1891 / 87 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 13 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Hülfsbeisißer: 1) Lange, Adolf, Gastwirth und Ackerbürger, zu Bergen. 2) Röbke, De Scubmatwermeister, zu Bergen. 3) Gooß, W., Fabrikant, zu ergen. 4) Wittstock, August, Müllermeister, zu Bergen. 5) Ethé, Malte, Kaufmann, zu Bergen. 6) Badestein, Bäckermeifster, zu Bergen. 7) Freese, F., Senator und Maurermeister, zu Bergen. 8) Friedris, E., Rittergutsbesizer, zu Patzig. 9) Breitspreher, H.,, Gutspächter, zu Siggermow. 10) Gottschalk, Malte, Gutspächter, zu Kayseriß. Beisitzer aus der Klafse der Versicherten:

1) Mau, Julius, Kutser, zu Lancken bei Saßniß. 2) Jasmund, C., Statthalter, zu Lüttkevitz. 3) Möller, Statthalter, zu Kosdorf. 4) Wilken, August, Arbeiter, zu Sagard. 5) Dumrath, Karl, Arbeiter, zu Alt-Reddeviß. 6) Ewert, Wilhelm, Arbeiter und Häusler, zu Pantow. 7) Siebrecht, Heinrich, Arbeiter und Häusler, zu Beuchow. §) Hopp, C, Statthalter, zu Dumsevißz. 9) Böttcher, Moriß, Kathen- mann, zu Malzien. 10) Gathen, Christof, Gärtner, zu Plüggentin,

Hülfsbeisigzer: i :

1) Kufaktl, I., Stellmachergeselle, ¿u eris: 2) Binz, Frit, Gerbergeselle, zu WBergen. 3) Rebesky, Werkführer, zu Bergen. 4) Graecning, A, Brunnenmather, zu Bergen. 5) Stoll, Otto, m zu Bergen. 6) Hardenberg, W,, Hausdiener, zu

ergen. 7) Garlepow, Arbeiter, zu Bergen. 8) Fehlt zur Zeit. 9) Küther, Stattbalter, zu JIarniy. 10) Iark, Ludwig, Arbeiter und Häusler, zu Sehlen. V, Bezirk des Schiedsgerichts: Stadtkreis Stralsund. Sitz des Schiedsgerihts8: Stralsund.

Vorsitzender: Pactow, Königlicher Regierungs-Affeffor , zu Stralsund. 2

Stellvertretender Vorsißender: Dr. von S{weinichen, Königlicher Regierungs-Rath, zu Stralsund.

Beisitzer aus der Klasse der Arbeitgeber.

1) Bartens, Fabrikdirektor, zu Stralsund. 2) Weidemann, Brauereibesizer, zu Stralsund. 3) Irrmann, Brandmeister, zu Stral- sund. 4) Bebrndt, Bucbdruckereibesitzer, zu Stralsund. 95) Becher, Möbel hêndléer, zu Stralsund. 6) Wilken, Golds{&mied, zu Stralsund. 7) Raschke, Tapezier, zu Stralsund. 8) Sculy, H. F., Tischler- meister, zu Stralsund. 9) Precht, Hotelbesitzer, zu Stralsund. 10) Stodckfleth, Schlächtermeister, zu Stralsund.

HüUlfsbeisiBer

1) Grönbagen, Ingenieur, zu Stralsund. 2) Klingenberg, Gürtler- meister, zu Stralsund. 3) Affser, Töpfermeister, zu Stralsund. 4) Ritter, P., Kürschnermeister, zu Stralsund. 5) Baumert, Bild- hauer, zu Stralsund. 6) Zander, Bäckermeister, zu Stralsund. 7) Freese, Vergolder, zu Stralsund. 8) Fehlt zur Zeit 9) Darmer,

abrikant, zu Stralsund. 10) Steinbring, Bauunternehmer, zu Stralsund. : Beisitzer aus der Klasse der Versicherten.

1) Lur, Siedemeister, zu Stralsund. 2) Feblt zur Zeit. 3) Feblt zur Zeit. 4) Fehlt zur Zeit. 5) Nehls, Tisébler, zu Stralsund. 6) Will, Maler, zu Stralsund. 7) Mumm, Zimmerpolier, zu Stral- sund. 8) Neumann, Bodenmeister, zu Stralsund. 9) Feklt zur Zeit. 10) Braeder, Modelltisler, zu Stralsund.

Hülfsbeisiger. :

1) Burmeister, Maurerpolier, zu Stralsund. 2) Feblt zur Zeit. 3) Sacht, Maschinist, ¿u Siralsund. 4) Vetter, S{mied, zu Stral- sund, 5) Friedrichs, Mascinenbauer, zu Stralsund, 6) Sült, Mühlenbauer, zu Stralsund. 7) Benz, Maler, zu Stralsund. 8) Tornow, Tiscler, zu Stralsund. 9) Wittmüß, Arbeiter, zu Stral- sund. 10) Piel, Bierfahrer, zu Stralsund.

Berlin, den 9. April 1891.

Der Minister für Handel und Gewerbe. «n Vertretung: Magdeburg.

Kunft und Wissenschaft. Die Büchersammlung des Kaiserlichen Patentamts,

Mit der am 1. Juli 1877 erfolgten Errichtung des Kaiser- lihen Patentamts war auch die Nothwendigkeit der Her- stellung einer thunlihst reichhaltigen technishen Bücherei ge- eben, und zwar zunäst für die Prüfungsbeamten der Be- örde selbst, Es kam auf Befriedigung der Erfordernisse an, welche das deutsche Prüfungsverfahren herauskehrt; na §. 2 des Patent- geseßes vom 25, Mai 1877 soll eine Erfindung u. A. dann nicht als neu gelten, wenn sie zur Zeit der Anmeldung in öffent- lihen Drucfschriften si bereits derart beschrieben findet, daß danach die Benußung durch andere Sachverständige möglich ist, Als nothwendig für die Beschaffung standen in erster Reihe die amtlihen Veröffentlihungen ausländischer Patent- ämter; ihnen {lossen sich nihtamtlihe Veröffentlihungen über ertheilte Patente, sodann folche über das in- und aus- ländishe Patentreht an. Weiter war auf Samm- lung technisher Schriften selbst Bedaht zu nehmen, und zwar nicht etwa nur auf die in besonderen Lehrbüchern über die einzelnen Jndustriezweige enthaltene Literatur, sondern auch auf jene, welche in kleineren oder größeren Auf- säßen über zahlreiche Fachzeitschriften zerstreut ist.

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte erfolgte die Jnangriffnahme des Unternehmens in 1877,

Der weitaus größte Theil der Bücher wurde käuflich er- worben. Zum schnelleren Anwachsen der neuen Bücherei trug die vormalige Königlich - preußishe Gewerbe- Akademie ihr Theil bei, indem sie dem Patentamte einige hundert Bände hauptsählih britisher Patentschriften und sonstiger Veröffentlihungen des Londoner Pateutamts überließ. Auch ausländische Regierungen stellten ihre Patent- veröffentlihungen als Geschenke zur Verfügung. Jn der Folgezeit trat ein Austausch der amtlihen Veröffentlihungen zwischen dem deutschen Patentamte und denjenigen anderer Länder ein. Jn diesem Tauschverkehr mit Deutschland stehen

egenwärtig: Belgien, Frankreih, Großbritannien, Jtalien, «Fapan, Luxemburg, Norwegen, Oesterreih-Ungarn, Queensland, Rußland, Schweden, Schweiz, Spanien, die Vereinigten Staaten von Amerika und Viktoria. Abgesehen von diesem in Folge des Austausches eingehenden Zuwachse und den Geschenken von Handelskammern, welche ihre Programme und Jahresberichte zur Verfügung stellen, und außer den Gaben einzelner Pri- vater hier sei insbesondere dankend eine größere, in leßter Zeit der Bücherei zugegangene Schenkung des Hrn. Jngenieurs Veitmeyer in Berlin hervorgehoben— ist die Bücherei auf den An- kauf der benöthigten Werke angewiesen. Der jährlihe Zuwachs beläuft sih auf etwa 2000 Bände. Der gegenwärtige Bestand macht in runder Angabe 40 000 Bände aus.

Dieser Büchershay seßt sich aus drei großen Gruppen zusammen.

Zunächst ist die große Sammlung der Veröffentlihungen der Patentämter der oben aufgeführten Länder zu erwähnen. Dieselben sind bis auf kleine Lüden vollständig vorhanden.

An diese Sammlung schließen sich Fachzeitschristen in

roßer Zahl an; fast sämmtliche Einzelgebiete der Jndustrie ind vertreten. Ueber 400 laufende Zeitschriften werden 3. Z. gehalten. Die dritte große Gruppe umfaßt in dex Hauptsache die besonderen Lehr- und Handbücher über Einzelgebiete der Jndustrie, Sie bietet einen überaus reihen und mannig-

saltges Jnhalt und erstreckt sich von den Werken rein wissen- haftlihen und allgemeinen Jnhalts bis zu den Beschreibungen auch von Jndustriegebieten geringsten Umfangs. Besondere Hervorhebung verdient hier die Abtheilung Patentwesen, welche in der Sammlung sämmlicher auf diesem Gebiete ersheinenden literarishen Erzeugnisse Vollständigkeit zu erzielen sucht. Demnächst find vornehmliß zu erwähnen die Abthei- lungen Chemie, Pholik, Gesundheitspflege, Landwirth- schaft, Mechanik , auwesen mit Unterabtheilungen, Bergbau, Textilindustrie, welhen \s{ch noch eine

anze Reihe kleinerer Abtheilungen zur Seite stellt. Manches eltene Werk {müdckt die Reihen dieser Sammlungen; zahl- reihe Atlanten und Zeichnungen bilden einen besonders werth- vollen Bestand. :

Diese Auswahl technischer Werke steht würdig neben der- jenigen der Königlich tehnishen Hohshule in Charlottenburg und in Berlin wohl einzig da. : :

Ecklärlich ist daher, daß Stimmen der Presse, niht minder aber tenisher Vereine u. A. m. seit längfter Zeit dem Wunsche nah thunlichster Aufshließung der Bücherei für das Publikum Ausdruck gegeben haben. Nicht ohne Bedauern hat das Amt die Berücksichtigung dieses Wunsches in dessen vollem Umfange sich aber fo lange versagen müssen, als die Diensträume in dem früheren Amtegebäude nur unzureichend zur Verfügung standen. Nachdem indessen bei Entwerfung der Baupläne für das inzwischen fertig gestellte neue Dienstgebäude (NW. Luisenstraße 33/34) nicht bloß auf die Gewinnung heller, eine ordnungsmäßige Verwaltung ge- stattender Räume für die Aufstellung der Büchersammlung Bedacht genommen, sondern auch in der Auslegehalle des Gebäudes ein von Außen leiht zugänglicher geräumiger Lesesaal geschaffen worden ist, bietet sih jeßt Gelegenheit, jenem Begehren nah- zukommen. Die Einrihtung is dahin getroffen, daß der Lesesaal des Patentamts vom 15. d. Mts. ab nicht bloß, wie bisher bis 4 Uhr Nachmittags, sondern bis 9 Uhr Abends geöffnet bleibt, sodaß also das Publikum jeßt mit Ausnahme der Sonn- und. Feiertage täglih von 9 bis 9 Uhr Bücher un- eingeshränkt einsehen kann. Damit ist insbesondere denen die Möglichkeit der Bewerksteligung literarisher Studien ge- boten, welhe, im Erwerbsleben stehend, erst in den Abendstunden die Möglichkeit der Beschäftigung mit wissenschaftlihen Dingen finden. Bücher leihweise aus- ugeben, wie gleihfalls als wünschenswerth bezeihnet worden 1st, verbietet sich durch die Rülsiht auf die Erfordernisse des Geschäftsbetriebes im Jnnern der Behörde selbst.

Jn dem Leseraum findet sih eine vollständige Sammlung der bisher erschienenen Patentschriften der deutschen Patent- behörde (ungefähr 56000) zu unmittelbarer Benußung aufgestellt. Die Einsichtnahme dieser näach den bez. Patent- klassen geordneten Sammlung wird \ich für diejenigen empfehlen, welche als Anmelder von Erfindungen aufzutreten beabsichtigen; die Durchsicht bezüglicher Patentschriften ist geeignet, nicht selten erkennen zu lassen, daß der anzumeldende Gegenstand entweder in vollem Umfange oder zum Theil bereits Gemeingut geworden ist, und daß es in solhen Fällen zum Schuße von Enttäushungen dient, wenn entweder die Anmeldung unterbleibt oder eine entsprehende Einschränkung der Anmeidung von vornherein in das Auge gefaßt wird.

Ein Verzeichniß der Büchersammlung ist in der Aus- arbeitung begriffen; die Veröffentlihung desselben wird sih indessen voraussihtlich nicht vor Ende des Jahres bewerk- stelligen lassen. S E

Zunäwst handelt es sih bei der längeren Offenhaltung der Bücherei um einen Versuch; von der Erfahrung wird abhängen, inwieweit dieser Versuch si als ein solcher erkennen läßt, dessen Veranstaltung auch in weiteren Kreisen der hauptstädtischen Bevölkerung Beifall findet so, daß die Einrichtung zu dauernder Beibehaltung fich empfiehlt. Die an anderen Orten gemachten Wahrnehmungen sprechen dafür; beispielsweije in London ift die Bücherei des Patentamts im Laufe des vergangenen Jahres von über 90000 Besuchern benußt worden.

Der Gebeime Regierungs-Rath Professor Heinrich von Treitscbke ift, der „Nat.-Ztg.“ zufolge, in Folge eines Augen- leidens, das ibn auf längere Zeit zur Unthätigkeit verurtheilt, nach Heidelberg abgereift. :

Am Sonntag, 5. d. M., fand na der „N. A. Z.* im Senats- saal der Afademie der Künste bier eine Sitzung des Gesammtcomités für das in Berlin zu errihtende gemeinsame Denkmal von Haydn, Mozart und Beethoven statt. Das Comité ift jeßt auf etw2 sechzig Mitalieder in Berlin urd funfzehn aus anderen Städten angewachsen und besteht aus Musßikern und Kunfifreunden aller Kreise. Der geschäfttführende Auss{uß unter dem Vorsitz des Profesor Blumner, welchem Geheimer Ober-Regierungs-Rath Dr. Jordan als Schriftführer zur Seite stebt, berichtete über die bisher getbanen Stritte, erwähnte u. A. die Anzeige an den Magistrat, welbe die Deputirung ron zwei Mitgliedern in das Comité (die Stadträthe Sarre und Dr. Weber) zur Folge gehabt hat, und legte den Entwurf zu dem in nätfter Zeit zu erlaffenden öffentlihen Aufruf vor, wel{cer im Wortlaut feftzeitellt wurde.

Die Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde am Sonnabend eröffnete, wie die „N. A. Z.* berichtet, der Borges Dr. Reiß mit der Mittheilung, daß der Ausshuß und Beirath besblefsen bat, dem Staats - Minister Dr. von Goßler den Dark der Gesellshaft für die ihr und der Geographie während seines Wirkens als Minister gewährte Förderung in Form einer kfünstlerisch ausgestatteten Adresse auszusprechen. Ferner hat der Auëshuß beschlossen, die für dieses Jahr zur Verfügung stehende Karl MRitter-Medaille nicht, wie es bisher üblich war, einem der kühnen Erforshec Afrikas zuzusprehen, sondern einem jener ftillen Talente zuzuerkennen, die im Arbeits- zimmer, scheinbar ohne jede äußere Belohnung, die so wichtige und \{chwierige Arbeit ausführen, die Materialien zu verarbeiten, welche von den Forschungsreisenven herbeigeschafft werden; es wurde daher die Karl Ritter - Medaille dem bekannten Kartographen Dr. Hasfenstein in Gotha verliehen. Der Generalsekretär der Gesellschaft, Hauptmann Kollm gab einen kurzen Bericht über den Verlauf des neunten deutschen Geographentages in Wien, der von nahezu 700 Theilnehmern der größten bisher er- reihten Zahl besucht war und in dessen Sißungen zwanzig wissen- schaftliche Vorträge gehalten wurden. leihzeitig mit dem Geographentage konnten die Wiener Geographen ein 590 jähriges Jubiläum ihrer Wissenschaft feiern; im Jahre 1391 wurde nämlich an der Wiener Universität die erste geographishe Vorlesung gehalien. Zum Schluß hielt Dr. O. Warburg cinen sehr interessanten und mit lebhaftestem Beifall aufgenommenen Vortrag über eine Reife nah den Bonin- und Volkano-Inseln im Stillen Ocean. :

Zum 50 jährigen Gedenktage des Vereins für Eisen- bahnkunde hat dieser, wie die „Nat.-Ztg.“ berichtet, folgende Preisaufgabe ausgeschrieben: Da eine Geschichte des preußischen Eisenbahnwesens in vollem Umfange ein zeitroubendes und {chwieriges Werk ift und nur nah umfassenden Vorarbeiten fertig gestellt werden kann, so wird als Preis8aufgabe eine Studie verlangt, welche einen Beitrag zu dieser Geschichte liefert. Es kann sowohl die Ent-

j wicklung des gesammten preußisGen Eisenbahnwesens innere

Zeitabschnittes, als auch die Ent- wicklungsges{ichte einer größereren preußishen Bahn oder eines wichticen preußishen Eisenbahn-Verbandes, oder aber die Entwickelung bestimmter Zweige des preußishen Eisenbahnwesens, z. B. des Betriebes bezw. auch witiger Theile desselben, der Per- sonentarife, der Gütertarife u. . w. gewählt werden. Es kommt dabei wesentli darauf an, daß der betreffende Gegenftand eingehend behandelt und wissenshaftlih dur{geführt ist. Die Bearbeitung muß in deutsher Sprache abgefaßt sein und bis zum 1, Mai 1892 an den Verein für Eisenbahnkunde, Berlin W., Wilhelmstraße 92/93, ein- geliefert werden. Zur Ertbeilung von einem oder mehreren Preisen ist ein Betrag von 2000 ausgeseßt.

Die vor einiger Zeit gefaßte Absiht, das Märkische Provinzial-Museum in dem Gebäude der ehemaligen Waaren - börse unterzubringen und dieses für den gedahten Zweck städtischer- seits anzukaufen, ist, der „Nat.-Ztg.“ zufolge, wieder fallen gelassen worden, da sich die Unmögli(keit herausgestellt bat, jenes Gebäude einer solhen Bestimmung anzupassen. In Folge dessen ift man bei dem Plan, den Museumsbau, mit welchem si der Magistrat in diesen Tagen befassen wird, im Köllnischen Park, an der Wallstraße, und zwar in der Axe der neugeplanten Waisenbrücke aufzufübren, stehen geblieben. Das Gebäude wird dort bei cinem Grundrißflähenraum von 1700 Ouadratmetern völlig freistehen und demgemäß, was besonders vor- theilhaft ist, Licht von allen vier Seiten erhalten können. Höchst wahrscheinli wird zur Gewinnung eines geeigneten Entwurfs ein M Wettbewerb unter den hiesigen Architekten ausgeschrieben werden.

Die große Denkmünze des R. internationalen medi- zinischen Kongresses vom Jahre 1890 ift der „N. Pr. Z.* zu- folge soeben zur Ausgabe gelangt. Es bedurfte einer halbjährigen Arbeit zur Vollendung der dafür nöthigen Prägestempel. Die Denk- münze ist im Durchmesser von 7 cm in Silber und in Bronze ge- prägt und nah den Angaben des Geheimen Medizinal-Raths Pro- fessor Dr. Virhow und unter der künstlerishen Leitung des Regie- rungs-Baumeisters Jaffé ausgeführt worden. Auf der Hauptseite sieht man auf der EGrdkugel, auf einem Throne sitßend, einen kräftig modellirten Aeskulap. Als Umschrift steht: „X. Internationaler Meedizinisher Kongreß Berlin 1890." Die Rüdckseite zeigt eine treff- lihe Ansiht der Stadt Berlin, von der Sieges\säule aus gesehen, mit dem von Lorbeerzweigen bedeckten Berliner Stadtwappen, umgeben von den großen Wappen der meistbetbeiligten neun Staaten, und nennt die Namen aller anwesend gewesenen anderen cinunddreißig Staaten. Ueber der Stadtansiht wird der Name des an dem Kongreß betheiligt gewesenen Mitgliedes eingeprägl. Es ift ein hervorragendes Stück der deutsden Medaillen-Prägekunst, hergestellt in der Berliner Medaillen-Münze, Otto Oertel, Gollnowstr. 11 a.

Vor cinem Jahre wurde die Elektrotechnische Ver- fuchsstation zu Magdeburg eröffnet. Schon jetzt blickt dieselbe auf eine reiche Thätigkeit zurück und liefert somit den Beweis, daß die Gründung derselben einem Bedürfniß entsprochen hat. In gleicher Weise wie die Dampfkesselrevisionsvereine hat sie für ihre Mitglieder die Anzahl derselben ift bereits zu einer stattlichen Höhe ange- watsen jährlich wiederkehrendeRevistonen elektrischer Anlagen übernomwen und nach dieser Richtung im Interesse der Be- siter eine außerordentlich segensreihe Thätigkeit entwickelt, welhe um so werthvoller sein dürfte, als die Versuchsftation in Magdeburg in ihrer Existenz vollständig unabhängig von elektrotehnischen Firmen ift und somit bei Abgabe ihrer Urtheile keinerlei Rücksichten zu nehmen hat. taher vollständig objektiv und unparteiish urtheilen kann. Diese Thätigkeit erstreckt \sich über ganz Deutschland. Neben den Revisionen beschäftigt sih die Versuchsftation au mit der Prü- fung und Begutacturg von ‘Kostenanshlägen für elektrishe Ein- rihtungen, giebt Rath und Auskunft über elektrisde Bedarfsartikel und theilt ihren Mitgliedern die Erfahrungen, welche sie bei den Revisionen sammelt, in Form von Fiugblättern, Circularen u. dergl. mit. In den nächsten Tagen wird der erste Jahresbericht der Versuhs- station zur Ausgabe gelangen, Wir wünfchen diesem gemein- Doe Unternehmen auch für die fernere Zeit Gedeihen und weitere

rfolge.

Im weiteren Verlauf der Sißung vom 8. April des X. Kongressesfür innere Medizin inWiesbaden sowiein der Nachmittagésißung hielten folgende Herren Borträae: Quincke-Kiel über Hydrocephalus, Sandmeyer-Marburg und Münzer-Prag über Forschungen, die in den betreffenden Universitäts-Laboratorien in Bezug auf Diabetes und in Bezug auf pathologische Histologie des mens{lichen Rückenmarks angestellt wurden. von Jaks{-Prag be- richtete über eine neue Methode, Gallenfarbsto}f im Blut nas zuweisen. Litten-Berlin demonstrirte eine Handcentrifuge zum Filtriren und rascheren Sedimentiren von mens{lihen Secreten. Professor Eicbhorst-Züri% spra% über Fehler der Sehnenreflexe bei Tabes dorsalis, von Frey-Leipzig über Widerstands8mefsungen am menschlichen Körper; endlih Leubuscher-Jena über Ausscheidung von Salzsäure im Magen von Nerven- und Geisteskranken. :

Die leßte Sitzung wurde, wie die „Frkf Z.* berichtet, dur kleinere Vorträge auszefüllt: Edlefsen-Kiel beri{tete über die Entstehung des vesiculären Lungengeräushes, Mordhorst-Wiesbaden über Gicht, Krönig- Berlin über die klinish-anatomishen Verbältnisse der Lungengrenzen, H. Wolff-Görberëdorf über den Begriff: Heilung der Lungentuberku- lose; bzi leßterem Thema ergriff von Ziemfsen-Müncen das Wort, um unter ebrenvollster Anerkennung der großen Verdienste, die si der verstorbene Brehmer-Görbersdorf um die Begründung der hygieinis{-roborirenden Anstaltsbehandlung der Lungenleidenden er- worben hatte, seine reihhaltigen Erfabrungen über das, was man gewöhnlich unter Heilung von Schwindsucht versteht, mitzutheilen, Bortragender betonte besonders, daß der größte Theil der Lungen- leidenden der Disziplin bezüglih ihres hygieinishen Verhaltens ent- behrte, und daß die weitere Gründung von entsprehenden Sanatorien, in denen dieses päâdagogishe Moment in den Vordergrund trete, an Höbenkurorten 2c. ein Bedürfniß set.

Hr. R. Schmalz-Dresden berihtete über Blutuntersuhungen bei Anämie, Hr. Poscher-Berlin brahte Mittheilungen über Diabetes- Forschungen, Hr. Fleiner- Heidelberg sprach über die Addifon'sche Krankheit, zuleßt Hr. Moriß-München über alimentäre Glykosurie.

Nach einem kurzen Rückblick auf die Arbeiten des verflossenen Kongresses {loß Hr. Quinke-Kiel den zehnten Kongreß für innere Medizin; als Themata für den im Jahre 1892 in Leipzig ab- zuhaltenden Kongreß stehen tn Ausficht: 1) Physiologische und thera- peutishe Bedeutung des Eisens. 2) Die Meningitis in ihren ver- \chiedenea Formen. 3) Die Elektrotherapie, 4) Die Behandlung \{wererer Axämien. E

Die Zahl der Theilnehmer des diesjährigen Kongresses hatte zu leßt die Höhe von 300 erreicht.

Ueber die Entdeckung eines altrôömishen Theaters wird der „Nat.-Z.* aus Triest berihtet: Nachgrabungen, die unter der Leitung des Professors Puschi in Barcola an der Küste, auf balbem Wege zwisGen Triest und Miramar angestellt vurden, haben ein interessantes Resultat ergeben, indem es gelang, ? ? Umfassungs- mauern eines großartigen römischen Bauwerks, offenbar 2zines Theaters, blofzulegen. Das Bauwerk besteht aus einer äußeren polygonalen Mauer und einer innern Rundmauer; der innere Durhmesser beträgt 45 m. Man fand ferner einige Gräber mit aht wohlerhaltenen Skeletten.

Der „Messager d’'Athènes* meldet, daß die Ausgrabungen, welche die amerifanishe archäologische Schule von Athen in Ercetria auf GCuboia anstellt, unter anderen Kunstgegenständen von einiger Bedeutung ein goldenes Diadem von hohem künfstlerishen Werth zu Tage gefördert haben. Aber noch wihtigec wäre, wenn sie sih bestätigte, die Nachricht von der Auffindung des Grabes des Aristoteles, von dem man weiß, daß er in Chalkis am Guripus gestorben ist. Man hat nämli einen Sarkophag mit der Inschrift ristoteles gefundeu. Der Anfang ist verstümmelt, Der Direktor der amerikanischen Schule hegt aber noch einige Zweifel über die Richtigkeit der Beziehung auf Aristoteles und möchte weitere Resultate der Ausgrabungen abwarten.

halb eines bestimmten

M S7. Niqcztamlkliches.

Türkei.

Die „Agence de Constantinople“ erfährt aus zuverlässigster Quelle, daß bezüglih der ostrumelishen Frage von keiner Seite bei der Pforte Schritte unternommen seien.

Serbien.

__ Belgrad, 12. April. Jn der gestrigen Vormittags8- sizung der Skupshtina sicherte die Regierung in Beant- wortung der Fnterpellation betreffs des Kasernen- baues eine Untersuhung zu. Jn der Abendsißung verlas der Präsident ein Schreiben König Milan's, durch welches die Regentschaft benachrichtigt wird, König Milan wolle bis zur Volljährigkeit König Alexander's Serbien verlassen, um das Land zu beruhigen. Der Präsident beantragte, König Milan den Dank der Skupschtina auszusprehen und eine Resolution anzunehmen, welche die Regierung auffordert, bei der Königin Natalie dahin zu wirken, daß sie dem Beispiel des Königs Milan folge. Es {loß sich hieran eine sehr erregte Debatte. Die radikalen Abgeordneten Vica und Rado- vanovic sprachen fihch sür eine gleichzeitige Lösung der Frage des Aufenthalts der Königin Natalie in Serbien aus und beantragten, daß von dem Präsidium der Skupschtina eine hierauf bezüglihe Resolution eingebracht werde. Die liberale Opposition (Garaschanin) und die radikalen Dissidenten beantragten, den Brief des Königs Milan zur Kenntniß zu nehmen, und erklärten, den Antrag Vica-Radovanovic ablehnen zu müssen, weil derselbe der Ge- schäftsordnung widersprehe. Der Antrag gelangte jedo mit geringer Stimmenmehrheit zur Annahme. Das Präsi- dium unterbreitete der Skupschtina hierauf eine im Sinne dieses Antrages gefaßte Resolution, welche eine noh leb- haftere Debatte hervorrief. An derselben betheiligten fich gegen 40 Redner, darunter Garaschanin, Leschjanin und viele Mitglieder der Opposition und Dissidenten. Die oppo- sitionellen Redner bezeichneten die Resolution als verfassung3- und gesezwidrig und als einen Gewaltakt, die Fassung der Resolution würde das Ansehen Serbiens schädigen. Die Opposition verlangte namentlihe Abstimmung über die Resolution, der Präsident verweigerte dieselbe, was eine tumultuarishe Scene hervorrief, die fast eine halbe Stunde dauerte und an der sich auch die Zuhörer auf der Galerie betheiligten. Ebenso stürmisch gestaltete sih die Debatte über die von der Regierung eingebrahte Vorlage, nach welcher dem Könige Milan a conto der Civilliste eine Million Arm auf drei Jahre im Voraus bewilligt werden soll. Noch vor der Abstimmung über die Vorlage, welche mit geringer Majorität genehmigt wurde, entfernte isich ein großer Theil der Abgeordneten.

Heute wurde die Skupschtina durch einen Ukas der Regenten geschlossen.

Bulgarien.

Sofia, 11. April. Die „Agence Balcanique“ bezeichnet die Blättermeldung bezüglih angebliher Schritte der bulgarishen Regierung bei Rußland und Betreffs Verhaftung und Auslieferung der Mörder Belt- \hew's als vollständig unbegründet. Es sei kein der- artiger Schritt erfolgt und noch weniger eine Note an Ruß- land gerichtet worden.

Dänemark.

(F) Kopenhagen, 11. April. Fn einer am Dontcabag unter dem Vorsitz des Königs abgehaltenen Staatsrath s- sißung wurde dem Marine-Ministeriuum die Vollmacht er- theilt, außer den von beiden Thingen des Reichstages zufolge des Finanzgeseßentwurfs für 1891/92 bewilligten Aus- gaben noch 1195755 Kronen für Marinezwedcke ver- wenden zu dürfen. Davon sind bestimmt: 300 000 Kronen für Seekriegêmaterial, 219 300 Kronen für passive Seeminen, 190 000 Kronen für die Vollendung eines Torpedobootes erster Klasse, 115 000 Kronen für die Unterhaltung der Kriegs- chiffe und deren Jnventarium, 106 240 Kronen für die Unter- haltung der Marinewerft, 45 000 Kronen für die Anbringung eines Widders an dem Panzerschiff „Odin“, sowie verschiedene kleinere Beträge zur Anschaffung von Artilleriematerial, Hand- waffen 2c.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Staatssekretär Blaine hat die Depesche des Marchese di Nudini über das in New- Orleans stattgehabte Lynchgeriht noch immer nicht beantwortet. _ Präsident Harrison berieth sich, dem „R. B.“ zufolge, am 9. d. M. über eine Stunde lang mit Blaine und dem Hülfs-Staatssekretär Moore über die Fassung des juristishen Theils der Erwiderung der Depesche. ie nt erpretation des mit Jtalien geschlossenen Vertrages soll derartig aufgesezt werden, daß fie au für künftige Fälle dienen kann. Moore gilt für eine Autorität auf dem Gebiete des Völkerrehts und Staatsrechts der Ver- einigten Staaten. räsident Harrison wünscht, daß die Antwort mit solcher Klarheit abgefaßt werde, daß sich nichts daran deuteln lasse. (Vgl. Jtalien. Die Red.)

Jn New-Orleans nahmen am 9. d. die Verhand- lungen gegen den Detektiv O’'Malley ihren Anfang. Derselbe steht bekanntlih unter der Anklage, die Jury in dem

rozeß wider die Mörder Hennessey's bestohen zu haben. wei Advokaten führen die Vertheidigung des Gefangenen.

ie die „A. C“ berichtet, begaben sich ungefähr 30 Bürger, welhe sämmtlich bewaffnet waren, in den Gerichtssaal, um durch ihre Biene einen Druck auf die Jury auszuüben und eine Beschleunigung des Verfahrens zu veranlassen. Sie erwarten, daß wenigstens über eine der gegen O'’Mally erhobenen Anklagen noch in . diesem Monat ein Urtheil gesprohen werde, und seien entschlossen, jeder O entgegen- utreten. Die Großjury widmete sich den ganzen Lag dindur@ der Untersuchung des an den italienishen Ge-

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

18918.

Berlin, Montag, den 13. April

fangenen vollzogenen Lynchgerihts. Das Verhör der Gefängnißbeamten ergab jedoch kein besonderes Resultat, da sie sih hinter die Ausflucht zurückzogen, nicht Augen- zeugen der Erschießung der Ftaliener gewesen zu sein. Aus gleichem Grunde vermodten sie angeblih nur einige wenige der Lyncher zu identifiziren. Die Großjury veranlaßte darauf die Vernehmung aller Zeitungsberichter|tatter, welche bei dem Lynchgeriht zugegen gewesen waren. Einige von diesen nannten die Namen von Personen, welche Waffen getragen hatten. Die Großjury wollte ihren Bericht heute, Montag, unterbreiten.

Der Union League Club, eine der angesehensten und einflußreihsten New-Yorker Vereinigungen, faßte auf seiner am Donnerstag abgehaltenen Zusammenkunft Beschlüsse, welche einerseits das Lynchgeriht in New-Orleans entschieden verdammen, andererseits jedoch betonen, daß die Mehrheit der Theilnehmer daran weder aus Feinden des Landes bestanden, noch die freien Jn- stitutionen desselben zu gefährden beabsihtigt habe. Sie wären keine Anarchisten oder Revolutionäre, sondern vielmehr aufrihtige Freunde ihres Landes, welhe in dem Kampfe gegen die Organisation ausländisher Verbreher nur zu einem falshen Mittel gegriffen hätten. Die Vereinigten Staaten müßten gegen die Einwanderung von ausländischer Unwissenheit, Armuth und Verbrechen beshüßt werden. So- fortige Maßnahmen wären dringend nothwendig.

_ Das Handels- und Verkehr3amt in New-York be- absihtigt, bei der Legislatur eine Petition einzureichen, daß diese den Präsidenten der Vereinigten Staaten ersuhen möge, in seiner näthsten Botschaft die besondere Aufmerksamkeit des Kongresses auf den wehrlosen Zustand der Einfahrt in den New-Yorker Hafen zu lenken und s{chleunige Maßnahmen

2.

zur bejjeren Vertheidigung desselben zu treffen.

Chile. Nah in New-York eingegangenen Nachrichten des „W. T. B.“ aus JFquique vom 8. d. M. haben die JFnsurgenten Arica und Tacna genommen und sind jomit jezt im Besi des Nordens von Chile bis nah Copiapo. Die Beseßung der Städte sei ohne Widerstand erfolgt; die Regierungstruppen hätten sich nach der Grenze von Bolivia geflüchtet.

Argentinien. Der Flottenkdommandant Admiral Solier und mehrere Generale, welhe ein Manifest gegen die Kombination Mitre-Rocca unterzeichneten, sind, wie „R. B.“ aus Buenos-Aires meldet, verhaftet worden. Das in den leßten Tagen verbreitet gewesene Gerücht von einem Ausstande in Tucuman wäre jedoch nah neuerlih vorliegenden Nachrichten grundlos. s

Haus der Abgeordneten. 66, Sißgung vom Sonnabend, 11, April 1891.

…_, „DerSibung wohnen der Präsident des Staats-Ministeriums, Reichskanzler von Caprivi und der Minister des Jnnern Herr furth bei.

_ Die zweite Berathung der Landgemeindeordnung wird fortgeseßt bei S. 42. Hiernach steht das Gemeindereht demjenigen Gemeindeangehörigen zu, welcher entweder ein Wohnhaus im Gemeindebezirk besißt oder von seinem Grund- besiß_ in der Gemeinde mindestens 3 # Steuer entrichtet oder zur Staatseinkommenfteuer oder nah einem fingirten Steuer- saße von mindestens 4 J veranlagt und herangezogen ist, Die Worte „und herangezogen“ sind erst von der Kom- mission eingefügt worden. S /

Abg. Ridckert beantragt, die Worte „und herangezogen“ zu streichen. .

Abg. Freiherr von Huene: Die Kommission habe die Regie- rungsvorlage in diesem Paragraphen mehrfach geändert, und er möchte nit empfehlen, diese Aenderungen gut zu heißen. Die erfte Aende- rung beziehe sih darauf, daß nicht nur den jeßigen Hausbesitzern das Gemeindewablrecht erhalten bleiben solle, sondern daß au ihre Nath- ommen dieses Reht nit verlöôren, selbst wenn der Steuersat nicht der für einen Hausbesißer sonst nothwendige sei. Zweitens solle das Gemeindewahlreht nur Denjenigen gegeben werden, welche zu 4 Steuer nicht nur veranlagt seien, sondern diese Steuer auch wirklich zahlten. Wolle man auch diejenigen heranzieben, die nur zur Steuer veranlagt seien, sie aber nicht zahlten, so werde man einen eigen- thümlichen Unterschied machen zwischen Leuten, die weniger als 600 Einkommen und solchen, die mehr Einkommen hätten, aber beide zu den Gemeindelasten nichts beitrügen. Das würde dur{aus ungerecht- fertigt und auc praktisch undur{führbar sein. Er bitte also, diese Abänderungs8anträge abzulehnen und den Kommissionsantrag unver- ändert anzunehmen.

Minister des Jnnern Herrfurth:

Ih war gestern am S{lusse der Sitzung nit im Stande, den Ausführungen der Hrrn. Abgg. Rickert und von Zedlitz zu diesem Para- graphen vollständig zu folgen. Da der ftenographishe Bericht noh nicht erschienen ift, werde ih mich auf dasjenige beschränken müssen, was die Zeitungen gebracht haben, und was ih soeben aus der Rede des Hrn. Abg. von Huene als Entgegnung auf jene Einwendungen vernommen habe,

Der Hr. Abg. Rickert hat hiernach materiell die Bestimmung in §. 42 zu Nr. 6 ec bemängelt, er hat deren Beseitigung beantragt mit der Absiht, ohne Rücksiht darauf, ob eine Heranziehung der- jenigen Gemeindeabgabenpflihtigen, welche weniger als 900 A Ein- kommen haben, zu den Gemeindeabgaben erfolgt oder nit, ibnen doch das kommunale Wahl- und Stimmrecht beizulegen.

Der Hr. Abg. Freiherr von Zedliß hat materiell gegen diese Bestimmung nichts eingewendet, bemängelt aber die Fassung der- selben, und zwar wie ih demnächst ausführen werde, meines Erachtens allerdings mit volllommenem Recht.

Meine Herren, dieser §. 42 ift ja einer der wichtigsten Paragraphen der Landgemeindeordnung; er enthält eine der erheblihsten Neuerungen, welche diese Landgemeindeordnung bei der Regelung der ländlichen Gemeindeverhältnisse überhaupt bringt. Ih habe bei der Einführung der Landgemeindeordnung in der ersten Berathung dies ausführlich dargelegt und will kurz die Gründe rekapituliren, welche die Königliche

Staatsregierung bewogen haben, eine derartige Regelung vorzuschlagen,

wie sie in der Regierungsvorlage enthalten ist, um danach die Stellung zu präzisiren, welche sie ihrerseits den Abändervng8vorschlägen der Kommission gegenüber eingenommen hat.

Bisher war das kommunale Wahblrecht abgesehen von den allgemeinen Erfordernissen, die der §. 42, 1 bis 5 aufführt, ganz aus\ch{ließlich an den Besiß eines Wohnhauses in der Gemeinde ge- knüvft. Ein Census, d. h. irgend ein firirter Betrag an Staatssteuern als Vorbedingung des Wablrechts war nicht vorhanden. Der Vor- \{lag der Staatsregierung ging dahin: nah einer Seite hin dieses Wakhlrecht zu beschränken, nach -der anderen Seite hin es zu erweitern ; es zu beshränken bezüglih derjenigen Hausbesißzer, welhe nicht einen Minimalbeitrag von mindestens 3 an Grund- und Gebäudesteuer ertrichten, es auszudehnen aber auf Alle, auch die Nichteingesessenen, insoweit dieselben ein Einkommen von mehr als 660 #4 beziehen. Der Grund hierfür war der, daß die Staatsregierung im Anschlusse an faft sämmtliche Gemeindeverfassung8geseze in Preußen zu dem Prinzip \sich bekannte, daß das allgemeine Wahlrecht für die Gemeinden nicht eingeführt werden könne, daß ein Census festgehalten werden müsse, und daß zweckEmäßig dieser Census auch für die Hausbesißer festzustellen sei, wiewohl sie ihn nicht so hoch fixirt, wie er in anderen Gemeinde-Verfafsung8gesetzen, namentlich in den Landgemeindeordnungen der westlihen Provinzen, festgestellt ist. Andererseits aber glaubte die Staatsregierung davon ausgehen zu müssen, daß es nicht länger mehr mögli sei, den nicht- angesessenen Mitgliedern der Gemeinde das Stimmre(t voll- ständig zu entziehen, auh wenn sie von ihrem Einkommen einen Betrag an Steuer zahlen, welcher diesen Minimalsaß des Census überstiege, zumal wenn sie von diesem ihrem Einkommen au zu dem Gemeindeeinkommen erhebliche Beiträge leisten,

Der Grund der Ausdehnung des Stimmrehtes auf die Nict- angesessenen ist in den Motiven der Vorlage und von mir in der ersten Lesung dahin präzisirt worden, es sei zunächst cine Forderung der Billigkeit, daß diejenigen, welche erheblihe Beiträge zu den Gemeindeabgaben bezablen, auch an dem Gemeindestimmreht betheiligt werden, daß, wer mitthate, auch das Ret haben solle, mitzu- rathen. Sodann aber habe ih als zweiten Grund angegeben, daß es twwesentlich auG im Interesse der Gemeinden felbst liege, diese Elemente für die Gemeinde diensibar zu machen, sie in den Kreis der Gemeinde heranzuziehen, ihnen die Theilnahme an dem Gemeinde- leben zu ermöglichen, die Liebe zur Gemeinde dadurch zu wecken, daß man sie mitrathen lasse in den Angelegenheiten der Gemeinde. Es ist ja ausdrüdtlich von dem Herrn Minister-Präsidenten bei der Ein- führung der - Reformgeseße darauf hingewiesen worden, daß es der Zweck des vorliegenden Entwurfs sei, innerhalb der Gemeinde diese Thätigkeit auf breitere Kreise zu übertragen.

Meine Herren, wenn das mit gewissen Redewendungen, von denen ih niht weiß, ob sie überhaupt bestimmt sind, ernsthaft genommen zu werden, als eine Depossedirung oder Demokratisirung des Bauernstandes bezeihnet wird, fo genügt es, glaube ih, einfa auf die Erfahrungen hinzuweisen, die wir in Preußen selber gemacht haben, Wir können uns theoretishe Erörterungen darüber sparen ; denn wir haben in praxi derartige Einrichtungen seit länger als “einem Menschenalter mit bestem Erfolge in den westliben Landes- theilen gehabt. Meine Herren, wir haben in Westfalen, wo die Land- gemeindeordnung weitergehende Bestimmungen zu Gunsten der Nicht-

angesessenen enthält, einen Bauernstand, der so selbstbewußt, so in sich gefestet, fo zäh, so in bestem Sinne durch und dur konservativ ist, daß die Landestheile, für welhe diese Landgemeindeordnung be- stimmt ift, sich freuen könnten, wenn sie einen gleichen Bauernstand besäßen. Und, meine Herren, wenn wirkli Einzelne, wie der Hr. Abg. Gerlich gestern ausführte, jede Landgemeindeordnung, sie möge einen Inhalt haben, welchen sie wolle, fürchten, wie das Fledckfieber, so könnte ic denen vur wünschen, daß sie einmal Zeit und Gelegenheit fänden, sh die westfälishen Bauernverhältnisse etwas näher anzusehen, i glaube, sie würden das Gruseln vor einer Landgemeindeordnung verlernen. (Sehr rihtig!) Nebenbei gesagt, können sie auch noch etwas dort lernen, z. B. die Thatsache, daß es in Westfalen einen hocangesehenen, woblsituirten Stand der Großgrundbesißer, der sich des größten Einflusses in wirthschaftliher, sozialer und politischer Hinsitt erfreut, giebt, und daß diese Grundbesißer doch nicht in Gutsbezirken wohnen. (Hört, hört!)

Meine Herren, wenn in dieser Weise die Staatsregierung die Vorschläge Ihnen unterbreitet hat, so hat sie doch nah eingehender Erwägung keinen Anstand genommen, ihren Widerspruch gegen die Aenderungen, welche die Kommission vorgenommen hat, im Wesentlichen fallen zu lassen. Der Hr. Abg. von Huene hatte bereits bei der ersten Lesung hervorgehoben, es sei nicht genügend, wenn die Staats- regierung den Häuslern ihr Wahblre{t für ihre Person bei- behalte, sondern es müsse jedem ohne Rücksiht auf die Höhe seiner Steuerzahlung dieses Wahlrecht au in Zukunft vorbehalten bleiben. Nachdem ich auf Grund dieser Anführungen des Hrn. Abg. von Huene über den Umfang, in welhem Häusler ihr Wahlreht verlieren würden, nähere Ermittelungen veranlaßt habe, habe ich in der Kommission meinen Widerspruch dagegen fallen lassen, daß das Wahlre{t der Häusler unverändert dauernd beibehalten werde ohne Rücksicht auf die Höhe eines von ihnen zu entrihtenden Steuersatzes.

Ich kann es nun zwar niht für zweckmäßig erahten, wenn weiterhin die Kommission in Nr. b diejenigen Gemeindeangehörigen eingeshoben hat, die zwar niht mit einem Wohnhause, aber mit Grundbesiß angesessen sind, von demselben aber nur einen Jabhres- betrag von 3 K an Grund- und Gebäudesteuer zahlen und doch das Wahlrecht erhalten sollen, wenn ihr Gesammteinkommen weniger als 660 M beträgt. Aber mit Rücksicht darauf, daß allerdings das Moment des Angesessenseins in den Landgemeinden von sehr großer Bedeutung,- und daß die praktishe Tragweite dieser Bestimmung nur gering ist, habe ih au hiergegen einen Widerspruch niht erhoben.

Was nun aber den dritten Punkt anlangt, die Nr. c, so habe