamburg) einstimmig beschlossen, für die strikenden Cigarrenarbeiter und -Sortirer 5000 Æ zu Unterstüßungen auszusezen. Im Laufe der legten Woche sollen dem „Hamb. Corr.“ zufolge sämmtlihe Hamburger Fahvereine zu dem gleihen Zweck zusammen 190 000 4 aufgebracht baben.

Auf dem am leyten Sonntag in Frankfurt a. M. abge- haltenen sozialdemokratischen Parteitag für Hessen und Hessen-Nassau waren, wie dem „Vorwärts“ geschrieben wird, die MWakhlkreise Offenbach, Frankfurt, Hanau, Mainz, Höchst-Usingen, Fried- berg-Büdingen, Gießen, Alzey, Wiesbaden, Darmstadt, Worms, Ertach- Bensheim und Alsfeld im Ganzen dur 89 Delegirte aus 65 Ortschaften vertreten. Von Reichstags-Abgeordneten nahmen an den Verhandlungen S{chmidt-Frankfurt, Iöft-Mainz und Ulri-Offenbach, ferner der Landtaas-Abg. Müller-Darmsftadt.- Theil. Die Versammlung be- schâäftigte sich nur mit den Fragen der Agitation und der Presse. Bezüglih der ersteren wurde beschlossen, die Agitation in den Wablkreisen Frankfurt und Wiesbaden den Parteigenofsen am Orte selbst, diejenige im Großherzogthum Hefsen, mit Ausnahme von Oberbefssen, der bessishen Landeékommission zu überlaffen; für die übrigen Bezirke soll je ein Vertrauensmann gewählt werden. Zur Besorgung der Parteiliterat1r und deren Verbreitung wird eine dreigliederige Kommission gewählt. In Bezug auf die Presse gelanute der Antrag, daß für den Regierungsbezirk Wiesbaden, die Provinz Oberkbessen und den Wahlkreis Hanau ein Central- organ in Franffurt berau2gegeben werden soll, mit ganz fnapper Majorität zur Annahme. Der weitere Antrag, daß neben diesem Centralorgan die Organe in Mainz, Darmstadt und Offenbach besteben bleiben sollten, wurde nahezu einstimmig angenommen. Die Hauptkraft der Agitation foll insbesondere den Kreisen St. Goars- hausen-Nafsau, Diez-Limburg und Dillenburg-Herborn zugewandt werden.

Tie aué London telegraphisch gemeldet wird, waren gestern in ter Näbe der Do cks Plakate angeschlagen, in welHen die Frachtstauer, deren Zahl si auf ungefähr 3000 beläuft, aufgefordert wurden, die Arbeit niederzulegen. In Folge zahlreicher Proteste von Mitgliedern der Union der Frachtstauer zog der Vorstand das Manifest, in welchem zur Arbeitseinstellung aufgefordert wird, zurü.

Der Strike der Stauer in Rio de Janeiro gilt, wie .W. T. B,“ meldet, für beendet; aber die Bewegung unter den Eisenbahn-Bediensteten zieht die Verschiffungen in Mit- leidenschaf\t.

Kunst und Wissenschaft.

K Gesellschast für Erdkunde.

Aus dem allgemeinen Geschäftsbericht dés Generalsekretärs über die Entwicklung der Gesellschaft und ihre Thätigkeit entnehmen wir, daß im Jahre 1390 in den 10 ftatutenmäßigen Sißungen 18 Vorträge gehalten wurden. Die Gesellschaft zählte mit Iabres- anfang 1049 ordentlihe Mitglieder gegen 1035 im Vorjahr, und außer- dem noch je 60 forrespondirende und Chrenmitglieder. Die bedeutende Gesellschaftsbibliothek (ca. 13 200 Bände) erfuhr, abgesehen von den veriodishen Schriften, cinen Zuwachs von 718 Werken in 1113 Bänden. Im Lesezimmer der Gesellschaft liegen 283 verschiedene Zeitschriften Und periodische Publikationen in fast allen civilisirten Sprachen der Welt aus, welche dem Taushverkehr mit Behörden, Instituten und Gesellschaften ähnlicer Richtung entstammen. Die Kartensammlung ist im Jahre 1890 durch die werthvollen Zusendungen der General- stabéfartenwerfe von Belgien, den Niederlanden, Skandinavien, Ruß- land, der Schweiz und British Indien ganz bedeutend gewawsen. Mit Unterstüßung der Gesellshaft konnten folgende wissenschaftliche Unternehmungen ausgeführt resp. in die Wege geleitet werden : eine Studienreise des Hrn. Dr. A. Hettner in Cbile, Peru und Süd- brasilien; die Herausgabe der Bibliotheca geographica Palaestinae von Prof. Röhricht; die Herausgabe der Reproduktion dreier Karten- werke von Gerhard Mercator, welche in der Stadtbibliothek zu Breslau vor einiger Zeit aufgefunden sind, in 41 Lichtdrucblättern ; die Entsendung von Dr. K. Kretschmar nach Italien Zwéecks Studiums älterer Schriftwerke und Karten in den dortigen Samm- lungen; die Unterstüßung der Herausaabe eines Werkes von Dr. Philippson über die physishe Geographie und Geologie des Peloponnes. Schlieflih plant die Gesellschaft für das kommende Frühjahr die Entsendung einer Expedition unter Hrrn. Dr. von Drygalski und O. Baschin nah dem westlihen Grön- land zum Zwecke vkhysikalisher Forschungen über das Inland- und Gletschereis daselbst.

Unter den geschäftliwen Mittheilungen, welche der Vorsitzende, Hr. Dr. W. Reiß, in der Sißung vom 7, Februar gab, ist zu er- wähnen, daß der 9. deu tsche Geographentag am 1. bis 3, April in Wien stattfinden wird und daß in Folge dessen die Sißung der Geellschaft vom 4. auf den 9. April verlegt werden wird. Auf An- regung der anthropologischen Gesellshaft findet am 1, März im Ratbbaus eine Todtenfeier für Schliemann statt, an welcher ch die Stadt Berlin, die Gesellschaft für Erdkunde und die arhâo- logische Gesellschaft betheiligen werden.

Hr. Dr. P. Sarasin berihtete sodann über seine mit seinem Vetter Dr. F. Sarasin unternommene zweite Neise na Ceylon, welche nih1 wie die im Jahre 1886 unternommene erste Reise zoologishen Studien galt, }ondern aus\{ließlich zum Zwecke einer genauen anthropologisben Untersubung der Weddas im Frübjahr 1890 unternommen wurde. Drei Volk:stämme bewohnen diese große Insel : Die Tamilen, welde im Allgemeinen die Ost- und Nordküste Cevlons und die im Norden derselben gelegenen kleineren Inseln im Besiy haben und welche zu den dravidishen Stämmen des Dekan gehören; die Singhalesen, welhe den Westen und das gebirgige Centrum der Jnsel bewohnen und wahrscheinlich der von aro-dravidischen Indern bewohnten Ganges- Ebene entstammen, und {ließli die Weddas, welche die Urbewohner der Insel darstellen, Die echten, unvermishten Weddas, deren Zahl jeßt kaum mebr als 2—300 betragen dürfte, finden sich noch in den Wäldern des öftlihen Fla(landes verstreut und sind sehr s{chwer zugänglich. Von Colombo begaben si die Reisenden nah dem höchsten Ort der Insel, dem im Centralgebirgs\tock gelegenen Newara Eliya, um von bier aus mit einer Trägerkarawane von 40 Kulis auf einer neu angelegten Kunst- straße in 6 Tagen zum Ostfuß des Centralgebirges vorzudringen. In den von großen offenen Graëflähen durchseßten Waldgebieten leben die sog. Dorsweddas in kleinen Ansiedelungen, welche in Waldlihtungen angelegt sind. Die Hütten diejer kleinen Dörfer, aus einem Innen-

raum und einer Veranda bestehend, gleichen durchaus denen der

Singhalesen. In der That sind die Weddas auch nichti im Stande,

solche Hütten, deren Wände aus Baumrinde bestehen , selbft berzu-

stellen; sie laffen sfi dieselben vielmehr von den Singhalesen

anfertigen, wofür sie dieselben mit den Erträgnifsen der

Jagd, Fleisch Honig und wilden Früchten \chadlos halten.

Drei versbiedene solhe Niederlassungen der Dorsfweddas wurden

besu&t und wurde auch eine Horde der in verschiedenen, die

Ostebene Ceylons durziehenden, Bergketten lebenden sog. Felsen-

weddas auéfindig gemaht. Ueber 390 woblgelungene und ftreng

systematishe Photographien wurden aufgenommen. Die Weddas

baben eine chocoladenfarbige Haut, die Nase ist meist breit und

fleishig, die Liypen gewulstet, Oberlippe und Kinn zeigen bei den

Männern kurzen Bartwuchs. Die Kopfhaare bilden eine dunkle, meist

völlig ungepflegte Mähne, welce auf die Sgultern niederfällt. Die

Bekleidung ist eine äußerst primitive; sie besteht aus einem Tuckfeßen

um die Lenden, der wobl aub dur einen Gürtel aus Blättern erseßt

wird. Während die schon mit singhalesishem Blut vermischten Dorf-

weddas in den Libtungen ibrer Siedelpläßze bereits einigen Ackerbau

treiben, leben die Felsenweddas in erster Linie vom Fleis der erlegten

Hirsche, Affen, Schweine, Eichbörnchen, Leguane 2c., ferner von Wald-

irücten, Blättern, Pilzen; sie gerießen au die weihe Cambiumschi(t * der Rinde des wilden Mangobaumes und das mit Honig gemischte

faule Holz gewisser Bäume. Sie kennen weder das Kastenwesen der

Inder noch überhaupt eine Staatsform, da sie kcine Häuptlinge haben.

Der älteste Mann einer Horde übt zuweilen einen gewissen, do

fehr beschränkten Einfluß aus. Sie haben keine Religiontéform und

feinen Kultus, doh seinen sie zu glauben, daß die Verstorbenen zu

Geistern werden, welcher Glaube sie aber nit abhielt, die Reisenden

selbst zu den Grabstätten zu führen und ibnen bei der Ausgrabung

von Skeletten bebülflih zu sein. Die Sprache der Weddas ift die finghal. sische, die mit einigen Wörtern der im Uebrigen verschwundenen

Ursprache vermischt ist. Die Kultur der Weddas ist von der denkbar größten

Cinfabheit: Bogen, Pfeil, Art, zwei Hölzhen zum Feuerreiten, eine Scildfrôötenshale als Schüssel, Hüftgürtel aus Blattbüscheln das ift ihr ganzer Hausrath. Die Eisenklingen zu Axt und Pfeilen tauschen

fie von den Singhalesen eia. Den echten Wedda haraftterisirt absolute Bedürfnißlcsigkeit, ein intensiver Trieb na persönlicher Freiheit, ein

ausgesprocenes Ehraefübl, welbes ihr gegenfeitiges Verhalten beffer als geschriebene Gesetze regelt. Diebstahl ist fast unbekannt, ein echter Wedda lügt im Gegensaß zu den oft grenzenlos verlogenen böberen indisben Stämmen nie. Mord {eint rur in Folge von Et ebruch vorzukommen. Im Großen und Ganzzn lebt der Wedda mit Absehung

von böberen Begriffen denjenigen moralischen Anschauungen von Gut und Böse von Natur aus na, welche den höheren Völkern von den Religionéstiftern als Gese? vorgeschrieben wurden. :

Hr. Geheimer Regierungs-Ratb Prof. För ster spra sodann über „Periodishe Aenderungen der Lage der Drehungsare der Erde und über die zur näheren Ergründung diefer Er- \cheinungen Seitens der internationalen Erdmel)ung getroffenen Veranstaltungen.“ Eine mächtige Wirkung veriodisher Aenderungen der Lage der Erdare im Himmelêraum ist \chon seit uralten Zeiten bekannt. Der Punkt, in dem die Verlängerung der Erdaxe die |ceinbare Himmelékugel trifft, d. h. der Pol oder Rubepunkt der täglihen s{heinbaren Umdrehung des Himmelsgewölbes ändert seine Lage innerhalb der Sternbilder enun na und zwar innetkalb einer großen Periode von ca. 26000 Jahren, aber au in kleineren Perioden, die zwisben 182 Iabren und einem balben Monat liegen. In der größten dieser Perioden beschreibt der nördliche Himmels- pol einen Kreis um den entsprechenden Pol der Erdbabn, welch leßterer eine nur wenig veränderlihe Lage im Sternbild des Draen behauptet. Kopernikus erklärte zuerst diese Erscheinung ganz folgerihtig als eine mit der jährlihen Bewegung der Erde um die Sonne zusammenhängende langsame Lagenänderung der Drehungsare der Erde ; aber erst Newton gelang es, die Ursache dieser Erscheinung in der Anziehungêwirkung der Sonne und des Mondes auf den an seinen Polen abgeplatteten Erdkörper nachzuweisen. Die unablässigen Anziebung8wirkungen der Sonne und des Mondes suchen gewissermaßen die äquatoriaie Anschwellung des Erdkörvers in die Ebene der Bahn, welwe die Erde um die Sonne bes(reibt, einzustellen. Daraus entsteht dann die freiselartige Be- wegung der Grdaxe um eine zu dieser Bahnebene rechtwinkligen Richtung. Leonhard Euler war es, der in der Mitte des 18. Jahrhunderts auch andere Probleme der freien Drehungsbewegung des Mafsensystems der Erde eingehender behandelte und aus theoretischen Gründen, insbesondere in Folge der dur die Prozesse der Faltung, Hebung und Senfang großer Flächenstücke der Ecdrinde, sowie dur Unregelmäßigkeiten der Bertbeilung des Festen und Flüfsigen herbeigeführten Aenderungen der Spmmetrie der Masienvertheilung der Erde, das Borhandensein von Störungen in der bereits erwähnten konischen Bewegung der Drebungs8are darlegte, für wel®e späterhin auf Grund von genaueren BVe- stimmungen der Gestaltverbältnisse der Erde dur die Theorie der Bitrag von nahezu 10 Monaten festgeseßt wurde. Bis gegen das Jahr 1820 waren jedoch feine hinreichend stetigen und genauen Beobactungêreihen vorbanden, um als Be- stätigung oder Widerlegug des Yorhandenseins einer solchen pericdishen Lagenänderung der QDrehungsare im Erdkörver herangezogen werden zu können. Der erste Astronom, welcher \pstematishe Auéshau nah Spuren von periodischen Lageâänderungen der Drehungsare des Erdkörpers hielt, war Bessel, welcher aus seinen Beobahtungen in Königsberg in den Jahren 1820—21 den Séluß z0g, daß eine etwaige solwe Bewegung eine halbe Sekunde nicht wobl übersteigen könne. Schon vorher hatte er dargethan, daß zur Hervorbringung von Lagenänderungen der Hauptaxe um eine Sekunde Ortéveränderungen von so enormen Massen notwendig seien, daß wenigstens Alles, was die Kräfte der Menschen auf der Erde verändern können, in dieser Beziehung unbedeutend fei. Die Größe der natürliden Massentransporte durch die fortgehenden, mehr oder weniger regelmäßigen periodishen Veränderungen der Vertheilung des Wassers auf der Erde, die Veränderung der Lage der groken Luft- und Meeresströmungen, die Wickung der Verdunstung des Wassers in den äquatorialen Gegenden und die Ablagerung der ver dunsteten Tafsermassen als Schnee und Eis in den höheren Breiten, kurz das Resultat des den Jahreszeiten folgenden Kreislaufes aller dieser mättigen Erscheinungen ließ er außer Betracht, ebenso wie seine späteren Nathfolger auf diesem Forschungéfeld, die Astronomen der Sternwarte zu Pulkowa, Peters, Gylden und Nyven, sowie Marwell und Newcomb, welbe die Veobachtungen der Sternwarten zu Greenwich und Washington mehr oder weniger resultatlos für diese Untersuungen verwertheten. Ers Sir William Thomson wies in seiner Ansprache an die British Association (Glasgow 1876) auf den Einfluß der S&wankungen der Mafssenver- theilung der Erde, welche unter diefen Verbältnissen vor si geben, hin, und mate die Angabe, daß unter ibrer Wirkung unregelmäßige Abweichungen der Drehunasaxe in Beträgen von 1/20 bis 1/2 Sekunde entstehen könnten. War diese Anschauung richtig, so wurde es erflär- li, daß die biéberigen Untersuchungen, welche sich von dem Schema der Euler'schen Periode nicht hatten loslöfen können, nahezu ergebniß- los verlaufen waren. Worauf es jeßt ankam, das waren von jeder vorgefaßten Hypothese losgelöste, rein empirishe Ermittelungen wirkli vorgekommener Veränderungen der geographiscen Breiten auf Grund verschärfter Beobachtungen. Veränderungen dieser Art traten in einer bis dabin nit erreidten Zuverlässigkeit in mit größter Sorgfalt, wenn aud ursprünglih zu einem anderen Zweck vorgenommenen Beobachtungsreiben zu Tage, welhe Dr. F. Küstner au! der Köônig- lichen Sternwarte zu Berlin in den Jahren 1884 und 1885 angestellt hatte. Der hervorragendste und zweifelloseste Zug von Küstner's Ec- gebnissen bestand darin, daß die geograpbishe Breite der Sternwarte vom Frühjahre 1884 bis zum Frübjahre 1885 um 20 Hundertstel einer Sekunde abgenommen hatte, und die Beobachtungsreiben ließen er- kennen, daß die Maximalschwankung innerhalb der ganzen Reibe sogar 4 bis 5 Zehntel Sekunden belragen hatte. Wenn dieses Resultat von den Facgenossen zunähst au mit starken Bedenken aufgenommen wurde, so zögerte die permanente Kommission der internationalen

Erdmessung im Jahre 1888 auf ihrer Versammlung in Salzburg nit, umfassende Untersuchungen über diese Frage in die Hand zu nehmen.

Das von Hrn. Prof. Hel mert in Berlin geleitete Centralbureau der Erdmefsung empfing den Auftrag, baldigst ein Zusammenwirken von mehreren Sternwarten zum Zwecke anhaltender gleichzeitiger Beobawtungen der geographishen Breiten nah dem von Dr. Küstner befolgten Verfahren zu organisiren und durch die Geldmittel der Erd- messung zu fördern. Unterftüßt wurde er hierbei von den Beobachtern Direktor Dr. Weinek und Dr. Gruß auf der Sternwarte in Prag, Swnauder auf der Sternwarte in Potêdam, Dr. Marcuse auf der Sternwarte zu Berlin und bei der zusammenfassenden gleihartigen Bearbeitung der über 5000 vollständigen Einzelbestimmungen durch Prof. Albrecht vom Königlichen Geodätishen Institut. Schon im Frübjahre 1890 fonnte festgestellt werden, daß man fein etwa durch die lofalen Verhältnisse der Berliner Sternwarte bedingtes Phär omen vor si hatte, sondern daß die geographishen Breiten der genannten Sternwarten Veränderungen von 4 bis 5 Zehntel Sekunde in der Beobachtungéperiode erfahren hatten. i

Auch die Tteorie begann nunmehr, anknüvfend an die Aeußerungen Sir William Thomson's, das Problem vollständig zu erfafsen. Es wurde von Ka dau in Paris und Prof. Hel mert untersucht und ergab i, daß die {en von Euler berenete 10 monatli®e Periode mit der aus den meteorologischen und hydrologishen Vorgängen bedingten jährlichen Periode zu einer größeren Periode von 9 Jahren fi ver- einigt. in denen 5 jährliche Perioden mit 6 zchnmonatlichen Perioden zusammentreffen, sodaß die Veränderung der Breiten alle 5 Jahre während 2 bis 3 Jahren eine bedeutende Vergrößerung erfahre und im übrigen Theil der © jäbrigen Periode auf einen geringeren Werth ih zusammenziehe. E / ;

Diese merkwürdigen Ergebniffe der Theorie werfen au auf die Entwickdlung der Frage ein belleres Licht, und es wird erklärlich, wes- halb man früher aus gewissen Beobachtungsserien die gesubten Ver- änderungen abzuleiten im Stande war, aus anderen, zu ungünstigeren Epocen angestellten aber nit.

Um aber weiteres Vlaterial zur Erfors{ung der Frage zu ge- winnen, wird die Erdmefsung demnäcst eine wissenschaftliche Expedition na Honolulu(Sandwi-Inseln) entsenden, welche daselbst während 11 bis 12 Monaten unablässig Breitenbestimmungen ausführen wird. Denn wenn die Breitens&wankungen lediglich von der Lagenänderung der Drebungsaxe im Erdkörper herrühren, müssen sie auf der Mittel- Guropa entgegengeseßten Seite des Erdkalls im gleihen Betrage, aber im entgegengeseßten Sinne auftreten. Der Vortrag {loß mit einem Hinweis auf die aligemeine Bedeutung, welche die ganze An- gelegenheit für das Zusammenwirken der Kulturvölker haben werde, denn es werde nunmehr ein allgemeiner Ueberwachungsdienst der be- zügliwen natürliden Verhältnisse, welde für alle unsere Mefsungen fo fundamentale Wiötigkeit hätten, auf gemeinsame Koften einzu- ri@ten sein. Auch auf die Möglichkeit der fortschreitenden Aen- derung der Lage der Drebungsare, welhe nach den Darlegungen von Helmbo! und Swiaparelli im Verlaufe der Entwicklurg der Erde fehr verschiedene Lagen im Ertkörper gehabt haben könne, wurde noch ein Blick geworfen,

In Saten des Kaiser-Denkmals für Rheinland- Westfalen ist der „Bonner Zta.“ zufolge nunmehr die Entscheidung Sr. Majestät des Kaisers zu Gunsten von Koblenz ausgefallen.

Magistrat und Sradtverordnete von Berlin baben der ¿s

Pr. Z.* zufolge unter Zuziehung der Anthropologishen Gesellschaft, der Ar&äologishen Gesellschaft und der Gesellswaft für Erdkunde, vertreten durch ihre Vorsitzenden Vir&ow, Curtius und Reiß, eine Einladuna zu einer am Sonrtag, den 1. März, im Festsaale des Berliner Ra!hzauses abzuhaltenden Gedächtnißfetier für Heinrich Schliemann ergehen lassen. n Wie T. B.* aus St. Petersburg berichtet, fand im Palais der Großfürstin Katbarina gestern eine Feitsißung der Geographishen Gesellschaft statt, in welcher der Reisende Bonvalot einen Bericht über seine in den Jahren 1889 und 1890 mit dem PrinzenHeinrich vonOrléans unternommeneBereisung Tibets vorlas. Bonvalot hob in seinem Bericht hervor, daß eine Verbindurg ¿wischen den französischen und russischen Besißungen in Asien über Tibet mögli sei, ohne daß englisches oder chinesisces Gebiet berührt werden müßte. Die Großfürstin Katharina, Prinz Heinri von Orléans und zahlreiche hervorragende Persönlichkeiten wohnten der Sitzung bei,

J 6.

Literatur.

Geschichte.

* GesHibte des vreußishen Staats von Dr. Ernst Berner, Königlich preaßishem Hausarchivar. München und Berlix, Verlagêéanstalt für Kunst und Wissenschaft, vormals Friedrich Bruck- mann. In der soeben erschienenen dritten Abtheilung des oben ge- nannten Werkes behandelt der Verfasser zunächst die lezten Regierung®- jahre des Großen Kurfürsten von der Schlacht von Fehrbellin ab, und zeigt, wie dieser hohbedeutende Regert, dessen Lebenstahalt Pflicht» treue gegen den Staat war, es verstanden hat, aus verarmten und zerrissenen Ländern einen Staat zu schaffen, welch(er fortan eine Stellung im europäischen Staatensystem einnahm und so fest gefügt war, daß auf ibm später das stolze Gebäude der preußisck{en Monarchie errichtet werden fonnte. Mit der Regierung Friedrih's I, dem die Erhebung des Herzogthums Preußen zum Königreich gelang, {chließt dann das zweite Bu ab. In dem dritten, welhes die Zeit von 1713 bis 1807 umfaßt, schildert, soweit es bis jt erscienen ist, der Verfasser die Begründung des Staats Friedrichs des Großen durch König Friedri Wilbelm I., dessen Reformen auf dem Gebiet der Verwaltung, im Finanz-, Jufsliz- und Schulwesen und in der Armee die Grundlagen geschaffen haben, wel@de noch heute be- stehen, und der Preußen das scharfe und harte Gepräge ge- geben hat, welches diesem eigenthümlih geblieben ist. Die künst- lerisde Auéstattung steht hinter den beiden früberen Abtheilungen in feiner Weise zurück. Unter den beigefügten Eirschaltbildern und Bei- [lagen sind namentli hervorzuheben: Der Gang Friedrih's I. zum Empfang der Belebnung auf die Könialihe Tribüne, aus U. von Richerthal’s Chronik in der von Wefsenbergischen Stadtbibliothek in Konstanz, das Bankett auf dem Römer in Frankfurt a. M, bei der Wahl Leopold's T. zum Deutschen Kaiser, die erste Seite der eigenhändig niederges{hriebenen „Väterlihen Ermahnung“ des Großen Kurfürsten, die siebente Seite der eigenhändig niedergescrie- benen „Väterlichen Ermahnung* Friedrichs IIL, die Salbung Friedrih's II1. zum König von Preußen, eine eigenbändige Rand- bemerfung Friedri Wilhelm's I. und ein auf den Lieutenant von Katte bezüglihes Schreiben Friedrih Wilbelm's I. an den Feldprediger Müller. Unter den im Text enthaltenen Abbildungen befinden sich wieder mehrere hübsch gezeichnete, älteren Werken entnommene Initialen, Nawbildungen von Medaillen, Porträts und eine Uebersihtskarte des brandenburgischen Staats unter dem Großen Kurfürsten.

_St. Martin zu Freiburg als Kloster und Pfarref. Geschichtlih dargestellt von Dr, Heinrich Hansjakob, der- zeitigem Pfarrer. Freiburg i./B. Herder's{che Verlagébandlung. 1690. 89 S. VI. u. 206. Preis 1 A 50 &S§ Da die Kirche St. Martin zu Freiburg in Baden eines der ältesten dortigen Heiligthümer ist, so darf eine urkundlihe Darstellung von dem geschihtlihen Entsteßen dieser Pfarrei bis zum gegenwärtigen Bes- stande als ein beahtenswerther Beitrag zur Geschichte der alt- ehrwürdigen Hauptstadt des Breisgaus, gleichzeitig zur Kircengeschichte des Breisgaus selbst begrüßt werden. Der durch wissen- schaftlihe und unterhaltende Striften bekannte Verfasser konnte nit allein den ganzen im Stadt-Archiv zu Freiburg und im Landes-Archiv zu Karlsruhe vorhandenen Afktenapparat benußen, son- dern ihm war au die Einsiht der Urkunden gestattet, welche im Provinzial-Archiv der Franziéskaner zu Hall in Tirol aufbewahrt werden. Aus diesem gesammten Material, dur Benußung neuerer Forschung einsihtsvoll verwerthet, ist eine befriedigende, allgemein ver- ständlihe Erzählung entstanden, deshalb populär gehalten, „weil diese Geschichte zunähst für die Pfarrangehörigen von St. Martin und weiterhin für die Bewohner der Stadt Freiburg bestimmt ist*. Der erste Abschnitt behandelt St. Martin als Kloster. Die Franziskaner,

„die Minderen Brüder“, saßen im Jahre 1229 {on einige Jahre vor den Thoren der Stadt Freiburg und batten E v geweihte Kirhe. Unterm 12. Mai 1246 übergab Graf Konrad von Freiburg als Patronatsherr die Kapelle des keiligen Martin den Minderen Brüdern mit allen Rehten und Freiheiten. In den ersten Jahren begnügten sich die Mönche mit der kleinen Kirche des bl. Martin und maten sich zuerst daran, ein Kloster zu bauen (S. 7 und 9), defsen leßter Mönch am 16. August 1843 gestorben ist (S. 90). Seit dem Bestehen des Klosters traten „sehr viele tapfere und vornehme Männer“ in dasselbe ein. Unter den drei Beilagen zur Geschichte des Klosters, Aufzeihnung der Ouardianer über die Belagerung und Eroberung der Stadt Freiburg von 1648 und 1667, enthält das S. 107 bis 120 mitgetheilte Todtenbucb des Klosters vom Jahre 1300 bis 1712 viele noch jeßt vorkommende Familien- namen, z B. 1534 von Rehberg und Schwarzenberg, 1591 von Lichtenfels, 1660 von Garnier, 1702 von Sizeroth, im Jahre 1511 starb der sehr berühmte Rechtsgelehrte Dr. Leonardus Schiller. Dieses Nekrologium bietet als ein Sichtungs- buch gleiczeitig ein fulturbiftorisches Interesse. In dem zweiten Abschnitt wird St. Martin als Pfarrei besproen, welhe am 2. Mai 1748 dur Kaiser Josevb IT. von Oesterreih zur zweiten Pfarrfkir§e bestimmt wurde (S. 125). Die Pfarrer von St. Martin wie deren

Kooperatoren find S. 153 bis 178 einzeln aufgefübrt, die Kunst- denkmäler der dreischiffigen, gothis@en Basilika mit flader Holzdecke beschrieben, die Bilder der Fenster haben verschiedenen künstlerishen Wertb, sowobl was Komposition als was Ausfübrung betrifft. Eine Abbildung des ehemaligen Fran: iékfanerklosters St. Martin sowie zwei in den Téxt gedruckte Umrisse desselben zieren das Buch.

Rechts- und Staat8wissenschaft. ck. Die Preußischen Jagdgeseße vom Allgemeinen

Landrechte bis auf die neueste Geseßgebung. Zum prakti- hen Gebrauch für Juristen, Jäger, Forst- und Jagdbeamte, mit Kommentar in Anmerkungen berau®gegeben von Dr. P. Koßhli, Stadtsyndikus. Berlin. Verlag von H. W. Müller. Die vor- liegende zweite Auflage kennzeihnet fich als eine vermehrte und ver- besserte. Im Anhang werden u. A. die neben dem Iagdpyolizeigeseßz vom 7. März 1850 geltenden baupt\sächlihsten Provinzial-Jagdgesetze mitgetbeilt. i

E Wie hat der Shiedsmann sein Amt zu führen?

Eine gemeinverständlihe Anleitung. Mit Beispielen für alle beim Schiedsmann vorkommenden Protokolle, Vermerke und sonstigen Niederschriften, Formularen, vollständigem Sachregister und einem Abdruck der Schiedêmannsordnung. Von L, Christiani, Amts- gerihts-Rath in Osterode a. H. Berlin. Verlag von H. W. Müller. (Preis kartonnirt 1,50 4). Das vorliegende Werken bezwet, den Sciedsmann in den Stand zu seten, ohne großen Zeitverlust und ohne mühevolles Einarbeiten in den für den Laien zumeist \chwer oder gar nicht verständlihen Geseßzestext ih über das für ihn Wissenswertbe zu unterrihten. Mit Rücksicht bierauf ift die Darstellung möglihft an den thatsächlihen- Hergang in Verlauf des einzelnen Amtsgeschäfts anges{lofsen und thunlihst für eine jede dem Schiedsmann bei der Amtsführung obliegende Niedershrift ein leiht verständlihes, an ge- höôörigem Ort eingescaltetes Beispiel beigefügt. Angehenden Schieds- männern dürfte die Anleitung höchst willkommen sein.

E Sozialpolitik.

Sozialrevolution oder Sozialreform? von Julius Werner, Pastor in Hobenthurm bei Halle a.S. Halle, G.Shwetschke" {er Verlag. Wenn es auc nit zu erwarten ift, daß die zahlreichen in neuester Zeit ers{ienenen S(riften, welhe das Thema behandeln, wie dem Treiben der Sozialdemokratie entgegenzutreten sei, unmittel- bar einen bekehrenden Einfluß auf die Anhänger dieser Lehren aus- zuliben vermöchten, o läßt es fh doch andererseits nicht verkennen, daß durch sie viel dazu beigetragen wird, in den Kreisen der Gebildeten die drohende Gefahr der sozialistiswen Bewegung immer flarer zu maen, sie aus dem S{lummer zu erwecken, dem sie sch nur allzu leiht hingeben, und sie zur thätigen Mitarbeit an der unabweislihen Sozialreform zu gewinnen. In dieser Hinsicht müssen alle derartigen Schriften willkommen geheißen werden, besonders aber, wenn sie in so klarer und allgemein verständliher Spraße abgefaßt sind, wie die vorliegende. Mit großer Objektivität weist der Verfasser auf die zablreicen wirthschaftliden und sittlihen Gebrechen der Ießtzeit hin und erkennt ofen die manerlei Ungerectigkeiten im Gewerbsleben, wie die in ösffentliwen und gesellschaftlich-n Verhältnissen vielfa be- stehenden Unzuträglichkeiten an. Er zeigt, wie die revolutionäre Tendenz in religiöser Beziehung durch den Atheismus, in wirthschaft- liher durch den Individuali#mus und in sittliher dur die Selbst- sucht Derer vorbereitet worden ist, welche sich na Besiß und Vildung für tonangebend halten. Es ergiebt sich bieraus sofort, welhe Mittel der Verfasser für geeignet hält, diesen verderblihen Einflüfsen ent- gegenzuwirken und die drobende Revolution zu verhindern. In erster Linie ist dies die Rülckfehr zur wahrhaft christlihen Welt- anschauung, mit welcher zugleich der Muth verbunden sein mut, überall ofen für die Wahrheit einzutreten, ferner eine innige Liebe zum Vaterlande und die Bethätigung derselben in einer den gesteigerten Anforderungen der Zeit entsprehenden Weise, endlich ein lebendiges soziales Interesse und das Bestreben, die vorhandenen grellen Gegensäße, nit nur im wirthschaftlihen, sondern auch im gewöhnlihen Umgangs- und Verkehrsleben, abzuschwähen. Freilich müssen, soll dur die Sozialreform das Volk einer glückliheren Zu- funft ertgegen geführt werden, Alle mit Opferfreudiakeit und verfôn- licher Hingabe an der Besserung der jeßigen Zustände mitwirken, und bierzu anzuspornen" ist die vorliegende Schrift in ganz besonderer Weise geeignet,

_ c, Wie nährt man fich gut und billig? Von Friß Kalle. Zweite vermehrte Auflage. Leipzig. Verlag von Duncker und Humbklot. (Preis 40 4 §) Die erste Auflage dieses S&riftchens hatte den Zwedck, dem theoretishen Unterriht an der KoWschule zu Wiesbaden als Grundlage zu dienen, sie wurde dann aber auch zum großen Theil von Industriellen der Wiesbadener Umgegend zur Ver- theilung unter ihre verheiratheten Arbeiter benußt. Würschen eut- sprechend, die von verschiedenen Seiten an den Verfasser herantraten, hat derselbe das Sttrifthen so umgearbeitet, daß es in weiteren Kreisen verwendbar ift, und durch Rezepte der gebräuhlichsten Speisen vervollständigt. Neues wird nit gebracht, nur von Allbekanntem und Bewährtem das für wenig bemittelte Familien Wichtigste und zwar in der fnappesten und leiht verständlihsten Form.

__ E, Fleis für Alle. Anleitung zur kostenlosen und einfachsten Zucht, sowie Mast von Sthlachtkaninchen. Im Auftrage des „Allgemeinen deutshen Vereins für Kaninchenzucht und Kaninchenverwerthung“ in Berlin bearbeitet von Paul Waser. (Preise: geh. 15 S, 25 Erpl. 3 4, 109 Expl. 10 4, 1000 Expl. (5 J) Wie son aus dem Titel ersichtlich ist, hat das vor- liegende Büchlein hauptsächlih die Arbeiterwelt im Auge. Es zeigt die Möglichkeit, wie auch der Aermste und Elendeste mit Hülfe der Kaninchenzuht durch Verwendung von Abfällen und Unkräutern aller Art seine Küche fortgeseßt mit gesundem, nährkräftigem Fleisch ver- sehen und außerdem noch dur den Verkauf von Fellen und Dünger so manche Mark baares Geld erübrigen kann. Die weiteste Ver- breitung des gemeinnügigen Schrifthens unter der Arbeiterwelt wäre sehr wünschenswerth.

Wirthshaft8politisches.

ck, Der Getreideterminhandel. Wesen. National- öfonomis&e Bedeutung. Einfluß auf das Getreideges{äft. Von David Kobn. Preisgekrönt von der Königlich ungarischen Aka- demie der Wissenschaften. Leipzig. Verlag von Duncker u. Humblot. Die Abhandlung zerfällt in drei Abschnitte, von denen der erfte von der Börse, dem Begriff des Termingeshäfts und dem Mechanismus des Getreideterminbandels, der zweite von der wirthschaftlicen Be- deutung des Getreideterminhandels und der dritte von dem Einfluß des Getreideterminhandels auf den Getreidehandel, der Klagbarkeit und der Börsensteuer handelt, In dem Verfasser bat der Getreide- terminhandel, wel{er bekanntlih von der öffentliden Meinung nicht günstig beurtheilt wird, einen unbedingten Vertheidiger und Befür- worter gefunden.

_Militärisch{es.

Taschenbuc für die Feld-Artillerie, herausgegeben von Wernigk, Premicr-Lieutenant im Eroßherzoglih Hessischen Feld- Artillerie: Regiment Nr. 25, Berlin 1890, Mittler und Sohn. Für den hier vorliegenden siebenten Jahrgang (1890/91) bat dieser bewährte Rathgeber des Feld-Artillerie-Offiziers durch eine voll- ständige As seines Inhalts eine nicht unwesentlihe Ver- besserung insofern erfahren, als die bisherige Eintheilung in Kapitel aufgegeben und an seine Stelle eine Gliederung des Stoffes getreten ist, die si mehr den Uebungéperioden des Ausbildungsjahres anf{ließt und dem Schießdienst, entsprehend seiner stets wachsenden Bes deutung, eine größere Berücksichtigung zu Theil werden läßt. Außer allem dienstlich Nothwendigen enthält das Tashenbuch vorn einen Kalender, die Friedenspräsenzstärke des deutshen Heeres und die Gliederung und Unterkunft der Feld- Artillerie, hinten ein genaues Verzeichniß aller für die Feldavêrüftung des Artillcrie-Dffi;iers nöthigen Bekleidungs- und Ausrüsftungsgegenstände einschließlich der Ausrüstung für zwei Pferde, Notizen über Maße und Gewichte und Bestimmungen über die Gebührenfreiheit bei der Post und Telegrapbie.

Wissenschaft.

Q Handbuch der Afstrologie. Von Ern| Mayer. Berlio, 1891. R. von Decker's Verlag, G. Schenck, Königlicher Hofbu&händler. Die von der aufgeklärten Gegenwart als Aber- glaube verspottete Aftrologie war- einst eine geheiligte Wissenschaft, die seit uralten Zeiten bei Egyptern und Eriechen în den Tempeln von besonderen Astronomen, den sogenannten Horoëkepen gevflegt wurde. Ihren Beobachtungen und Aufzeichnungen verdanken wir die Grundlagen der ganz andere, exafte Zwecke verfolgenden Astronomie. Man sollte daher die chrwürdige Wissenshaft der Aftrologie nicht zu sehr verachten, eren weitshihtiger Apparat uns so viele Geheimnisse des Himmels und feiner Gestirne hat erschließen helfen. Angesichts der zwingenden Macht, welhe die Astrologie Jabrhunderte lang auf ganze Völker und große, geistig hochstehende Männer autgeübt hat (es sei nur an den Grafen Waldstein und den großen Astronomen Kepvler erinnert, der jenem das Horoskop seiner Macht gestellt haben soll), ist es wobl von Interesse, einmal einen tieferen Einblick in ihre Gebeimlehre zu thun, Diesen gewährt das vorliegende kleine Handbuch. Der Ver- fasser legt darin dar, wie die sihtbaren augens@einlicken Einflüsse, welche Sonne und Mond auf die ganze Natur auëüben und daneben der regelmäßig wiederkehrende Wesel der Jahreszeiten mit dem Kreislauf des Tbierkreises die alten Völker zu dem Glauben führten, daß auch die übrigen Planeten und Gestirne einer Einwirkung fähig seien, zunäGfst auf die Natur, auf Witterung und Wachs- thum, dann aber weiter auch auf alles Geschaffene, alle Be- gebenheiten und Sthicksale. Als besonders wihtig wurde die Einwirkung der Gestirne bei der Geburt des Menschen angesehen. Die Astrologie betrachtete die Gestirne als göttli®e Wesen, die den Neugeborenen mit Fähigkeiten oder Gebrehen, Tugenden oder Lastern, mit Glü oder Unglück ausftatteten und den Keim zu feinen künftigen Schicksalen in ibn legten. Daber wurden den sieben Planeten-Gott- beiten solche Eigenschaften und Einflüsse beigemessen, welhe den Vor- stellungen entspracen, die man mit ihrem göttlihen Wesen und Leben verband. Abgesehen von den mätigen und großartigen Eigenschaften und Einwirkungen der Sonne And des Mondes, war Merkur der Gott der Weisheit, Klugheit, List und Verschlagenheit, Venus die Göttin der Liebe, Mars der Beschüber des Krieges und aller Gewalt- thaten, Jupiter der böchste Beherrsher und „Regent“ der Götter und Menschen, Saturn endlich das feindlihe, ver- derbenbringende Prinzip. Für jeden dieser sieben Planeten gab es einen Standort, die „Erhöhung“ des Planeten genannt, in welchem nah der Bestimmung der alten Astrologen derselbe besonders mättig wirfte und seine Natur am Kräftigsten zur Geltung brahte; den Gegensatz dazu bilden die „Erniedrigungen® 2c. Aus der „Konstel- lation“ der Gestirne bei der Geburt suhte man die Lebens\chicksale eines Neugeborenen vorher zu bestimmen. Aber au an jedem Tage seines ferneren Lebenëlaufs konnten die Gestirne befragt werden: ob sie den Eintritt in einen neuen Lebensabscnitt, den Antritt einer neuen Stellung oder eines Amtes, die Ausführung und den Erfolg eines Vorhabers oder Unternehmens, eines Geschäfts, einer Reise 2c. begünstigten oder niht. Wie dies geschah und welche, in ein weitsGichtiges System gebrachten Regeln die Astrologen bei ibren Schicksalsbestimmungen befolgten, das ift in dem Handbuch auf Grund der überlieferten Schriften hervorragender Astrologen oder ihrer Gegner ausführlih mitgetheilt. Es mat den Leser mit den astrologishen Kunstausdrücken bekannt, belehrt ihn über die Adspekte, die allgemeinen Negeln der Aftrologie, über die detaillirten Eigenschaften der einzelnen Planeten, über ihre „Häuser“, d. b. die Zeichen des Thierkreises, über das Horoskop, den Genius bezw. den Gebieter der Geburt und die „zwölf Stellen“. Das Bug giebt ferner cine ausführliche Deutung für jeden Planeten im Horoskop, theilt die Grundsäße mit, nach denen man den Einfluß der Planeten- stellungen während des Lebenslaufs bere{nete, und bietet endli eine umfassende Zusammenstellung, aus der man ich über den Einfluß unterrichten kann, der den einzelnen Planeten und bei ihrem Zusammenwirken je nach den günstigen oder ungünstigen Adspekten am Tages- oder Nachthimmel, Morgens oder Abends, sichtbar, recht- läufig oder rüdläufig beigemessen wurde. Am Schluß ist das voll- ständige Muster eines nah den Vorschriften der Astrologie zusammen- gestellten Horoskops mit astromantischer Prognose mitgetheilt, au wird dort die praktis%he Axleitung zur Herstellung eines Horoskops gegeben. Wer si zum Adepten der wunderliden alten Geheimlehre machen möchte, dem sei das fleine Buch als Wegweiser empfoßlen.

Kunstgeschichte,

_ Das erste Heft des XII. Jahrganges von dem Jahbrbuche der Königl. pr. Kunstsammlungen entbält in seinem „amtliWen Berichte*, ein Verzeichniß der von den Königlichen Viuseen zu Berlin und Kassel im leßten Quartal 1890 gemaSten Erwerbungen; sodann vier Studien, welche mit vier LibtdrudLtafeln und ebenso vielen «Aetzungen® ausgestattet und von allgemeinerem Interesse sind. In der ersten, die Jugendaemälde Albrecht Dürer's erörternden Abhandlung unterzieht Henry Thode das in der Meißner Schloß kirche befindlibe Altarbild einer eingehenden fritishen Untersuchung, welchezu dem Ergebniß führt, daß Albrechbt Dürer dasselbe nach seiner Rückehr aus Italien, angeregt von den Werken Mantegna's, des alten Bellini und Varbari's in Venedig, und nahdem er die flandrishe Kunst, vermutblich au die Weise Hans Memling*s, kennen gelernt, gemalt hat; denn in diesem dreitbeiligen Flügelbilde zeigt ih bei dem Chuistuskfinde und der Anordnung der Kopf- baare deutlich der Einfluß der flandrishen Meister genau fo wie in der gewissenbaften Ausführung aller Einzelheiten bei dem Porträt Iohann's des Beständigen im Herzoglichen Museum zu Gotha. Der italienishe Einfluß wird indessen bei beiden Gemälden ledigli im Inkarnat si@tbar, wäbrend bei dem im Städel’schen Institut zu Frankfurt a, M. aufbewahrten Frauenbildniß in dem geringelten, goldigen Haare und dem vhan- tastishen Kopfpuß dieser Einfluß derart hervortritt, daß dasfelbe bis- ber der florentini]schen Sthule zugeschrieben wurde. Sowohl dieses Bild, wie au den sog. „Dresdner Altar“, die Bildnisse der „Für- legerin“ und die der Familie , Tucher * (zu Kassel und Weimar) vin- dizirt der Verfasser dem Albredt Dürer, welche diefer ebenso wie das Porträt Friedrich's des Weisen, das des alten Dürer, das Selbstbildniß uxd das des Oswalt Krell (zu München) bis ¡um Jahre 1500, wo der Künstler seine ganze Meisterschaft erlangt hat, vollendet haben dürfte. Die das Meißner Altarbild wieder- gebende Lichtdrucktafel ist von vorzüglicher Klarheit.

Die zweite Studie befaßt \sich mit den Delfter Fayencen, insbesondere mit der 1890 hierselbst von der kunstgeshi{tlichen Gesellschaft veranstalteten Ausstellung derselben, welher Se. Majestät der Kaiser bereitwilligst die in seinem Besi befindlihen Werke hinzuzufügen gestattet hatte. Der kunstsinnige Forscher Friedri Lippmann (Direktor des Königlichen Kupferstich-Kabinets) va den innigen Zusammenhang der holländishen Malerei des 17. JIahr- hunderts mit der Delfter Waare, namentlih dem „blauen Delft“

nach und zeigt, wie man anfänglih die chinesis{ch-iapanischen Por-