1891 / 57 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 06 Mar 1891 18:00:01 GMT) scan diff

faßgebiet der westfälishen Koble, wozu die billigen Tarife wesentlich mitgeholfen hätten. Wir sollten fcoh sein, daß wir folhe Absah- gebiete haben, die ebenso zahlreihe Arbeitermassen beschäftigen. „Der Reichstag werde seinerseits, möge er freibändlerisch oder \hutzzöllnerish sein, eine solche Quelle der Arbeit nicht einshränken oder ableiten wollen. In der Anaahme, daß der Antrag Richter die günstigsten Resultate zur Folge haben werde, empfehle er ihn zur Annahme. Abg. Richter: Dasjenige, was in den Ausführungen des Hrn. Hammadter richtig, sci von ihm (Redner) nicht bestritten worden und beweise auch nichts für die vorliegende Frage. Er habe es durh- aus niht als verkehrt bezeichnet, daß die Eisenbahnverwaltung in der Situation, die jetzt gegeben sei, die Extrazüge begünstige, selbst die Extrazüge in das Ausland. Er habe das nur dargestellt als eine tehnishe Konsequenz eines falsGen, seit Jabren beïtchenden Syitems, das in diesem Augenblick ganz besonders zum Nachtheil der inländischen Konsumenten gereihe. Hr. Hammacher habe gesagt, daß im Aus- land die Preise noch mehr gestiegen wären als im Inland. Wenn das wahr wäre, wie komme es dann, daß in diesem Jahre gerade 3 Millionen Doppelcentner mchr ins Auelanck verfahren seien, als im Vorjabre, und daß si überhaupt die internationale Bilanz în Be- zug auf Steinkohle und Koks zusammen um 9 Millionen Doppel- centner ungünstiger stelle als im Vorjahre ? Man fokle doŸ berüd- sichtigen, daß wir an Koks und Steinkohlen im Jahre 1890 57 Millionen Doppelcentner mehr an das Ausland gegeben hätten, als wir vom Ausland empfing:n, und Angesichts dieser Tha: sache sei es do bei der herrschenden Kohlertheuerung von Bedeutung, genau zu untersuchen, ob dieses einzig und allein in natürlichen wirthschaftlichen Verhältnissen oder in einer künstlihen Begünstigung zum Nachtheil der inlärdishen Koblenkonsumenten durch die Eisenbahnverwaltungen begründet sei. Der Abg. Hammacher habe den erweiterten Bezug englisher Kohlen durch die Eisenbahn und dur Private zurückgeführt auf außerordentlihe Momente, auf Konjunkturen, auf die Furt vor bevorstehenden Strifes u. dergl. Er (Redner) habe si über die Gründe, die es im Augenblick wünschenswerth erscheinen lichen, eng- lishe Kohlen mehr zu beziehen als früher, gar niht besonders aus- gesprochen, sondern nur konstatiren wollen, daß in diesem Augenblick Konjunkturen vorhanden seien, die es im privaten Interesse mehr noch als im vorigen Jahre vielfah geboten erscheinen ließen, aus- ländishe Kohlen zu beziehen zur Befriedigung des inländishen Be- darfs und unter günstigeren Tarifen. Der Normaltarif sei dur ein ganzes System von Ausnahmetarifen zu Gunsten des ausländischen Kohlenkonsums durchbrochen worden. Ob die billigeren Auslands- frahten im Interesse der Eisenbahneinnahmen und der Kohlenberg- werke lägen, wolle er ni&t untersuhen. Die einseitige Entwickelung bestebe aber darin, daß man nicht untersucht habe, ob nit das übereinstimmende Interesse der Kohlenkonsumenten mit dem der Eisen- bahnen es bâtte geboten erscheinen lassen, die Zufuhr ausländischer Koblen auf gewissen Strecken zu erleihtern. Die Produzenten hätten zur Wahr- nehmung ihrer speziellen Interessen ja ihre besonderen Organisationen,

die Konsumenten niht, und darum müsse die Reichsregierung, wenn

sie die Interessen der Allgemeinheit wahrnehmen wolle, auch die íInteressen der Konsumenten mehr wahrnehmen gegenüber den Produ- zenten, als dies bisher der Fall gewesen. Der Abg. Hammacher stelle die Anënahmetarife für Kohlen in Bezug auf das Ausland a!s etwas Unbedeutendes hinz er (Redner) hâtte die Sache nur fünstlih aufgebausht. Nun, Hr. Hammacher habe, das wise eder, beinahe die Arbeit eines Menschenalters darauf verwendet, als Borsitender des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Bezirk Dortmund und als Abgeordneter, wo er nur gekonnt, dieses System der Ausnahmetarife für die Erleichterung der Ausfuhr der Kohlen ins Ausland zu empfehlen und zu begünstigen. Für eine unbedeutende

Sade hätte eia Mann wie Hammaer sich keine Mühe gegeben. Der Vorredner habe ferner darauf hingewiesen, daß es im Interesse der gesteigerten Arbeitsthätigkeit der Bergleute läge, diese Ausfuhr, diese Produktion zu heben. Gewiß. Aber die Industriezweige, die Kohlen

verbrauhen, hätten sicerlih auch) ein Interesse an billigen Kohlen, wegen der Vermehrung der Arbeitsgelegenheit. Dem deutschen Kon- sumenten müsse endli mehr als bisher sein Ret geschehen. (Leb- hafter Beifall links.) - i

Abg. Hammacher: Er habe allerdings Zeit und Mühe daraus verwendet, um die Tarife, insbesondere für die Montanindustcte Deutschlands, zu verbilligen. Der Abg. Richter irre aber, wenn er glaube, daß die Zielpunkte seiner Thätigkeit darauf gerichtet ge- wesen wären, Ausnahmetarife herbeizuführen. Mit der Herabsetzung der Tarife stiegen diz Renten der Eisenbahnen, das hätte man îm Westen \chon vor 30 Jahren erlebt. Er habe die Frage der Herab- sezung der Tarife niht als unbedeutend bezeihnet, sondern nur gesagt, der Abg. Richter irre sih, wenn er glaube, daß selbst, wenn diz Ausnahmetarife, die niedrigeren Tarife, wie sie jet in Deutschland für die Ausfuhr bestehen, auch für die Einfuhr eingeführt würden, eine wesentlihe Verschiebung der bestehenden Nerhältnisse eintreten würde. Der Abg. Richter irre sih, wenn er ‘glaube, daß die Preise der inländischen Kohlen vertheuert würden durch die bestehenden Ausnahumetarife. Die niedrigen Tarife seien nothwendig, um die deutshe Montanindustrie in Sghlesien, West- falen und am Rhein auf der Höhe der Entwicklung zu erhalten, um zu verhindern, daß der Betrieb cingeschränkt werde und die Arbeiter entlassen werden müßten. Wenn der Abg. Richter von gewissen Beschwerden der Konsumenten aus dem leßten Jahre gesprochen habe, so übersche er dabei die ungewöhnlihe und unnatürlie Preisdildung für die Steinkohle fecit den großen westfälischen _Strikes. Der Nbg. Richter werde aus der gewünschten Uebersicht entnehmen, daß die Preise der Kohlen in England höher gestiegen seien als in Deutschland. d

Abg. Richter: Er bedauere, dem Abg. Hammacher das Zeugniß rit ertheilen zu können, daß seine parlamentarishe Thätigkeit si in der Hauptsache auf die allgemeine NRerwohlfeilerung der Kohlen- tarife erstreckt babe. Er (Redner) erinnere sich, daß der Abg. Hammagter bei jeder Gelegenheit bestrebt gewesen Jei, etnen billigen Ausfubrtarif zu erreichen; ihm sei aber fein einziger Fall bekannt, wo er die Interessen der Kohlenkonsumenten în irgend einer Richtung vertreten habe. Er könne dem Abg. Hammachec zugeben, daß es ungewöhnlihe Konjunkturen feien, die auf den Preis der Kohlen in der letzten Zeit eingewirkt hätten. Aber gerade bei un- günstigen Konjunkturen trätcn Febler in dem Tarifsyitem, falsche, fünstlihe Einrichtungen in ihren Wirkungen \hroffer hervor, als in normalen Verhältnissen. i i

Der Etat des Reihs-Eisenbahnamts wird hierauf bewilligt, der Antrag Richter angenommêEN- :

Es folgt der Etat der Marineverwaltung. Bei Titel 1 der Ausgaben „Marinekabinet“ fommt /

Abg. Jebsen auf die Frage des Schutes der deutschen Interessen in Chile während der dortigen Unruhen zurück, der gegenwärtig den Engländern übertragen sei, fragt an, ob_es _nicht mögli sei, daß eins der drei in China stationirten Schiffe nach der Westküste Amerikas dirigirt werde. Es würde das, nach Ansicht des Redners, sehr dazu beitragen, die Befürchtungen unter den Kaufleuten und Rhedern, die mit Süd-Amerika zu thun haben, zu zerstreuen. Auch die Zustände an der Küste Central-Amerikas maten die An- wesenheit eines deutshen Schiffes wünschenswerth. Ec wifffse aus eigener (Erfahrung im Auslande, wie beruhigend in solhen Fällen ein deutsces Kriegs\chiff} wirke. Die bloße Macht Deutschlands babe auf die Leute dort, die im Leben keine Zeitung läsen, keinen Einfluß, sie wollten Fafta vor ih haben. Wenn fie Matrofen vor si hätten, bekämen sie Respekt. Für den Fall, daß ein Schiff aus China oder aus Afrika nach der amerifanischen Westküste ge“ \{chickt werden könne, möchte er bitten, es \{leunigst zu thun und dabei auch Central-Amerika im Auge zu behalten. __

Staatssekretär Hollmann: Der Indienststellungsplan im Marine-Etat weise dicjenigen Stationen na, die von den Schiffen der Marine besegt würden. Es seien dies die ostafrifkanishe, west- afrikanisce, ostasiatishe, australishe und die Mittelmeer-Siation. Eine westamerikanishe Station sei nicht darunter. Die Marine sei nicht in der Lage, von denjenigen Stationen, die sie mit ihren Schiffen

etatsmäßig besegt halte, irgend eines zurückzuziehen. Diese Schiffe würden alle dort gebraucht. Man habe die Zahl der Schiffe dem vorbandenen Bedürfniß entsprehend bemessen. Es würde heißen, eine dieser Stationen benahtheiligen, wenn man eines dieser Schiffe zurück- ziehen wollte. Die Marineverwaltung sei also fo lange nit in der Lage, Schiffe nah Chile zu \{icken, als eine entsprechende Etats- bewilligung fehle. : ' , i

Bei dem Kapitel „Reihs-Marineamt“, Titel 1 „Staatssekretär 24000 H“ bemerkt

Aba. Hacke: Im Jahre 1879 sei eine Summe von 6 Millionen zur Herstellung der zweiten Hafeneinfahrt in Wilh:lmshaven in den Gtat eingestellt und die Summe von 1 690 000 # davon fei für den Ausbau des Handelshafens ausgeworfen worden. Der Grund für die letztere Forderung babe darin geleyen, daß der alte nur fleine Handelshafen burch die neuen Anlagen habe zugeschüttet werden müssen. Der Ems - Jade - Kanal habe in diefen Handelshafen ein- münden sollen. Die anderen Projekte seien ausgeführt, der Handelshafen aber no% nit hergestellt. Er sei zwar als Hafenbassin vorhanden, dem Publikum in Wilhelmshaven werde aber niht genügende Ge- legenheit geboten, in einer nothwendigen Quaibrücke davon Gebrau zu machen. Man sei fogar theoretisch bezüglib der Existenz des Handelshafens soweit gegangen, daß der Ausdruck „Handelshafen“ offiziel geschwunden und der Name „neuer Hafen“ an die Stelle getreten sei. Die Bürgerschaft sei nun aber der Meinung, daß der Reichêétag 1879 die nit unerheblichen Mittel wesentli zu kommerziellen Zwecken Wilbelmshavens bewilligt habe. Es hätten allerdings seit Fahren Verhandlungen stattgefunden zwischen der Admiralität, dem preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten und den Interessenten in Wilhelmshaven, ob der Handelshafen niht in der Weise herzustellen wärz, wie er als projektirt ge!te. An diese Verhandlungen hätten si weiter sole ge\chlossen darüber, ob nit ein Schienengeleis herzustellen sei von tem Punkte, wo der Ems-Jade-Kanal einmündet, bis zum Babnhof Wilhelmshaven. Man habe sih \chließlih dahin geeinigt, daß cs im Interesse der Bürgerschaft wie im militärishen Interesse liege, diesen Shhienenstrang möglichst bald herzustellen. Dieses Projekt habe si jedo daran zerschlagen, daß die Marineverwaltung Ä nur bereit erklärt habe, an dem Handelshafen die Bürgerschaft von Wilhelmshaven durch eine Quaibrücke von 30 Metern partizipiren zu lassen, Daß eine sole Ausführung niht dem gleihkomme, was bet der Bewilligung beabsihtiat worden, könne doch einem Zweifel \chwerlih unterliegen. Schon der Umstand, daß der Hafen als Er- sat für den früheren Handelshafen dienen solle, z¿eige, daß ein Hafen zu kommerziellen Zwecken intendirt worden sei, Es wâre für Wilhelmshaven von großem Interesse, wenn sich der Staatssekretär der Marine dieser Kalamität annehmen wollte. Wilhelmshaven sei in seiner Erwerbsthätigkeit wesentlih auf die Jade und die See, die mebr ershlossen werden follte, angewiesen. Es habe fih außerdem nur auf die Beziehungen zum Militär und zu den Beamten zu fiüßen; ein eigentlihes Hinterland sei bekanntlich niht vorhanden. Der Reichs- tag habe das Ret wie die Pflicht, zu prüfen, ob die Veranstaltungen, die dort getroffen, dem entsprähen, was er bei der Bewilligung vor Augen gebabt habe. Er frage deshalb, ob Aussicht vorhanden sei, daß die Wünshe der Einwohner Wilhelmshavens, das für den Schiffsverkehr nöthige Terrain an dem Handelshafen und das er- wähnte Schienengeleis zu erhalten, erfüllt werden würden. / Staatssekretär Hollmann: Er müsse zu seinem großen Leid- wesen bekennen, daß es nicht möglich sei, die Wünsche der Stadt Wilhelméhaven zu erfüllen. Die Marineverwaltung habe mit der ¿zweiten Hafeneinfahrt einen zweiten Hafen gebaut, der in der That der neue Hafen heiße; es sei ihm der Name Handelshafen beigelegt worden; aus welchem Grunde, könne er niht sagen, aber er kfônne positiv versichern, daß niemals von der Marineverwaltung der Stadt gegenüber eine Verpflichtung eingegangen worden sei, an diesem Fleck einen Handelshafen zu schaffen. Man sei von der Voraussetzung aus- gegangen, daß der Hafen sehr wohl geeignet sein könnte, auch den Handelszwecken der Stadt zu dienen, sofern und soweit die Marine feine Nußung der Quaistrecke habe. Dieser Liegehafen sei dur die Bedürfnisse der Marine bis zum leßten Quadratfuß in Anspruch genommen, und er bedauere nur, daß man nicht noch mehr Raum habe, denn man werde ihn sehr nöthig brauhen. Es sei dana also feine Aussicht, daß hier der Stadt Wilhelmshaven eine Stelle über- wiesen werden könne; tie Marineverwgltung werde aber allen Wün- {en der Stadt entgegenkommen, soweit es gehe; kämen andere Schiffe in diesen Hafen binein, um ihre Ladung zu löschen, so werde ihnen das gestattet werden, soweit es der Raum zulasse. Es hätten früher einmal Verhandlungen ges{chwebt zwishen dem preußishen Handels-Ministerium und der Reichs-Marineverwaltung, um den nordöstlihen Theil des Hafens für Handelszwecke frei zu machen; das Handels-Ministerium habe cinen Stienenstrang von da nad der Eisenbahn errichten wollen, und es habe ein Raum für Docks gegeben werden sollen. Diese Verhandlungen hätten sh jedo, nah- dem etwa ein Jahr darüber hingegangen, zerschlagen. Die Bedürfnisse der Stadt Wilhelmshaven sollten befriedigt werden, soweit es irgend gehe, aber er könne unter Teinen Umständen ein Ret der Stadt auf irgend einen Play anerkennea. Es sei auch in feinem der Etats der sNtarineverwaltung dem Reichstage gegenüber eine Verpflichtung zur Ueberlassung eines solchen Plages enthalten. Was den Scienenstrang anbetrefe, so würde er große Kosten machen; die Marineverwaltung würde fich an diesen Kosten nah Maßgabe ihrer öInterefsen, welche sehr gering seien, betheiligen.

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Abg. Rickert: In früherer Zeit habe die Marinevervaltung allerdings zugegeben, daß ein Handelshafen in Wilhelmshaven in Aussicht gestellt werde, und zwar fei gesagt worden, daß dafür 1690000 M nöthig seien. Damit sei also, wenn auch kein direktes formelles Versprehen vorliege, die Marineverwaltung eine moralische Verpflichtung eingegangen. - l

Abg. von Henk: Er habe das Wort ergriffen, um sein Be- dauern tacüber auszusprechen, daß die von ihm in der Kommission angeregten Fragen, die er auh heute noch für rihtig halte, von einem Theil der Presse durch unangemessene und unsahlihe Wiedergabe mißbraucht worden seien in dem Sinne, als ob er persönlih oder Namens der konservativen Partei ein Mißtrauen gegen die Reichs- Marineverwaltung ausgesprohzn habe. Er nehme daher Gelegen- beit zu erflären, daß diese Auslegung feiner Ausführungen in der Kommission durchaus irrthümlich sei.

Das Kapitel wird bewilligt, ebenso die Kapitel: Deutshe Seewarte, Stations - Fntendanturen,

Rechtspflege und Seelsorge. Beim Kapitel Militärpersonal“ bemerkt

Abg. Rickert: Im vorigen Jahre seien neun neue Stellen für zweite Maschinen-Ingenieure auf Shlahtschiffen bewilligt worden, und jeßt sollten wieder füaf folhe Stellen neu ges{affen werden. Es sei ihm (Redner) nun gesagt worden, daß von den neun Marine- Ingenteurstellen, deren Nothwendigkeit in der Kommission dur die vermehrten maschinellen Shiffseinrihtungen nachgewiesen worden, noch nit eine einzige Anstellung erfolgt sei. Er mô@te den Herrn Chef der Marineverwaltung fragen, ob dem fo fei und warum dem so sei ?

Staatssekretär Hollmann: In der That sei bis zum heutigen Tage auf keinem Schiffe der Marine eia zweiter Ingenieur an- gestellt. Auf den neu zuwachsenden vier großen Sgiffen A, B, C und D follten zwei, wohl au drei Marine-Ingenieure angestellt werden, und außerdem solle noch eine Stabs-Marine-Ingenieurstelle neu geschaffen werden. Das seien die fünf nothwendigen Stellen. Er müsse hinzufügen, daß auch in Zukunft nach Maßgabe der Ver- mehrung der Truppe die Zahl der Marine-Ingenieure zunehmen werde. Es seien für Marine-Ingenieure keine Vakanzen vorhanden, fondern sogar noch so viel Anwärter, daß, wenn Vakanzen entständen, solhe sofort gedeckt werden könnten.

Die Mehrforderung wird bewilligt.

Zu Dienstprämien für Unteroffiziere der Maríine-Jnfanterie hatte die Verwaltung, entsprehend

den Forderungen im Militär-Etat, die Bewilligung oon

15 000 ( verlangt. Die Kommission hatte diese Forderung

abgelehnt. :

Abg. Windthorst beantragt in Konsequenz der Be- \{lüse des Plenums zum Militär-Etat die Bewilligung von 9000 für Prämien an nah aktiver zwölfjähriger Dienstzeit aussheidende Unteroffiziere.

Nachdem Abg. Dr. Windthorst turz auf die Konsequenz des Beshlusses zum Militär-Etat hingewiesen, wird die Po- sition seinem Antrage gemäß geändert.

Beim Kapitel: „Fndiensthaltung der Schiffe und Fahrzeuge“ bemerkt

Abg. Rickert: Die deutshe Marine müfse mit verhältniß- mäßig geringeren Mitteln verhältnißmäßig mehr leisten als die Marinen anderer Länder. Der Reichstag habe aber auch feit den lezten Jahren große Vermehrungen in diesem Kapitel bewilligt. äm Sahre 1875 seien dafür bewilligt 2600 000 Bis 1884 dabe ch diese Ausgabe nur um eine Million vermehrt. In dem Etat von 1889/90 seien 6 260 000 M eingestellt. Diese Summe sei um 9 100 000 A überschritten, wie denn überhaupt regelmäßig Etats- übershreitungen in größerem Umfange hier vorgekommen seien. In welchem Umfange würden in diesem Etat Etatsüberschreitungen voraussichtlich vorkommen? Im Verglei zum Vorjabre bâtten fh die Indiensthaltungen übrigens von 78 Schiffen mit 639 Monaten auf 97 Sthiffe mit 713 Monaten vermehrt, und wenn man noch das SANE LOYAO vergleiche, so betrügen die entsprechenden Zahlen 67 und 551,

Staatssekretär Hollmann: Es seien in dem Kapitel zusammen ca. 350 000 Ueberschreitung gegen den Etat zu erwarten. Das rühre zum Theil daber, daß im vorigen Jahre nur eine Kreuzer-Korvette in Dienst gewesen, in diesem Jahre deren aber zwei. Ferner seien 94 Monate Torpedo-Divisionsboote mehr im Dienst gehalten und au 48 Torpedobootë-Monate länger geführt worden. Das sei erfolgt, weil man bei dzn Torpedo-Divisionsbooten bezwecken müsse, die Fahrzeuge mögli; rasch ¿zur Stelle zu haben, was eine große Reserve nöthig mache. Ferner habe man vier Monate Miethsdampfer gegen zwei im vorigen Jahre. Ein halber Monat Versuchsfahrt mehr sei ebenfalls in diesem Jahre vorgekommen, dagegen seien sech8 Monate Torpedo- Versus\chife weniger, sodaß 824 Monat wehr resultirten. Für Reparaturen 2c. seien in diesem Jahre 943 3385 gefordert gegen 584 730 \ im Vorjahre, weil man eben Ueberschreitungen des Etats habe vermeiden wollen. Bei den Indienststellungen seien die erhöhten Arbeitslößne und die erhöhten Materialienpreise ebenfalls rce{t merklih geworden. : L

Abg. Rickert: In der Kommission seten allerdings ausführ- lihere Mittheilungen gemat worden. Da die Kommission aber be- \ck!essen habe, diese hier nicht wiederzugeben, so ziehe er nur das Resultat aus den im Plenum mitgetheilten. Man werde dana im laufenden Jabre nur eine Ctatsüberscreitung von elner Viertelmillion bei dem ganzen Kapitel baben. Man babe einen Etatsansatz von 6 858 000 #4 und werde mit etwa 7 100 00) 6 aus- fommen. Gr sei dadurch gewissermaßen beruhigt. Aber der jeßt vorliegende Etat sei um 1700000 #4 höher als das voraussichtlihe Fst des laufencen Jahres, und dieser Sprung von etnem Iahr zum anderen sei doch ziemli stark. :

Das Kapitel wird bewilligt, desgleichen ohne Debatte der Rest des Ordinariums.

Schluß 43/4 Uhr.

Haus der Abgeordneten. 49, Sißung vom Donnerstag, 5. März 1891,

Der Sitzung wohnt der Finanz-Minister Dr. Miquel bei. Fortseßung der dritten Berathung des Ein- fommensteuergeseßes.

Die gestern abgebrochene Debatte über Nr. 1 und 4 des 8. 9 wird wieder aufgenommen. Vom Einkommen sind dana in Abzug zu bringen : 1) die zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung des Einkommens verwendeten Ausgaben; 4) die vom Grundeigenthum, dem Bergbau und dem Gewerbe- betrieb zu entrichtenden direkten Staats- und Kommunalsteuern. (Nach der Vorlage sollten nur die Kommunalsteuern abgezogen werden tönnen.)

Beide Nummern werden zusammen verhandelt. Zu Nr. 1 stellen die Abgg. Dr.Sattler und Peters den Antrag: Auch die unter Kommunalabgaben begriffenen Deichlasten abzugs- fähig zu machen, ferner Abg. von Jagow: in Nr. 4 die Worte „und Kommunal“ zu streichen, sodaß nur die Staats- steuern abgezogen werden dürfen.

Abg. Graf Strachwißt beantragt, alle Staats- und Kommunal- steuern, nicht bloß die vom Grundeigenthum, Bergbau und Gewerbe- betrieb, für abzugsfähig zu erklären. Er habe den in zweiter Lesung mit geringer Mehrheit abgelehnten Antrag wieder eingebracht, weil je strenger die Deklaration durchgeführt roerde, desto strenger auch nur das besteuert werden dürfe, was wirkli Einkommen sei.

Abg. Freiherr von Zedlitz: Der Antrag Sattler sei durchaus nit so unbedenklih, wie er deine, weil es {wer sein werde, die in den Kommunalabgaben enthaltenen Deichlasten abzuziehen, und weil man nach seiner Annahme e contrario werde {ließen müssen, daß auch die übrigen Deichlasten abgezogen werden sollten. Der An- trag des Grafen Strahwitz sei durchaus keine Konsequenz der Re- gierungsvorlage und der bisherigen Beschlüsse; auch ihn bitte er des8- halb abzulehnen. Den Antrag Jagow bitte ec abzulehnen und den Beschluß zweiter Lesung anzunehmen, weil auf diese Weise gerade die kleinen Grundbesitzer, die von der Grund- und Gebäudesteuer am Meisten belastet seien, entlastet würden, weil so am Meisten Ungleich- heiten vermieden würden und weil der Bescbluß zweiter Lesung in der Richtung des Zieles, welhes das Gesetz erstrebe, fi halte.

Abg. von Jagow: Gerade weil er Ungerechtigkeiten möglichst vermeiden wolle, habe er seinen Antrag gestellt, und eine so weit- gehende Bevorzugung der Bewohner von Landgemeinden, wie der Abg. Freiherr von Zezeliy sie durch Ablehnung seines (des Redners) Antrages erstrebe, halte er für unberechtigt. Er bitte deshalb, seinen Antrag anzunehmen.

General-Steuer-Direktor Burghart: Er bitte, durch Annahme des Antrages Jagow die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Die Einwände, die der Abg. Freiherr von Zedliß in Bezug auf die Heran- zichung der Deichlasten gegen den Antrag Sattler erboben habe, würden si nah dem Wortlaut und nah den ganzen Debatten, aus denen mit Sicherheit folge, daß die Deichlasten wesentlich zur Siche- rung des Eigenthums dienen sollten, in der Praxis nicht als berechtigt erweisen. Die Kommunallasten auszunehmen, sei \chon deswegen nicht begründet, weil heute die Aufgaben der Kommune si immer mehr auëdehnten und rein wirthschaftlihe Unternehmungen von Kommunen geführt würden, die nachher wieder auf die privaten gewerblichen Unternehmungen fördernd einwirkten. /

Abg. Peters: Daß die Deichlasten zur Erhaltung und Sicherung des Einkommens dienten, sei Seitens der Regierung bereits in zweiter Lesung anerkannt worden. Wenn aber die Deithlasten abgezogen werden könnten vom Einkommen, welche der Steuerzahler selbst direkt bezable, dann müßten au diejenigen Deichlasten abgezogen werden können, welche in Form von Kommunalabgaben erhoben würden.

Abg. Freiherr von Loë erklärt sih gegen den Antrag Satiler, weil die Kommunallasten unter allen Umständen als Ausgaben ge- rechnet werden müßten. L:

Der Antrag Sattler wegen der Deichlasten zu Nr. 1 wird angenommen, ebenso die Streihung der Worte „und Kommunal“ in Nr. 4, sodaß also nur die Staatssteuern vom Grundeigenthum, Bergbau und Gewerbebetrieb abgezogen

werden dürfen.

Fähi Nas Nr. 2 sollen die Schuldenzinsen und Renten abzugs- 1g Jen.

Aba, Graf Strachwiß beantragt, auch die Beiträge zum Amortisationsfonds für abzugsfähig zu erklären; er verweist auf die Verbältnisse bei den Landschaften, bei welhen der Schuldner über die Ämortisationsbeiträge niht verfügen könne.

General-Steuer-Direktor Burghart erklärt, daß diese Frage von Fall zu Fall entshieden werden müsse; eine einheitlihe Rege- lung sei niht mögli, da die Verhältnisse bei den verschiedenen Land- schaften sehr verschieden lägen. Die Regierung werde bei der Sache nicht allzu fisfalisch verfahren.

Abg. Graf Strahwißt zieht seinen Antrag darauf zurü. Nr. 2 wird angenommen.

Aba. Ebert y beantragt, folgende Nr. 2a einzufügen: Vom Einkommen sind in Abzug zu bringen 2a) diejenigen Renten und jährlihen Zuschüsse, welche von Steuerpflichtigen, au ohne besonderen Vertrag an Eltern, Kinder und Geschwister, als Zuschüsse zu deren Haushalt oder sonstigem Unterhalt nahweislih gezahlt werden, insofern und soweit diese Ablanana den Betrag von 1200 A jährlih nit über- R Zelle: Der Antrag wolle die Lage der Mittelklafsen einigermaßen erleichtern, und er hoffe, daß er au bei dem Finanz? Minister ein menschliches Rühren hervorbringen werde, wenn er er- wäge, wie hart diese Klassen \{chon dur diese regelmäßigen und drückenden Ausgaben belastet seien, von denen sie nun noch eine Abgabe entrihten sollten.

General-Steuer-Direktor Burghart erklärt |ch gegen den Antrag, der den Vorschriften des §. 19 widerspreche, in welchem hon auf die becinträhtigte Leisturgsfähigkeit der Steuerzahler Rüd- fit genommen sei. Der Antrag würde in der Verarlagung der Steuer ganz unverhältnißmäßige Erslwerungen bereiten.

Der Antrag Eberty wird abgelehnt.

Die Nummern 3, 5 und 6 werden ohne Debatte ange- nommen.

Bei Nummer 7 des §8. 9 bemerkt

Abg. Rickert: Ein richterliher Beamter Gabe ihn gefragt, ob diese Nummer so aufgefaßt werden könne, daß auch die Prämien, welche er für die Versicherung der Aussteuer jeiner beiden TôöWter zahle, von der Steuer abvzugsfähig seien oder nicht. Er sei der Meinuna, daf dies zweifellos der Fall sei. Er möchte aber den Finanz-Minister um eine zustimmende Erklärung bitten. Solite man e e Ansicht sein, so werde er einen Abänderungsantrag

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Der Hr. Abg. Rickert bat sich auf eine Privatäußerung von mir berufen; ih hatte damals aber nicht verstanden, daß es ih um die Versicherung ciner Ausfteuer handele. Eine solche fällt darunter nit, denn hier beißt es lediglih: „Prämien für Versicherung des Steuerpflichtigen auf den Todes- oder Lebensfall.“ Damit ist also nur gemeint, daß man si selbst, entweder für den Todesfall oder für den Erlebensfall, mit einer bestimmten Summe versichert; die Ver- siderung einer Aussteuer aber fällt unter diesen Paragraphen über- haupt nit, das muß ih doch für ganz zweifellos halten.

Meine Herren, ich möchte Sie bitten, gegenüber den abweichenden Aeußerungen do diese Nr. 7 beizubehalten. Es ist ja richtig, daß man mit einer Summe von 609 4 in einem Lebensalter von 30 bis 40 Jahren {hon wenn ic rect unterrihtet bin etwa 25 bis 30000 46 versiheca kann, und daß das \chon etwas recht hoch gegriffen ift ; man bâtte vielleiht mit einer geringeren Summe auskommen können. Auf der anderen Seite aber bewegt es mich immer wieder aufs Neue, diese hier im Hause beshlossene Nr. 7 niht anzufechten, wenn ih mir den Fall vergegenwärtige, daß Jemand in der Lage ist, dieselbe Summe dur einmalige Kapitalzabhlung zu versihern, und ih mögHte nit gern diejenigen Personen, die nicht im Stande sind, eine fole Kapitalzahlung aufzubringen, woÿl aber im Stande sind, jahr- aus jabrein 600 A für diesen Zweck zu ersparen, gegen die ersteren weit besser Situirten zurückstellen. Das ist für mich der Haupt- grund, warum ih sage: es ist hier ein Fall, wo eine Ausgleichung wünschenswerth ist zu Gunsten derjenigen Personen, die an und für si \hon in ciner ungünstigen Lage sind, und die eine solche Lebensyer- ficherung für ch oder für die Ihrigen viel nöthiger brauen, als diejenigen, die das erforderlihe Kapital besigzen.

Dann muß ih auch weiter sagen, die Sympathie für diesen An- trag entnehme ih daraus, weil diese Form der Ersparung eine folche ist, die im höchsten Grade heilsam wixkt in unserer gegenwärtigen Zeit, und die die Möglichkeit gewährt, die Unsicherheit des Lebens, die der alleinige Bezug von unfundirtem Einkommen bedingt, nun einigermaßen zu beseitigen oder wenigstens abzumindern dur eine thatsählihe Verwandlung von unfundirtem Einkommen in fundirtes Einkommen.

Unter diesen Umständen möchte ih Sie bitten, diese Nr. 7 bei- zubehalten. I mache noch darauf aufmerksam, daß dieselbe doch auch in sehr nahem Zusammenhange mit der Nr. 6 steht, wo ja auch hon die Vorlage der Staatsregierung in Bezug auf die Abzugs- fähigkeit sehr weit gegangen ist. Ich glaube, es hängt das au mit den sozialpolitishen Auffassungen und Bestrebungen der Gegenwart sehr eng zusammen. Ich würde Ihnen empfehlen, die Nr. 7 au jeßt beizubehalten. (Bravo! links.)

Abg. Hoeppner: Eine strenge Durhfübrung des Gesehes mate die Streichung der Nr. 7 zur Nothwendigkeit. Man könne do niht Beträge freilassen, die zur Ansammlung von Kapitalien be- stimmt seien. Wenn Jemand vollends bis 600 A Prämie bezahle, werde ihn trie Steuer darauf au nicht sehr drücken,

Finanz-Minister Dr, Miquel:

Fch kann ja an und für ih jedes Bestreben, das Geseh konse- quent durchzuführen, nur mit Freude begrüßen und meinerseits unter- stüßen. Ih möhte aber dow dem Herrn Vorredner erwidern, daß alle die Gründe, die er hier angeführt hat gegen die Nr. 7, eigentli in konsequenter Weise auf die Nr. 6 anwendbar sind. (Sehr rihtig! links, Widerspru rechts) Also ih glaube, mit der bloßen Konsequenz, die man doch nicht überall so streng dur{führen kann, wo andere Rücksihten bewegen müssen, von der absoluten Konsequenz abzuweicen, kann man do die Nr. 7 niht als unzulässig bekämpfen.

Meine Herren, wenn Sie sich einmal die Lebensverhältnisse, wie sie sh thatsählicy gestalten, in vielen Kreisen ansehen, fo werden Sie; glaube ic, mir Recht geben, wenn ih sage, daß die große Anzahl der von ihrer persönlichen Arbeit lebenden Personen, welche neben ihrem Gehalt pensionsberechtigt sind, oder einen Anspru auf die Ver- forgung ihrer Wittwen und Waisen haben, nicht um den Werth dieses Betrages geringeres Gehalt beziehen, als diejenigen Personen, welche dieselben Dienstleistungen verrihten und einen solhen Anspru auf Pensionirung oder Versorgung ihrer Wittwen und Waisen nit besigen. (Sehr richtig! links.) Ich weiß niht, ob ih mich ganz klar ausgedrüdckt habe.

E Fe nis P E ban P r p Ar A L de de L E

Mit anderen Worten : Die Pensionsberechtigung und der Anspruch auf Wittwen- und Waisenversorgung drückt \sich nicht in vollem Betrage in Gehalt aus. Daher if es ein berechtigtes Bestreben, diesen Unterschied zwishen denjenigen Personen, die einen solchen Anspruch auf Penfion und Versorgung von Wittwen und Waisen nit haben, einigermaßen auszugleihen, wenn sie si dieselben Vor- theile vershaffen wollen, die sie ebensogut nöthig haben, wie die ersteren. Das is nah meiner Meinung eine unzweifelhaft wahre Thatsache, und es sind mir von einer großen Zahl von Personen, von Beamten, die in kaufmännishen Geschäften, in Bankinstituten u. f. w. thätig sind, Zuschriften zugegangen, die alle denselben Wiunsch vertreten, weil heute das Gefühl, in diefer Rihtung Vor- sorge zu treffen für den Fall der Dienstunfähigkeit oder für den Fall des Ablebens, ohne daß es dem Vater möglih ist, für seine Kinder ein Kapital direkt zu ersparen, immer lebendiger und dringender in unserm ganzen Volk auftritt, und ih meine, einer solchen heilsamen Thatsache gegenüber muß man auch dur die Gesetzgebung so weit als msöglih in maßvoller Weise entgegenkommen. (Bravo !)

Vom Abg. Bödiker is inzwishen ein Antrag ein- gegangen, hinter dem Worte „Steuerpflihtige“ einzushalten „oder eines Familiengliedes“.

Abg. Stengel: Es handele si bei Nr. 7 um eine Forderung der Gerechtigkeit, Es könnten sehr viele Leute für ihre Angehörigen nit anders forgen, als daß sie eine Versicherung nähmen, während die Beamten ohne Weiteres Anspru auf Pension oder Relikten- versorgung hätten. Würde irgend Jemand heute daran denken, wenn E niht abgeshafft wären, diese \teuerpflihtig zu machen

Abg. Lückhoff: Die Prämien unterschieden sich sehr wesentli von baaren Ersparungen ; diese könne man jeden Tag zurückfordern, die Prämien nit. Das Haus möge also Nr. 7 aufrecht erhalten.

Die Diskussion wird geschlossen, der Antrag Bödiker ab- gelehnt, und die Nr. 7 gegen die Stimmen der Konservativen aufrecht erhalten. _

Die 88. 10—15 werden ohne Debatte angenommen. §. 16 (Besteuerung der Aktiengesellschaften) ist bereits erledigt.

Zu §. 17 liegt ein neuer Steuertarif vor, beantragt von dem Abg. Dr. Avenarius u. Gen., welcher eine Wiederholung des früheren Antrages Enneccerus ift.

Abg. von Eynern weist darauf hin, daß die Einkommensteuer in England eine sehr viel niedrigere sei als bei uns; sie betrage 21/12 °%/o und beginne erst bei 150 Pfund oder 3000 (A Die Tarife seien etwa nur balb so hoh als jeßt beschlossen. Redner empfiehlt den Tarif nach dem Antrage Enneccerus; er würde sogar für einen noh niedrigeren Tarif stimmen, um die kleineren und miitleren Einkommen durchagreifend zu entlaften.

Abg. Freiherr von Huene: In England könne man eine Steuer auf die hohen Vermögen legen. Bei uns müsse man mit der Steuer, wenn sie etwas bringen solle, bis auf die mittleren und unteren Ein- kommen zurückgreifen, weil wir keine großen Vermögen bâtten. Diejenigen, welche bei der erften Lesung in Aussicht gestellt hätten, eine Ermäßigung für die mittleren Klassen herbeizuführen, hätten ihr Wort dur die Annahme des Kommissionsbeschlusses eingelöst.

: Abg. Dr. Arendt: Allerdings seien die englischen Verhältnisse für uns nit maßgebend, aber er müsse erklären, daß ihm die Er- leihterung der mittleren Einkommen, welche in der Thronrede an- gekündigt gewesen sei, niht genüge. Der Antrag der Nationalliberalen entsprehe seinen Wünschen; der Einnahmeausfall werde kein so be-

deutender sein; er werde wahrscheinlich vollständig ausgeglihen da- dur, daß der Abzug der Kommunalsteuern nicht gestattet worden fei. Er freue i, daß das Haus vershont geblieben sei von Anträgen wie dem des Abg. Richter, der unannehmbar gewesen sei, aber den Beweis habe geben sollen, wie weit man von jener Seite dem Meittelstande entgegenkommen wolle. Solche Anträge seien besonders auffallend von solchen Parteien, welche gegen die indirekten Steuern ankfämpften und die Befestigung der direkten Steuern verlangten.

Finanz-Minister Dr, Miquel:

Meine Herren! Ih bedauere, auch jeßt wieder die Ablehnung der über die Kommissionsanträge oder Beschlüsse hinausgehenden weiteren Ermäßigungsanträge erbitten zu müssen. Ich habe allerdings, was nah der Stimmung hier im Hause und der Natur der vor- gebrachten Motive begründet war, in der Generaldiskussion zu diesem Geseß meine Bereitwilligkeit noch weitere Erleichterungen der sogenannten mittleren Klassen in Aussiht zu nehmen, ausgesprohen. Ih bin aber diesem Versprehen in vollem Maße nachgekommen und ih habe hier kein Wort weiter verloren über diejenigen weiteren Ermäßigungsanträge über die Regierungs8- vorlage hinaus, welhe in den Kommissionsbes{chlüssen vorhanden sind. Ich glaube in dieser Beziehung mein Versprechen, wenn i fo sagen soll, wel&es ih in der Generaldiskujsion gegeben habe, in vollem Maße erfüllt zu haben.

Meine Herren, Jeder von uns hat gewiß die größte Sympathie mit den sogenannten mittleren Klassen, aber ih möchte doch darauf aufmerksam machen, daß diese sogenannten Mittelklassen aus ganz vershiedenartigen Personen bestehen.

Meine Herren, wenn ich mir einen mäßig besoldeten Beamten, der über 3000 A Gehalt hat und eine große Anzahl Kinder, vor- stelle, oder auch selbst einen Beamten, der 6000 # und etwas darüber bis 8900 \ Gehalt bezieht und mit einer großen Anzahl Aus- gaben durch zahlreiche Familie belastet ist, so hat man gewiß die größte Sympathie, einen solWen Mann möglichst zu entlasten. Aber, es giebt unter diesen Personen, wie ich das nochmals wieder in allergrößter Schärfe hervorheben muß, auch eine große Anzahl, wo eine derartige Rüksihtnahme, namentlih gegenüber der Staats\teuer in keiner Weise gere{chtfertigt ist. Ih habe {hon hervor- gehoben, daß diese Entlastungsfrage in der Frage der Unterscheidung zwishen fundirtem und ni{tfundirtem Einkommen liegt. Wer 9500 6 Einkommen hat, kann {on nach unseren Verhältnissen, wenn das Alles in fundirtem Einkommen besteht, ein recht reicher Mann sein. (Zuruf.) JIawohl, aber doch wenigstens so wohl- habend, daß er eine solhe Sympathie nit verdient, daß er begünstigt wird in der Steuer gegen Andere in ähnlihen Verhältnissen. Wir werden dem aber erst näher treten können, wenn wir dazu gelangen, eine vershiedenartige Heranziehung des fundirten und nichtfundirten Einkommens zu ermöglichen.

Fch möchte dringend davor warnen, aus einzelnen Beispielen, die diesem oder jenem der Herren aus dem Hause vors{hweben, generelle Regeln zu ziehen für die ganze Gesetzgebung.

Sodann muß ich do ganz entshieden betonen, daß in Bezug auf die Erleichtrrung \{chon ein Erhebliches geschehen ist, und irgend- wo muß doc eine Grenze gefunden werden. Wenn ih erwäge, wie weit wir \chon früher in der Erleichterung der unteren Stufen ge- gangen sind, daß wir bereits fast 26 Millionen direktec Steuern er- lassen hatten, ehe dieses Geseß vorgelegt wurde; (Zuruf) wenn wir erwägen, daß wir jeßt wiederum 1087000 A den früheren

Klassensteuerpflichtigen bis zu 3000 erlassen haben, daß

dazu die Erleichterung aus §. 18, die mit 25000009 #4 berechnet sind, hinzutritt; wenn wir weiter erwägen, daß wir für die Steuerpflichtigen zwishen 3000 und 6000 ÆA eine Ermäßigung von 2126 932 A und fogar für die zwisWen 6000 und 9000 M Eivkommen eine weitere Erleichterung von 179 500 Æ bereits in den Kommissionsanträgen beschlossen haben, so kann man wahrhaftig nit davon sprehen, daß nicht sehr wesentliche Erleichterungen hier bereits in dem Gese vorgesehen sind.

Meine Herren, auf diejenigen Einwendungen, die von vielen Seiten erhoben sind, daß die Verhältnisse sich für die mittleren Klassen deswegen ungünstiger gestalten, weil sie nunmehr deklariren müßten, lege ih niht das geringste Gewicht. Denn wenn wir einmal ein Gesetz mit gleihmäßiger Heranziehung des wirklichen Einkommens machen, so kann si Niemand für beschwert halten, wenn er das- jenige versteuert, was er an Einkommen wirkli besißt. Auf diefe Einwendungen kann man nichts geben; will man aber denno darauf Gewiht legen, so kann ich_ nur . wiederholen, daß die \chärfere Heranziehung in Folge des neuen Veranlagungsverfahrens die mittleren Klasjen viel weniger trefffen wird, als die hohen Ein- fommen. Denn gerade das geringere Einkommen is auch bisher leichter faßbar und ermittelbar gewesen, wie das ganz große Ein- kommen; dieses wird also verhältnißmäßig in viel stärkerem Maße berangezogen werden.

Nun, meine Herren, kann ih nur dasjenige, was der Abg. Frei- herr von Huene gesagt hat, in vollem Maße unterschreiben. Wenn Sie diejenigen Ausgaben, die der Staat nun do einmal zu tragen hat und von denen ich überzeugt bin, daß sie wachsen, und die in Preußen glückliherweise auch so beschaffen sind, daß darin nirgendwo eine Verschwendung liegt, sondern die eben nothwendig und für die Volks- wohlfahrt nüßlich find, deken wollen, auch im wesentlihen Theil dur die direkten Steuern, fo bleibt gar nichts Anderes übrig, als daß auch die Mittelklassen in angemessener Weise herangezogen werden. Das ist nach unseren Wohlstandsverhältnissen ganz ausges{lossen, daß wir einen wesentlihen Theil unserer Staatsausgaben dadur decken, daß wir die sehr gering gesäten Millionäre allein belasten. Ih glaube also meine Bitte wiederholen zu dürfen, und denjenigen Herren, die sih gerade für die Mittelklassen besonders interessiren, ans Herz legen zu sollen, daß diese Frage rihtig und billig nur ent- schieden werden kann, wenn wir der Aufgabe näher treten wegen ander- weitiger Besteuerung des fundirten und nichifundirten Einkommens, daß wir hier bereits so weit gegangen sind, als wir gegenwärtig nah unserer ganzen Finanzlage und nach der Art und Weise der Ver- theilung des Wohlstandes in Deutschland gehen konnten, und daß wir allen Grund haben, uns hiermit vorerst zu beruhigen.

Ich habe noh vorgestern die Gesetze der übrigen deutshen Staaten durhgeschen und ih kann nur meine Ueberzeugung wiederholen, daß, was die Berücksihtigung der geringeren Einkommen überhaupt be- trifft, das vorliegende Gesetz weiter geht als fast alle anderen deutschen Gesetze. (Hört! hört!)

Abg. Rickert bestreitet, daß das in der ersten Lesung gegebene Versprechen, die mittleren Einkommen zu entlasten, vollständig ein- gelöst sei. Der frühere Bitter’she Entwurf habe viel weiter gehen wollen und die Nothwendigkeit einer Aenderung dieser Vorlage werde G fehr bald berausftellen.

Abg. Freiherr von Zedlitz: Der Vorredner wolle möglichst

wenig Mehreinnahmen aus der Vorlage erzielen, deshalb wolle er die Tarife herabsegen. Er (Redner) sei der Meinung, daß mit den Beschlüssen der zweiten Lesung allen berechtigten Ansprüchen genügt worden fei. In Betracht komme au die Rücksicht auf die Komtnunen, namentli im Often, wo die Herabseßung der Steuer für Einkommen von 70090 bis 9000 Æ die potentesten Leute in der Steuer erleihtern würde. __ Abg. Tramm spricht sich gegen die Erhöhung des Steuersaßzes für die höchsten Stufen bis auf 4 9/0 aus. Dadur{ werde das Kapital aus dem Lande gejagt. Die Erleichterung der Mittelklassen sei eben- falls nothwendig ; denn fie seten im Verhältniß zu den untersten Klassen bisher nicht erleihtert worden. 26 Millionen Mark direkter Steuern seien den untersten Klassen erlassen worden, dazu komme der Erlaß des Schulgeldes und die sozialpolitishe Geseßgebung, welhe gerade die Arbeiterklassen erleihtere. Die mittleren Klassen hätten davon gar keinen Vortheil gehabt. Die Köpfe der Gemein- den brauche man sich nit zu zerbrehen; diese wollten nur Zufrieden- heit haben, sie würden ihre Steuertarife {on dana einri{hten.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Mtine Herren! Der Herr Vorredner macht si die Finanzfrage außerordentli leiht. Er sagt: Wir haben ja durch die Streichung des Wortes „Kommunal“ und durch die Besteuerung der Aktien- gesellshaften, durch Annahme des Antrags von Jagow, fehr viel wieder gewonnen! Ja, meine Herren, das ist ein eigenthümlicher Gewinn für die preußishen Staatsfinanzen; wenn die Kommission oder das Abgeordnetenhaus zuerst eine Verminderung der Staats- finanzen beschließt und nachher diefe Verminderung wieder fallen läßt, dann sollen dabei die Staatsfinanzen sehr viel gewonnen haben! Diese Recnung kann ih nicht machen; plus eins und minus eins hebt \si{ auf, also ih bin dabei genau in derselben Lage. Auch seine Deduktionen im Uebrigen sind in sih widerspruchsvoll. Auf der einen Seite plädirt er gegen die 49/6 und gleichzeitig für cine weitere Erleihterung der Steuersäße. Er mußte umgekehrt seine Beweisführung stellen, er mußte sagen: da die 4 9/0 bewilligt sind, so können wir in den untern Stufen erlassen, aber ni@t die 4/0 \treihen und unten auch noch erlassen. Das ift jedenfalls nicht die Rolle eines vorsihtigen Vertreters der preußischen Finanzen.

Dann sagte der Herr Vorredner: was brauen wir uns die Köpfe der Kommunen zu zerbrechen, sie werden {on mit der Sade fertig werden! Nun, meine Herren, ih glaube die Kommunal- verwaltungen au zu kennen und kann dem Herrn Vorredner versichern, daß doch schon in einer großen Anzahl in den Köpfen der Kommunal- beamten die {were Frage aufgeworfen wird: wie kommen die Kommunal- steuern gegenüber dieser hon jeßt vorhandenen erheblichen Verminderung der Prozentsäße für die mittleren Klassen zu stehen? Ich verweise den Herrn Vorredner auf die Verhandlungen des Brandenburgischen Städte- tages, da wird er sehen, daß die Kommunalbeamten sih darüber sehr die Köpfe zerbrechen.

Meine Herren, wir haben eine große Anzahl von Kommunen, auch Städte, sogar bis zu 20- bis 30 009 Einwohnern, die nur ganz vereinzelt einen Steuerpflihtigen über 30 000 46 Einkommen haben und in denen die Gesammtsteuer im Wesentlihen von den mittleren Klassen erhoben wird; wenn Sie nun diese in den Staatssteuern ent- lasten und dann in Zukunft gleihmäßig prozentuale, sehr bedeutend zu erhöhende Zuschläge erheben, wo bleiben dann diejenigen Censiten, für welche gerade der Herr Vorredner plädirt hat, die jeden Augen-

blick einen anderen Wohnort aufsuchen können? Ih möchte gerade