1891 / 56 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 05 Mar 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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Die weilefte Entfernung, welche auf den Ungarischen Staatsbahnen zurückgelegt werden kann, beträgt nicht ganz 750 km, ***) Die österreihischen und ungarishen Säge sind ¿um Course von 180 °/o umgerechnet.

Es ergiebt sich zugleich aus dieser vergleihenden Zu- fammenstellung, daß der ungarische und österreichische Zonen- tarif mit dem Zonentarif bekannter Agitatoren, welche den Fahrpreis in 111, Klasse durch ganz Deutschland auf 1 fest)jeßgen wollen, Nichts gemein hat “als den Namen. Derartige Bestrebungen schießen über eine ver- nünftige und dur{hsührbare Reform der Personen- tarife niht weniger weit hinaus, als die Bestrebungen der Sozialdemokratie über die sozialpolitishen Reformgeseße. Der Zonentarif, wie ihn die ungarischen und österreichischen Staats- bahnen eingeführt haben, seßt (von der shon besprochenen, dem ungarishen Tarif eigenthümlihen Fernzone von mehr als 225 km abgesehen) einfah an Stelle der Berehnung des Fahrpreises von Kilometer zu Kilometer eine Berechnung nah 10, 15, 20, 25 oder 50 km. Es ist dies eine bloße Form, welche eine Verringerung der Fahrkarten und eine Ver- einfahung der Fahrkarten-Ausgabe zur Folge hat, aber mit einer Ermäßigung der Preise an sih nicht nothwendig ver- bunden ist. Jm Gegentheil entstehen dadurch ungerechte Preiserhöhungen, indem zum Theil für erheblih höhere Ent- fernungen bezahlt werden muß, als gefahren wird, Erhöhungen, welche si bei dem dihteren Neg der preußishen Staatsbahnen, wo die Stationen sih in weit geringeren Entfernungen folgen, sehr unliebsam bemerkbar machen würden, wie ja auch in Oesterrei vielfach hierüber geklagt wird. S

Zum Schluß sei noch daran erinnert, daß die Vorlage an die Bezirkseisenbahnräthe keineswegs bereits die endgültige Entschließung der Regierung enthält, fondern nur einen vor-

Aus dem Orient.

Einer der Theilnehmer an der Mittelmeerfahrt des Hamburger Damvfschiffs „Augusta Victoria“ sendet uns über Egypten, Jerusalem und Konstantinopel folgenden Beitrag:

An der Landungéstelle von Alexandria berrsckt immer cin lautes Treiben; das Brüllen der Neger, das Kreishen der Araber, Alles mat einen betäubenden Lärm. Kaum kommt ein Boot ans Land gerudert, so wird es auch {on von Schaaren Aufdringlicher, die ißre Dienste anbieten, förmlich belagert; aber durh Ruhe kommt man am Weitesten und bald gewöhnt man sich auch an den Lärm. Der Mittelpunkt von Alexandria ift der Plaß Mehemed-Ali, auch Konsulatéplatz genannt, Hier baben die Vertreter der fremden MNe- gierungen ihre Häuser, und die großen Handelshäufer und Banken überbieten sich durch luxuriöse Paläste. Rechnet man diescs Viertel ab, so bleibt wenig Gutes mebr übrig, da das Spelunkenwesen nirgends mehr gedeibt, als in Alexandria, und leider ist es die weiße Race, die bierzu viel beiträgt. Von dem arabischen Kleinbürgerthum wird der Fremde nicht viel gewahr, da die dürftigen Häuser meist verschlossen gehalten werden; nur wenn die Wafserverkäufer 2c. ihre Getränke anbieten, öffnet ih auf kurze Zeit die Thür, und eine vermummte Gestalt wird sichtbar, um nach beendetem Handel wieder ¿u vershwinden. Von dem, was Alexandria zu römischer Zeit gewesen, sieht man außer der Pompejussäule, die si 68 Fuß aus einem Schutt- und Trümmerhaufen erhebt, eigentlich nichts mebr, und wo früber Amphitheater und Hippodrome gestanden haken, sind jeßt kleine Wohnungen armer Araber. Ohne Bedauern nebmen wir von hier Abschied und besteigen den Schnellzug rah Cairo. Die 211 km lange Strede führt uns bei dem mareotis@en See vorbei, der son im Alterthum bckannt und wegen der ihn umgebenden überaus fru&tbaren Landscast berühmt war. Ungefähr in der Mitte ¿wiswen Alexandria und Cairo liegt Tanta, welches feiner drei Messen wegen, wozu aus allen Theilen des Orients Pilger und Kaufleute kommen, berühmt ist; ira August, wo die Hauptme}e stattfindet, sollen eine halbe Million Menschen aus allen dem Islam anbängenden Gebieten hier versammelt sein. i

Nach kurzer Zeit erreiht man Cairo, welckes schon dur feine Größe über 400000 Einwohner imponirt. Wern Alexandria eîne Handelsftadt genannt werden muß, so kann man Cairo eine Stadt des Vergnügens nennen. Hier giebt sich die vornehme und reiche europäische Gesellschaft ein Rendezvous, und wenn auch die Eng- länder das Hauptkontigent stellen, so wird es wobl wentg Nationen geben, die hier im Winter nicht vertreten find;_schon die Anwesenheit des Khedive und des Hofstaats giebt der Stadt das Bild einer Residenz ; das aber, was den Deutschen wohl am Meisten interessirt, ift das Straßenleben Kahiras: die Kontraste. von wilden und civilifirten Menschen, die Musterkarte aller Farbenscattirungen der Menschheit, die komischen Situationen, die sich in dem Gewimmel der Haupt- straßen abspielen, der ungewohnte Anblick von Kameelen, Mauleseln

läufigen Plan, der zunächst der Begutachtung durch die Be- zirkseisenbahnräthe und den Landeseisenbahnrath unterliegt. Die Staats:Eisenbahnverwaltung verkennt keineswegs, daß dieser Reformplan in einzelnen Beziehungen noch ver- besserungsfähig ist und wird, soweit es angängig ist, gewiß die Hand zu wüklihen Verbesserungen bieten. Sie hat aber dabei nicht nur die finanziellen und wirthschaft- lien Folgen zu berücksihtigen, sondern vor Allem auch die Herbeiführung einer einheitlichen Gestaltung der Personentarife für ganz Deutshland im Auge zu behalten. Denn bei der heutigen Ausdehnung des Reise- verkehrs kann nur dur eine einheitlihe Reform wirksam geholfen werden. Von diesem Gesichtspunkte aus will die preu- ßische Staats-Eisenbahnverwaltung dur Ausgabe der IV. Klasse und des Freigepäcks die großen und, wie es schien, unüber- windlihen Schwierigkeiten zu beseitigen versuhen , welche einer einheitlihen Geflaltung der Personentarife der nord- und süddeu:shen Bahnen entgegenstanden. Wenn die Lösung dieser großen Aufgabe gelingen sollte, so darf die Staatsbahn- verwaltung für sich in erster Reihe das Verdienst an diesem mühevollen Werke in Anspruch nehmen. Sie darf aber auch erwarten, daß dies von dem nicht dur utopistishe Agitationen voreingenommenen Theil der Bevölkerung anerkannt wird, und daß nit kleine Schönheitsfehler, deren Beseitigung nah Herstellung der Einheit im Personentarif nur eine Frage der Zeit sein wird, zum Vorwande genommen werden, um den ganzen Reformplan zu verwerfen.

Derwiscen, tief vershleierten Frauen, mit grünem Kopftu bedeckten Arabern als Abkömmlinge der Propheten, alles dies mabt das Bild abenteuerlich und romantisch. Besucht man nun aber in der Mittags- zeit die Mushi, wo das Klirren der an allen Straßenecken etablirten Wechsler, das Klappern der mesfingenen Eimer der Wafserträger, das Gebrülle der Kamecele, das Schreien der Esel Jeden mit einem wahren Lärm umtobt, tann erbält man einen Begriff vo1 der Hauptstraße einer oriecntalishen Stadt. Ganz anders ift es in den arabischen Vierteln, wo die Bevölkerung wohnt. Nur hier in den engen Gassen \beint sih das Familienleben wohl zu fühlen, wo die im ersten Stock angebrachten Haremsgitter und die vorspringenden Erker si beinahe mit ibren vis-à-vis berühren. 4 Hier bört man höbstens die Stimme des Mueddin, der zum Gebet ruft, welchem Ruf sogleich gefolgt wird. Der Muselman ift im Verrichten der vorgeschriebenen Gebete außerordentlich pzinliG und läßt sch selbst durch die Anwesenheit eines Christen niht davon abhalten. Ebenso anziehend wie das Strakenleben ift der Besuch der Bazare; der Europäer lernt hier das Leben und Treiben, den Handel und Wandéel von jo verschiedenen Seiten kennen, daß auf den ersten Besuch bald weitere folgen. Die meisten Bazare bilden ein- fawe sckchmutigce Gassen, die wegacn der Sonnecnstrahlen überdeckt sind und besonders am Montag und Donnerstag erdrückend voll sind: bier find außer den Käufern und Neugierigen die Nargileträger, die Wafsser- und Kaffecverkäufer, der fliegende Auktionator, der seine Sachen laut anpreisend aus\chreit. Will man irgend Etwas für den wahren Werth faufen, so ist man gezwungen, öfters hinzugehen, urn den Preis mit der Waare in Einklang zu bringen; feste Preise giebt es im Orient noh nit, und Alles bângt von der Nachfrage ab. Von Sehentwürdigkeiten ift besonders die Citadelle wegen der wundervollen Aussicht zu empfehlen und die Eâmi Mohammed Ali, au Alabafier- Moscbee genannt, deren Bau von dem Begründer des egyptischen Herrscherhauses begonnen wurde ; die zierlihen Minarets sind weitbin sidtbar und bilden gewissermaßen die Wahrzeichen der Stadt. In unmittelbarer Nähe sind die Khalifengräber, ausgedehnte Grabstätten, die früher rei dotirt waren, jeßt aber wegen Geldmangels voll- fommen in Vaifall gerathen. Von ganz besonderem Interesse ist das Vülähmuseum, weil die Fundorte dieser herrlißen Sammlung sämmtlich angegeben find. Hier sind die Mumien sehr vieler Könige, ausgezeihnete Gold- und Silbergeshmeide, die Statue eines früheren Dorfschüten, sehr gut in Holz geschnitßt, gut geordnet aufgestellt. Das größte Interesse kommt aber den Pyramiden zu, den größten Bauwerken der Welt, deres Erbauung 3000 Jahre vor Christi Geburt fällt und die am Rande des libyschen Wüstenplateaus eine Fläche von fünf geographischen Meilen einnehmen, wenn man die verschiedenen Gruppen der Pyramiden, die verstreut liegen, zusammen rechnet. Die Pyramiden sind die Begräbnißstätten alter Könige; man erstaunt, wie die Alten im Stande waren, ohne Maschine und Dampfkraft diese Riesenwerke fertig zu bringen.

Von bier aus führte uns unsere Reise wieder na Alexandria ¿urück, Mit ftolzer Freude begrüßten wir unser \{önes Schiff,

welches zur Abfahrt nach Jaffa bereit liegt. Am frühen Morgen des nächsten Tages wurden wir dur den Tamtam zum Aufftehen ge- mahnt. Vor uns liegt das Festland mit seinen gefährlihen Klippen ; das Meer ist aber so ruhig, daß wir ohne Zwischenfall landen und nah strenger Durchsuchung der Reiseeffekten unseren Wagen für Jerusalem besteigen. Die Straße von Jaffa nah Jerusalem ift Anfangs in ziemli gutem Zustande und führt zunähst eine Viertel- stunde lang durch Gärten, die von Kakiusbecken und Mauern ein- gefaßt sind und unzählige Orangen- und Citronenbäume aufweisen. Diese goldigen Früchte sind der Hauptausfuhrartikel Jaffas; es wird der Export auf fünf Millionen Franken angegeben. Auf der weiteren Fahrt kommen wir in die Ebene Saron, wo die Alliance universelle israélite ein [landwirthschaftlihes Institut gearündet hat, um jüdische Jünglinge im Ackerbau zu unterweisen. Die Erfolge sollen jedo nicht besonders glänzend sein, und wäre es wohl besser, diese fruht- bare Ebene mit Orangen- und Limonenbäumen zu bepflanzen. Nach einigen Stunden erreihen wir Ramleh, ein Städten von 3000 Einwohnern, wo württembergische Landsleute uns gaftlih be- grüßen. Die weitere Tour führt uns an verschiedenen Wachtthürmen vorüber, die die Sicherheit der Straße verbürgen. Je? weiter wir kommen, desto belebter wird die Straße, ganze Karawanen von Kameelen, Maulthieren und Eseln, die vom Meer Balken, Bretter und Alles, was man in Jerusalem braucht, befördern, ziehen an uns vorüber. Nun fängt die Straße an bedeutend zu steigen und in einer kleinen Stunde sind wir in Jerusalem. Es kommt ein eigenthümlich feier- lies Gefühl über Einen, wenn man die {malen ftillen Häuserreihen durchsreitet; der s{chwermüthige Charakter Jerufalems wurde uns doppelt fühlbar, da wir am späten Abend einzogen. Durch die große Liebenswürdigkeit des Hrn. Rektors P. Costamajor konnten wir die Gastfreundschaft des Kaiserli österreihishen Hospizes zwei Tage genießen und werden wir nur mit großer Dankbarkeit dieser Aufnahme gedenken. Der erste Gang war natürlich nach der Grabeskirch{e, wo die Kreuzfahrer vom Patriarchen empfangen wurden, als sie im Jahre 1099 die Eroberung Jerusalems unter unsägliden Opfern durchgeseßt hatten. Den Kreuzfahrern genügte die einfahe Ausstattung der heiligen Orte niht, und fo wurde 1130 bis 1150 die jeßige Grabes- kirhe, die die fünf leßten Stationen des Kreuzweges umfaßt, unter Dach gebraGt. Was uns am Meisten auffällt, ist die türkisbe Wache am Eingang der Pforte, dieselbe ist aber leider nöthig, weil fehr häufig Streitigkeiten unter den verschiedenen Konfessionen entsteben; der türkfis{e Gouverneur ift beauftragt und bevollmäthtigt, die Differenzen zu s{Glichten. Die Hauptrolle spielen die griehis{ Nichtunirten oder Nufsen, die an Einfluß und materiellen Mitteln alle Anderen weit überragen. Die Kirche selbst besteht inwendig aus einer von 18 Pfeilern getragenen Rotunde mit einer Kuvpel, in deren Mitte eine kleine Kapelle das Grab Jesu Christi umschließt. Es ist ein Überwältigendes Gefühl, wenn wir die 3 Meter breite Engelskapelle betreten, die durch 15 ewige Lampen mit gedämpftem Lichte beleuchtet wird, an deren nördlihem Ende das heilige Grab von einem Altar bekrönt is. Weihrauchwolken erfüllen den feierlihen Raum und wird Niemand dieses Augenblickes ver- gessen. Jerusalem is wie den Christen aller Konfessionen, so auß den Mohamedanern und Juden eine heilige Stadt, und giebt es wobl auf der ganzen Erde keine Stadt mehr, wo so wie hier das religiöse Gefühl für das öffentliche wie private Leben maßgebend ist. Wenn auch äußerlich zwishen den verschiedenen Gläubigen Frieden berrscht, fo wird do sehr leiht durch irgend eine Kleinigkeit der Fanatismus der Sekten angefaht; diese leben daher auch ußerlich möglist getrennt von einander; die numerisch größte Zahl behaupten die Juden, die 18 009 übersteigen sollen (bei einer Gesammteinwohnerzahl von 30 000 für ganz Jerusalem), do ist dies s{hwer zu sagen, weil der Mohamedaner allen diesen Volkszäßlungen abbold is und gern seine Anhänger als die aus\{laggebenden binstellen möchte. Wenn auch die Alliance israélite fehr viel thut, fo leben doch die meisten Juden außerordentli kümmerlich, da es ihnen an lohnender Beschäftigung ganz und gar fehlt und der Unterhalt aus europäischen und amerikanischen Sammlungen bestritten werden muß; nach den Juden kommen der Zahl nach die Mobamedaner, die wohl an 7000 Köpfe start sind, und dann die Christen aller Konfessionen; die Protestanten finden im Johanniterorden ihre Vereinigung. Der Gang nah dem Oelberg gewährt dem Beschauer den interessantesten und bedeutendsten Aublick über die heilige Stadt, die ringsum von hohen Mauern einges{lofsen ist, aus welchen der frühere Salo- monische Tempel, der {on fast 1000 Jahre vor Christo garzen Völkers stämmen als der heiligste Punkt auf Erden galt, weithin sihtbar hervorragte. Diese merkwürdige geheimnißvolle Stätte ift der Berg Moriah, auf dem Abraham sc«inen Sobn Isaak zu opfern bereit war. Hier stand die Bundeslade, durch wel@e Jerusalem niht nur zum religiösen, sondern auch volitischen Mittelpunkt des ganzen Judenreiches gemacht wurde. An Stelle dcs zerstörten alten Salomonischen Tempels und auf demselben Punkte steht jeßt die Omar-Moschee, die durch ihre Größe und luxuriöse innere Ausstattung unser Interesse auf das Höchste fesselt. Uns war von dem liebenswürdigen Rektor sein Kawaß zur Verfügung gestellt ; diesem ging ein türkisher Gendarm voraus, damit wir ungehindert auf diesem geheiligten Play Umschau halten Tonnten ; unzählige Legenden haben sih hier gebildet, die sh auf den dunkeln nackten Felsen, der in der Mitte der Moschee von kostbaren BVallustraden umrahmt wird, beziehen; die Talmudisten und Islamiten erblicken in dem heiligen Felsen den geheimnißvollen Mittel- punkt der Welt; als Mohamed hier auf geflügeltem Roß zum Himmel fuhr, wollte dzr Fels sh nibt vom Pros- pheten trennen, und hat Gott gerade noh zur reten Zeit den Erzengel Gabriel entsendet, um den Fels zurückzuhalten, noch heut wird die Handspur Gabriel's gezeigt. Meiner Religion Recknung tragend, wurde mir von einem Priester eine Felsennarbe gezeigt, die als die Fußspur Jesu Christi verehrt wicd, Auf unserem Rückweg kamen wir an der Klagemauer der Judin vorbei, wo viele Klagende und BVetende den Schmerz des jüdishen Volkes in Worte kleiden. Ein halbes Ständchen später hatten wir unser Hospiz erreicht und konnten voa der LTerrasse das erhabene Schauspiel tes Sonnenuntecgangs auf die heilige Stadt beobahten. Im Hospiz felbst erklangen die melodishen Töne einer kleinen Orgel, es war eine wcihevolle Stim- mung, als wir noch einmal die Hausfkapell2 betraten.

Zu früher Stunde mußten wir unsern bereitstehenden Wagen besteigen und. in s{chnellem Trabe verliezen wir diesen Punkt, der Jedem wegen seiner geheimnißvollen Monotonie unvergeßlih bleiben wird. Wieder begegneten wir Karawanen und großen Heerden von Ziegen und Schafen, aber leider mußlen wir in den verschiedenen Dörfern Halt machen und die Pferde füttern und tränken, welche Gelegenheit die armen Unglücklien benußten, um uns durch die entseblichen Entftellungen ihrer Scsichter und der Glied- maßen zu Almo]en zu bewegen; es sind fast alle diese Personen vom Aussatz, Leprakrankheit befallen. Gegen 4 Uhr Nachmittags kamen wir wieder in Iaffa an, und kurze Zeit nachher betraten wir unseren Dampfer. Eine Bekanntmachung der Direktion sagte, daß Abends zum Diner die Militär- und Civilbehörden Jaffas, sowie die verschiedenen Konsuln eingeladen feien; es erklangen au bald darauf die bekannten Töne der türkishen Scharwahe. Bei dem Diner selbst wurde das Wobl Sr. Majestät des Sultans und des Deutschen Kaisers aus- gebraht, und ein flotter Ball auf Deck beendete das s{chöône Fest.

Der nächste Morgen fand uns auf der Rhede von Beirut, wo für Diejenigen, die Damascus besuhen wollten, ein viertägiger Aufenthait geplant war. Wir, die wir uns an dem weiten Auétflage nit betheiligen wollten, besuchten nur die Stadt und machten eine große Partie nach Broumana auf dem Libanon; wenn auch die Steigung cine ret bedeutende ift, so gingen unsere kleinen arabischen Pferde doch immer im Trabe, und erst auf der Höhe maten wir Halt, wo die Frau cincs Missionars uns gastlih bewirthete. Die Ausfiht auf das Meec und auf den Libanon ift so reizvoll, daß wir einige Stuzden hierblieben und erst am späten Nahmittag unser S1 wicder erreihten. / L

Bald fellten die Anker gelihtet werden, als wir plöglich die Nachricht erhielten, daß unsere Ausflügler im Libanon im Schnee fteckten; es wurden Boten zu Pferde geshick. An

der Thatsahe ließ sich aber leider nichts ändern, und so

wurde denn befslofsen, so lange als irgend möglich auf die

Verschollenen zu warten. Nah 12 Stunden kamen die Ersten

und im Laufe des Tages und des Abends kamen Alle glücklich wieder

M man stundenlang auf Maulthieren die Shneewehen irt hatte.

Die Anker wurden \{nell emporgezogen und majestätisch drehte unser \chônes Schiff auf Konstantinopel zu. Am Lande waren noch lange bengalishe Flammen und Raketen als Abschiedsgruß zu sehen, bis au deren Schein verblaßte und wir wieder Nichts als Himmel und Wasser sahen. Der nähste Tag fing hon früh an böig zu werden ; es entwickelte sich gegen Nachmittag eine sehr flotte Brise, die für uns Landratten Nichts weniger als angenehm war, der dritte Theil unserer Passagiere war seekrank und konnte man da gute und \hlehte Leóren als Mittel gegen diese heimtükishe Krankheit in Hülle und Fülle zu bören bekommen. Die Einen verordnen, garnichts essen, ih hinlegen, während Andere das strikte Gegentheil als probates Mittel verordnen; i glaube, es giebt eben Menschen, die seekrank werden, und Andere, die dagegen gefeit sind, aber Mittel gegen die Seekrankheit giebt's bis jeßt noch nicht.

Sonntag früh (22. Februar) passirten wir die Darda- nellen und das Marmarameer und um 11 Uhr lag unser Dampfer im Bosporus vor Anker. So unvergleihlich \chön sonst Konstantinopel dem Fremden erscheint, so wurde der Anblick durch den frisch gefallenen Schnee erheblih gemindert; für mich bildete Konstantinopel “den Abs&luß der Reise, da mi Pflibten nah der Heimath riefen. Nach fünf Tagen war ich mit dem Orientexpreßzug wieder in Berlin.

Statistik und Volkswirthschaft.

Analphabeten unter den Ehesch{ließenden in Preußen. Seit dem Jahre 1882 wird wie wir dem foeben ausgegebenen Hefte 113 des amilien Quellenwerkes „Preußische Statistik“, das die Geburten, Ebeschließungen und Sterbefälle im preußishen Staat während des Jahres 1889 behandelt, entnehmen nach den standes- amtliben Angaben auh die Zahl der Analphabeten unter den neu- vermählten Männern bezw. Fraucn ermittelt. Unter diesen sind bier solche Perfonen zu verstehen, die nicht im Stande waren, bei der Ehbe- schließung ihre Heirathsurkunde durch eigenhändige Namensunterschrift mitzurollziehen. Die Zahl dieser Schreibunkundigen ist erfreulicher- weise immer geringer geworden. Von je 1000 Eheschließenden waren nâmlich Analvhabeten im Iahre bei den Männern bei den Frauen

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Unter den neuvermählten Frauen befanden sh somit viel mehr

Analphabeten als bei den eheschließenden Männern; doch hat ih auch ihre Zahl, wie die der Männer, in den wenigen Jahren stetig und ganz bedeutend herabgemindert. Endlich ift noch erwpähnenswerth, daß die des Schreibens unkundigen Neuvermählten im Often der Mon- archie weit häufiger auftreten als im Westen.

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Sawsengänger.

Im Jahre 1890 haben den Regierungsbezirk Köslin im Ganzen 2432 sog. „Sacsengänger“ zum Zweck des Rübenbaues und auch zu gewerblihen Arbeiten in anderen Gegenden tes Staats vorübergehend verlassen. Hiervon waren 1180 männlich, 1252 weibli@. Darunter befanden si 186 Personen unter 17 Jahren und 70 Personen, welche unter Bruch ihrcs Ärbeitskontrakts verzogen.

: Waarenverkeh r.

Die Ein- und Ausfuhren im Hafen von Stettin sind in den leßten drei Monaten des verflossenen Jabres gegen den gleichen Zeit- raum des Vorjahres durchweg gestiegen, und zwar betreffen die haupt- sächlihsten Mehreinfuhren Getreide, Holz, Erden, Erze und Stein- kohlen, die bedeutendsten Mehrausfußren Materialwaaren, Erden, Erze und Steinkoblen.

Zur Arbeiterbewegung.

Der Vorstand der sozial demokratischen Partei erläßt im „Vorwärts“ einen Aufruf an die Parteigenossen über die diesjährige Maifeier. Es soll demnach dem Gedanken der Solidarität der Arbeiterklasse aller Länder dur die Feier Ausdruck gegeben werden. In dem vorges{lagenen Programm, welches in seinen Einzelheiten in einem zur Ausgabe gelangenden Festblatte: „Arbeiter-Maifeier“ näher ausgeführt werden wird, heißt es: Wo immer die Genoffen zur Feier vereint sein werden, ob bei Massen-Umzügen, ob bei Ausflügen oder in Versammlungen unter freiem Himmel oder in gedeckten Räumen, beginnt Nachmittags 4 Uhr die offizielle Feier mit einem Massengesang. In kurzen Ansprachen werden die Versammelten auf die Bedeutung des Tages und die Nothwendigkeit der in der Resolution aufgestellten Forderungen bingewiesen; dann wird die in dem Festblatte „Arbeiter-Maifeier" vorgeschlagene Resolution zur Abstimmung gebraht und dieser Theil der Feier dann mit einem Massengesang ge\s{chlossen. Wie die Feier des Weiteren in den einzelnen Orten gestaltet wird, muß den Ge- nossen überlassen bleiben.

Aus Eiserfeld (Kreis Siegen) wird der „Köln. Ztg.“ unter dem 3, d. M. geschrieben: Die Aus standsbewegung hat {si endli auch bi in unseren stillen Kreis erstreckt. Auf der Eisen- steingrube „Driesbach“ sind heute Morgen nur etwa drei

Fünftel der BelegsGaft eingefahren. Im Laufe des Nachmittags fanden mit den Ausftändischen, die keinerlei Ruhestörung veranlaßten, Verhandlungen statt.

Der Ratiborer - Volk8ztg * zufolge sind zahlreihe sozialdemo- kratishe Arbeiter von der Laurahütte wegen agitatorischer Umtriebe entlassen worden.

Gegenüber den Meldungen verschiedener Blätter, daß einige in- ländishe Filialen der Hamburger Cigarrenfabriken die Arbeit eingestellt hätten, wird dem „Hamb. Corr.“ mitgetheilt, daß nur in drei inländishen Filialen, nämli in Herford, Minden und Rebme, sich im Ganzen 122 Arbeiter mit den Hamburger Arbeitern solidarisch erklärt haben. Die Stellen seien aber zum größten Theil wieder beseßt, die Zahl der von den Hamburger Fabrikanten im ÎIn- [lande beschäftigten Arbeiter sei auf Tausende angewahsen. Am Montag fand in Hamburg eine öffentliche Versammlung der strikenden Feuerleute statt; auf der Tagesordnung stand: 1) Bericht der Lohn- kommission über die gepflogenen Unterhandlungen mit den Rhedern Ad. Woermann und Laeisz im Beisein des Sekretärs der Handels- kammer, Dr. jur. Gütshow, 2) die Verhandlungen mit der Direktion der Hamburg- Amerikanischen Padcketfahrt-Aktiengesellshaft, und 3) die Frage, ob die partielle Arbeitseinstelung weitecgesührt oder für beendet erklärt werden solle. Zum ersten Punkt theilte, wie die „Hamb. Börs. H.“ berihtet, der Vorsitzende Gehr mit, daß die Rheder auf die Forderurg der Feuerleute, ein gerzeinschaft- lides Heuerbureau für alle Seefahrer zu errichten, ge- antwortet bâtten daß sie einem solchen Institut zwar \ym- pathisch gegenüberständen, aber vorläufig ihre Einwilligung noch niht dazu geben könnten. Beim folgenden Purkt wurde er- wähnt, daß die Direktion der Hamburg-Amerikanishen Packtet- fahrt-Aktien-Gesellsaft sich geweigert habe, nur sogenannte ,be- fahrene“ Feuerleute während dcs partiellen Strikes zu engagiren, da solches nit in dem am 8. Januar d. J. beiderseitig bis zum 1. Juli 1892 abge\{lofsenen Kontrakte vorgesehen sei. Ueber die leßte Frage, ob der Lohnkampf weitergeführt werden solle, oder ob man kapitulircn wolle, entstand eine umfangreihe Diskussion, in der die Mitglieder der Lohnkommission empfahlen, vorläufig die Flinte ins Korn zu werfen, um zu einer günstiger gelegenen Zeit das bis jetzt nicht Errungene mit Zinfen erobern zu können. Nachdem kbierauf eine große Anzahl Redner für und gegen die Beendigung des Strikes plädirt hatten, verlief die Abstimmung resultatlos. Es wurde danu bes{lossen, zu geftern wieder eine öffentlihe Heizer- und Trimmer- versammlung einzuberufen und eine geheime Abstimmung dur Stimm- zettel darüber vornebmen zu lassen, ob der Strike aufgehoben werden solle oder nicht. Ein Wolff’|ches Telegramm meldet nun, daß in der gestrigen Versammlung des Vereins der Heizer und Trimmer mit großer Majorität beschlossen wurde, den Strike auf- zugeben, solhe Ausständigen, jedoch die nicht alsbald wieder Arbeit finden, no& während der nähsten vierzehn Tage zu unterstützen.

In Leipzig beshloß das Gewer kschaftskartell, am 1, Mai Gewerkschaftsver sammlungen abzuhalten und si am ersten Sonntage im Mai der von dem sozialdemokratischen Agitationscomité veranstalteten Feier allenthalben anzuschließen. Fm Laufe der Debatte wurde auch der Gedanke angeregt, in Leivzig ein eigenes Versammlungshaus zu errihten, ein diesbezüglicher Beschluß jedo nit gefaßt.

_ In Leberau (Ober-Elsaß) brach, wie der „Vogesenbote* be- ritet, am Montag unerwartet ein allgemeiner Strike in der außerhalb des Ortes gelegenen Fabrik der Aktiengesellschaft Wiß-Diemer aus, angeblich wegen Lohnherabsetzungen und Rüdcnahme von Zugeständnifsen, die gelegentlih des vorig- jährigen Ausstandes gemacht worden waren. Etwa 150 Ar- beiter feiern, „darunter allerdings einige nur gezwungenerweise, da si: ohne ihre Mitarbeiter niht \{Gafffen können, Leider ist es bereits zu bedauerliwen Aus8\ chreitungen gekommen. Ein Fabrik- meister wurde von eincr trunkenen Menze auf dem Wege umstellt und mißhandelt, da man ihn als den Arbeitern ungünstig gesinnt betrabtet. Schlimmer erging es noch dem Fabrikdirektor B. aus Markirch, welher mißhandelt und in den Bach geworfen wurde, aus welchem er sich mit einer Kopfwunde in eine auf der anderen Seite des Baches gelegene Wirthschaft retten mußte.

Wie aus London telegraphisch gemeldet wird, befahl das Grekutivcomité des Verbandes der Hafengewerkvereine in London den auf dem Lande beschäftigten Vereinen zur Arbeit zu- rückzukehren, da die Differenzen zwischen der Rhederföderation und dem Seemanns- und Heizerverein nur untergeordnete Punkte beträfen. __ In Lille ist, wie der „Köln. Ztg.“ berihtet wirr, am Dienstag So in den Spinnereien ausgebrochen. (Vergl. Nr. 53 __ Der Mayor von Brisban e (Australien) rieth einer Devputa- tion von A rbeitern, welhe um Beschäftigung bat, ins Land zu gehen und sih mit Aker ba v zu befassen, wobei sie thr reiblihes Auskommen finden würden. Die Arbeiter hätten ihre gegenwärtige \{chlechte Lage wesentlich mitvershuldet, da sie durch ihren leßten Ausftand den Kapitalisten das Vertrauen und die Luft zu ferneren Unternehmungen genommen und mithin si selbst um die Gelegenheit gebracht hätten, Arbeit zu finden.

Kunft und Wissenschaft.

Die amtlichen Berichte der Kliniken, Polikliniken und pathologish:-anatomischen Fnstitute der preußishen Universitäten über die Wirksamkeit des Koch'schen Heilmittels gegen Tuberkulose, welche durch * den Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten eingefordert worden waren, sind nunmehr in einem Ergänzungsbande zum „Klinishen FJahrbauhß“ von Professor Dr. Albrecht Guttstadt veröffentlicht worden (Verlag von J. Springer

in Berlin). Es sind im Ganzen 55 Berichte ein- gegangen. Jn denselben kann es sih, wie der Herausgeber in der Vorrede hervorhebt und wie dies auch von den meisten Berichterstattern hervorgehoben wird, zur Zeit niht um end- gültige Feststelungen, sondern nur um Mittheilung der mit größter Sorgfalt gemachten Beobachtungen und der aus denselben gewonnenen vorläufigen Ergebnisse handeln. Troßdem dürsten die Berichte geeignet sein, zur Aufklärung der ärztlihen Welt über das Koch’she Heilmittel beizutragen. Der 905 Seiten starke Band enthält zum Schluß eine Zusammenstellung der Berichtsergebnisse von Professor Guttstadt. Wir entnehmen dieser folgende Mittheilungen.

Bis Ende Dezember war in den bezeihneten Anstalten 2172 Personen das Koch’she Mittel eingesprißt worden. Die Anzahl der Einsprizungen bezw. der Beobachtungen über ihre Wirkung auf diese Personen betrug mehr als 17500. Die größte Anzahl der ausgeführten Einsprißungen betrug bei einer Person 54, die größte Vienge des Mittels, welche ein Patient bekam, 3,826 g. Die Art und Weise der Anwendung des Koch'’schen Mittels und die beobahteten Wirkungen nah der Einsprißzung, welche als lokale und allgemeine Reaktion bezeichnet werden, schildern die meisten Berichterstatter in eingehender Weise und belegen ihre Mittheilungen dur zahlreiche und sorgfältig ausgearbeitete Krankengeschichten. Daß das Studium der einzelnen Beobahtungsergebnisse den Aerzten dringend zu empfehlen is, lehrt u. A. Frängzel in Berlin, indem er seine Ansicht in folgender Weise ausspricht: „Wieviel von der Koch'schen Flüssigkeit zu injiciren sei, muß dem Urtheil des Arztes überlassen werden. Erfahrung und Beobach- tung treten hier in ihre vollen Rechte. Fast jeder Fall bietet während des Verlaufs der Krankheit ein anderes Bild. Nichts ware wentger zu rathen, als eine s{hematishe Behandlung.“ Die Urtheile über den Werth des Mittels als diagnostisches Hülfsmittel bei Tuberkulose innerer Organe gehen aus- einander: Leyden erkennt es als ein Spezifikum an, nah Gerhardt in Berlin ist der Werth des Mittels als Neagens auf Tuberkulose kein absoluter, Fr. Schulze in Bonn hält es innerhalb gewisser Grenzen für ein Reagens, Ebstein in Göttingen kann der Koch'shen Flüssigkeit keine abfolute Sicherheit zuschreiben; auch nach Weber in Halle ist die Koch’ sche Einsprizung kein sicheres diagnostishes Mittel für die Tuberkulose innerer Organe und giebt bei zweifelhaften Fällen kein sicheres Resultat, doch bei Tuberkulose äußerer Theile kann es als Differentialdiagnose benußt werden Nach Syreiber in Königsberg scheint das Mittel ein zuverlässiges Reagens auf Tuberkuloseerkrankung zu sein. Bezüglich der Beobachtungen bei äußerlich auftretender Tuberkulose kommt von Bergmann zu dem Resultat, daß das Mittel sehr werthvoll für die Unter- scheidung einer tuberkulösen Krankheit von den ihr nahe verwandten syphilitishen und carcinomatösen Afffek- tionen ist, Trendelenburg in Bonn bestätigt die große praktische Bedeutung des Mittels für die Diagnose tuberkulöser Erkrankungen und für das Auffinden ver- stecter lokaler Herde der Krankheit; von Bramann in Halle hält das Mittel anscheinend für ein sicheres Reagens auf das Vorhandensein von Tuberkulose,

Ueber die Beobachtungsergebnisse über den Werth als Heilmittel bei Lungentuberkulose spriht ih Leyden dahin aus, daß ein definitives Urtheil noch nicht mögli sei. Senator sagt, „daß durch Anwendung des Mittels in nicht weit vorgeschrittenen Fällen von Lungen- tuberkulose eine Besserung, ja sogar Heilung, über deren Dauer allerdings si bis jeßt noch Nichts aussagen läßt, zu erzielen ist unter Umständen und innerhalb eines Zeitraums, wo vorher auf einen gleihen Erfolg nicht zu rehnen war.“ Die meisten Berichterstatter erklären, daß die Zeit zu einem Urtheil über die Heilkraft des Mittels noch zu kurz sei. Weber in Halle konstatirt Besserung in 29 Fällen, worunter 5 Lupusfälle, Quincfe in Kiel meint, daß die bisherigen Erfahrungen zu dem Sw{luß be- rehtigen, daß wir in dem Mittel!ein Heilmittel besißen, welches tuberkulöse Affektionen zur Nücbildung bringt. Jn Gegenwart von Robert Koh hat Sonnenburg in Berlin an fünf Per- sonen die Lungenkavernen eröffnet ; die Anwendung des Mittels ergab alsdann bei drei Personen eine fast vollendete Heilung.

Bei Kehlkopftuberkulose wird die günstige Beeinflussung des Mittels von Senator nachgewiesen, desgleihen von Mosler in Greifswald u. f. 1w.

Von den 2172 mit dem Koch'’shen Mittel Fnjicirten sind rund 1700 in Behandlung genommen worden; davon haben 932 an Tuberkulose der Lungen und 120 an Tuberkulose anderer innerer Organe und rund 700 an äußerlih auftretender Tuberkulose gelitten, Von 1061 an innerer Tuber- kulose Leidenden sind 13 geheilt, 171 wesentlih gebessert, 194 gebessert, 586 ungebessert, 46 gestorben. Von 708 an äußerer Tuberkulose Leidenden sind 15 geheilt, 148 wesentlih gebessert, 237 gebessert, 298 ungebessert und 9 gestorben.

. Untersuchungs-Sacen.

. Aufgebote, Zustellungen U. dergl.

. Unfall- znd Invaliditäts- 2c. Versicherung. . Verkäufe, Verpachtungen, Verdingungen 2c. . Verloo’ung 2c. von Werthpapieren.

Deffentlicher Auzeiger.

. Kommandit-Gesellshaften auf Aktien u. Aktien-Gesells{. . Erwerbs- und Wirthschaft8-Genossenschaften. Niederlassung 2c. von Rechtsanwälten.

Bank-Ausweise.

Verschiedene Bekanntmachungen.

A D090 7IN

1) Untersuchungs-Sachen.

[68553] Steckbrief.

Gegen die unten beschriebene unvereßelibte Jda Str.-G.-B.

Es wird ersucbt, dieselbe zu verhaften und in das nächste Gerihtsgefängniß äbzuliefern. Berlin, den 23. Februar 1891. Königliches Amtsgericht 1., Abtheilung 93.

F Hiyoi ; ; s ausgestellten Erklärung verurtheilt werden. Beschreibung: Alter 15 Jahre, Größe 141 ecm, Potsdam, den 20. Januar 1891.

Königliche Staatsanwaltschaft.

Statur \chwächlich, Haare blond, Stirn hoc, breit vorstehend, Angenbrauen blond, Augen graubraun, Nafe kleine, Mund klein, Zähne vollständig. Kinn e Gesicht oval, Gesichtsfarbe gemisht, Sprache eu

ti. E [68551] [60173] :

Der Friedrich Ludwig Zülch, geboren am 28. Juni In der Strafsache gegen den am 27. Februar 1866 zu Wehlbeiden, zulegt in Potsdam wohnhaft | 1862 in Eßlingen geborenen Kaufmarn Iosef Anton 16 b i gewesen, jeßt unbekannten Aufenthalts wird beschuldigt, | Karl Johann Eichhorn wegen Verleßung der | {rist des Grundbu@blatts, etwaige Abschäßungen als Wehrvflichtiger in der Absicht, sich dem Ein- | Wehrpflicht ist die unterm 14. Mai 1886 verfügte

Flotte zu entziehen, ohne Erlaubniß das Bundes- gebiet verlassen oder nah erreichtem militärpflihtigen Alter sich außerhalb des Bundoesgebietes aufgehalten | veröffentlicht wird. zu haben, Vergehen gegen §. 140 Abs. 1 Nr. 1

Clara Wille, geboren 11. Juli 1875 zu Torgau, mia 10 Me ne V E, Due welche sich verborgen hält, soll der Rest einer durch Königlichen Landgerichts zu Potsdam zur Haupt- Beschluß des Königliden Amtsgerichts I. zu Berlin verhandlung geladen. Bei unentshuldigtem Aus- vom 11, Dezember 1890 erkannten Gefammtstrafe | beißen wird derselbe auf Grund der nach §. 472 der von noch einem Monat Gefängniß volistreckt werden. Strafprozeßordnung von dem Cioilvorsitzenden der

Erfaßkommission zu Kassel vor 5 S miar T : über die der Anklage zu Grunde liegenden Thatsachen | 188567]

K. StaatsLaunwaltschaft Stuttgart.

Den 2. März 1891. Cleß, St.-A.

kammer I. des K. Landgerichts dahier vom 26, Fe- | Gerichts \chreib bruar 1891 wieder aufgeboben worden, was hiermit | gesehen werden. Alle Realberechtigten werden auf-

erei ebenda, Flügel D., Zimmer 42, ein-

gefordert, die nicht von selbst auf den Ersteher über- gehenden Ansprüche, deren Vorhandensein oder Betrag aus dem Grundbuche zur Zeit der Eintragung des Versteigerung8vermerfks niht hervorging, ins-

31. Dezember 1890 und dergl.

2) Aufgebote, Zustellungen

Zwangsversteigerung. ) j i i

Im Wege der Zwangsvollstreckung soll das im | die berücksibtigten AnsprüGe im Range zurück- Grundbuche von den Invalidenhausparzellen Band 10 | treten. Diejenigen, welche das Eigenthum des Blatt Nr. 351 auf den Namen des Architekten Friedrich | Grundstücks beanspruchen, werden aufgefordert, Fischer hier eingetragene. in der Tieckstraße (Nr. 11) be- | vor Schluß des Versteigerungstermins die Ein- legene Grundstück am 4. Mai 1891, Vormittags | stellung des Verfahrens herbeizuführen, widrigenfalls 10 Uhr, vor dem unterzeihneten Gericht an | nah erfolgtem Zuschlag das Kaufgeld in Bezug Gerichtsstelle, Neue Friedrichstraße Nr. 13, Hof, | af den ÄnspruH an die Stelle des Grundstücks Flügel C., Erdgeschoß, Saal Nr. 40, versteigert | tritt. Das Urtheil über die Ertheilung des Zu- Aufhebung einer Vermögenösbeschlagnahme. | werden. Das Grundstück is 6 a 98 qm groß, | {lags wird am S8. Mai 1891, Nach- weder zur Grundsteuer noch zur Gebäudesteuer ver- | mittags 12} Uhr, an obenbezeichneter Gerichts- anlagt. Auszug aus der Steuerrolle, beglaubigte Ab- | stelle verkündet roerden.

und andere das Grundstück betreffende Nachweisungen,

pee | Vesondere derartige Forderungen von Kapital, Zinsen, rotedertehrenden Hebungen oder Kosten, spätestens in Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Ab- gabe von Geboten anzumelden und, falls der be- treibende Gläubiger widerspriht, dem Gericte glaubhaft zu machen, widrigenfalls dieselben bei Feststellung des geringsten Gebots nicht berücksihtigt werden und bei Vertheilung des Kaufgeldes gegen

Verlin, den 25. Februar 1891. Königliches Amtsgeribt 1. Abtbeilung 53.

tritt in den Dienst des stehenden Heeres oder der | Vermögensbesclagnahme durch Beschluß der Straf- | sowie besondere Kaufbedingungen können in der —————

S E L E E