1891 / 53 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 02 Mar 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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den oben erwähnten Brand veranlaßi bätten, ni@t überschritten gewesen sei, weil jeder Fabrikant einen unnötbigen Ueberfchuß gerade an diefen theuersten Substanzen vermeiden werde. Außer der Festseßung der Prozentsäßze müsse daber auf eine feuersihere Verpackung Bedacht ge- nommen werden. Dementspreheznd empfiehlt die Deputation die Ein- führung folgender Bestimmungen: „1) Zu Streichbölzern, deren Zünd- fövfchen dlorsaures Kaliuri und Phoéëpbor effthaiten, dürfen nur Zündmafsen, welche höhstens 1009/6 Phosphor und 333 °%% chiorfaures Kalium enthalten, Verwendung finden. 2) Die Zündbölzer sind in feste Holz- oder Pappschatteln bis zu 100 Stück so zu ver- packen, daß fkeinerlei Beweaung der Hölzer mögli® ist. 3) Ein Duzend dieser Schachteln sind zu Paketen zu vereinigen, welche einen festen Umschlag von festem Pavier haben, dessen Falzung mit Leim verklebt ist, und diese sind weiter in Kisten von 1,2 chm Raum aus festem Eisenblech so einzuseßen, daß jede Verschiebung ausgeshlofsen ist. In den gut s{ließenden Deckel sind kleine Löcher einzus&lagen, damit bei etwaiger Entzündung die Gase abzieben können. 4) Die Eisenblechkiste muß in eine feste Holzkiste eingeseßt ]ein, deren Deckel ebenfalis an einigen Stellen durchbohrt ift. Außerdem muß auf demselben die deutlihe Beczeibnung „Streihbölzer mit Phoëpbor und chlorfaurem Kalium“ sowie die Fabrikmarke angebradt werden. 5) Auf dem Frachtbriefe jeder Sendung foli eine amtlich beglaubigte Unterschrift des Fabrikanten die Versicherung enthalten, daß den Bestimmuxgen unter 1 bis 4 nachgekommen ist.“

Diese beiden technishen Gutabten sind dem Verein zur Wab- rung der Interessen der bemishen Industrie Deutschlands mitgetheilt worden, worauf fich derselbe folgendermaßen au®gelafsen bat: R

Die von der Königlih vreußiscen techniswen Deputation für nothwendig erachtete Verminderung des Höhstgehalts an Phoëphor und ch&lorsaurem Kali bis zu 5% und 20 °/% der flüssigen Zünd- masse sei ohne Beeinträhtigung der Güte der Streichböl:er aub nach Arsitt betheiligter Industrieiler durchführbar, und es liege daher Seitens der Lündbolzindustrie kein Bedenken vor, die Höbe der Prozentsäße dem Gutathten der Königlich technishen Deputation entsprebend zu be- messen. Die Annabme der Vorschläge der Königlich fähfisLen Depu- tation aber würde cine {were Schädigung der teutshen Zündholz- fabriken zur Folge baben, weil der fraglihe Artikel zu billig fei, um diese theuere Verpackungsart tragen zu können. Ueberdies würde die vorges@lagene Dur{löcherung ter Eisenblech- und Hol;kisten eher zu einer Erhöhung, ais zu einer Verminderung der Gefahr führen, denn durch d28s8 Anbringen von Löchern in den Kistendeckeln werde der Zutritt von Sauerstoff erleichtert, mithin die Feuersgefahr im Falle einer Ent;ündung wesentlich erböht.

Auch das Reichs-Eisenbahnamt kann stinerseits im Hinblick auf die große Bedeutung, weile die fraglißen Streichhölzer nach den Mittheilungen des mehrerwähnten Vereins für die deutshe Induftrie haben, si nur dafür auésprechen, daß tie in Vezug auf die Ver- packung zu stellenden Anforderungen auf dasjenige Maß beschränkt leiben, wel@es die Bitriebssicherheit unbedingt crfordert und daß nit chne zwingende Gründe Anordnungen getroffen werden, welhe die Beförderurg des Artikels in hobem Grade ecri{weren würden. In Rüdcksitt hierauf sowie in Anbectracht der Thatsace, daß troß der erbeblihen Zündbölzersendungen doch nur vereinzelte Brandfälle bekannt geworden sind, möcht? es si ewpfeblen, die von der preußiscen tewnisWen Deputation in Uebereinstimmung mit dem Verein zur Wabrung der Interessen der chemischen In- dustrie Deutschlands vorges{blagenen Sicberbeitévorschriften einzuführen und von weitergebenden Anordnungen wenigstens zur Zeit abzusehen.

Demgemäß hat das Reichs-Eisenbahnamt beantragt, beim Bundesrath eine entsprehende Aenderung des §. 48 des Be- triebsreglements und der Anlage D zu diesem Paragraphen zu befürworten,

Das Armee - Verordnungs- Blatt veröffentlicht folgende Allerhöchste Cabinet2ordre, betreffend größere Truppen- übungen im Fahre 1891, + E

Auf den Mir jenen Bortrag bestimme I binsihtlich der diesjährigen größeren Truppenübungen: S .

1) Das A und XI. Armee-Corps einschließlich der (Grof herzoglid Hessischen (25.) Division .halten Manöver vor Mir ab,

Jedes Armee-Corps hat für sih_ große Parade. Bei dem X1. Armee-Corvs fällt das in der Felddienft-Drdnung 2. Tkeil Ziffer 12 vorgesehene Corps-Manöver gegen markirten Feind aus. Bei dem 1V. Armee-Corps findet an Stelle. .des Corps- Manövers gegen marfkirten Feind ein Corps-Manöver_ in zwei Parteien gegen- einander statt. Hieran {ließen si dreitägige Manöver der beiden ‘Armee-Corps gegeneinander. . : A :

2) Beim 19. Armec-Corps wird eine Reserve-Division gebildet, über deren Zusammenseßung und Theilnahme an den Manövern das Kriegs-Ministerium die näheren Anordnurgen zu treffen hat. Die Stellenbefezung bei dieser Reserve-Division, soweit sie niht im Mobilmacbungéfalle dem General-Kommando bz. den obersten Wo fenbebörden zufällt, behalte I Mir vor. E

3) a. Beim 1V., XI., II. und XVII. Armee-Corps wird je eine Kavallerie-Division aufgestellt, deren Ordre de bataille aus der An- lage ersibtlih ift. Die Bestimmung der Divisionsführer sowie der Führer derjenigen Brigaden, weiche für diese Uebungen besonders zu- sammengesett werden, behalte Ih Mir vor. Soweit I bei dieser Gelegenbeit nit über die Bildung der Divisions- und Brigadestäbe Anordnurg treffe, veranlaffen die General-Kommandos dieselbe, b Die bei dem 1Ÿ. und XI. Armee-Corps aufzuftellenden Kavallerie- Divißonen treten nah Beendigung der gemäß Felddienft-Ordnung 2. Theil Abschnitt D abzuhaitenden besonderen Kavallerie-Uebungen bei Beginn der Manöver vor Mir zu dem 1V., bz. XI. Armee- Corps. c. Die bei dem Il. und XVIl. Armee - Corps aufzustellenten Kavallerie - Divisionen halten nach Beendigung der um drei Uebungstage zu fkürzenden besonderen Kavallerie- Uebungen (Felddienst-Ordnung 2 D.) dreitägige Manöver der Kavallerie- Divisionen gegeneinander, unter Leitung des Inspecteurs der 2, Ka- rallerie-Inspekftion General-Lieutenants von Rosenberg, av. Unmittel- bar vor und na§ diesen dreitägigen Uebungen ift je ein Ruhctag orzuordnen. Außerdem erbält der Leiter dieser Uebungen die Bere- tigung, vor Beginn derselben zur Versammlung der beiden Divisionen an dea von ibm gerüni{ten Punkten ein bis zwei Marsctage einzu- ibieben. Die zu den Uebungen berangezogenen Stäbe und Truppen- tbeile nebmen nach Beendigung der Uebungen an den Divisions- und eczeberen Falls aub an den Corps-Manövern derjenigen Armee-Corps Tbeil, denen fie angebören. :

4) Die Herbftübunaen derjenigen Armee-Corps, wel@e nit vor Mir Manöver abhalten, finden in Gemäßheit der Bestimmungen der Felddienst-Ordnung ftatt. i : i 5) Das Königin Augusta Sarde - Grenadier - Regiment Nr. 4 rimmt an den Herbstübungen des Garde-Corps Theil.

6) Bei der Anlage sowobl, als der Ausführung aller Uebungen ift auf Verringerung der Flurshäden Bedacht zu nehmen. In denjenigen Fällen, in welden die Flurentschädigungen als befonders bow ft beraué stellen, hat Mir das Kriegs-Ministerium Berichte der Divisions-Commandeure darüber vorzulegen, welchen besonderen Um- ftänden dies zuzuschreiben ist und welche Anordnungen zur Verringe- rung der Flurichäden getroffen waren.

7) Bei dem Garde-, I., IIL., V., VI., IX., XIV., XV und XVII. Armce-Corps finden Generalftabsreisen, bei dem XVI, Armee- Gorps eine Feftungs - Generalstabsrcise nah Maßgabe der Be- ftimmungen über die jährlihen Generalftabsreisen vom 29. November 1888 ftatt.

8) Bei dem Garde-, I., IL, II., V., VI. und IX. Armee-(5orps finden Kavallerie - Uebungéreisen nah Maßgabe der Instruktion vom 23. Januar 1879 ftatt. . E

9) Eire größere Armirungs-Uebung der Fuß-Artillerie. hat bei Met, eine größere vionier-technische Uebung bei Graudenz stattzufinden, Die näßeren Anordnungen über Theilnabme von Truppen an diesen Uebungen sowie die sonft erforderlihen Ausführungébestimmungen

trifft tas Kricgfminifterium bezichungsweise die General-Inspektion des Ingenieur- und Pionier-Corvs und der Festungen. e

Ueber die Abbaltung. von Befestigungs- bezichunas8weise Angriffs- Nebungen unter Betbeiligung aller Waffen behalte Ich Vir weitere Bestimmung vor. s 7 E

10) Die Rüdckebr der Truppen von den Herbstübungen in ihre Standorte ist derartig anzuordnen, daß die in Meiner Ordre vom 29. Januar 1391 über die Rekcutirung des Heeres für 1891/92 in Betreff der Entlassurg der Reserven gegebenen Festsezungen zur Auês- fübrung gelangen Tönnen.

Berlin, den 19. Februar 1891.

Wilbelm.

von Kaltenborn.

Im Anschluß an diese A Kabinets-Ordre hat der Kriegs-Minister unter Anderem bestimmt:

Die sämmtlichen zu den besonderen Kavallerie-Uebungen heranzuziehenden Regimenter find gemäß F. O. 2. 6 insoweit in ihrem Mannshastsstande zu ergänzen, als sie diesen auf Pferden beritten machen können, welche niht shonungsbedürstig sind. Behufs Bestreitung der Kosten der Kavallerie-Uebungs- reisen werden zur Verfügung gestellt : dem Garde-Corps 3000 M, dem I. Armee-Corps 2500 (, den übrigen Armee: Corps je 2000 M Die näheren Anordnungen über die Armirungs-Uebung bei Metz bleiben vorbehalten, Zum Zweck fkriegsgemäßer Verwendung der Pionier-Detachements werden den beim IV., XI,, Ik. und XVIT. Armee-Corps zu bildenden Kavallerie-Divisionen je 200 M zur Verfügung gestellt.

Der neuesicn Nummer des Armee-Verordnungs-Blattes sind in besonderer Beilage die Bestimmungen für die Uebungen des Beurlaubtenstandes im Etatsjahre 1891/92 beigefügt. Abdrücke dieser Beilage sind bei der Königlichen Hofbuhhandlung von E. S. Viittler u. Sohn, Berlin SW., Kohstraße Nr. 68—70, auf unmittelbare Be- stellung zum Preise von 30 Z für das Exemplar zu haben.

Hiernah werden- in den gedachten Etatsiahr zu den Uebungen der Reserve und Landwehr im Ganzen bei der Kavallerie 5280, bei der Feldartillerie 7536, bei der Fuß- artillerie 3800, bei den Pionieren 2300, bei der Eisenbahn- Brigade 600, bei der Luftschifferabtheilung 20, bei dem Train 5320 Mann eingezogen; zu den Uebungen der Ersaßt- reservisten undzwar zur ersten (zehnwöchigen) Uebung werden eingezogen von der Fnfanterie in Compagnien zu etwa 100 Mann 9610, von den Jägern 300, von der Fußar.illerie 1150, von den Pionieren 630, vom Train 810 Mann. Zu einer zweiten (sehswöchigen) bezw. dritten (vierwöchigen) Uebung sind abgesehen vom Train alle diejenigen Ersaß-Reservisten heranzuziehen, welche im Vorjahr die erste bezw. zweite Uebung abgeleistet haben. Auch können aus früheren Fahren zur Deckung etwaigen Ausfalles E: saß-Reservisten zu einer zweiten bezw. driiten Uebung herangezogen werden, soweit hier- durch bei jeder dieser Uebungen die für die erste Uebung fest- gcfeßten Zahlen niht überschritten werden.

Mit Allerhöchster Genehmigung wird bestimmt, daß zur Offiziers prüfung ohne vorgängigen Besuch einer Kriegs- schule (L. 8 und 11 der Verordnung über die Ergänzung der Offiziere des Friedensstandes) vom 1, August 1891 ab bis auf Weiteres nur solche Aspiranten zuzulassen sind, die eine geregelte militärwissenshafilihe Vorbereitung von mindestens fünfmonatliher Dauer naGweisen.

Nachdem durh die Deklaration der Brüsseler Kon- ferenz vom 2. Juli v. F. denjenigen Viächhten, welche inner- halb des fonventionellen Congo-Beckens Besißungen oder Protektorate haben, freigestellt worden is, innerhalb ihrer daselbsi belegenen Gebiete, insoweit hierzu eine Ermähtigung überhaupt erforderlich is, Einfuhrzölle in einem 10 Proz. des Wertkes gleihkommenden Betrage zu erheben, haben Behufs gleihmäßiger Regelung der Zolerhebung Ver- handlungen zwischen den betheiligten Mächten stattgefunden. Dieselben haben zur Aufstellung eines besonderen Tarifes für die östlihe Zone sowie eines solhen für die westliche Zone des vertragsmäßigen Congo-Beckens geführt, Diese Tarife lauten folgendermaßen:

Tarif der ösilichen Zone des konventionellen

Congo-Beckens, (Uebersetzuäg.)

1) Deuts&land, Eroßbrita- nien und Italien haben das Ret, in denjenigen Gebieten der sftlien Zone des konventionellen Conao- Beckens, wel&e unter ihrem Einfluß steben und unter den Artikel TV der Berliner General- Akte fallen, von den în dicfe Gebiete zuy Lande oder zu Wasser eingeführten Waaren Zölle zu erbeben und zwar in Gemäßheit des nah den Verträgen mit Sansibar gegenwärtig gel- tender Zollsystemé, na welchem ein Einfuhrzoli von 5 %/a des Werths erboben werden fann. E :

2) Waffen und Munritioz, welhe in Gemäßbeit der besonderen Bestimmungen der Brüsseler General-Akte eingeführt werden, können indessen mit einem Einfuhrzoll von 10% rom Werth im Hötst- betrage belegt werden, wenn die Bestimmungen der zur Zeit entgegen- stebenden Verträge abgeändert sind und wenn die Umstände es er- lauben.

3) Der von alkobolartigen Getränken zu erhebende Zoll wird in Gemäßheit der Bestimmungen des Kapitels VI der Brüsseler General- Akte geregelt, j - /

4) Folgende Waaren werden zolifrei zugelassen:

die Mascinen und Instrumente, welhe für den Ackerbau be- stimmt sind, sowie alle Materialien für den Bau und die Unterhaltung der Wege, Pferdebahnen, Eisenbahnen und im Allgemeinen alle Transportmittel.

5) Die gegenwärtige Vereinbarung tritt zu gleiher Zeit mit den ¿zu Brüffel unter dem 2. Juli 1890 gezeihneten Akten in Kraft. Sie gilt für einen Zeitraum von fünf Jahrea und bleidöt gültig für weitere fünf Jahre, und so fort von fünf zu fünf Jahren, sofern nicht eine oder die andere der drei Mächte sech3 Monate vor dem Ablauf des fünfjährigen Zeitraums die Revision derselben verlangt.

Tarif der westlihen Zone des kTonventionellen Congo-Bedckens. (Ueberseßung.)

Die Regierung des unabhängigen Congo-Staats, die Regierung der französishen Republik und die Regierung Sr. Majestät des Könias von Portugal und Algarvien baben Bebufs Aufstellung eines Tarifs der im westlihen Congo-Becken zu erhebenden Einfuhrzölle die in der Deklaration vom 2. Jali vorgesehenen Verbandlungen eröffnet und baben fi über folgende Punkte geeinigt

1) Alle in das westlite Congo-Becken eingeführten Waaren unter- liegen einem Zoll von 6/9 des Werthes, mit Ausnahme von Waffen,

Munition, Pulver und Salz, für welch@e ein Zoll von 109% zu zablen ift, Für alkobolhaltige Getränke gelten besondere Beftimmungen.

9) Swiffe und Boote, Dampfmaschinen, mechanisde Apparate, welche der Industrie oder dem Aterbau dienen, sowie We-kzeuge für gewerblihe und landwirths{aftli%he Zweke sind während eines vier- jährigen, mit dem Tage der Anwendung des Zolltarifs beginnenden Zeitraums zollfrei und können demrächst einem Zoll von 39/9 unter- wo: fen werden.

3) Lokomotiven, fowie Œtfenbahrwagen und Material sind während des Baues der Linien und bis zum Tage der Eröffnung des Betriebes zollfrei. Sie können sodann mit eirem Zoll von 3 °/9 belegt werden.

4) Wissenscczafilicve und Präzisionsirstrumente, sowie die den Gottesdienst dienenten Gegenftände, Kicidungéstücke und Gepäck für den persönliden Gebrau der Reisenden und Pecfonen, welche si im Gebiet des westliven Corgo Beckens niederlassen, sind zollfrei, è

5) Der gegenwärtige Terif kann von Jahr zu Jahr einer Res vision unterzogen werden, sofern die eine oder die andere der kontra» birenden Mächte dies wenigstens sechs Monate vor Aklauf eines jeden Jabres verlangt. Doc kann von dieser leßteren Befugnif: erft a&Ëtzehn Monate nach Anwrvendung des Tarifs Gebrau gemaHt werden,

Falls ein Einverständniß über die Bedingungen der Revision nit erzielt werden follte, fo erlangen die betheiligten Mächte das Recht der freien Festsezung dés Tarifs innerhalb der durch die De- flaration vom 2. Juli v. I. vorgesehenen Gcenzen.

Nah Jnhalt einer in viele Zeitungen übergegangenen Notiz soll im November v. F. zu St. Paul, Minnejota, in den Vereinigten Staaten ‘von Amerika die 80 jährige deutshe Frau Anna Kloz mit Hinterlassung eines bedeutenden Vermögens und ohne bekannte Erben ver- storben sein.

Die an zusiändiger Stelle eingezogenen Erkundigungen haben diese Nahriht zwar insoweit bestätigt, als aller- dings eine Frau Klo in St. Paul verstorben is und einiges Vermögen hinterlassen hat; dagegen trifft die Behauptung, daß die Erben derselben nit bekannt seien, niht zu. Der Gatte und ein Sohn der Verstorbenen find vielmehr in St. Paul wohnhaft und haben bereits die erforderlihen SHritte gethan, um den Nachlaß für ih in An- spruch zu nehmen. Die große Zahl derer, welhe in leßter Zeit deutsche und amerikanische Behörden mit bezüglichen An- fragen überhäuft haben, mögen daher von Schritten behufs Geltendmahung ihrer vermeintlihen Ansprüche Abstand On da dieselben nach Lage der Sache völlig aussihts- los sind,

Nachrichten aus CHile zufolge ist die dortige Regierung entshlossen, die Zufuhr von Waffen, Munition und sonstigen Kriegsbedürfnissen an die Aufständischen unter allen Umständen zu verhindern. s :

Die deutshen Rheder und sonstigen Jnteressenten können daher nur dringend davor gewarnt werden, derartige Sen- dungen nach Chile zu verschiffen, so lange die Verhältnisse daselbst so unsicher sind, wie jeßt, da sie sih sonst der Gefahr ausseßen, daß die betreffenden Waaren beshlagnahmt werden.

Der Königlich bayerische Bevollmächtigte zum Bundes- rath Ministerial-Rath He lk kler ist hier angekommen.

Der Bevollmäthtigte zum Bundesrath für das Fürsten- thum Shwarzburg-Sondershausen Staats-Minister Petersen ist von Berlin abgereist.

S, M. Panzerschif} Friedrih Carl“, Kommandant Kapitän zur See Aschenborn, ist am 27, Februar in Spalato angekommen.

SHhleswig, 1. März. Am heutigen Tage, Mittags 12 Uhr, wurde in der Stadt Schleswig, nah zuvor in der Domkirche stattgehabter kirhliher Feier, der 25. \chleswig- holsteinishe Provinzial-Landtag in Gegenwart von 55 Abgeordneten von dem Ober-Präsidenten, Wirklichen Ge- heimen Rath von Steinmann mit nachstehender Ansprache

eröffnet: HoHgeebrte Herren! S

Bei Ibrem Zusammentret:n zum 25. Shleswig-HolsteinisGen Provinzial-Landtage bringe ic Jbhnen den Wilikeommensgruß der Königlicen Staatêregieruig entgegen. :

Das seit Ihrem leßten Tagen verflossene Jahr war für unsere Provinz von besonderer Bedeutung durch den derselben im leßten Herbst zu Tbeil gewordenen längeren Besuch unseres er- habenen Kaiserpaares. Die schônen Tage, während welcher Ihre Majestätea unter uns verweilten und in deren Verlauf auch der Provinzialvertretung die CEbre vergönnt war, Allerhöchstdieselben begrüßen zu dürfen, haben das Bond der Liebe und Verehrung zu dem erlauhten Herrsherhause nur no fester und inniger geknüpft und werden in den Herzen der Ve- völferurg unvergeßlich fortleben. E z

Als ein nicht minder erfreuliches Ereigniß seben wir die Wieder- gewinnung der mit SchGleSwig-Holfstein dur alte Stammes8zemecin- schaft und frühere politisWe Zusammengebörigkeit verbundenen Insel Helgoland an, deren adminitftrative Vereinigung mit der Provinz în Kurzem bevorsteht. E

Das Wirthschaftsleben Der Provinz is aud im leßten Jakre vor Erschütterungen bewahrt geblieben. Zwar ließ die Ernte vielfach zu wünschen übrig, indeß Darf die Gesammilage unjerer Landwirth- \haft nah wie vor als eine gesunde und verbältnißmäßig günstige angesehen werden. Auch die Industiie der Provinz gewährt, mancher unerfreuliher Ersheinungzn ungeachtet, fortgeseßt ein befriedigendes Bild. Insbesondere ift auc im leßten Jahre dié Zahl der in den industriellen Betrieben besckäftigten Arbeiter wieder ansehnlihz gestiegen. Von den einzelnen Induftriezweigen wetsen vor Allem die Textilindustrie, fowie die Ziegeleien und Cementfabriken, endlih die chemishe und Die Eisenindustrie anhaltend eine steigende Ausdehnung auf, während andere Zweige, insbesondere der Schiffbau, si wenigstens auf der früber erreichten Höhe gehalten haben. Als eine sehr erfreuliche Thatsae mag bier auch der Aufschwung erwähnt werden, welchen in neuerer Zeit das Kunstgewerbe bei uns genommen hat. Die schönen Leistungen eines bekannten Flenéburger Meisters auf diesem Gebiet haben der Staatsverwaltung Anlaß gegeben, dos Unternehmen desselben der Errichtung einer Kunfst- \{nißshule durb Gewährung reihlicher Zushüfse zu fördern und zuglei für den Scitens der Stadt beabsichtigten Bau eines Museums zur Aufnahme der am Orte vorhandenen reihen Sammlung kunst- gewerblicher Gegenftände alter und neuerer Zeit einen nambaîten Beitrag in Ausfiht zu ftellen. Das gleichzeitige Gesuch der Stadt um Bewilliging eines einmaligen Beitrags aus provinziellen Mitteln

wird hierbei, im Hinklick auf die bobe Bedeutung einer derartigen Anstalt für das: Kunstgewerbe der Provinz, Ibrer wohlwollenden Be- rüdsihtigung warm empfohlen. :

Der Bau dées Nordoftseekanals {reitet rüftig vorwärts. Das- felbe gilt von dem Eisenbahn- und Wegebau, fowie von den Fluß- regulirungen und sonftigen Meliorationsanlagen.

Von Vorlagen der Staatsregierung wird Sie während Ihres bevorstehenden Tagens voraussihtli® nur die Frage wegen einer etwaigen Ausdehnung des für die hobenzollernihen Lan®te ergangenen Gesetzes über die Entshädiaung für das an Milzbrand gefallene Vich auf die hiesige Provinz bescâftigen Zu einer gutacbtlicen Aeußerung über die von der Bezirksbehörde in HMusfiht genommene neue Bau- ordnung für das plaite Land wird Ihnen in Gemäßheit des von den verschiedensten Seiten an mi gebrachten Wuns®es im Laufe einer der folgenden Sißungsperioden Gelegenheit gegeben werden, sobald erst die Vorarbeiten für den Gegenftand, mit welben augenblicklich die Ee befaßt ift, eizen gewissen Abschluß gefunden haben werden.

Vei Ihren diesmaligen Beratbungen dürfte sonach die Fest- stellung des Provinzial-Haushalts-Etats, der Ihnen in einer theil- weise veränderten Form vorgelegt wird, den Hauptgegenftand kilden. Außerdem werden Ihrer Beschlußfaffung die auf Anregung des vor- jäbrizen Provinzial-Landtages aufgestellten neuen Gruntfäße für den Auébau von Nebenlandstraßen und die Förderung des WGemeindewege- baues unierliegen, an deren Zustandekommen auch die Staats- regierung lebhaftes Interesse nimmt. Endlich wird Ihnen die Beschlußfassung über die neu aufgestellten Reglements für die Provinzialanstalten, über die Frage dzr finanziellen Unter- stützung der landwirthschaftlißen Winter]chulen, über die in Vorschlag acbrabte anderweite Klassifizirung einiger Wegestrecken, sowie die Vornakme von Wablen obliegen.

Indem ih dem Wuns@e Ausdruck gebe, daß Ibre Arbeiten der Provinz zum Segen gereichen mögen, erkläre i nunmebr im Namen Sr. Majestät des Kaisers und Könias desten 25. \{leswig-holsteinischen Provinzial-Landtag für eröffnet.

Unter dem Vorsiß des an Jahren ältesten Mitgliedes der Versammlung, des Königlihen Landraths, Geheimen Regierungs-Raths von Willemoes-:Suhm aus Segeberg wurde mittels Akkflamation der Klosterpropst Graf von Reventlow- Preey wiederum zum Vorsißenden des Provinzial-Landtages und der Landeëpfennigmeister Niemand-Heide zum stellver- tretenden Vorfißenden gewählt, S :

Der Vorsißende begrüßte darauf die Versammlung und brachte auf Se. Majestät den Kaiser und König ein dreimaliges Hoh aus, in welches die Versammlung begeistert einstimmte.

Vayern.

München, 28. Februar. Die Königin Fsabella von Spanien traf nah der „Alg. Ztg.“ heute von Paris hier ein und wurde auf dem Centralbahnhofe von den Prinzen Ludwig Ferdinand und Alfons fowie von Prinzessin Elvira begrüßt. Die Königin begab sich sofort nach Stloß Nymphenburg.

Sachsen. __ Dresden, 28. Februar. Júre Majestät die Königin ist dem „Dr. J.“ zufolge von Baden-Baden hier wieder ein- getroffen,

Württemberg.

Stuttgart, 1 Marg Die internationale Ge- mäâlde- Ausstellung wurde wie „W. T. B.“ becichtet, heute in der Königlihen Staatsgalerie feierlih erSffnet. Jhre Majestät die Königin, Jhre Königlihen Hoheiten die Prinzen und Prinzessinnen sowie die Spitzen der Ge- fellshaît wohnten der Feier bei. Der Ehren-Präsident der Ausstellung, Se. Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm, hielt die Festrede, in welcher er auf den shönen Erfolg unD die für das Stuttgarter Kunstleben hervorragende Betheiligung des Jn- und Auslandes hinwies und die Verdienste des Direktors Schrandolph hervorhob. Die Königin machte nach der Er- öffnungsrede einen Rundgang durch die Ausftellung, auf welcher Deutschland, Desterreih, Frankreih, Belgien, Nieder- lande, Jtalien und Spanien vertreten sind.

Baden.

Karlsruhe, 28, Februar. Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin begaben fi, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, gestera Nahmittaa nah dem Haupt- bahnhof zum Empfang Jhrer Majestät der Königin von Sachsen, welche, von Baden-Baden kommend, einige Stunden zum Besuch bei Jhren Königlichen Hoheiten verweilte, und geleiteten die Königin zum Großherzoglichen Schlosse, wo dieselbe bis Abends 7 Uhr verblieb und dann die Reise nach Dresden fortsezte. Der Großherzog und die Groß- herzogin gaben Jhrer Majestät das Geleite zum Bahnhof.

Sathsen-XWeimar-Eisenach.

__ Weimar, 1. März. Die im vorigen Dezember ver- sammelte V. ordentliche Landessynode hatte die vom Kirchenrath vorgelegte neue Gottesdienstordnun g berathen und angenommen. Se. Königliche Hoheit der G roßherzog hat, der „Th. C.“ zufolge, derselben nunmehr feine Zustim- mung ertheilt, und angeordnet, daß diese neue Gottesdienst- orènung mit dem ersten Pfingstfeiertage d. F. eingeführt werde. __ Der ehemalige Staatssekretär des Reichs - Marineamts Contre-Admiral Heus ner ift vorgestern Abend hier am Herz- \hlag gestorben.

Oldenburg.

___ (D) Dldenburg, 27. Februar. Der Landtag gab in heutiger Sißung seine Zustimmung zu verschiedenen Geseß- entwürfen in zweiter Lesung, bewilligte die zur Beschaffung neuer Eisenbahn-Güterwagen beantragten 800 000 A und überwies eine Petition wegen Verstaatlihung der Westersteder Sthmalspurbahn und deren Umwandlung in eine normal- ipurige an die Großherzogliße Staatsregierung zur Prüfung. Der Geseßentwurf, betreffend den weiteren Ausbau des olden- burgischen Eisenbahnnezes durch Bahnen untergeordneter Be- deutung, wurde auch in zweiter Lesung angenommen.

Anhalt.

Dessau, 28. Februar. Jhre Königlihe Hoheit die Erbprinzessin von Hohenzollern ist, wie der „Anh. St.-A,“ mittheilt, mit Gefolge heute Nahmittag von Potsdam kommend, hier eingetroffen und hat im ÉErbprinzlichen Palais Wohnung genommen. Í

Der Zweite Vize-Präsident des Landtages, Freiherr von Ende, ist gestern plöglih gestorben.

Hamburg.

Hamburg, 1. März. Die Bürgerschaft hat ven

Antrag des Senats, betreffend die wzitere Aeracuhing

des Petroleumhafens und die Räumung des Oftufers des- selben, abgelehnt. Der Antrag, das Stadttheater durh

ein Darlehn von 300 000 Æ zu subventioniren, wurde angenommen, bedarf aber einer zweiten Lesung.

Elsaß-Lothringen.

Straßburg, 1. März. Die Einfuhr von lebendem Rindvieh aus Oesterreih-Ungarn if für die Schlacht- häuser der Städte Straßburg, Mez, Mülhausen und Colmar widerruflih gestattet worden.

Jn einer in Met abgehaltenen zahlrei besuhten Volk s- versammlung wurde dem „W. T. B.“ zufolge bes{chlofen, eine Resolution an den Bundesrath, den Reichstag und an das elsaß-lothringishe Staats-Ministerium abzusenden, wel§e fich gegen die geplante Tarifreform

und für den Zonentarif aussprißt.

Deutsche Kolonien.

Von P. Schynse ift soeben aus Bukumbi, Südufer des Victoria-Sees, 20. November 1890, ein Privatbrief ein- aetroffen. Die „Köln. Volke-Ztg.“ entnimmt demselben Folgendes:

Die ersten Wochen marfsckirten wir im Regen. Mit den Ge- fe{ten in Ugogo war es nickt besonders s{limm. Es wurden wobl an einem Tage ctwa 1000 Patronen vers&@ofsen, doch blieben deren now über 30 000 urd färmmtlide Eeshüßmrnition, fowie ein guter Vorrath loïses Pulver für Vorderlader. Auch waren die Kämpfe gar nidt fo \{wer; Emin Pascha batte nicht einmal einen einzigen Berwundeten. Der apostolis@e Vikar, Bischof Hirth, ift vor fünf Tagen nav Uganda abgereist ¡J do müssen wir ibn {on wieder ber- bolen laffen, da geftern die Boten arkamen. Eine zablreiche Kara- wone ift nämlich für uns auf dem Wege und wird bald bier ein- treffen. Ich blicb bier, der deutshen Erpedition wegen. Emin Pascha ist vor vier Wochen abxefahren und baut bei den Baziba am West- ufer des Nyanza eine Station. DosH viel Gepäck, 30 Soldaten und zwei Europäer von der Expedition sind noch bier.

Wie der „Times“ aus Sansibar gemeldet wird, traf Oberst Euan Smith mit seinem Stabe, einer Einladung des deutshen Kommissars und der französishen Mission fol- gend, gestern (Sonntag) in Begleitung des deutschen Konsuls auf dem Kriegsschiffe „Redbreast“ in Bagamoyo ein und wurde von den deutschen Behörden, welhe ihm zu Ehren ein Fen mahl veranstaltet hatten, auf das Herzlichite CUREngA Oberst Smith wollte heute nach Sansibar zurück- ehren.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 2. März. Se. Dur(laucht der Prinz und Jhre Königliche Hoheit die Prinzessin Adolf von Shaum- burg-Lippe sind, laut Meldung des „W,. T. B.“, gestern aus Konstantinopel hier eingetroffen.

Wie die „Zeitschrift für Eisenbahnen und Dampfschiff- fahrt der österreihish-ungarishen Monarchie“ meldet, chweben zwishen der Deutschen Reichsregierung und ODester- reih- Ungarn Verhandlungen, um im Eisfenbahn- betriebs-Reglement die in Folge des Berner Ueberein- kommens fich als nothwendig erweisenden Aenderungen ge- meinsam durchzuführen.

Bei den Wahlen der oberöfterreihischen Land- gemeinden zum Reichsrath wurden sieben Katholisch- Konservative gewählt. Jn Triest wurde der frühere Abg. Luzzatec wiedergewählt.

Nach einem Concert der Stadtkapelle von Spalato zu Ehren des deutschen Geshwaders empfing und bewirthete der Contre-Admiral Schr oeder vorgestern auf dem Admiral- schiffe zahlreihe Mitglieder der hiesigen Gesellschaft. Gestern las der Bischof für die katholishen Mannschaften des Ge- shwaders eine stille Messe und nahm alsdann an dem Früh- stück auf dem Admiral fe Theil.

Großbritannien und Frland.

Der deutsche Botschafter Graf Hatfeldt und der Vize- Admiral Freiherr von der Golß wurden am Sonnabend von der Königin und der Kaiserin Friedrich in Windsor empfangen und nahmen dem „W. T. B.“ zufolge au später an der Hoftafel daselbst theil.

Na aus Bombay vorliegenden Nachrichten des „R. B.“ wurde auf den politischen Agenten Englands in Süd- Beludschistan, Major Muir, von Eingeborenen ein Attentat verübt. Major Muir wurde s{chwer verwundet und hat u. a. den Verlust zweier Finger zu beklagen; indeß werden seine Wunden als nicht lebensgefährlih angesehen. Die Angreifer sind entkommen.

Frankrei.

Paris, 2. März. Zu den Vorgängen der legten Tage schreibt das „Journal des Débats“:

__„Es war vorauszusehen, daß einige Personen und einige Blätter diese Gelegenheit, die öffentlihe Meinung aufzustaheln und ibrer an- geborenen Makßlosiakeit die Zügel \chießen zu lassen, nicht vorübergehen lassen würden. Das iff dern auch gesehen. Wer wollte sich darüber wundern? Man darf sich dazu Glück wünschen, daß die Aufreizungen einer gewissen Presse ein so schwahes Echo fanden und fo geringe Wirkung in dem reizbaren Paris übten, wo so verschiedene Leidenschaften gähren und stets aufzulodern bereit sind... ... Man mißt im Auslande dem, was unjere Blätter sagen, allzu große Bedeutung bei. Das kommt vielleidt daher, daß man dort mit besonderer Vorliebe gerade diejenigen Blätter liest, welbe si dur ibre zügellose Polemik aus- zeichnen. Man glaubt allzusehr an den Einfluß, den sie auf die öffent- lihe Meinung in Frankrei zu üben vermözen, Man ift allzusehr geneigt, die französishe Regierung und Nation für journalistishe Aus- \creitungen verantwortli zu machen, an denen fie ganz unschultig und gegen die sie ohnmächtig sind“.

Gn der „Estafette“, dem Blatte Jules Ferry's, liest man:

„Bonapartisten und Boulangiften haben als Bevollmächtigte der nationalen Würde gesp ohen. Wer möchte behaupten, daß sie es nicht darauf abgesehen hatten, unter der Gunst irgend eincs Umstandes irgend ein Abenteuer einzufädeln? Sie sind aus ibren Schlupfwinkeln herausgekommen. Sie haben gesprohen. Sie sind in ihren Blättern drohend aufgetreten... . ... Soll man es dulden, daß sie als Gebieter auftreten? Heute laufen die Dinge noch ohne zu großen Schaden ab, ein anderes Mal könnten sie {limm enden, wenn die Regierung das bonapartistishe Gelihter und die Boulange noch länger \{chonen wollte,“

Im „Evénement“ warnt der Senator Edmond Maynier einem Bericht der „Nat.:Ztg.“ zufolge vor jeder unnügzen Aufregung, vor jedem Eingehen auf die Jdeen der Patriotenliga. L ;

„Das französische Volk“ sagt er, „weiß, daß die Beshwichtigung und das Nawlafsen der Spannung, welche zwischen den beiden Ländern herrshte, nicht durch die freiwillige Weigerung

der Pariser Maler, in Berlin az=szuftellen, kompromittirt werden können. Ih will binzufügen, daß die öffentliche Meinung die Pirouette des Hrn. Edouard Détaille, der seine erfte Zusage zurückzieht, und den unglaubliben Brief der Wittwe Meifionier's streng beurtheilt, welhe den Beweis bober Bewanderung, den Wilbelm 1]. dem verftorbenen Meister ertheilte, vergessen konnte. Nein, dzs beutige Frankrei ift nicht das Spielzeug geräus&voller Komödién, die durch unbuffertige Boulangisten mit Hülfe ibrer ebe- maligen royaliftishen und bonapartistishen Helfershelfer in Scene gefeßt werden.“

Die gesammte Presse sieht, wie „W. T. B.“ meldet, den Erlaß, Betreffs dec Paßvorschriften an der elsaß- lothringishen Grenze als die Fölge der jüngsten Zwisch?en- fälle an, meint jedoch, es sei Elsaß - Lothringen, das unter der Repressalie hauptsächlich leide. Der „Temps“ saat, es könne aus der Maßnahme, welhe die El- säfser für die Unklugheiten und Schwächen der Pariser Bevölkerung büßen läßt, eine Lehre für die Zukunft gezogen werden. Die Haltung Frankreihs, so tadellos dieselbe thatsählih gewesen, habe nicht der Erwartung unparteiisher Beobachter enisprochen, welche glaubten, Frank- reich könne die Beziehungen zu dem Nachbarlande leichter und normaler gestalten. Die allgemeine Empfindung sei gewe?en, man müsse sich Angesichts der Agitation der Boulangisten und Bonapartisten um so fester und vernünftiger zeigen ; leider glaubten die Verständigen Alles gethan zu haben, wenn fie keine Extravaganzen begingen, während ihr Stillschweigen den Lärm Anderer, nah welchem man fie beurtheilt, noch lauter erscheinen lasse. Wie viele Franzojen außer den Mitgliedern des Kaiferlichen Hefes und drei bis vier Fournalen wollten 1870 den Krieg! und doch habe man in Europa sagen können, das Land habe ihn verlangt.

Das Journal „Paris“ fragt: Hofft man, wir würden aus unserer seit zwanzig Jahren bewahrten Ruhe herau3- gehen? Nur rene, welche innere politishe FJnteressen dabei haben, drärgen uns dazu; ihre Manöver werden aber fruchtlos bleiben wie alle Bemühungen, uns zur Verzichtleistung auf das uns Gebührende zu veranlassen.

Dasselbe Blatt theilt mit, Boulanger sei im Einver- nehmen mit seinen Parteifreunden nach Brüssel gekommen, in der Hoffnung, daß Zwischenfälle es ihm ermöglichen würden, die Grenze zu passiren ; das erkläre auch die hezerische Sprache der boulanaistishen Blätter. Wie es heißt, werde Boulanger niht mehr nach Jersey zurückehren.

Jn einer am Sonnabend abzehaltenen Versammlung von Boulangisten des 13. Arrondissements, an welcher gegen 600 Personen theilnahmen, feierten dem „W,. T. B.“ zufolge mehrere Redner die Vorgänge der leßten Tage als einen Sieg der boulangistishen Partei über die Regierung, welche gezwungen worden sei, fih vor der Patriotenliga zu beugen. Déroulède, stürmish bearüßt, verlas cinen Brief des Malers Détaille, in welchem lezterer erklärt, daß sein Patriotismus aus dem Streit der jüngsten Tage neu gestärkt hervor: gegangen sei. Die Versammlung beschloß, Rochefort, Laurent und Cassagnac silberne Denkmünzen für ihre Haltung zu überreichen.

Diejeniaen imperialistishen Comités, welche An- hänger des Prinzen Victor sind, hielten heute eine Versamm- lung ab und bestätigten in der Tagesordnung die Erklärung ihrer Präsidenten vom 26. Februar, worin diese den An- \chluß an die Republifk aussprechen.

Die Zollkommission hat mit einigen Vorbehalten den von Méline erstatteten Generalberiht angenommen. Derselbe wird am Dienftag der Kammer zugehen. Méline wird be- antragen, den Bericht auf die Tagesordnung zu seßen.

In der Deputirtenkammer wurde am Sonnabend ein Geseßentwurf berathen, nah welhem eine Steuer auf Gewinne durch Wetten bei Pferderennen für öffent- lide Wohlithätigkeitszwecke erhoben werden sol. Mehrere Redner sprahen gegen den Entwurf, da durch den- selben das Wetten gewissermaßen als geseßlich an- erkannt werde. Der Antrag wurde s{ließlich mit 338 gegen 149 Stimmen verworfen. Fm Laufe der Debatte erflärte der Minister des Fnnern Constans, daß, wenn die Kammer den Antrag zurücCw:ise, die Regierung Maßregeln treffen werde, das Buhmachen und Wetten auf den Rennbahnen zu verhindern. Jn Folge der Abstimmung der Kammer werde das Buchmachen und Wetten von nächsten Vontag ab verboten scin. Bei dem gestrigen Rennen in Auteuil wurde die von dem Minister des Fnnern angekündigte Unterdrückung der Renn- wetten noch nicht in Vollzug gescßt. Gleichwohl wurde die Maßregel von verschiedenen Gruppen sehr lebhaft erörtert, ohne daß indessen ein Zwischenfall vorgekommen wäre.

Ftalien.

Ueber den Prozeß gegen Calzoni und Genossen meldet „W. T. B.“ weiter: Fn dem am Sonnabend vorgenom- menen Verhör sagte ein Gefangener aus : Pedroni habe cinem ZBellengenossen erzählt, er habe Calzoni eine Dynamit- kassette gesh:ck, um damit den Wagen des Königs in die Luft zu sprengen. Ein Entlastungszeuge gab dagegen an, man verwende in Perugia häufig Dynamit zum Fischen im dortigen See.

Prinz Jérôme Napoleon ist, wie aus Rom berihtet wird, an einer Niz:renentzündung erkrankt. Der „Mgdb. Ztg.“ zufolge hat sich der Zustand des Prinzen derart verschlimmert, daß ein tödtliher Ausgang befürhtet wird. Der Prinz hatte bereits am 26. Februar einen leiiten Schlaganfall, der ih am Sonnabend wiederholte. König Humbert besuchte am Sonnabend seinen Shwager zwei Mal; Prinzessin Clotilde E Prinz Victor Napoleon wurden telegraphi\ch nach Rom erufen.

Die Nachwahlen zur Deputirtenkammer sind zu Gunsten der Regierung ausgefallen; in Parma, Piacenza und Treviso wurden dem Kabinet günstige Vertreter gewählt, nur in Forli kam der radikale Bewerber durch. Jn Parma sowohl wie in Treviso, wo es sich um den Ersatz radikaler Mandate handelte, sind die Radikalen diesmal mit Éleiner Minderheit unterlegen.

Spanien,

Die amtliche „Gaceta de Madrid“ von gestern publizirt Lie Ernennung von Martinez Campos zum Präsidenten es Senats,

Luxemburg.

Der Großherzog is, wie die „Luxb. Ztg.“ mittheilt, am Donnerstag Nachmittag, nah einem mehrtägigen leichten,

durch Erkältung verursahten Unwohlsein, wieder USrn Der Erbgroßherzog, dessen Abreise wegen des Unwohlseins