1911 / 9 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Jan 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Auträge auf Einführung des Monopols und der Ersaymiitelsteuer unt perdcppeltém Eifer verfolgt. Dureh die Juterpellation kommt nun die Zündbolzindaférie in

cine ganz eigenartige Situation. (Sebr richtig! in der Mitte und

rets.) Nun sieht sie da inmitten zwei diametral auseinandergebender Zugkräfte. Daß dadur ihre Lage nicht verbessert wird, das sieht fie feldt ein, und sie erläßt deshalb in ihrer offiziellen Zeitschrift einen wabren Notfchrei gegen die Interpellation und gegen die Auf- bebung der Zündwarensteuer. (Hört! bört! in der Mitte und rechts.)

IH muß Ibnen aus der betreffeüden Nummer der Zeitschrift für Zündwarenfabrikation wenigstens eine der &wächsten Stellen vorlesen:

„Die jetzige Wiederaufhebung der Steuer sagt die Zündholzindustrie selbst, würde also alle die schwer schädigen, derer die Interpellation ge- denkt; -die Industrie würde wirts{aftli völlig ruiniert, der Zünd- bolibandel ausgeschaltet und die Arbeitershaft gleih den Fa- brikanten_ ihr Brot verlieren.“ (Hört! bört! rets und in der Mitte.)

Meine Herren, i will niht dazu beitragen, diese Situailion zu erschweren; ih beschränke mih deshalb darauf, die positiven Anträge der Zündwarenindustrie noŸ kurz durchzugehen. Sie ist der Meinung, daß neben der Vorversorgung baupisählich der Vertried von Taschen- feuerzeugen, Gafanzündern und anderen Ersagmitteln den Absaÿz, der Zündhölzer - schädigt. Sie schäßt die Verdrängung der Zündbölzer tur sole Grfaumittel auf 10 bis 15°. Sie weist darauf hin, daß der Wettbewerb befördert sci tur die Erfindung des Cereisen8 und seine Verwendung als Zündmittel, und hebt hervor, daß neuer- dings in den Ländern, die das Monopol oder die Steuer haben, auch gegen die Ersazmittel vorgegangen werde. In der Tat hat Jtalien am 6, März 1910 diese Ersagmittel mit 14 Lire und Frankreich sie nech vor wenigen Tagen, am 29. Dezember 1910, mit einer Steuer von 2 bis 40 Franken, je nach dem Metall, aus dem sie bestehen, und je nah ihren Dimensionen belegt.

Fb habe mir natürlich angelegen sein laffen, auch die Fabri- fanten ter Grfagmittel selbst über diese Anregungen zu hören. Diese bestreiten, daß die Befürhtungen der Zündbolzindustriellen in so bobem Maße zutreffen. Sie s{chägen die Konkurrenz der Érsaÿmittel nur auf etwa 2j °/o des gesamten Absaßzes an Zündbölzern. Sie berufen \sich darauf, daß die Ersaßzmittel be- ceits vor tem Erlaß des Zündwarensteuergeseßes gelegentlich eine nicht unbedeutende Rolle gespielt bätten; das sei Sache der Mode und vielfa Spielcrei. Das Zündbolz werde si durch die Ersaÿmittel nit verdrängen lafsen; dazu seien diese selbst, soweit sie befser find, zu teuer, namentlich mit Rücksiht auf die Kosten der Reparatur und der Instandhaltung, die s{lechten Ersazmittel aber so minderwertig, daß fie überbaupt dem Zündholz dauernd einen Wettbewerb nicht be- reiten fönnten.

Id glaube nun allerdings, damit s{äßen die Ersaßmittel- fabrikanten den Wert dieser Artikel zu niedrig ein. Ih habe den Eindruck, als ob vorläufig und das bestätigt ja auch der Herr Vorredner der Absay des Ersazmittels keineswegs im Rückgang begriffen sei. Im Gegenteil scheint das Weihnachtägeschäft darin ein ungewöhnlich lebhaftes gewesen zu sein. Die Bundesregierungen, die ih vor einiger Zeit befragt batte, waren zwar auch überwiegend der Meinung, daß diese Ersheinung eine vorübergehende sein werde; in- tessen wird man angesidts der neuen Erfahrungen an den Be- hauptungen und Anregungen der Zündbolzindustriellen niht vollständig vorübergeben dürfen, fie vielmehr einer eingehenden Prüfung unter- ¡ießen müssen. Man muß freilih bei jedem Vorgehen berüdcksichtigen, daf die Ersaßmittelindustrie stark für die Ausfubr arbeitet. Ueber das Zünd§bclzmonopo!l kann ih bier natürli im Rahmen der Inter- pellation nit gründlih sprehen. Gestreift ist die Frage {hon im Sommer 1909 aus der Mitte dieses hohen Hauses. Im Auslande befteht das Zündbolzmonopol teilweise (so in Frankrei) in der Form de3 reinen Staatêmonopcls sowobl für die Herstellung wie für den Nertricb, anderêwo mit Verpachtung an eine Nertrieb8gesell schaft. Auch unsere Zündbolzindustriellen baben ih bisber nicht ein reines Staatämonopol, sondern die Ausübung durch eine Betriebsgesellschaft oder, wie sie sih ausdrüden, eine Aktiengesellschaft unter der Monopol- garantie des Staats vorgestellt, also wohl eine Art vcn Zwangs- spndifat. Die Gesellshaft \oll dem Reich eine Abgabe von 18 Millionen Mark im Anfang bis zu 34 Millionen Mark im Be- harrung8zustande zahlen. Das ist nicht unerheblich mehr als die Steuer. Aber es läßt sch füglih bezweifeln, ob bei Zugrundelegung der biskerigen Preise und mit Rücksiht darauf, daß der Gesellschaft do dur ihre Betriebsform und durch die der Industrie zu zahlenden Abfindungen bedeutende Unkosten erwahsen würden, ein derartiger Preis ausreihen könnte.

Dies, meine Herren, führt mih {ließli auf die Entwicklung und die gegenwärtige Gestaltung der Preise. Ih habe darüber ein- gebende Erhebungen veranstaltet, deren Ergebnifse im einzelnen ih Ihnen vielleicht in der Budgetkommission werde vorlegen dürfen, wenn, wie ih nah einer Aeußerung in der ersten Lesung des Etats annehme, tie Sache dort ncch einmal zur Sprache kommen soll. Hier fann ich nur das Endergebnis mitteilen,.

Zunächst die Großhandelspreise für die Kisten zu tausend Paketen. Im April und Mai 1909 betrug der GSrunèpreis der damaligen Kon- vention 73 bis 75 4 für die Kiste, der Nettoerlòs für die Fabriken va Abzug der Rabatte 66 4. Die Preise des nach Eintritt der Steuer gegründeten Syndikats betrugen obne Steuer 95 bis 97 4, der Nettopreis 94 bis 82 4, im Durchschnitt etwa 88 M., Ießt schwanken die Preise zwischen 54 und 80 , im Dur@schnitt mögen sie 60 bis-65 4 betragen. Daraus geht hervor, daß nach Eintritt der Steuer die Preise nicht nur um den Betrag der Steuer, sondern außerdem noch um ctwa 20 bis 25 für die Kiste emporgeschnellt sind, “und zwar nah Angabe der Industrie —, damit fie einen Autgleih für das erhöhte Risiko und die vermehrten Unkosten er- bieltel; Diese Preise waren aber nit haltbar. Sie wurden unter- boten on den Außenstehenden und find jet wieder gesunken, und zroar, wie ich Grund habe anzunebmen, teilweise unter das Niveau, tas vor Eintritt der Steuer in Geltung war.

Was die Ginzelverkaufspreise anlangt, so hatte das Syndikat den Preis von 30 4 für das Paket zu 10 Schacteln festgefezt. Der Kleinbandel ift bisher dem Sinken des Großhandelépreises nit überall gefolgt. Rur in ten Warenhäusern wird vielfa weniger, und oar in Berlin 25 und im Reiche durchs{chnittlich 26 4 ge-

aommen, an den anderen Verkaufsstellen Preise, die 2 bië 3 4 mehr betragen, beim Berkauf mehrerer Pakete aber wieder ctwas weniger. * Mas geht daraus hervor? Daß die Preise neuerdings ganz er- beblich gesunken sind, und zwar so weit, daß die Industrie selbst dieses Sinken für gefahrdrohend hält. Aber eine Aufhebung der Steuer kommt do au aus diesem Gesichtspunkte nit in Frage, am aller- wenigsten mit Rücksicht auf die kleinen Fabriken, die dadurch au noch des Vorteils des Kontiugents verlustig gehen würden. Wenn sich etne Krisis in der Zündholzindustrie entwickeln würde, so würde sie sih unzweifelhaft dahin vollziehen, daß cin Teil der kleinen Fabriken ein- oder in größere Fabriken aufgeben würde. Es {eint das die Ent- wicklung der Dinge in Italien gewesen zu sein, wo seit Einführung der Steuer im Jahre 1895 der Vertrieb der Zündhölzer ganz außerordentli zugenommen, dagegen die Zahl der Fabriken erheblich abgenommen hat. Wir müssen uns also besonders angelegen sein laffen, auf die Ver- hältnisse der kleinen Fabriken zu achten. Deshalb ist es doch wohl au für die Herren Interpellanten von besonderem Interesse, daß mir von fieineren Fabriken eine Anzahl von Zuschriften zugegangen ist, in welden diese sich auf das dringendste gegen die Aufhebung der Steuer erklären. (Hört! bört! rechts und in der Mitte.) Eine dieser Zuschriften enthält folgende Stelle:

Ob die Aufhebung der Zündholzsteuer vom wirtshaftlihen und finanzpolitisGem Gesichtspunkte aus angebraht ist, will ich hier nit untersuden. Jedenfalls würde sie nur den Großbetrieben Vorteil bringen. Der Konsum würde unter Umständen annähernd die alte Höhe erreichen. In dem Konkurrenzkampf aber, der nach den bisberigen Erfahrungen in derselben unsinnigen Weise fortgeseßt werden würde, müßten die kleineren Fabriken, die schon jeßt in den leßten Atemzügen liegen, unterliegen.

Meine Herren, ih glaube, auch diese Stelle zeigt, daß die Inter- pellation nicht auf dem rihtigen Wege ist. (Sehr richtig! rechts.)

Ich gebe bereitwilligsi zu, daß das Reih auch über seine Pflicht zur Fürsorge für jeden Industriezweig hinaus hier zur besonderen Watbsamkeit verpflichtet ist, nicht nur aus eigenem Interesse, weil unter Umständen die Erträgnisse der Steuer in Mitleidenschaft kommen, sondern auch aus Rücksiht auf die mit der Steuer neuer- dings belastete Industrie. Nur werden wir uns hüten müssen, auf vorübergehende Grscheinungen dauernde Ents{ließungen zu gründen. Mir werden somit den Angaben der Zündholzindustriellen sorgfältig nacdgeben, aber freilich können wir das nicht an der Hand einer An- regung, die fich gerade in der entgegengeseßten Richtung bewegt. (Lebhaftes Bravo rechts und in der Mitte.)

Auf Antrag des Abg. Dr. Müller - Meiningen (fortshr. Volksp.) tritt das Haus in die Besprechung der Interpellation ein.

Abg. Graf von Oppersdorff (Zentr.): Ich stimme dem Kollegen Enders darin zu, daß es sich nicht um eine vorübergehende Er- scheinung bandelt, und daß der Notstand ein schreiender ist. Die Zündbolzerfazmittelbesteuerung ist auch nach meiner Meinung eine descheidene Forderung der Industrie. Widersprechen muß i aber der Auffassung, daß die Beseitigung der Steuer das wirk» samste Abbilfemittel sei; eine Begründung für diese Auffassung habe ih niht gehört. Der Abg. Roesicke ist nicht_ der Vater dieser Steuer. ir befinden uns gegenüber dieser Steuer noch mitten in der Uebergangszeit; wie kann man da, namentlich angesits einer so ungebeuren Voreinfuhr von 650 Doppelwaggons, mit solcher Sicherheit von einem dauernden Notstande sprechen? Die Aus- führungen über die Arbeitszeit und über die Kontingentéeübertragung von einer Fabrik auf die andere hien mir dem politischen Programm des Begründers der Interpellation niht zu entsprechen. Die Be- steuerung déèr Zündwaren und selbst das Monopol sind gerade von den Liberalen, so von Dr. Osann und der Kölnischen Zeitung ge- fordert worden; im Bülowschen Block wurde zuerst vom Monopol ge- sprochen, der spätere Block wollte ursprünglih an diefe Steuer gar nicht herangehen. Die Zündholzsteuer ist ein Kind der Linken, mindestens ein Adoptivkind; die naträglihe Ver- leugnung ändert an dem Verwandtschaftisverbältnis nichts. Der nationalliberale „Hannoversche Courier“ legte sih am 19. Mai 1909 aufs fräftigste für dic Zündbolzbesteuerung ins Zeug, und zwar mit einer durchs{nittlihen jährlichen Belastung von 40 bis 50 «3 für den Kopf der Bevölkerung. Eine gleihe Aus- lassung fand sch am 5. Juni 1909 in dem freisinnigen Berliner „Börsen-Courier“. Am 6. Juli 1909 trat im Plenum Dr. Osann bedingt für das Staatsmonopol ein, und au die „Freisinnige Zeitung* meinte, mit der Verteuerung der Zündbölzer würde es nicht so \{limm werden. Jett aber stellt man es so dar, als ob die Zündbolzsteuer das Lieblingekind der Finanzreformmebrbeit des Reichstags sei. Der Kollege Mommsen bat in derselben Sißung, in der der Kollege Osann vom Monopol sprach und eine Steuer von 1 statt 12 4 für die Schachtel befürwortete, sich gegen die Heraufseßung des Schußzolles ausgcsprohen. Das bätte uns doch die freieste Kon- furrenz des Auslandes ins Land gebracht, und diefe Konkurrenz würde noch beute bestehen. Der Abg. Mommsen sprach sich aber auch gegen die Kontingentierung aus, und damit hätten wir neben der freiesten Kon- furrenz des Auslandes au diejenige des Inlandes gehabt, unter der die kleineren Fabriken längit hätten verbluten müssen. Wäre man dem Abg. Mommsen gefolgt, so würde er beute vielleicht als der Er- würger dieser Industrie angesprohen werden. Der Kollege Schwartz verwies {on damals auf die erhebliche Rolle, welche die Taschenfeuer- zeuge spielen; diese Rolle wird angesihts der weitgehenden Wünsche, die die Industrie geäußert hat, aufs genaueste zu untersuchen sein. Der bedrängten Industrie muß niht mit shikanösen Ueber- wachungsbestimmungen, sondern mit wirksamen Erleichterungêmaß- regeln zu Hilfe gekommen werden, um ihre Notlage zu beseitigen; dazu gehört auch staatliche Kreditgewährung, wie fie z. B. von der meiningerishen Regierung geübt wird. Die Schuld an der Notlage ist au einer Reiße von Unterlassungssünden beizumessen; eine der s{limmsten davon war neben der Freilassung der Feuerzeuge die Hinausschiebung des Inkrafttretens der Steuer, wie zablreihe Aeuße- rungen aus der Branche selbst und in Handelskammerberichten bezeugen. Auch die Kölnische P hat das neuerdings anerkannt ; sie bebt dabei hervor, daß auch Königlich preußishe Behörden sch ausgiebig vor- versorgt hätten, sodaß für 6—8 Monate der Bedarf gedeckt war. Beiläufig bemerkt, hat die Zündhbolzindustrie über eine febr s{lete Presse verfügt. Die Eisenbahndirektion Erfurt soll, wie mir be- rihtet wird, bedeutende Einschränkungen im Konsum von Streich- bölzern eingeführt haben; eine andere Direktion foll direkt vor dem Zündholzverbraub gewarnt haben. Ich balte es nicht für über- flüssig, unsere Aufmerksamkeit hierauf zu lenken. Die Fabrikanten sollen enorm vorverdient haben, meinte der Staatssekretär. Das {eint mir zu generell behauptet zu sein. In Frankreich ist der Kopf der Bevölkerung durch die Steuer mit 80 belastet; bei uns wird die Belastung in voller Wirksam- feit der Steuer 35 «4 betragen. Die Rentabilität der In- dustrie ist dabei im Durchschnitt nur eine sehr geringe. In der Zeit der Hokonjunktur haben die Händler die alten Ab- \{lüfse in unerhörten Mengen abgerufen und so die Fabrikanten ezwungen, zu den alten Preisen zu liefern, während die Händler elbst den ganzen Profit von den neuen böberen Preisen zogen. Die Ae konnten si dieses Ansturms zum Teil nur dur Androhung von

Prozessen erwehren, die unter Umständen ebenfalls durch ibren Ausgang für die Fabriken ruinös werden konnten. Das „Vorverdienen“ ist also nidt etwa den abrifen besonders pugute gekommen. Was die Wünsche der Linken betrifft, so müßte zunächst einmal festgestellt werden, ob die Aufhebung fofort oder na einer

gewissen Frist eintreten soll. Das is weder in der Inter- pellation selbft ncch in ihrer Begründung gefagt. Vor allem müßten Uebergangébestimmungen autgearbeitet werden, bie nit nêus Scädigungen hervorrufen. Ves würde cine große Verwirrung in der Produktion wie im Handel und im Kredit angerichtet werden. Die Zeitschrift für Zündwarenfabrikanten, das amtlihe Organ des ganzen Berufes, sagt zu diefer Angelegenheit folgendes : Wir gen uns der Hoffnung hin, daß die [ora Ne Volkspartei ibre Interpellation zurückziehen wird, weil der Antrag auf Aufhebung der Steuer, wenn er angenommen würde, unserer in schwerster Notlage befindlihen In- dustrie, dein Handel wie den Arbeitern, nahdem die Steuer andert: balb Jahre bestanden bat, ganz empfindliche Nachteile zufügen würde. ., Mir bitten aus diesem Grunde, bei Behandlung der Zündbolzfrage die Politik aushalten und die wirkliche Notlage der Industrie ins Auge fassen zu wollen.“ Die Frage wird am besten noch einmal gründlich in ter Budgetkommission erörtert. Vor allem ist es überaus widtig, daß man die Meinungen und Ansichten der In- dustrie sorgfältig beachtet. Wir hoffen aber, daß zur Beseitigung der vorübergehenden Mißstände eine gesezgeberishe Maßnahme bald ergriffen wird. E

Abg. Osann (nl.): Jch bätte nit geglaubt, daß die Frage der Finanzreform beute noch einmal aufgerollt werden würde. Wir baben jeinerzeit die Finanzreform im ganzen abgelebnt, aber eine Mit. wirkung zur Verbesserung der einzelnen Vorschläge nicht versagt. Wir haben damit einen durhaus loyalen Standpunkt vertreten, Auf diesem Standpunkt stehen wir auch gegenüber dem Zündholzsteuer- geses. Wir können uns dem Begründer der Interpellation nit an- \chliczen, wenn er gemeint hat, daß die auf diefem Gebiete hervor: getretenen Mißstände nicht anders beseitigt werden können als dur eine Aufhebung des Zündholzwarengeseßes. Die Zündholzwaren- industrie hat ja selbst erflärt, daß fie ruiniert werden würde, wenn das Geseß aufgehoben würde. Namentlih der arme Teil der Be: völkerung, ter in der Zündwarenindustrie beschäftigt ist, würde s{werlich eine andere Unterkunft finden und würde fich shwer ent- schließen, in einer anderen Gegend eine Arheliiógelegenzezt zu suen, Von allen Steuern hat die Zündwarensteuer alle Kreise des Volkes am meisten erbittert. Nicht nur Private, auch staatliche Bebörden baben ihren Bedarf auf lange Zeit hinaus vor der Ausführung des Gesetzes gedeckt. Eine weitere Folge dcs Geseßes war die Zunahme der Ersaßmittel. Infolgedefsen ist eine Einschränkung der Produktion der Zündwaren eingetreten. Dazu kommt, daß das Ge?eß selbst an ver shiedenen Mängeln leidet, in bezug auf die Stundung der Steuer, die Kontingentierung usw. die kleineren Fabriken vor den großen be- nachteilig. Cine Folge des Geseges war die Einr der Arbeiterzabl und die Vershlehterung der Lohnverbältnisse, Von 6000 Arbeitern wurden 2000 entlassen. Auf diesem Gebiete haben die Arbeitgeber dieselben Interessen wie- die Arbeiter. Die jegigen bestehenden Mißstände beruhen nit etwa auf der wirtschaft lichen Entwicklung, sondern sie sind begründet durch das Gesey selbst, Es ist deëbhalb notwendig eine Aenderung der geseßlichen Be- stimmungen auf geseßlihem Wege. Auch meine Freunde wären bereit, die Zündholzsteuer durch die Erbschaftssteuer zu er}eßen, allein es ift aussihtslos, für diesen Gedanken jeßt bier eine Mehrheit zu finden, Von seiten der Fabrikanten wird deshalb ein anderer Weg der Ab- bilfe vorges{lagen. Sie wünschen, daß eine Aktien esellihaft ge- bildet werde von sämtlichen Fabrikanten, und u die Ablieferung der Steuer an das Reich garantiert werden soll. Meine Freunde können diesen Weg nicht betreten, weil keine genügende Sicherheit für das Reich gegeben ist. Die Banken haben sub geweigert, diese Sicherbeits- [leistung zu übernehmen. Wir haben seinerzeit das Reichsmonopol vorgeschlagen, leider fehlte es an der Zeit, diesen Gedanken zu ver: wirklihen. Wir möchten diesen Gedanken jegt wieder aufnehmen, und wir sind der Ueberzeugung, daß eine derartige Monopolisierung in der Zündholzindustrie stetige und rubige Verbältnisse herbeiführen würde. Auf eine Reibe anderer Vorschläge, z. B. die Zwangs- fontingentierung 2c. könnten wir in der Budgetkommission oder in einer anderen Kommission eingeben. Jedenfalls halten wir uns ver: psidtet, der Zündholzindustrie so weit zu helfen, wie dies nur mög- ich ist.

Abg. Dr. Habn (dkons.): kennen nicht, daß die

Auch meine politischen Freunde ver- Lage der Zündbolzindustrie eine überaus mißli@e ist. Die Ursahen des Mißstandes liegen in der Vorversorgung des Publikums, in der Sparsamkeit der Verbraucer und in der Nichtverzollung der Zündwarenerfaßzmittel. Ein anderes Moment ist der Umstand, daß ein Zusammens{luß der Fabrikanten nit erzielt worden ist. Ich habe beute vor der Sißung mit dem erweiterten Vorstande des Verbandes der Fabrikanten darüber Rücksprahe genommen und zu meiner Ueberrashung er- fabren, daß leider 17 °/ der Fabrikanten außerhalb des Verbandes geblieben sind. Die dem Syndikat angehörigen Fabrikanten baben 6200 Kisten in den Verkehr gebracht, die Außenstehenden 5600. Diese Außenstebenden haben das Kontingent voll ausgenußt, die anderen niht. Wäre es möglih gewesen, eine volle Einmütigkeit der Fabri- fanten zustande zu bringen, so wäre die Lage der Industrie eine wesentli günstigere gewesen. Die Mehrzahl der Interefsenten stebt nun auf dem Standpunkt, daß es ein Vorteil für die kleineren Fabri tanten wäre, wenn es ihnen ermöglicht würde, ibr Kontingent auf di? größeren Fabrifanten zu übertragen. Auch von einer Ueberschreibung des nit in Anspru genommenen Kontingents auf andere Jahre ver: spricht man sih auf mancher Seite einen Erfolg. So sehr man aber auch die Notlage beklagt, so ist man do in der Industrie einhbellig der Meinung, daß es nit recht mögli sein würde, die Besteuerun der Zündwaren wieder aus der Welt zu schaffen. Dieses wird mir au von einer der säbsischen Fabriken bestätigt. Deshalb kann ih es nur billigen, wenn der Staatssekretär darauf verzichtet, auch nur in Er wägungen darüber einzutreten, ob das Gefeß wieder beseitigt werden fol Abbilfe würde zu erreichen sein, indem man dieselben Bedingunger und dieselbe Belastung für die Ersaßmittel saft, unter denen je! die Zündwarenindustrie zu leiden bat ; an der Kontingentierung wi? festgehalten werden müssen. Mit besonderer Befriedigung babe vernommen, daß auch der Abg. Osann das Geseß nicht aufbeben urd auch nit an die Stelle der Zündwarensteuer etwa die Erbanfall- steuer setzen will. Es wird den Nationalliberalen über haupt noch sehr oft leid tun, daß sie 1909 nicht an der Finanzreform mitgewirkt baben; ih habe die Ueberzeugung, daz die gleihe Erklärung, wie sie heute der Abg. Osann bezüglich der Zünd- warensteuer abgegeben hat, von seinen Freunden au bei jeder ander 1909 beschlossenen neuen oder höheren Steuer abgegeben werden württ wenn wir fie einer neuerliden Diskussion unterzögen. Die Dr [astung des Konsumenten mit 23,1 4 für den Kopf erscheint keineswe(! übermäßig; die efffektive Belastung hat für das erste Jahr des Be stehens der Steuer sogar nur 16 4 betragen. Wir haben t angesichts der riesigen Voreinfuhr von 30 bis 40 Milliarden Streit- böôlzern eben mit einem Ausnahmezustande zu tun, der erst allmähl normalen Verbältniffen Plaß machen wird. Dr. Roesicke kant tatsählib nit die Vater]haft für die Steuer beanfpruen; er bat vielleibt das Kind in diesen Saal gefübrt, aber sein Vate: ist er niht. Die Forderung war {on viel früher erhoben worden; in einer Petition um Beseitigung der verkehrsfeindlichen Fabr fartensteuer wurde sie bereits vorges{lagen, und die Petit hat der Reichstag dem Reichskanzler als Material überwiesen. Der gesamte Reichstag mit Ausnahme der Sozialdemokraten hat da: mals dieser Petition und dem Antrage der Petitionskommission j! gestimmt. Das Verlangen der Aufbebung der Steuer harafterifier ih danach bei sämtlichen Parteien eins{ließlich der Freisinnigen a eine bécst auffällige Inkonsequenz. Ich kann auch die Zitate at tem „Hannoverschen Courier“ nur unterstreichen ; hoffentlich besißt diescs Blatt die Lovalität, sh an seinen Artifel vom 19. 1909 erinnern zu lañen und die Angriffe auf die Urheber der Steue: einzustellen. Das gleiche gilt von den freisinnigen Blättern, „Börsen-Courier“ und der „Freisinnigen Zeitung“. Also auch die mtb den jüdishen Kreisen angehörigen Börsenbesucher, die den „Börsen! Courier“ lesen, während die christliben Bekenntnissen Angehörigen meb! die „Börsenzeitung“ lesen, mögen si auf diese Tatsache himseisen [assen (Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

M 9D,

(S@luß aus der Ersten Beilage.)

Der Kollege Osann hat si als Freund des Monopols bekannt, aber Besteuerung nichts noch_ tim, er _ wird “de i: r E links.) Der Abg. Ojfann steht so weit auf dem rehten Flügel, daß man E OAA nos verhandeln, Auch der Abg. Wachhorst de Wente olle enn er im Lande gegen die Zündbolzsteuer spricht, nicht vergeffen, day auc) seine eigenen politischen Freunde zu ?/2 be- wiiligen wollten, was die Mehrheit naher bewilligt hat: id würde un ae Me: B / eit f E sein. Die undbolzsteuer ist also von liberaler Seite günstig beurteilt und teil- Ee, QuLloVien worden, Sculd an ihrem Zujtandekommen baben inzig und allein diejenigen Ten e die anderen indirekten Fuer ie die Regierung vorges{l C , nt h die Rec geschlagen bat. Aus iesen Vorschlägen wären 83 Millionen berausgekommen, und dann E wix niht auf die Zündbolzsteuer zurückzugreifen brauchen. Bon dem Vorschlag der Besteuerung der Inserate und Reklamen war der gelamte Mittelstand entzüdt, weil dadur die großen Geschäfte und Ie LeNS An der Erhöhung des Kaffee- znA an dem Teezoll und an der Zündbolzsteuer sind also nur E Fanera huld, die alle diese anderen indireften Steuern ab- gelehnt baben. Ein Mitglied der Volkspartei, der Abg. Hormann, hat logar eine Besteuerung der Kaffeefurrogate vor- er Ein Befürworter der afsees war auch der Abg. Müller - Sagan. Die

leider für eine angeführt; ih er wird damit

weitere bose, er mannes

Ausdehnung der wird das im wieder

Lande nc gut machen. (Zuruf

mit ihm noch verbandeln kann.

ibm für dieje fleine

Genauigkeit sehr danfbar

weise empfoblen worden.

Steuern abgelehnt haben,

Warenhbäuser betroffen worden wären.

zolls,

damals im „Tag“ ge?!chlagen, wovon er 80 Millionen erwartete. Désteuerung des E r S s L O, e Me hem Zwecke dort Anleiben aus- gegeben wurden, an deren Smittierung sih auch deutsche Firmen an den deutschen Borsen beteiligt baben, die also dazu beigetragen baben den deutschen Konsumenten den Kaffee zu verteuern ; das sind dieselben Firmen, die um Hansabund find, der bekanntlih die Interessen des Bürgerstandes und Mittelstandes, der Konsumenten, und neuer- dings sogar der Landwirtschaft vertritt. Warum bat si der Hansa- bund noch_ nit über diese Preistreiberei im Kaffee geäußert? Er bat gute Gründe, das bleiben zu lassen. Der Abg. Enders empfabl als Ersaß wieder die Erbanfallsteuer, wir müssen aber daran fest- balten, daß indirekte Steuern an die Stelle von anderen indirekten Steuern, die abgelehnt werden, und direkte Steuern an die Stelle abgelebnter direfter Steuern - treten müssen. Wir haben 110 Millionen auf das Kapital und den Kapitalverkehr ge- legt, und für die abgelehnten oder beruntergeseßten indirekte Steuern baben wir andere indirefte Steuern beschlossen. Wir wissen ja au gar nicht, wie die Fortschrittlihe Volkspartei bei einer neuen Vorlage für die Besteuerung des Erbes der Kindér und der Sbegatten fih verhalten würde. Der Abg. Müller-Meiningen bat 1908 in einem langen Aufsaß in der . Vossischen Zeitung“ diefe Steuer als einen Eingriff in das Familienleben verurteilt. Nebmen Sie doch wenigstens so viel Rücksicht auf Ibren eigenen Kollegen Müller - Meiningen, daß Sie niht, wenn wir im Laude deffen auëgezeihnete Darlegungen unferen Wählern vortragen âfonieren und s{chlechte Wige über den Familienfinn magen. Ich bitte Sie, auch nicht den Abg. Dr. Wiemer zu desavouieren indem Sie sich mit s{arfen Worten gegen deffen Argumente wenden. Er bat am 10. Januar 1906 im Reichstag ‘erflärt es laffe sih nicht verkennen, daß die Deszendentenbesteuerung einen Eingriff in die Familiencinheit enthalte, und späterhin bat er ge- sagt, daß sie nicht der deutshen Nechtsauffassung vom Familien- vermögen entsprehe. Der gesfeßgeberi]e Grundgedanke aber ift bei der Nachlaßsteuer und der Erbanfallsteuer genau derselbe. Wir werden im Wablkampf nicht verschweigen, daß wir unsere Argu- mente Mitgliedern der Fortschrittliten Volkspartei verdanken, und werden au auf die Wandelbairkeit ibrer Gesinnung hinweisen. Die Lage nach Erledigung der leßten Neichéfinanzreform hat eine gewisse Achnlicbkeit mit derjenigen nach Erledigung der Finanzreform von 1906. Als leßtere zum Abschluß gekommen war, erhob si im national- liberalen Lager, speziell bei den Jungliberalen, ein Sturm der Ent- rúftung gegen die nationalliberale Fraftion insbesondere wegen der Fabrfartensteuer und des Ortsportos. Hierüber wurde am 6. Oktober 1906 in Goëlar verhandelt. Damals ofenbarten die Führer der National- liberalen ein fo bobes Maß politisher Weisheit und staatsmännischer Ein- sicht, daß ih ihre Ausführungen in unser aller Gedächtnis zurückcufen muß. Die Mitglieder aller Ordnungsparteien können von ihnen lernen. Dr. Hieber führte aus, die Reform als Ganzes sei eine unbedingte Notwendigkeit gewesen, und die Kunst, 200 Millionen durch populär

Steuern zu decken, habe bis jezt auch der fklügste Steuerfinder noch_ niht gefonnt. Das üt ein hberrlides Wort, aber ebenso höôn sind die Worte, die damals Dr. Paasche sprach: Wir mußten zugreifen bei der Reform; troß allem bleibt sie ein | Werk, und unsere Mitarbeit ein Verdienst; wir hatten die verfluhte Pflicht, zu dem äußeren Konflikt niht noch einen inneren zu fügen. In den stürmishen Beifall, der bier in dem Bericht verzeichnet ift, würden wir alle eingestimmt baben. Der Abg. Bassermann sagte bei derselben Gelegenheit: Wie leiht ist es, Kritik zu üben und für ein paar Schlagwoite Beifall zu finden. Heute richtet sih der Abg. Bassermann danach niht mehr. Aber die Kritik muß Maß balten gegenüber den Abgeordneten, die jahraus, jabrein ihre Schuldigkeit tun. Die Resolution der Jungliberalen erhöhe die Arbeitsfreudigkeit der Parlamentarier durch ihren Ton nicht.

großes

(Als der Redner noch weiter aus einern großen Folianten, dem ein- j

gebundenen Jabrgang der „Kölnischen Zeitung“ , vorlesen will, unter- bricht ibn der Präsident Graf von Shwerin-Löwiß mit den Worten: Ih babe Sie bei JIbren Verlesungen nicht unter- brochen, aber Sie wollen doch wohl das umfangreihe Werk nicht ganz votlesen!) Ich habe das Wichtigste verlesen und stebe noch veute auf dem Standpunkt, den damals die Abgg. Dr. Paasche, Hieber und Bassermann dargelegt haben. Die Finanz- von 1909 fommt auf dasfelbe hinaus wie die von 1906. beiden Fällen befand fi fein einziger Abgeordneter in der an- genebmen Lage, nur die Steuern zu bewilligen, die seiner Ueber- zeugung oder den Interessen seiner Wähler entsprohen hätten. Heute üben die Nationalliberalen dieselbe Kritik wie die Jungliberalen an der Reform von 1906. Das deutsche Volk mat den Unterschied, den die nationalliberale Fraftion zwishen der früheren und jeßigen Reform gemacht hat, niht. Uns leitete die barte politishe Not- wendigkeit, dem Vaterlande die nötigen Mittel zu bewilligen.

Hierauf wird Vertagung beschlossen.

_ Persönlich stellt der Abg. Enders einer Bemerkung des Grafen Oppersdorff gegenüber den Wortlaut seiner Aeußerung, betreffend die Arbeitszeit in den Zündholzfabriken, ncch einmal fest und verwahrt sich gegen die „Verdrebung“, die Graf Oppersdorf mit seinen Aeußerungen pptgancmumen habe. (Der Präsident rügt den Ausdruck „Ver- LTIEDUng .

Z ‘Abg. Graf Oppersdorff verwahrt ih dagegen, daß er die Aeußerungen des Abg. Enders verdreht habe.

Nach weiteren persönlichen Bemerkungen der Abga. Fegter, Wachhorst de Wente, Müller- Meiningen und Dr. Hahn {hlägt der Vräsident vor, die nächste Sizung abzuhalten

der bisherige Zweite Vizepräfident Dr. Freiherr von Lands- berg-Steinfurt bir klärt, daß er die Wahl mit Dank annehme.

Arnim - Boizenburg, Dr. von Burgsdorff, Graf Ç

i g, rg ; f von Yutten- Czapsfi, Dr. Johansen, von Klißing, Sandreczki, Veltman und Dr. Graf von Wedel-Gödens auf Vorschlag des Afkklamation wiedergewählt: sie erklären die Annahme der Wahl.

(geschäftliche Mitteilungen: Vereidigung neu eingetretener Mit- glieder; Wahl von vier Mitgliedern für die Matrikelkommission).

die Sizung mit folgenden Worten :

bitte Sie, wit mir einzustimmen in den Ruf: Sein jef e t: p, D mer : Seine Majestät der Kaiser, unser Allergnädigster König und Herr, lebe hoh! (Das Haus

und Fortsezung der Beratung des konservativen Handwerker- antrages.

„Abg. Singer (Soz.) protestiert dagegen, daß der zweitgrößten Fraktion des Neichêtags durch den Vorschlag des Präsidenten die Möglichkeit genommen werden folle, fih zur Interpellation zu äußern. Die Anordnung des Präsidenten komme tatsählich auf eine Ver \ciebdung der Besprechung ad calendas Graecas binaus. Die nâsten Wah!en würden darauf die Antwort geben. : Präsident Graf Shwerin-Löwiß verwahrt \ih gegen den Vor- wurf einer tendenziösen Feststellung der Rednerliste. Obwohl ibm nab der Geschäftéordnung allein das Recht zustebe, die Reibenfolge der Nedner festzustellen, babe er, durchaus in Uebereinstimmung mit den Absichten des Seniorenkonvents, unter Berücksichtigung des Stärke- verbältnisses der Fraktionen abwe{selnd den Rednern für und wider das Wort gegeben. Sollte es vo:n Hause gewüns{t werden, daß die Znterpellation morgen weiter besproben werde, so werde er sich cinem folhen Vorschlage nicht widerseßen. Nur möchte er dann bitten, daß zunächst die Rechnungésachen, die der Budgetkommission überwiesen werden müßten, zunächst erledigt würden. a e E Müller - Meiningen (fortshr. Volksp.): Da zwei Nehnungs aden eine längere Debatte hervorrufen werden, und die Angriffe des Abg. Hahn weit über den Rahmen der Interpellation hinausgehen, so erfordert die Gerechtigfeit, zunähst die Besprehung der Interpellation fortzuseßen. Abg. Singer (Soz.): Ih nehme von den Erklärungen des Präsidenten Aft, aber sie ändern an der Sade nichts. Um ein Un En vermeiden, ist es notwendig, morgen zunäachst die heutige Uedvaite Tortzu?eßen. _ Abg. Fürst von Haßtzfeldt (Rp.): Ich verstebe nit, wie der Abc Singer dem Präsidenten einen Vorwurf machen fonnte. Na Beschluß des Seniorenkonvents soll die Brsprehung von Inte pellationen an einem Tage zu Ende geführt werden. Aber ich au der Ansicht, daß eine Debatte wie diese, in der große Parteien den Wunsch baben, auf Angriffe zu erwidern, nicht so abgebrochen werden darf, und bitte daher, ihre Fortseßung als zweiten Gegenstand auf die morgige Tagesordnung zu seßen. : ald __ Die Abgg. von Normann (dkonf.) und Fehrenbach (Zentr.) sprehèn sih für die Fortseßung der Besprehung der Interpellation an erster Stelle aus. E T Der Präsident stellt fest, daß er den Redner der Sozial- demokraten ausdrücklich babe fragen lassen, ob er noch heute zu sprechen wünsche, und auf seine Erwiderung, daß er lieber morgen \prechen wolle, sich bereit erklärt habe, auf Antrag des Hauses die Besprechung morgen fortfeßen zu laffen. E P C A s E ai U S OLPNLeE (Soz. Fark diese Antwort nur unter der Poraus?egung gege en zu baben, daz vorber bêtstens belanglose Gegenstände zur Verbandlung kämen.

Schluß gegen 71/2 Uhr.

; Nächste Sizung Mittwoch 1 Uhr (Rest der heutigen Tagesordnung, _Fortsezung der Beratung des Mittelstands- antrages von Normann u. Gen.).

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 1. Sißung vom 10. Januar 1911, Nachmittags 3 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

__ Freiherr von Manteuffel eröffnet die Sigung mit folgenden Worten: N

Als Präsident der vorangegan und eröfne fie, zl

der ! gangenen Session eröffne i 0 t t aof C ; ne fie, wie dies alljäbrlih geseben ist, mit teuren Nuf: Seine Majestà

unser Allergnädigster und Herr lebe hoch! (Das Haus flimmt brélinal begeistert in den Nuf ein.) i L ¿c un provisorischen Schrififührern ernennt der Präsident die Herren Dr. von Burgsdorff, Dr. Johansen, von Klißing und Graf von Hutten-Czapsfi. _, Sodann teilt der Präsident mit, daß er am Neujahrstage Seiner Majestät dem Kaiser und König und Jhrer Mojestät der Kaiserin und Königin die Gückwünsche des Herrenhauses übermittelt habe. Der Präsident stellt weiter unter Verzicht auf den üblichen Namensaufruf die Beschlußfähigkeit des Hauses fest. Auf der Tagesordnung steht die Wahl des Präsi- denten, der beiden Vizepräsidenten und der Shriftführer. _ Auf Vorschlag des Herzogs zu Trachenberg wird der bisherige Präsident Freiherr von Manteuffel durch Afkla- mation wiedergewählt. Freiherr von Manteuffel: Ich nehme dankend die Wabl an und boffe, daß mir der liebe Gott Gesundheit genug gebe, das Amt das Sie auf meine Schultern gelegt baben, zu erfüllen. | . Auf Vorschlag des Grafen zu Eulenburg wird der bis- herige Erste Vizepräsident Beer gleichfalls dur Aklamation wiedergewählt. Der Gewählte ist niht anwesend, hat aber dem Präsidenten mitgeteilt, daß er eine Wahl annehmen würde. Auf Vorschlag des Herzogs zu Trachenberg wird auch

Afklamation wiedergewählt. Er er-

Sodann werden die bisherigen Schriftführer Graf von Graf von Seidliß-

Herzogs zu Trachenberg ebenfalls durch

Schluß 3/, Uhr. Nächste Sißung Mittwoch, 121/, Uhr

Haus der Abgeordneten. 1. Sißung vom 10. Januar 1911, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.) Der Präsident der. vorigen Session von Kröcher eröffnet

Als Präsident der vorigen Session eröffne ih die Sizung und

Mittwoh 1 Uhr mit der Tagesordnung: Rechnungssachen

stimmt dreimal begeistert in den Ruf ein. betreten ers nach dem Hoch den Sihungésaal.)

_ Darauf nimmt zur Einbringung des Entwurfs des Staatshaushaltsetats für das Etatsjahr 1911 der Finanzminister Dr. Len e das Wort: Meine Herren! Zum ersten Male babe ih die Ebre,

Hause zu erscheinen und den Etat zu vertreten.

ir dadurch wesentli erleihtert, daß bochverebrter

Herr Amtsvorgänger mir die preußishen Finanzen in einem wohl-

Ori durchaus gesunden Zustande überliefert hat und es

sie in diesem Zustande zu erbalten und weiter aus-

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"nos , + G zugesta ie aber bitten, meine en, daß; BU

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wird es mir unmöglich sein, dieses | Mit Allerböcbster Ermächtigu babe ich die Ehre, Ihnen zu überrei Rechnung über den Staatéëbau Uebersiht von den Staatsein

1909, drittens den Geseßentwurf,

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aube mir,

überreichen. Um Ihnen das Studi erleichtern, ift dieses Mal besonderer Ueberblick wesentlihsten Veränderungen tes Etats mit bei- Außerdem werden Sie in en nâdbsten Tagen ein alphabetisbes Inhaltsverzeichnis n, dessen Druck den Zeit bisber nicht

drei Vorlagen zu Etats zu über die gefügt.

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fertiggestellt werden konnte.

Meine Herren, die Rechnung des Jahres 1909 \ch{lie=t inem Fehlbetrage von 23,4 Millionen gegenüber einem Febl von 155,8 Millionen, wie ihn der Etat des In der Wirklichkeit ist also der Fehlbetrag u ringer als im Etat. Dieses Necnungsergebn

und gebt weit über das hinaus, Aufstellung des Etats noch im Verlaufe konnte.

Bekanntlich trat ganz plößlich im Jahre 1907 in ein starker wirtshaftliher Niedergang ein, dessen Folgen fi Staatsfinanzen ganz empfindlih geltend machten, und v t Jahre hindurch andauerte. Zu gleicher Zeit war aber auch eine um- fassende Erböbung sämtlicher Besoldungen, Pensions- und Relikten- bezüge ganz unvermeidlih. Die Lebenéthaltung war in einer solhen Weise gestiegen, daß die Königliche teregieruug die Be- soldungsregulierung nicht weiter aufshieben urch wurden 200 Millionen neue Ausgaben erforderli, und zwar dauernde Aus- gaben. Während also auf der einen Seite die Ausgaben waltig stiegen, fielen auf der anderen Seite

bedeutend.

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hen Staatéfinanzen nidt ausbalte 25 traten erbeblide Feblbeträ en Slaalëfinanzen n auSpaiten, es Iralen erbedilMe FeDbivetrage tr nd 259 A T A7 C ps ck { ein, und zwar {loß das J einem Feblbctrage von rund 73 D An 1 17 5 A 72 Millionen Mark und das Jahr 1908 mit einem Feblbetrage von O V Nano 2 : 202 Millionen Ma nig 2 Fanbon oh 7 oru /5 “L c s fanden eingehende Untersuhungen darüber statt, welche wirkliche Uebers

Feblbeträge fch ibrer Natur nach als eine astung, also als dauernde Feblbeträge darstellten ogenannte Konjunkturdefizits, also als vorübergebende anzusprechen seien, um darrach die zu ergreif: nden Maßnabmen Eine dauernde Ueberlaftung, ein sogenanntes chronishes Defizit, kann nur durch die Erböbung der Einnabmequellen oder eine Zurüdck- baltung und Beschränkung in den Ausgaben besei verden, während das Konjunkturdefizit mit der Besser wirtschaftlihen Lage von selbst wieder vershwindet.

Leider ste lasiet war, un Konjunkturdefizit

{loß si die Königl:

e C

[lte fi éhalt erbeblich über-

d daß sches wie auch ein starkes das erstere ent-

g Einvernehmen mit dem

Undtage, beide ihr zur Verfücung stehenden Wege zu bef Si

sah davon ab, das chronishe Defizit vollständig durd

erböhung zu beseitigen, weil die Reichsfinanzrefor

zeitig neue Steuern brachte und man das &

wollte; fie begnügte sch damit, nur

neue Steuern zu tecken und im übrigen in

durch pfleglihste Bebandlurg ter Einnabmen und

Zurüdchbaltung bei den Autgaben das Defizit allmäblih

zubringen.

Man stand daber bei der Aufstellun

1909 unter dem Eindruck einrr nih

allem, was man damals annehmen

man mit einem Defizit von 155 Milli

Glücklicherweise bat sich die Wirklichkeit erfreuli

wirtschaftlihe Niedergang bielt nicht zu la und allmäblich

begann \ih eine Besserung anzubahnen; die Erträgnisse der Staats-

eisenbabnverwaltung und der Forstverwaltung gingen so in die

Höbe, daß troy beträhtlißer Mindereinnahmen bei den Domänen

und bei der Bergverwaltung dennoch 132 Millionen mehr heraus

gewirtshaftet werden konnten und die Rehnung entsprechend besser

abshloß.

Wenn man nun dieses Rehnungéjahr mit den Rechnungs-

abs{lüssen der früheren und späteren Jabre in Vergleich seßen will,

bedarf es doch ncch einer Korrektur; von der Verbesserung müssen

diejenigen Positionen in Abgang gebraht werden, welche nur zufällig

darin enthalten sind und daber ein falsches Bild von der Finanzlage

geben. Bekanntlich hat das Reich bei der Reichsfinanzreform die ge-

stundeten Matrikularbeiträge endgültig übernommen; dadurch wurden

die in Preußen für diefen Zweck angesammelten Mittel im Betrage

von 42,8 Millionen frei und konnten zu den allgemeinen Staatsausgaben

des Jahres 1909 mit verwendet werden. Außerdem waren in der

Verbesserung des Rechnungêéergebnifses noch 4,7 Millionen enthalten,

welde bei den binterlegten Geldern mehr eingezahlt als abgehoben

worden sind; auch diese 4,7 Millionen müssen în Abzug gebracht

Die Sozialdemokraten

werden, weil um den gleihen Betrag die Schuldverbindlichkeiten des