1891 / 61 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Mar 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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R E S L M Mgr E R D d P

Für die Bewachung feiner Gerüste, Werkzeuge, Gerätke 2c., fowie seiner auf der Baustelle lagernden Materialien Sorge zu tragen, ift lediglich Sache des Unternehmers. /

Mitbenuzung von Rüstungen. :

Die von dem Unternehmer hergestellten Rüstungen sind während ihres Bestehens auch anderen Bauhandwerkern unentgeltlid zur Be- nußung zu überlassen. KRenderungen an den Rüstungen im Interesse der bequemeren Benußung Seitens der übrigen Baukbandwerker vor- zunehmen, ist der Unternehmer MNE E ss

8. 11. Beobachtung polizeiliher Vorschriften. Haftung des Unternehmers für seine Angestellten 2c. E

Für die Befolgung der für Bauausführungen bestehenden polizei- lichen Vorschriften und der etwa besonders ergebenden polizeilichen Anordnungen ift der Unternehmer für den ganzen Umfang feiner ver- tragsmäßigen Verpflihtungen verantwortlich. Kosten, wele ihm dadurch erwachsen, können der Staatskasse gegenüber niht in Rehnung gestellt werden. E

Der Unternehmer trägt insbesondere die Verantwortung für die gebörige Stärke und sonstige Tüchtigkeit der Rüßungen. Dieser Ver- artwortung unbeschadet is er aber auch verpflichtet, eine von dem bauleitenden Beamten angeordnete Ergänzung und Verstärkung der Rüstungen unverzüglih und auf eigene Kosten zu bewirken.

Für alle Ansprübe, die wegen einer ihm selbst oder feinen Be- vollmächtigten, Gehülfen oder Arbeitern zur Last fallenden Vernach- läfsigung polizeiliher Vorschriften an die Verwaltung erhoben werden, hat der Unternehmer in jeder Hinsicht aufzukommen. _

Ucberhaupt haftet er in Ausführung des Vertrages für alle Handlungen seiner Bevollmächtigten, Gehülfen und Arbeiter persör- li. Er hat insbesondere jeden Schaden an Person oder Eigenthum zu vertreten, welcher durch ihn oder seine Organe Dritten oder der Staatskasse zugefügt wird.

S 11A

Haftpflicht des Unternehmers bei Eingriffen desselben tin die Nee Dritter.

Für Beschädigungen angrenzender Ländereien, insbesondere dur Entnahme, durch Auflagerung von Erd- und anderen Materialien außerhalb der \chriftlih dazu angewiesenen Flächen, oder dur unbe- fugates Betreten, ingleichen für die Folgen eigenmächtiger Versperrungen von Wegen oder Wasserläufen haftet ausschließlich der Unternehmer, nôgen dicse Handlungen von ihm oder von seinem Bevollmächtigten, Gehülfen oder Arbeitern vorgenomtxen sein. E

Für den Fall einer solhen widerrechtlichen und nah pfliGtmäßiger Ueberzeugung der Verwaltung dem Unternehmer zur Last fallenden Beschädigung erklärt sih derselbe damit einverstanden, daß die bau- leitende Behörde auf Verlangen des Beschädigten durch einen nach Anhörung des Unternehmers von ihr zu wählexden Sachverständigen auf seine Kosten den Betrag des Schadens ermittelt und für feine Rechnung an den Beschädigten auszahlt, im Falle eines recktlichen Zahlungshinbernifses aber binterlegt, sofern die Zahlung oder Hinter- legung mit der Maßgabe erfolgt, daß dem Unternehmer die Nückfor- derung für den Fall vorbehalten bleibt, daß auf seine gérichtlihe Klage dem Beschädigten der Ersazanspruch ganz oder theilweise ab- erkannt werden sollte.

S 12

Aufmessungen während des Baues und Abnahme.

Der bauleitende Beamte ist berechtigt, zu verlangen, daß über alle später nit mehr nachzumessenden Arbeiten von den beiderseits zu bezeihnenden Beauftragten während der Ausführung gegenseitig an- zuerkennende Notizen ge{ührt werden, welhe demnächst der Berechnung zu Grunde zu [eaen sind.

Von der Vollendung ber Arbeiten oder Lieferungen hat der Unternehmer dem bauleitenden Beamten durch eingeshriebenen Brief Anzeige zu machen, worauf der Termin für die Abnahme mit thun- lihster Beschleunigung anberaumt und dem Unternehmer \{riftlich gegen Behändigungs\chein oder mittelst eingeschriebenen Briefes bekannt gegeben wird. :

Ueber die Abnahme wird in der Regel eine Verhandlung auf- genommen; auf Verlangen des Unternehmers muß dies geschehen. Die Verhandlung ift von dem Unternehmer bezw. dem für denselben etwa erschienenen Stellvertreter mit zu vollziehen.

Bon der über die Abnahme aufgenommenen Verhandlung wird dem Unternehmer auf Verlangen beglaubigte Abschrift mitgetheilt.

Erschcint in dem zur Abnahme anberaumten Termin, gehöriger Benachrichtigung ungeachtet, weder der Unternehmer selbst noch ein Bevolimächtigter detselben, so gelten die durch vie Organe der bau- leitenden Behörden bewirkten Aufnaßinen, Notirungen 2c. als an- erkannt.

Auf die Feststellung des von dem Unternehmer Geleisteten im Falle der Arbeitsentziehung (8. 9) finden diese Bestimmungen gleih- mäßige Anwendung.

Müssen Theillieferungen sofort nach ihrer Anlieferung abge- nommen werden, fo bedarf es einer besonderen Benachrichtigung des Unternehmers hiervon nit, vielmehr ist es Sache desselben, für seine Anwesenheit oder Vertretung bei der Abnahme Sorge zu tragen.

S 19: RNechnungsaufstellung.

Bezüglich der formellen Au'stelung der Rehnung, welche in der Form, Ausdrucksweise, Bezeichnung der Bautheile resp. Räume und Reihenfolge der Positioa8nummern genau nach dem Verdingunç§- Anschlag einzurichten ist, hat der Unternehmer den von der bau- leitenden Behörde, bezw. dem bauleitenden Beamten gestellten An- forderungen zu entsyrechen. -

Etwaige Mehrarbeiten sind in besonderer Rehnung nachzuweifen, unter deutlihem Hinweis auf die scriftlihen Vereinbarungen, welche bezügli terselben getroffen worden sind.

Tagelohnrechnungen.

Werden im Auftrage des bauleitenden Beamten Seitens des Unternehmers Arbeiten im Tagelohn ausgeführt, so ist die Liste der hierbei bes@äftigten Arbeiter dem bauleitenden Beamten oder dessen Vertreter Behufs Prüfung ihrer Richtigkeit täglih vorzulegen. Etwaige Ausstellungen dagegen sind dem Unternehmer binnen längstens 8 Tagen mitzutheilen. 1

Die Tagelohnrechnungen \ind längstens von 2 zu 2 Wochen dem bauleitenden Beamten einzureichen.

S 14 Zahlungen.

Die Sthlußzahlung erfolgt auf die vom Unternehmer einzu- reichende Kostenrehnung alsbald nach vollendeter Prüfung und Fest- tellung derselben. ,

Absch!agszahlungen werden dem Unternehmer in angemessenen Fristen auf Antrag nach Maßgabe des jeweilig Geleisteten bis zu der von dem bauleitenden Beamten mit Sicherheit vertretbaren Höhe gewährt.

Bleiben bei der SchlußabreWnung Meinungsverschiedenheiten zwischen dem bauleitenden Beamten oder der bauleitenden Bchörde und dem Unternehmer bestehen, so soll das dem Letzteren unbestritten zustehende Guthaben demselben gleihwohl nicht vorenthalten werden. Berzicht auf spätere Geltendmachung aller nicht aus-

drücklih vorbehaltenen Ansprüche.

Vor Empfangnahme des von dem bauleitenden Beamten oder der - baulcitenden Behörde als NRestguthaben zur Autzahlung an- gebotenen Betrages muß der Voges alle Ansprüche, welche er aus dem Vertragsverhältniß über die behördlicherseits anerkannten binaus etroa noch zu haben vermeint, bestimmt bezeihnen und si vorbehalten, widrigenfalls die Geltendmachung dieser Ansprüche später

ausgesch{lofen ist. : Zahlende Kasse. : E Alle Zahlungen erfolgen, sofern nicht in den besonderen Bedin- gungen etwas Anderes festgeseßt ist, auf der Kasse der bauleitenden Behörde. i: 4D Gewährleistung. j i Die in den besonderen Bedingungen, des Vertrags vorgesehene, in Ermangelung folcker nach den allgemeinen geseßlihen Vorschriften si

bestimmende Frist für die dem Unternehmer obliegende Bewährleistung für die Güte der Arbeit oder der Materialien beginnt mit dem Zeit- purkt der Abnahme der Arbeit oder Lieferung. s -

Der Einwand nicht rechtzeitiger Anzeige von Mängeln gelieferter Waaren (Art. 347 des Handelsgeseßbuches) ist nit statthaft.

8. 16. Sicherheit sstellung. Bürgen. Bürgen haben als Selbstshuldner in den Vertrag mit einzutreten. Kautionen. ;

Kautionen können in baarem Gelde oder guten Werthpapieren oder siheren gezogenen Wechseln oder Sparkassenbüchern bestellt werden. i

Die Schuldverschreibungen, welche von dem Deutschen Reih oder von einem deutschen Bundesstaat aus3gestellt oder garantirt sind, fowie die Stamme und Stamm-Prioritäts-Aktien und die Prioritäts- Obligationen derjenigen Eisenbahnen, deren Erwerb dur den preußi- hen Staat geseßlih genehmigt ist, werden zum vollen Courswerthe als Kaution angenommen. Die übrigen bei der deutschen Reichsbank beleibbaren Gffeften werden zu dem daselbst beleihbaren Bruchtheil des Courswerthes als Kaution angenommen. :

Die Ergänzung einer in Werthpapieren bestellten Kaution kann gefordert werden, Falls in Folge eines Coursrückganges der Gours- werth bezw. der zulässige Bruchtheil desselben für den Betrag der Kaution nicht mehr Deckung bietet. j ; :

Baar hinterlegte Kautionen werden nit verzinst. Zinstragenden Werthpapieren sind die Talons und Zinsscheine, insoweit bezüglich der legteren in den besonderen Bedingungen nit etwas Anderes bestimmt wird, beizufügen. Die Zinsscheine werden fo lange, als nicht eine Veräußerung der Werthpapiere zur Deckung entstandener Verbindlich- keiten in Aussicht genommen werden muß, an den Fälligkeitsterminen dem Unternehmer ausgehändigt. Für den Umtausch der Talons, die Einlösung und den Ersaß ausgelooster Wertbpapiere, sowie den Ersaß abgelaufener Wechsel hat der Unternehmer zu sorgen. :

Falls der Unternehmer in irgend einer Beziehung seinen Verbind- lihkeiten nicht nahkommt, kann die Behörde zu ihrer Schadloshaltung auf dem einfachsten geseßlih zulässigen Wege die hinterlegten Werth- papiere und Wechsel veräußern bezw. einkasfiren. S

Die Rückgabe der Kaution, soweit dieselbe für Verbindlichkeiten des Unternehmers niht-in Anspcuh zu nehmen ift, erfolgt, nachdem der Unternehmer die ihm obliegenden Verpflichtungen voll- ständig erfüllt hat, und insoweit die Kaution zur Sicherung der Garantieverpflihtung dient, nahdein die Garantiezeit abgelaufen ift. In Ermangelung anderweiter Verabredung gilt als bedungen, daß die Kaution in ganzer Höhe zur Deckung der Garantieverbindlichkeit ein- zubehalten ift. 8. 17

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NUebertragbarkeit des Vertrages.

Ohne Genehmigung der bauleitenden Behörde darf der Unter- ume seine vertrag8mäßigen Verpflichtungen niht auf Andere über- ragen. : Verfällt der Unternehmer vor Erfüllung des Vertrages in Kon- kurs, so ift die baulcitende Behörde berechtigt, den Vertrag mit dem Tage der Konkurs-Eröffnung aufzuheben. : :

Bezüglich der in diesem Falle zu gewährenden Vergütung sowie der Gewährung von Abschlagszahlungen finden die Bestimmungen des 8, 9 sinngemäße Anwendung. /

Für den Fall, daß der Unternehmer mit Tode abgehen follte, bevor der Vertrag vollständig crfüllt ist, hat die bauleitende Behörde die Wabl, ob sie das Vertragsverhältniß mit den Erben desselben fortscten oder dasselbe als a E will.

Gerichtsstand. O Für die aus diesem Vertrage enispringenden Re@tsfsireitigkeiten hat der Unternehmer unbeschadet der im §. 19 vorgeschenen Zu- ständigkeit eines Schied8gerihts bei dem für den Ort der Bau- ausführung zuständigen Gerichte E zu nehmen.

Schiedsgericht.

Streitigkeiten über die durch den Vertrag begründeten Rehte und Pflichten, fowie über die Ausführung des Vertrages sind, wenn die Beilegung im Wege der Verhandlung ¿zwischen den bauleitenden Be- amten und dan Unternehmer nicht gelingen sollte, zunächst der bau- leitenden Behörde zur Entscheidung vorzulegen. : / i

Gegen die Entscheidung dieser Behörde wird die Anrufung eines Sgiedsgerichts zugelassen. Die Fortführung der Bauarbeiten nah Maßgabe der von der bauleitenden Behörde getroffenen Anordnungen darf bierdurch nicht aufgehalten werden.

Für die Bildung des Sciedsgerih1s und das Verfahren vor demselben kommen die Vorschriften der Deutschen Civilprozeß- ordnung vom 30. Januar 1877 §8, 851—872 in Anwendung. Bezüg- lich der Ernennung der Sciedsrichter sind abweichende, in den besonderen Vertragëbedingungen getroffene Bestimmungen in erster Reihe maßgebend. :

Falls die Schiedsrichter den Parteien anzeigen, daß si unter ihnen Stimmengleicheit ergeben habe, wird das Schiedsgericht dur einen Obmann ergänzt. Die Ernennung desselben erfolgt Mangels anderweiter Festsezung in den besonderen Bedingungen dur den Präßfidenten oder Vorsitzenden einer benachbarten Provinzialbehörde desjenigen Verwaltungszweiges, welchem die veitragshließende Behörde angehört. G

N Ueber die Tragung der Kosten des \chtedörichterlichen Verfahrens enischeidet das Schiedsgericht nah JIOeR Ermessen.

Kosten und Stempel. : é Briefe und Depeschen, welhe den Abschluß und die Ausführung des Vertrages betreffen, werden beiderseits frankirt. Die Portckosten für solhe Geld- und sonstige Sendungen, welche im ausschließlihen Intecesse des Unternehmers erfolgen, trägt der Letztere. : Die Kosten des Tg lernen trägt der Unternehmer nach Maßgabe der geseßlihen Bestimmungen, 5 | : “Die übrigen Kosten des Vertragsabschlusses fallen jedern Theile zur Hâlfte zur Last. Vorstehende Bedingungen werden hiermit öffentl ch be- kannt gemacht. 5 Berlin, den 5. März 1891. n Königliche Ministerial-Baukommission. Kayser.

Deutscher Reichstag. 85, Sizung vom Dienstag, 10. März.

Am Tische des Bundesraths: die Staatssekretäre Dr. von Boetticher und Hollmann. i Nach dem Antrag der Geschäftzordnungs-Kommission ver- sagt das Haus die Ermächtigung zur Strafverfolgung des Abg. Metzger (Hamburg) wegen Beamtenbelcidigung und tritt so- dann in die zweite Berathung des Geseßentwurfs, betreffend die Abänderung von Bestimmungen des Strafgejeß- buchs, ein, die einen verstärkten Schuß der Verkehrseinrich- tungen bezweckt, der vom öffentlihen FJnteresse dringend ge- S wird. Artikel T der Vorlage dehnt die Strafbestimmung es 8. 276 auf Diejenigen aus, welche wissentlih {hon einmal verwendete Post- oder “Telegraphen - Werthzeihen zur Frankirung benutzen ; Artikel II riet die 88. 317 und 318 durch zwei neue, nah welchen mit Gefängniß von einem Monat bis zu drei Jahren bestraft wird, wer vorsäßlich und rehts- widrig den Betrieb einer Telegraphenanlage durch Beschädigung von Theilen oder Zubehörungen derselben verhindert und ge-

_ beantragt die Kommission

fährdet, und wonah für fahrlässige Verhinderung oder Gefährdung desselben Gefängnißstrafe bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu 900 4 angedroht wird. Ein neuer 8. 318 a stellt auch die Rohrpost- und Fernsprechanlagen unter den Schuß dieser Bestimmungen. (Referent Abg. Horwiß.) Artikel T wird ohne Debatte unverändert angenommen. Zum Artikel IT bemerkt L j Abg. Gröber: Dieser Artikel enthalte die wihtigsten Bestim- mungen der vorgeschlagenen Novelle. Irrthümlicherweise werde vielfa geglaubt, daß fahrlässige Beschädigungen der Telegraphen- anstalten nah dem geltenden Recht straflos seien. Nah S. 318 des Strafgeseßbuchs seien auch fahrlässige Beschädigungen der Telegraphen- anstalten mit strenger Strafe bedroht. Es werde nur vorausgeseßt, daß eine Störung oder Verhinderung des Betriebes durch die fahr- lässige Behandlung herbeigeführt worden sei. Die Novelle gehe nun darüber hinaus und stelle auch diejenigen Fälle unter Strafe, wo eine Störung und Behinderung des Betriebes dur diese Handlung niht herbeigeführt worden sei, aber hätte herbeigeführt werden können. Den Anlaß zu diesem Verlangen der Regierungen biete eine Ent- scheidung des Reich8gerichts. Ein weiterer Irrthum der verbündeten Regierungen bestehe darin, daß man glaube, eine Bestrafung auf Grund des §. 318 set nur dann mögli, wenn die Störung und Be- hinderung die unmittelbare Gatae der Handlung sci. Das sei aber nah seiner vollkommensten Ueberzeugung eine unrichtige Auslegung des geltenden Gesetzes, und ihm sei keine gerichtliche Entscheidung bekannt, die einen solchen Ausspruch gethan hâtte, jedenfaüs keine Entsheidung des Reichsgerichtes, und wenn etwa in den Entscheidungen der Strafkammern irgendwie eine folche An- sicht zum Ausdruck gekommen wäre, so hätten die verbün- deten Regierungen Gelegenheit gehabt, dur Einlegung eines Recht s8- mittels die Ents{eidung des höchsten Gerichtshofes herbeizuführen, Es sei niht Voraussetzung in der geltenden Strafbestimmung, daß nur unmittelbar auf die Begehung der ftrafbaren Handlung hin die Störung eingetreten sei, sondern es fei Vorausfezung, daß dur die gefährlihe Handlung eine Störung wirklich verursaht worden fei, wenn auc zwischen der Handlung felbst und ihrer Folge eine ge- wisse Zwisenzeit liegen möge. In beiden Fällen werde alfo durch das bestehende Geseh dem praktishen Bedürfniß weitaus in den aller- meisten Fällen vollständig Genüge gethan, und ein Bedürfniß zu einer theilweisen Aenderung des Strafgeseßbuches sei au in der That niht nachgewiesen. Zwar habe der Vertreter der verbündeten Re- gierungen in der Kommission mitgetheilt, daß im Jahre 1888/89 400 Fâlle von Telegraphenbeschädigungen vorgekommen seien, die nah seiner Behauptung na dem geltenden Recht niht hätten unter Strafe gestelli werden können ; gegenüber einer Zahl von über 13 000 Telegraphenanstalten mit über 77900 km Gefammtfläche fämen diese Fälle aber garniht in Betracht. Meistens werde es fi um eine Beschädigung von Isolatoren und ähnlichen geringen Beschädigungen handeln, die auch dur die Polizeistrafbestimmungen gedeckt seien oder dur eine andere Strafbestimmung des Strafgeseßz- bus getroffen werden könnten. Jedenfalls seien alle diese Fälle nicht so wichtig, um sie früher zu erledigen als bei der allgemeinen Revifion des Strafgeseßbuchs, die hoffentlih in nicht zu langer Zeit kommen werde. - s Abg. Klemm (Sawhsen): Man müsse bedenken, daß an das Telegrapheninstitut tägli wachsende Anfocderungen gestellt würden, daß die Telegraphenanstalten stetig konform den Verkehr mit immer größerer Pünktlichkeit und Sicherheit die Nabrichten geben müßten. Die Verleßung einer Telegraphenleitung erscheine unter diesem Ge- sihtswinkel als eine weit \chwerere als eine gewöhnlihe Sachbeschä- digungz und darum sei auch die Verschärfung der ftrafre{chtlihen Verfolgung, wie sie die Novelle vorsche, durchaus gere{chtfertigt, zumal bei der stetigen Zunahme der Bevölkerung und der damit ver- bundenen Gefahr für den Telegraphenverkehr. Art. I1 wird genehmigt, ebenso der Rest der Novelle nah den Vorschlägen der Kommission. Es folgt die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, be- N die Kaiserlihe Shußtruppe für Deutsh-Ofst- r1lla. | Abg. von Keudell: Es sei seines Erinnerns ein lebhafter Wunsch der öffen tlihen Meinung in England gewesen, cine direkte territoriale Verbindung zwishen dem Kapland und der englis{en Interessensphäre an den Niiquellen zu besißen. Bei den Verhand- lungen mit England habe es den Anschein gebabt, als ob dieser Miß- stand erschwerend wirken wolle. (Der Präsident bittet den Redner, e an die Sache zu halten.) Aus dem Gange dir Verhandlungen abe si aber gezeigt, daß England einen größeren Werth auf die deutshe Freundschaft gelegt habe, als auf den Gegenstand der s{hwebenden Differenzen, und für das Resultat dieser Verhandlungen könne nan den Leitern der auswärtigen deuten Politik dankbar sein, Abg. Dr. Bamberger: Nach den früheren Erklärungen fei es nur eine selbstverständlihe Konsequenz, wenn er mit seinen Freunden gegen die Einzelheiten der Vorlage stimme. i ; Bei §. 18, wonach auch dec von dem Reich3kommissar für Ost-Afrika angeworbenen Truppe angehörige Deutsche in die Schußtruppe übernommen werden können, bittet Abg. Graf Arnim, auch solche Personen, welche vor der Anwerbung der Truppe in Afrika gewesen seien und sich um das deutsche Ost-Afrika verdient gemaht bätten, auf ihr Ansuchen in die Schußtruppe aufzunehmen. : i: Die Vorlage wird ohne weitere Debatte genehmigt. Es folgt der Bericht der Wahlprüfungs-Kom- mission über die Wahl des Abg. Dr. Schier (3. Kassel). Die Kommission beantragt, die Beschlußfassung über die Gültigkeit der Wahl auszuseßen und über mehrere Punkte des von sozialdemokratisher Seite eingegangenen Protestes Erhebungen zu veranlassen. S Aba. Baumbach - Altenburg (Vorsitzender des deutschen Kriegerbundes) wendet fh dagegen, daß Erhebung au darüber stattfinde, ob der Landrath des Kreises mil dem Präsidenten des Kriegervereins eine Besprehung über die Wahl veranstaltet habe und als Folge davon der Kriegerverein in einer Generalversammlung zur Wahl des Abg. Dr. Stier aufgefordert fei, wobei auch Flugschriften und Stimmictiel für ihn ausgeboten worden seien. Selbst wenn dies der E gewesen wäre, so könnte darin eine Wahlbeeirflussung nit gesehen woerden. Solange alle Parteien Wahlagitationen ausübten, könne man es auch den Kriegervereinen niht verbieten, für bestimmte Persönlichkeiten zu agitiren. Das Statut des deutshen Kriegerbundes verpflichte sogar die Mitglieder dazu. Kein Mitglied eines Kriegervereins dürfe einem Sozialdemokraten die Stimme geben. / S i Das Haus beschließt dem Antrage der Kommission gemäß. Die Wahl des Abg. Evers (Bielefeld - Wiedenbrück) far gültig zu erklären; ein Antrag

des Abg. Dr, Dohrn bezweckt die Aussezung der Beshluß- fassung und Erhebungen darüber, ob die „Neue westfälische Volkszeitung“, in welcher der bekannte Erlaß des einen fon-

servativen A Landraths von Ditfurth, gestanden, e

einen amtlihen Charakter trage. Jn diesem Wahlkreise hätten si bekanntli zwei konservative Kandidaten, Hr. von Hammer- stein und dec Landrath von Ditfurth, gegenübergeftanden; die Zersplitterung dec Stimmen führte dahin, daß beide Kan- didaten bei der Stihwahl ausfielen, welhe demnächst zwischen dem Sozialdemokraten Singer und dem Landgerichts-Rath Evers stattfand und mit dem Siege des Leßteren endigte.

Abg. Rickert beantragt, die Wahl für ungültig zu er- flären.

Berichterstatter Abg. Schneider- Hamm bemerkt, daß die Kommisson sich nicht ‘von dem amtlihen Charakter der „Neuen westfälis@en Volkszeitung“ habe überzeugen können. Hätte sie

aber einen amtlichzn Charakter, so habe auch die Kommission gemeint, daß die Wahl für ungültig erklärt werden müsse. „Nah Fertig: stellung des Berichtes sei von dem Rechtsanwalt Dr. Klasing noch eine Eingabe eingegangen, in welcher unter Hinweis auf die amt- lihe Beeinflussung durch den Landrath von Ditfurth Protest gegen die Wahl erhoben werde. Dic Kommission habe nach Prüfung der Akten und der Proteste und nah Fertigstellung des schriftlichen Berichtes ihre Thätigkeit für beendet gehalten und von dieser Ein- gabe keine Kenntniß mehr genommen.

Abg. Rickert: Bei Wahlprüfungen sfolle der Parteistand- punkt überhaupt nicht berücksihtigt werden und es wäre am Besten, wenn der Reichstag dabei dea Namen des betreffenden Kandidaten überhaupt nicht erführe, dann würde das Recht, wie es wirklich vom Reichstag hochgehalten werden solle, herauskommen. Wenn über- haupt eine Wahl wegen amtliher Wahlbeeinflufsung kassirt werden könne, so sei es diese. Er stimme der Eingabe von Klasing, der Namens der Anhänger des Hrn. von Hammerstein gegen die unerhörte amtliche Wakhlbeeinflussung durch den Land- rath von Ditfurth Protest erhebe, vollklommen zu. Er lege Ver- wahrung gegen den formalen Standpunki ein, daß die Kommiffion spätere Eingaben nicht mehr berücksihtige. Die Eingabe von Klasing stoße die ganze Konklusion der Kommission um. Was gebe es den Landrath von Ditfurth an, wenn die Aufstellung der Kandidatur von Hammerstein von konservativen Wählern als eine Gott und dem Kaiser woblgefällige That aufgefaßt werde, wie er in seinem Erlasse hervorhebe? Erschwert werde die amtliche Erklärung des Landrathes von Ditfurth dadur, daß er selbst Kan- didat gewesen sei. Dhne diese amtlihe Waßhlbeeinflussung wäre Herr voa Hammerstein wahrscheinlich in» die engere Wahl ge- kommen. Die Kommission sage, wenn eine amtlihe Wahl- beeinflussung vorliege, müsse die Wahl fkasfirt werden. Es handle fich also nur darum, ob die Bekanntmachung des Landrathes von Ditfurth einen amilihen Charakter habe. Die Kommission sage, sie set niht amtlich, weil fie „Franz von Ditfurth“ unter- zeichnet sei, und amtlihe Bekanntmachungen ohne Vornamen unter- zeihnet zu werden pflegten. Ferner stände die zweite Be- kfanntmahung mit unter den Annoncen, Die erste er- fenne au die Kommission als amtlich an, die zweite sei aber nur eine Ergänzung der ersteren. Ferner lägen eine ganze Retbe anderer amtlicher Bekanntmachungen vor, welche der Landrath von Ditfurth ebenfalls mit seinem Vornamen unterzeichnet habe. Bei der Etatsberathung im Abgeordnetenhause habe Herr von Hammerstein selbst diese amtlißen Wahlbeeinflussungen hervor-

eboben und den Minister des Innern dafür verantworilih gemacht. Soner habe hier bei der Generaldebatie der Abg. Dr. Windthorst, von welchem der Landwirth von Ditfurth in seiner Bekanntmachung sage: „Die Aufstellung der Kandidatur von Hammerstein, wonach der Welfe Windthorst die Unterstüßung der ultramontanen Wähler Wiedenbrücks zugesagt hat“, ebenfalls den amtlichen Charakter dieser Bekanntmachung betont und sein Erstaunen darüber ausgedrückt, den Namen eines Königlichen Landraths darunter zu finden. Sei so der amtliche Charakter der Erlasse des Landraths von Ditfurth erwiesen, so folge auch nach der Ansiht der Kommission ohne Weiteres die Ungültigkeit der Wahl. Der Reichstag müsse in allen Fällen, wo ein Beamter sich_ unterfange, den Namen Seiner Majestät des Kaisers in die Wakblbewegung zu ziehen, die Kafsation ein- treten lassen. Das allgemeine, gleihe, direkte Waßhlrecht könne nur zum Segen des Volkes gereichen und in seiner Reinheit erhalten werden, wenn die Instanz, welche über das Geseß zu wachen habe, gewissenhaft ihr Amt wahre. Selbst der frühere Staats- Minister Graf Schwerin-Pugar habe 1867, obwohl er kein Freund dieses Wablrechts gewesen sei, sich auf den Standpunkt gestellt, daß jeder Amtsmißbrauch von demselben fern gehalten werden müsse. Es wäre das erste Mal im Reichstage, daß man einen so unerhörten Mißbrauch der Amtsgewalt gut heiße. Man möge die Wahl ent- weder zur nochmaligen gründlichen Prüfung an die Kommission zurückverweisen oder sie für ungültig erklären.

Abg. Gröber: Er sei mit dem Vorredner einig in seinen Ausftellungen über die formale Geschäftsbehandlung in der Wahl- prüfungskfommission. Die Kommifsion solle grundsäßlih bis zu dem Moment, wo das Plenum entscheide , bre ‘ufgabe als nit beendet betrachten und alle ihr zugehenden Nachträge noch prüfen. Alle Versuche, den amtlichen Charakter des landräthlichen Erlasses wegzudiskutiren, seien verfehlt. Man müsse aber fragen, zu wessen Gunsten die amtlihe Wakblbeeinflussung geschehen sei, ob zu Gunsten eines Gewählten oder eines in die Stihwahl Gekommenen oder eines ganz Dur{gefallenen. Gewiß habe der landräthliche Erlaß zur Ver- wirrung der konservativen Gemüther im Wahlkreise beigetragen, aber dieselbe habe auch {on vorher bestanden. Die Kaiserliche Kundgebung im „Reichs-Anzeiger“ gegen die Angriffe der „Kreuzzeitung“ auf das Kartell, die Mittheilungen in den „Berliner Politischen Nachrichten“ hätten bereits eine hübsche Vorgesbichte zu dem landräthlihen Erlaß gebildet und die Entscheidung der Wahl in sid geshlossen. Seine Zun werde deshalb ges{lofsen für die Gültigkeit der Wahl immen.

__ Abg. Dr. Dohrn: Nach dem Gange der Verhandlung könne er seinen Antrag nicht mehr aufrecht erhalten. Er müsse aber bitten, die Sache zur anderweiten Berichterstattung an die Kommission zurü- zuverweisen, damit fie mit einem formulirten Antrag bezüglich der Beeinflussungen des Landraths von Ditfurth vor den Reichstag trete und das inzwischen eingegangene Material prüfen könne.

Abg. Träger: Wenn der Abg. Gröber wirkli das Vorgehen des Landraths verurtheile, könne er nur dur eine zu \charfe juristische Deduktion dazu kommen, die Wahl für gültig zu erklären. Die Zahl der abgegebenen Stimmen allein entsheide doch wahrlih nicht. Es klebe der Wahl von vornherein eine gewisse Zweifelhaftigkeit an, weil ein amtlicher Erlaß zu Gunsten eines Kandidaten vorliege. Die amilie Kundgebung des Landraths sei aber geeignet, die unverdorbenen Ge- müther des Wahlkreises mehr zu becinflussen, als die Kundgebungen des „Reichs-Anzeigers“. Daß der Erlaß für einen amtlichen ge- balten worden sei, zeige auch ein Schriftftück des konservativen Wahl- comités für die Wabl dcs Landraths von Ditfurth selbs. Er (Redner) könne deshalb die Wahl nur für ungültig halten.

Abg. Dr. von Marquardsen: Er stehe im Allgemeinen auf dem Standpunkt des Abg. Gröber. Nur in der Beurtheilung der Thätigkeit der Wablprüfungskommission weiche ec von ihm ab. Es müsse für vie Wahlprüfungskommission ein gewisser Endtermin ge- geben sein, bis zu welchem sie ihre Arbeiten beendet haben müsse. Gegen die Wahl des Abg. Evers sei deshalb nichts einzuwenden, und er Éönne ih darum ganz auf die Beschlüsse der Kommission stützen. Die amtliche Bekanntmachung fei nur einer von den Wakhblschlägen gewesen, wie sie zwischen mehreren Kandidaten bei einer Wahl vorzu- kommen pflegten. Er sehe nit ein, was eine nochmalige Verweisung an die Kommission bedeuten solle; was man brauche, stehe bereits \chwarz auf weiß im Bericht. :

Abg. Schrader; Der Vorredner meine also, wenn der Eine der Kandidaten cin Landrath sei, könne er seinen ganzen amtlihen Ein- fluß für seine Wahl einsetzen, das entshuldige die Erbitterung des Wahlkampfes. Dagegen müsse er (Redner) energisch protestiren. Es sei doch eine wunderbare Deduktion, zu sagen, daß ein Landrath, wenn er erbittert sei, die Erlaubniß haben solle, seinen ganzen amtlichen Charakter einzusezen. Wenn ein Theil der Stimmen anstatt auf den Landrath von Ditfurth auf Hrn. von Hammerstein gefallen wäre, hätte Letzterer sehr wohl in die Stichwahl kommen können, entweder gegen den Abg. Evers oder den Abg. Singer. Man möge alfo den früheren Standpunkt festhalten, daß, wo Beeinflussungen auf den ganzen Wahlkreis ausgeübt würden, die Wahl einfa kassirt werde. Er empfehle zunächst die Zurückverweisung an die Kommission

_ Abg. Rickert: Der Abg. Dr, von Marquardsen wolle sih auf die Kommission stüßen. Nun wohl, die überwiegende Mehrheit der Kommission, so heiße es im Bericht, sei davon ausgegangen, daß, wenn in den beiden Bekanntmachungen amtliche Kundgebungen zu erblicken wären, darin eine unzulässige Wahlbeeinflussung liege, welche die Un- gültigkeit der Wahl zur Folge habe. Ergo, der Akg. Dr. von Mar- quardsen müsse für die Ungültigkeit stimmen.

Der Antrag Dohrn auf Zurückverweisung an die Kom- 1 und sei fast einstimmig abgelehnt wörden,

mission wird abgelehnt; der Antrag der Kommission wird angenommen und dadur der Antrag Rickert hinfällig.

__ Es folgt der Bericht der Wahlprüfungskommission über die Wahl des Abg. Grumbt (8. Sachsen). Die Kommission beantragt, die Beschlußfassung über die Gültigkeit der Wahl auszuseßen und den Reichskanzler zu ersuchen, über eine Reihe von Protestpunkten Erhebungen zu veranlassen und das Resultat dem Reichstage mitzutheilen. Zu diesen Beshwerdepunkten gehört das von einem Kriegerverein an seine Mitglieder erlassene Circular, worin dieselben zur Theilnahme an der Wahl aufgefortert werden. Eine weitere Beschwerde ist, daß der in Sachsen be: stehende Militärverein dur seinen Vorstand zur Verbreitung eines Aufrufs, der in öffentlihen Lokalen des Wahlkreises ausgelegt war, für die Wahl des Abg. Grumbt und gegen die Wahl Eysoldt's aufgetreten sein soll. Endlih sollen au darüber Erhebungen veranstaltet werden, ob' in einem be- stimmten Falle durch Vertheilung von Schnaps Stimmen ge- E sind, und zwar dur einen Königlichen Grenz- eamten.

Königlich \ächsisher Bundesbevollmäßtigter, Geheimer Rath und General-Staat3anwalt Held theilt mit, daß in diesem leßteren Fall das Verfabren bereits eingeleitet fei.

Abg. Dr. Mehnert beantragt, darüber gesondert abstimmen zu laffen, ob bezüglih des von dem Kriegerbunde erlaffenen Aufrufs Erhebungen veranstaltet werden follten. Die Kommission habe fh nur mit sieben gegen sechs Stimmen für diese Erhebungen entschieden, während sie solche wenige Tage darauf in einem Falle, wo eine ganz andere Agitation Seitens eines Kriegervereins behauptet worden fei, mit acht gegen vier Stimmen abgelehnt habe. Der betreffende Aufruf fei ganz allgemein gefaßt und es gehe daraus keineswegs hervor, daß unter den Umsturzparteien auch die freisinnige Partei gemeint sei,

Abg. Bebel: Es sei allgemein die Ansicht gewesen, daß Eysoldt auc unter die Umsftürzler gerehnet werden follte. Es müsse endlich reiner Tisch gema®t werden, ob die in solcher Weife baranguirten Militärvereine zu Wahlbeeinflussungen benußt werden dürften. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Damit schließt die Diskussion.

__ Bei der Abstimmung über den Antrag Mehnert einigt sich das Bureau nicht darüber, wofür die Mehrheit stimmt, es muß also Auszählung stattfinden. Dieselbe ergiebt, da 62 Abgeordnete für den Antrag, 79 dagegen stimmen, also nur 141 Abgeordnete anwesend sind, die Beshlußunfähigkeit des Hauses. Die Sizung wird deshalb um 5 Uhr abge- broWen.

Haus der Abgeordneten. 53. Sitzung vom Dienstag, 10. März 1891,

Der Sigzung wohnt der Finanz-Minister Dr, Miquel bei, __ Die zweite Berathung des Gewerbesteuergeseßzes wird E ea bei §8. 6, welcher in der Fassung der Kommission autel:

Die Besteuerung erfolgt in vier Gewerbesteuerklassen.

In Klasse T find diejenigen Betriebe zu besteuern, deren jähr- liver Ertrag 50 000 M oder mehr, oder bei denen der Werth des Anlage- und Betriebskapitals 1 (00 000 6 oder mehr beträgt.

__ Die Gewerbesteuerklasse 11 umfaßt die Betriebe mit einem jährlihen Ertrage von 20 000 bis aus\{ließlich 50000 4, oder mit einem Anlage- und Betriebékapital im Werthe von 159 000 bis aus\{ließlich 1000000 Æ _

__ Zur Gawerbesteuerklasse TIT gehören die Betriebe mit cinem jährlichen Ertrage von 4000 bis aus\ch{ließlich 20000 Æ, oder mit einem Anlage- und Betriebskapital im Werthe von 30090 bis aus\chließlich 150 000

Zur Gewerbesteuerklasse TY gehören die Betriebe mit einem jährlihen Ertrage von 1500 bis aus\@ließlich 4000 M, oder mit einem Anlage- und Betriebskapital von 3000 bis aus\{ließlich

30 000 M Abg. Metzner beantragt, die Steuerpfliht erst bei

2000 6 Ertrag beginnen zu lassen.

Abg. Metzner; Während die Steuerreform keine Vermehrung der Einkommensteuer anstreben sfolle, sondern nur eine gleichmäßige Vertheilung der Lasten, sei in der Bestimmung, daß die Gewerbesteuer anfangen solle bei einem Einkommen von 1500 ü, eine Belastuzg gerade der kleinen Gewerbetreibenden enthalten, die do in erster Reihe entlastet werden sollten, Man möchte glauben, daß die Regierung für dicse fleinen Gewerbetreibenden kein besonderes Wohiwollen empfinde. Das sei um fo auffälliger, als dic Alters- und Invaliden- versicherung des Reihs den Leuten bis zu einem Einkommen von 2000 J Pensionen zuwenden wolle, sodaß dadurch schon klar erwiesen sei, daß die Regierung Leute bis zum Einkommen von 2000 4 gerade nicht für steuerfähig halte. Darum sei es ganz konsequent, wenn er beantrage, die Steuergrenze auf 2000 A festzuseßen. Die kleinen Gewerbetreibenden, um die es sich hier handele, seien in neuerer Zeit \chon ohnehin stark belastet durch Beiträge zu Kranken- oder Unfall- kassen, zur Alters- und Jnvaliditätsgeseßgebung; auch müßten fe Beiträge für Innungszweke leisten, für Fortbildungs\{hulcn für ihre Lehrlinge, sodaß cine Entlastung dieser Leute dringend nothwendig sei. Die Annahme seines Antrages würde für die Staatskasse einen Ausfall von höchstens 700 000 M bedeuten, der niht ins Gewicht fallen könne gegenüber der wihtigen Erleichterung, die durchaus im Sinne der Arbeiterschußgeseßgebung sih bewege, die jeßt im ganzen Reich im Gange sei. Die Sade sei ihm so wichtig, daß von der Annahme seines Antrages seine Zustimmung zu dem ganzen Gesetz abhängig sei.

Geheimer Ober-Finanz-Rath Fuisting: Die Regierung lasse ich an Wohlwollen für die kleinen Gewerbetreibenden von Niemandem übertreffen. Eine Zusammenstellung nach den neuesten Probe- veranlagungen ergebe, daß gerade bei den kleinen Gewerbetreibenden nach dem vorliegenden Besteuerungs8entwurfe große Erleichterungen eintreten müßten. Auch in der Quantität der Belastung sei ein außerordent- licher Fortschritt nach unten hin eingetreten; wenn die Éleinen Leute bisher 24 M oder noch mehr zahlten, würden sie in Zukunfi nur 4 M zu zahlen haben er begreife nicht, wie der Vorredner diese Zahlen übersehen haben könne. Die Regierung müsse den größten Werth darauf legen, das gegenwärtige Soll der Steuererträge auc in Zukunft zu erhalten. Nun lieferten gerade die unteren Steuerklafsen, wenn auch jeder Besteuerte nur einen kleinen Beitrag liefere wegen der großen Anzahl der in diese Klasse Fallenden, einen wesentlichen Beitrag zu dem Gesammtergebniß und der Ausfall, den die Annahme des Antrages Mehner ergäbe, würde darum sehr bedeutend sein. Er könne den Ausfall augenblicklih nicht genau taxiren, aber höher als 700 000 4 würde er sein, er würde sicherlich 2—3 Millionen betragen, vielleiht aber auch darüber. Der Staatshaushalts-Etat verlange cinen solhen Ausfall niht und des- halb müsse die Regierung gegen den Antrag Meyner entschieden Ein- spruch erheben. Der Vergleich mit der Alters- und Invaliditätsver- ficherung, den der Vorredner gezogen habe mit der Besteuerungs- fähigkeit, sei nit zulässig. Wenn das Reich den bis 2000 6 Ein- kommen Beziehenden tine Altersrente sichern wolle, so sei damit niht gesagt, daß diese Leute kleine Steuer zahlen könnten. Das stehe auf einem ganz andern Blatte. :

Abg. v. Tiedemann (Bomst): Au er bitte den Antrag Metzner abzulehnen. Der Antrag habe in der Kommission vorgelegen {

st eir 4 O Man habe dort ge- fagt, daß für die Extlastang der kleinen Gewerbetreibenden genug gelcehen fei, und es würde n(§t der Gerechtigkeit entsprehen, damit noch weiter zu gehen. Namentlf in den östlihen Provinzen würde die Annahme des Antrages Metnex große Bedenken erregen, s{hon wegen seiner Einwirkung auf die kommunalen Steuern, und darum sei es ihm doppelt unbegreiflih, daß Vertreter öftlicher Provinzem diesen Antrag befürworteten.

Abg. Dr. Bachem (Krefeld): Er bitte, den Antrag Megner anzu- nehmen. Der Westen zahle thatsächlich mehr Gewerbe- und Einkommen- steuer als der Osten. Er habe au) nihts dagegen, daß die reiheren Pro- vinzen für die ärmeren steuerten, obgleih das für fie einen bitteren Beigeschmak habe. Es gehe einmal in einem großen Staatswesen niht anders. Aber dann erwarte man auch von den Vertretern des Oítens, daß sie auf die Lage der Gewerbetreibenden im Westen eiwas mehr Rücksicht nähmen. Thatsächlih sei ein Mann im Often mit 1500 A Einkommen viel besser daran, als ein solcher im Westen rit 2000 A Der Abg. von Tiedemann habe gefragt, woher der Steuer- ausfall von 2- bis 3 000 000 a nah dem Antrage Metner berkommen solle. Er (Redner) antworte, sie feien vielfah zu entnehmen aus der zu erwartenden Mehreinnahme der Einkommensteuer.

Abg. Eberhard: Der Finanz-Minister babe selb s{chon hervor- gehoben, daß die Grenze der Steuerfreiheit mehr oder weniger willfürli gewählt werden müsse. Es könne aber nicht bestritten werden, daß bei der Grenze von 1500 s mindestens F der bisher zur Gewerbesteuer Herangezogenen frei bleibe. Er halte diese Grenze für durchaus angemessen, weil dieser Betrag sich decke mit den Bezügen eines besser besoldeten Arbeiters. Man habe heute wiederum den Gegensazz zwischen dem Osten und Westen konstruiren wollen und behauptet, daß im Westen die Gewerbetreibenden bei einem Einkommen von 15/0 4 die bitterste Noth litten. Dies Letztere müsse er bestreiten ; daß aber der Westen mit der Steuer niht zu sehr belastet werde, ache hervor aus einer Probeveranlagung in Krefeld und Uerdingen. In der Stadt Krefeld würden nah dem neuen Gesetz 64 9% der jeßigen Klasse B, 35 %/9 der Klasse C und 699% der Klasse H fteuer- frei bleiben; in Uerdingen 82% von Klasse B, 60 %% von Klasse C und 5890/0 von Klasse H; im Landkceise Krefeld 94 9/0 der Klasse B, 66 °/0 der Klasse C und 69 % der Klasse H. Eine stärkere Berücksichti- gung der fleinen Betriebe würde eine erheblihe Mindereinnahme zur Folge haben. Man habe gesagt, daß der Antrag Metzner einen Steuerausfall von zwei bis drei Millionen zur Folge haben werde. Und gelte es denn gar nits, um au bier einmal den Gegensatz von Osten und Westen hervorzuheben, daß ducch eine solhe größere Befreiung von der Gewerbesteuer die Einnahmen der Gemeinden, welche auf sie notorisch angewiesen seien, in ganz erhebliher Weise noch mehr reduzirt würden! Allerdings müsse die Steuer ver- schieden wirken, je nah dem Geldwerth in den einzelnen Theilen der Monarchie und je nachdem der Gewerbebetrieb in der Stadt oder auf dem Lande fi befinde. Aber man werde ihm zugeben, daß bei dein hier vorliegenden Geseß, welhes ja im Interesse der Gerechtigkeit Alle glei treffen solle, nicht verschiedene Steuersäze im Westen und im Osten eingeführt werden dürften. Daß der Westen mehr Ge- werbe- und Einkommensteuer bringe als der Osten, liege in dem Umstande, daß dort das Gewerbe stärker vertreten sei. Der Often würde sehr gerne in gleiher Weise steuern, wenn 2r derart großartige Etablissements aufzuweisen hätte. Unter diesem Gesihtêpunkt bitte er, lediglich die Regierungsvorlage anzunehmen und den Antraz Meßner zu verwerfen. (Beifall rets.)

Finanz-Minister Dr, Miquel:

Meine Herren! Der Herr Regierungskommissar und die ver- schiedenen Redner, die die Regierungsvorlage in diesem Punkte ver- theidigt haben, haben das Wesentliche bereits gesagt, und ih wollte nur noch einige berihtigende Bem?erkungen mahen. Namentlich be- daure i, daß der Hr. Dr. Bachem auch bei dieser Gelegenheit wieder einen vermeintlihen Gegensaß des Westens zum Often und eine Be- nachtheiligung des Westens dur diese Steuergrenze hervorgehoben hat. Wäre seine Ansicht richtig, so würde bei jeder Grenze, ob bei 2000 oder 1500 M, genau derselbe Erfolg eintreten. Also mit dieser Deduktion ift in diesem Falle gewiß nichts zu magen.

Nun mötte ih aber gerade bei dieser Gelegenheit einmal zeigen wie irrthümlihe Vorstellungen man fi über die wirth\chaftlihe Ver- shiedenheit des Ostens und Westens maht. Hr. Dr. Bachem denkt gewiß an seine Rheinprovinz, Nun, die Stadt Berlin liegt im Osten und zahlt allein nahezu soviel wie die ganze Rheinprovinz an Gewerbesteuer. (Hört, hört!) Warum will man also da einen solhen Gegensatz konstruiren? Aber ih gehe noch weiter: wenn Hr. Dr, Batem die Probeveranlagung genau durchgesehen hätte, so würde er das merkwürdige Resultat ge- funden haben, daß die prozentuale Befreiung der bis jegt gewerbe- steuerpflihtigen Handwerker durchgängig im Westen größer ift als im Often. Beispielsweise wil ih mal einige Zahlen herausgreifen. Wir haben hier die Stadt Kottbus, da ift der Prozentsaß der Befreiung in der Klasse U 48,C6 %, Frankfurt a. O. 25%. Jeßt will ih glei ein Gegenstück im Westen nehmen, nämlih Krefeld, wo der Prozentsaß der Befreiungen 74 9%%% beträgt. Es zeigt fich also, daß die Meinung, als wenn im Westen, ja sogar in den Städten im Westen die prozentuale Befreiung eine geringere wäre als im Osten, durh diese s\tatistishen Angaben widerlegt ist. Ih kann nicht oft genug wiederholen, daß wenn man voin Westen \priht, man darunter doch nicht verstehen soll allein die reihen Indufstrie- bezirke; fie sind im Westen auch sehr dünn gesäet. Wenn Sie eine Reise durch den Westen machen, so werden Sie viele Gegenden finden, die genau ebenso stehen und noch unter sehr vielen Bezirken im Often. Also dieser Gegensaß in der Monarchie, aus dem jeßt immer mehr deduzirt wird, ift garniGt vorhanden.

Nun hat der Herr Antragsteller fih dahin ausgesprochen, daß, wenn er seinen Antrag, die Befreiung8grenze bei 2000 Æ beginnen zu lassen, niht durchseßen könne, er gegen das Gese stimmen wolle. Wenn das ganze Haus so verführe, so würde derjenigen Klasse, welche der Herr Antragsteller vor¡ugsweise im Auge hat, ein sehr s{lechter Dienst geleistet werden. Es würde das Geseß garniht zu Stande kommen, und die Ueberlastung der kleinen Handwerker würde bleiben wie sie heute ist. (Sehr richtig!) Wenn heute der kleine Handwerker vielfach 2 9/0 bis 3 9/0, ja bis 33 %/ und 49/0 bezahlt hat, und in Zu- kunft nun eine so große Anzahl gänzlich frei wird, die Üebrigbleibenden, welche noch gewerbesteuerpflihtig sind, aber kaum mehr als F°% bezahlen von dem mittleren Ertrage, so ist das eine ganz bedeutende Entlastung. Es handelt sich hier nicht bloß allein um die Frage, wie viel werden hier frei, sondern zugleih um die andere Frage, um welhe Prozentsäße werden diejenigen frei, die noch steuerpflihtig bleiben.

Meine Herren, auf die cinfahße Frage des Hrn. von Tiedemann, wo denn nun die 2} Millionen Mark herkommen follen, da der Staat doch nicht in der.Lage ift, einfah Schenkungen hier zu machen, und die finanzielle Situation das gewiß niht gestattet, macht si Hr. Dr. Bachem die Antwort sehr leiht. Gr sagt : das nehmen wir aus dem Mehraufkommen der Einkommensteuer, Nun, gestatten Sie wir hierüber noch zwei Worte, Einmal weiß ih nit, wie Dy. Bachem