1911 / 21 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 24 Jan 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Nichfkamfklihes: Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 24. Januar.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute im hiesigen Könialihen Schlosse die Vorträge des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Jnfanterie Freiherrn von Lyndcker, des Chefs des Admiralstabs der Marine, Admirals von Fischel und des Chefs des Marinekabinetts, Admirals von Müller entgegen.

Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenar- sizung ; vorher hielten die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen eine Sißung.

Das Königliche Staatsministerium trat heute zu einer Sißung zusammen.

Die Eintragungen in das Reichsschuldbuch haben eine Milliarde Mark überschritten, also einen Stand erreicht, der mehr als 22 v. H. der gesamten eintragungsfähigen Reichs\chuld ausmacht. Wenn auch dieses Forischreiten an sich zu begrüßen ist, so wird“ doch von dem Schuldbuch noch nicht in dem Maße Gebrauch gemacht, wie seinè Einrichtungen es verdienen müßten. Dies ist wohl auf eine noch mangelhafte Kenntnis von den großen Vorteilen zurückzuführen, die mit der Benußung des Schuldbuchs verbunden find. Es soll daher auf diese nochmals fTurz hin- gewiesen werden. Als Vorteile bietet das Schuldbuh haupt- ächlih die unbedingte Sicherheit gegen Verluste infolge Dieb- itahls, Feuers ‘und auf sonstige Weise, ferner die Kostenfreiheit der Eintragung, die gebührenfreie laufende Verwaltung, die portofreie Uebersendung der Zinsen. Das Reichsgeseß vom 6. Mai 1910 hat erhéblihe Vereinfachungen in dem Gebrauche des Schuldbuchs eingeführt, indem z. B. Buchschulden ledigli im Wege der Barzahlung, auch ohne vorherigen Erwerb von Schuldverschreibungen, begründet werden fönnen. Für die Ein- zahlungen besteht möglihste Bewegungsfreiheit ; fie können bei den mit Kasseneinrichtung versehenen Reichsbankanstalten, bei bestimmten öffentlichen Kassen jowie im Postscheckverkehr bei den Postanstalten geleistet werden. Auch nach der Eintragung bleibt dem Gläubiger die Möglichkeit gewahrt, jederzeit über das Kapital zu verfügen, da er die Ausferügung von Schuldver- schreibungen ohne Einschränkung fordern fann, allerdings gegen eine mäßige Gebühr. Eine wichtige Erleichterung hat das er- wähnte Geseß auch dadur gebracht, daß es gestattet, shon zu Lebzeiten eine zweite Person einzuiragen, die nah dera Tode des Buchschuldglärbigers über Kapital und Zinsen zu verfügen berechtigt ist. Erbschaftsregulierungen wie überhaupt der Nach- weis der Erbqualität werden hierdurch wesentlih erleihtert und verbilligt. Einen wichtigen wirtschaftlihen Dienst leistet das Schuldbuch demjenigen, welcher ein Interesse daran: hat, die Substanz des Vermögens bestimmten Personen, èêtwa dem Che- gatten oder Kindern, zu bewahren. Für solche zahlreichen Fälle, die sih aus dem ehelihen Güterreht ergeben, fanni die Be- nußung des Schuldbuchs warm befürwortet werden. Desgleichen ise es für Vormünder und Verwalter von Stiftungen und sonstigen Vermögensmassen, bei denen es auf Sicherheit und Stetigteoit ankommt, besonders geeignet. Das bei den Posi- anstalten vorrätige Merkblatt enthält nähere Angaben.

Zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers und Königs wird die Akademie der Künste am Freitag, den 27. Januar 1911, Mittags 12 Uhr, im großen Konzertsaale der Königlichen akademischen Hochschule für Musik zu Berlin in Charlottenburg, Fasanenstraße 1, eine öffentlihe Festsizung abhalten, zu welcher des beschränften Raumes wegen eine begrenzte Anzahl besonderer Einladungen ergangen ist.

Etwa verfügbar gewordene Eintrittskarten“ können am 26. Januar von 10 Uhr Morgens an im Bureau der Akademie der Künste, Pariser Plaß 4, in Empfang genommen werden.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrat, Königlich sächsische Staats- und Finanzminister von Seydewiß ist in Berlin angekommen.

Zur weiteren dienstlihen Verwendung find überwiesen worden : der Regierungsrat Dieß in Oppeln der Königlichen Regierung in Köslin, der Negierungsrat Schlaeger in Münîter der Königlichen Regierung in Cajsel, der Regierungsrat Dr. Kramer in Hildesheim der Königlichen Regierung in Ma- rienwerder, der Regierungsrat von Roques in Cassel der Königlichen Regierung in Stralsund, der Regierungsafsefsor Dierig in Hameln dem Landesdirektorium der Fürstentümer Waldeck und Pyrmont in Arolsen, der Regierungsaßssessor Hoerle in St. Wendel der Königlichen Regierung in Marien- werder, der Regierungsaßssefsor Dr. Sißler in Berlin der Könialichen Regierung in Koblenz und der Regierungs- afessor Dr. Mar Peters in Königsberg dem Königlichen Oberpräsidium daselbst. Der neuernannte Regierungsafse}sor von Oettingen aus Danzig ist dem Landrat des Kreises Schwelm und der Regierungsaßsessor von Burkersroda in Edckernförde dem Landrat des Kreises Hirschberg zur Hilfeleistung in den landrätlihen Geschäften zugeteilt worden.

Die Regierungsreferendare Dr. jur. Friese aus Stettin, Dr. jur. Colberg und Freiherr von Kirchbach aus Königs- berg haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Ver- waltungsdienst bestanden.

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Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M.S. „Victoria

Luise“ am 21. Januar in Salerno eingetroffen und gestern von dort nah Neapel in See gegangen. S. M. S. „Freya“ ijt vorgestern von ¡Fort de France

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auf Martinique nach St. Thomas in See gegangen. „Scharnhorst“ geht heute nah Batavia und ee.

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S. M. Flußkbt. T ingtau“ geht morgen von Hongkong nah Canton. N

S. M. S. „Herth a“ ist gestern in Genua eingetroffen.

H Württemberg. g hat den Ständen eine Denkschrift über R des Nedckars von Mannheim bis

Die Regie die Kanalisieru

Heilbronn überreiht. Wie „W. T. B.“ meldet, soll der Bau des Kanals ohne die Vorarbeiten in drei Jahren durchgeführt werden. Von 17. Kraftwerken

werden 29 000 Pferdekräfte im Werte von 12,6 Millionen Mark gewonnen werden. Die Vorarbeiten sind dem Abschluß nahe, sodaß der Entwurf über die Kanalifierung demnächst den Regierungen der drei Userstaaten übermittelt werden kann.

Fraukreich.

Jn der Deputiertenkammer entspann sih gestern eine längere Debatte über einen Dringlichkeitsantrag des Deputierten Guüesde, durch den mehrere Artifel des Altersversorgungsgeseßes “für Arbeiter aufgehoben und die Steuern auf Erbschaften von mehr als 100 000 Fr. erhöht werden sollten. Dié Dringlichkeit wurde, „W. T. B.“ zufolge, von dem Finanzminister Klo und von dem Ministerpräsidenten Briand bekämpft, der die Vertrauensfrage stellte, und wurde \{ließlih mit 390 gegen 178 Stimmen abgelehnt.

Nufß:land.

Gestern ist ein Allerhöchster Befehl zur Emission von 100 Millionen * fünfprozentiger Sertifikate der Bauern- agrarban k veröffentliht worden.

Die Sonderktommission zur Ausarbeitung des Tracierungsprogramms der neuen Eisenbahnen hat, „W. T. B.“ zufolge, im Ministerrat ein vom Minister der öffentlichen Arbeiten. begutachtetes Programm eingebracht, dem- zufolge für das Jahr 1911 die Tracierung von zehn neuen Bahnlinien mit einer Gesamtlänge von 4180 Werst, 1912 von elf Bahnlinien (4920 Werst), 1913 von neun Bahnlinien (3890 Werst) und in den Senden Jahren von 14 Bahnlinien (6050 Werst) projektiert ist.

Numänien.

Der Ministerpräsident Carp verlas gestern in der Kammer Dekrete über die Bildung des neuen Kabinetts, die Auf- lösung der Kammer und die Einberufung des Parla- ments für den 20. März.

Serbien.

Gefiern vormittag find, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, die Ratifikationsurfunden über den Handelsvertrag zwischen Desterreih-Ungarn und Serbien ausgetauscht worden.

Die Skupschtina ist gestern wieder zusammengetreten. D i Negierung unterbreitete ihr eine Geseßesvorlage über die S 0 von fünfs hn neuen Gebirgsbatterien.

R „Cb L Amerika.

e „W. T: B.“ aus Presidio in Texas meldet, find eiwa/üundert Mann merikanishe Regierungstruppen in einem zweitägigen Kampf mit den Revolutionären bei Ojibi- naga gefallen.

Die Republiken Haiti und San Domingo haben eingewilligt, ihre Streitigkeiten einem Schiedsgerichtshof zur Lösung zu unterbreiten.

Afien.

Die britische Antwort auf die leßte persische Note

über die Lage in Südpersien is gestern überreicht worden. Sie stellt laut Meldung des „Reuterschen Bureaus“ fest, daß die britishe Regierung mit Genugtuung von den Maßnahmen Kenntnis nimmt, die die persishe Regierung zur Wiederherstellung der Ordnung getroffen hat. Da indessen Grund zu der Annahme vorhanden ist, daß die Sicherheit, die in der leßten Zeit auf dem Wege von Abuschehr über Kazerum nah Schiras geherrsht hat, nur der außerordentlichen Strenge des Winters zu danken sei, so verharrt die britische Regierung in ihrer abwartenden Haltung und behält si, falls die von der persishen Regierung ge- troffenen Maßnahmen ergebnislos bleiben, das Recht vor, auf der Anstellung von Offizieren der indischen Armee zur Organi- sation der Wegpolizei zu bestehen. Die Antwort ftellt ferner fest, daß die britische Regierung mit Rücksicht auf die Tatsache, daß der verlangte zehnprozentige Zollzushlag auf die Einfuhr- waren aus dem Süden hauptsächlich den britishen Handel treffen würde, dem Ansuchen Persiens um den Zollzuschlag nicht beitreten könne, wenn nicht britishe Offiziere zur O rgani- sation der Gendarmerie angestellt würden.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Reichstag seßte in seiner heutigen (113.) Sißung, welcher der Staatssekretär des Reichsschaßamts Wermuth bei- wohnte, die zweite Beratung des Entwurfs eines Zuwachs- steuergeseßes fort. . /

SS 49 bis 49h regeln die Verteilung des Betrags der Zuwachssteuer und das Zuschlagsreht der Gemeinden. § 49 lautet nah den Kommissionsvorschlägen :

„Von dein Ertrage der Zuwachssteuer erbält das Neich 50 9/6. Weitere 10 9/6 echalten, sofern nicht die Lande8gesetgebung eine andere Bestimmung trifft, die Bundeésfiaaten als Entschädigung für die Verwaltung und Erbebung der Steuer. 40 9/6 fließen den Ge- meinden oder Gemeinteverbänden zu, in deren Bereich der steuer- pflihtige Gegenstand sih befindet. Die Regelung zwishen Ges meinden und Gemeindeverbänden, soweit dir-sen nach ten Be- stimmungen der Landesgeseßgebung ein Besteuerungsreckcht zusteht, sowie in Ansehung von Grundstücken, die keiner Gemeinte an- gehören, erfolgt durch die Landeëgeseßgebung bis zum Erlasse des Landesgesezes durch die Landesregierung“.

Die Abgg. Cuno und Genofien (forts{hr. Volksp.) wollen dem Reiche nur 40%, den Gem- inden aber 50%/9 der Steuer zuweisen; sie beantragen ferner, die Worte: „als Entschätigung für die Ver- walt:1ng und Erhebung der Stcucr“ und die Worte „bis zum Erlasse andeégesetzes dur die LandeSregierung“ streichen.

Der Abg, Weber (nl.) will ten Bunteésiaaten nur 22, ten Ge- 74 9/9 zuweisen.

Die Abga. Müller- Fulda u. Gen. (Zentr.) beantragen, statt der Worte „bis zum Erlasse des Landesgeseßes durch die Landesregierung“ zu segen:

„bis zum Erlaffe des Landes eseßes fließen die 40% den Ge, meinten zu, in deren Bereiche fich der steuerpflihtige Gegenstaud befindet; in Ansehung von Grunditücken, die keiner Gemeinte ay. gehören, erfolgt bis dabin die Regelung dur die Landeêregierung*.

Der Abg. Graf Westarp (dkons.) will die Worte „biz zum Erlasse des Landesgesezes durch die Landesregierung® durch folgende Fassung erseßen:

„Bis zum Eriasse des Landesgesezes bestimmt tas nähere die Landeéregierung, mit der Maßgabe, daß den Gemeinden, wenn daz Grundstück in ihrem Bezirk liegt, 40 9/6 .des Ertrages zufließen.*

Der Abg. Trimborn (Zenir.) will folgenden zweiten

Absatz hinzufügen:

„Diejenigen Gemeinden, deren Grundstüde aanz oder teilwelfe den Besch änkungen des Rayongeseßes unterworfen find, erbalten aus dem Ertrag der Zurwachsfteuer einen Anteil von 60 9%: der Anteil des Reichs vermindert sih entsprechend.“

(Schluß des Blaites.)

- Der Schlußbericht über die gestrige Sißung des Hauses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (11.) Sißung des Hauses der Ab- geordneten, welher der Minister für Landwirtschaft x. Dr. Freiherr von Sch orlemer beiwohnte, wurde die Bera des États der landwirtshaftlihen Verwaltung, und zwar zunächst die bei T2m Titel der dauernden Ausgaben „Gehalt des Ministers“ übliche allgemeine Besprechung in Verbindung mit der Erörterung ‘des zu diesem Titel gestellten Antrags der Abgg. Reck (konf.) und Genossen, betreffend die Maul- und Klauenseuche, fortgeseßt.

Abg. von Kessel (kens.): Der kandwirtscaftliße Etat entbält diesmal cine Reihe votWMehrausgaben, und wir können dem neuen Minister Vertrauen entgegenbringen. Die Auëgaben für das land- wirtscaftlide Ressort werden mit SiFerbeit ein werbendes Kapital darstellen. Die Au}fassung, daß es der Landwirtschaft so gut gebt, daß nichts mehr für sie zu gesWehen brauchte, is doch nit ganz richtig. Es ift ein fals@er Eindruck, als ob der Land. wirt gegenwärtig nihts weiter zu tun bätte, als die Hand auf zuhalten und Ströme Goldes aufzufangen. Es ist z. B. im allge- meinen dur@éaus unrichtig, daß die Vichpreise so exorbitant bed seien, daß tabei etwas berauttommen müsse. Bezügkih der Schweine stimmt es garniht, urd namentlich die kleinen Besitzer, die iw wesentliden von der Schweinezucht leben, baben unter den niedrigen Preifen besonders zu leiden, und die boben Preise des Rind- viehes fönnen bei der berrs{enden. Maul- und Klauenseuche und den weitgehenden Sperrungen , nur von wenigen Landwirten aus genußt werden. Die von uns gewür schte Berchnung der Rentatilität der Landwirtschaft im Domänenetat hat ergeben, daß die gegenwärtige Verzinsung des in den Domänen angelegten Kapitals 2,73 9% beträgt. Ich mêchte wissen, ob das Großkapital mit einer solchen Verzinsung zufrieden fein würde. Die Bebauptung von der boben Rentabilität der Landwir1schaft ist also absolut unrichtig, und sie wird aug niht bewiesen durch die Ftohen Güterprenle; denn diese find auf bescndere Verbältniffe ¿urückzuführen. Die. Güterpreise sieigen in der Regel in der Nähe der großen Städte, wenn sich ein Stadter ein Gut fauft, wo er in der Nähe die Annehmlichkeiten des Landleb?ens genießen kann. Die Lastcn der Landwirtschaft steigen in jeder Beziehung von Jahr zu Iahr erbeblih. Namentlich ist der mittlere Grurdbesiz durch vielc Ebrenämter, die er anstandshalber übernehmen muß, tebr belastet. In einer im vorigen Jahre er- schienenen Berechnung wurden für drei verschiedene Kategorien von Einkommen die Lasten des Bauern, des Gutebesißzers und des Groß- grundbesizers im Berbälinis zu anderen Erwerbsständen festg stellt, und zwar bei einem Einkommen von 1i00 F, von 5000 #6 und vou 150000 4. Danach hat ein Bauer mit einem Einkommen ron 1100 é an Steuer 11,5 9% zu tragen, ein Beamter dagegen nur etwa 29/9, ein Gutsbeßißer mit 5000 4 Einkommen trägt 22,6 9/9 Steuer, der Rentier mit gleihem Einkommen rur 8 9/6, der Großgrundbefißer mit 150000 4 Einkommen zahlt 8239/6, der Kapitalist 10% Steuer. Ich zweifle nicht daran, daß für viele Fälle generalifieren läßt sich dies nit diese Zahlen durchaus richtig sind. Auf der anderen Seite nehmen tie sczialpolitischen Lasten jeder Art zu. Wir find wirklich bercit und haben cs immer gezeiat, daß wir di:fe Lasten auf uns nebmen, und wir werden es auch tun, wenn die neuen Ver- siberungen, die jeßt im Reichétage beraten werden, Gesetz werden. Kber in erster Linie wird davon die Landwirtschaft betroffen werden. Wir begrüßen es mit Freude, daß auch für dic landwirtschafilichen Arbeiter die Invalidenversicherung einaeführt wird, scdaß sie auch im Alter sorgenfiei leben lönnen: auch die Witwen- und Waisenversicherung können wir nur mit Freude begrüßen, wie {wer fie uns auch belasten wird. Was die Regierurg uns aber an Lasten für die Kranfkenver- siberung auf dem Lande berecknet, ift an sich {on ganz enorm; ck joll pro Jahr und Kopf 13 f betragen, und es wird immer dami! gerehnet* daß die Kosten zwishen Arbeitgeber und Arbeit- nebmer geteilt werden. Das klingt sehr \{ön, aber tatsächlich werden die Lasten ganz auf die Schultern der Arbeitgeber fallen. Durch die groke Verbezung der Arbeiterschaft ist {on das gute patriarchalishe Ver- bâltnis zu unseren Arbeitern gestört. Es ist für uns immer eine Chren- pflicht gewesen, bei Krankheitsfällen für unsere Leute zu sorgen, fie ¡l unterstüßen und uns um sie zu kümmern. Wenn aber die Kranke versicherung eingeführt wird, wird dieses patriarhalishe Verhältnis roch mehr gestört werden. Um nicht mißverstanden zu werden, wiederhole ih, daß wir die Lasten tragen werden: aber wir moch! doch den Lantwirtschaftsminister bitten, dafür einzutieten, daß nun, wenn diese Lasten von uns übernommen sind, keine neue Laft eingeführt wird. Ganz besonders ist über die fommunale Lasten zu klagen, die der Landwirtschaft große Opfer auferlegen. Im Anschluß an die gestrigen Verhandlungen möchte ih den Land- wintshaftêminister noch fragen, ob nicht auch durch die Arbeite eine Verschleppung der Maul- und Klauenseuche stattgefunden bet und welche Maßregeln er dagegen zu treffen gedenkt. Mir sein! es auh fraolih zu sein, ob von der Miiitärvermraltung mit der jenigen Vorsicht verfahren wurde, die notwendig ist, um eine Ver breitung der Brustseule aus den Militärställen in andere Ställe zu“verbüten. Ih mêchte ten Minister bitten, mit aller Energ!f darauf zu wirken, daß das Wassergeseß möglichst bald zustante komul In der Budgetkommission ifi von ter nationalliberalen Pactei darud geklagt worden, daß in der Einladung zu der Sizung einer Landwir® \chastekammer eine Reibe von Mitteilungen über den Bund der Landwirt! gestanden hat. Aber wir müssen doch auch sagen, daß die Hande fammern und der Hansabund in einem außerordentlih nahen Zusamu hange stehen; auf den wir bei anderer Geleg-nheit genauer einge werden. Es wird uns fortgeseßt von liberalen Kreisen der Vorw"! gemacht, daß wir die innere Kolonisation zu verhindern suchten. Dos Gegenteil beweist aber {on die Zugehörigkeit vieler konservative Abgeordneten zu den Kolonisationsgzesellschaften.

(Schluß ‘des Blattes.)

Nr. 4des Zentralblatts für das Deutsche Reich“, herat* gegeben im Reichsamt des Innern, vom 20. Januar, hat folgend Inhalt: 1) Konsulatwesen: Ernennung; Ermächtigungen zur V nahme von Zivilstandshandlungen: Exequaturerteilungen ; Entlafsurb; Tobvcejall. 2) Finanzwesen: Nachweisurg von Einnahmen * Neichs-Pest- und Telegrapben- sowie der Veichéeeisenbahnverwait für die Zeit vom 1. Apzil 1910 bis zum Scbluß des Vok Dezember 1910. 3) ZoU- und Steuerwcsen: Abänderung des § 298 der Anlage D der Zuckersteuer-Ausfübrungsbestimmungen; Zulasin eines zollfreien Veredlungsverkehrs mit Grünkernmehl und Grünte grieß; Zulaffung eines zollfreien Lohnoeredlungsverkehrz mit a

1zadischen, zu Kleiter- und Mäntelteilen zugeschnittenen wcÜUenen usw. Kirkitoffen und gefärbten leinenen Geweben. 4) Polizeiwesen: Juswcisung von usländern aus dem Reichsgebiet.

Statistik und Volkswirtschaft.

Deutschlands auswärtiger Handel im Jahre 1910.

Nah dem Dezemberheft der „Monatlichen Nachweise über den auswärtigen Hander Deutschlands" betrug im abgelaufenen Jahre im Zpezialbandel die Menge der Einfuhr 644965819 az Waren aller Ari und außerdem 149 104 Pferde sowie 857 Wasserfahrzeuge gegen 629 952 915 dz, 121 341 Pferde und 7(9 Wasserfahrzeuge im Jahre 7009 die Menge der Ausfuhr- 541 869 840 dz Waren aller Art jowie 7116 Pferde und 752 Wasserfahrzeuge gegen 487 653 9532 dz, 7198 Pferde und 582 Wasserfahrzeuge im Jahre 1909, der Wert der GCinfuhr obne Edelmetalle 8609,2 Millionen Mark gegen 526,9 Millionen Mark im Jahre 1969 uad der Wert der ein- geführten Edelmetalle 3808 gegen 333,5 Millionen Mark, der Wert er Ausfuhr ohne Edelmetalle 7467,1 Millionen Mark gegen 6594,4 Millioren Mark im Jahre 1909 und der der ausgeführten &delmetalle 169,4 gegen 264,5 Millionen Mark. i S Der Gesamtwert (reiner Waren- und Edelmetallverkehr) über- traf in der Einfuhr den von 1909 um 129,5 und den von 1908 um 412,8 Millionen, in der Ausfuhr aber den von 1303 um 777,6 und den von 1908 um 1154,8 Millionen Mark. An der Weristeigerung von 1309 auf 1910 sind fat alle Warengruppen beteiligt, in der Einfuhr mit Ausnahme der Gruppe „Erzeugnisie der Land: und Forstwirtschaft usw.“ Tarifabschnitt 1) sowie der Gruppe „Maschinen, elektrotehnische Er- ;eugnifie, Fahrzeuge", in der Auéfuhr aber mit Ausnahme der Gruppe „dle Metalle und Waren daraus“.

Ueber konfessionelle Verhältnisse der evangelis-lutherisen Londeékircke des Königreihs Sachsen im Jahre 1909 teilt die Königliche „Leipziger Zeitung" nach dem für; lih erschienenen Jahresberichte mit, daß im Jahre 1909 vor- zefommen find:

Nebertritte Austritte ¡ur Kaudeékire von aus der Landeskirche zu A DEE TETOEIIETIE E e G 906 der römisch-fkatboliswen Kirche T 10 Den euti MIaIboIIet « «002 2 den feparierten Lutberanern ¿Di 25 den apoîstolishen Gemeinden älterer E 0 AN 39 den neuapoîtclishen Gemeinden. . . 164 29 den Methodisten . a OEA E R a O OR 13 dec Tempelgemeinde und anderen Sefkten . 350 E De Dee Ee L 27 Personen, die keiner anderen Gemein- schaft angehörten, beziehentlih die niht zu einer anderen Ge- meinschaft übertraten . 374 1096 1739.

Es find also 643 Personen mehr cus der evangelisch - lutberishen Laudetkirhe ausgetreten als zu ihr übergetreten.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Verhandlungen zur Beilegung des Ausstandes der Fenfter- puber bei der Berliner Glaserinnung sind, der „Voss. Ztg.“ wfolge, gescheitert (vgl. Nr. 15 d. Bl.). Die Ausständigen haben die thnen von den Arbeitgebern und von den Vertretern threr eigenen Organisation vorgeschlagenen Bedingungen abgelehnt.

Die Arbeit in den von dem Feilenhauerausstande be- troffenen Fabriken des Bergischen Landes ist, wie die „Rh.- Westf. Ztg.“ aus Remscheid meldet, geftern morgen wieder auf- genommen worden. Jedoch haben nur etwa 5609/9 der Ausftändigen wieder eingestellt werden können, da zahlreiche Arbeitsftellen im Laufe des fe{smonatigen Ausstandes bereits besetzt worden find. (Vgl. Nr. 17 d. Bl.)

Kunst und Wiffenschaft.

Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent Luitpold von Bayern hat der „Deutschen antarktischen Erpedition“ ‘Filhnerschen Südpolarerpedition) weitere 20 000 Æ überwiesen.

Im Beisein des Präsidenten Falliòres fand gestern abend in preis die Einweihung des vom Fürsten von Monaco gegründeten ¡eanographischen Instituts statt. Der Fürst vo n Monaco gab, ,W T. B.* zufolgeck in der Eröffnungsrede seiner Freude über den Erfolg Auédruck, der eine große Anstrengung seines Lebens kröne. Gr sei glüdcklich, den Präsidenten der Republik, bobe Würden- träger von Staat, Parlament und Stadt, Vertreter der Armee, der Marine, der Diplomatie und der Wissenschaft vereint zu sehen, um der Eröffnungzfeier einer Unterrichisanstalt, die er in der Haupt- tadt Frankreis geschaffen babe, Glanz zu verleihen. Der Fürst pra sodann über die Aufgaben seines Werkes, dem er einen inter- nationalen Charafter zu geben wünsche. Die Menschheit, die durch den Kampf ums Dasein zerspalten sei, könne nirgend ein günstigeres

biet der Annäherung finden als das der geistigen Erobe- rungen. Der Unterrichtêminister Maurice-Faure dankte dem Fürsten im Namen Frankreihs und der Universität Paris.

Armand Gautier zollte den unter Leitung des Fürsten aus- eführten wissenschaftlichen Arbeiten namens der Akademie der Wissen- aften Loh. Der Vizerektor der Universität Paris begrüßte in dem Fürsten den Wobltäter der Universität. Der Museumédirektor dmond Perrier erflärte, der Fürst habe nicht nur avf den Dank Frankreid;s, sondern auf den der ganzen Welt Anspru. Die be- fandige geistige Zusammenarbeit der Menschheit werde das Kommen des Weltfriedens beschleunigen, den der Fürst so oft und so beredt jerbeigewünscht habe.

Die Pariser Akademie der Wissenshaften wäblte an Stelle des verstorbenen Gernez im zweiten Wahlgange mit 30 Stimmen rauly zum Mitglied. Frau Curie erhielt 28 Stimmen.

Technik.

Photographie in natürlichen Farben.

A. F. Eprâdte nit die Erfahrung dafür, daß die Werke der LWwarz-Weiß-Kunst, Kupferstih, Nadierung, Lithographie usf. neben nen der Malerei, des bunten Drucks und dergl. hohges{äßt zu n fortiahren, die neuesten Leistungen der Photographie in

en natürlihen Farben fönnten die Besorgnis erwecken, daß neben ihnen die ausgezeichneten Leistungen der Schwarz-Weiß-Photo- aphie die Gunst der Menschen verlieren würden, deren sie fich bis Rute ungeschwäht erfreuen. Die leßten Wochen haben von diesem bingsien Fortschritt der Lichtbildkunst mehrere Vorführungen gebracht, e Jede für sich, obglei ganz verschiedenen Systemen angehörig, als tberrashung, ja als Offenbarung von dem unsagbaren Reiz wirkten, en die getreue Wiedergabe der Natur in der thre Herrlichkeiten erft bo ershöpfenden Vereinigung von Form und Farbe übt. Da waren nuchst die bisher dreimal durch den Grfinder und erfolgreichen Aus- dldner der Methode, Geheimrat Miethe vorgeführten Lichtbilder von if Spigbergenfah1t letzten Sommers nah dem optishen Dreifarben- fem. Da waren bald nacber vie in der „Urania" gezeigten Licht-

bilter nach dem autochromen Verfahren „Lumière*, welche unbekar.nte oder ungenügend beahtete Reize der Natur unserer nächsten Heimat zu enthüllen unternatmen, indem sie „märkische Garten- und Land- poesie“ du:ch Photographien in den natürliGen Farben vorzauberten. Uebereinstimmend baben beide Arten von Vor- führungen ihren Erfolg in erster Stelle dem freudigen Ein- geständnis der Zuschauer zu danken, daß die Faiben in Wakbrheit naturgetreu find. Lag. für tie Farbentönurg der den wenigsien aus eigener Ans{Wauung bekannten nordischen Landschaften die Beglaubigung ihrer Naturtreue wesentlih in der für jedermann leiht kontrollierbaren genauen Wiedergabe der weißen Färbung des Schnees, weil sie füc die rihtige Wabl jeder der drei Mischfarben Zeugnis ablegt, so bedurfte es für die Heimatbilder in ter „Urania“

eines folden Umweges für die Beurteilung ihrer Naturtreue nit, denn bier besaß jeder aufmerksame Beobachter ein maß-

aebendes Urteil, und immer wieder lautete die allgemeine Meinung dahin, daß tie Treue der Farben bewundern8wert sei.

Doch auch der Glanz dieser farbigen Lichtbilder, sei es, taß sie in der Morgen- oder Abendsonne oder im vollen Licht der Mittag- fonne oder bei welcher Beleubtung immer aufaenommen sind, ist be- wundernêwert. In diesem Punkte verdient auch die in der „Urania“ für diefe Vorstellung entfaltete Technik volle Anerkennung. Die be- fannte Herstellung der Photographien nach dem Lumièrescken Ver- fabren bat immer eine Abschwächung des Lichtes zur Folge, die in der Vorführung als Lichtbild nur dur außerordentlihe Mittel der Be- leutung zu überwinden ift, wie sie in der „Urania“ mit dem besten Erfolge zur Anwendung kamen; denn keinem Bilde feblt es an dem ihm zu- fommenden Maße an Licht und Glanz, und viele sind von entzückender Lichtfülle, bervorragend namentlich Wasser-, Himmels und herbstliche Laubfärbungen.

Direktor Franz Goerke bocn der „Urania“, dem diese Ver- arstaltung zu danken ift, hat fich dabei der Mitwirkung einer Anzahl gleih ibm für die Photographie in den natürlichen Farben begeisterter Liebbaber der edlen Lichtbi!dkunst erfreut. Sie haben ibm gehelfen, eine der Absiht des Nachweises, îin wie hohem Grade Gärten und Landschaften der Mark als poefiereih anzuspre(en sind, gereckcht werdende Sammlung vieler ausgezeichneter Farbenaufnahmen zu einer Gesanitvor- führung zu vereinen. Aber zweifellos hat zu dem Gelingen Direktor Goerke das Beste getan; denn niht nur rühren die meisten Bilder von ihm ber, au die sie begleitenden und, wo es nötig, erklärenden Worte find ven ihm und wurden in Begleitung der bisherigen Vorführungen auch von ibm gesprochen. Sie sind der Meinungs- uud Gefühls- auédruck eines Freundes der belebten Natur, der sie mit dem Auge des Künstlers ansieht vnd ihr wo immer in der Wahl der auf die Platte zu bannenden Dinge, der geeignetsten Standpunkte, der Be- leuhtungéwirfungen ihre besten Seiten abzugewinnen weiß. So tit die hier im farbigen Bilde vorgeführte Natur zwar märkische, woblbekannte Natur, aber zugleichß mit dem Auge eines feinen Kenners ihrer Schönheiten und Befonderhbeiten für die Wieder- gabe versiäntniévoll ausgewählte Natur. Das gibt diesen Vor- fübrungen einen ganz besonderen Reiz und läßt sie in ihrec Art einzig erscheinen. Sie beginnen mit einem {önen Auftakt: Drei kenn- zeiWnende Bilder werden in \{rellcer Folge gezeigt: ein stiller märkischer Landsee, buschWumsäumt, ein Blick auf s\onnenerglänztes märkishes Feld mit dem Hintergrunde des nahen Dorfes und feines s{chlidten Kirhturms. cndlich märkisher Wald, ein enger Waldweg, zum Teil von der Sonne getroffen, einzelne der Bäume am Nande im Vergleih zu anderen, im Schatten bleibenden, bell be- leuhtet. Es folgten böchst originelle Bilder aus mü&kis{hen Gärten. Hier l[cnkt ein Blumenltebhaber die Blicke auf den üppigen Blumenflor in Berliner Laubenkolonien, deren Inhaber sich nicht genug tun können an Umrankung ihrer Lauben mit Blübendem, an ganzen Beeten Astern, Malwen, Rudbecien und ähnlihem. Zu- weilen ift sogar einer Wildnis von allerlei Buntem in Blättern und Blüten ein besonderer Reiz abgesehen, der manchem Zuschauer zeigt, daß er für dergleichen bisher blind / gewesen ist. “Doch auch die feinere Gartenkunst erweist ibre Erzeugnisse an berrlihen Stauden- gewächsen, an blühenden Sträucbern und japani]chen Kletterrosen auch durh die Lumièreshe Lichtbildkunst farbengetreu wiedergebbar. Irgend jemand hat da einen hübschen Gedanken gekabt: Er zeigt erft einen von blauem, gelbem und weißem Krokus übersäten Nasenteppich, dann Krokus in ihren schönen Formen aus größerer Nähe und endlih aus allernächster Nähe aufgenommen, wobei man dann beinabe Mübe har, die stolzen Kelche als das vorhergeseben?e Kleine zu erkennen. Doch Direktor Goerke wünscht Mehr und Größeres zu zeigen, als solche mikro- oder makrokosmischen Neize. Er führt uns dann u. a. in die nächste Nachbarschaft von Berlin, nah dem Tier- garten, nach dem Grunewald, zu dessen Seen, in den Charlotten- burger Park, er begleitet mit seiner Kamera die Havel und die Havelseen, führt die Beschauer nah Babelsberg und Sanssouci und zeigt bier gelegentliÞh auch hübsche Interieurs, die Fähigkeit der Lumièreshen Photographie erweisend, auch dergleichen in farben- getreuer Darstellung interessant zu machen. Der zweite Teil der Vor- führung ift der weiteren Provinz Brandenburg gewidmet. Er verbindet s{chöône Natur mit romantischer Erinnerung, geleitet die Zuschauer nah Chorin, nah Lehnin, zum Kloster Zinna und zu den spärlichen, von Schlinggewächhs umfsponnenen Mauerresten des Klosters Himmel- pfort, aber zwischen innc gab es stets Blicke auf {öne Waldsäume, auf einzelne Baumgruppen, auf ein Seeufer mit dahinter aufsteigen- dem düstern Kiefernwald, aus dem einzelne Birken im Herbst- \{muck emporragen; selbst das Bild einer Straße mit Kastanien besetzt {eint zum Beweise dafür aufgenommen, daß das kundige Avge auß da noch Neizvolles findet, wo der Alltagsmensh nur Nüchternes und Alltägliches zu sehen wähnt. Sehr stimmungsvoll schließt die Vorführung mit Ausblicken auf von wenig leichtem Gewölk im Glanz der Abendfonne bedeckten Himmel. Alles gesehene Schöne zusammenfassend, muß gesagt werden, daß die im Vorangehenden ver- ute Schilderung nur eine {wake Vorstellung davon gibt. Natur- freunde werden darin Erbauung finden, und wer Freude an s{önem Undschaftsbildern hat, wird hier große Befriedigung erfahren. Die „Urania“ follte es aker mit den biéheriaen Vorführungen nit genug sein lassen, sondern noch öfter mit ähnlichen erfreuen.

Land- und Forstwirtschaft.

Saatenstand, Ernteergebnisse und Weinmarkt im südlichen Frankreich.

er Kaiserliße Konsul in Marseille berichtet unterm 17. d. M.: In Frankreih war die Witterung im Monat Dezember erheblihen Shwankungen unterworfen. Nach Weihnachten trat eine starke Abkühlung ein, und in den nörolichen Departements und höheren Lagen bedeckte fich der Boden mit einer Schneedede. :

Der Stand der Herbstsaaten wird im südlichen Frankrei allgemein als wenig befriedigend, nur in einigen Gegenden als be- friedigend bezeichnet. MNegenwetter haben die Felder verheert, und die Scnecken haben fehr große Verwüstungen angerichtet. Auch das Unkraut macht sich \{äblich bemerkbar. Die Wintersaaten sind fast überall nit beendet und find durch Negengüsse, Schnee und Frost beeinträchtigt worden.

Gemüsekulturen stehen gut; die Wiesen werden gedüngt und bieten dem Vieh reihlihe Weiden. Die Olivenernte ist dur das \{lechte Wetter beeinträchtigt worden und wird im allgemeinen als gering bezeihnet; nur in einigen Lagen ift sie besser. Der Oel- ertrag wird in der Hauptsache als unter mittel oder wentg befriedigend, aber în anderen Gegenden auch als gut bezeihnet. Die Trüffelernte in der Baucluse ift gut auêgefallen. In den We inbergen ist man mit dem Schneiden der Neben ziemlich weit vorgeschritten ; die hohen Weinpreise eimutigen die Weingutsbesigec zu energischer Bekämpfung der Reb- schädlinge. Die allgemeine Lage des südfranzöhnischen Wein - marktes hat sich weiter zu Gunsten der Winzer gebessert. Die Preise sind überall sehr hoh und zeigen noch weiter sleigende Tendenz. Die zu Anfang des Jahres 1911 eingetretene \larke Abklühlung der Temperatuc ist der Klärung der Weine förderlih, und die Abzüge finden unter günstigen Bedingungen statt.

D

__ Am 11. Januar 1911 wurden in Cette, dem Hauptweinmarkt des südlichen Frankreichs, folgende Preise notiert:

11.1.1911 Oktober 1910 Franken On Baue 4 a A0 35 E 0 383 E C. A8 40 MHgOHE Io d 2,60 3,50 Mistelle Algérie blande. . . 48 42 Mistelle Algérie rouge . . . 48 46 Miîtelle Tunisie blanhe. . . 46 49 Mistelle Espagne rouge . . 60 60.

Die Miete für Fäss r beträgt 34 Cts. für Faß und Tag, für Fuderfäfser 13 Cts. für 1 11 und Monat.

WVerkehrêwesen.

Die Hamburg-Amerika-Linie Anfang 1911.

Das vergangene Iahr, das sich durch seine der Seeschiffahrt günstigen Bedingungen vorteilhaft vor feinen beiden Vorgängern aus- zeihnete, bat das äußere Bild der Hamburg-Amerika Unie, wie es Flotte und Lniennesg dem Beschauer darbieten, nicht unwesentlih verändert. 15 neue Dampfer sind im Laufe des Jahres in Auftrag gegeben und 2 (,„Persepolis“ und „Ekbatana“) durch Kauf erworben worden. Von den Neubauten, unter denen besonders ein Riesen- {if} von bisher unerreichten Maßen und einem Raumgehalt vou 90 009 Bruttoregistertons das Interesse der Schiffahrtswelt und ein Fracbtdampfer mit Motorantrieb die Aufmerksamkeit der Techniker

in Anfpruch nehmen, konnten bereits zwei Dampfer von je 8050 Bruttoregistertons, „Preußen“ und „Sachsen“, in die Gesellsckaftéflotte eingereiht werden; zwei weitere von eben- fals je 8050 Bruttoregistertons, „Bayern“ und „Fürft Bülow“, sehen ihrer Indienststellung in nächster Zeit ent-

gegen. Anderseits find während des Jahres 9 meist ältere Dampfer durch Verkauf aus dem Schiffspark der Gesellschaft ausgeschieden : ein Dampfer, „Lydia“, ist dur Strandung verloren gegangen. Nach Fertigstellung der Neubauten wird der Gesellshaft eine Flotte vor 170 Ozeandanpfern nebst zahlreichen Hilfsfahrzeugen zur Verfügung stehen, deren Gesamtraumgehalt eine Million Bruttoregistertons über- steigt. Der gesamte Seedampferbesit Jtaliens beträgt nur 971 000, der- jenige Hollands nur 970 000 Bruttoregistertons, die Seedampfer-

tonnage von Rußland 820 000, die von Schweden 787 000 und die von Oesterreih-Ungarn 756 000. Die im Laufe des vergangenen Jahres vorgenommenen Betrtiebs8erweiterungen und Veränderungen des Liniendienstes verteilen O auf fast alle Verkehrêgebiete der Gesellschaft. Die wichtigste Betriebs-

erweiterung ist im Oftasiendienst erfolgt: durch Abkommen mit der Deutschen Dampfschiffahrt8gesellshaft Hansa hat die Hamburg- Amerika - Linie cinen Anteil am Frachtdienst ' nach Ostindien erlangt und als Gegenleistung der Hansa eine Beteiligung an den Frachtlinien nach Osftasien eingeräumt. Der gemeinsame Dienst, dessen Leitung für die Ostasfienfahrt in den Händen der Hamburg- Amerika - Linie, für die Ostindienfahrt in den Händen der Hansalinie liegt, ist mit Beginn des neuen Jahres eröffnet worden. Mit einem 58 regelmäßige Dampferverbindungen umfassenden Linien- neß, in dem etwa 350 wichtigere Hafenpläte Europas, Amerikas, Asiens und Afrikas als ständige Anlaufhäfen figurieren, ist die Gesell schaft in das neue Jahr getreten. Sie unierhält gegenwärtig von Hamburg aus 6 Linien nah nordamerikfaniscchen, 6 na) westindiscen, 4 nah mexikanishen, ® nah \süd- und westamertikanischen, 4 nah asiatischen und 11 nah afrikanischen Häfen; von New York aus laufen 5 Linien nah Westindien und je 1 Unie nah Südamerika, Ostasien und Westafrika; den Rest bilden eine von Genua und eine von Stettin aus nach New York gehende Linie und einige Küstenlinien in Europa, Westindien und Ostasien. Für einen Teil di: ses LUnien- verkehrs besteht ein gemeinsamer Dienst mit anderen Schiffahrts-

gesellschaften. Neben der regelmäßigen Passagier- und Fracht \chiffahrt umfaßt das Arbeitsprogramm der Hamburg - Amerika

Linie bekanntli noch Vergnügungs- und Erholungsreisen zur See. Von den Veränderungen, die sich im Laufe des vorigen Jahres in den Betrlebseinrichtungen an Land vollzogen haben, ist die Fertig- stellung verbesserter Landungs8- und Einschiffung8anlagen in Cuxhaven nd hotnantorg bio Crhann A Merkottormoalk Z1tsor ï Me T ü und bejonders die Erbauung von Arbeiterwohnhöusern in Wilhelms burg zu erwähnen. Die Gesellschaft hat dieses vor Jahresfrist in Angriff genommene soziale Werk mit Energie gefördert, sodaß jetzt bereits 32 Wohnhäuser mit 268 Wohnungen fertiggestellt und zum größten Teil au s{chon bezogen worden sind. Am Umfang des Betriebépersonals hat das vergangene Jahr wenig geändert. Gegen wärtig dürften an kaufmännischen, technischen Beamten, Schiffs mannscaften, Werkstättenarbeitern, Kaiarbeitern usw. 23 000 Personen in den Diensten der Gesellschaft stehen.

Laut Telegramm aus Dresden ist die Post aus Desterreich, die heute vormittag in Berlin fällig war, ausgeblieben. Grund: Anschlußverfchlung in Tetschen.

Theater und Musik. Schillertheater Charlottenburg.

Lessings „Nathan dexr, Weise“ ging am Sonnabend, am Vor- abende des Geburtstages des Dichters, im Schillertheater in Cha1lotten- burg zum ersten Male in Szene. Was diefer Darstellung des durh seinen ethishen Grundgehalt unvergänglihen Werkes das be fondere Gepräge verlieh, war die vortreffliche Wiedergabe der Titel figur durch Mar Pateag, dessen Nathan die Charaktereigenschaften der Lessingschen Phantasiegestalt zu einer vollklommenen Einheit ver einigte. Unter den anderen Rolleninhabern sind der temperamentvolle Tempelherr des Herrn Paeschke, der vornehme Saladin des Herrn Bernecker, Hedwig Paulys anmutige Sittah und Helene Almas s\eelen volle Recha hervorzuheben. Auch Fanny Wolf (Daja) und Willy Eberhardt (Derwisch) sowie die anderen Mitwirkenden boten gute Leistungen. Die Negie hatte für ansprechende Bübnenbilder gesorgt.

Im Königlichen Opernhause findet morgen, Mittwoch, eine Wiederholung von Humperdinks8 Musikmärchen „Königskinder“ in der bekannten Beseßung mit den Damen Artôt - de Padilla, Goegze, den Herren Kirchhoff, Hoffmann u. a. statt. In der Gala - o Erd zur Geburtstagsfeier Seiner Majestät des Kaisers und Königs am 27. Januar gehen auf Allerhöchsten Be fehl Szenen aus Mozarts „Zauberflöte“, und zwar die sechs Bilder des zweiten Teils in der Neueinstudierung aber in einer nur für diesen zeitlich begrenzten Abend festgelegten und daher mit der Neu- einrihtung niht völlig übereinstimmenden Form in Szene. Die „erste Ausführung“ dieser Neueinrihtung des Mozartschhen Meister werk'es ist auf Sonnabend, den 18. Februar, angeseßt.

Im Königlichen Schauspielhause geht morgen E von Wildenbruhs Schauspiel „Die Nabenstleinerin“, mit Krau Willig in der Titelrolle, in Szene. * Außer ihr sind die Damen Buße, von Arnauld und von Moayburg sowie die Herren Ziunmerer, Kraußneck, Staegemann, Koch und Eggeling in Hauptrollen beschäftigt.

Als nächste Neuheit des Deutschen Theaters geht, wie be reits angekündigt, Karl Vollmoellers „Wieland“ am Sonnabend in Szene. Der Dichter, dessen „Gräfin von Armagnac“ vor drei Jahren die Uraufführung in den Kammerspielen erlebte und dessen „Orestie“ ebenfalls von Max Reinhardt zur Aufführung in der Reibe der Volks festspiele angenommen wurde, behandelt in diesem neuen Werke zum cten Male ein modernes Problem, das Problem des menschlichen Fluges.

(Der Konzertbericht befindet ih in der Zweiten Beilage.)