1891 / 54 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 03 Mar 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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gegen einen andern zurüdseßen, Benattheiligungen von mitunter ungeheuerer Tragweite. Sie unterschäten in der That die Arbeit, die in diesen Dingen gesteck hat, wenn Sie sagen: Alles das kann so auf einmal gemacht werden. ,

Nun ist gesagt worden: wir haben die Kalamität in diesem Winter doch nur etwas über zwei Monate erlitten, der Februar {on hat uns besseres Wetter gebraht und doch ist noch nicht Alles wieder im Geleise. Allein, ich habe Ihnen vorgestern" bereits mitgetheilt, welche Zahl von Wagen in Reparatur gekommen war, verbältniß- mäßig ebenso viele Lokomotiven, welch große Zahl von Beamten krank geworden war, ja, meine Herren, die Kranken werden dcch nit mit dem Eintritt besseren Wetters auf ein Mal gesund und die Wagen werden do ebensowenig auf ein Mal alle reparirt; indeß das wird von Tag zu Tag besser. J kann binzufügen, daß Lieferungen, die im November in Aussicht gestellt waren, um einige niht unerheblie Quanta von Wagen lange zurückgeblieben sind. Der Hr. Abg. Swmieding hat weiter die Wasserwege berührt. Meine Herren, ih bin auch ein Freund der Wasserwege, aber diese haben urs in diesem Winter eben erst recht im Sti gelassen (sehr ri@tig! rechts), der Rhein sowohl wie die Kanäle in Holland; und wenn ich ein Be- denken bätte gegen die Wasserwege, dann wäre es eben das, daß wir troy der Wasserwege, die wir in Zukunft zu haben wünschen und boffentlich haken werden, in die Lage kommen können, den Eisenbahn-Fuhrpark auf sehr starker Höbe zu halten, denn es wird bei geschlossener Schiffahrt in alter Gewohnheit Alles doch wieder auf die Eisenbahn fallen.

Dann ist erwähnt worden, die Reserve wrâre nit stack genug gewesen. Dem gegenüber ist meine Meinung die: die Eisenbahn- verwaltung soll auf einen starken regelmäßigen Verkehr eingerichtet fein, und ihre Reserve darin bestehen, daß die Ausnugzungsfähigkeit des so geschaffenen Apparats in ihrer vollen Größe und Leistungs- fähigkeit herangezogen wird. Solche Neserven haben wir au ge- habt; wäre das nicht der Fall gewesen, dann würden wir noch viel weniger geleistet haben. Aber diese Reserven dadur zu s{affen, daß wir eine Anzahl von Wagen die wir naher auf das zweite, dritte, vierte Geleise unbenußt siellen anschafen und damit unsere Kapitalschuld kolossal verraebren, wäre überaus unwirth\{chaftli©.

Des Weiteren sind die tehnischen Fortschritte anderen Ländern gegenüber als nit genügend bemängelt. Ich meine, daß dieser Vor- wurf erst recht unbegründet erscheint. Wir haben das, was in fremden Ländern geschieht, unausgeseßt aufmerksam verfolgt, und weise ich damit auch einen Vorwurf zurück, der mir in der Presse gemacht ist, Sie wissen, daß wir fast in allen großen Staaten ständige Techniker haben, die das, was dort passirt, beobahten und uns das Material mittheilen. Es wird Ihnen au nicht unbekannt sein, daß, sobald Veranlassung vorliegt, Techniker von hier aus hingeschickt werden, um an der Hand dessen, was uns bereits mitgetheilt ift, oder unter Führung der dort an Ort und Stelle beschäftigten Techniker, zu untersuen, was uns frommt. Ueber die Einrihtungen in Ruß- land, in Nord-Amerika, in England, Oesterreich, Frankreich, Italien find wir genügend unterrichtet, man braucht in dieser Beziehung uns keine Anregung mehr zu geben.

Zu sehr centralisirt sei die Verwaltung. Ih möhte den Herrn Abgeordneten doch bitten, daß er sih mal die Organisation ansieht, wie sie auf Grund Allerhöhster Ordre besteht und seiner Zeit dem Hause vorgelegt worden ist, Dafür kann ih nit, daß alle Welt, wenigstens sehr Viele, sich immer wegen jeder Kleinigkeit an mi wenden. Wenn eine Zehe zu wenig Wagen erhält, telegraphirt sie an mi, als ob ich die Wagen schaffen könnte. (Heitcrkeit.) Be- klagt sich Jemand über {lehten Restaurations-Kaffee oder über ein zu warmes oder zu wenig geheiztes Coupé, {reibt er direkt an mich. (Heiterkeit.) Das und Aehnliches sind Dinge, die doch wohl gar nichts die Centralstelle angehen; dafür sind die Behörden in den Provinzen da. Unsere Wageneinrichtung ist so: Bei jeder Dircktion besteht ein Wagenbureau, w:lches telegraphisch mit sämmtlihen Stationen in Verbindung steht und den Wagenverkehr innerhalb des Bezirks regulirt. Fehlt nach den Anmeldungen, die alle Tage zu bestimmter Stunde per Telegraph erfolgen, zur Deckung des Bedarfs im Bezirk ein gewisses Quantum von Wagen, dann wendet sich dieses Bureau telegraphisch an das Centralwagenbureau in Magdeburg, und dieses Üüberweist aus den anderen Bezirken, was von dort nach den ihm vorliegenden Vestand®8- Meldungen überwiesen werden kann. Letzteres ist eben Sache des Gentralbureaus, nit aber des Ministers.

Dann: zu bureaukratisch! Das ift ja klar, wir haben noch manche Schreiberei, die ih gerne abgestellt sehen möchte; aber in einer so großen Verwaltung, in der noch Alles so schr in Fluß ift und wo es darauf ankommt, die Bestimmungen, die noch nicht ganz be- fannt sind, in Fleish und Blut überzuführen, i es unerläßlih, daß man auf viele Fragen hin antwortet und Direktiven giebt. Aber es ist vielleiht etwas Anderes unter dem „burcaukratish“ zu versteZen. Die Privatverwaltungen in gewissen Bezirken hatten {ich zur Gewoßnheit gemacht, Begünstigungen einzuräumen Privatbegünstigungen; ih will sie geradezu so nennen gegen die publizirten Tarife und andere. Ih habe ih will es mal das „schwarze Bu“ nennen ein Verzeichniß in meinen Händen, aus den Akten der früßeren Verwaltungen genommen, welches eine große Zahl von Begünstigungen an eine ganze Menge von Firmen nahweist. Für diese Dinge war man in gewissen Privat- verwaltungen zugänglih ; aber diese Zugänglihkeit war gegen das Gesetz und gegen die Ordnung, und in der Staatsverwaltung lasse ih einen solchen Verstoß nit zu. Wenn die Nothwendigkeit, hier und da gegen derartige Mißstände einzutreten, „bureaukratisch“ genannt werden soll, dann haben wir allerdings einen folchen Vorwurf zu unserer Ehre, meine ih, vollkommen verdient.

Fch muß, meine Herren, noch auf einige andere Dinge eingehen. FIch habe vorgestern erwähnt, daß die Kalamität, von der wir in diesem Winter ‘alle betroffen sind, eine vorübergehende Folge außer- orventlicher elementarer Ereignisse gewesen und nit der Verwaltung anzurechnen sei. Namentlich sei die Verstärkung des Fuhrparks und was dazu gehört, niht vernahlässigt. Im Jahre 1885 haben wir sogar einen Rückgang im Güterverkehr erlitten, welcher hier im Hause vielfaße Zweifel an der künftigen Rentabilität der Staats- eisenbabnen hat aufkommen lafsen. Dieser Rückgang hat ge- dauert bis 1887. Dann trat im Jahre 1888 der große Verkehrsaufs{chwung ein, dem wir durch die Beschaffungen von 1889/90 gerecht zu werden suchten. Im Juli vorigen Jahres zeigte K eine Erlahmung des Verkehrs, sodaß der Zweifel laut wurde,

ob überh aupt eine Vermehrung des Fuhbrparks für den Güterverkehr nothwendig sei. Dieser Zweifel war anscheinend nicht ganz haltlos, indem in vier vershiedenen Monaten in der Folge eine Mindereinnahme zu verzeihnen war, und ¿war im August, riht minder im Oktober, wenn ih mi recht erinnere, und dann auch noch im November und Dezember. Der Januar d. I. brate sogar einen erheblichen Minder- betrag, was begreiflih,. Ich bin aber der Meinung gewesen, damals wie heute, daß wir ves mit vorübergehenden Er- \cheinungen zu thun haben, daß der Verkehr im Großen und Ganzen ein gesunder ift und daß einzelne Mindereinnahmen unge- wöhnlich lebhaften Verkehrsmonaten der Vorjahre gegenüber noch nit als ein bedenkliher Rückgang betrachtet werden können.

Wenn also ih wiederhole es die Nervosität, die wesent- li in Folge und in der Befürchtung von Strikes gewisse industrielle Kreise ergriffen hat, ihr Ende erreicht haben wird und Niemand kann dies lebhafter wünschen als ich —, so wird zu erwarten sein, daß der Verkehr in lebhafter Entwicklung auf gesunder Bahn fortschreiten wird. Mit Rekriminationen, wie sie erhoben sind gegen die Königlihe Staatsregierung, ist der Sade nicht gedient.

Die SEwankungen im Kohlenverkehr insbesondere, meine Herren, sind in den leßten Jahren von einer Größe gewesen, die mitunter be- unruhigend war, und von der man nit weiß, wie man ihr entgegen- kommen soll. In den leßten vier Jahren hat der Kohlenverkehr {ih geboben um 25 9/9. Die Schwankungen in den einzelnen Jahren betrugen einmal 3,8 9/9, ein anderes Mal 7 °/o, ein drittes Mal 99/0 und dann wieder 4,2%/o, jedesmal mehr gegen das Vorjahr. Nun bitte ih, sich mal zu überlegen, was das heißt: 1 9/0 unseres Kohlentransports auf den Eiscnbahnen bedeutet etwa 60 000 Wagenladungen! Darüber sind wir ja nicht genau unterrichtet, was die Gruben nun für das betreffende Jahr für Geschäfte vorhaben, wir können nit genau ermcssen, wie viele Wagen jeweilig für ihren Absaß nothwendig sind. Wenn nun der Herbst mit schr erhöhten Anforderungen kommt, dann sollen zahllose Wagen beschafft werden! Diese sind aber nicht herbei- zushaffen, au nicht vom Ausland; ja! hâtten wir felbst das Geld zu großen Ankäufen, wir könnten es nicht verwenden, weil die Wagen niht so rasch zu hafen sind, sie find nit im Laden zu kaufen. und es bleibt eben nichts übrig, als durch cine verstärkte Ausnußung des Materials die Ansprüche nach Mögli@- fcit zu befriedigen. Ich habe mi seiner Zeit bemüht, mit den Gruben eine Verständigung herbeizuführen, eine zeitige Ermittelung, wie si bei den Gruben das Bedürfniß im Laufe des Jahres stellen würde. Der Hr. Abg. Schmieding wird mir indeß nicht bestreiten, daß diese Ermittelungen keine#wegs den beaksichtigten Zweck erfüllt haben. Die Ziffern, die als Bedürfniß angegeben wurden, sind nit selten weit überschritten worden, und da weiß ich in der That nit, wie man uns einen Vorwurf maten kann, wenn felbst die Interessenten ihre Zukunft nicht genau übersehen konnten, daß wir nicht dafür ge- sorgt haben, alle demnächst gewünshten Wagen stellen zu können. Ich fann nur wiederholen : Der Eisenbahn-Fuhrpark muß ausgerüstet sein, daß er für einen regelmäßigen starken Verkehr genügt, und er soll, elastish in seiner erhöhten Ausnuzungéfäbigkeit, die Reserve besigen für erhöhte Ansprüche in Folge einer vorüktergehenden größeren Ver- fehrssteigerung.

I könnte Ihnen nun r.och Zahlen mittheilen, wie ih Wagen- bedarf und Wagengestellung gezeigt haben im Ruhrrevier und in Oberschlesien, wie es nicht richtig ift, daß die Bedürfnisse des Kohlen- verkehrs so selten rechtzeitig befriedigt sein sollen. Z. B. im Ruhr- revier haben, wie ich {on vorhin erzählte, im Oktober v. I. nur 1,3 9% gefehlt, während im September der Bedarf gedeckt war; ebenso ist in Oberschlisien der Bedarf im September vollständig befriedigt, im Oktober haben bier niht befriedigt werden können 69/0, im November 1 9/0, im Dezember gegen 2%/. Im Januar d. F. haben dann gefehlt an der Rahr bei einer Mehranforderung gegen den Sanuar 1899 von 15°/o im Ganzen 19 9/6, in Oberschlesien bei 10 °/o Mehranforderung 22/0. Bis zum Oktober 1890 sind gesteüt worden im Rubhrrevier 2215935 Wagen, und es haben gefehlt für diese ganze Zeit 1643; für Oberschlesien sind gestellt worden bis Oktober 84 800 Wagen, und gefehlt haben 523. IH glaube do, daß dieses Verhältniß kein ungünstiges ist. Gewiß, der große Apparat fann noch vervollständigt und es müssen einige Lücken in der Organisation ausgefüllt werden, wir werden ja dafür forgen, daß unser Fuhrpark auch in der Zukunft noch reihliher auêgerüstet und leistungsfähiger gemacht wird, als er bisher gewesen ist ; aber daß wir zu allen Zeiten und für alle Verhältnisse und An- forderungen gerüstet sein werden, das kann ih auc beim besten Willen nicht versprehen. Wenn man mir von einer Seite kürzlich bemerkt hat: warum {as Du niht das Doppelte des Fuhrparks an ?, so kann ih einfach nur zu bedenken geben, daß es zur Beschaffung einer Verdoppelung des Fuhrparks der Staatsbahnen für si allein einer Summe von etwa 1100 Millionen Mark bedarf, daß zu diesem Kapital dann no große Summen treten müßten für Geleise, größere Bahnhöfe, Werkstätten, Lokomotiv- und Wagenshuppen, große Summen für Personal u. \. w., und dann möchte ih das Defizit mal sehen, welches dann im Staatshaushalt ersheinen würde. Ich kann nur dringend davor warnen, zu solchen Dingen, die ih als verderbliche Extra- vaganzen bezeihnen muß, überzugehen. (Bravo! re§ts.)

Abg. Graf Strahwiß: Von unerwarteten plôöglichen Steige- rungen im Kohlenverkehr könne man nit gut s\prechen, denn die Statistik zeige eine regelmäßige prozentuale Steigerung. Die Ursachen des Wagenmangels lägen mehr in einer zu großen Sparsamkeit der Verwaltung. Daß gegenwärtig 25 °/o statt, wie es der Durchschnitt sei, 10% der Wagen sih in den Reparaturwerkstätten befänden, zeige, daß auch die Konstruktion der Wagen einiges zu wünschen übrig lasse. Die Stockung,_ die der Verkehr in Oberschlesien in den Monaten Januar und Februar erlitten habe, übersteige aber alles bis dahin Dagewesene, in dem Wagenmangel allein habe die Ursache derselben gelegen.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum: Die Anschuldigungen, die gegen die Staatsregierung wegen des Wagenmangels vorgebracht seien, seien entshieden übertrieben. Die Eisenbahnverwaltung könne täglich 50—60 0009 Wagen stellen. Sowie aber irgendwie groze Störungen dur Uebershwemmungen und andere außerordentlihe Hemmnisse einträten, wirkten diese auch für die spätere Zeit noch etwas nah, In den meisten Fällen seien die an die Verwaltung gestellten Anforderungen übertrieben, was \{chon daraus hervorgehe, daß viele Wagen garniht beladen würden. Es gehe hier ähnlih wie bei der leßten Anleibe: Man nehme im Voraus hon darauf Rücksicht, daß nit alle Wünsche befriedigt werden könnten und telle deshalb die Anforderungen um so höher. Daß die Industriellen zur Berücksichti- gung ihrer großen Anforderungen auch geneigt seien, höhere Tarife zu zahlen, habe man bisher nicht gehört. Der Wagenmangel komme zum Theil auch daher, daß die Zahl der im Auslande laufenden

preußischen Wagen viel größer sei als die der fremden Wagen bei uns. Der allmäblih vor sih gehenden Steigerung des Verkehrs werde die Regierung Rebnung tragen müssen, aber eine Schuld treffe fie bisher nicht, da die Industriellen selbft nicht genügende Auskunft über die zu stellenden Anforderungen geben könnten. Unsere Eisen- babnverwaltung sei noch immer die beste in ganz Earopa, und der Eifenbahn-Minister werde sie auf ihrer Höhe zu erhalten wissen.

Abg. Sch midt (Hagen): Daß einige Vebertreibungen in Bezug auf den Wagenmangel, besondecs was das Ruhrgebiet betreffe, vors lägen, glaube au er. Daß an den \chlimmsten Tagen der Schnee- verwehaungen Wagenmangel stattgefunden habe, sei kein Wunder. Die Zehe „Zollverein“ habe gerade an den \chneereihsten Tagen weit mehr Wagen als sont bestellt, tägli 378. Daß oft ein Wagenmangel vorgeschoben sei, um fontraktmäßige Ver- vflihtungen nicht zu erfüllen, habe früber selbst die „Kölnisce Zeitung“ zugegeben. Ein Ausfall von 2 9% von Wagen könne aber nicht den Kohlenmangel erzeugen, wte er thatsäblich eingetreten sci. Im Sanuar habe man in. Rotterdam Kohlen billiger kaufen können, als in Westfalen selbst. Einige Werke hätten fich im Sommer geweigert, die von den Forte en gn Preise zu be- zahlen und würden jeßt- absichtlich im Sti gelassen. Wie \häd- li die bisher befolgte Wirthschastspolitik fei, zeige {on der Um- stand, daß die zur Beförderung von Kohlen bestimmten eisernen Kähne in Holland um 309% billiaer als bei uns verkauft würden, obglei sie ganz aus deutshem Eisen hergestellt seien. Was den Erlaß des Ministers betreffe, so würden diejenigen, die ein reines GSewissen hätten, die Untersuhung nicht zu scheuen brauen. Ver- werflih bleibe es immer, an das Ausland billiger zu verkaufen, als an das Inland. Die industriellen Vereinigungen, die für sol Gehabren einträten, verträtcen durhaus nit die gesammte deutsche Fndustrie, sondern nur einzelne Gewerbezweige. _Er wünsche, daß die Regierung in ihrer Wirthschaftspolitik auf den Standpunkt zurückgehe, dem in dem Ministerial-Erlaß von 1818 Ausdruck gegeben sei: jedes Gewerbe sciner natürlihen Wirkung zu überlassen und keins zu begünstigen. i i -

Abg. v. Eynern: Ob der Abg. Smidt oder die von ihm angegriffenen industriellen Vereiniguñgen mehr die deutsche Industrie vertcâten, lasse er dahingestellt. Gerade dieje Vereinigungen hätten dur ihre Zustimmung die großen sozialpolitishen Geseße ermög- liht, wäßrend die politishen Freunde des Abg. Schmidt si in jeder Weise ablehnend verhalten hätten. Es fklinge unerheblich, wenn es heiße, es hätten nur wenige Prozent Wagen gefehlt , aber die Wirkungen seien doch ganz bedeutende : Wenn der Minister eine Nervosität bei Fabrikanten konstatiren wolle, so sei diese durch den Wagenmangel wobl cinigermaßen begründet , denn Tausende von Arbeitera büßten ihren Verdienst ein, besonders wenn es gehe wie in S äJabre, daß nun {on fünf Monate hindur ein Wagenmangel

errse. / ; Nachdem die Diskussion geschlossen, wird die Vorlage an die Budgetkommission verwiesen.

Es folgt die erste Berathung des Geseßentwurfs wegen Abänderung des Geseßes, betreffend die Bildung von Wasser genossenschaften, vom 1. April 1879, sür das Gebiet der Wupper und ihrer Nebenflüsse. ; :

Abg. vom Heede: Man habe diefes Ge]eß als eine allgemeine Grundlage des darin enhbaltenen Stoffes zu behandeln, obgleich die Regelung zuerst nur für ein Flußzgebiet getroffen sei. Für das Thal der Lenne lägen die Verhältnine aber ebenso, wie bei der Wupper, und er werde später beantragen, daß das Geseß au) auf das Gebiet der Lenne ausgedehnt werde. : Z

Abg. v. Tiedemann (Bomst): Es gebe kaum eine Gegend in Deutschland, die so günstig für den Versuch einer anderweiten Regelung der Bildung von Wassergenossenschaften sei, wie das Wyupperthal. Dur die- vorgeshlagene Anlegung von Becken werde die Wasserkraft fast verzehnfaht, und diese Steigerung der Wafsser- kraft fomme fast 114 Werken an der Wupper zu Gute. Er hoffe, das Haus werde die zweite Lesung diefes lang erhofîten Gesetz- entwurfs sofort im Plenum vornehmen können,

Auf einige vom Abg. Graf (Elberfeld) geltend gemachten Bedenken erwidert ; L

Geheimer Baurath Langer, daß die Vorlage techniîch_ 1un- bedenklich sei und wesentlihe Vorthcile mit si bringe und daß sie h die in anderen Ländern gemahten Erfahrungen voll und ganz zu Nutzen gema@ckt habe. ;

Abg. Frhr. von Plettenberg empfiehlt die Vorlage zur Annahme.

Abg. Melbeck: Er könne als Abgeordneter des Wupperthales die Vorlage nur freundlih begrüßen. Durch die Niederlegung der Wälder sei der Stroimgang der Wupper zeitweise ein so rascher ge- worden, daß in anderen Zeiten ein großer Wassermangel eintrete. Diesem solle dur Anlegung von Sammelbecken abgeholfen werden. Gr wolle boffen, daß vur ‘den vom Abg. vom Heede in Aussicht ges stellten Antrag bezüglih des Lennegebietes die gegenwärtige Vorlage nicht gefährdet roerde.

Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:

Bei der ausnahmslos zustimmenden Beurtheilung, welcher die Vorlage begegnet ift, glaube ich zur Unterstüßung derselben eine weitere Ausführung nicht machen zu brauen, und ih ergreife nur das Wort, um, einer Anregung des Hrn. Abg. vom Heede Folge gebend, Ihnen mitzuthcilen, daß das Projekt für die Lenne heute hier beim Handels-Ministerium eingegangen ift. Die Sache wird geprüft werden. Sveziell ist sie mir noch nit bckannt, sodaß ih mich über meine Stellungnahme zu dem Lenne-Projekt nicht äußern kann.

Dagegen kann ich sagen, daß prinzipielle Bedenken für die Staats- regierung nit vorlie gen, auch noch im Rahmen dieses Gesetzes die Sade eventuell mit zur Erledigung zu bringen. Es würde das keine großen Sthwierigkeiten haben. Ich glaube, daß im Uebrigen das bobe Haus dieser Vorlage die Anerkennung nit versazen wird, daß gerade ihr Vorzug in der Beschränkung liegt (fehr richtig !), darin, daß sie sich auf ein bestimmtes zur Ausführung völlig vorbereitetes Projekt beshränkt und nicht gleih für das ganze Staatsgebiet in dieser \{wierigen Materie eine geseßliche Neuregulirung in Ausfiht nimmt. Ich darf mi auc der Hoffnung hingeben, daß dieser Schritt es ist ein Versu, der gemacht wird hoffentlich zu einem segensreihen Erfolge führen wird. Wenn von einer S:ite auf das Bedenken hin- gewiesen wird, daß auÿ einmal eine Thalsperre brehen könne, und daß es Gewissenssache sei, dies auszusprechen, so darf ih darauf hin- weisen, daß diese Möglichkeit selbstverständlich von der Staatsregierung au erwogen ist. Der Umstand aber, daß die Staatsregierung Ihnen diese Vorlage gemaht hat, beweist eben, daß na Ansiht der Staats- regierung die Gefahr großer Verheerungen dur Bruch der Thalsperre mensch{licher Voraussiht nah eine vershwindend geringe ist gegenüber den zu erzielenden wirt hschaftlihen Vortheilen. Es wird Sache jedes Einzelnen im hohen Hause sein, sich die Frage zu beantworten, ob er mit der Staatsregierung diese Gefahr fo beurtheilt, daß er der Vor- lage zustimmen kann, oder ob er die Gefahr für so nahe liegend und erheblich erachtet, daß er um deswillen die Vorlage abzulehnen ge- nöthigt ift.

Nach weiterer unerheblicher Debatte, in der js Abg. Ebert y für eine Ueberweisung der Vorlage an eine besondere Kommission aussprach, beshloß das Haus, die zweite Berathung sogleih im Plenum vorzunehmen.

Schluß 31/2 Uhr.

M 94. i

Die Denkschrift über die Ausführung des Anfiedelungs- gesetzes.

Nach der dem Hause der Abgeordneten zugegangenen Denkschrift über die Ausführung des Gesetzes, betreffend die Beförderung deutscher Ansiedelungen in den Provinzen Westpreußen und Posen für das Jahr 1890, wurden der An- Kedelungskommission in dem genannten Jahre 52 Güter und 46 bäuerlihe Grundstücke zum Ankauf angeboten, davon 25 Güter und 26 bäuerliche Grundstücke aus polnischer und 27 Güter und 20 bäuer- lie Grundstücke aus deutsher Hand. In 52 Fällen trat die An- KRedelungskommission außerdem dem Ankauf von Gütern und Grund- ftüden, welhe zur Zwangversteigerung gestellt waren, näher. Angekauft und übernommen wurden 10 Rittergüter, 1 adliges Gut, 1 Freischulzen- gut, also 12 größere Grundstücke, und außerdem 2 bäuerliŸe Grund- stücke. Hiervon entfielen: auf den Regierungsbezirk Danzig das Rittergut Barchnau im Kreise Pr. Stargard mit einem Flächeninhalt von 395 ha 26 a 48 qm für 150 000 A; auf den Regierungsbezirk Marienwerder die Rittergüter Gulbien, Kreis Rosenberg, und Grie- wenhof, Kreis Strasburg, mit einem Gesammtareal von 1291 ha 78 a 4 qm zum Preise von 680000 4; auf den Regierungsbezirk Bromberg die Rittergüter Ochowo und Slowikowo, Kreis Mogilno, Sobiesiernie, Kreis Wittkowo, und Dziewirzewo, Kreis Znin, sowie das Freishulzengut Waliszewo, Kreis Gnesen, und das adlige Gut Neudorf, Kreis Znin, mit einem Gesammiflächeninhalt von 4677 ha 76 a 51 qm zum Gesammtpreise von 3099010 #; auf den Regierungsbezirk Posen die Rittergüter Wilcza, Kr. Jarot- \cin, Leipe, Kr. Schmiegel, und Sçdziewojewo, Kr. Wreschen, mit einem Gesammtareal von 1402 ha 28 a 40 qm zum Preise von 1 666 500 M, sowie das bäuerlihe Grundstück Otoczno Nr. 25, Kr. Wreschen, mit einem Flächeninhalt von 6 ha 44 a 70 qm zum Preise von 5400 4 Im Ganzen wurden also 7774 ha 85 a 23 qm gegen 4800 ha 62 a 88 qm im Vorjahre angekauft. Ankäufe aus deutscher Hand 3 Fälle fanden nur im Wege der Zwangéversteigerung statt. Der Gesammterwerb der Ansiedelungskommission beläuft si bis jetzt auf 48 665 ha 63 a 34 qm Gutsareal zum Preise von 29 376 916,20 und 1324 ba 26 a 82 qm bâäuerlihes Areal zum Preise von

904 294,80 M

Von den angekauften Gütern stand das Gut Slowikowo in cinem Pathtverhältniß und wurde dasfelbe der zuständigen Bezirksregierung zur weiteren Verwaltung überwiesen, während die üvrigen im Be- ribtsjahre angekauften Güter in die unmittelbare Verwaltung der Kommission übernommen wurden, fotaß der großwirthschaftlihe Be- trieb derselben, nahdem er in Folge tes Abschiusses der Besiedelung auf 6 Gütern aufgelöst wurde, noch auf 65 Gütern, 5 mehr als im Vorjahre besteht. Das finanzielle Ergebniß der Verwaltung war, in Folge des unzulänglihen Ausfalls der 1889 er Ernte, kein günstiges, da im Ganzen ein Zuschuß von 159 085,24 4 erforderlich war.

Die Aufstellung neuer Ansiedelungspläne mußte gegen das Vorjahr eingeschränkt werden, wil, nahdem nunmehr rund 12 000 ha an Ansiedler begeben worden sind, die verfügbaren Hülfs- kräfte mit den zur Auflassung der Stellen an die Änsiedler nöthigen SQlußvertnessungen beschäftigt waren. Diese Arbeiten find für ein Arcal von 11 400 ha nahezu zum Abschluß gebracht. Fertig ge- stellt wurden im Berichtéjahre die Theilungspläne von 5 Gütern mit einem Flächeninhalt von 2388,61 ha. Auëfc{ließlich der zu öffentlichen Zroecken angewiesenen Flächen im Gesammt- inhalt von 9,52 ha und der für etwaige Anträge der Ansiedler auf Erweiterung ihres Besißes reservirten Ländereien von 353,41 ha, wurden 2015,20 ha in 117 neucn Ansiedlecfitellen zur Begebung ausgewiesen. Projektmäßig bearbeitet worden sind im Ganzen bis zum 1. Januar 1891 20799,62 ha. Davon wurden für öffentlihe Zwecke 1124,12 ha auëgeworfen, und zwar: für Kirchen- und Vfarrgrundftücke 67,10 ha, für Swulgehöfte und Lehrerdiensiland 123,81 ha, für Gemeindezwedcke 119,71 ha und als Dotationsländereien für die neuen Gemeinden 813,50 ha, Als nit unmittelbar für An- fiedlerzwecke verwendbar, bezw. für ipätere Begebung wurden 2279,37 ha vorbehalten und auf 978 Ansiedlerstellen 17 396,13 ha vertheilt; hier- unter 57 Stellen größeren Inhalts, 116 Stelien zu 25 ha und mehr, 363 Stellen von 13 bis 25 ha, 331 Siellen von 4 bis 13 ha und 83 Stellen bis zu 4 ha,

An Meliorationsarbeiten sind bis zum 31, Dezember 1890 die Drainageausführurgen auf 29 Gütern projeftirt worden; davon ist auf 12 Gütern mit einem Areal von rund 6280 ha die Drainage vollständig zum Abschluß gebracht worden, auf 17 Gütern sind die Arbeiten noch in der Ausführung begriffen, aber auch hier bercits 3200 ha fertig drainirt. Ferner wurden weitere sechs Projektc zu Drainirungen aufgestellt, welhe aber erst im laufenden Jahre zur Durchführung gelangen fönnen. Neben der Durchführung von Drainagen sind auch Projekte zur Meliorirung umfang- reiher Brucyh- und Wiesenflächen bearbeitci worden, deren Ausführung ebenfalls für dieses Jahr zu erwarten steht. Die Bauthätigkeit der Kommission hat sich auch in dem Berichtsjahre wesentlich erweitert und sind im Laufe teéselben theils fertig gestellt, theils noch im Vau begriffen an Gehöftsbauten für Ansiedler: 6 Wohnhäuser, 31 Wohnhäuser mit Stall unter einem Dach, 19 Wohnhäuser mit Stall und Scheune unter einem Dach, 17 Stallgebäude, 4 Stallungen mit Scheune unter einem Dach, 41 Stheunen, 4 S(mieden und 10 Kruggebäude;z für öffentlihe Zweke: 1 Kirche, 11 Schulbäuser mit 22 Nebengebäuden, 1 Armenhaus, 1 Forst- haus und 2 Wirtbschaftsgebäude für Förstereien und 2 massive Brücken. Außerdem wurde eine Dawpfschneidemühle erbaut, welche am 1. Mai v. I. eröffnet wurde und bis zum 1. November 18 790 lfd. m Kantholz, 57150 lfd. m 4 und 2 ecm starke Bretter und 1400 lfd. m 8 bis 5 cm starke Bohlen lieferten. Außerdem wurden in dem Berichtsjahre zur baulihen Verwerthung bereit ge- stellte 8700 ebm Fundamen!steine und 10 272 400 Ziegelsteine, von denen 9 300 000 Stück in 29 selbst betriebenen Ziegeleien fertig ge- stellt wurden. Diese Baumaterialien werden den Ansiedlern gegen Sang ves aufgewendeten Selbstkosten abgegeben.

An Ansiedelungsanträgen gingen in dem Berichtsjahre 836 ein, 14 weniger als im Vorjahre, davon sind 513 zur Notirung in die Ansiedlerliste gekommen. Unter diesen 513 Anwärtern waren nur 192 Angehörige der Ansiedelungsprovinzen. Mit der Zunahme des westdeutshen Elements in den Ansiedelungen vermehrt sich auch der Zuzug kapitalskräftiger Bauern und zeigt si dies in dem Ver- mögensdurchschnitt der für das Berichtsjahr angemeldeten Ansiedler, welcher gegén den früßeren Dur(schnitt von 4096 M auf 6172 M gestiegen ist. Außer den oben ernähnten Anmeldungen sprahen noch mindestens 150 Landwirthe mündli bei der Kommission vor, und geaen 100 Punktationsabschlüsse wurden im Berichtsjahre mit An- edlern gemacht, die niht in den Listen vorgemerkt waren.

Begeben wurden im Berichtsjahre 186 Stellen an 175 An- siedler mit einer Gesammiflähe von 2960 ha 36 a 40 qm, sodaß von den überhaupt zum Verkauf gestellten 984 Stellen mit 17 795 ha

94 a 89 qm, am Stlusse des Jahres noch 252 mit einem Areal von 4869 ha 89 a 21 qm unbegeben blieben. Zu Kauf gegen Rente {sind im Ganzen 555 Stellen, zu Pacht auf Zeit 146 Stellen begeben und außerdem 11 Parzellen zu freiem Eigenthum verkauft worden.

Die mit Ansiedlern beseßten Gutbbezirke Dallnick, Kr. Flatow, Swiniary-Swiniarki, Kr. Gnesen, und Michalcza, Kr. Gnesen, sind im Laufe des Berichtsjahres in Landgemeinden umgewandelt worden, Die Gutsbezirke Lubowo und Komorowo, Kr. Gnesen,

: Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Dienstag, den 3. März

1895,

werden als Theile gleichnamiger, bereits bestehender Landgemeinden anerkannt, die Regelung der Gemeindeverbältnifsse der Kolonie Gr. JIenznick, Kr. Sch{lohau, Bujawa-Müble, Kr. Briesen, Kopaschin, Kr. Wongrowiß, Kucznowo, Kr. Wreschen, Lippusch, Kr. Berent, Sokoiniki , Kr. Gnesen, und Sablonowo, Kr. Briesen, hat sh als unnöthig erwiesen, da diese Ansiedelungen theils bestehenden Landgemeinden bereits angehören, theils als Pachtkolonien im aus\ch{ließlihen Eigenthum des Fiékus verblieben find. Vorbereitet wird die Umgestaliung der kommunalen Verhältnisse in Alt-Bukowiß, Czewojewo, Kiewo, Lowencice, Offowo und Ruocin, wo die Ansiedelung bisher wenig vorgeschritten war. Die Neubildung der übrigen sech2zehn aus Ansiedlern sich zusammen- seßenden Landgemeinden ist durchgängig dem Abschluß nahe.

Für die schulunterrichtliche Versorgung der Ansiedler- kinder ift in ausgiebigster Weise gesorgt worden. Zu den 12 in den Jahren 1888 und 1889 neu errichteten Schulen sind im Laufe des Berichtsjahres 10 neue binzugetreten. Ebenso ist die kirchliche Versorgung der Ansiedler nach wie vor ins Auge gefaßt worden. In Lubowo, Kreis Gnesen, ist der beschlofsene Kirhenbau im Rohbau vollendet und die Begründung eines weiteren evangelishen Kirchspiels mit dem Mittelpunkte Zerniki, Kreis Znia, eingeleitet worden. Die auf den Ansiedelungsgütern eingerihteten Volksbibliotheken fanden großen Anklarg und wurden namentli in den Wintermonaten fleißig benußt.

Die Verleihung von Rindvieh an Ansiedler fand in aus- gedehnterem Maße statt als bisher. Im Ganzen ist in 77 Fällen von dem Leihverfahren Gebrau) gemacht worden, von denen 63 auf das Berichtsjahr entfallen.

Bei der stetig wachsenden Zahl von Ansiedelungen hat die Be- \chaffung von O bstbäumen im Berichtsjahre einen weit größeren Umfang angenommen als im Vorjahre. Es wurden an 262 Besißer 7192 Obstbäume gegen 4654 in 1889 geliefert.

Auf Grund der mit den Ansiedlern geschlossenen Punktationen wurden auch im Berichtsjahre definitive Rentengutsverträge abgeshlossen. Auch war es wieder mögli, eine Anzahl von Ansiedler- stellen den Erwerbern gerichtlich aufzulasfen und nah Maßgabe der Ansiedelungspläne den grundbu@mäßigen Bestand einiger Änsiedelungs- güter durch Umschreibung der Trennstüke auf einzelne Grundbuch- blätter Behufs Erleichterung späterer Ansiedelungen aufzulösen.

Will man ein Urtßeil gewinnen Über die finanziellen Er- gebnisse der Thätigkeit der Besiedelungskommission und über di? Eristenzfähigkeit der Änsiedler unter den Ansiedelungsbedingungen, fo fommt es auf die Beantwortung folgender Fragen an: läßt sich zur Zeit nachweisen, wie die Staat2mittel der Ansiedelungskommission in einzelnen Situationen angelegt sind? und is die Ansiedelung unter den festgestellten Bedingungen ein gutes Geschäft für den Ansiedler oder nit ? Die Beantwortung der ersten Frage ist zur Zeit noch nicht in vollem Umfange möglich, da die Berechnung der fiskalischen Aufwendungen noch nit abges{lossen werden kann. Hinsichtlich der zweiten Frage verbreitet einmal eine Abschäßung von 23 relativ be- triebsfähigen Ansiedlerhöfen in Lubowo zum Zweck der Feststellung der Kreditfähigkeit ihrer Besiger, welche sich zu einem Raiffeisen’s{chen Darlehnskassenvzrein vereinigt hatten, und sodann der Uebergang von 12 Ansiedlerstellen in die zweite Hand einiges Licht. Bei den er- wähnten 23 Stellen ergab B eine Passivsumme von 335 402,30 4 gegenüber einer Taxe von 501 729,84 „\« Bei dem Uebergange in die zweite Hand ergab sich, soweit es #sch nicht um Ueber- lassung an Erben handelte, daß fast durchweg recht er- heblihe Gewinne realisirt wurden, und man darf daher wohl fagen, daß einmal die Grundsäße dee Atißfiedelungs- kommission sich im Allgemeinen bewährt haben, daß ferner das von den Anfiedlern verlangte eigene Vermögen hingereicht hat, um mit den weiteren Unterstüßungen aus den Mitteln des Ansiedelungsfonds eine relative Betriebsfähigkeit der Stellen zu erreichen, welche ein allmähliwes Gmporkfommen der Ansiedler verspricht, und daß endlich die vom Ansiedelungsfiskus über die Anrehnungswerthe der Liegen- schaften hinaus gewährten Kredite nicht gefährdet erscheinen.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Ärbetiterbewegun(.

Der internationale Arbeiterkongreß wird, wie der „Vorwärts" an der Spiße der heutizen Nummer mittheilt, in Brüssel zusammentreten und eine Woche lang dauern. Die Er- öffnung soll am dritten Sonntag des August stattfinden. Auf der _ Tagesordnung b: finden ih folgende Punkte: 1) Der Stand der nationalen und internationalen Arbeiter- geseßzgebung, und die Mittel und Wege, dieselbe zu ver- bessern. 2) Das Koalitionsrecht und seine Garantien; Arbeits- einstellungen, Boykott und Gewerkschaftsbewegung vom nationalen und internationalen Gesichtspunkt aus, 3) Die Stellung und die Pflichten der Arbeiterklasse gegenüber dem Militarismus. Der Kongreß is allen Arbeiterorganisationen und allen sozialistischen Parteien ohne Ausnahme offen.

2 Ueber die Stellungnahme der Regierung zu den Forderungen der Bochumer Delegirten-Versammlung vom 15, Februar ist in dem Hauptblatt unserer heutigen. Nummer ein Artikel enthalten.

Au der Vorstand des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Ober-Bergamtsbezirk Dortmund hat zu dieser Frage jeßt Stellung genommen und an die Vereinszechen ein Rundschreiben gesandt, welchem die folgenden wesentlihen Punkte ent- nommen sind. Der Vorstand ist der Ansicht, daß die an erster Stelle aufgestellte Forderung der Einführung einer einscließlich der Cin- und Ausfahrt auf aht Stunden festzustellenden Arbeits\{hicht der wichtigste Punkt in der im Gange befindlihen Bewegung ist und bleiben wird. Der Vorstand ift aber auch der Ansicht, daß dieser arrer unter allen Umständen nicht stattgegeben werden kann. Die Einrehnung der Ein- und Ausfahrt in die achtstündige Schicht würde eine Herab- seßung der wirklichen Arbeitszeit um durchschnittlich 1 bis 13 Stunde und somit eine wesentliße Minderung der Förderung bedeuten. Abschäßungsweise wird lehtere auf etwa 15 %% berechnet. Eine weitere in der Delegirten-Versammlung der Bergarbeiter auf- gestellte Forderung bezieht ih auf die Einrichtung von Einigungs- âmtern und Arbeiter-Aus\hüssen. Aus der näheren Darlegung, wel{he die Versammlung der Aufstellung dieser Forderung angeschlossen hat, ergiebt ih, daß in Absiht ist, den Arbeiter-Aus\hüssen einen wirk- samen Einfluß auf die Verwaltung der Zehen selbst eingeräumt zu sehen, Es bedarf keines besonderen Hinweises darauf, daß die Einrichtung von Arbeiter-Aus\{chüssen auf den Zehen und Verleihung der in Anspruch N Befugnisse an dieselben einen geord- neten Betrieb überhaupt unmöglih maten, die Disziplin vollständig untergraben und die Verwaltung in ihren wichtigsten Rehten und O derart einshränken würde, daß eine verantwortliche Betriebs- ührung überhaupt nit mehr statthaben kann und an Stelle der Ruhe und Ordnung demnächst die wüsteste Agitation auf sämmt- lien Werken herrshen würde. Der Vorftand kann daher nur dringend empfehlen, daß die Vereinszehen bei dem bisherigen ablehnenden Standpunkte gegenüber der Forderung der Errichtung von Arbeiteraus\chüssen auf das Entschiedenste verharren. Soviel dem Vorstande bekannt is und allseitig bestätigt wird, haben sich die Löhne der Bergleute in derjenigen Höhe erhalten, welche sie während

der dem Ausstand des Jahres 1889 folgenden Konjunktur erreicht hatten. Die Behauptung, welche in Versammlungen und in der agitatorishen Presse vielfa aufgestellt wird, daß die zur Zeit verdienten Löhne Hunger- löhne scien, ift eine frivole und wissentliche Unwahrheit. Die verlangte Aufstellung von Minimallöhnen ift ein Unding und ernstlich überhaupt nicht zu erörtern. Ebensowenig kann ein Eingehen auf die Forderung einer allgemeinen Lohnerhöhung in Frage kommen. ie Forderurg von Wiedereinstellang solcher Bergleute, welche in Folge von Organisations- bestrebungen entlafsen sind, muß der Vorstand ala durchaus unzulässig be- zeihnen. Die Entlassung einzelner Bergleute aus der Arbeit kann immer nur Segenstand der Verhandlung zwisben der Werksverwaltung und den betreffenden Arbeitern felbst sein. Db auf einzelnen Vereinszehen noch der allgemeine Abzug oon Füllkohlen stattfindet, ist dem Verstande_niht allenthalben bekannt. Derselbe ist aber dec Meinung, daß das System der Füllkohlen veraltet und unpraktish ist und da, wo es etwa noch besteht, in Wegfall k-mmen solite. Dagegen wird auf die Einrichtung des Wagennullens als einer unentbehrlihen Disziplinarmaßregel in keinem Falle verzihtet werden können,

In fast sämmtlichen Bezirken des Ruhrkohlengebiets haben

am Sonntag Arbeiterversammlungen stattgefunden, in welchen die am 15. Februar auf dem Bochumer ODelegirtentag auf- gestellten Forderungen angenommen wurden. In der Belegschafts - Versammlung der Zee , Herkules ‘“ warnte De M ulolge Der suubere VDelegitle Mojens franz die jegigen Delegirten, für die von den Führern geplante internationale Vereinigung einzutreten. Redner erklärte, daß der internationale Pariser Kongreß weiter nihts als eine Bereinigung von Sozialdemokraten wäre, und forderte die Versammlung auf, fi niht von den Beschlüssen dieses Kongresses leiten zu lassen. L Der Ausstand der Gummibandwirker in den Fabriken von Thoren, Reichert u. Co. in Barmen und Shwelm dauert, wie der „Köln, Ztg.“ berihtet wird, hartnäckig fort. In einer auch von Arbeitern anderer Gewerbe besuchten Versammlung wurde beschlossen, au die in Folge des Ausstandes beschäftigungslos gewordenen Mädchen aus den vorhandenen Geldern zu unterstüßen. Die Besiger der Fabriken erklären, die Arbeiter seien mit ihrer Forderung durwaus im Unrecht ; es sei keineswegs eine neue Einrichiung, daß das Gummiband nicht sofort, sondern erst einige Tage, nachdem es vom Stuble gekommen, gemessen werde. Dies Verfahren sei früher immer angewandt worden und erst, als si die eiligen Aufträge gemehrt und angehäuft hätten, sei, um eine s{nellere Abfertigung zu ermöglichen, das Band sofort gemessen worden, wenn es vom Webstuhl gekommen. Mit der Zeit hätten sich die Arbeiter so an dieses Verfahren ge- wöhnt, daß sie cs jeßt als ihr Ret betrahteten. Ebenso sei die Behauptung der Arbeiter, daß ihnen durch die Vermessung der ge- lieferten Waaren erst nah einigen Tagen ein Schaden von 3—4 wöcentlih erwase, unwahr; das 60—70 m lange Stü Band laufe böhstens um 1 m ein, was jederzeit dur Proben bewiesen werden könne, Der Arbeitslohn für 1_m betrage 8 S, ein Arbeiter liefere wöchentlih etwa fünf folher Stücke, sodaß der Unterschied im Lohn nit, wie die Arbeiter b:haupteten, 3 bis 4 M, sondern nur 40 in der WoÞhe ausmae. Im Uebrigen hätten fich die Arbeiter keines- wegs über s{lechte Löhne zu beklagen, denn ihr Wochenlohn belaufe si dur(scnittlih, wie dur eine Zusammenstellung der Lohnlisten nachgewiesen wird, in Barmen auf 27 A, während derjenige der S{hwelmer Arbeiter wöcentlih 24 bis 25 M betrage.

In Wriezen a. O. fand am Sonntag der angekündigte \ozia l- demokratische Parteitag für die Kreise Prenzlau, Angermünde, Königsberg N.-M. und Oberbarnim ftatt. (Vgl. Nr. 47 d. BL) Viele Delezirte aus allen Theilen der Provinz Brandenburg, ganz be- sonders aus Berlin, warcn erschienen. Zu Bortenden wurden, wie De v0. BIO- mittheilt, Kaufmana Kegelmann (Neudamm) und Töôpfermeistec Günther (Freienwalde) gewählt. Webermeister Pöfselmann (Straußberg) hielt den einleitenden Vortrag. Es sei nothwendig, so führte er aus, die Arbeiter allesammt gewerkschaftilid und politis zu organisiren. Ina jedem kleinen Oct, auf jedem Dorf müssen gewerkcaftlihe und politishe Vereine geschaffen und Volksversammlungen abgehalten werden. Wenn die Land- arbeiter erst einsehen würden, daß die Sozialdemokraten nur Recht und Gerechtigkeit {afen und aller Unterdrückung und Ausbeu- lung cin Ende machen wollen, dann würden fie nicht anstehen, si denselben anzuschließen. Nach der Berliner „Volks-Ztg.“ äußerte der Redner no u. A. : Wir müssen ferner den Arbeitern auf dem Lande sagen : Wir sind entfernt davon, die chrisilihen Institutionen umzustürzen ; es ist eitel Lüge, wenn die Gegner behaupten: wir wollten die Che und die Familie aufheben. Wir wollen keineswegs unsere Ziele vershleiern, wir wollen den Landarbeitern sagen, daß, wenn sie ihre wirth\schaftlihe Lage aufbessern wollen, sie sih der \ozialdemokratishen Partei anshließen müssen. Schließlich gelangte folgende Resolution zur Annahme: In Erwägung, daß bisher für die Aufklärung der ländlichen Arbeiter nit genügend Sorge getragen worden, in Erwägung ferner, daß das Klassenbewußtsein des ländlihen Pro- letariats nur dur eine rührige Agitation gefördert werden kann, beschließt der Parteitag: 1) Mit allen gesezlihen Mitteln im Sinne der sozial- demokratishen Partei zu agitiren, 2) wo es nur angeht, auf Dörfern Versammlungen abzuhalten, 3) von Zeit zu Zeit Flugschriften, welche die Lage der ländlichen Arbeiter beleuchten, und in denen die Wege zur Besserung angegeben sind, zu verbreiten, 4) die Kosten hierfür theils von den Kreifen, theils von den Centraltassen aufbringen zu lassen. Ferner wurde noch ein Protest gegen die Gesindeordnung al3 Resolution angenommen.

Kunft und Wissenschaft.

Jn dem Torfmoor der Feldmark Pinnow (Besißer Regierungs - Referendar, Kammerjunker von Behr), Kreis Greifswald, ist eine Anzahl arabisher Münzen neben Bruchsilber gefunden worden. Die Münzen , welche dem Königlihen Münzkabinet übersandt sind, stammen aus der gel der Abbassiden- und Omajaden - Dynastie. Sie sind im

ebiet des heutigen Arabien und Persien geprägt und haben einen ungefähren Werth von 150 M

Jn den Entwürfen zu einem Todtentanz, welche der Kupfersteher Professor Hans Meyer im Sqhulte- hen Salon ausgestellt hat, führt der Künstler in ahtzehn Kompositionen nebst einem Titelblatt den im sechzehnten BOO so beliebten und in neuerer Zeit seit Alfred

ethel bei uns nit wieder aufgenommenen Gedanken von der Vergänglichkeit alles Jrdischen dergestalt dur, daß er den Tod ganz ähnlih wie in den Holbein'shen Holzschnitten als lebendiges, mit Augen versehenes Skelett und mit verschiedener Klêidung angethan, dem Menschen entgegentreten und ihm bei der Arbeit behülflih sein läßt. Seinen hierdurhch {hon allein verständlichen Blättern hat der Künstler Verse, oft längeren Jnhalts, hinzugefügt, welche diesen Gedanken in

markigen, nicht selten die Eitelkeit der menschlihen Be-