1891 / 85 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

einer großen Reihe von allgemeinen Landesverwaltungéangelegenheiten mit vollem Recht eine sehr weitgehende Mitwirkung eingeräumt worden ist, daß dies aber niht geschehen darf bei der Entscheidung der Frage der gesammten Organisation der Kommunal- verbände. Meine Herren, ih erkenne das, was der Hr. Abg. von Rauchhaupt und der Hr. Abg. von Huene in Betreff der Noth- wendigkeit der Beibehaltung der Autorität des Kreisaus- \chusses in dem allgemeinen Rechtsbewußtsein ausgeführt haben, voll an. Wenn mir früher von einer Seite vorgeworfen worden ist, ic unterschäßte die Sahkunde und die Unbefangenheit, mit der die Kreisaus\chüsse derartige Fragen der allgemeinen Landcs- verwaltung im Grunde besser zu erledigen im Stande seien als die Herren am grünen Tis in der Regierung oder in der Centralinstanz, so ist das nit der Fall, und ich kann dafür einen sehr \s{lagenden Beweis führen. In dem ersten Jahre meiner Amtsthätigkeit als Minister, als es sich darum handelte, in der Provinz Posen die neue Verwaltungéorganisation einzuführen, aber unter Beibehaltung der alten ständishen Kreisordnung, bin ih dafür mit eingetreten, daß der Kreisaus\chuß als integrirender Theil der neuen Ver- waltungsorganisation aus der Kreisordnung in die Provinz Posen mit übernommen werde; denn ih erkenne an, daß der Kreis- aus\{uß nicht bloß für die Verwaltung der Kreis-Kommunalangelegen- heiten, soazdern in einer großen Reihe von Angelegenheiten der allge- meinen Landesverwaltung, nicht bloß für die im Wege des Ver- waltungsstreitverfahrens zu entscheidenden Differenzen über öffentli rechtlihe Verpflichtungen Einzelner, sondern auch für die im Besluß- verfahren zu erledigende Regelung einzelner öffentli rechtlicher Ver- hältnisse durhaus die geeignete, ja die unentbehrlihe und unerseßzlihe Instanz ist. Dasfelbe gilt von den sonstigen Selbsiverwaltungs8- organen.

Aber, meine Herren, fo voll ih auf diesem Standpunkt stebe, bier, wo es auf die allgemeine Organisation der kommunalen Verbältnisse ankommt, ist es niht mögli), die Entscheidung in die Hand der Selbstverwaltungsorgane zu legen und den Staat unbedingt an deren Entscheidung zu binden. Hier muß ihm die Möglichkeit ge- geben werden, seinerseits eingreifen zu können, nicht bloß allgemeine Anordnungen und allgemeine Prinzipien für diefe Regelung vorzu- schreiben, sondern auch in einzelnen Fällen dafür zu forgen, daß diese Prinzipien zur Anwendung gelangen!

Jch kann deshalb nur den Wunsh aussprehen, daß die Kom- promißvorscläge zu §. 2 mit ciner so großen Majorität aagenommen werden, daß Hr. von Huene sih niht versuht fühlt, für die dritte Lesung eincn Vorschlag zu machen, der, wie ich glaube, entschieden eine Verschlechterung nicht nur der Regierungsvorlage, sondern au der Kommission8vorshläge enthalten würde. Nachdem {ließli in der Kommission nah sehr vielfahen uad zum Theil schr weitgehenden und \charfen Differenzen eine volle Einigkeit erzielt und der Entwurf in der Fassung der Kommissionebeschlüsse einstimmig angenommen worden ist, hoffe ich und wünsche ih, daß eine gleihße Einstimmig- keit aut hier in dem Plenum sich für den Eniwurf der Landgemcinde- ordnung zusammenfinden möge

Abg. Dr. Krause erklärt, daß seine Freunte für die Vorlage, wie sie von der Kommiision gestaltet sei, stimmen würden, wenn fie au nicht damit einverstanden \cin könnten, daß nur in den drei

bezeichneten Fällen das öffenilice Interesse vorliegen solle; besser

würdoe es gewesen sein, diese drei Punkte nur als Beispiele anzu- führen, Aber aus der Abwesenheit jedes. Aenderungsantrages sei zu ersehen, daß scine Partei beim Kompromiß fieben bleibe.

Abg. von Meyer (Arnswalde) führt aus, daß auf dem platten Lande eine große Abneigung bestehe gegen alles, was irgendwie aus- sehe wie eine Sawmtgemeinde; darin sche man nur eine burcau- fratishe Verschieterung. Das Bedürfniß nach einer neuen Land- gemecindeordnung sei durchaus ni@t nachgewiesen. Die Vorlage be- | haupte allerdines, daß 4900 Gutsbezirke mit Landgemeinden im Ge- | menge lägen. Er müsse das entschieden besireiten; man habe dabci alle Gutsbezirke mitgerechnet, welhe neben den Gemeinden lägen. Er erkläre si) dethalb gegen den §,. 2.

Abg, Dr. Ritter: Er müsse im Segensaß zum Vocrednec die Annahme der Vorlage als Nothwendigkeit bezeihnen. Exc hoffe, daß an den Kommissionsbes{lüssen werde fesigehalten werden und die Anträge der Linken abgelehnt würden. Die bloße Anhöcung der Kreisausschüsse genüge nit; die Nebte dec Krone würden nit berücksichtigt durch die Wirkung derselben. Die lokalen Rücksichten auf die besorderen wirthschaftlizen Verhältnisse der Ge- meinden, welche mit einander vereinigt werden sollten, die Regelung des Stimmrechts 2c. und ôhnlihe Fragen müßten | von lokalen Instanzen geregelt werden, wenn nicht eine Vereinigung mehrerer Gemeinden große Unzufriedenheit erregen soile. Die Vororte Berlins und anderer Städte hätten ja kein Interesse daran, daß die Kreiëgus\hüsse mitwirtten bei einer Vereinigung mehrerer Gemeinden. Anders lägen auf dem platten Lande, wo man j die Mitwirkung der Kreisausshüsse nicht werde entbehcen wollen, | die Verhältnisse. Wenn der Begriff „öffentlihes Interesse“ fest- gestellt werte, dann werde das Mißtrauen der Gemeinden gegen Maßregeln auf Grund dieses Gesehes abg:\ch{wächt werden. Es liege übcrhaupt fein Grund vor, weshalb man die Kreisaus|chüsse von diesem Wisch ausschlicßen solle; man habe die Aufregung der Gemeinden kennen gelernt urd sollte si deshalb hüten, auf die An- regung dcr Linken einzugehen, welche auf die Zukunft \pekulire.

Abg. von Schalscha hält es für unzweckmäßig, neben den Selbstverwaltungsbehörden ¿ auch bie Staatsbehörden mit bviesen Fragen zu beschästigen, wie dics in Betreff des Ober-Präsidenten und des Staats-Ministeriums geschehen solle. Wenn an die Stelle des Ministers des Innern das Staats-Ministerium getreten sei, fo sei das volisländig dasfelbe. Die Vorlage sei eine Blendlaterne ; Fe beleuchte einen nah links führenden Wepo, und diejenigen, die an diesem Wege Interesse hätten, glaubten, daß diescr Weg eingeschlagen werden solle, Aber wenn tie Quelle des Lichtes erlösche, dann würden sie ch im Dunkeln bkfinden und diesem Wege nicht mehr folgen können, Im Lande rufe die ganze Landgemeindeordnang eine große Beunrubigung hervor. Die Bundes8genossenschaft, welche der Minister gefunden habe, solite ihm zeigen, daß die Gegner der Vorlage niht im Entferntcsten an eine Verlezunz der Rechte der Krone derken.

Abo. Sombart erklärt sih sür die Zusammenlegung von Ge- meinden und Gutsbezirken, weil allein dadur eine Cinigung erzielt werden könne, Nicht Hader werde aus dieser Vereinigung entstehen, vielmehr würden sonst die Gutsbezirke mit ihren zwei Milüionen besizlosen Einwohnern sehr bald die Beute der Sozialdemokratie werden. Redner ertlärt für \scine Perfon, daß er für den Antrag der freisinnigen Partei stimmen werde.

Abg, Rickert: Sebr bedeutungsvoll sei es gewesen, daß bei der Erklärung des Abc. von Meyer, cs sei kein Bedürfniß für die Landgemeindeordnung vorhanden, auf der reten Seite mehrfah Beifall laut geworden sei Daß der Minister ih niht gegen die Kommission ausgesprochen habe, sei eine ganz gute Ertwicklung zum Parlamentarismus. Wenn ein Minister aus der Aera Bismark sich cinem Beschlusse der Mehrbeit füge, so hoffe er (Redner), daß dies auch im anderen Falle ebenso sein werde, wenn später cinmal ein anbercs Haus hier versammelt sein werde, Daß die Bundesgenossen- \chafi sener Partei so besonders angeschwärzt worden sei, sel niht rôthig gewesen. Die Minister kennten deren Absichten; sie sei

ja von der offiziósen Presse immer \{lecht i worden, Sie nchme die guten Vorlagen der Regierung an, ohne irgend eine Gegenleistung zu verlangen. (Zustimmung links; Widerspru rets.) Die Kréeisaut{hüfse könne man hier niht ent- scheiden lassen; solhe Staatsverwaltungsfraaen kämen ihnen nit zu. Am Besten würde es sein, wenn dem Minister auf fünf Jahre viel- leiht die Vollmacht ertheilt würde, die jeßigen \chlechten Verhältnisse zu verbessern. Denn nur die Aufrechterhaltung der verrotteten Zu- stände ebne den Boden für die Sozialdemokratie. Der Abg. Frei- herr von Huene wolle die Vorlage annehmen aus Furcht vor der Zukunft ; seine Partei nehme sie an in Zuversicht auf die Zukunft, von welHer sie hoffe, daß sie eine bessere Gestaltung der Grundlagen bringen w-rde, auf welchen \sich unser Staatswesen. aufbaue.

Abg. Dr. von Hepdebrand und der Lasa wendct fich gegen die Auéführungen der Abgg. von Huene und von Schailsäja und be- \treitet, daß das Kompromiß eine Abweihung von dem Stand- punkte enthalte, welchen die Konservativen immer etngenommen hätten; eine Gegenleistung hätten sie nicht erwartet undo verlangt, auch nicht im Neichstage. Die Konservativen hätten nur aus sa- lihen Gründen ihre Entscheidung getroffen, (sie wollten verbindern, daß die Geseßgebung über ein thatsächlihes Bedenken einfa hinweg- gehe, Das hâtten sie dur den KommissionsvorsÏkag erreicht.

Damit schließt die Debatte.

Die Vorschläge der Kommission werden unverändert an- genommen, nachdem der Antrag Rickert auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage abgelehnt war. :

Nach einem Antrag des Abg. von Strombeck soll als 8. 2a eingefügt werden: „Das Vermögen der vereinigten Landgemeinden geht auf die neugebildete Landgemeinde über.“

Abg. von Strombeck: Die Bestimmungen der neuen _Land- gemcindeozdaung würden einshneidender wirken, als jeßt vielleicht zu Übersehen sei, besonders abec in vermögensre@tlicher Beziehung. _VBE Zusammenlegung zweier Gemeinden vershwänden beide, was geschehe mit dem Vermögen derselben? Er halte es für richtig, daß hierüber in dem Gefeß selbst Bestimmungen getroffen würden, und bitte des- halb um Annahme feines Antrages.

Minister des Jnnern Herrfurth:

Meine Herren, mit demjenigen, was der Antrag des Hrn. Abg. von Strombeck bezweckt, ist die Staatsregierung einverstanden, und dies war au die Ansicht der Komtuission, als in derselben ein gicich- artiger Antrag von dem Hrn. Abg. von Strombeck zestelt wurde. Es wurden aber ni&t nur g:gen die Fassung dieses Anirages, sondern auch gegen die Nothwendigkeit einec derartigen geseßlilWen Bestim- mung überhaupt in der Kommission fo viele Bedenken geltend ge- macht, daß \sich Hr. Abg, von StrombcF veranlaßt sah, den Antrag zurüdzuziehen, und sih die tedereinbringung desselben für das Plenum vorbehielt, J kann meinerseits mi auch nur auf die Erklärungen beziehen, welche ih in der Kommission abgegeben habe. Ich halte diesen Antrag nit für nothwendig, niht für er- \chöpferd und gerade deswegen für bedenkli.

Meine Herren, darüber ift, id, kteia Zweifel, daß der 8, 192 des Landreis, wona der Staat Successor des Vermögens aufgebobener Korporationen werden f wenn zwci Gemeinden zu einer Gemeinde, meinde zu einer Gemeinde vercinigt werden. E82 ift aber aub nicht nöthig, daß eine derartige Bestimmung getroffen wird, weil wir in dem §, 3 eine Bestimmung dahin haben, ß Über die weitere vermögensreilihe Auseinandersetung ein besonderes Verfabren ftatt- finden soll,

Wenn der Hr. Aba. von Strombeck darauf hingewiesen hat, daß das Ausfübrungsgeseß zu dem Reich8geset über den Unterstüßungswehnsitz eine ähnliGe Bestimmung, wie er sie beantragt, enthalte, so bat dies darin seinen Grund, daß in jerem Gesetz ein sonstiges weiteres

AuscinandersetzungEsverfahren nicht vorgesehen ist, Jch erinnere aber

daran, daß alle übrigen G-emeindeverfassung3zeseßze, die ähnlih?: Be- ftimmungen über die Vereinigung aller Gemeinten haben, Städtie- Ordnungen und Landgeineindz-ODrdnungen, cine folwe Bestimmung nicht für nothwendig erachtet haben, daß in der Praxis auch ein Be-

| dürfniß bierzu nirgends bemerkt worben ist, und ich glaube deëhalb,

daß es nicht erforderlich, ja aber auh nicht erwünscht ift, hiec eine derartige Bestimmung, die übrigens auch in ihrer Fassung ohne Be- zugnahme auf einen bestimmten Absaß des §. 2 nicht: ganz verständ- lich sein möchte, einzuführen. Ich biite um die Ablehnung des Antrages.

Nbg. Dr. von Heydebrand und der Lasa: Er glaube, man Éönne woht1 für den Antrag stimmen. Da dieser aber das in § 3 bestimmte Versahren voraus]etze, möchte er bitten, den Antrag Strom- bedck als §. 5a in das Gesctz cinzufügen.

Abg, von Strombeck ist miï diesex Aenderung einverstanden,

Die Ubgg. Dr Krause und Rickert wenden sh gegen den Antrag Strombeckck, ven fie für überflüssig erklären, während Abg, Dr, von Heydebrand und der Lasa Hervorhebt, daß ohne diese Mestimmuncaen wohl Weiterungen möglich seien. y :

Der Antrag wird als §. 3a angenommen; ebenso die S8. 3 bis 13. i : ,

8, 14 bestimmt, daß Zuschläge zur Staats: Einkommensteuer und besondere direkte Gemeindeabgaben nicht ohne gleichzeitige Heranzichung der Grund- und Gebäudesteuer oder Einführung besonderer direkter Gemeindeabgaben vom Grundbesiß, und daß andererseits Zuschläge zur Grund- und Gebäudesteuer oder besondere direkte Gemeindeabgaben nicht ohne gleichzeitige Heranziehung der Staats - Einkommensteuer erhoben werden dürfen. Die einzelnen Steuergattungen sollen nah verschiedenen Prozentsäßen herangezogen werden dürfen, doch muß dieser Prozentsag bei Grund- und Gebäudesteuer sowie bei den beiden obersten Klassen der Steuer vom Betriebe stehender Gewerbe mindestens die Hälfte und darf nicht mehr als den vollen Betrag des Steuersaßes betragen, mit welchem die Staatseinkommensteuer belastet wird. Den Vorschlag der Negierungsvorlage, daß die Gewerbefieuer von der Heran- ziehung ganz freigelassen werden kann, daß sie aber keinesfalls mit einem höheren Prozentsay als die Grund- und Gebäude- N herangezogen werden darf, hatte die Kommission

estrihhen.

Bel Hierzu liegt ein konservativer Antrag vor, nah welchem bei der Vertheilung der Abgaben nah Prozentsäßen die drei ersten Klassen der Gewerbesteuer berücksichtigt werden sollen, bis zum 1. April 1893 sollen an Stelle der drei ersten Klassen der Gewerbesteuer die Klassen A. 1 und A. 2 der seiherigen Gewerbesteuer treten. /

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lafa ist der Meinung, daß durch die Fassung, welhe der konse:vative Antcag dem Para- graphen gebe, die Bedenken, welche der Vertreter des Finanz- Ministeriums in der Kommission gegen die Heranziehung der Ge- werbetreibenden dritter Klasse zur Gemeindesteuer geltend gemacht habe, beseitigt scien, und hofft, daß die Staatsregierung ihren Wider- fpruch nunmehr aufgeben werde.

Minister des Jnnern Herrfurth: In der Kommission war Anfangs zu §. 14 der Antrag gestellt,

fämmtliche Klassen der Gewerbesteuer in gleicher Weise wie die

genug gemadt } Grund- und Gebäudesteuer obligatorish zur Aufbringung der Gemeinde-

abgaben heranzuziehen. Die Bedenken, welche namentlih von Seiten des Finanz-Ministeriums damals gegen diesen Antrag geltend gemacht worden sind, haben si), wie ih anerkennen muß, zu einem großen Theil durch diè Modifikation erledigt, welche der Antrag in seiner jeßigen Faffung erhalten hat, und die Gründe, welhe namentlich gegen die Heran- ziehung der vierten Klasse der Gewerbesteuer geltend gemacht worden sind, baben ja auch nah den Ausführungen des Hrn. Abg. von Heyde- brand volle Berücksihtigung gefunden, Insofern kann ih also erklären, daß dieser Antrag nicht mehr den Widerspruch bei der Königlichen Staatsregierung findet, den der ursprüngliche An- trag gefunden hatte, Immerhin glaubt die Köñiglihe Staatsregierung es doch niht für wünschenswerth erachten zu sollen, soweit, wie es na dem vorliegenden Antrage in Betreff der Klasse ÀLT und ATlI jeßt geschehen ist, in der Belastung des Gewerbebetriebes zu gehen, namentlih mit Rücksiht auf die Höhe, welche in den oberen Klassen die Gewerbesteuer erlangt. Jh möchte deshalb glauben, daß immer- hin die Bestimmung der Regierungsvorlage, wel@e nur die beiden der jetzigen Gewerbesteuerklasse AT entspreenden obersten Klassen als obligatorisch in, Betreff der Heranzichung bezeihnet, den Vorzug vor diesen Anträgen verdient,

Ein durchschlagendes Bedenken jedoch ist Seitens der Köziglichen Staatsregierung gegen diese Anträge auch nicht geltend zu machen, nachdem dieselben die vorbezeihnete Modifikation erfahren haben. Jum Uebrigen wollte ih mir noch die Frage gestatten: ift cs richtig, wenn ic Hra. von Heydebrand so verstanden habe, daß der Schlußsaz seines Antrages (statt der beiden obersten die drei obersten Klassen zu sctzen) fallen gelassen werden foll? (Zustimmung.) Darn braute ih also auf diesen Antrag nit weiter einzugehen.

Abg. Freiherr von Zedliß empfiehlt ebenfalls den Antrag; namentli die Heranziehang der Gewerbesteuer zu den Zuschiägen sei nothwendig, weil die Gewerbeb?triebe auf dem Lande gerade die Kommunallaften vermehrten. i E ___ Abg. von Rauchbaupt: Seine Partei habe auch die Heran- ziehung der Grundsteuer zu den Zuschlägen von der Hälfte guf cia Drittel ermäßigen wollen, habe aber troy der Belastung des Grundbesizes davon Abstand genommen, weil dann neben die Maß- stäbe von 59, 100, 1509%/ Zushlag noch ein Zuschlag von 333 % treten würde. 2 j : i __ Abg. Richter hält es für bedenklih, ein neucs Prinzip, die Heranziehung der Gewerbefteucr zu den Kommunalzushlägen, hinein- zuwerfen in dem Augenbli@Fe, wo die Regierung für die nächste Session bercits ein neues Gese über die Gemeindebesteuerung angekündigt habe. DicseNeuerunz würde alsbald wieder geändert werden müssen; dadur werde die Kenntniß der Gescßze niht gefördert. Es fet über- haupt wunderbar, wie wenig das Finanz-Ministeriam fich darum kümmere, daß diese Landgemeindeordaung durbgeführt werde in Ver- bindung mit der Steuerreform. Man habe die Landgemeinden nicht ver- pflichtet, si an die Tarire des Einkommensteuergeseßes zu halten. So- wen1g wie der Minifter des Innern bei dem Einkommensteuerges:8 fei der Finanz-Minister bei diesem Geseß? mitwirkend - gewesen. Vaß die Grandsteuer zu Zuschlägea herangezogen werde, sei damit begründet, daß die kommunalen Aufwendungen vorzugsweise dem Grundveßz zu Gute fämen. Aver das treffe nit zu für die Gewerbebetriebe, namentli nit für die niedrigeren Gewerbesteuerk(assen, wo die per- fönliwe Arbeit cine größere Rolle spiele.

Abg. von Rauchhaupt hält es ger Landgemeinden für nothwendig, auth die d Gewerbesteuer ea s

Abg. Richter bâlt cs nit für richtig, dieses neue Prinzip jeßt so nebenher einzufüßren. O Í :

Abg. Freiherr von Huene hält die Annahme des konservativen Antrags doch für zweEmäßig, namentlich da die nicht befigenden Gle- mente der Landgemeinden ja auh Stimmrecht erhalten sollten.

Der Antrag der Konfervativen wird gegen die Stimmen der Freisinnigen und Nationalliberalen angenommen.

Darauf wird die Berathung vertagt.

Präsident von Köller macht darauf aufmerksam, daß heute be- züglih des Geseßes über die Aenderung des Wahlverfahrens eine Aenderung vorgenommen sei. Die ¿weite Abstimmung, wele die Berfassung für Verfassungsänderung vocshreibe, müsse also nochmals nah 21 Tagen wiederholt werden, da die zweifache Abstimmung fich auf denselben Wortlaut beziehen müsse. 2

Abg. Freiherr von Heereman erklärt, daß die Frage besser heute niht entschicden, soudern der Geshäfisoronungskommission über- wiesen werden könne. H i S

Abg. Freiherr vo 1 Zedliß glaubt, daß eine noGmalige Ab- stimmung nit nothwendig sei, denn an dem Wortlaut der eigent- lichen Berfassung8änderung sei ja nichts geändert, A :

Die Ubgg. Rickert und Hobrecht halten diese Auslegung nicht für ritig. n i

Auf Antrag des Abg. Freiherrn von Heereman wird die Angelegenheit der Geschäftsordnungskommission überwiesen.

Schluß 32/4 Uhr.

ade im Interesse der ntite Klasse der neuen

Verkehrs-Anstalten.

Norddeutscher Lloyd in Bremen. (Leßte Nachrichten über die Bewegungen der Dampfer), New-York- und Baltimore-Linien : Bestimmung. Bremen Bremen Bremen Bremen Bremen New-York New-York New- Vork Nero- Vork Nero: York Bremen Bremen

. April in Bremerhaven. April in Bremerhaven, April Lizard passirt. Upril von New-York. April von New-York. April in Nero- York. April in New-York. April von Southampton. April von Soutkhampton. April von Southampton. April von Baltimore. April von Baltimore. Baltimore April in Baltimore. Baltimore April von Bremerhaven, Baltimore 9, April von Bremerhaven. / Brafil- uad La Plata-Linien : Berlin“ Bremen 9, April Dover passict. „Baltimore Bremen 8, April von Antwerpen,

Vigo, Antro ; j i „Oldenburg“ . | 90, ! | 2. April von Buenos Aires.

Bremen „Oanr, La Plata 29. März in Moatevideo. „Sraf Bismark“ Brasilien 22. März in Bahia, „Darmstadt“ La Plata 2. April in Rio, „Leser“ Rio, La Plata 6, April Las Palmas pass. I F Brasilien 3, April von Lissabon,

Linten nah Ost-Ysien und Australien:

«Nekar* . Bremen 8. April von Port Saih, „Sawsen“ Bremen . April von Shanglai, „Preußen“ Ost-Asien . April in Colombo, „Stuttgart " Dst-Asien ), April von Southampton, r Oohenstaufen“ Bremen 9. April von Genua, Kaiser Wilh. TL“ Bremen . April von Adelaibe, «Braunshweig“ «„Salier“ ,

„Saale“, Nee „Werra“ Ier „Lahn“ „Ems“ . „Havel“, | Elbe“ . eEider“ . „Fulda“. „Karlsruhe“ . „America*® . München“ , „Gera“

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Austcalicn . April in Adelaide, Australien . April von Suez,

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

„A2 S.

der in den deuts{Wen Münzstätten bis Ende März 1891 stattgehabten Ausprägungen von Reihsmünzen.

Berlin, Freitag, den 10. April

Deutsches Neich. Nebersiht

Goldmünzen

Silbermünzen

1) Im Monat März 1891 sind geprägt worden in:

Doppel- kronen

Kronen | OÔalbe

iervon auf| g;

n ünf- Ÿ S Fünf Kronen nung

M. M Mh

Zwanzig-

Fünfzig- pfennig-

Zwei- Ein- pfennig-

markstücke | markstücke | markstücke stüde \tüde

pfennigstücke

“Nidckelmünzen Kupfermünzen

Zwanzig- Zehn- Fünf- Zwei- Ein- pfennigstücke | pfennigstücke | pfennigstücke | pfennigstüdcke

M f | 4 ft M M | S M |S

Mer a ile 6 588 040

Münchea . . . Muldner Hütte 300 000 310 000

Karlsruße .

6588040 300000 310000 S

M M A. | |—

A | | 82 583/80 62 950/95 21 108/06 |—| 7973010 |— is A A S0OR E [e a 77 207/60 26 901 |— 9 472/36 |[— 669 |— |—

Stuttgart .. 610 000

Summe 1. 6 588 040

n 71980 E E = SREC U D fs 9) Vorber waren geprêgt*)| 2 022 710 400503 672 230/27 969 925 123230267074 104 195/104 964 606[178 990 334] 71 486 552 —| 35 717 922 80

4 005 284 —| 28 767 265 50] 14 172 295 30

244 990/50 89 801/95 26 580/42 2:

6 213 207 44 563/96

3) Gesammt-Ausprägung | 2 029 298 440/594 282 230/27 969 925|1239500710]|74 104 195104 964 6061178 990 334] 71486 552 —] 35 717 922 80

4) Hiervon sind wteder eingezogen .. 1119780] 1654110 9 885

7 700 8 618 8 025 3 234/50] 13 003 326 80

4 005 284 —| 29 012 256|—| 14 262 147/25

5 2 6 213 207 44] 5 250 144/38 | Î

| | | 1 1 094/40 375/40 99/56 9484

5) Bleiben . [2028 178 6601502 628 120/27 960 040 J 558 766 820 A

71 096 495/104 905 9178 982 309] 71 483 S8L7IDOl 29 714 996

4 005 271 —| 29 011 161/60] 14 261 771/85

G913 177 SSP 5 250 119/54

452 232 (05,90 6

*) Vergl. den „Reichs-Anzeiger“ vom 9. März 1891 Nr. 59.

Berlin, den 10, April 1891.

Hauptbuchhalterei des Reibs-Schaßzamts, Biester.

47 278 204,45 11 463 297,42

Fünfzehn Jahre sächsischer Stasistik.

Am 2. April waren fünfzehn Jahre verflossen, seit der gegenvare Direktor .des Königlich sächsischen Statistischen Bureaus, Professor Dr. Victor Böhmert sein Amt angetreten hat. Er hat diesen Anlaß benußt, in der neuesten Nummer seiner Zeitschrift sowohl eine Geschichte des Bureaus wie auch eine Uebersicht über die Hauptergebnisse zusammenzustellen, welche seine und seiner Mitarbeiter Forschungen gehabt haben. Einiges aus dem Jnhalt der 140 doppelspaltigen Quartseiten dürfte auch für nichtsächsische Leser lehrreih sein, zumal da für den Sozialpolitiker kaum ein anderes mittelgroßes Land so interessante volkswirthschaftlihe Zustände aufweist als Sachsen. Um nur eins zu erwähnen: nach den vorläufigen Ergebnissen der Volkszählung von 1890 kamen in Sachsen auf einen Quadratkilometer 233,5 Einwohner, während in Preußen deren nur 86 gezählt werden. Sachsen ist also in der Bevölkerungs- oder Ueberbevölkerungsfrage gewissermaßen ein Versuchsfeld für das Reich.

Die sächsische Statistik ist jegt gerade 60 Jahre alt; als ihren Geburtstag kann man den 11. April 1831 nennen, an welchem Tage die Königliche Regierung in der Gefeßz-Sammlung ein „Mandat, den Statistischen Verein für das Königreich Sachsen betreffend“ veröffentlichte und damit den privaten Be- strebungen einiger patriotischer Männer einen amtlichen Charakter verlich, welche mit Hülfe eines Vercins im Dienste der vaterländischen Staatskunde zuverlässige Nachrichten über den Zustand des Landes und feine Bewohner sammeln und ver- arbeiten wollten. An ihrer Spiße stand der Kammerrath von Schlieben; er trat auch an die Spiße des halbamtlichen Bureaus, welches er bis zu seinem Tode, 1839, mit be- wunderungswürdigem Eifer und Geschick leitete. Er verdient unter den Begründern der wissenschafllihen Statistik einen Ehrenplat. Von 1840 1850 fristete sein Werk, der Statistische Verein, ein kärgliches Dasein, sodaß sein Vor- stand allmählich selbst auf eine vollständige Verstaatlichung drängte. Glücklicherweise fand sich in dem vielseitig ge- bildeten, auch sonst hochverdienten Dr. Weinlig, Geheimen Nath im Ministerium des Junern, eine Persönlichkeit, wie sie für die Neuschöpfung einer so cigenartigen Anstalt nicht geeigneter sein konnte. Er zeichnete den Plan vor, nah welchem das Bureau vorerst arbeiten und allmählich sich weiterentwickeln sollte. Es sollte zunächst als Abtheilung im Ministerium des Innern mit der Vollständigkeit, welche der jeweilige Zustand seiner Organisation und seine Mittel gestatten werden, alle in Zahlen darstellbaren oder doch sonst einer genauen Beobachtung zugänglichen Momente des sächsischen Staats- und Volkslebens sammeln, im wissenschaftlichen Geiste zusammenstellen, daraus die für Beurtheilung der Erscheinungen besonders vom Stand- punkte der praktischen Staatsverwaltung sich darbictenden Schlüfse ziehen oder doch erleichtern und andeuten, und soweit als möglih auch mit den statistishen Ergebnissen anderer Länder Vergleichungen anstellen. Das Bureau sollte im Dienste aller Ministerien stehen, aber auch die Beamten aller Ministerien in seinen Dienst ziehen dürfen. Da Weinlig bereits sehr belastet war, übernahm er die Ausführung seiner Pläne nicht selbst, sondern griff aus seinen Beamten den jungen Ingenieur Ernst Engel heraus, der 1850—1858 als Oberleiter der sächsischen Statijtik und später in gleichem Amt in Preußen seine Begabung für dieses Fach dargelegt hat. Engel’s Streben war besonders dahin gerichtet, die Statistik als Wissenschaft zu fördern und sie zugleich volksbeliebt zu machen. Er wollte den Volkszählungen nicht bloß administrative, sondern auch physio- logische und soziale Aufgaben zuweisen und die Stellung der gezählten Personen in dem großen Prozesse der Produktion und Konsumtion und innerhalb der Familien, Haushaltungen und Berufsgemeinschaften ermitteln, umdie Statistik nach und nachzu einer „Biologie“ des Menschengeschlehts zu machen. Angriffe der Volksvertretung veranlaßten ihn 1858 seinen Abschied zu nehmen, Wie früher der Tod von Schlieben's, so bedeutete jeßt der Abgang Engel's eine Periode erschlaffter Thätigkeit des Bureaus, die erst ihr Ende nahm, als am 2. April 1875 der bis dahin in Zürich als Professor an Universität und Poly- tehnifum wirfende Volkswirth Victor Böhmert sein Direktor- amt antrat. Er wurde zugleich zum Professor am Polytech- nitum ernannt, wodurch der wissenschaftliche Charakter seines Hauptamts gewährleistet und eine nüßlihe Verbindung wischen der höchsten technishen Vildungsstätte des in: dustriellen Sachsens und seiner statistishen Centralstelle ge- schaffen wurde.

Es ist kaum nöthig zu erwähnen, daß ein statistisches Landesbureau heute viel mannigfaltigere und umfangreichere Arbeiten zu bewältigen hat als früher, und daß die nächste Zukunft diese Aufgaben noch wesentlih erhöhen wird, wenn nicht alle Zeichen trügen. Welche Arbeiten in den leßten 15 Jahren vom sächsishen Bureau ausgeführt sind, kann hier nicht aufgezählt werden, die Reihe wäre zu lang. Aber cinige Ergebnisse, welche zur Beurtheilung der Zeitgeschichte beitragen, seien hervorgehoben. Der Volksmund spricht von guten und \chlehten Zeiten, der Statistiker stellt in Zahlen und Linien fest, obder Volksw ohlstan d sich in aufsteigender oder absteigender Richtung entwickelt. Allerdings läßt sich sehr darüber streiten, an welchem Maßstabe man den Volkswohlstand messen soll. Nach Böhmert soll man möglichst viel verschiedene Maßstäbe benußen und aus den gesammelten Ergebuissen Schlüsse zichen. Eine Besserung des Volkswohlstandes scheinen zu beweisen: stetige Zunahme der Bevölkerung, insbesondere eine wäch!'ende Zahl der Eheschließungen und Geburten und eine Verringerung der Sterbefälle und Ünfälle, der Selbstmörder, Verbrecher, Armen, Bettler, Auswanderer. Günstige Zeugnisse sind ferner: Boden- meliorationen, Zunahme der Grundsteuereinheiten, der be- wohnten Gebäude, der Gebäudewerthe, der Mobiliar- versicherungen, der Einkommensteuerpflichtigen, der Steuer- erträge, der Sparkassen und Sparer, der Gewerbcbetriebe, des Personen- und Güterverkehrs, des Fleischkonsums, des Bier- fonsums u. st w. Wenn man nun die sächsischen Zahlen nach diesen Nichtungen prüft, so ergeben sie ein reht günstiges Bild für die in Nede stehenden 15 Jahre. Man weiß, daß die Jahre 1875—90 nit alle gleih günstig waren. Zu Anfang derselben zeigte sich auch in Sachsen auf's Deutlichste der Beginn eines plößlichen Niederganges. Die ficberhaften und wage- halsigen Spekulationsgeschäfte und die übertrieben gesteigerte Produktion in der Gründungszeit hatten eine Neihe von Konkursen und Bankerotten und diese wieder eine Zer- rüttung oder doch Verwirrung der Vermögensverhältnisse vieler Personen zur Folge. Die ungewohnt leichte Erwerbung großer Summen zu Anfang der sicbziger Jahre, und was damit zusammenhängt, hatten auf die sittlichen Anschauungen und Kräfte sehr vieler Einwohner schädigend eingewirkt. So kann es niht Wunder nehmen, daß von 1875 bis etwa 1885, namentlich aber im ersten Jahrfünft, die statistischen Zahlen ungünstig sind. Ganz anders wirkt ein Vergleich zwischen 1875 und 1890. Wann der eigentliche Wendepunkt zur Stärkung und Neubelebung der wirthschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, ist aus der sächsischen Statistik nicht erkennbar; nah Böhmert's Urtheil deshalb nicht, weil der Genesungs- prozeß in Sachsen wie anderwärts sehr langsam und unauf- fällig vor fich ging.

Die Einwohnerzxhl des Landes betrug 1875: 2760 586, 1890: 3 500513; seit 1834 hat sie sih mehr als verdoppelt. Jn den leßten fünf Jahren is die Bevölkerung Sachsens um 109%, gewachsen, diejenige von Preußen um 5,79%, die von Bayern um 3,12 9%, Auf die Dichtigkeit der Bevölkerung ist hon aufmerksam gemacht. Diese dichte Bevölkerung würde nach Böhmert's Ansicht nur dann zu Befürchtungen Anlaß geben, wenn Fleiß, Sparsamkeit und Sittlichkeit der Bewohner abnehmen und die frühzeitigen Heirathen noch mehr zunehmen follten; wenn“ es dagegen gelingt, die Gesittung und Gesund- heit, fowie die Produktionskraft, Bildung und Wohlfahrt des Volkes immer mehr zu heben, so wird Sachsen mit doppelt so viel Einwohnern noch nicht übervölkert sein. Sachsen wird immer mehr ein FJndustrie- und Stadtstaat: die städtische Bevölkerung betrug Ende 1890: 1594562, die ländliche 1 905 951; dabei ist die städtishe in den leßten fünf Fahren um 12,15 %, die ländliche nur um 8,28 9% gewachsen. Bei den Volkszählungen sind auch die Zahlen der Gebrechlichen ermittelt worden, und es zeigte sich dabei eine erfreuliche Ver- minderung der Blinden und Taubstummen; wenn andererseits die Zahlen der Jrrsinnigen und Blödstnnigen zugenommen haben, so rührt das zum Theil wohl von der größeren Sorgfalt her, die man jeßt diejen Unglücklichen widmet.

Wie die Bevölkerung zeigen auch die übrigen positiven Anzeichen des Wohlstandes ein beträchtliches Anwachsen. So nahm die Zahl der Haushaltungen im Jahrfünft 1880/85 um 8,26 9/9 zu, die Zahl der Eheschließungen überstieg 1885 zum ersten Male wieder die im Jahre 1875 ermittelt* Zahl und wuchs beständig bis auf 31 790 im Jahre 1889, das sind 2704 Eheschließungen mehx als 1875. Das Einkommen erfuhr eine bedeutende Steigerung; es hat von 1880 bis 1888 um 36 % zugenommen, erfuhr also eine

bedeutend schnellere Vermehrung als die Bevölkerung. Auch das Sparkassenwesen weist äußerst günstige Ziffern auf. Die Zahl der Sparer betrug 1875: 733 951, 1888: 1 471 968. also mehr als das Doppelte. Die Zahl der „kleinen Sparer“, d, h. derer, welhe nur 60 s oder darunter zurückgelegt haben, ist sogar um 133 Proz. gewachsen. Der Werth des gegen Feuer versicherten Mobiliars erhöhte sih in den 15 Jahren um 85 Proz., der Brandversicherungswerth der Immobilien um mehr als 70 Proz. Während der Bier- verbrauch von 1875—79 herunterging, ist er seitdem bis 1889 von 2914 592 hl auf 4 381 459 gestiegen, der Fleishverbrauch in der gleichen Zeit von 1709574 Ctr. auf 2433 120. Die Zahl der „Personenkilometer“ der sächsischen Staats- bahnen betrug 1880: 788 Mill., 1889: 1201 Mill.; auch der Güterverkehr stieg um 52 Proz. Ein ebenso erfreuliches Bild bietet die absteigende Richtung der Linien für Almosen- empfänger, Bettler und Vagabunden, Auswanderer, Ver: brechen und Vergehen, Selbstmörder u. dgl.

Böhmert's vortrefflicher Verwaltungsbericht möge der Auf- merksamkeit weiterer Kreise empfohlen fein.

Bescheide und Beschlüsse des Reichs-VersicherungLamts, Abtheilung für Fuvaliditäts- und Altersversicherung.

8) In mebreren dur Vermittelun1 des Rebnungsbureaus zur Kenntniß des Reichs Versiberungsamts gelangten Fällen sind bei der Berechnung der Höhe von UAltersrenten, deren Beginn auf den 1. Ja- nuar 1891 festgesct war, Rentensteigerungen für eingeklebte Beitrags- marken in Anfaß gebraht worden, Das Meichs-Versiherungsamt hat daher in einem Bescheid vom 15, Februar 1891 Ver- anlassung genomm:n, die Vorstände der Invaliditäts- und Alters- versiherungsanstäalten und der zugelassenen Kafseneinrihtungen darauf hinzuweisen, daß auf die Höhe - einer Rente Beiträge, die für einen Zeitraum entrißtet sind, welcher hinter dem Tage des Beginns des Rentenbezuges liegt, keinen Einfluß au€üben. Die Höhe der Rente bemeise sich vielmehr lediglih nach Momenten, welhe in einer vor ihrem Begian liegenden Zeit liegen, Demnach können auf die Höhe der am 1. Januar 1891 beginnenden Aitersrente die etwa nach diesem Tage in die Quittungskarte cingeklebten Beitrags- marken überhaupt nit cimvirken. Diese Altersrente sei vielmehr zu berebznen uach dem Steigerungssaßtze derjenigen Lohnkiasse, welhe dem durchschnittlichen Iahresarbeitsverdienst des Versicherten während der drei Kalenderjahre 1888, 1889 und 1890 (zu vergleichen §8. 159, 157, 26 des Invaliditäts- und Altersversiherung8gesetzes) entspricht.

9) Auf mehrfache Anfragen untcrer Verwaltungsbebörden sowie der namentli bei der Kostenfrage interessirten Vorstände der öInvaliditäi8- uvd Altersversicherungsanstalten hat das MReichs-Ver- ficherungsamt mittels Bescheides vom 3, Februar 1891 ch dahin ausgesprochen, t:aß deujentgen Versicherten, welche gemäß S. 75 des Inavaliditäts- und Alterêsveisiherungsgeseßes den Anspru auf Be- willizunz einer Alter8renie anmelden und dieser Anmeldung ihre Quittungskarte beifügen, cine neue Quittungskarte, und zwar kosten- los, autzustellen sein wird. Diese neue Quittungskarte wird, wie auf die na dieser Richtung angeregten Zweifel hervorgehoben wurde, nichi die Nummer der vorigen Karte, soadern die nätstfolgende Nummer erhalten müssen. Zu einer entsprehenden Ergänzung der von den Landes-Centralbehörden erlassenen Anweisungen, betreffend das Varfabren bei der Ausstellung, dem Umtausch und der Erneuerung von Qeititungékait:n, Anregung zu geben, set nicht erforderlih, da in dicsen Anweisungen der für die Entscheidung der Frage maßgebende Gesichtbpunkt, nonach die Kosten für die Ausftellung der Quittungs- karte von dem Bersicherten nur dann zu tragen sind, wenn derselbe sie sculdhafter Weise herbeige?ührt hat, deutlih zum Ausdru gebracht sei.

19) Ueber den Verkehr der Versilerungsanstalten mit dem Rehnungsbureau hat das ReichteVersicherung8amt aus gegebenen Anlaß unt:r dem 11. Môrxz 1891 den Vorständen sätnmtliher Ver- siherungsanstaiten folgende nähere Weisung zugeben lassen: Die im S. 87 des Invaliditäts- und Altersversiherungsgesetzes enthaltene BVorscrist, wona dem Nechnungöbureau mit der Ausfertigung des Bescheides auch dic Quitiungskauten einzusenden sind, bat auf die demds G5. 1065..107 O LOL Q d beiuebrachten Nachweise Über Arbeits- oder Dienstverbältnisse entiprechende Anwendung zu finden, Denn für die Zeit vor dem Jn- krafticeten des Gesetzes vertreten jene Nacwei]e die Stelle der im 8. 87 erwähnten Quittungskarten, und um, wie es der & 160 Ab- jay 1 des Gesehes vorschreibt, von Amtêwegen prüfen zu können, ob und welche Versihecungsanitalten an der Aufbringung der Rente be- theiligt find. bedarf das Recbnungsburcau in allen Fällen der Ein- sicht der Nawweise, deren Einsendung daher im §. 2 der Vorschriften, betreffend die Act ‘und Form der Rechnungs- führung 2c, vom 830. Oktober 1899 generell vorgeschrieben worden ist, Dagegen bleibt es den betheiligten Vorständen über- lassen, ob und inwieweit sie von dem Necbte des §8, 160 Absayz 2 des Gesetzes Gebraunch machen wollen. Daß die in Rede ftehenden Nach- weise in die Nentenakten eingeheftet und die leßteren mit den Nach-

weisen dem Rechnr-ngsbureau übersandt werden, erscheint unbedenklich.