4) An sonstigen Ehrenbezeugungèn steben deim Gouverncur an Bord der Kriegs\ciffe S. M. zu: sechs Fallreepëgaîten (Matrosen) und Präsentiren der Sicherheitéwache sowie Empfang durch den Wach- ffizte den Kommandanten A Dex Geuverneur empfängt den ersten Besuch von allen Flagg- offizierer, Kcmmodoren und Kommandanten. Den Besuch der Flagg- offi:iere und Kommodore sowie aller Kapitäne zur See erwidert er persönli, ten Besuch anderer Offiziere kann er durch den Kanzler oder einen Offizier der Schußtruppe erwidern laffen.
Nah der „Statistik des Deutschen Reichs“ neue Folge, Band 48, hat die Einfuhr in den freien Verkehr (ohne den Veredelungs- und Dur(hgangsverkehr) betragen:
1) aus den deutshen Schutgebicten in West: Afrika (Kamerun, Togo, südwestafrikanishes Schußzgebiet) 12 168 C000 kg im Werthe ) 363 090 M, — /
Si 9) s den deuts&en Schußzgebieten in Ost-Afrika (das Witu- Gebiet ift noch mit eingerecznet) 154000 kg im Werthe von 925,6 000 M, i ;
N den deutschen Schußgebieten der Südsee (Kaiser Wilhelms8- land, Biëêmarck-Archipel, der deutsche Antheil der Salomors-Inseln und ' die Marscall-FInfeln) 37 000 kg im Werthe von 10000 4, zusammen 12 359 000 kg (4 629 000 46). L
Die Ausfuhr aus dem freien Verkehr betrug:
1) nah den deutschen Schußgebieten in West-Afrika 4530 200 kg im Werthe von 4165 000 M, /
l A deuishen Schutßzgebieten in Ost- Afrika 869 600 kg i BRertbhe von 311 000 M, /
— %) A deutschen Schußgebieten der Südsee 3 684 900 kg im Werthe von 509 000 M, zusammen 9 085 000 kg (4 985 000 M).
Die Ein- und Ausfuhr zusammengenommen betrug hier- nat 21 444 000 kg im Werthe von 9614000 4/6 Wie {hon bemerkt, ist hierbei der Veredelungs- und Durchfuhrverkehr nicht mit in Betracht gezogen. Selbstverständlih find auch diejenigen Waaren nicht berücksichtigt, welche nah Einlagerung in anderen Ländern von den Schußgebieten hierher bezw. on Deutschland nach den Schugzgebieten gelangt sind. Das genaueste Bild des Verkehrs mit dem Mutterlande ergiebt daher die Statistik für diejenigen Schußgebiete, welche in direkter Schiffsverbindung mit Deutschland stehen, wie dies bei Togo und Kamerun der Fall ist, | i:
Die wichtigsten mit den Schußgebieten auzgetauschten Waaren sind, bei der Einfuhr von Deutsh-West-Afrika: Palmkerne, Koprah und Butterbohnen (104311 Doppel: Ctr. = 2138 000 M), Elfenbein (60 Doppel-Ctr. = 138 000 M), Kautschuk (2072 Doppel Ctr. = 1450 000 M), Palm-, Palmnuß-, Kokusnuß- 2c. Del (6063 Doppel-Etr. = 249 000 A6), Rothholz (2748 Doppel-Ctr. = 44 000 A). Bei der Ausfuhr nah Deutsch - West - Afrika: Schieß- pulver (6377 Doppel:Ctr. = 1020000 #6), grobe Eisenwaaren (3155 Doppel:Ctr. 300 000 6), . Cemont (4691 Doppel-Ctr. = 21 000 J), Bau- und Nußholz (1329 Doppel-Ctr. = 10000 6), Bötther- und Tischlerwaaren, baumwollene Gewebe und Strumpfwaaren, Leibwäsche, Kleider und Pußwaaren; ferner Bier (2551 Doppel: Ctr. = 84 000 A), Branntwein (6067 Doppel Ctr. = 455 000 46), Kochsalz (3477 Doppel-Ctr. = 9000 M), Zink, Bei der Ei n- fuhr von Deutsh-Ost- Afrika waren Elfenbein, Kautschuk, Gewürznelken, roher Kaffee und Ha1ze betheiligt, bei der Aus- fuhr dorthin baumwollene Gewebe, Schießpulver, grobe Eisenwaaren, Bier, Branntwein, Steinkohlen, Glasperlen, Kleider, Thonwaaren 2c. Die Einfuhr von den deutschen Schutzgebieten der Südsee erstreckte sich auf Schaffelle, Hörner, Fleish von Vieh, die Ausfuhr dorthin auf Spreng- stoffe, Eisenwaaren, Cement, Kleider und Bier. S
Jn Gemäßheit des Artikels 35 des Statuts der Kaiser Wilhelms-Land-Plantagen-Gesellshaft in Verbindung mit §. 10 des Gesctes, betreffend die Rechtsverkältnisse der deut)chen Schutßgebiete (R.-G.-Bl. 1888, S. 75), ist der Kaiserliche Wirkliche Legations-Rath Dr. Rettich zum Kommissar des Reichskanzlers für die gedachte Gesellschaft bestellt worden.
Mit dem am 19. d. M. Neapel verlassenden Reichs- Postdampfer der Ost: Afrika-Linie begeben si die Chefs in der Schuttruppe Krenzler und Schmidt Il, nah Ost- Afrika zurü. : E
Der Cbef in der Schußtruppe für Ost-Afrika Schmidt I. (s. Zt. Stellvertreter des Reichskommissars) ift in Berlin ein- getroffen. R i
Hauptmann von Gravenreuth beabsichtigt zunächst eine Erholungsreise anzutreten und nah Beendigung derselben die Ausreise nach Ost- Afrika anzutreten, woselbst er im Funi d. J. einzutreffen gedenkt, um eine Handelsexpedition nah dem Seen-Gebiet zu führen. E
Seitens Ler Deutsh-Oftafrikanishen Gesellschaft ist kürzlich die Herstellung weiterer 100000 Stück Silber-Rupien („Deutsches Kolonialblatt“ 1890, Seite 314) in Auftrag gegeben worden. Die Gesellschaft beabsichtigt ferner auch zur Auëprägung von 1/3 Und 4 Rupiestücken zu schreiten und hat zunächst die Ausprägung von 60 000 Stücken jeder Gattung in Aussicht genommen. Die Hauptseite der 1/2 und 1/4 Rupiestüke wird, wie die ganzen Rupien, das Bildniß des Kaisers mit dem Gardes du Corp2- Helm tragen, die Nückseite außer der Umschrift „Deutich- OÖstafrikanishe Gesellschaft“ einen Kranz, in dessen Mitte der Werth mit 1/5 bezw. 1/4 Rupie nebst Jahreszahl erscheint.
Die Gesammtzahl der europäischen Bevölkerung des süd- westafrikanishen Schußgebietes betrug am 1. Januar 1891 im Ganzen 539 Personen. Hiervon entfielen auf Ovamboland 6 Ehepaare und 5 Kinder, insgesammt 17 Per- sonen; auf Damaraland 38 Ehepaare, 94 ledige Männer und 82 Kinder, insgesammt 252 Personen; auf Namaqualand 56 Ehepaare, 52 ledige Männer und 106 Kinder, insgesammt 270 Personen. : : 8
Jn Ergänzung des gestern mitgetheilten Wolff schen Telegramms über die Wissmann'sche Expedition erhält das „Berl. Tgbl.“ aus Bagamoyo noch nachstehende näheren
ittheilungen: — A A Wissmann is mit dem größten Theil seines Expe- ditionscorps beute (15.) Vormittag in Bagamoyo angekommen ; der Ge- sundbeitszustand aller Europäer ist gut. Wissmann hat nicht nur in Moshi, sondern auch in Masinde eine befestigte Station angelegt, so- daß die beiden Häuptlinge Mandara (in Mosbhi) und Simbodja (in Masinde), deren Haltuxg bisher in manchen Fällen cine zweideutige war, fortan unter \trengster Aufsicht stehen. Die Karawanenstraßen na dem Kilimandscharo sind gründlih gesäubert. Am Schlimmsten find bei der Züchtigung die Massais weggekommen. Der Chef Johannes ist noch mit einer Abtheilung der deuts{chen Schußtruppe mit der Verfolgung der geshlagenen Massais beschäftigt. Aus dem Süden des deutshen Schußzgebietes kommt die Nacricht, daß der Häuptling Mawemba, gegen welhen hon verschiedene resultatlos verlaufene Expeditionen unternommen wurden, Boten nah Mikindani eshickt und um Frieden gebeten bat; zum Zeichen seiner guten Absitht hat er seinen Sohn als Geisel in Mikindani zuückgelafsen,
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 16. März. Heute hatten die österreichischen und ungarischen Delegirten zu denHandelsvertrags- Unterhandlungen eine interne Besprehung. Die nächste Konferenz mit den deutschen Delegirten dürfte, dem „W. T. B.“ zufolge, wahrscheinlich erst übermorgen statifinden.
Bei der heutigenReihsrath3wahlin den Landgemeinden Dalmatiens wurden fünf Kroaten, darunter Klaic, und ein Serbe gewählt, Bei den engeren Reichsrathswahlen in Prag und Karolinenthal sind vier Jungezehen gewählt worden; die Deutschen und die Altczehen enthielten sfich der Wahl. Anläßlih der heutigen Wahlen fanden in Prag am Abend Demonstrationen czehisher Studenten statt. Die Polizei zerstreute jedoch die Demonstranten und nahm vier Verhaftungen vor. 2
Die „Confederazione operaia triestina“ ist von der Statthalterei in Triest wegen Ueberschreitung ihrer Sta- tuten aufgelöst worden. ; :
Die am 14. März unterzeichnete ungarisch-rumänische Eisenbahnkonvention bestimmt der „Pol. Corr.“ zufolge den sofortigen Bau zweier neuer Anschlußstrecken bis Gyimes, PRalanka-Paß und Rothenthurm-Paß. Die Eröffnung des Ver- fehrs auf der Bahn hat spätestens nah sechs Jahren statt- zufinden. Der Bahnhof Predeal verbleibe einstweilen gemein- samer internationaler Bahnhof. L Z
Das ungarische Oberhaus hat den Gesfegentwurf, betreffend die Ergänzung des Neservevorraths der Repetir- gewehre für die Landwehr, einslimmig angenommen.
Die Gerüchte, der Corpskommandant und kommandirende General in Wien, Baron Schönfeld, trete in den Ruhestand, sowie alle hieran geknüpften Kombinationen werden vom „W. T. B.“ für unbegründet erklärt.
Großbritannien und JFrland,
Jn beiden Häusern des Parlaments wurde gestern die aus Durban gemeldete Affaire, betreffend den Dampfer „Counteß Carnarvon“ (f. Nr. 65 d, Bl.), zur Sprache gebraht. Jm Oberhause erklärte der Premier Marquis von Salisbury: Falls der Dampfer Waffen im portugie- sischen Gebiet landete, hätten die Portugiesen ein Necht gehabt, ihn mit Beschlag zu belegen; falls jedoch das Schiff nux den Strom hinabgefahren fei, jo bezweifle er, daß die Portugiesen einen Grund gehabt hätten, dassclbe anzuhalten. Im Unterhause ertlarie der Unter Staats] erein Fergusson: Der Regierung sei bisher nur bekannt, daß der Dampfer „Counteß Carnarvon“ im Limpopoflusse ange- gehalten, des Schmuggelns bezihtigt und nah der Delagoa- Bai gesandt wordn fei.
Frantreicch.
Paris, 16. März. Jm Senat machte der Präsident heute Mittheilung von dem Ableben des Generals Campe- non und gab dem Schmerz und Mitgefühl des Senats Aus- druck. Der Minister-Präsident de Freycinet drückte die tiefe und s{chmerzlihe Erschütterung aus, welche die Armee empfinden würde, wenn sie diese Nachricht vernehmen würde. Das so unerwartete Hinscheiden des Generals sei ein großes Unglück für den Senat und die Armee, welche den heim- gegangenen Führer einmüthig betrauern werde. L
Die Abtheilungen des Senats ernannten in Folge der ueulichen Jnterpellation Fules Ferry's eine Studien- fommission für Algerien. Unter den Kömmissaren be- finden fich Challemel-Lacour und die Generale BVillot und Deffis. Alle Mitglieder sind darin einig, daß Reformen in Algier nothwendig seien; es müsse Etwas für die Eingeborenen geschehzn. | i
Sn der Kammer zeigte der Deputirte Vicomte de Montfort (NRoyalist) heute an, er beabsichtige, eine Frage an den Minister-Präsidenten de Freyctnet und an den Unter-Staatssekretär für die Kolonien Etienne Betreffs TSongling ¿U Ahlen Hr de Freyer ertiarie, er werde die Frage am nächsien Donnerliag bve- antworten. — Jules R oche schlug vor, die Berathung iber den Zola O! Vor Den euen zu Ve& ginnen, sondern die Sißungen alsbald zu vertagen, um sie so zeitig wie möglich wieder aufzunehmen. Méline stimmte dem Antrage zu, welhexr angenommen wurde. Fn Folge dessen wird nunmehr die Berathung des Bolltarifs erst nah den Ferien der K mmer, welche vom 21. März bis zum 21. April dauern sollen, stattfinden. — Mehrere Deputirte haben einen Anirag eingebrat, wonah die in gefährlichen Fndustrien beschäftigten Arbeiter bei einer durch Arbeitsunfälle verursachten Arbeitsunfähigkeit eine Rente in Höhe des halben Fahres- lohns respektive eine zeitweilige Eatshädigurg in Höhe des halben dem Arbeiter entgehenden Lohnbetrages erhalten sollen ; im Todesfalle sollen den Erbberechtigten zwei Drittel dieser Rente zufallen. L
Die „Société des Forges-chantiers“ in Toulon ist er- mächtigt worden, eines der chilenischen Kriegsschiffe, den bereits erwähnten „Presidente Errazuri““, nah Havre über- zuführen; die anderen in Toutfon für Chile gebauten Kriegs- \chiffe haben daselbst bis auf weitere Ordre zu verbleiben,
Nach dem offiziellen Text des englisch- französischen
Uebereinkommens über die Neufundland-Frage wird die Schiedsgecichts-Kommission über alle von den beiden Re- gierungen aufgeworfenen Fragen und vorgebrahten Grundsäße Betreffs der Fischerei und Zubereitung der Hummern urtheilen und ihre Entscheidung treffen. Beide Regierungen verpflichten sich, die von der Schiedsgerichts-Kommission getroffenen Entscheidungen anzuwenden. Der modus vivendi bezüg- lich der Fischerei und der Zubereitung der Hummern wird einfah für die Saison 1891 erneuert. Unmittel- bar nach der Regelung der Fischereifrage und derjenigen über die Zubereitung der Hummern wird die Kommission die anderen subsidiären Fragen, betreffend die Fischerei, nach einer vorgängigen Vereinbarung der Regierungen über den Text prüfen. Die Schiedsgerichts-Kommission wird aus sieben Mit- gliedern bestehen, und zwar aus drei Sachverständigen und zwei Delegirten eines jeden Landes. Die Kommission, welche mit Stimmenmehrheit ohne Berufung entscheidet, foll sobald als möglih zusammentreten. Unter den Schiedsrichtern be- finden sih der Professor der St. Petersburger Universität Martens, der Schweizer General - Konsul in Brüssel Rivier und der Norweger Gram.
Rußland und Polen.
St. Petersburg, 14. März. Die festlihe Begehung des zehnten Jahrestages der Thronbesteigung des Kaisers Alexander II1. hat heute mit einem Gottesdienst
in der Kapelle des Anitshkow - Pala stes begonnen. Hier- auf nahm das Kaiferpaar die Glückwünsche der Mitglieder der Kaiserlichen Familie, der Hofchargen und der höchsten Staatswürdenträger entgegen. Später fand ein Festdéjeuner statt, an welchem die Botschafter und Gesandten der fremden Staaten, die Mitglieder des Reichsraths, die Minister, die Senatoren und andere hohe Funktionäre theilnahmen. Heute Abend versammeln si sämmtliche in der Hauptstadt anwesende Mitglieder der Kaiserlihen Familie im Anitshkow-Palast beim Kaiserpaar zu einem Diner, an welches sich eine Tanz=- unterhaltung schließen wird.
An den scheidenden General-Gouverneur von Mosékau Fürsten Dolgorukow, an dessen Stelle, wie schon telegraphisch gemeldet, der Großfürst Sergius tritt, hat der Kaiser unterm 9. März foigendes Handschreiben gez rihtet :
H „Fürst Wladimir Andrejewitsch! Ihrer Bitte um Enthebung von der Stellung des Moétkauer General-Gouverneurs willfahrend und einem neuen Beweis Meines beständigen Wohlwollens für die erste Residenz Ausdruck gebend, habe Ih Meinem Bruder, Seiner Kaiserlichen Hoheit dem Großfürsten Sergei Alexandrowitsch, den Befehl ertheilt, an die Spie der Moskauer Verwaltung zu treten. Sie gleichzeitig hiermit zur unmittelbaren Theilnahme an den Arbeiten des Reichäratts heranziehend. wo Ihre ausgedehnten Kenntnisse und Erfabrungen würdige Verwertbung finden werden, danke Ib Ihnen innigst für Ihren Dienst in der hohen Stellung, zu der Sie vor mehr als einem Viertel jahrhundert dur das Ver- trauen Meines in Gott ruhenden erlauchten Vaters berufen wurden. Die dieser verantwortlihen Stellung obliegenden Tkomplizirten Pflihier mit unermüdlicher Sorgfalt und vollem Eifer c:füllend, haben Sie durch Ihre Bemühungen für das Wohl des Mir theuren Moskau fich das Anrecht auf Mein besonderes Wohlwollen erworben. Fch bin überzeugt, daß die Bevölkerung Moskaus Sie in dankbarenr Andenken beg alten wird. Ich verbleibe Ihnen immerdar unabänder- lih woblgeneigt. Alexander.“ A
Der Großfürst Sergius, dessen Gemahlin in der nächsten Woche zur russishen Kirche übertritt, wird seinen Moskauer Posten in der darauffolgenden Woche übernehmen ; die Großfürstin wird erst nach Ostern nah Moskau übersiedeln.
Der Gouverneur von Kurland hat eine Verordnung erlassen, welche die aus\s{hließlihe Anwendung der russischen internen Geschäftssprache in allen Zweigen der fommu- nalen Verwaltung verfügt.
Ftalien.
Prinz Napoleon hat nach dem heute Morgen aus- gegebenen Bulletin eine unruhige Nacht verbracht. Heute früh 7 Uhr stellte D# Taussig fest, daß die Kräfte noch weiter abgenommen haben. :
Jn der Deputirtenkammer erklärte gestern in Be- antwortung einer Jnterpellation des Abg. Diberganze der Minisier des Jnnern Nicotera: Die am Sonntag veranstal- teten Gedächtnißfeierlihkeiten zu Ehren Mazzini's Seitens der Republikaner seien vollflommen geseblih gewesen. Jn Livorno hätten Anarchisten die Feier geleitet, welche die Polizei mit Revolvershüssen angegriffen hätten. Der Minister beklagte den Langmuth der Polizei, welhe mit Revolvershüssen hätte erwidern sollen. Es sei ein Polizei- Jnspektor nah Livorno gesandt worden, um Erhebungen über die Vorgänge zu pflegen. Eine weitere Fnterpellation Diberganze’'s beantwortete der Minister - Präsident dî RNUdini, Er exrlannte an, daß Dié. 1lal1ent} Gen Zollwächter bei Erla an der österreihischen Grenze eine Verhaftung vorgenommen hätten. Der Verhaftete sei den österreichishen Behörden auszeliefert worden, da es unklar sei, ob der Verhaftete ein Deserteur und ob die Verhaftung auf italienischem Boden vorgenommen worden sei. Er behalte fih vor, genauere Fuformationen einzuziehen. Der Fnte c- pellant gab seiner Ueberraschung über die unbestimmte Antwort des Ministers Ausdru.
Nach einer Meldung des „Fanfulla“ find bei dem vor- stehend erwähnten Zusammenstoß in Livorno über sehzig Perjonen verhaftet worden; in der Nacht wurden noch einize Verhaftungen vorgenommen. Fast alle Verhafteten führten verbotene Waffen mit sich. Der „Opinione“ zufolge wurden in Livorno auch drei Polizei-Agenten und drei Civilisten leiht verwundet.
Die Nachriht von den Greuelthaten in New- Orleans, durch welche sechs der Ecmordung des Polizeichefs angeklagte, von der Jury aber freigesprohene S izilianer vom Pöbel mnassakrirt wurden (\. „Amezrika“) hat, wie man dent „D. C.“ telegraphirt, in Rom große Ecregung verursaht. Der „Popolo Romano“ giebt der Hoffnung Ausdruck, daß man in Washington sofort volle Genugthuung gewähren werde. Andere Blätter stellen die gleihe Forderung, erkennen jedoch an, daß sich unter den italienishen Auswanderern viel licht- scheues G.sindel befinde, welches, um der vaterländischen Justiz zu entgehen, in der Fremd? Verbrechzr-Genossenschaften gründe, welche die Mafia wieder aufleben ließen.
Portugal.
Die gestrigen Lissaboner Blätter bringen aus amtlicher Quelle stammende Nachrichten, welche die Londoner Meldungen aus Capetown und Durban bezüglih der Beschlagnahme des Dampfers „Counteß Carnarvon“ und bezüglih der Behandlung einer aus Engländern bestehenden Jagdgesellshaft in Beira bestätigen. Es wird hinzu- gefügt: der Dampfer „Counteß Carnarvon“ habe die Ab- wesenheit eines Regierungsdampfers benußt, um mit vollem Dampf den Limpopo hinaufzufahren, ohne auf die Signale des Zollpottens zu achten und zu stoppen. Die „Counteß Carnarvon“ sei durch den kleinen portugiesischen Dampfer „Mac Mahon“ angehalten worden. Die auf dem Schiffe be- findlicen - Waffen sowie die Munition seien für einige Häuptlinge an den Ufern des Limpopo, welche sämmt- lih der portugiesischen Regierung unterworfen seien, bestimmt gewesen. Die erfolgte Beschlagnahme sei durch- aus gerechtfertigt (vgl. „Großvritannien“). — Anlangend- die Angelegenheit bezüglih der englishen Jagdgesel[l- schaft wird der Hergang von den Zeitungen wie folgt dar- gestellt : Ein englischer Dampfer, welcher Beira passirte, habe dort zwei Boote mit Munition und zehn Mann Besaßzung zurüdckgelassen, Lettere hätten sich ohne jeden amtlichen Ausweis befunden; sie hätten deshalb als Piraten angesehen und von jedem Schiff, gleichviel welche Flagge dasselbe trug, festgenommen werden müssen. — Fn der Pairskammer bestätigte der Marine-Minister die obigen Nachrichten und verlas die bezüglichen Artikel der portugiesishe1 Verfügung, durch welche die Einfuhr von Waffen und Munition über die Ostküste Afrikas verboten wird. Der Minister fügte hinzu, die Waffen seien für die Häuptlinge der unter portugiesischer E stehenden Eingeborenen von Fnhambane bestimmt gewesen.
Türkei.
Agob Pascha hat, wie „W. T. B.“ aus Kon- stantinopel vom heutigen Tage meldet, seinen Posten als Finanz-Minister niedergelegt, behält jedoch das Portefeuille der Civilliste bei. Der Unter-Staatssekretär im Finanz- Ministerium Nazif Effendi übernimmt das Finanz- Ministerium. j
Der persische Botschaster Hadschi Mohsin Khan, der bisherige Doyen des diplomatischen Corps, hat seine Ent - lassung gegeben, welhe angenommen wurde.
Der „Ag. d. Const.“ zufolge haben die Botschafter Rußlands und Frankreichs eine Anfrage an die Pforte darüber gerichtet, welche Stellung die Pforte denjenigen Mächten gegenüber einnehmen wolle, welhe keine Handels- kfonvention mit Egypten abgeshlossen haben. Der Minister des Auswärtigen habe auf Grund eines Ministerrathsbeschlusses mündlich geantwortet: die dem Kbedive ertheilten Bestallungëfirmans enthielten auch in Betreff der Handelsfragen bestimmte Weisungen. Sollte der unwahrscheinlihe Fall eintreten, daß diese leßteren von Seiten Egyptens verleßt würden, so würde die Pforte die Jnteressen der betheiligten Mächte zu wahren wissen.
Die Kommission der Pforte, welhe das Verhalten des General-Gouverneurs von Albanien in Angelegenheit der Verleßung der montenegrinishen Grenze dur Malissoren prüfen soll, ist, wie dem „W. T. B.“ aus Cettinje vom 16. d. gemeldet wird, in Skutari eingetroffen.
Bulgarien.
Sofia, 16. März. Prinz Ferdinand, sein Bruder Prinz August und dessen Sohn sind zu einer mehrtägigen Jagd nach Burgas abgereist. :
Nach einer Meldung aus Neapel ist dort der frühere Kriegs-Minister Mutkurow plößlih verstorben; sein Tod erfolgte auf der Rückfahrt vom Theater. Der Minister-Rath entsandte eine Kommission nah Neapel zur Ueberführung des e ou nah Sofia. Die Bestattung soll auf Staatskosten erfolgen.
Ameêerika,
Vereinigte Staaten. Der italienische Gesandte de Fava hat, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, dem Staatssekretär Blaine einen \chriftlichen Protest gegen die passive Haltung der Behörden von New- Orleans während der jüngslen Vorgänge (\. d. gestr, Nr. d. Bl.) überreiht. Gleichzeitig wird die Regierung auf- gefordert, das Leben der italienischen Staatsangehörigen, das dauernd bedroht erscheine, zu s{hüßen und die Urheber des Blutbades wie ihre Vitschuldigen zur strengen Verantwortung zu ziehen. — Aus New-Orleans wird weiter berichtet : Wie verlautet, soll Parkerson, der Führer der Volks- menge, welche an den verhafteten Ftalienern Lynchjustiz übte, ein mit der Unterschrift „Die Mafia“ unterzeihnetes Shrift- stück erhalten haben, in welhem angedroht wird, daß er ge- tödtet und seine Familie vergiftet werden würde. Die gegen drei andere Jtaliener wegen Theilnahme an der Ermordung Hennessey's erhobenen Anklagen sind zurückgezogen worden ; dagegen befinden sich fünf andere Ftaliener noch immer in Haft und follen gerihtlich verfolgt werden. Der Staatëanwalt ist mit Erörterung der gegen die Geschworenen erhobenen Beschuldigung der Bestechung beschäftigt.
Zu den Vorgängen in New-Orleans wird der „Köln. Ztg.“ aus London noch Folgendes gemeldet:
Die in New-Orleans verübte Lynjustiz ist unerhört in der Ge- \hihte einer gesitteten Stadtgemeinde und übertrifft Alles, was in Amerika, seitdem der Wachausshuß in San Francisco unmittelbar nach der Entdeckung der Goldfelder cingeseßt worden, überhaupt auf diesem Gebiete geleistet worden ist, und wurde dennoch gar von namhaften Rechtsanwälten und Kaufleuten geleitet und von der Presse gebilligt. Die Ursache liegt in der Existenz geheimer Ge- selliwaften von Italienern, wie die Mafia, die aus Rachsucbt gegenseitig Meuchelmorde begingen. In kurzer Zeit waren 49 Morde vorgekommen. Als daher im vorigen Juni wiederum sech8s Morde ruchbar twourden, bes&loß die Stadtbehörde die Ausrottung der Mafia. Polizet- Dircktor Hennessy, der sich dabei auszeihnete, brachte fünf Sizilianer auf die Anklagebank, ward aber im vorigen Oktober mitsammt den Hauptzeugen selbst ermordet. Darauf organisirte der Bürgermeister eine Spezialpolizei, verhaftete eine Menge von Italienern, die der Mafia angehören sollten, und stellte neunzehn davon unter Anklage. Neun würden im vorigen Monat vor das Schwurgericht gebracht. Mittlerweile verbreitete sih das Gerücht, daß die Geschworenen von der Mafia bestochen seien, und als thatsäclich am Freitag sechs freigesproßen und Betreffs der übrigen drei die Jury uneins erschien, las man am Sonnabend in aüen Zeitungen einen Aufruf zu einer Versammlung aller guten Bürger auf dem City Square , um einem Schiffbruch der Gerechtigkeit vorzu- beugen; de:felbe {loß mit den Worten: „Kommt aktionsbereit !“ Tau'ende erschienen. Drei hervorragende Advokaten, Parkerson, Widliffe und Deneor, fahten die Entrüstung und den Blutdurft an und riefen: „Soll die Mafia unsere Bürger in den Straßen meucheln und die Geschworenen besteWen, daß die Mörder freigesprochen werden ?“ Darauf allgemeiner Aufbruh zum Gefängniß, an der Spitze 200 aus- gediente Soldaten. Unterwegs hielt man am Arsenal, wo Flinten und Pistolen herau8gereiht wurden Die Kerkerthür wurde mit Brecheisen bearbeitet, bis ein riesiger Neger sie mit der Axt einslug. Darcuf wurden funfzig mit der Ausführung des Lyrchurtheils beauftragt, drar.gen ein und erschossen sechs, die ins Weiberzimmer geflüchtet waren. Um die blutdürstige Menge draußen zu befriedigen, wurden zwei Italiener lebendig hinausge- \{leppt, einer an einem Baum aufgeknüpft und mit Kugeln durh- lôchert, ein anderer, an einer Laterne aufgehängt, fiel hinab und wurde wieder aufgeknüpft. Der Polizei-Direktor, welher mit einem Dugend Polizisten anlangte, wurde mit Fäusten bedroht und kehrte um. Schließlich hielt Parkerfon am Kerkerfenster an die Menge eine Schlußrede: „Die Gerechtigkeit is ges{ehen, die Mörder Hennecssy's sind todt, die Verantwortlichkeit dafür gebührt der bestohenen Jury, Das Volk verlangte den Tod, wir haben den Willen des Volkes er- füllt. Jeßt geht nah Hause!“ Darob jauchzte die Menge und trug Parkerfon auf den Schultern im Triumphzuge fort. Die Zahl der Ge- Iynchten beläuft ih auf elf.
Jn Beantwortung einer Fnterpellation, betreffend die Ver- handlungen im Deutschen Reichstage über gesalzenes amerikfanishes Schweinefleisch, erklärte der Sekretär der Landwirthschaft Nus k, dem „W. T. B.“ zufolge: Das kürzlich vom Kongreß angenommene G es eg garantire eine sorgfältigere Untersuchung des Fleisches, als solche in irgend einem Lande der Welt stattfinde. Die Vereinigten Staaten hätten lange Zeit die unwahren Angaben über ihr gesalzenes Fleisch ge- duldig ertragen; aber der Zeitpunkt sei dest gekommen, wo ein ungerehtes Verbot aufhören müsse. ie Beseitigung dieses
Uebelstandes, soweit sie die Geseße des betreffenden Landes gestatteten, müsse seiner Meinung nach verlangt werden.
Die kalifornische Legislatur hat, wie bestätigend gemeldet wird, die Anti-Chinesen-Bill genehmigt. Die Bill verfügt, daß alle in Kalifornien wohnhaften Chinesen
einer Legitimationskarte bedürfen, welche beweist, daß sie in Kalifornien leben; alle übrigen Chinesen werden ausge-
s{lofsen. Afrika.
Egypten. Die Londoner „Times“ bringt in einer zweiten Ausgabe vom Montag Abend ein Telegramm aus Kairo vom 15. März, welches besagt, daß nach Anficht gut unterrichteter Kreise die Einnahme von Tokar nur ein Theil eines weiter angelegten Aktionsplans sei, welcher auch die Einnahme von Berber als Vorbereitung zur Wieder- eroberung des Sudan einbegreife. Die Maßregel sei nothwendig geworden infolge des Vordringens FJtaliens gegen den Nil; aber andererseits sei sie auch nothwendig zum Schuß der friedlihen Bevölkerung gegen die Grausamkeiten der Derwische.
Ueber Stadt und Jnsel Sansibar bringt das zweite Heft des neunzehnten Jahrganges der vom Hydrographischen Amt des Reichs-Marineamts herausgeaebenen „Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie“ einige Daten, von denen wir folgende hervorheben :
Die Stadt Sansibar hat, da der ganze Handel des der Insel gegenüberliegenden Festlandes si in derselben vereinigt, eine bedeutende Ausfubr, besonders in Elfenbein, Kopal, Fellen, Färberflehten, Ge- würznelken und Gummi. Die Haupteinfußr besteht aus Perlen, Draht, Zeug, Kanonen, Pulver, Spirituosen, Reis und Eisenwaaren, fowie aus Kohlen, Getreide, Baumwolle, Manufakturwaaren 2c.
Alle Sorten ron Geld sind im Verkehr, aber es wird im All- gemeinen nach Dollars gerechn:t. Das Goldgeld ist meistens ameri- kanisch und das Silbergeld besteht aus Ruvien. Maria Theresia- Thaler sind gleiGfalls im Verkehr. Indishes Kupfergeld wird im Kleinbandel benutt.
Den besten Theil des kultivir?en Landes haben Araber im Besig, welhe auf ca. 4000 geschäßt werden. Die Banians oder Hindus (Eingeborene aus Cutsch) sind die Haupthändler in Sansibar und wobl die reisten der Stadt. Es leben ca. 1000 Banians und ca. 3000 Hindus daselbst. Der Rest der Bevölkerung besteht aus Neaern, deren Zahl sich auf ca. 200 000 belaufen dürfte, von welen 80 bis 100000 in und bei der Stadt leben.
Bei der Spiße Schangani befinden sich einige große Tanks zum Auffangen des Regenwassers. Das Wasser aus der Stadt sollte man nit benüßen, da die Brunnen durch die Abgänge aus den Häusern meist verunreinigt sind Frisher Proviant und Koblen sind zu haben, und man kann von leßteren in 24 Stunden ca. 250 t einnehmen.
Die Stadt Sansibar hat ungefähr 80 000 Einwohner, unter welchen sih ca. 85 Weiße befinden. Die Truppen des Sultans zer- fallen in reguläre und irreguläre; erstere verrihten gleichzeitig den Polizeidiensi und sind aus Landeseingeborenen zusammengeseßt, un- gefähr 2500 Mann. Die irregulären Truppen bestehen aus frei- willigen Arabern 2c. ; diese haben keine stramme militärishe Organi- sation, ibre Bewaffnung und Bekleidung ift gleih bunt, da sie beides selbst beshaffen müssen. Das Artilleriematerial besteht aus steben 9 cm Armiirong- und einigen gezogenen Rohren anderer Sorten als Feldgeshüß und aus alten Vorderladern verschiedenen Kalibers als Festungsge\chüs. Das Marinezaterial besteht aus einer Korv tte, einer Yacht und sechs Dampfern. Die Korvette wird nur als Hafen- {if benugt. :
Hafenabgaben sind in Saysibor außer den gewöhnlichen Konsulats- gebühren nicht zu entrihten, Der Tagelohn für Arbeitsleute beträgt 20 Pefa, die Miethe für Ladungsboote einschlicklich der Boots- mannschaft beträgt 5 bis 6 Dollar den Tag. Der Dollar, nah welWem dort gérechnet wird, ift der ösfterreiwische Maria Theresia- Thaler im Werthe von ca 4,25 4; 1 Dollar hat 120 Pesa und 28 Pesa ca 1 # Eine größere Reparatur läßt sich in Sansibar nicht ausführen, da es weder Docks xoch Werften giebt
Die Leichenfeierlichkeit für Dr. Windthorst.
Gestern Abend hat die Aufbahrung der Leiche Dr. Windthorst's im Schiff der Hedwigskirhe nah . den Anordnungen des Grafen Ballestrem stattgefunden. Der \{chwere Metall- sarg, der mit goldenen Ocnamenten und vier goldenen Engelsgestalten geschmüdckt ist, wurde aus der Krypta herausgehoben, um die Kirhe getragen und durch den durch Lorbeerbäume flankirten Haupteingang in die Kirche hineiigebraht. Die Aufbahrung geshah auf dem großen Katafalk, der inmitten des Schiffes errichtet war. Am Fuß: ende wurde der Kranz Seiner Majestät des Kaisers, am Kopfende der des Prinz-Regenten von Bayern be- festigt. Unter den sonstigen Blumenspenden is zu erwähnen ein großer Kranz, den „seinem großen in Allem treuen Windthorst“ „der ihm ergebene Wahlkreis Meppen“ gespendet hat. Aub der Reichskanzler von Caprivi und die Minister haben, wie die „N. A. Z.“ mittheilt, ihre Theilnahme in Kranzspenden bekundet. Ein kostbarer Kranz trug die Widmung „Der Verband katholischer Studentenvereine Deutschlands“. Unter den sonstigen Blumen- spenden seien noch die des Fürsten Ferdinand Radziwill, des Grafen und der Gräfin Chamaré und des Geheimen Kom- merzien-Raths von Bleichröder erwähnt.
Heute Vormittag um 10 Uhr fand für den Verstorbenen in der Hedwigskirche ein feierlihes Requiem statt. Die Kirche war mit grünem Laube reich geschmüdt, Vor dem Sarge lagen auf zwei shwarzen Kissen die Orden des Verstorbenen ; ein reicher Blumenflor umgab den Sarg in weiter Umgebung.
Die Pforten des Gotteshauses öffneten sich bereits um 9 Uhr, und bald war der weite Raum mit Theil:ehmend-n dicht gefüllt. Jm Auftrage der Centzumsfraktionen machten die Abgg. von Buol und Dr. Porsch die Honneurs, die Beamten des Reichstages und des Abgeordneten- hauses sorgten mit den Mitgliedern der katholischen Vereine, deren Bannerträger gleich den Deputationen der Studenten in dea Seitengängen Aufstellung ge- nommen hatten, für die Ordnung. Seine Majestät der Kaiser hatte den General à la suite General-Major Grafen von Wedel zur Feier entsandt; für den Großherzog von Baden erschien der Flügel:Adjutant Freiherr von Gagern ; der Prinz- Regent von Bayern und die Souveräne von Sachsen, Würt- temberg, Mecklenburg, Sachsen-Weimar, Braunschweig u. \. w. wurden durch die Vertreter beim Bundesrath repräsentirt. Auch der badische Gesandte wohnte der Feier bei. Es erschienen ferner der Reichskanzler von Caprivi, der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Freiherr von Marschall, die Staats- Minister von Boetticher, von Schelling, Freiherr von Berlep\ch, Herrfurth, Miquel, von Heyden, von Goßler und von Putt- kamer, der Minister des Königlichen Hauses von Wedell, der Direktor im Reichs-Schaßzamt Aschenborn, der Ministerial- Direktor Bartsch und viele andere hohe Be- amte, der General der Jafanterie von Verdy, der General- Lieutenant von Spiß und einige andere Offiziere. Die Mit- glieder der Parlamente waren nahezu vollzählig anwesend. | Im Uebrigen füllte eine dihtgedrängie Menge den von |! Weihrauchduft erfüllten Raum. Kurz vor 10 Uhr begaben
sich der Bischof Aßmann und der Propst Dr. FJahnel mit
30 Geistlihen in feierlihem Zuge von der Sakristei nach dem Portal der Kirche, um hier den Fürstbishof Dr. Kopp zu empfangen und unter Orgelklang in den geweihten Raum zu geleiten. Unmittelbar darauf begann das feierliche Requiem, dem die Haller'sche Komposition zu Grunde gelegt war. Nach dem Requiem nahm Fürstbischof Dr. Kopp das Wort zur Trauerrede:
„Wir stehen hier“, so führte der Fürstbis@of aus, „am Sarge eines Mannes, defsea Namen von den Katholiken Deutschlands mit unbe- grenzter Ehrfur§t und beispielslosem Vertrauen genannt wurde und der au über die Grenzen der deutshen Gauen hinaus ein Gegenstand bewundernder Verehrung gewesen ist, Tief bewegt über den Verlust des hoŸbegabten und hochvervienten Todten stehen wir jeßt an diesem Sarge, und trauernd lenkt das fkatholishe Deutsc- land seine Augen auf diese Stätte. Der Mund des Menschen is außer Stande, - die Veehrung zu \childern, welche seine Glaubens8genossen ihm dargebracht. Aber mögen auß Mane mit ihm nicht einer Ansi{t gewesen sein, Angesichts seines Todes sind Alle in dem éinen Vetühl vereint, in dem Gefühl auf- rihtiger Theilnahme über seinen Verlust, der uns seinen Werth erst recht empfinden läßt. Sein Lebensweg führte ihn durch sebr ver- \{lungene Wege, aber wie vershlungen auch die Wege waren, das fatholishe Volk ist an ihm nit irre geworden. Er war ein Mann von hoher staatsmännish:r We*sh:it, er war ein bedeutender Mann; darüber sind Alle einia, welch{er Richtung sie auch immer scin mögen, er war cin Mann von großer Begabung. Bewundernswerth an ihm war vor Allem das Verständniß, mit dem er in den \{wierigsten Fragen immer das Richtiae traf; er war ein Freund und Vorkämpfer der Wahrheit und fest und uner|chütterlich in seinen Grundsätzen, in sein:m Handeln und in seiner Ueberzeugung, Er war von seltener Arbeitskraft und nie heute er Mühe und Last; er war aber auch, und das darf man niht vergessen, um ihn ganz zu würdigen, ein guter Patriot. Nie hat er etwas gethan, was mit seiner Unterthanenpflict in Widerspruch gestanden. Wie groß auch seine Anhänglichkeit an das angestammte Fürstenhaus, dem er so lange gedient, an sein liebes Heimathland war, es binderte ihn toch nit, seine Arbeitskraft dem neugeeinten deutischen Vaterlande und Preußen treulich zu widmen und, wenn auchch mahnend und warnend, jo doch immer pflichtge- treu an der Neugeftaltung der Verhältnisse mitzuwirken. Niht war es Nuhwsuckt, welche ihn bei diesem seinem Thun leitete, sondern allein das Pflichtgefühbl ließ ihn freudig alle Entbehrungen und Auf- regungen des parlamentarishen Lebens auf sich nehmen. Aber nit allcin die bürgerlihen Interessen nahmen seine Thätigkeit in Anspru, er war auch ein treuer Diener uud Vorkämvfer Teer de Der slels berett wax. ur ie cinulreten, wenn er sie bedroht sah. — Nun hat der Tod s\eine rubmvollen Bahnen beendet, zu früh für die Seinen, für die Freunde, für seine Kirche. Hat aber Gott auch seinen Leib uns entrissen, sein Geist bleibt bei uns, Wir alle bezeugen ihm an seinem Sarge, das er einen guten Kawpf gekämpft. Gott gebe uns das, wofür er gekämpft, was er erhofft “
_ Hierauf vollzog der Fürstbishof die Einsegnung der Leiche. Jnuzwischen ordnete sih vor der Kirche der Trauerzug der Vereine sowie der Studentenverbindungen. Alsdann wurde der Sarg hinausgetragen und von den Versammelten entblößten Hauptes empfangen. Jn dem Zuge, der fih nun- mehr in Bewegung seßte, {ritten dem Sarge voran die Vereine und der Klerus, dem Sarge folgten die Abgeordneten und die übrigen Leidtragenden. Die Leiche wurde nah dem Lehrter Bahnhof überführt, wo ein Extrazug nah Hannover bereit stand.
Wie die „Germania“ berichtet, ist von Rom aus folgendes Telegramm vom Kardinal-Staatssekretär R ampolla an die Centrumsfraktion eingetroffen:
„Mit tiefem Schmerze hat uns die telegraphishe Nach- riht von dem Tode des hohberühmten Mannes Ludwig Windthorst, des unermüdlihen Vertheidigers der Nechte der Kirche, erfüllt. Der h. Vater sendet heiße Gebete für die ewige Ruhe dieser hochbegnadeten Seele zu Gott empor. Kardinal Rampolla.“
Die „Kölnische Volkszeitung“ bespricht die ehrende Theil- nahme Seiner Majestät des Kaisers für den Abg. Dr, Windthorst und bemerkt dabei, dieselbe werde von den preußischen Katholiken dankbar vermerkt und empfunden.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (91,) Sizung des Reichstages, wel" er die Staats sekretäre Dr, von Boetticher und Freiherr von Marschall beiwohnten, erklärte vor Eintritt in die Tages- ordnung der Abg. Dr. Bö ck- l in Erwiderung auf die gestrigen Ausführungen des Abg. Dr, Gutfleisch, daß er seine in der zweiten Lesung gemachten Aeußerungen gegen zweiRehtsanwälte auf einen Brief gestüßt habe, den er Jedermann zur Einsicht zeigen wolle und in welchem der betreffende Klient aufgefordert wurde, bis übermorgen 50 M zu zahlen, sonst könnten die Rehtsanwälte die Revision nicht cinlegen. Jeder denkende Leser des Briefes müsse zu denselben Folgerungen kommen wie er.
Als erster Gegenstand stand auf der Tagesordnung die Berathung des s{leunigen Antrages der Abgg. Zimmer- mann und Genossen wegen Aufhebung eines Strafverfahrens gegen den Abg. Werner für die Dauer der Session.
Der ‘Antrag lautet :
den Herrn Reichskanzler zu ersuhen, zu veranlassen, daß da3 gegen das Mitglied des Reichstages Werner beim Königlichen Amtsgericht zu Kassel wegen Beleidigung \{webende Strafverfahren für die Dauer der Session eingestellt werde.
Bei Schluß des Blattes begründete der Abg. Zimmer- mann diefen Antrag.
— Ju der heutigen (60.) Sißung des Hauses der Ab- geordneten, welcher der Minister der öffentlihen Arbeiten von Maybach und der Finanz-Minister Miquel nebst Kommissarien beiwohnten, wurde die zweite Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts-Etats für 1891/92 fort- geseßt, und zwar beim Etat der Eisenbahnverwaltung. Gegenüber einer Beschwerde des Abg. Schmieding über die Schienenübergänge im Niveau der Straße in Dortmund, wies Minister von Ma ybach darauf hin, daß ihre Beseiti- ung in der örtlihen Beschaffenheit große Schwierigkeiten nde und die Entscheidung niht überstürzt werden dürfe.
Abg. Broemel begründete einen von ihm zu Kap. 10 Tit. 1 eingebrahten Antrag.
Bei Schluß des Blattes sprach Minister von Maybach.
__— Die Budgetkommission des Reichstages hat gestern abermals die Frage der Kameruner Anleihe be-
rathen, aber die Entscheidung verschoben. Ueber die Ve: hand- lungen entnehmen wir der „N. A. Z.“ Folgendes :
Der Geheime Legations-?cath Kayser hatte am Sonnabend unter Darlegung der wegen der Anleihe gemahten Offerten an der Hand des Gesetzes gegen den Abg. Richter nahgewiesen, daß sich die
Regierung bei Aufnahme der Anleihe durchaus auf verfassungë-