1891 / 56 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 05 Mar 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Hand leisteten. Um 5 Uhr wurde es in den Garderoben von Neuem lebendig. 13 Züge hatten inzwishen aus allen Himmels- rihtungen die 600 aktiven Mitglieder der Genossenschaft, die an der Generalprüfung theilnahmen, herbeigeführt. Um 54 Uhr marschirten die einzelnen Abtheilungen, insgesammt 39, unter Führung ihrer Aerzte in den Saal, und nach dem Weggang der Kaiserin be- gann die Prüfung unter Oberleitung des eneral - Stabsarztes der Armee Dr. von Coler und unter Inspektion der Ge- neral-Aerzte Bardeleben, von Beramann, Grasnick, Großheim, Leutbold, Mehlhausen, Opiß und Wenzel. Jeder Abtheilung war ein bestimmtes Kapitel der Krankenpflege zur Behandlung gegeben, zunächst wurden theoretis&e Fragen gestellt, alsdann ging es zu praf- tishen Uebungen über. Insgesammt wurde 12 Stunden geprüft. Nach der Prüfung trat eine kurze Pause ein, während der die Tische für den Kommers aufgestellt wurden. Die Ehrengäste nahmen an den drei Mitteltishen Plat, im Uebrigen ordneten si die Theilnehmer nach den Städten. Der Verlauf des Kommerfses, der durch Reden und festlihen Gesang gewürzt wurde, war ein recht gelungener.

Der in der Luisenstraße nah den Entwürfen des Geheimen Ober-Regierungs-Raths Busse ausgeführte Bau des Reichs-Vatentamts ist nunmehr so weit vollendet, daß er zum April seiner Bestimmung übergeben werden kann. Das Gebäude erhebt si drei Stockwerke hoh, welche große Rundbogenfenster ent- balten und dur kräftige Gesimse getrennt werden. Der mittlere Haupteingang wird von vier Säulen gebildet ; über diesem befinden sih zwei allegorische Gruppen, welche die „Erfindung“ veran- {chaulihen und von Professor Otto Lessing modellirt sind; in der bärtigen, mit Schurzfell und Hammer ausgerüsteten Ge- stalt des Arbeiters links vom Eingangsthor erkennt man deutli die Beziehung zur Metallindustrie, während der Arbeiter zur Rechten, welcher dem bei ihm \sißenden Knaben ein Gewebe zeigt, die Erfindung in der Weberei versinnbildliht. Ueber dem Fenster zwischen beiden Gruppen is ein ornamentales Löwenfell ausgebreitet ; am Dachgesims erscheint auf eixer Kartusche der Reicsadler. Dieses felbst wird sowohl von den Pfeilern des weit heraustretenden Ein- gangsbaues als auch den Pfeilern der ebenso an den beiden Ecken hervor- \pringenden Nebeneingangébauten getragen. Ie ein mit einem Reichs- adler verschener Schild ziert die nah dem Mittelbau gehenden Kanten derselben, indessen ein reiher Shmuck von Masken an den Ge- fimsen angebraht ist. Der in weißgrauem Sandstein aus-

eführte Bau zeigt den Charakter des ins Barock gehenden

Nenaissancestils, jedo in völlig freier Behandlung. In feinem ersten Stock befindet si ein größerer, gewölbter Saal, welcher zur öfent- lien Ausstellung der Patentzeihnungen bestimmt ist und deshalb an den Wänden Spinden und Fächer enthält, die in Kiefernholz geshmack- voll ausgeführt sind und im Aufbau wie ornamentalen Sc{chmuck dem arciteftonishen Gesammtcarakter entsprehen. In tecnischer Bezie- bung sei noch hervorgehoben, daß die Decken des Gebäudes massiv eingewölbt sind, sodaß Holzdielen nit erforderlich waren.

Zur Feier des 25 jährigen Direktor-Jubiläums des Ge- heimen Bergraths Dr. W. Hauchecorne fand der „Voss. Ztg. zufolge am Dienstag Abend im Grand Hotel Alexandeiplaß ein von den Studirenden der Königlichen Berg-Akademie veranstalteter Festkommers statt, dem u. A. der Minifter Freiherr von Berlep\{ beiwohnte. Am 1, März, dem eigentlichen JIubeltage, haben Lehrer und Beamte der Berg- Akademie ihrem Direktor dur einc Abordnung

eine Adresse überreichen lassen.

Nach dem „Elektr. Anz.“ ist bei dem Berliner Magistrat, der sich allerdings grundsäßlih gegen die Anlage elektrisher Hoch- bahnen ausgesprochen hat, Seitens der Firma Siemens u. Halske neuerdings der Plan einer elektrischen Bahnanlage zwischen dem Swhlesishen Bahnhof und dem Westen der Stadt ein-

Wetterbericht vom 5. März, Bronsart.

Morgens 8 Uhr.

Meeressp, E red. in Millim.

Stationen. Wind. Wetter.

7 Uhr.

Bar. auf 0 Gr.

u. d.

6 bededckt

4 halb bed. 6 bededckt

6 wolkenlos 4 bedeckt 2|bedeck11)

2 wolkig 1Schnee _

Mullaghmore | 767 Aberdeen .. Christiansund | 736 Kopenhagen . | 745 Stodckholm . | 728 B l TOC t. Petersb. | 741 Moskau . . | 753 Cork, Queens- | town .…. | 773 3 [wolkig Breft .... | 773 3 wolkig 763 3'wolkenl o8 753 5 halb bed. 757 5 wolkenl.2) winemünde | 751 7 heiter Neufahrwafser| 744 9 wolkig?) Memel .…. | 737 8'beded14)

ari®.... | 773 1 [wolkig

ünster... | 762 6 wolkig Karlsruhe . . | 770 5 bedeckt Wiesbaden . | 770 2 halb bed. München . . | 770 7 bedeckt5) Chemniy .. | 762

4 Regens) Berlin. .…. | 7566 |WNW 5 heiter?) Wien .... | 764 [W

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Excellenz.

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1) Abends Nordlicht. 3) Nachts Sturm. #) Nachts Sturm, S{hnee und Ti 5) Nachts stürmisch. ®) Nebel. 7) Abends Schnee.

Nebersicht der Witterung.

Roderih Benedix.

Dichtung von R. Guillemin. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. t Herr. Schauspiel in 7 Vorgängen von Ernft von

Wildenbruh. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Der Pfarrer von Kirchfeld. Sonntag : Das alte Lied.

Berliner Theater. Freitag: 26. Abonnements- Vorstellung. Die Räuber. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Zum ersten Male: Arbeit.

Sonntag, Nachm. 23 Uhr : Wehe den Befiegten. Abends 7{ Uhr: Arbeit.

Lesfing-Theater. meuceau. Sthausxiel in 5 Akten von A. Dumas und A. d’Artois.

Pictoria-Theater. Freitag: Zum 97. Male: e ie fieben Raben. Romantisches Zaubermärchen Ein tiefes barometrishes Minimum, welches F 5 Fee von Emil Pohl. Musik bon G. Lehn- geftern nördlih von Swottland -lag, ist oftwärts | hardt, Balletcompositionen des 3. Aktes von C.

gercit worden. Die Ausführung sei als Eisenkonstruktion geplant. Die Linie würde vom Swlesishen Bahnhof aus die Skaligßer Straße \chneiden, hierauf am Südufer des Schiffahrtskanals entlang über die Anhalter und Potsdamer Bahn führen und in der Hardenbergstraße am Zoologishen Garten endigen.

Die Kommission des Aeltesten-Kollegiums der Berliner Kaufmannschaft für gewerbliche Angelegenheiten hat über die Stellungnahme zu der 1893 (zur Feier der Entdeckung Amerikas) in Chicago zu veranstaltenden Welt - Ausstel lung berathen und war durchwea der Ansicht, daß sich die Betheiligung empfehle. Das Plenum der Aeltesten hat si, wie die „Voss Ztg.“ berichtet, diese Auffassung angeeignet und wird dem Handels-Minister davon Mit- theilung maten, zugleih mit der Bitte, auf Ernennung eines Reichs- fommissars und Gewährung aller möglichen Erleichtecungen bezügli der Frachten u. f. w. hinwirken zu woller.

Aus dem Riesengebirge. O-erhalb der „alten \{lesischen Baude*, am Nordabhange der Veilchenkoppe, stürzte, wie man der „Köln. Ztg.“ meldet, in der Nat zum 27. Ianuar aus 12090 m Seehöhe eine mähtige Schneewand in einen Kessel, dessen sumpfigem Grunde die obere Kochel entspringt. Mitte Jauuar hatte sich an den Abhängen des Kammes Glatteis gebildet, auf welchem der später gefallene trockene Sw{nee keinen Halt fand. Man \chäßt die niedergegangenen Swhhneemassen auf 50—100 0009 cbm Not jetzt erfüllen, wie bei cinem Bergîturze, mäthtige Felsblöcke, vom Schnee duccheinander geworfen und ge- borsten, den engen Schlund. In der Nähe is später noch eine zweite, kleinere Law ine abgestürzt, doch läßt sih der Zeitpunkt hierfür niht ermitteln. Während der leßten dreißig Jahre ist in dieser Gegend nur einmal eine Lawine beobahtei worden und zwar am 8. März 1888.

Quedlinburg, 2. März. Im Bodethal wird, wie die „Madb. Ztg mittheilt, auf Veranlassung der Königlichen Cisenbahn- Direktion zu Magdeburg, vielfahen Wünschen des Publikums ent- sprechend, am Fußwege von Thale nah Treseburg eine Schußz- hütte errihtet werden. Von allen Besuchern des herrlihen Bode- thales dürfte diese Einrichtung mit Freuden begrüßt werden, da bei der stundenweiten Entfernung beider Orte bei hereinbrechendem Un- wetter nirgends ein \{chÜüÜtendes Obdach zu finden war. Der von einer Berliner Firma projektirte Bau einer Draßhtseilbahn nah dem Herxentanzplaß, zu dem bereits vor einigen Jahren mit den Vorarbeiten begonnen wurde, ist jeßt, wie verlautet, aufgegeben.

London, 3. März. Heute wurde in Calais mit den Vor- arbeiten zum Legen des englisch-französishen Telephon- fabels begonnen. Das Kabel selbs wird voraussihtlih am nächsten Donnerstag gelegt werden, und bis zum 15. d. M. dürfte die Telephon- verbindung zwischen Paris und London vollständig fertig her-

gestellt sein.

London, 3. März. Gestern Abend fand im Hause des Erzbischofs von Westminster eine Sitzung der _„Kreuz- liga® statt, in deren Verlauf Namens der Mitglieder dem Kardinal Manning in Anerkennung der Dienste , welche er der Gesellschaft in ihrem Kampfe für gänzliche Enthalt- samkeit von geistigen Getränken geleistet, die Büste des Gründers der „Kreuzliga*, Vaters Mathew, über- reiht wurde. Der Kardinal nahm die Büste dankend an und wies in seiner Erwiderung auf die segensreihe Thätigkeit der Liga bin, deren Organisation siv jeßt fast über den ganzen Erdkreis erstrecke. Die Zeit, so führte er aus, in welcher die Gesellschaft ihrer Zwelke wegen angegriffen und verhöhnt wurde, sei vorüber, und es gebe kaum

Text von Hans von Bronsart und | Dirigent: Hr. Kapellmeister Federmann. Friedri Bodenstedt. Ballet von E. Graeb. In |7 U = | Scene geseßt vom Ober-Regisseur Teßlaff. Dirigent : | Kapellmeister Sucher. : :

Schauspielhaus. 63. Vorstellung. Neu einstudirt : Der Störenfried. Lustspiel in 4 Aufzügen von

Anfang 7 Uhr. E Ls

Friquette.

Bunge. Ballet von Charles

riquette. 64. Vorstellung. Der neue F

Belle-Alliance-Theater.

Adolph Ernst-Theater.

Thomas-Theater. Alte Freitag: Der Fall Clé- | Freitag: Zum 32. Male:

auf Reisen.

hr. Sonnabend ; Dieselbe Vorstellung.

i Residenz=-Theater. Direktion : Sigmund Lauten- Regie: Hr. Krause. Anfang | burg. Freitag: Zum 56. Male: Der selige Tou- pinel Œeu Toupineï). S4wank in 3 Akten

Sonnabend: Opernhaus. 58. Vorstellung. Der | yon Alexandre Bisson. Deuts von Gustav vou Trompeter von Säkkingen. Oper in 4 Akten | Moser. In Scene geseßt von Sigmund Lautenburg. nebst E N A A e 200 Vorher: _ G ank Ê i‘ mit autorisirter t eilweiser enußung der ee Un Benno Jacobson. n Scene geseßt von igmun : 1 einiger Original-Lieder aus I. Victor von S{effel's | Lautenberg. Aufang 74 Uhr. Frl, Martha Weidner mit Hrn. Fabrikanten Sonnabend: Der selige Toupinel. Vorher:

Schwank in 1 Aft von

Freitag: 2. Gast-

spiel von Ernesto Rossi mit seiner Gesellschaft. Re Lear (König Lear). Tragedia in 5 atti

: itag: Die Kiuder der | di W. Shakespeare. Anfang 7# Uhr. : Deutsches Theater Geenas Sonnabend: 3. Gastspiel von Ernesto Rossi mit Verehelicht:

seiner Gesellschaft. Zum ersten Male: Richelieu.

21, Male: Adam und Eva. in 4 Akten von Eduard Jacobson und Leopold Ely. Couplets von Jacobson und Gustav Görß. Musik von Adolph Ferron. Anfang 74 Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Jakobstraße 830,

Der Registrator auf Neisen. Posse mit Gesang von A. L'Arronge, S von Pes cit von R L m f Big, ¿ i plets von A, Bender. Cäsar Wichtig : Sonnabend und Sonntag: Der Probepfeil. Le elen U

2) Nachts stürmisch. | Lustspiel in 4 Akten von Oscar Blumenthal. Emil Lbomas. Anfang 7% Uhr.

eine Familie in England, in welcher niht wenigstens ein Mitglied eer Liga angehöre.

Brüssel, 3. März. Der belgische Gesandte in Mexiko berichtete nah einer Mittheilung, die der „Voss. Ztg.“ zuging, dem belgishen Auswärtigen Amt, daß in der Herstellung des Papiers eine wesentliGe Verbesserung in nicht ferner Zeit zu er- warten stehe. In Mexiko und zwar in dem Staate Tabasko befinde si ein neuer Robstoff, welcher für Anfertigung besserer Papier- arten wesentlihe Vortheile vor den Geweben biete. Das sei die Faser des „Jalocin“, einer im Uebermaße wild wachsenden Pflanze. Die gekrempelte Faser dieser Pflanze sei sehr fein und glänzend und werde der Verwendung der Lumpen mit Erfolg Kon- kurrenz machen.

New-York, 2. März. Aus Ri{bmond, im Staate Virginien wird gemeldet, daß ein furchtbarer Orkan am leßten Donnerstag über das Thal des unteren James-Flusses dahinzog und viel Unheil anribtete. 24 Austernfischer, von denen die meisten Neger waren,

sind ertrunken

Melbourne. Eine Summe von 150 Pfd. St. ift in Mel- bourne aufgebracht und dem Kapitän Jorgensen überreicht worden, welcher kürzlih in dem von ihm patentirten Rettungsboot „Storm King“ die Reise von London nah Melbourne zurück- gelegt hat.

Nah Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

London, 5. März. (W. T. B.) Das „Reuter'sche Bureau“ dementirt die Nachriht des „Siécle“, daß der diplomatishe Agent Rußlands in Kairo sich dem Protest des französischen Vertreters d'Aubigny

egen die beabsihtigte Aenderung in dem cane i chen ustizwesen angeshlossen habe. Staatsrath Kojander habe eine dahin gehende Fnstruktion nicht erhalten. :

Paris, 5. März. (W. T. B.) Nach einer Meldung des „Siècle“ hat Bartissot, der Gründer der Mozambique- Compagnie, welcher gegen die englische- südafrikanische Gesellschaft einen Entshädigungsprozes von 25 Millionen Francs angestrengt hat, bei der französishen Regierung gegen die Verlegung französischer JFnteressen im Manica- lande protestirt, Das Comité zum Schuße des französischen Exports faßte gegen die Ankündigung eines inter- nationalen Eisenbahntarifs eine Protestresolution. Sozialistencomités, welche Behufs der Mai-Mani- festation gebildet worden sind, beschlossen, vom näthsten Sonn- abend ab zu Gunsten der Manifestation Meetings abzu- halten ; der Munizipalrath und die Kammer sollen auf- gefordert werden, den städtischen resp. Staatsbediensteten den 1. Mai freizugeben. i

Bern, 5, März. (W. T. B.) Der Bundeskommissar Oberst Künzli begiebt sich zu der am 8. März stattfindenden Volksabstimmung über die Verfassungsrevision wieder nah dem Tessin.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

Familien-Nachrichten. Verlobt: Frl. Else Meißner mit Hrn. Wil- helm Brünjes (Berlin). Frl. Anna Michel mit Hrn. Landbauinspyektor Alfred Wanckel (Leipzig- Konnewitz). Frl. Marie von Bülow mit Hrn. Sec Lieutenant Wilhelm von Schwerin-Janow (Stremlow bei Tribsees). Frl. Melantie von Scimonsky mit Hrn. Rittmeister Frhrn. von dem Knesebeck (Steblau-Leobschüß). Frl. Anna

Kögel mit Hrn. Rittergutsbesißer Oskar Mehl- hausen (Lüdersdorf—Eichwerder bei Wriezen).

Anfang

Otto Max Swhmièt (Magdeburg—Magdeburg- Buckau). Frl. Hedwig Beyer mit Hrn. Kaufmann Albert Röhricht (Breslau). Fkl. Martha Süs mit Hrn. Prem.-Lieutenant Hoimar von Ditfurth (Minden). Frl. Klara Urff mit Hrn. Forstassessor Georg Petersohn (Neuhaus bei Berlinichen). Frl. Martha Seiffert mit Hrn. Bernhard Tie (Berlin),

Hr. Dr. Robert Henriques mit Frl. Anna Stuttgardter (Berlin), Hr. Apo- theker Victor Döring mit Frl. Bertha Haupt (Brieg).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Landrath Gescher (Wesel). Hrn. Regierungs-Baumeister Elten (Bromberg). Hrn. Bank-Direktor Arioni (Barmen). Hrn. Landrath Ern von Jagow (Berlin). Hrn. Dr. Siebers (Lugau). Hrn. Gustav Enders (Berlin). Hrn. Otto Mahlo (Glogau). Hrn. B. Heyland (Grödißberg). Eine Tochter: Hrn. Reg.-Assessor Hoffmann (Wiesbaden). Hrn. Dr. Unckell (ürs a d. M ). Hrn. Pi:ediger Walsdorff (Nordenburg) Hrn Rechtsanwalt Karl Wilke (Berlin) Hen. Prem.- Lieut. von T\cirs{ky und Bögendorff (Breslau). Hrn. Paul Sturm (Sellerhausen) Hrn. Fri Markgraf (Bexlin). Hrn. Dr. W. Skczecze (Orzesche).

Freitag: Zum Gesangsposse

Sonnabend und folgende Tage; Der Regiftrator | Gestorben: Hr. Sec.- Lieutenant a. D. Karl

Lux (Wellenbof bei Neisse). Hr. Kgl. Ober- amtmann Clemens Sarrazin (Altenhof). Frau

Concert-Haus.

nah dem Bottnischen Busen fortgeschritten und ver- | Y Raida. Ballets von C. Severini. Jn Scene | Concert. VII. Wagner-Abend.

ursacht an der deutschen Küste stürmische westliche geseßt von W. Hock. Anfang 74 Uhr.

Winde, stellenweise vollen Sturm aus West. Auch im Binnenlande wehen starke westliche und füd- westlihe Winde. Das Wetter ist in Deutscbland warm und beständig, vielfach is Regen gefallen.

beobachtet. eia. 2 Deutsche Seewarte.

E Theater-Anzeigen. Königliche Schauspiele.

Freitag: Opern-

l L Wallner-Theater. Die Temperatur liegt daselbst 2 bis 6 Grad über i C Qaubeville in 2 Allen - von dem Mittelwerthe. In Haparanda wurde Nordlicht M Sa S oi Denis: vön Ni@ard Genée. Musik von E. Audran. Anfang 7# Uhr.

Sonnabend und folg. Tage: Miß Helyett.

Friedrich - Wilhelmstädtisches reitag: Mit neuer Ausstattung. Zum 15. Male: er Vogelhäudler. Operette in 3 Aufzügen nah

57. Vorstellung. Hiarne. Große Oper in | einer Idee des Biéville von Held und West. Musik L Mtten L s s viel von R von | von C. Zeller. Jn Scene geseßt von Julius Frißzsche.

Concert-Anzeigen. Freitag :

Sing - Akademie. Freitag, Abends 7# Uhr: T é , [TIT. Abonnements-Concert. E. Sauret H, Grün- Freitag: Zum 28. Male: | fe unter gütiger Mitwirkung der Kammersängerin Fr. Pauline Meßtler, sowie der Hrrn. Th. Krelle, Bram Eldering und F. Espenhahn.

Pauline Auguste von Geißler, geb. Keller (Görlitz). Hr. Königl. Ober-Landesgerihts-Rath a. D. Wilhelm Franzki (Breslau). Hr. Geh. Kanzlei- Rath a. D. Waldetnar Horkel U, Hr. Pastor Karl Emil Kläber (Markau bei Nauen). Hr. Rentier Gottfr. Andr. Tuchniß (Berlin.) Hr. Kgl. Bau-Rath a. D. Karl Schulz (Berlin) Frau Agnes Tourte, geb. Brügge- mann (Berlin). Hrn Major Hugo von Spaloing Sohn Ludolf (Brandenburg a. H.).

Carl Meyder-

Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin:

wifsenshaftlihen Theater. zettel.

Urania, Anjtalt für volksthümlihe Naturkunde. Am Landes - Ausstellungs - Park (Lehrier Bahnhof). Oruck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlags

, | Geöffnet von 12—11 Uhr. Täglich Vorstellung im Theater Näheres die Ans@lag-

Verlag der Expedition (S ch olz).

Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sieben Beilagen (ein\chließlich Börsen - Beilage).

Dentscher Reichstaa. 80, Sigung vom Mittwoch, 4. März, 12 Uhr.

Am Tische des Bundesraths : Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. von Boetticher, Präfident des Reichs- Eisenbahnamts Dr. Schulz. h

Die Berathung des Reichshaushalts-Etats für 1891/92 P fortgesezt bei der Verwaltung der Reihs-Eisen-

aynen.

Die Einnahmen sind auf 54 962 000 H veranschlagt, die Ausgaben für die Centralverwaltung auf 82500 H, die für die Betriebsverwaltung auf 34 581 000 4, der Uebershuß auf 20 298 500 M6 ; : 5

Referent Abg. Hammacher: Die Kommission {lage die Genehmigung aler geforderten Ausgaben vor. Entsprehend den vom Reichstage für alle Verwaltungszweige empfohlenen Grundsäßen, set auch bei der Reihs-Eisenbahnverwaltung das System der Alterszulagen bei Beamtenbesoldungen weiter durchgeführt worden, wodur allervings gerade bei dieser Verwaltung Härten und Unzuträgli@keiten infofern entständen, als die hier angestellten Beamten sämmilih ein relativ niedriges Dienstalter hâtien; stamme do tie ganze Reihs-Eisenbahn- verwaltung erst aus den Jahren 1871/72. Die in Folge dessen in Petitionen ausgedrückten Klagen könnten aber das sonst so günstig wirkende Prinzip der Alterszulagen nit diskreditiren, sondern man hake sich mit der Zusicherung der Regierung begnügt, hervortretende Härten in jedem Einzelfalle nach Kräften zu beseitigen. Ferner sei das Mißverbältniß der Zahl der diätarisch zu den etatsmäßig an- gestellten Beamten (letztere F) zur Sprache gebraht worden ; die Re- gierung habe zugegeben, taß es der Direktive des Reichstages nicht entspreche, daß dies aber die Folge eines bisher nit zu überwin- denden, in den Dienstverhältnissen begründeten Zwanges gewesen fei, und sie habe thunlihste Abhülfe zugesagt. Schließlich set bemerkt worden, daß bei der Vertheilung der Theuerungszulagen große Un- gleichheiten beständen, welche die Regierung dur die in den verschie- denen Theilen des Reichslandes verschiedenen Preise motivirt habe. Aber nah Ansicht der Kommission seien diese Differenzen nicht fo groß, um fo starke Unterschiede in den Zulagen zu rechtfertigen. e Regierung habe das anerkannt und gleihmäßige Vertheilung zu? gesagt.

Abg. Broemel: An dieser Stelle sei die wichtige Frage der Reform der Personentarife niht zu umgehen, die auch schon in der Kommission zur Besprehung gekommen sei. Dort sei man aus- gegangen von der ungerügenden Ausnußung der Personen- und Gepä- wagen, welche für die Reichslande nur 22,55 °/9 betrage, also unter den auch \chon niedrigen Saß der Ausnußung in Deutschland, der 24,48 9/0 ausmache, noch erheblich hberabsinte. Dazu komme die aus- gedehnte Anwendung von Rückfahrt-, Rundreise- und Abonnements- farten, mit welchen 55% aller in den Reichslanden gefahrenen Personenkilometer zurückgelegt worden seien und welche 48 %/g aller aus dem Personenverkehr entstandenen Einnahmen geliefert hätten. Die preußise Staats-Eisenbahnverwaltung fei mit den übrigen deutschen Verwaltungen in Berathung getreten und habe die Grund- säße ter beabsihtigten Reform dahin normirt, daß für jeden Kilo- meter in der dritten Wagenklasse 2 s, in der zweiten 4 und in der ersten 6 4 gezahlt, aber nirgends Freigepäk gewährt werden solle. Mit diescn Vors{lägen habe stich die Kommission niht beschäftigt, weil fie zur Zeit ihrer Berathungen noch niht bekannt gewesen seien. Im Reichslande, wie überhaupt im ganzen Süden Deutsch- lands bestehe auch bisher kein Freigepädck, die Fahrpreise seien aber

normirt, daß für die cinfa&e Fahrt die vorgeschlagenen

eine wesentlihe Ermäßigung bedeuteten, für Rük-

und MRundreisebilleis aber die Ermäßigung für die dritte Klasse eine ganz minime werde; sie betrage 5 S, füc die zweite und erste Klasse dagegen trete gar keine Ermäßigung, ja sogar Vertheuerung ein. Glaube die Regierung etwa, mit ciner größeren Preisermäßigung cine Vercingerung der Einnahmen herbei- zuführen? Die Erfahrung beweise das Gegentheil. Mit Preisherab- seßungen sei stets eine fol@e Vermehrung des Verkehrs verbunden, daß häufig sogar noch eine Vermchrung der Einnahmen eintrete, während bei einer Erhöhung der Preise das Gegentheil der Fall sei. Eine wesentlihe Reform werde noch bei den Gepälkpreisen im Reic@slande eintreten müssen; jeßt koste die Beförderung von 25 kg auf 10 km 1 Æ 10 S§; in Folge" davon fei die Gepäckwagen- ausnußung im Elsaß eine außerordentlih geringe: sie betrage °%, während sie in ganz Deutschland durchschnittlich 3,6 %/ ausmae; im Elfaß kämen auf die Achse dur@schnittlich nur 80 Pfund Last. Zu erwägen sei noch, ob die Tarifreform im Reichslande nur gemein- \chaftlich mit der im übrigen Deutshland vorgenommen werden tolle oder unabhängig von ihr. So groß der Vortheil eines gemein- samen Vorgehens auch sei, so dürfe mit Rüdsiht darauf eine Hintankbaltung der Reform doch nit eintreten. Angesichts der ge- ringen Wagen- und Materialausnußung müßten die Reichslande, wenn das gesammte Deutschland mit der Reform zögere, die Jni- tiative in die Hand nehmen, und das um so eher, als es fich bei den Reichélanden um einen in sich abgesclessenen, verbältnißmäßig nicht großen Komplex handele. Eine wichtige Frage sei auch, ob be: der LTarifreform Rechnungseinheit der Kilometer gelten solle? Früher habe man die Berehnung nah Meilen gehabt, also einen viel größeren Maßstab. Die vorgeschla- genen Sätze würden die Folge haben, daß, weil die Fahrpreise immer auf dur 10 theilbare Zahlen abgerundet werden sollten, thatsä{lich ein Zonentarif mit der Zonenbreite von 5 km eintrete; wäre es da nit richtiger, gleich von vorn herein einen thatsählihen Zonen- tarif mit breiteren Gürteln einzuführen? Man habe auch verschie- dene dahin gehende Vorschläge gemacht: Einige wollten eine Zone mit der Breite von 10 km einführen, Andere das ganze Tarifsystem von Hause aus umgestalten. Nun knüpfe sich an den Zonentarif die ungerechtfertigte Vorstellung, als wäre er in jedem Falle ein Wunder von Einfachheit und Billigkeit; das sei auch bei dem viel- erühmtèn ungarishen niht der Fall, er leide an Ungerechtigkeiten n der Festseßung der Zonen; troßdem habe er große Anerkennung gefunden, weil er die Tarife vereinfahe und große Ermäßigungen für weite Entfernungen herbeiführe. Das sollte auch die deutshen Ver- waltungen zur Nateiferung veranlassen. Gerade im Elsaß könnte man ein Experiment machen. Er (Redner) frage also die Reichs- Eisenbahnverwaltung: ob sie die in Aussicht genommene Reform in den Reichslanden auf Grund der bisher bekannt gewordenen Vor- schläge vorzunehmen gedenke, und ob sie niht die Absicht habe, über diesen Rahmen hinaus mit einer dur{greifenden Ermäßigung der Tarifsäße wie Vereinfahung der Tarifformen vorzugehen.

Referent Abg. Hammacher: In der Kommission habe der Regie- rungsvertreter erklärt, daß im Elsaß im Prinzip die Einführung der für Preußen in Auesiht genommenen Säße geplant sei, daß jedoch politishe Erwägungen, wie auch die Rücksiht auf die benachbarten badishen und württembergishen Bahnen, denen man keinen Schaden zufügen dürfe, Modifikationen dieses Tarifs erheishten.

Bundesraths-Kommifsar, Geheimer Regierungs-Rath Wacker- tavpe Die ungünstige Ausnugzung der Personen- und Gepäckdwagen auf den Reichseisenbahnen habe ihren Grund wesentlich darin, daß die Gisenbahnen in Elsaß-Lothringen in höherem Maße als andere Verwaltungen zahlreiche Nebenlinien mit nur geringem Verkehr hätten. Zu dem Gepäverkehr komme, daß die Schnellzüge auf den Reichs-

Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M 96.

Berlin, Donnerstag, den 5. März

eisenbahnen zahlreich seien, daß diese Schnellzüge an die verschiedensten Bahnen An\ch{lü}sse hätten, und daß in Folge dessen für verschiedene Linien die Mitführung von besonderen Gepäckwagen erforderlich sei. Ueber die Lage der Verhandlungen der Tarifänderungen im Personen- und Gepäckverkehr könne er (Redner) weitere Mittheilungen, als in der Kommission bereits gemacht worden, niht geben. Die Frage sei eben noch in der Schwebe, und es würde ihm nicht zustehen, jeßt Mit- theilungen zu machen, wo er nicht wisse, welhen Verlauf die weiteren Verhandlungen nehmen würden.

Abg. Krause: Der Fiskus felbst würde den wesentlichsten Vortheil von einer Verbilligung der Tarife haben. Es gebe in Mittel-Europa kein Land, das an Bewegungsfähigkeit, an Erwerbs- thätigkeit der Bevölkerung Deutschland nachstände. Industriebezirke, wie Rheinland-Westfalen, Thüringen, Sachsen erforderten besondere Berücksichtigung. Sobald die Tarife herabgeseßt würden, würde also auch der ausgedehnteste Gebrauh von der Verbilligung gemaht werden. Die Eisenbahnverstaatlihung halte er (Redner) nah wie vor für ein \chweres Leid, das über Deutscland gekommen sei: sowohl die Entwickelung der Bahnen, als auc die Anlegung neuer Geleise, die technisch-kaufmännishe Ausnußung des Betriebes leide. Das Be- amtenthum fei {on durch die Refsortverhältnisse gezwungen, mit Neuerungen nur schr langsam vorzugehen. Die Bevölkerung aber habe ein wesentli@es Recht auf eine Verbilligung des Verkehrs , und der Staat selbst sei als Besißer und Unternehmer der Bahnen dabei interessirt, daß der größtmögliche finanziele Gewinn aus den Bahnen gezogen werde. In dem Make, als es der Cifenbabnverwal- tung gelinge, die Einnahmen z1 steigern, könnten sich auch die An- sprüche an die Steuerzahler vermindern. E sei auch für Elsaß- Lothringen ausgeschlossen, daß bei einer Verbilligung der Tarife irgend ein Ausfall an Einnahmen entstehe, denn auch rein theoretis{ch sei die heutige Anpassung der Tarife eine unri{tige. Es müßten größere Einbeiten an die Stelle der bisherigen kleinen geseßt wer- den; die Kosten ftiegen niht mit der Entfernung und der Zahl der durchfahrenden Wagen, und man könnte auch bei uns, wie in Ungarn, einen Einheitssaß von 25 km anlegen. Von kleinen Er- mäßigungen sollte man ganz absehen und zu einer energis{chen Reform schreiten, die mindestens eine doppelt große Benußung der Bahnen garantire. Es sei nichts unwürdiger, als wenn jeßt die preußische Regierung auf weite Entfernungen selbst eine Erhöhung in Vor- \chlag bringe. Die Erhöhungen in der ersten und zroeiten Klasse würden eben hauptsächlih Reisende für weite Strecken treffen. Die Verwaltung habe aber das größte Interesse, daß gerade auf weite Stredcken die Pläße gefüllt seien. Die Großkindustriellen Westfalens seien nun in Schrecken darüber gerathen, daß irgend ein Ueberschuß der Eisenbahnverwaltung nicht dazu benüßt werden könnte, die Frachtsäße zu ermäßigen, sondern daß dem NReisepublikum Erleichte- rungen geschaffen werden könnten. Man müsse der Selbfstsucht dieser Ringe auch in diefem Punkte entgegentreten. Selbstverständlich wolle er und scine Partei auh die Gütertarife so niedrig wissen, wie es nur die Selbstkosten gestatten, aber den Anspru, die Frachten herabzuseßen, ohne dem Reiscpublikum eine LTarifermäßigung zu Theil werden zu lassen, weise er entschieden zurück. Es gebe wenige Fragen, die die Bevölkerung fo interessirten, wie die Herab- seßung der Personentarife. Damit trete eine erheblihe Verbilligung des Lebens überbaupt ein, denn {on jeßt bildeten die Ausgaben für Eisenbahnreisen einen bedeutenden Theil der Haushaltungskosten.

__ Inzwischen ist folgender Antrag des Abg. Broemel eingegangen :

«Den Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß bei der in Ausficht genommenen Reform der Perfonen- und Gepätarife auf den Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen eine darchgreifende Er- mäßigung der Tarifsäße und Vereinfachung des Tarifsystems unter Ausfch{luß jeder Erhöhung der bestehenden Säße herbeigeführt wird,“

__ Abg. Hug: Gewiß sei es heute gere{chtfertigt, an eine Herab- seßung der Tarifsäße zu denken, aber eine folhe habe auch ihre Grenzen, speziell da, wo man es mit einer hohen Eisenbahrschuld zu thun habe, wie in Süddeutschland. In Baden sei diese so groß, daß sie nit aus den Erträgnissen der Bahn verzinst werden könne. Die Zinsen beliefen sich im Jahresbudget auf 1} Millionen, was bei einer Gesammtbudgetziffer von 50 Millionen doch sehr viel bedeute. Es müßten bei einer Tarifreform nit aus\ch{ließlih volkswirthichaft- liche, sondern au finanzielle Rücksihten in Betracht kommen. Er (Redner) bitie also die Regierungen, bei einer Reform auch auf die Interessen der Kinzelstaaten zu sehen.

Abg. Frhr. von Stauffenberg: ‘Dem Wunsche des Vor- redners Tönne er sich nur anschließen. Das Reich befinde sih aber in einer etwas s{chwierigen Lage, weil es nur vertragsmäßig mit den Einzelstaaten vorgehen könne. Nah dem ganz zweifellosen Refultat des ungarishen Zonentarifs er verkenne nicht, daß die ungarischen Verhältnisse niht ganz mit den unsrigen zu vergleichen seien sei zu erwägen, ob nicht diese oder eine ähnlihe Form auch bei uns an- gebraht wäre. Die an die Oeffentlichkeit gedrungenen Tarifvorshläge hätten mit Net nicht befriedigt, weil sie zum Theil auf eine Erhöhung der Sätze hinausliefen. Auf eine Herabsetzung der Tarife lediglich im Interesse des reisenden Publikums, ohne Rücksicht auf die Einnahmen der Bahnen, würden die Verwaltungen wohl nicht eingehen. Unsere Regierung würde ebenso wie die ungarische eine Tarifherabseßung dur eine Steigerung {des Personenverkehrs ausgleihen wollen. Man dürfe die ganze Frage nicht fris, frei, fröhlih, fromm entscheiden, fondern müsse auf eine große Reihe von Momenten Rüccksiht nehmen. Die ganze Bewegung sei niht durch die Höhe der. Tarife, die ja vielleicht auch drückend sein mögen, sondern in der Erwägung entstanden, daß unser Fahrmaterial in höchstem Maße ungenügend ausgenußt werde. Ein großer Theil der Wagen müsse heute leer befördert werden. Bei den bayerishen Bahnen ergebe {sich die außerordentli geringe Ausnutzung von 23,82 9/6, während sie sich bis auf 50 °/o erhöhen könnte. Man vergesse aber oft bei dem Ausnußungsprozentsaß zu unterscheiden zwischen der eigentlihen Reisezeit und den stil eren Monaten. Eingehende Erwägungen in Bayern bätten ergeben, daß im Winter die Aus- nußung der Personenwagen eine außerordentlich viel geringere fei, als im Durchschnitt, während im Sommer die Benußung eine fo starke sei, daß man mit dem vorhandenen Fahrmaterial und den Bahneinrichtungen kaum auskommen könne. Man müsse nicht nur die \{chlechten Verkehrszeiten und die {lehen Strecken in Betracht ziehen, sondern auch die, welche shon jeßt“ einen außer- ordentlih starken Personenverkehr haben. Es werde absolut noth- wendig sein, wenn eine starke Erhöhung des Personentarifs staitfinde, das Cisenhahnpersonal ziemlich beträhtlich zu vermehren, was sich durchaus nit ganz leiht bewerkstelligen lasse. Es werde auch eine starke Vermehrung der Betriebsmittel stattfinden müssen, was eine erheblihe Anzahl von Millionen erfordern würde. Es werde zum Theil ein Umbau der bestehenden Eisenbahnlinien nothwendig fein, nicht bloß eine Vermehrung der Geleise, ers auch ein Umbau von Bahnhöfen, was außerordentli viel Geld kosten werde. Der weitaus größte Theil der bayerishen Bahnen sei in einer Zeit gebaut worden, wo überhaupt der Verkehr sehr \{chwach war und wo man ein sehr mäßiges Vertrauen auf die Hebung des Verkehrs batte. Das habe die Folge gehabt , n die meisten Bahnen eingeleisig gebaut worden und daß zum Theil“ nicht einmal ein zweites Geleise vorgesehen sei. an habe in Bayern 1889 4295 km eingeleisige Bahnen, dagegen an zweigeleisigen 714 km, was ein ganz außerordentlihes Mißverhältni darstelle. In Folge des starken Verkehrs habe man einen großen Theil der

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Hauptlinien mit zwei Geleisen versehen müssen. Dieses Hinzulegen eines zweiten Geleises sei auch nicht von heute auf morgen gethan. Auhh da seien erbeblite Bauten nothwendig, was bei dem heutigen recht sensiblen Mangel an tüchtigen Ingenieuren sehr ins Gewicht falle. Alles das seien Dinge, die zu großer Vorsiht mahnten. Rechnerish lasse si die Frage, wie man bei einer Herabsetzung der Tarife den Verkehr verdoppele, nicht lösen, Mit kiner gewissen Wahr- \cheinlihkeit könne man aber sagen: Ist die Herabseßung der Preise eine derartige, daß fie nah mens&lihem Ermessen einen starken Anreiz zur Benußung der Bahnen- giebt, so würde die ganze Maßregel verfehlt sein. Eine Erhöhung der E müsse man aber unter allen Umständen vermeiden. Daß man früher. für die Schnell- züge höhere Säße als für die gewöhnlichen Personenzüge habe ein- treten lassen, sei ein Fehler gewesen. Ferner seien heute die Sätze für Reisegepäck von einer ganz außerordentlichen und garnicht zu rechtfertigenden Höhe, namentlih wenn man den Paketportotarif zum Vergleich heranziehe. Wenn er (Redner) von hier aus mit einer Ueberfract von 10 kg nah seiner Heimath reise, zahle er das Fünf- bis Secsfache von dem, was er zahlen würde, wenn er die Sachen in zwei Packeten nach Hause \chickte. Die Selbstkosten der Eisen- bahnen bei dem Reisegepäck seien aber minimal; die Entfernungs- untersiede fielen vollkommen fort, sodaß es glei sei, ob ein Gepäck- stück 5 oder 100 km weit gehe. Hier sei eine fundamentale Reform am Plate. Er (Redner) wünschte, daß die ganze Reform durch gemein- \chaftliwe Verabredungen der sämmtlichen deutshen Eisenbahnen ge- macht würde, aber au so, daß man mit der Reform wirklich erreiche, was man erreichen wolle,

Abg. Graf Stolberg: Der Reichstag sei den Eisenbahnfragen gegenüber allerdings in \{chwieriger Lage, weil das Aufsibtsrecht des Reichs über die einzelnen Eisenbahnen nur schr platonischer Natur sei. Er (Redner) erkläre sih für den Reformplan, wie er jetzt für Preußen vorgeschlagen sei, wenn er auch hinter vielen Wünschen zurückbleibe und die öffentlihe Meinung die Einführung eines dem ungarischen ähnlihen Zonentarifs wünsche. Der ungarische Zonentarif habe fich_ durchaus nicht so glänzend bewährt, denn die Ausgaben seten in Folge desfelben viel mehr gestiegen als die Einnahmen. Ein endgültiges Urtheil darüber sei noch niht möglich. Selbft wenn er sih bewährt habe, folge daraus noch nicht, daß er auch bei uns einzuführen sei. Die Verhältnisse seien doch verschieden. Bei einer Tarifreform in Preußen müsse man ein erhebliches Defizit ver- meiden, weil fonft in Folge des großen Einflusses der Eisenbahn- einnahmen auf den preußishen Haushalt der ganze Etat erschüttert werden könnte. Der preußishe Reformvorshlag wolle eine generelle Ermäßigung der Tarife unter Fortfall der bisherigen Begünstigungen bei Retour-, Rundreise- und Saisonbillets. Man könne über das Maß der Ermäßigung zweifelhaft sein, aber dieser Gedanke sei der einzige für Preußen durchführbare. Db man noch darüber hinaus- gthen könne, müsse man einer späteren Zeit überlassen.

Abg. Schrader: Hier komme das Reich als Besißer von Eisen- bahnen in Betracht, und da habe der Reichstag dasfelbe Recht wie in Preußen das Abgeordnetenhaus. Allerdings werde dem Reichstage dieses Recht von den Vertretern des Reichs-Eijenbahnamts noch mehr verkürzt als in Preußen, indem sie erklärten, über die Sache \{chwebten noch Verhandlungen, sie brauchten daher keine Autkurft zu geben, Bei Verhandlungen mit fremden Staaten möge das gelten, aber bei intecnen Angelegenheiten sei diese „Geheimnißkrämerei* nicht am Plage. Sonst sei die Sache fertig, wenn der Reichstag wieder zusammenkomme, urxd dann könne dieser nur eine nah- träglihe Kritik üben. So werde das Reht des Reichstages als Vertreters des Reichs, des Eigenthümers der Eisenbahnen, völlig vernihtet. Das Reich sei keineswegs fo cinflußlos und fet es auch früher nicht gewesen, Wäre es nit angezeigt, diese das ganze deutiche Eisenbahtwesen interessirende Sache auch von Seiten des Neichs-Eisenbahnamts in die Hand zu nehmen? Bei der früheren Gütertarifreform habe der Präsident des Reichs: Eisenbahnamts die Konferenzen berufen und geleitet. Allerdings könne das Reichs-Eisen- bahnamt nichts vorschreiben, sondern ntc kontrolliren und seinen Einfluß geltend maßen. Er (Redner) hoffe, daß es nicht mehr so platonisch den Eisenbahnfragen gegenüberstehe wie früher, zumal das Haus jeßt wieder einen Präsidenten des Reichs-Eisenbahnamts vor sich sehe. Danach scheine die frühere Auffassung über die Stellung des Reichs-Eisenbahnamts aufgegeben zu sein, während Fürst Bismark gemeint habe, die Stellung eines Präsidenten des Reichs- Eisenbahnamts könne man cinem hervorragenden Mann überhaupt nicht anweisen, weil sie zu unbedeutend und mahtlos sei. Er (Redner) hoffe, daß nun eine andere Reichseisenbahnpolitik befolgt werde. Kein Land habe eine so hülflose Position in Bezug auf die Eisenbahnen wie das Reich, weil es das Eisenbahnwesen den Einzelstaaten über- lassen habe und diese niht nur allgemeine Verkehrsinteressen, fondern sehr wesentliche fiskalische Interessen berüksichtigten. Um so nöthiger sei eine Instanz, welche die allgemeinen Verkehrsinteressen zu wahren berufen sei, und dazu möchte Redner das Reichs-Eisenbahnamt machen. Ießt wünsche er wenigstens, daß ein moralisher Einfluß durch die Neichsbehörden und den Reichstag in diesen Fragen geübt werde. Gerade hierbei könnte sich das Reichs-Eisenbahnamt wieder fest in den Sattel seßen. Es“ würde die ganze Bevölkerung auf seiner Seite haben, wenn es die Reform nüßlich gestaltete. Dem Antrag Broemel könne der Reichskanzler durch direkten Einfluß auf die Reichseisenbahnen und durch Geltendmachung des Einflusses des Reichs auf die Einzelstaaten Folge geben. Redner und seine Partei wünschten mit dem Üntrage, daß jede Tariferhöhung unterbleibe und die Reform durhgreifender sei, als beabsichtigt. Mit großen Schritten fônne man allerdings nicht vorwärts gehen, wie vielfah außen ge- wünscht werde. Dec ungarische Zonentarif sei troß seines Erfolges niht ohne Weiteres für uns annehmbar. Man habe mit vielen Linien zu rechnen, welche keinen viel größeren Verkehr bewältigen fönnten, namentlich in der für durchgehende Züge in Anspruch genommenen Zeit. Bei den weitgehenden Plänen rechne man immer nur mit Dur{hscnittszahlen, der Reisende wolle aber zu einer ge- wissen Zeit des Jahres fahren. Auf manchen Linien würde eine Ver- mehrung der durchgehenden Züge sehr {wierig sein, Man könne es also nit mit einem Schritt machen, sondern müsse mit dem Personen- tarif so vorgehen, wie seinerzeit mit dem Gütertarif. Man brauche aber auch nit zaghaft zu sein, sondern könne auch einmal einen großen, gewaltigen Schritt thun, wie bei der Einführung des Einpfennigtarifs für Kohlen. Man könne in der Ermäßigung des Personentarifs und der Vereinfahung des Tarifsystems weiter gehen als der Reformplan für Preußen und an die Stelle der Kilometerpreise Einheits\äße für größere Entfernungen seßen. Man müsse insbesondere für den Nahe- verkehr bei großen Städten erheblich mehr thun durch wesentlihe Tarifermäßigung, damit das Zusammendrängen der Bevölkerung in die großen Städte vermindert werde. Er (Redner) hoffe, daß die preußishe Eisenbahnverwaltung für Berlin und andere große Städte dementsprehend vorgehen werde. Man müsse aber auch für den weitesten Verkehr mehr thun. Die jeßigen Begünstigungen träfen gerade den Verkehr für weite Strecken; fielen dieselben, so müsse man an deren Stelle eine gleitende Skala für Personen- wie Güterverkehr seßen, Das Projekt der preußishen Staatsbahnen werde bei den anderen Staaten niht das Entgegenkommen finden, das man voraus- seße. Man sollte sfi zunähst im Reiche um die Reform der Personentarife kümmern und das Reichs-Eisenbahnamt die Sache in die Hand nehmen laffen. Die shwere Frage der fiskalishen Stellung der Eisenbahnen sei am Leichtesten dur eine rihtige Reform zu lösen,