1911 / 28 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 01 Feb 1911 18:00:01 GMT) scan diff

wollen, eine Reichsbesißsteuer einzuführen, fo werden Sie aller- dings mit den verbündeten Regierungen den Weg fo weit gehen müssen, wie es irgend mögli is, d. h. Sie werden auch Jhrerseits mit untersuhen müssen: wo ist der Punkt gekommen, bis zu welchem man in Abschwächungen gehen kann, ohne den Zweck des Gesetzes zu gefährden? Daß wir dieser SBrenze sehr nahe sind, habe ich nicht verhehlt und kann ich nit verhehlen. Ich kann vorläufig niht behaupten, daß wir sie über- schritten haben; aber auch Sie haben das lebhafteste Interesse daran, das Geseß wirksam und gut zu gestalten. Es soll ja nicht nur der Deckung der Ausgaben dienen, welche ih eben angegeben habe, sondern es foll als eine soziale, besonders gestaltete Besißsteuer auch dazu dienen, den Umsabßstempel allmählih abzubauen. Der eine Teil des Umsaßstempels fälli, wie ich mit aller Bestimmtheit wieder- hole, im Jahre 1914 fort; aber hinsihtlich des anderen Teils. hängt der Abbau ab von den Erträgen, die die Zu- wachsfteuer bringt. Es liegt also für diejenigen, welche wünschen, daß diese feinere Form der Steuer an Stelle der gröberen tritt, ein dringendes Interesse vor, die Zuwachssteuer so zu gestalten, daß der Abbau auch. wirklichß ermögliht wird, und insofern irrte auch der Herr Abg. Dr. Arendt.

Der. Herr Abg. Dr. Arendt hat mir den Vorwurf gemacht, ih bätte feine Stellung zum § 11 - unzutreffend geschildert. Das ift, glaube id, niht rihtig. Denn wenn er die Hinzufügung eines dritten Drittel3s-Umsaßstempel empfiehlt, so ist das ein ebenso einseitiger Vorschlag. von ihm wte dasjenige, was mir von seiten der Herren Sozialdemokraten entgegengebracht wird. Sein Vorschlag ist niht. zu erreihen, da feine Majorität im Reichstag dafür zu erlangen gewesen wäre; es ist also etwas, was nicht in Frage fommen kann, abgesehen davon, daß es vem Zweck des ganzen Vorgehens, wie er durch das Reichsstempelgesez angebahnt worden ist, niht Genüge täte.

Meine Herren, ih bitte Sie, das Gesetz in dritter Lesung so ge- stalten helfen zu wollen, daß es mögli wird, eine ruhige, auf Jahre hinaus berechnete Finanzpolitik, wie sie eingeleitet ist, au weiter zu betreiben. Ohne die Abfertigung des: Zuwachssteuergeseßes würde es nach meiner persönlichen Anschauung nicht möglich sein, diese Finanz- politik in der bisherigen Weise fortzuseßen. (Bravo! rechts und in der Mitte.)

Abg. Dr. Noesicke (dkonf.): Die dem Geseß zu Grunde liegende Idee is noch nit voll. ausgestaltet. Auf den uobilen Besiß ist sie noch nicht. auêgedehnt, und die Verhandlungen der Kommission haben

ezeigt, wie s{chwierig es ist, die Grundidee rihtîg auszugestalten. Man i} aber bemüht gewesen, alle Besißarten richtig zu erfassen, und- toir- haben jede einzelne Art des Besitzes genauer geprüft. Die Andwirtschaft ist keineswegs bevorzugt worden bei dem Versuch, enau- den. Begriff des unverdienten Wertzuwachses zu umfschreiben. Die Landwirtshaft hat fkeïne Ausnahméstellung im Rahmen des Ce erhalten. Der landwirtschaftlißhe Grund und Boden ist aber für den Landwirt sein Arbeitsinstrument, und darum mußte er anders behandelt werden als der Grundbesiß, mit dem der Spekulant sein Spiel treibt. Wir halten die Steuer für eine gerehte; daß sie nicht ohne Härte durchzuführen, daß sie noch nicht vollkommen gestaltet ift, dieses Schicksal teilt sie mit allen neuen Steuern. Man wird fich aber mit der Steuer ganz abfinden. Die Hinausschiebung der Aufhebung des einen OVrittelprozents des Umsaßstempels bis 1914 widerspriht den Beschlüssen von 1909; uur mit großem Widerstreben Ion wir diesen Schritt mit ; der Hauptgrund dafür, daß wir es tun, ist die Unsicherheit über die Er- trüge einer solchen völlig neuen Steuer in den ersten Jahren ; daneben leitet uns. die Nücksiht auf die gerehten Ansprüche der Veteranen. Ausschlaggebend für unsere Zustimmung zu der Steuer ist das Moment der Ausgestaltung unserer Wehrmacht.

Abg. Dr. Weber (nl.): Die Besteuerung des unverdienten

Wertzuwachses ist uns sympathisch. Den Sozialdemokraten ist zuzu- eben, daß die Vorlage gewisse Abshwächungen erfahren hat; aber so te Worte, wie der Abg. Südeékum hatte, hätte ih gegen eine Steuer, déren Prinzip auch die Sozialdemokraten anerkennen, niht erwartet. In den Kompromißanträgen sind keineswegs neue Abschwächungen enthalten; im Göégenteil ist der An- trag uach § 20 bezüglich der jährlihen Ermäßigung der Zuwacßssteuer bei Lichte besehen® eine Verschärfung. Daß die Sozialdemokratie gégen diese Besißsteuer stimmt, is mir geradezu unfaßbar. Wer als Ziel die Verstaatlihung des Grund Und Bodens verfolgt, muß auf den Boden dieses Gesetzes treten. Die Heeresvorlage kann doch nicht dazu herhalten, Ihre Ablehnung vor den Wählern, vor den Arbeitern zu motivieren; den Standpunkt wiro kein Arbeiter verstehen, daß man, um gegen die Heeresvorlage ¿u demonstrièren, die Terrainspekulanten usw. von dieser Besitzsteuer frei läßt. Ein großer Teil meiner Freunde ist für die Aufrecht- erhaltung des Beschlusses zweiter Lesung, betreffend die Steuerpflicht der Landesfürsten; aber von dieser Frage die Entscheidung über das Eelep abbängig zu machen, halten wir für unri@tig. Wieviel das Gtträgntis der Steuer durch die angenommenen Abschwähungsanträge vettindert worden ist, hat uns der Abg. Südekum nicht gefagt, weil er es nit sagen kann, weil niemand, auch nicht der Staatssekretär, jeßt s{hon etwas darüber weiß. Aber angenommen werden darf do, daß die Vorlage dem Reiche 20 Millionen schaft und ebénso viel den Gemeinden und den Einzelstaaten. Bei Annahme der Kömpromißanträge werden wir die Vorlage alzeptieren.

Abg. Cuno (fortschr. Volksp.): Jch habe mich mit meinen Freunden na Kräften bemüht, an der Vorlage mitzuarbeiten und ihr eine Gestaltung zu geben, in der sie auch uns annehmbar war. Die Sozialdemokratie àls grundsäßlihe Gegnerin unseres kapitalistischen Syftens hat uns in unserem Streben nicht unterstüßt. Nachdem der landwirtschaftliche Grund und Boden dur eine Reihe von Abänderungen der Vorlage in erheblihem Umfange geschont worden war, mußten wir auf der anderen Seite dazu s{reiten, auch gewisse Kapitalaufwerdungen unterschiedlih von dem reinen Spekulations8gewinn zu behandeln. In der zweiten Lesung im

lenum sah es so aus, als ob die Wahlen dicht vor der Tür ständen. m Zentrum merkte man bald, daß cin solches Steuerrcht unbequem werden fönnte, unbequemer als die Erbschaftssteuer, die angeblich den ion 0s ruiniert, und da kamen die Abshwächungen der zweiten esung. Diese Anträge sind geeignet, den Ertrag der Steuer erheblich zu beeinträchtigen. Unsere Anträge hatten nur den Zweck, unberech- tigte Härten zu mildern, und zwar für den einzelnen Besiger, wahrend fie den err der Steuer nicht beeinträchtigeu. Wenn man si auf der einen Seite bemüht, gewisse Kategorien von Grundftücken chonend zu behandeln, fo kann man es uns nicht ver- denken, wenn wir das auch für andere Kategorien zu tun suchen. Für uns i} bestimmend, daß wir ein besseres Gesey als dieses in einem anderen Reichstage kaum zu stande bringen lönnten. Darum haben wir an dem Gesetz mitgearbeitet, man wird den ernsten Willen der Méhrheit gesehen abei das Gefe zu verabschieden. Die Vetexanenbeihilse ist so dringend, daß fie unter allen Umständen durgeführt werten muß, Wir können aber auf eine Nachprüfung des von dem Staatssekretär vorgebrahten Zahlenmaterials in bezug auf die Wertzuwachsfteuer ünd den Umsaßstempel nit verzihten, denn Steuern auf Vorrat wollen wir niht bewilligen. Leider hat das Zentrum auch darin einen Nückzug angetreten, daß es den befestigten Besi nicht so treffen wollte, als es notwendig ist. Wir müssen be- dauern, daß das Haus in seinèr Mehrheit sih ihm angeschlossen hát. Wie die Vorlage jeßt gestaltet ist, ist sie weder sozial, noh eine Besiß- feuer. Die Gemeinden werden aber dabei ziemlich {lecht weglommen.

Die Städte sollten doch das Recht erhalten, die Zuschläge zur Wert- zuwachssteuer in einem Umfange zu bemessen, der ihren wirtschaftlichen Interessen entspriht. Das Geseß ist aber im wesentlichen auf die Bedürfnisse des Grundbesitzes zugeschnitten, und das macht uns die Annahme des Geseßes außerordentlih s{chwer. Die Steuerfreiheit der Landesfürsten E Les wir entschieden ablehnen. Es muß mit deren Hoheitsrecht gebrochen und den modernen Anschauungen Geltung verschafft werden. Weitere Konzessionen, als wir sie gemacht haben, können wir nicht machen ; ein kleiner Anstoß könnte genügen, um einen Teil meiner Freunde zur Ablehnung des Geseßes zu bewegen.

Abg. Südekum (Soz.): Ein Geseß, für das die Konservativen stimmen, muß uns {hon von vornherein bedenklich machen. Es ist nicht richtig, daß der s{chwarz-blaue Blo sich gehütet habe, die Besißverhältnisse zu erschüttern. Die Zündholzsteuer ist ohne jede Rücksicht auf ihre ver- heerende Wirkung beschlossen worden. Wenn wir das Gese ablehnen, so lassen wir den fortgeschrittenen Gemeinden den weiteren Ausbau ihrer Wertzuwachssteuer, was für sie viel besser ist als diese Vorlage.

Abg. Gräfe (D. Rfy.): Jch habe zu erklären, daß meine Paxtei der Vorlage zustimmen wird, wie wic es für unsere nationäle Pflicht hielten, au der Reichsfinanzreform zuzustimmen. Es macht einen wohltuenden Gindruck, daß dieses Geseß auh mit Hilfe der national- liberalen Partei zu stande kommt. Das wird îm Lande einen ver- \söhnenden Eindruck machen. Das monarchische Gefühl würde es nicht verleßen, wenn die Landesfürsten zu dieser indirekten Steuer heran- gezogen würden. Die Wertzuwachssteuer betrahten wir als Schluß- stein der Neichsfinanzreform ; es wird dadurh das Ziel erreicht, das wir mit dieser Reform erreichen wollten.

Damit \chließt die Generaldiskussion.

S8 1—1a, 1b, lc, 2 werden ohne Debatte nah den Be- schlüssen zweiter Lesung angenommen.

Zu 8 3a nimmt unter großer Unruhe des das Wort der

Abg. Dr. Arendt (Rp.): Dieser § 3a, der bestimmt, daß die Be- steuerung dadurch nicht ausgeschlossen wird, daß ein nach diesem Geseßz steuerpflichtiges Rech18geshäft durch ein anderes Nechtsgeschäft verdeckt wird usw., ist auf Antrag des Abg. Cuno in zweiter Lesung an- genommen worden. Ich kann nicht umhin, meinen Widerspruch gegen eine folie ganz unberechtigte Bestimmung nohmals nachdrücklih zu betonen. Auch das Grbbaureht und das Vorkaufsrecht würden damit getroffen und eventuell in unerchörter Weise in das Besitrecht ein- gegriffen werden.

8 3a wird mit großer Mehrheit, auch der Reichspartei, aufrecht erhalten. E | ;

8 4 (Nichterhebung der Zuwachssteuer) wird mit zwei redaftionellen Aenderungen nah dem Antrage Graf Westarp gemäß den Beschlüssen zweiter Lesung ohne Debatte ange- nommen. j s H

Bei § 10 (Hinzurehnungen zum Erwerbspreise) befür- wortet der \

Abg. Trimborn (Zentr.) einen Antrag, wonach bei Grundstücken ín solchen Festungsrayons, die vor Grlaß des Rayongeseßes vom 21. Dezember 1871 entstanden sind, und für die eine Rayonentshädi- ung nicht gewährt worden ist, der Betrag hinzugerehnet werden oll, um den das Grundstück in dem für die Berechnung des Erwerbs- preises maßgebenden Zeitpunkt durch die Ginführung der Nayon- befhränkung an Wert gemindert war. Es handle sich darum, einen Teil des alten angestammten Ackerbürgerbesißes in Festungéstädten zu erleichtern.

Die Abgg. Graf Westarp und Genossen haben als § 12 folgende Bestimmung einzufügen beantragt:

„Bei Grundstücken in Festungsrayons, die vor dem Erlaß des Rayongeseßes vom 21. Dezember 1871 erworben sind, und für die eine Nayonent\chädigung niht gewährt worden ist, ist dem für den 1. Januar 1885 ermittelten Wert der Betrag hinzuzurehnen, um den das Grundstück durch Einführung der Nayonbeschränkung an Wert gemindert worden ist."

Staatssekretär des Neichsshaßamts Wermuth:

Mit dem Antrag des Herrn Grafen Westary und anderer zum & 12 bin ich dur{haus einverstanden.

Dagegen bitte ich, den Antrag des Herrn Abg. Trimborn ab- lehnen zu wroollen. Er entspricht meiner Auffassung uicht der Gerechtigkeit. Er seßt einen Fall, wo jemand das unter Nayonzwang stehende Grundtftück erwirbt, nahdem die Nayonbeschränkung bereits eiugeführt war. Ju diesem Zeitpunkte ist der Grundstückwert bereits durch den Ravonzwang herabgedrückt worden; wer also unter dieser Beschränkung gekauft hat, hat den Preis bezahlen müssen, welcher sich bérechnet unter Berücksichtigung des Nayonzwangs. Wenn er nun später, nachdem der Nayonzwang aufgehoben ist, enormen Gewinn matt, so liegt gar keine Veranlassung vor, dicsen Gewinn von der Zuwachssteuer zu befreien. Wohl aber liegt Veranlassung für Be- rücksi{chtigung der Grundstücke vor, die {on 1871 im Besitze der beutigen Eigentümer oder ihrer Erben waren, bei denen eine Ver- êußerung also nicht stattgefunden hat. Für diese entspriht der An trag der Gerechtigkeit, nit aber in dem Falle, den der Herr Abg. Trimborn im Auge hat.

Abg. Cuno (fortschr.

Trimborn.

Abg. Trimborn (Zentr.) wendet gegen den Staats\elretär ein, daß der betreffende Besißer doch die ganze Zeit hindurch die Rayonlast ohne jede Entschädigung getragen habe.

S 10 wird unverändert angenommen. Der Antrag Trimborn wird abgelehnt, der neue § 12 nah dem Antrage Graf Westarp und Genossen gelangt zur Annahme.

An Stelle des § 10þ, der gestrichen wird, wird nah dem Anirage Graf Westarp und Genossen folgender § 15a dem Gesetzentwurf neu eingefügt:

„Dem Veräußerungspreis sind hinzuzurechnen Entschädigungen für eine Wertminderung des Grundstücks, soweit der Anspruch während des für die Steuerberehnung maßgebenden Zeitraums nach dem 1. Januar 1911 entstanden und der Betrag nicht nach- wéislih zur Beseitigung des Schadens verwendet worden tft.“

Bei § 10c (Hinzurehnung von Zinsen zum Erwerbspreise) macht der

Ahg. Dr. Potthoff (forts{chr. Volksp.) darauf aufmerksam, daß das Wort „Erwerbspreis“ an dieser und an anderen Stellen der Vor- lage in durchaus vershicdenem Sinne gebraucht wird.

Abg. Graf Westarp (kons.) bestreitet, daß derartige Inkongruenzen bestehen.

Zu § 20 (Steuerskala) ist in zweiter Lesung vom zweiten Absaß nur folgender Saß übrig geblieben: „Die Steuer er- mäßigt sich für jedes vollendete Jahr des für die Steuer- berechnung maßgebenden Zeitraums, längstens jedoch für 30 Jahre, um 1 Proz. ihres Betrages“.

Die Abgg. Graf Westarp u. Gen. beantragen, die Worte „längstens für 30 Jahre“ zu Fcébeir und einen zweiten Saß hinzuzu fügen :

„Zst das Grundslück vor dem 1. Januar 1900 erworben, \o beträgt die Grmäßigung für die Zeit bis zum 1. Januar 1911 149/9 jährlich.“

(Jn zweiter Lesung war ein bezüglicher Antrag Weber Amen, aber bei der wiederholten Abstimmung abgelehnt worden.

Hauses

Volksp.) spriht gegen den Antrag

Nach kurzen Bemerkungen der Abgg. Cuno und Dr. Süde- kum wird der § 20 in dieser Fassung angenommen. i:

8 22 zählt die Befreiungen von der Steuerpflichi auf. Die Steuerfreiheit des Landesfürsten und der Landesfürstin war von der Kommission gestrichen. Dieser Beschluß ist in der zweiten Lesung aufrecht erhalten geblieben. i

Die Abgg. von Normann u. Gen. (dkons.) beaniragen,

die Bestimmung wieder einzufügen.

Staatssekretär des Reichsshaßzamis Wermuth:

Meine Herren! Ich habe die Bitte auszusprechen, daß Sie gemäß dem Antrag der Herren von Normann und Genossen in § 22 als Nr. 1 wieder einfügen möchten die Worte: „der Landesfürst und die Landesfürstin“. Die Gründe dafür find in zweiter Lesung ausführlich entwickelt. Wenn ih nochmals darauf zurückomme, so bitte ih mir zunächst folgende allgemeine Bemerkungen gestatten zu wollen.

Sie verlangen, meine Herren, mit Recht und nah dem Brauche des Hauses, daß als die Motive, die für Ihre Ansichten und Ent- \{hließungen maßgebend sind, diejenigen angesehen werden, weldhe Ste selbst dafür angeben. Das gleihe Recht bitte ich uns einräumen zu wollen, und wenn ich hier nochmals und ohne jede Einschränkung nachdrücklich erkläre, daß für die Haltung der verbündeten Ne- gierungen keinerlei vermögensrechtlihe Interessen, sondern auss{liezlich verfassungs- und bundesrehtlihe Erwägungen maßgebend sind, so darf id wohl vorausseßen, daß Sie diese Erwägungen, vor denen auc der Steuerbedarf Halt ¿zu machen hat, nunmehr zum Gegenstand Ihrer Kritik machen wollen und niht Gründe, welhe bloß supponiert sind.

Der Herr Reichskanzler hat in der Zeit zwishen zweiter und dritter Lesung noch besonders Gelegenheit genommen, die juristische Seite der Sache aufzuklären durh eingehende Nechtsgutachten. Diese Nechtsgutachten haben die Annahme bestätigt, daß die Landesfürsten dem Steuerrecht des Neiches nicht unterstehen. (Widerspruh und Zwischenrufe bei den Soztaldemokraten.)

Meine Herren, daß der Monarch in den Bundesstaaten mit den sonstigen Herrschaftsrehten au die staatlihe Steuerhoheit vereinigt, ist unbestritten und unbestreitbar. Ih muß leider einige der von dem Herrn Abg. Dove perhorreszierte Professoren hier denno zitieren. Es heißt beispielsweise in dem Staatsreht von Nönne-Zorn Band 2 Seite 138:

Hinsihhtlih der Person des Landesherrn kann rechtlih von einer Steuerpfliht und mithin von einer Steuerbefretung überhaupt nicht die Rede sein.

Und in G. Meyers „Deutsches Verwaltungsreht“ 2. Aufl. Band 2 Seite 251 Anm. 26 wird gesagt:

Die Befreiung des Monarchen ist \elbstverständlih und besteht auch ohne geseßlihe Vorschrift.

Von dieser Auffassung, meine Herren, ist auch die ständige NRechtsprehung des preußishen Oberverwaltungsgerihis ans gegangen. Sie ist übrigens nicht etwa eine spezifisch deutsche, sondern findet sich in zahlreihen Rechtsbestimmungen ausländischer Staaten wieder. Ich zitiere hier nur England, wo die Steuerfreiheit des Monarchen außer allem Zweifel steht, und wo das ift für die Herren doch vielleiht niht ohne Interesse in Sektion 10 des Zuwachssteuergeseßes von 1910 unter Ziffer 1 das Vermögen des Monarchen ausdrücklich von der Zuwachssteuer ausgenommen iît. (Hört! hört! rechts.)

Wenn nun die Bundesfürsten innerhalb ihrer eigenen Staaten von der Steuer frei find, so würde es dem Charakter des Reichs als eines Bundesstaats nicht entsprehen, wenn das Reich fie für ihr eigenes Territorium mit Steuern belegte. (Sehr richtig ! rets.)

Bis jeßt hat die Reichsregierung so zitiere ich aus dem uns gewordenen Gutachten

der Stellung der Landesherren als Souveräne ihrer Staaten stets Nechnung getragen. Demgemäß haben die Lande? berren auch nach der Gründung des Reichs ihre persönliche Souveränität und alle damit verbundenen s\taatlihen und völkerre{chtlihen Ehrenrehte unvermindert behalten. Di

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Di seitigung cines geschihtlich gewordenen und innerlich berechtigten Ausflufses ter im Staatsoberhaupt fich verkörpernden Staatsgewalt der Bundesglieder würde sich mit dem Grundgedanken der Neichs- verfassung nicht vereinigea lassen.

Meine Herren, es würde dann geradezu dahin kommen, daß den Bundesfürsten der das Reich bildenden Staaten nicht eiumcl die Stellung cingeräumt würde, die die einzelnen Bundesstaaten in fizuer licher Beziehung den diplomatischen Vertretern anderer Bundesöstozten zubilligen.

Sodann ist in praktischer Bezichung in hohem Grade bedeutungs voll, daß die logische Konsequenz der Steuerbefreiung der Bundes staaten auch die Steuerfreiheit für die Landesfürsten ift. Würden Sie diese uicht anerkennen, meine Herren, so würden Sie in einer großen Neihe von Bundesstaaten Konsequenzen herbeiführen, die fc gar nicht übersehen lassen. Sie würden praktishe Schwierigkeiten bewiiken, die mit dem hier zur Gntsheidung kommenden Puakte in gar keinen Vergleich zu stellen sind.

Ih will nur einige wenige Bundesstaaten hier anführen, deren Verhältnisse besonders \{chlagend erscheinen. In einer Anzabl von thüringishen Staaten ist zwar über die Einkünfte aus dem hal staatlichen, halb landesherrlihen Vermögen, weldes man Kamnecr: vermögen nennt, genaue Bestimmung getroffen. Dagegen ist die Gigentuméfrage im Einyerständnis aller beteiligten Fak toren des Staatslebens in der Schwebe gelassen. Niemand hat an der Aufrührung der Frage ein Interesse. Sie würde aber wah werden und wah werden müssen, wenn der § 22 zwishen dem Bundesfürsten und dem Bundefstaate unterschiede. y

Im Königreih Sachsen ist die Frage ebenfalls niht unbestritten. Die Praxis behandelt zwar überwiegend den Staatsfiskus als Gigen- tümer des Staatsgutes, aber die Staatsrehtstheorie ist, worüber ich Ihnen Zitate anführen könnte, in diefer Hinsicht kleine8wegs einig und das Sächsishe Oberverwaltungsgeriht hat als Gigentümer der zum Domänengut, einem Teile des Staatsgutes, gehörenden Kron- güter den jedesmaligen Throninhaber aufgefaßt.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staaksanzeiger.

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(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Besonders bedeutungsvoll find die Verhältnisse in Baden und ih bin überzeugt, dtejenigen Herren, welche aus Baden stammen, E t die Nichtigkeit der von mir anzuführenden tatsächlichen Been zugeben müssen. In Baden ist eine Scheidung des

m albehkeo8s in ®rn (ck A {2 ; ç 5ER O ER E N e Stagroeigenium bisher nicht erfolgt. Be nan dort den ganzen Vomíänen- und 5ivillislegrundstock als Vigen des randesfürsten ansehen, wofür man sih auf Art. 59 der Berfassung berufen kann, so würde Baden gegenüber anderen Bundes- staaten ganz außerordentlich \{lecht behandelt. (Sehr richtig!) Es würde {ließli dahin kommen, daß der ( te badishe Domantal- besiß in Baden zur Steuer herangezogen werden könnte, ein Erfolg,

der unmöglich in der Absicht dieses Neis»zesetes liegen kann, welches

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die Bundess Yber auch für die nach dem Gesetze vom 3.

Dosaus|tattung ausgeschiedenen Grundstücke ift

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Begründung der Steuerfreiheit der die

Kommission zur rten Fürsten behauptet worden tit. Was er a1 jutahten verlas, fann \ich nur auf direkte Steuern beziehen iht auf indirekte Steuern. Wichtige staatsrehtlihe Gründe können ja dafür sprehen, daß die Landes- fürsten pon der direkten Steuer befreit werden Bel diefem § 22 liegen die Dinge umgekehrt wie bei dem späteren § 56. Vet allen indireften Steuern steht nichts davon, daß die Landesberren ausgenommen werden follen. Ein Landesherr, der cine Zuckerfabrik er eine Branntweinbrenneret unterhält, ist doch auch nit von der

Steuer befreit. Dasselbe gilt von der Börsensteuer. Wir würden also die staatsrechtlihen Grundsäße verlegen, wenn wir bier eine Uusnahme machten. Der Landesherr, der eine Zigarre raucht oder ein Glas Sekt trinkt, bezahlt auch eine indirette Steuer. S6 it ein Trugs{hluß des Staats\ekretärs, die Steuerfreibeit der Bundesftaaten müsse auch die Steuerfreiheit der Landesherren Die haben wir nur deshalb

Ur ¿Folge haben. H

können.

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i Bundesstaaten [reigelassen in diesem Geseß, weil sie zur Wertsteigerung beigetragen haben. C8 handelt sich hier um eine indirekte Steuer, die lediglich trifft. Man hat gesagt, man möge die Sache dem guten

r Landesfürsten überlassen. Der konservative Antrag unter-

1 « 4 Etnen folhen Staat gibt es \{on, in

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Möglichkeit. dem der Landesherr die Zuwachssteuer an die Gemeinden zahlt. De1 JKetdôstag fönnte hödstens beschließen, die Landesfürsten von der ¿eissteuer auszunehmen, aber niht von der Gemeindesteuer. Ist die Vorlage für die verbündeten Regierungen ohne die Befreiung unannehmbar, so ist sie es für uns- mit der Befreiung. : _ Abg. Göhre (Soz.): Solche Rechtsgutachten, wie sie der Staatssekretär vorgeführt hat, sind wohlfeil wie Brombeeren, aber jahlih niht durch\chlagend. In jedem Falle geht Reichsreht vor Landesrecht, auch wenn es \sich um Fürsken handelt. Die Landes- fürsten hätten am besten getan, in der Zwischenzeit zu erklären, daß sie die Steuer freiwillig tragen wollen, um fo mehr, als die Steuer in Verbindung mit der Veteranenfürsorge gebraht worden ist ; das wäre ein nobile officium gewesen. Da die Fürsten es nicht agetan haben, fo bleibt uns nihts übrig, als sie geseßlih zu threr Pflicht zu zwingen. Sollten das Zentrum und die Holen wirk- li, wie wir hören, für den konservativen Antrag stimmen, so werden die chriftlid,en Arbeiter ihnen das nit vergessen. Würde der Antrag angenommen, so wäre das ein neuer Gesichtspunkt für uns, gegen das Gesetz zu stimmen. ;

Berlin, Mittwoch, den 1. Februar

_ Abg. Zehnter (Zentr.): Wie Sie (zu den Sozialdemokraten) unsere Haltung beurteilen, ist uns glei{gültig, jedenfalls möchte ih meine erattion dringend „darum bitten, dên fonservativen Antrag anzunehmen. Dazu bestimmt mich namentlih die Nücksicht auf Baden, wo das Vomanialvermögen nicht geschieden ist. Wir sollten hier nicht Be- \{lüsse fassen, deren Tragweite wir nicht übersehen können. Wir tónnen au die Frage nicht so nebenbei erledigen, wir müssen erst das ganze Zatsachenmaterial zur Verfügung haben. Wir müssen dieses Domanialvermögen als Staatsvermögen ansehen: würde die Zuwachssteuer erboben, so würden wir zu immer neuen Erhöhungen der Zivllliste genötigt sein, also würden s{ließlich die Untertanen für die Steuer aufkommen. ¡ _ Abg. Dr. Weber (nl.): Die große. Mehrheit meiner volitis{en ¿reunde ândert ihre Haltung in zweiter Lesung zu dieser Frage auch in dritter Lesung nicht. Die ganze Debatte ist von dem Kollegen Zehnter und vom Staatssekretär auf das Gebiet des Domania bermogens und des Krongutes verschoben worden ; wir wollen in § 22 vor allem das freie, in keiner Beziehung gebundene Vermögen der ¿gUrsten treffen, das mit jenen Dingen absolut nichts zu tun bat. Schwierigkeiten, die sih ergeben möchten, könnten dur Landes- geleBe beseitigt werden. Gegenüber dem freien Vermögen der Landes [Ursten und Landesfürstinnen können wir eine Befreiung von der Steuerpfliht des unverdienten Wertzuwachses als eine gerechte Forderung niht ansehen. In der „Deutschen Tageszeitung" ist be- yaupteï worden, es drüde fi in der Haltung der Mehrheit der zweiten Lesung eine gewisse antimonarchishe Haltung aus; ih weise dieje Znsinuation entschieden zurück. Cs ist sehr die Frage, ob diese Mehrheit niht eine monarchiefreundlichere Gesinnung hegt als der Jedatkeur der „Deutschen Tageszeitung“, eines Organs, das {on fo viel Unheil angerichtet hat. ; i _ Abg. Dove (fortschr. Vp.): Für die staatsre{tlihen Gründe, die doch aussließlich für die Landesfürsten in Betracht kommen follen, ar Staatssekretär des Meichsjustizamts zuständig gewesen. ‘etár hat auch nicht auf das Neichsrecht, sondern auf ! gegriffen und zurückgreifen müssen. ckchlimm genug, daß inzelnen deutschen Ländern noch keine Ordnung be- ¡glich des „Kammervermögens“ geschaffen ist. Hier liegt feine Abgabe vor, die das Vorrecht einer Person trifft, es kommt hier gar niht auf das persönliche Vorrecht an, da die Abgabe an einen Nechtsakt anknüpft. Dem Reich find die indirekten Steuern vor- behalten; wie kann man da persönliche Vorrechte hineintragen wollen ? 2'as wird das Volk nit verstehen ; und diese Auffassung des Volkes int durchaus gesund. Deshalb müssen wir an den Beschlüssen zweiter Lesung festhalten. Staatssekretär des Reichs\haßamts Wermuth: Meinerseits habe ih das feste Zutrauen in die Bevölkerung, daß ne die Erwägungen, welche ih für das geltende Necht vorgetragen abe, zu verstehen wissen wird. Niemand wird wünschen, im Drange des Augenblicks eine vollständige Revision unserer bundesrechtlichen se

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Verhältnis I of A M E L F G Meine Herren, der Herr Abg. Dove hat gefragt, wo der Herr

Staats|\ckretär des Neichsjustizamts sei. Damit wollte er wohl meine

ualififation zur Vertretung der \taatsre{chtlidßen Seite etwas in

Zweifel ziehen. Um mich dur die Autoxität des Neichsjustizams zu

stärken, erlaube ih mir, Ihnen mitzuteilen, daß ein großer Teil von

dem, was ih hier geäußert habe, wörtlich aus einem Gutachten des

Herrn Staatssekretärs des Neichsjustizamts verlesen worden ist. (Große

Heiterkeit und Zurufe links.)

Meine Herren, ih vermisse aber doch die Widerlegung einiger Gesichtspunkte, die ich vorgetragen habe. Gewiß habe ih sie noch von dem Herrn Alg. Junk zu erwarten. Z. B. hat niemand der Verren erklärt, wie es denn kommt, daß in England diese Exemtion besteht (Unruhe und Zurufe links: Was geht uns England an?), und daß fie dort (Andauernde Unruhe links) und daß die Erxemtion des durh das Zuwachssteuergesetz ausdrücklich auch auf die von diesem betroffenen Verhältnisse ausgedehnt worden ist. Wir wollen

niht in Haarspaltereien ergehen, namentli nicht in Unter-

{dungen zwischen direkten und indirekten Steuern (Heiterkeit links), aber das liegt doch auf der Hand, daß si die Sphäre des Bundes- fürsten als folhen nicht nah der Seite des beweglihen Eigentums hin erschöpft, sondern daß se vas Grundstück in hervorragendem Maße ergreift. (Sehr richtig! rechts; Zurufe links.) Es würde der größte Fehler sein, diese bhistorishe Entstehung der Fürstenhäuser nicht ge nügend zu berücksihtigen. Meine Herren, Sie wollen das aber mit einem Federstrih tun. Sie erklären, wenn wir hier bei Gelegenheit des Zuwachssteuergescizes dekretieren : die Bundesfürsten sollen Steuern zahlen, dann mögen \ih sämtliche Landesverfassungen in Bewegung seßen und alle die Aenderungen vornehmen, die infolge davon nötig werden. Ja, das ist von hier aus sehr bequem gesagt; welche Fülle von Schwierigkeiten Sie damit hervorrufen, das ist von mir zwar an einzelnen Beispielen angedeutet n orden, läßt sich aber im einzelnen gar nit s{ildern. Sie, meine Herren, würden dur cinen Beschluß dieser Art eine sehr {were Verantwortung übernehmen. Ich aber habe zu erklären, daß durh einen folchen Beshluß Schwierigkeiten ge|chaffen würden, die sih niht überwinden lassen (hört! hört !), und daß der Beschluß vom Standpunkt des Bundesrechts überhaupt als urchführbar nit erscheinen wird. (Zurufe links.)

Abg Dr JU n ck (nl.): Jh kann mich diesen Ausführungen

niht an|chließen. Vie englischen Verhältnisse sind vom Stand-

punkt der Neichsverfassung für uns nit maßgebend. Ih wünschte lehr, daß die Gutachten, auf die sh der Stoatssekretär bezog, nachträglih bekannt gegeben werden, damit die Wissenschaft dazu

Stellung nehmen kann. Diese Gutachen sind mix sehr auffallend.

Vie Pramij}je dieser Gutachten ist die, daß der Fürst in seinem Lande

nicht zur Besißsteuer herangezogen werden kann. Diese Prämisse ist aber

mcht zutreffend, denn die Landesfürsten unterliegen in ihrem Staatc

Berkehrésteuern und anderen Steuern. Vie Neichsveifassung

steht jedenfalls einer Besteuerung der Landesfürsten nicht entgegen.

Vie Landesfürsten haben zu Gunsten des Reichs auf ihre Souveraänität

verzichtet. Die Souveränität ruht beim Reiche, und den Bundes

staaten steht nur die \taatsrechtlihe Autonomie zu. Jch kann mi in dieser Hinsicht auf Professor Laband berufen. Wo steht denn in der Reichsverfassung die Bestimmung, die einer Besteuerung der

Bundesfürsten entgegensteht? Ich bitte, mir diese Bestimmung zu

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nennen. Mit dem „Geiste der Verfassung“ kann hier nicht operiert

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werden. Der Hinweis auf den Geist der Verfassung stebt auf dem

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Niveau der Nedensart: Es bedarf keiner weiteren Ausführung. Ich

erinnere an das bekannte Wort Goethes: Der Geist der Zeiten ist der

Herren eigner Geist. Auf die Frage, ob vielleicht zu diesem Zwecke

die Verfassung geändert werden könnte, gebe ih nicht ein. Es bandelt

si bier nur um die Frage, wie die Mehrheit des Neichstages und

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der Bundesrat dazu steht. Jura saccuiorum der Fürsten, über

die durh Neichstagsbeshluß niht hinweggegangen werden könnte, gibt es meiner Meinung nah nicht. Wenn der Staatssekretär auf die agitatorische Tragweite eines Reichstagsbeschlusses hingewiesen und gesagt hat, es wäre unsere Aufgabe, dieser Agitation entgegen zu treten, so möchte ih, eremplifizierend auf England, ihn bitten, Gé- legenheit zu nehmen, seine Politik, die er hier vertritt, au draußen im Lande persönlich zu vertreten.

Abg. Ulrih (Soz.): Jh bitte diejenigen, die in der zweiten Lesung noch geshwankt haben, jeßt dieses Schwanken guf- zugeben und mit uns gegen die Steuerbefreiung der Fürsten zu votteren; denn nichts is unpopulärer als die Steuerfreiheits- bestimmungen in einzelnen Staatsgeseßen. Eine neue Steuerbefreiung hier durch Reichsgeseß festzulegen, wäre der Gipfel des Un- verslandes der bürgerlichen Parteien. Wir werden Ihnen jedenfalls den Beschluß der Steuerfreiheit zu Gunsten des Privatvermögens der Fürtten niht schenken. Der Staatssekretär hat sich ledigli ans Staatsrecht gehalten; daß seine Auffassung von Gelehrten unter- \tußt wird, daran hat doch auch vorher niemand gezweifelt. Eine solche Steuerfreiheit der Fürsten ist eine Bedrückung der armen Leute, denn diese müssen bezahlen, was Sie den Fürsten \{enken. Wo bleibt die soziale Fürsorge, wenn die [eistungsfähigen Schultern nicht herangezogen werden? Mit dem Wachsen der Städte rückt das Eigentum der Fürsten ganz von selbs immer mehr in den Rayon hinein, wo der Wertzuwahs eintritt, ohne daß fie irgend etwas dazu tun. Die s\taatsre{chtlihen Bedenken betreffen immer nur den Domanialbesig, niht den starken da- neben stehenden freien privaten Besitz der Fürsten, der mit jenem nichts zu tun hat, also aul nihts mit den s\taatsrechtlichen Veduktionen des Staatssekretärs. Bei dem reinen Privateigentum der fürstlichen Familien hat doch au die Regierung oder die Staats- verwaltung nichts zu sagen. Es ist auf England eremplifiziert worden. Dieser Oinweis auf englische Verhältnisse wird immer dann sehr beliebt, wenn es

den Herren einmal in den Kram paßt: man soll uns doch die englische Ver- sa}jung geben, dann kommen wir weiter. Der Staatssekretär sprach von unüberwindlihen Schwierigkeiten; sollte das heißen, das Gesetz sei unannehmbar, wenn die Steuerpflicht der Fürsten beschlossen wird ? Eine größere Dummheit könnte doch nicht gemacht werden, als das Gefeß daran scheitern zu laffen. Lißt der Bundesrat tatsächlich die Vorlage fallen, dann trägt er aus\{ließlich die Verantwortung. _ Ubg. Graf Westarp (kons.): Wir weichen in der prinzipiellen Auffassung ab von den Abgg. Dove und Junck. Das Verhältnis zwischen Reich und Bundesstaat wird von diesen Herren so dargestellt, als ob

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das Reich eine besondere Souveränität habe. Das können wir nit anertennen ; die Souvéränität des Neiches wird ausgeübt von der Ge- samtheit der Bundesfürsten, sie haben doch dur diesen Zusammens- \chluß bon ihrer Landesfouveränität nicht mehr aufgegeben, als nötig und in den Verträgen ausgesprohen war. Daher lehnen wir ab, daß die Reichsgesezgebung in die Verfassung der Einzelstaaten eingreifen und diese ändern foll. Pekuniär hängt für den Ertrag des Geseßes so gut wie nihts an dieser Frage. Cine Agitation von Jozialdemokratisher Seite, die den Tatsachen ins Gesicht hlägt, ind wir nun einmal gewohnt.

__ Abg. Dr. Südekum (Soz.): In den leßten Wahlen. im Osten ist die konservative Partei gegen die Sozialdemokraten und Liberalen mit Behauptungen krebsen gegangen, die der agitatorischen Unsitte früherer Jahre um Pferdelängen voraus war. (Zwischen- ruf des Abg. Kret h.) Mir wäre es jehr angenehm, wenn Sie die Steuerbefreiung der Fürsten in das Geseß hineinschrieben; denn lediglih mit der Feststellung dieser Tatsahe würden wir unsere Crfolge zu erzielen wissen. Die Neigung zu Verdrehungen über- lassen wir anderen; fie möchte vielleiht auch auftreten beim Zentrum, wo sonderbarerweise auch die Arbeitervertreter sich von dem Abg. Zehnter überzeugen lassen. Wenn doch der dr. Heim hier wäre! Der Schahßsekretär macht uns vor Berfasjsungsänderungen bange. Das Gesey an sich involviert {on eine Verfassungéänderung; denn nah Art. 4 der Verfassung hat das Reich kein Recht, in die Gemeindesteuergeseßzgebung einzugreifen. gar nicht, warum die Rechte, das Zentrum und wahrscheinlich auch die Polen den Fürsten das Hochgefühl rauben wollen, auch ein bißchen für die Militärvorlage und die Veteranen beizutragen.

Damit {ließt die Diskussion.

Jn der namentlichen Abstimmung wird der Antrag von Normann mit 166 gegen 138 Stimmen angenommen; die Steuerbefreiung der Landesfürsten und Landesfürstin ist damit nah der Vorlage wiederhergestellt. Die 17 Polen enthalten nh der Abstimmung. Zur Minorität gehören die Sozial- demokraten, die fortschrittlihe Volkspartei, die große Mehrheit der Nationalliberalen, die deutshe Reformpartei und ein kleiner Teil des Zentrums. Die Verkündigung des Resultats wird mit ironischen Beifallsrufen auf der äußersten Linken begrüßt. __ Abg. Dr. Neumann-Hofer (fortshr. Volksp.) befürwortet einen Antrag auf Einfügung eines neuen § 22 a, wonach dur die Landesgefeßgebung Ausnahmen von der eben beschlossenen Be- stimmung zugunsten der Gemeinden gemacht werden fönnen. Wo jolche landeëgeseßlihen Bestimmungen bereits bestehen, \oll es dabet sein Bewenden behalten. Er verweist auf die bezüglichen Verhältnisse im Fürstentum Lippe.

Staatssekretär des Reichs\shaßzamts Wermuth:

Von meiner Seite bestehen nicht die geringsten Bedenken dagegen, daß dieser Antrag angenommen wird. Der Herr Vorredner hat mit Recht hervorgehoben, daß er in der Kommission bereits angenommen war und später nur weggefallen ist, weil das Schiksal der Haupt- bestimmung ein anderes wurde. Jh stelle anheim, den Antrag an- zunehmen.

Ih weiß aber

S 2a wird nah dem Antrage Neumann-Hofer ange- nommen. N

Um 61/5 Uhr wird die Fortseßung der Beratung auf Mittwoch, 12 Uhr, vertagt. Außerdem Petitionen, betreffend den JImpfzwang und die Bäckereiverordnung ; Strafprozeß- ordnungsnovelle.

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 16. Sißung vom 31. Januar 1911, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Das Haus sezt zunächst die zweite Beratung des Staats- haushaltsetats für das Rechnungsjahr 1911 bei dem Etat der Domänenverwaltung fort.

Zu diesem liegen folgende Anträge vor:

1) von den Abgg. Bartscher (Zentr.) und Genossen: „die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, von Zeit zu Zeit, mindestens alle 5 Fahre, über die der Domänenverwaltung unter -

stellten Werte der Domänen und deren wirtschaftlihe Ergeb-