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ïo wollen wir froh sein. Es seßt eine große Thätigkeit des Kreuzer- geschwaders, Ge\chick und au viel Glück voraus. Zur Zeit befindet fich nun das Kreuzergeschwader nit in unseren Kolonien, sondern in den winesishen und japanishen Gewässern, In diese Ge- wäser ist es dadurh berufen worden, daß sowobl unfer Gesandter in Peking als der in Tokio dringend befür- wortet haben, daß einmal außer den zwei Kononenbooten, die in diesen Gewässern stationirt sind, ein größeres Geschwader hinkomme, und zwar hatten sie ganz wesentliche Interessen dafür. Es dürfte dem Herrn Abgeordneten nit unbekannt sein, daß für die Entwickelung unseres überseeishen Handels und unserer überseeishen Rhederei Sapan und China die erste Stelle einnehmen. Es ist mir bekannt, daß unsere Auéfuhr nach Chile zur Zeit erbeblich größer ift als die nach Japan und China. Aber die Entwickelung unserer Zukunft liegt nit in Chile. Chile ist füc uns satt. Wir haben na Chile einen Export und von da einen Import, so groß wie wir ihn baben können. Unsere Zukunft liegt auf der anderen Seite des Stillen Oceans. Außer diefem allgemeinen Grund kamen für die beiden Herren noch andere Gründe hinzu. Wir haben ein Œnteresse zur Hebung unseres Schiffbaues, Bestellungen auf Swiffe für die chinesishe oder japanishe Regierung in deutshen Werften zu bekommen, und zwar werden sich solche Bestellungen wesentlich auf Kriegsschiffe beschränken, wie das auch son früher gesehen ift. Wollen wir aber unseren Kriegs\hifbau in diesen Staaten im An- seben erhalten und unserer Industrie Bestellungen zuwenden, fo ist das wohl nit anders zu machen, als daß wir von Zeit zu Zeit zeigen, was unser Stiffbau leisten kann, und dieses Motiv wurde von den Gesandten als ein dringendes betont. Die Regierung hat das Interesse, diesem Motive nackzugehen, um Handel und Industrie in jenen Gegenden zu fördern.
Es kam noch ein zweites ähnliches Motiv hinzu. Die japaniscke Regierung hat bei einer deutschen Fabrik \ich eine Anzahl von Tor- pedobooten bestellt, die dahin geführt worden sind. Diese Torpedo- boote kommen dort in einem Zustande an, welcher der Montage be- darf, Diese Montage dur Ingenieure und Mannschaften deutscher Schiffe übernehmen zu lassen, war wiederum ein dringendes Interesse unseres Handels insofern, als, wenn etwa fremdländishe Ingenieure aus den Staaten, die mit uns in einer dauernden und harten Konkurrenz in jenen Gebieten leben, die Montage übernahmen, die Wakhrscheinlihkeit war, daß, wenn die Torpedoboote ins Wasser kamen, sie nicht liefen. (Heiter- Feit.) Also wiederum ein Interesse des deutshen Handels und der deutsGen Industrie, Die Reichsregierung war demnach der Meinung, daß dieses Kreuzergeshwader aus diesem Grunde in Japan und in (hina erforderli war. Seine Segelordre ist so abgefaßt, daß es bis zum 7. April in China bleibt, dann nach Japan geht und dann wieder beruntergehen wird, um si unseren Kolonien zu nähern.
Erschien dieser zweite Weg, Swiffe nah Chile zu bringen, der Regierung au bedenklich, so blieb der dritte übrig, Schiffe aus der Heimath nah Chile zu \{hicken. Diese Schiffe würden erft haben in Dienst gestellt werden müssen; denn die Schiffe, die wir hier im Dienst haben, waren dazu niht brauWbar, es muß eine andere Kategorie sein. Das würde 14 Tage, auch viellei@t drei, vier Wogen gedauert haben. Dann mußten die Schiffe die lange Reise antreten, und auch diese Schiffe würden nicht vor Ablauf von drei Monaten haben an Ort und Stelle sein können. Dazu fam das Bedenken, daß damit eine Ueberschreitung des Etats verbunden war. Nun lese ih jeßt in den Zeitungen, daß man die Gelder für solche Etatsüberschreitungen gern geben würde. Ih babe aus den Verhandlungen dieses Hauses einen Eindruck nah der- selben Richtung nicht stark genug entnommen, um das ohne Weiteres auf meine Verantwortung zu nehmen. (Heiterkeit.) Aber es handelt sich dabei, wie bei allen solhen Sachen, gar niht um Geld, sondern es handelt si auch um Menschen. (Sehr richtig! links.) Wenn Stife dabin gehen sollen, müssen sie beseßt sein; es müfsen Offiziere und Mannschaften auf den Schiffen sein. Wo her nehmen? Der Mannschaftstand unserer Marine is ein fo bes{ränkter, daß es jedes Jahr ein Kunststück is, die Menschen zusammen zu bringen, welhe die Schiffe beseßen sollen, die in Dienst gestellt werden. (Hört, bört!) Wenn wir eine Anzahl von Kreuzern hätten in Dienst stellen sollen, um sie nach Chile zu iden, so würde erstens die militärische Ausbildung unserer Marine für diesen Sommer gefährdet worden sein, und wir würden zweitens die Mannschaften, die wir an Bord nehmen, entweder über den Ab- lauf ihrer geseßlihen Dienstpflihten haben im Dienst zurüdckhalten müssen oder Reserven einziehen. Beides schien der Reichsregierung nidt angängig. Auf den Weg also, aus der Heimath Schiffe dahin zu nebmen, mußte unter allen Umständen verzichtet werden.
Wenn i glaube, hiermit nahgewiesen zu haben, daß die drei Wege, die technisch der Regierung [\sich als gangbar erweisen konnten, ihre Bedenken katten und daß sich Nachtheile aus ihnen boten, so kommt die weitere Frage: Was nüßt es denn nun, wenn wir Schiffe nach Cbile \chidckten? (Sebr ri&tig! links.) Nun gebe ich dem Herrn Abgeordneten bereitwilligst zu, daß für das Gefühl der Deutschen, die im Auslande leben, es von hohem Werthe sein mag, wenn die deutibe Flagge gezeigt wird, und von um Fo höherem Werthe, in je mebr Bedrängniß die Menschen sich zu befinden glauben. Aber ein ïol&es Zeigen der Flagge ist mehr von imaginärem, als von realem
Ich lese in einer Zeitung: Die Lage ist drüben eine so gespannte, daß die Anwesenheit ires teulsGen Kricgsschifffes au jeßt noch dringend erforderli ift. ett f i&, um was wird die Lage weniger gespannt, wenn Kriegs in Chile erseint? (Sehr richtig! links.) è ein Aufstand au2gebroden, die Welt erlebt das seltene iz Aufständishen sih auf das Wasser begeben haben ; ihrigen befindet ih auf dem Lante. “ Diese . beämrefer und schädigen si, so gut L das eine Küstenentwickelung von cines {malen Landstreifens , zum großen Theil in Küstenstädte iele Küstenfiädte Haben gute Häfen und nd Fast überall sind bei dem Handel ane id, wenn cin Kriegs\chiff dahingeht, f ciner so langen Küstenftrecke? :üßen? Kann es an zwanzig Orten auf das Kreuzergeschwadecr, wenn es hingegangen sein würde, und wenn es sich darauf cingelassen kätte, fih zu theilen würde in der unangenehmen Lage gewesen sein, immer den bei Weitem
größten Theil dieser Häfen nit besudev zu können; und kein Mensch fann die Garantie übernehmen dafür, daß dann nit gerade da, wo das Kreuzerges{wader nicht war, irgend ein Unalück einem Deutschen passirte. Wie will man aber nun treeiter in einem solchen Kriegs- zustande, in einem solchen Aufruhr, in dem ein Land wie Chile si befindet, vom Wasser aus einwirken? Die Einen fangen an oder droben vom Wasser, das Land zu beschießen; die Anderen schießen vom Lande auf das, was vom Wasser kommt. Nun frage id, was soll wohl ein deutsches Kriegs\chiff dabei für cine Rolle spielen, wie soll s denn den Deutschen nügen? Es find ja eine Reihe — mir sind drei Fâlle bekannt — von Fällen vorgekommen, wo Schiffe Schaden gelitten haben oder Ersaßansprühe gemacht haben. Aber nach meiner Veberzeugung, fo- weit mir Kenntniß von diesen Fällen geworden ist, würde in nit einem einzigen die Anwesenheit eines deutschen Kriegs\chiffes etwas geändert haben. Der flagranteste Fall ift der eines Schiffes „Pots8- dam* — ich glaube, es is ein Hamburger Barkschif —, das batte denn vor ciner der chilenischen Städte gelegen, die die AufrührerisZen si anshidckten zu bombardiren. Sie fordern ganz boflich die Handels» \Giffe, die da liegen, auf, das Lokal zu verlassen, weil es gefährlich würde (Heiterkeit) ; die sind au sehr geneigt, dieser Weisung nabzukommen z; fic nebmen sh glei Schlepper, sie geben los. Die S@lepper fangen an, die Schiffe herauszubringen. Dem, der das deutsche Schiff \{leppt, wird die Sache etwas ängstlih, und er läßt das geshleppte Schif vielleiht etwas zu früh vom Tau los; das ist noch nit be- wegungsfähig, läuft auf den Felsen und verliert unglückliher Weise Stif und Ladung, — eine Sachlage, in der die ganze deutsche Flotte vor demselben Hafen hätte liegen können, obne Etwas daran zu ändern, denn wir haben nicht die mindeste Berechtigung, uns in den Kampf dieser Leute etnzumischen. Selbs| wenn das Kreuzer» geshwader die Kraft dazu hätte, so würde es kein Recht dazu haben. Was die Kraft angeht, so hat die chilenishe Flotte einige gepanzerte Schiffe, wenn ih recht unterrichtet bin, zwei Panzer, ein Panzerfahrzeug und einige gepanzerte Kreuzer ; sie haben auch ein Torpedoboot oder ein paar. Unser Kreuzergeschwader besteht, wie alle solhe Geshwader, aus ungepanzerten Schiffen; also würde es ein un- gleiher Kampf gewesen sein, wenn man, um das Schiff „Potsdam“ zu retten und herauszubriagen, si etwa in ein Gefecht mit der chilenisGen Flotte hätte einlassen wollen. Es wâre au nach meiner Ueberzeugung geradezu „in Unglück gewesen, wenn etwa seine Kampfeslust den Kommandanten eines \folDen Geschwaders dahin geführt hätte, sh einzumishen. Wir haben in den 70er Jahren ein Beispiel gehabt, wo ein braver Admiral G einmal veranlaßt sab, si in die spanischen Verhältnisse einzumischen. Er ift naher de8avouirt worden, und es konnte nicht anders ab- laufen. Daëtselbe Schicksal würde im günstigsten Falle das des deut- schen Befehlshabers gewesen sein, und ob wir dem deutschen Handel genüßt hätten, wenn wir anfingen, mit Chile Krieg zu führen, ift mir sehr zweifelhaft; denn dann würden unsere Beziehungen zu Chile wahrscheinli weit über die Dauer dieses Aufstandes hinaus unter- brochen sein. Die Engländer haben zur Zeit aht Stwhiffe da. Haben diese aht Schiffe verhindern können, daß englisches Eigenthum zu Schaden gekommen ist ?
Nein, es ist da genau so gegangen wie mit dem deutschen! Also, ih meine, so lange der Aufstand besteht, würde ja die Anwesenheit von Schiffen zur Beruhigung deutscher Gemüther haben beitragen können ; einen realen Nußen würde das \{werlich gehabt haben.
Nun sagt man: Ja, wenn das au jeßt nichts nüßt, dann doch hinterher, wenn es sich darum handelt, die Schadensersaßansprüche festzustellen; dann ist es wünschenswerth, dzutshe Schiffe da zu haben! Jh habe den Gedanken auch erwogen: aber ich bin zu der Ansicht gekommen, daß das nicht wünschenswerth ist; es ist au dann nicht wünshenêwerth, zu den äußersten Mitteln zu \chreiten. Wir würden ja, wenn wir unsere Flotte mobil machten, den Krieg gegen Chile durchführen können, wir würden aber dann vielleiht auf Fahr und Tag unsere Flotte für andere Aufgaben entbehren müssen. Man kann nicht wissen, was in Jahr und Tag geshieht. Können wir also auf friedlihem, diplomatischem Wege uns mit Chile aus-- einanderseten, so ift das nach meiner Ansicht vorzuziehen.
Mir hat vorgelegen eine Zusammenstellung derjenigen Fälle, wo in fremden Staaten Aufruhr auêsgebrochen if und deutsches Cigen- thum geschädigt hat, seit dem nordamerikanishen Kriege, und ih habe aus dieser Zusammenstellung ersehen, daß, abgesehen von dem nord- amerikanishen Kriege, wo die Vereinigten Staaten \ich weigerten, irgend einen Ersaß zu geben, es in fast allen Fällen mögli gewesen ist, im gütlicen, diplomatischen Wege einen Ersay herbeizuführen. Mit Chile gerade haben wir früher \chon einen ähn- lihen Fall gehabt, und wenn die Entschädigung auch nit die Höhe der Forderung erreicht hat, so ift das eben natürlich; viel: leiht war die Forderung etwas ho, vielleicht hatte aub der Chilene geringere Neigung, etwas zu geben; jedenfalls ist der friedlile Weg der Auseinandersezung immer vorzuziehen, und ih gebe mi auch jeßt der Hoffnung hin, daß, wie das Schicksal von Chile ich gestalten mag, wer auch nach Abschluß dieses Aufruhrs an dcr Regierung sein mag, es uns so gut wie früher gelingen wird, billigen Ansprüchen Gebör und Befriedigung zu verschaffen.
Nun hat man — nitt in diesem Hause, aber, da ih einmal das Wort habe, fo erlaube ih mir auch auf die Ergüsse der Presse in dieser Sache zurückzukommen, die zum Theil etwas giflig gewürzt waren — gesagt: Warum mat ihr niht mehr Stationen, ihr babt ja früher mehr Stationen gehabt, ihr hattet ja eine west-amerikanische Station, wo ift die geblieben? Ja das ift eine indirekte Folge der Erweiterung unscrer Kolonien. Wir brauen jetzt einen großen Theil der- jenigen Floite, die im Frieden verwendbar ift, in den Kolonien; und nicht Alles, was wir haben, is im Frieden in außerheimis®en Gewässern verwendbar. Denn der wesentlihe Theil der militärishen Aus- bildung kann nur in den hcimishen Gewässern erfolgen, und wir fönnen nit mobil maten, wenn wir unser ganzes Personal den heimischen Gewässern entzichen. Zur Zeit, als ich noch engere Bezichungen zur Marine hatte, wurde angenommen — und ich glaube, das daß au noch heute ist —, daß nicht über ein Drittel der Friedenspräfenz- stärke in außerheimischen Gewässern sein darf, wenn die Mobilmahung nichi gefährdet sein sol. Es liegt also Eon in diesen Verhältnissen eine Grenze für die Marine. Wir könncn au nicht das Bestreben haben, vorhersehen zu wollen, da kann mal ein Aufstand ausbrechen, da können mal deutsche Interessen gefährdet werden, um überall da Stationen an- zulegen und dauernd Schiffe da zu haken, Wir können die Stationen
nur da anlegen, wo der deuische Handel eine gewisse Ausdehnung er- langt hat, wo deutshe Interessen in stärkerem Maße engagirt sind und das würde für Chile zutreffen, denn die deutschen Interessen in
Chile find ftark. Es kommt aber ein ¿weites Motiv hinzu. Wir werden Stationen
anzulegen nur Grund da haben, wo die staatlichen Verhältnisse no nicht so weit ausgebildet sind, daß in ihnen eine Garantie für den Squt des Eigentbums gefunden werden kann und wo die Regierungen fi noH in einem Zustande von fo wenig entwickelten europäischen Anst{auungen befinden, daß durch Verhandlungen mit den Regierungen bérnah nichts zu erreichen ift. Dieses Motiv trifft für Chile nit zu, und als man in der Lage war, eine Reibe von Stationen aufgeben zu müssen, hat man fich dazu ents{lofsen, Chile auch aufzu- geben. Tritt der Wunsch in diesem Hause wieder auf, eine west- amerifanishe Station von Neuem in's Leben zu rufen, so wird die Reichsregierung das in Erwägung ziehen. Ih glaube aber, vorher- sagen zu können, daß das ohne Kosten, sowohl was Material, als was die Mensten angeht, nicht mögli ift.
Wenn es mir nun gelungen wäre, dem Herrn Abgeordneten zu zeigen, daß es doch nicht bloß an dem Mangel von Interesse und etwas gutem Willen auf Seiten der Regierung gelegen hat, so würde es mir licb sein. (Bravo!)
Abg. Iebsen: Er danke dem Reichskanzler für seine Aus- einanderseßungen, v denen er sehr viel profitirt habe. Wenn die Kreuzerflotte wirklich an Japan und China gebunden sei, dann könne sie allerdings nicht nach Chile binüberges{ickt werden. Er meine aber, daß gerade, weil Chile eine langgestreckte Küste habe, eine Flotte den Shuy viel leichter übernehmen könne, als bei einem Lande, das i Tausende von Meilen ins Innere erstrede. Warum habe denn England seine Landéëleute unter den Schuß einer Flotte gestelt? Er wolle gewiß keinen Krieg mit Chile. Aber ein oder mehrere Krieg8- \chife könnten dort schr nüßlih und beschwichtigend wirken, nament- li da, wo der Pöbel regiere. Die Errichtung einer \südamerikanishen Station wäre allerdings sehr erwünscht, und er sei überzeugt, daß eine Etatsüberfchreitung für diesen Zweck im Interesse des deutschen Handels und der Swiffahrt vom Reichstage gern gutgeheißen werden würde.
Abg. Liebermann von Sonnenberg: In einer großen in Chicago erscheinenden Zeitung, der „Freien Presse“, babe jüngst ein Artikel über den deutshen Konsulardienst gestanden, der Beaclung verdiene. Den früheren kaufmännischen Konsuln werde nachgerübmt, daß sie vermöze ihres langen Aufenthalts in den Vereinigten Staaten im Stande gewesen wären, der Regierung gute und sahgemäße Aus- künfte zu geben. Dem gegenüber werde dann als Na@theil hervor- gehoben, daß diese kaufmännishen Konsuln in erster Linie Geschäfts- leute gewesen seien, und daß sie, wenn die Interessen des Konsulats- dienstes mit ihren Geshäftsinteressen in Kollision gekommen seien, den leßteren den Vorzug gegeben hätten. Mitunter seien recht zweifel- hafte Geschäfte mit dem Wappenschild des Konsulats gedeckt und der Konsultitel zur offenbaren Bauernfängerei benußt worden. Er wider- stehe der nabeliegenden Versubung, an dieser Stelle der Besorgniß Auédruck zu geben, die viele Eingeweihte darüber empfänden, daß in den überseeishen auswärtigen Dienst immer mehr Leute jüdischer Ab- kunft eindrängen. In der „Allgemeinen Zeitung des Judenthums*“ werde zum Eintritt in diesen Dienst aufgefordert. Wer das lese, könne si in der That nicht der Besorgniß entziehen, daß daraus irgend eine Berührung si hberautbilden könnte zwischen den deutschen Staats3- angelegenbeiten und den Interessen der internationalen Börse, die er ebenso wie der Abg. Richter für sehr verderblih halte. Er komme hierauf bei späterer Gelegenheit zurück. Die Berufskonsulate, R es dann in jenem Artikel weiter, hätten sh nicht so bewährt, wie sie ich bâtten bewähren können. Den Beamten selbst werde kein Vor- wurf gemacht, aber es werde getadelt, daß sie zu sehr mit Bureau- arbeiten belastet seien und zu oft ihre Stellung wechselten, um große Erfahrungen über Land“ und Leute sammeln zu können. Es werde vorgeschlagen, daß die Berufskonsuln mindestens fech8 Iahre im Dienst blieben und daß ihnen ein Vize-Konsul zur Seite gestelt werde. In Chicago selbst sollten die deutshen Konsuln dem amerikanischen Sqhwein ihre liebevolle Aufmerksamkeit widmen, die S(hlacthöfe besuchen und sich vergewissern, wie die braven amerifanischen Ge- \undheitêbeamten darüber wachten, daß nur gesundes Vieh in die S(lachhthäuser gelange, und in den Schmalzsiedereien seben, was dort Alles zur Erzeugung von prima Schweineschmalz benußt werde.
Bei der Forderung für den Gouverneur in Kamerun
bemerkt
Abg. Ritter: Er bitte die Regierung, eine Nachricht klar zu stellen, wele wiederholt in der kolonialfreundlihen Presse mit großer Bestimmtheit verbreitet werde, daß zum Vortheil von Kamerun eine Anleihe von 14 Millionen Mark demnächst an die Börse gebracht werden folle, unter Verpfändung der Zölle, welche das Reich dort er- bebe, zur Sicherstellung der Zinsen und der Rückzahlung dieser An- leihe. Diese Nachricht könne unmöglih rictig sein. Cine Anleihe dieser Art könne nur mit Zustimmung des Reichstages aufgenommen werden, während man in jenen Blättern zu glauben \ch{eine, daß: eine folche Finanzoperation ohne Zustimmung des Reichstages vorgenommen werden könnte.
Geheimer Legations-Rath Dr. Kayser: Auf die Anfrage des Abg. Richter könne er erwidern, daß in der That Verhandlungen wegen Aufnahme einer Anleihe für das Schußgebiet von Kamerun \{chwebten, und zwar solle für diese Anleihe, nämlich zur Verzinsung und Tilgung. derselben, ein Theil der Einkünfte des deutshen Schußzgebiets von Kamerun verwendet werden. Nach dem Geseß über die Rechtsverhältnisse der Schuygebiete sei im §. 1 ausgesprochen, daß dem Kaiser in den Schußgebieten die S(ußgewalt zu- stehe. Dieser Paragraph verdanke scine Entstehung der Initiative der damaligen Reichstagskommission, nah einem Antrage der Abgg. Dr. Haenel und Dr. Mcyer; und nah den Erklärungen in der Kommission selbst, wie nah dem Kommissionsberiht und nah den Berathungen in diesem hohen Hause müsse man es als ganz ¡weifellos ansehen, daß die oberste Finanzhoheit in den Kolonien dem Kaiser zustehe, und daß in dieser Beziehung in dem Geseh selbst keine Beschränkung vor- handen sei. Sei das aber der Fall, fo könne auch der Kaiser oder mit seiner Ermächtigung die Kaiserliche Regierung in den Schuhß- gebieten cine Anleihe aufnehmen, und zwar ohne daß es hierzu, wie er glaube, der Mitwirkung des Reichstages bedürfe. Nun sei es ja ganz selbstverständli®, daß, wenn zu diefer Anleihe Einnahmen des Squßgebiers verwendet würden, die naher zur Deckung der Kosten für die Verwaltung des Schußgebiets nicht ausreicten, dann die verblindeten Regierungen sch an den Reichstag wenden müßten, um den Reichstag um cinen Zuschuß füc die Verwaltung des Schugtgebiets zu ersuhen, Es wäre sogar angemessen, daß, wenn eine solche Eventualität erwartet werden sollte, {hon vorher bei Aufnahme der Anleihe die verbündeten Regierungen an eine Bethei- ligung des Reichstages dâchten. Er sage aber, so liege die Sache niht. Im Einvernehmen mit den betheiligten Häusern fei eine außer- ordentlihe Vermehrung der Einkünfte des Schutgebieis in Kamerun in Ausficht genommen dergestalt, daß die Regierung in der Lage sein werde, mindestens die dopp:.lte Summe zu erhalten, welche zur Ver- zinsung und Tilgung diefer kleinen Anleibe — es scien im Großen und Ganzen etwa 1} Millionen in Auésiht genommen — ausreichen würde. Er föônne also nach mens{hlicher Vorautsi&t den Fall als gar niGt gegeben ansehen, daß die verbündeten Regierungen in der Lage wären, zur Deckung der Kosten für die Verwaltung des Schaß- gebiets den Reichstag angehen zu müssen ; sondern ex glaube vielmehr, daß noch eine erheblite Summe übrig bleiben werde, die zu weiteren laufenden Ausgaben in tem Sczußgebiet von Kamerun wecde ver- wendet werden können. Diefe Anlethe, die aufgenommen werden fclle — und eben weil die Verhandlungen \{webten, vermöge er nähere Details hier nicht anzugeben —, folle eine durchaus produktive scin. Feder gute Hausvater und jeder gute Kaufmann würde unter ähnlichen
Umständen gar keine Bedenken tragen, eine solche Anleibe aufzunehmen. Er sei ganz fest überzeugt, daß, wenn sie zu Stande kommen sollte und wenn die Regierung bei der Berathung des nälhsten Etats vor den Reichstag trete, dieser damit ganz zufrieden sein werde. Denn man könne eine ganze Reihe von Ausgaben, die zur Hebung der Kultur im Schuggebiete, zur Förderung von Handel, Verkehr und Schiffahrt nothwendig feien, aus den laufenden Einnahmen nicht be- streiten, weil diese eben nur ausreichten, um die Ausgaben zu decken. Man bedürfe einer größeren Summe zur einmaligen Verwendung, und dicse Summe folle die Anleihe verschaffen; da die Wirkungen dieser Anleihe den zukünftigen Geschlechtern vor cllenm zu Gute kommen würden, fo zieme es si auch, daß man cinen Theil der Lasten auf fe abwälze. Das sei der ganze Zweck, den die Regierung mit der Anleibe verfolge. Sie gliaube, daß hierzu formell eine Genehmigung des Reichstages nicht erforderlich sei, ebenso wenig, was ja au Seitens des Abg. Riter anerkannt sei, wie bei der Aufnahme der Anleihe für das ostafrikanisße Scußgebiet eine Genehmigung des Reichstages verfassungëmäßig geboten gewesen sei.
: Abg. Dr. Freiherr von Stauffenberg: Aus diesen Aus- führungen sei ihm manches klar geworden, aber nit die Haupisacbe. Er frage: wer nehme die Anleihe auf und wer werde der Schuldner dieser Anleihe ?
Geheimer Legations-Rath Dr. Kayser : Die Anleihe werde nit von dem Reich in der Weife aufgenommen, daß das Reicy der Schuldner werde. Die Sache verhalte sich folgendermaßen. Die Regierung stelle für die Verzinsung und Tilgung der Anleihe aus den Einkünften des Schutzgebietes von Kamerun eine bestimmte Summe bei einer Bank zur Verfügung, ohne daß jedoch das Reich eine Haftung über- nehme, wenn diese Summen nit eingingen.
__ Vom Abg. Richter ist der Antrag eingegangen, zu erklären, daß die verbündeten Regierungen verfassungmäßig nicht berehtigt feien, Anleihen ohne Zustimmung des Reichtags aufzunehmen im Interesse der Schutzgebiete und unter Verpfändung dortiger Einnahmen.
Abg. Richter: Er sei in hohem Maße erstaunt über die Ant- wort des Regierungsvertreters. Er habe geglaubt, die Phantasie gewisser Kolonialschwärmer hätte irrige Nachrichten verbreitet. Was habe es für einen Zweck, wenn überhaupt außerordentlihe Aufwen- dungen von 14 Millionen Mark angemessen feien, den Reichstag zu umgehen? Das Reich könne viel billiger Geld aufnehmen, als es mittels solWer Manipulationen möglih sei. Das Reih bekomme eine Anleihe gegen 3% für 84,40, während ein Konsortium, das eine solche Anleihe begebe, mindestens 5 °/0 mehr bezahlen müßte für eine ähnliche Summe. Der Standpunkt überhaupt, einzelne Einnahme- quellen des Staats zu verpfänden, um eine Anleihe aufzunehmen, sei ein sol veralteter, barbarischer, in der ganzen Finanzwirthschaft ein wahr- baft afrikanisher, daß man sich wundern müsse, wie man auf solchen Gedanken kommen fönne. Sobald die Regierung eine Zolleinnahme rer- pfände, beshränke sie sich die Disposition, über diese Zölle ander- weitizge Bestimmungen zu treffen. Die Haupteinnahme aus diesen Zöllen entstehe aus der von allen Seiten so mißbilligten Schnaps- einfuhr. Durch Verpfändung dieser Zolleinnal me mae die Regie- rung irgend welche Kulturmaßregel gegen die Scbnapseinfuhr unmög- li. Auf ten Gedanken einer folhen Anleihe könne nur Hr. Wör- mann gekommen sein, der auch in den Kolonialblättern als der bezeihnet werde, der si in Berlin darum verwendet habe. Entweder hake die Sahhe die Zustimmung des Reichstages, dann liege kein Grund vor, diese Sache auf kürstlihem Wege zu machen, oder sie habe nit die Zustimmung des Reichstages, dann. sollte man diese Hinterthüren nit betreten, um Gelder zu erlangen, von denen man annehme, daß man sie auf geradem Wege nit erlangen könne. Er könne nit annehmen, daß irgend Jemand bei dem Gesetz über die Schußgebiete daran gedacht habe, allgemeine Bestimmungen der Ver- fafsungëurkfunde und die Finanzgesete für einzelne Gebiete außer Kraft zu seßen. Das Geldbewilligungsrecht des Reichstages werde hie geradezu in Frage gestelt. Was îin Kamerun geschehe, könnte in viel größerem Umfange in Ost-Afrika vorkommen. Man könnte in Ost-Afrika unter weiterer Verwendung der Zölle größere Anlehen für Eitenbahnprojekte, etwa im Betrage von 20 bis 30 Millionen aufnehmen. Er habe den Eindruck, daß die Regierung selbft nicht ganz die Tragweite der Maßregel in re{tlicher, finanz- politischer und kolonialpolitiser Beziehung erwogen habe, er stelle daher den Antrag, weil er nicht annehmen könne, daß man diese Frage vollständig in ihrer vollen Tragweite im Reichstage gegenwärtig zu erfassen vermöge, den Titel des Gouverneurs im Kolonial-Etat mit feinem Antrage an die Budgetkommission zurückzuverweifen.
__Abg. Dr. von Bennigsen: Materiell könne er sich ohne nähere Prüfung für den Antrag Richter nicht aussprechen. Im Interesse des früheren Kollegen Woermann erkläre er, daß er nit wisse, woher der Abg. Richter die Berechtigung zu dem heftigen Angriff gegen den- selben genommen habe. Allerdings habe diese Frage eine weitgehende Bedeutung, nit nur für die Verwaltung in Kamerun. Dur den Vertreter der Negierung sei die Angelegenheit weder thatsählich noch rechtlich genügend dargestellt und unter diesen Umständen sei eine nâhere Prüfung in der Budgetkommission angezeigt. Er beantrage, den Antrag Richter in die Budgetkommission zu überweisen, sche aber keinen Grund, weshalb auch der Titel überwiesen werden solle. (Sehr E 3 M S
g. Nihter: Hrn, Woermann zu nennen, sei er dadur ver- anlaßt, daß in den Blättern, die Hrn Woermann C fort- gefeßt bemerkt worden fei, daß eine Deputation, unter Führung des Hrn, Woermann, in Berlin gewesen sei, um die Sache zu betrciben und daß die Regieruna endli dem Wunsch des Hrn. Woermann naGgekommen sei. Auf die Ueberweisung des Etats- titels könnte er verzihten, wenn Sicherheit bestände, daß ohne die Verknüpfung mit dem Etat die Sache so rechtzeitig zur Aussprache komme, daß, bevor die Sache perfekt werde, cin Urtheil des Reiché- tages mögli sei. Aber man beabsichtige \choz in den nächsten Tagen mit der Anleihe an der Börse vorzugehen. Würde von der Re- gierung erklärt, daß dies nicht der Fall sei, und man jedenfalls die Entscheidung des Reichstages, wozu er die Regierung verpflichtet halte, abwarten wolle, so hâtte er feinen Anlaß, die Fertigstellung des Etats R, Í &
9. Dr, von Bennigsen: Zu seinem Eintreten für Hrn. Woermann hätte er keine Veranlassung genommen, a e Ritter nur Thatsachen habe mittheilen wollen. Aber, er (Redner) appellire an die Mitglieder des Hauses, nah dem Inhalt seiner Rede habe der Abg. Richter \{cheinbar Hrn. Woermann als Urheber des Projekts für die Verfafsungsverlezung verantwortlih machen wollen. Dagegen habe er (Redner) Verwahrung einlegen müssen.
Abg. Nicter: Für die Verfassungéverlegung Hrn. Woermann verantwortlich zu machen, sei ihm nicht in den Sinn gekommen. Er halte Hrn. Woermann nit für eine solche Autorität in Bezug auf die Rechtsfrage. Er babe ihn nur als Vertreter der Interessen von Kamerun anführen wollen.
Damit {ließt die Diskussion.
Abg. Nichter (zur Ges@äftsordnung): Da von der Regier die Erklärung, mit der Ausführung - der eie bis zur BGluf faffung des Reichstages warten zu wollen, nit ergangen sei, so könne er nit von der Ueberweisung des Gouverneurtitels an die Kom- By R g d die Ueb __ Darauf wird die Ueberweisung des Antrages Nichter bz- schlossen, der Titel selbst aber bewilligt. 9
Beim Etat des Neichsamts des Jnnern bemerkt zum Tilel für das Germanische Museum in Nürnberg __ Abg. von Meyer- Arnswalde; Die Reichsregierung gebe für Kunftzwecke unglaublih wenig aus. Was im Etat stehe, diene nur für tunstgescichtliche und archäologishe Zwecke, aber nit zur Förderung ver lebenden Kunst. Nur 20000 #6 zur Unterstüßung der deutschea Kunst bei der Theilnahme an internationalen Kunstausftellungen, — das sci der einzige Posten, den das Reich für die lebende Kunst zur Verfügung habe. Sparsamkeit an dieser Stelle sci wirkli ein Laster. Man sage, na der Verfassung sei das keine Aufgabe des Reichs, Aber gebe man diefe 20000 A für die Betheiligung an Kunst- ausfiellungen, fo Tônne man auch für andere Zwecke mehr thun. Die
Regierung sollte zur Förderung der monumentalen Plaftik und Malerei im Etat Seiner Majestät dem Kaiser einen Fonds zur Verfügung stellen zu Gnadenbewillicungen für diese Zwecke. Seine Majestät würde das sicher niht abweisen und er bitte die Regierung, im nähften Etat eine solhe Summe einzustellen. Das Reich bezahle für den Haushalt der Krone keixen Groschen. Die Förderung der Kunft ge- bôre zu den Pflichten der Krone, und es biete G hier die Gelegen- heit, den Glanz der Kaiserkrone zu erbößen. Beim Kapitel „Reihs-Gesundheitsamt“ bemerkt
_ Abg. Dr. Barth: Sein Antrag auf Aufbebung des Verbots der Einfuhr von amerikanishen Schweinen und Schweineprodukten fei in der zweiten Lesung abgelehnt worden und zwar gegen die Stimmen der ganzen Linken eins{hließlich der Nationalliberalen; aker der Abg. Dr. Windthorst habe sich dagegen verwahrt, als ob seine Stimme gegen den Antrag so aufzufassen wäre, daß er materiell das Ein- fuhrverbot aufrecht erhalten wissen wollte, und habe erklärt, daß die Zurückziehung des Verbotes gegebenen Falls nothwendig sei. Wenn die Regierung also Maßregeln zur Aufhebung des Verbotes treffen würde, würde sie sich in Uebereinstimmung mit der großen Mehr- heit befinden. Inzwischen hätten sich noch einige Nova ereignet. Am 2. März sei im Kongreß der Vereinigten Staaten ein neues Geseß durgegangen, betreffend Ueberwahung von lebendem und geshlacchtetem Rindvieh und Schweinen, wonach zum Export be- stimmtes Vieh einer besonderen Untersuchung unterliege und gesunde Thiere mit einem besonderen Kennzeichen versehen sein müßten. Der Senat habe das Gescß ebenfalls angenommen, Man bemühe sich also in Amerika, alle Bedenken der Kontinentalstaaten gegen die Einfuhr amerikanisczen Fleishes möglichst aus der Welt zu s{chafen. Man habe es hier mit einem befreundeten Staat zu thun, und da sollte die Regierung untersuchen, ob niht unter den veränderten Ver- hältnissen das Einfuhrverbot aufzuheben sei. Nach der Entwickelung der Dinge in der französishen Deputirtenkammer sei es wahrscheinli, daß dort das Einfuhrverbot in Kürze aufgehoben werden würde. Deutschland würde dann mit feinem Einfuhrverbot ganz isolirt sein. Endlich sei man nah seinen Privatinformationen in den deutschen Häfen der Untersuhung näbergetreten, ob ih ermöglichen ließe, in den Importhäfen das importirte Schweinefleish einer obligatorishen Trichinenschau zu unterwerfen. Man sei in den betheiligten Kreisen davon durchdrungen, daß eine solche Trichinenshau ohne Schwierigkeit einzuführen sei. Dann würde der leßte Grund zu sanitären Bedenken fortfallen. Er frage) die Regierung, ob sie nunmehr niht dazu über- gehen wolle, durch Aufhebung des Einfuhrverbots die ärmere Be- völkerung mit billigem Fleisch zu versehen.
Staatssekretär Dr. von Boetticher:
Ich kann dem von dem Herrn Vorredner ausgedrückten Wunsche gegenüber nur wiederholen, was i bereits bei der zweiten Lesung des Etats gesagt habe, daß für die verbündeten Regierungen protektionistische Rüdlksihten nicht maßgebend sind, daß vielmehr der Aufhebung des Fleisheinfuhrverbots aus Amerika näher getreten werden wird, sobald eine Sigterheit dafür gegeben ist, daß wir nur der Gesundheit unschädliße Waaren von dort bekommen. Die Untersuhung — und die Herren werden daraus ersehen, daß wir auch nach Ablchnung ¡des Antrages des Herrn Vorredners uns mit der Frage beschäftigt haben, — die Untersuhung, die wir angestellt haben, hat bis jeßt uns noch nit die Ueberzeugung gewähren können, daß die Einrichtungen, welche Amerika getroffen hat, um sicher zu stellen, daß nur gesundheitsunschädlih:s Fleis aus Amerika nach Deutschland ) importirt wird, zureichend sind. Das Gesetz, welches im vergangenen Jahre bezüglih der Fleischs{chau erlassen ist, läßt in Bezug auf die Benußung der getroffenen Einrichtungen Alles in das Belieben der Exporteure gestellt, cs ist ein Zwang zur Unker- sfubung nicht vorgeschrieben. Nah den Berihten, die wir nach Erlaß des Gesezes über den Umfang der Benugzung der durch das Geseß gegebenen Fakultäten erhalten haben, ist es außer Zweifel, daß von diesen Fakultäten zum Zwecke des Exports fast gar kein Gebrauch gemacht ist. Weiter steht fest, daß in dem Gese eine mikroskopishe UntersuGung überhaupt niht vor- geschrieben ist, sodaß also die Untersuchung, für welche Fleischbeshauer in New-York, Chicago und Cansas City bestellt sind, gar nit die Gewähr dafür giebt, daß wir trichinenfreies Fleish von dort be- kommen. Diese Zustände haben namentlih auchß in den Kreisen der amerikanis{en Thierärzte lebhafte Bedenken hervor- gerufen und diese Bedenken haben die Wirkung gehabt, daß neuerdings ein Geseßentwurf vorgelegt ist, welcher den Mängeln des älteren Geseßes thunlichst abzuhelfen suGßt. Uns ift darüber eine offizielle Nahriht, welhe Aufnahme dieser Gesetz entwurf im Repräsentantenhause und im Senat gefunden hat, bis jeßt nicht zugegangen. Jedenfalls steht soviel fest, daß dieses neuere Gesetz bis jegt nit publizirt, also auch noch niht durchgeführt ift. Wir sind also heute noch nit in der Lage, den Wünschen des Hrn. Abg. Barth näher zu treten,
Was die Einrichtung von obligatorischer Fleishshau an unseren Seepläten anlangt, so ist mir allerdings bekannt geworden, daß man in den dortigen Interessentenkreisen damit umgeht, solche Gleischschau einzuführen Ob diese Fleishshau demnäwhst eine Sicherung dafür geben wird, daß gesundheits{ädlihes Fleish in Deutshland nicht zum Genusse kommt, werden wir abwarten müssen, wenn diese Fleisch{s{chazu eingeführt sein wird. Ich wiederhole also: wir stehen der Aufhebung des Fleisheinfuhrverbots keineswegs feindlich gegenüber; aber wir haben die Verpflihtung und auch den Willen, dafür zu sorgen, daß alles Gesundheits\{ädliche von unseren Grenzen ferngehalten wird. (Bravo! rets.)
eum Ordinarium des Reichsamts des Jnnern wird be- mMmItgt.
Beim Extraordinarium beantragen die Abga. Frei von Huene und Graf Behr die e ba ae in der Höhe von 15 Millionen Mark bewilligte Forderung für ein Dienstgebäude für das Reichs-Verficherungsamt in der ursprüngliÞh von der Regierung geforderten Höhe von 1,9 Millionen zu bewilligen.
Der Abg. Graf Behr befürwortet diesen Antrag damit, daß inzwischen die superrevidirten Pläne vorgelegt seien und in Folge dessen neben den Grunderwerbskosten auch die erste Baurate bewilligt werden könne.
Staatssekretär Dr, von Boetticher:
Meine Herren! Ich möchte diesen Antrag dringend unterstüßen. Es ift Ihnen jx erinnerlih, daß die Abseßung dcr Summe, um toelche es sich zier handelt, ledigli um destwillen beantragt und vom Hautje be- \chlofsen war, weil die Pläne und Anschläge für den Neubau des Neichs-Bersicherungzamts noH nit die vorgeshriebene Superrevision S preußischen Ministerium der öffentlihen Arbeiten passirt atten.
Diese Superrevision ist #nzwischen beendet und nachdem Sie einmal die Kosten für den Grunderwerb bewilligt haben, wird es auch für Sie im Interesse der Sache liegen, die als erte Baurate im Etatsentwurf- geforderte Summe zu bewilligen, denn sonst woürden
wir lediglich den Grunderwerb bewirken können und ein Baujahr
verlieren, — was Niemandem nüßt, im Gegentheil \chadet, wil wir auch die Zinsen verlieren würden,
Also bitte ih Sie dringend, daß Sie nah dem Antraze des Hrn. von Huene und Graf Behr, denen ih für die Einbringung des Antrages sehr dankbar bin, — 1990 000 M — bewilligen.
Die Forderung wird naŸH dem Antrage von Huene
He ei der Forderung für das Reihstagsgebä
( äude
bemerkt F E Abg. Dr. Freiherr von Stauffenberg: In dem bunt i 0 s) 9 0 c nten Bil
der Debatte komme er über das Sweinefleisch und das Neis Versicherungs8amt auf die Rede des Abg. von Meyer zurück. Der Reichs-Etat könne für eigentlihe Kulturzwecke, für Kunst und Wissen- haft nicht die von den Einzelstaaten dafüc geleisteten Summen erreichen, aber es könnte do viel mehr gesehen zur Unterstüßung der lebenden Kunst. Dieser Titel gebe dem Reichstage für die Zukunft reihe Gelegenheit, fein Interesse für. die Kunst zu bethätigen. Was die Kunst vermôge, müsse im neuen Reichétag8gebäude in würdiger Weise Verwendung finden. Aus Anlaß der Debatte in zweiter Lesung sei von der gesammten deutschen Künstlersaft eine Petition einge- gangen, bei deren Berathung seine Partei darauf zurückommen werde. Bei der damaligen Bemängelung der Beschlüsse der Reibêtagsbau- kommission hätten aber einige Mißverständnisse obgewaltet. Den Enthusiasmus für die Bekleidung der Wände mit Marmor oder anderem Stein könne e: nit theilen. In vielen Prabtbauten in Deutschland, Italien und Frankreich sei stucco di listro gerade fo angewendet, wie bier geschehen folle. Es sei fo dargestellt worden als ob zu dem Material der Säulen nur istrischer Stein ver- wendet werden könne. Nah seiner individuellen, allerdings nicht sachverständigen Meinung könnten ebensogut auch deutshe Stein- forten genommen werden, um so mebr, da es fi hier um einen deutschen _Bau handele. Ferner bestehe in künstleris&en Kreisen die Auffassung, als ob die innere Aus\chmüdckung des Reichstagsgebäudes mit plastis@en Werken und mit Bildern jezt auch {on in Angriff genommen werden solle, so daß man im Verlauf der 90er Jahre das Gebäude gleich vollständig fertiggestellt bekomme. Bisher sei nun an feinen außerhalb Berlins wohnenden deutschen Künstler ein derartiger Auftrag gekommen, so daß in jenen Kreisen befürchtet werde, daß niht die gesammte deutshe Künstlershaft, sondern nur ein engerer Kreis mit der Ausführung betraut werden solle. Dies wäre allerdings fehr verfehlt und mit der Unterstützung der deutschen Kunst — es handle sich hier niht nur um eine Berliner Kunst — durchaus nit zu vereinbaren, Er höre aber zu seiner Freude unter der Hand, daß diese Bedenken nit beständen. Die künstlerische Ausschmückung des Reichstages sollte nit übereilt werden. (Zustimmung.) Sie könnte au bis zur Beziehbarkeit des Gebäudes nicht fertiggestellt werden. In Bezug auf die künstlerische Auss{mückung müßte aber ein bestimmter Plan in seinen Grundzügen festgelegt werden, der im Laufe der Jahre in seinen Einzelheiten ja noch verändert werden Tönnte. Zudem seien die Künstler ersten Ranges — nur folhe seien bier zu verwenden — nit aus dem Boden zu stampfen, man müsse abwarten, ob für das bestimmte Bildwerk auch der rihtige Mann zu finden sei. Die künstlerishe Ausschmückung des Berliner Rathb- hauses, welches s{chon über zwanzig Jahre stehe, insbesondere mit Bildwerken, sei au nochH nicht vollendet. Die Auswahl der Gegenstände für die plastishe und bildnecishe Darstellung sei keineswegs leiht. Das gehe eigentlih über die Kompetenz einer Reichbstagsbau-Kommission hinaus. Man solle sih deshalb Zeit lassen, aber dann au an der künstlerisWen Auss{müdckung niht sparen. Diese Summen würden im besten Sinne zur Unterstüßung der deutschen Kunst gegeben, (Lebhafter Beifall.)
Staatssekretär Dr. von Boetticher:
Ich bin dem Herrn Redner sehr dankbar für seine Ausführungen, um so mehr, als sie si mit meinen eigenen Anshauungen über die weitere Behandlung der Ausschmückung des Reichstaz8gebäudes durhaus deden, Zunähßst kann ich ihm die Beruhigung geben, daß, was die Betheiligung der deuishen Kunst an der Aus\@mückung des Gebäudes anlangt, schon jeßt eine gleichmäßige Betheiligung von Künstlern ersten Ranges aus ver- schiedenen Theilen d2s Reies eingetreten ist. Es wird au weiter so verfahren werden, und ih bin namentlich auch damit ganz einver- standen, daß man die Bestimmung darüber, wie man gewisse Räume, i: D, Die große Wand im Sitzungssaale oder die Kuppel dec großen Halle dekoriren will, nicht übereilt, sondern daß man ih Í die Sa@e in aller Rube überlegt und #ßch damit begnügt, wenn bis zu dem Zeitpunkte, wo das Gebäude fertig gestellt und in Benußung genommen wird, diese Dekorationen noch nit fertig gestellt sind.
Was die Dekorationen im Einzelnen anlangt, namentlih die Dekorationen im Innera, so hat die Reichstazs - Baukom- mission sich mit diesen Fragen eingehend noch nicht beschäftigt. Es läßt sich aber erwarten, daß bei dem Fortschritt, den die Pläne des leitenden Architekten in dieser Beziehung gemacht haben, wir in nicht zu ferner Zeit in Berathung darüber treten werden, welche Vorschläge uns als die annehmbarsten er- Heinen.
Die Frage des echten oder unechten Materials beantworte i ebenso, wie der Herr Borredner. Auch das sogenannte unechte Material, wenn es in einem guten, dauerbaften und ges{chmaLFvollen Stück besteht, wird dem Gebäude niht zur Unzier gereichen, und es wird, wie ih jeßt auf Grund einer recht sorgfältigen Bes rechnung sagen kann, dem Reich cine schr erhebliße Summe, wahr- \cheinlich über 1 Million hinaus ersparen. Außerdem wird seine Verwendung dazu beitragen, daz mit Sicßerheit das neue Haus im Herbst des Jahres 1894 bezogen werden kann, während andernfalls ein Hinaus\cieben der Bauzeit um mindestens zwei Jahre über jeden Zweifel erhaben ist, und das umsomehr, weil es von dem isfirishen Stein, von dem dex Herr Vorredner gesprochen kat, zur Zeit noch nit feststebt, ob er in der erforderliGen Quantität in fo karzer Zeit zu beschaffen sein wird, dergestalt, daß, wenn man die Vollendung des Baues erst für das Iahr 1896 in Ausësiht nimmt, dieser Termin nit als ein absolut feststeßender wird angesehen werden können. Ich glaube, daß auch die Neichstagsbau-Kommission bei näherer Betrachtung der ihr zugeßenden Vorlagen in dieser Beziehung meine Auffassung theilen und si zu dem Schlusse vereinigen wird, daß es genüzt, preiswürdig, folide und yeschmackvoll zu bauen. Wenn wir diese dret Bedingungen erfüllen, dann haben wir Alles gethan, was wir im Jateresse des Reichs und des Gebäudes zu thun haben. (Beifall)
Der Etat des Reichzamts des Fnnern wird bewilligt.
_ Bei dem Etat der Heeresverwaltung, Kapitel „Kriegs-Ministerium“ bemerkt
Abg. Bebel: Die Frage der Mißhandlung der Soldaten i: aktiven Dient habe den Neichstag wiederholt vesäftigt und g immer noch die öfentlihe Meinung. Unmittelbar, nachdem man ih im vorigen Jahre über die Mißhandlungen zu RMefervz- und Landwehrübungea eingezogener Lehrer be\{chwert habe, \ci die bekannte Broschüre von Kurt Abel; „Vier Wochen Vizewahtmeister“
F tonor tf R L L Y ‘ L erschienen, Diese Broschüre babe ein ungebßeueres Aufschen
D I an 4 ; tr 4 c 5 C erregt. Man hade die darin behaupteten Thatsahen für unglautlich gehalten und gemeint, sie würden sh bei gericht-